A Myriad Of Feelings von Puppenspieler ================================================================================ So It’s True, When All Is Said And Done, Grief Is The Price We Pay For Love --------------------------------------------------------------------------- Yui hatte versprochen, dass sie sie besuchen würde. Nicht nur ihren Mädels, sondern vor allem sich selbst, denn es fühlte sich so furchtbar falsch an, sie einfach zurückzulassen, nach den Jahren, die sie miteinander gelacht und geweint – vor allem geweint! – hatten. Also besuchte Yui sie. Yui, Universitätsstudentin im ersten Semester, Mitglied ihres Universitätsvolleyballclubs, der als allgemein so schlecht gehandelt wurde, dass sie größere Chancen hatten, Übungsmatches gegen die alten Ömchen aus der Nachbarschaft zu bekommen, als gegen Gleichaltrige. Yui, der schon die Tränen kamen, als sie die Schultore vor sich sah, durch die sie drei Jahre am Stück jeden Tag marschiert war. Sie blieb stehen, noch bevor sie den Eingang erreichte.   „Okay!“, rief sie aus, niemandem bestimmten zu, und klatschte sich kräftig beide Hände ins Gesicht. „Okay! Sei stark, Mädchen!“ Sie konnte nicht weinen, wenn sie da hineingehen wollte, um ihren Mädchen Motivation und Kraft mitzubringen. Motivation und Kraft, die sie ganz dringend brauchen würden, wenn sie dieses Jahr besser abschneiden wollten. Die Interhigh lag doch quasi schon vor der Tür! Noch einmal holte sie tief Luft, straffte die Schultern, strich ihren Rock glatt. „Okay!“ Dann lief sie los, das letzte Stück Weg, das sie von ihrer Vergangenheit trennte, entschlossen, selbstbewusst, obwohl ihr Herz ihr bis zum Halse schlug und sie schon wieder das dringende Bedürfnis hatte, sich gehörig ins Gesicht zu klatschen.     Es hatte sich nichts verändert. Auf den ersten Blick war alles, wie es gewesen war, als Yui vor Ende des Schuljahres das letzte Mal hier gewesen war – vom Boden abprallende Volleybälle, Rufe, Rügen und Lobworte, aber auf Socken und in ihrem absolut unsporttauglichen Outfit fühlte sie sich trotzdem wie im falschen Film. Sie schluckte noch einmal hart, in der Hoffnung, alle Tränen, die schon darauf warteten, zu fallen, noch einmal runterwürgen zu können, nur so lange, wie es brauchte, bis sie ihre Mädchen wieder verabschiedete. „Heeey! Ich bin da!“, rief sie schließlich laut aus, und sie war stolz auf sich, dass sie es schaffte, so fröhlich zu klingen, wie sie sich unter aller Trauer eigentlich auch fühlte. Einige Köpfe drehten sich zu ihr herum, und während da nun Gesichter waren, die ihr unbekannt waren – Erstklässlerinnen, und wie Yui feststellte, sogar nicht einmal wenige –, waren da vor allem die vertrauten Gesichter ihrer alten Teamkameradinnen. „Yui-Senpai!“ Sie sahen gut aus. Chizuru stand es, Captain zu sein. Yui hatte es im Grunde schon letztes Jahr gewusst, aber sie jetzt hier zu sehen, ohne die Drittklässler, deren Rat sie sich noch so oft geholt hatte, strahlend und selbstbewusster, als Yui sie in Erinnerung hatte – am liebsten hätte sie geweint. Chizuru kam schlitternd vor ihr zum Stehen, und ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen feucht, aber sie sah wirklich glücklich aus. „Wir haben gleich noch ein Trainingsspiel gegen Yodogawa! Möchtest du nicht bleiben, um es anzuschauen?“   Yodogawa. Noch längst nicht so stark wie Niiyama, aber auch eine der Schulen, die jedes Jahr einen der besseren Plätze in der Vorrunde pachteten. In all den drei Jahren, die Yui Teil von Karasunos Mädchen-Volleyballteam gewesen war, hatten sie nicht einmal gegen sie gewonnen. „Dieses Jahr sind wir ziemlich stark“, fuhr Chizuru fort, ihre Augen glühten vor Stolz, „Unsere Erstklässler sind unglaublich! Und du weißt doch noch, wie Yodogawa eigentlich fast nur Drittklässler als Startaufstellung hat, die haben mit dem Schuljahreswechsel sooo viel verloren und haben quasi komplett neu besetzt. Wir haben Chancen!“ Yuis Mundwinkel zuckten, dann lächelte sie und nickte. Natürlich würde sie zusehen!   (Aber es war… deprimierend. Fort zu sein, jetzt, wo der Aufschwung kam.)     Sie gewannen.   Es war bestimmt viel Glück dabei, und Yui war sich sicher, dass sie die Siegessträhne nicht ohne sehr hartes Training weiter fortführen könnten, aber sie gewannen. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie ihr Team jemals so stolz und glücklich gesehen hatte. Sie waren nie besonders gut gewesen, und Yui hatte sich viel zu früh damit arrangiert und gar nicht mehr versucht, etwas zu ändern. Nicht wirklich. Wenn sie es getan hätte… Wäre sie dann jetzt weniger traurig bei diesem Anblick? Würde sie sich dann weniger danach fühlen, zu weinen, während ihre alten Kameradinnen feierten und sich freuten? Vor sich sah sie, was ihr High-School-Leben hätte sein können, hätte sie irgendwann einmal einen anderen Weg eingeschlagen. Es machte sie traurig. Sie bereute nicht, denn im Endeffekt hatte sie wunderbare drei Jahre gehabt, aber es machte sie traurig, dass ihr Team damals nie so viel Grund gefunden hatte, um zu feiern, dass die Tränen, die sie vergossen hatten, viel mehr Frust gewesen waren und so selten Freude. Ach, das ist doch blöd.   Sie grimassierte kurz, in der Hoffnung, ihre Mimik danach wieder besser unter Kontrolle zu haben, dann stürzte sie sich in den Pulk aus jubelnden Mädchen und verteilte die Umarmungen und Glückwünsche, die sie selbst als Captain nie hatte verteilen können. Es dauerte noch lange, bis sie nach allen Umarmungen und Glückwünschen und Zusprüchen und Bewunderungen raus aus der Sporthalle kam, gemeinsam mit dem aktuellen Mädchen-Volleyballteam, und es dauerte noch länger, bis sie sich schließlich trennten und Yui alleine war auf dem Weg nach Hause.     Kaum, dass das Lachen der anderen im Hintergrund verstummte, war es auch bei Yui vorbei mit dem Lachen und der Fröhlichkeit. Sie fiel zu Boden, wo sie stand, und weinte, trauerte um ihr geliebtes, altes Team, das nie so viel Glück erfahren hatte, und trauerte darum, dass sie viel zu früh hatte gehen müssen und nicht länger auf dem Spielfeld stehen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)