Herzenswille von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 12: Unverhofft ---------------------- Frühling...   Der harte Winter war endlich vorüber, vom Schnee war auch nichts mehr übriggeblieben und die Natur erwachte aus dem langen Schlaf: Das sanfte Grün sprießte aus der Erde, die ersten Blätter auf den Bäumen entfalteten sich in ihrer Pracht, die Zugvögel kehrten zurück, die Tage wurden länger und die Sonne schenkte immer mehr Wärme. Die hellen Strahlen brachen schon am frühen Morgen, als die Nacht gerade im Rückzug war, in die Fenster der Häuser ein, verjagten die restliche Dämmerung und kitzelten diejenigen in die Nase, die noch in ihren Betten lagen.   Oscar regte sich schlaftrunken in Andrés Armen - sie wollte nicht aufstehen und erst recht nicht ihn wecken, aber es würde bald das Leben auf dem Anwesen erwachen und es wäre besser, wenn er noch vor den ersten Bediensteten, besonders vor seiner Großmutter, auf seinem Zimmer war. Dieses heimliche Spiel der verborgenen Liebe wurde beinahe zum Ritual. Aber nicht mehr lange... Schon bald würde das nicht mehr gehen können...   Oscar seufzte schwer und saß vorsichtig auf – sie war gleich nach der Liebesnacht an der Brust ihres Geliebten eingeschlafen. Sein Arm rutschte an ihrem nackten Körper nach unten und wieder stieg eine leichte Übelkeit in ihr hoch. Oscar ließ gleich ihre Beine vom Bett herab, schlang ihre Arme um die Mitte und beugte sich vor. Nicht schon wieder! Wann würde das endlich nachlassen?   Mit tiefen Atemzügen ebbte die Übelkeit ab und kurz darauf spürte sie ihren Geliebten dicht hinter sich – schon alleine sein warmer Körper gab ihr den Trost und beruhigte sie. Er legte um sie seine Arme, zog sie zwischen seine Beine enger an sich und schenkte ihr seine Geborgenheit. „Guten Morgen.“, murmelte er in ihr Haar umsorgt. „Geht es wieder?“   „Guten Morgen. Ja, mir geht es besser.“, flüsterte sie zurück und genoss für kurzen Moment diese Innigkeit. „Es ist bald soweit...“   „Ja, in einer Woche wird die Dreiständekammer beginnen.“ André schob ihr das Haar zur Seite und küsste sie zärtlich auf die Schulter.   Oscar genoss es ihrerseits sehr, aber das brachte sie auch nicht von dem Thema ab. „Das heißt, dass wir nicht mehr so oft auf das Anwesen kommen können und werden mehr Zeit in der Kaserne verbringen.“   „Das ist wohl wahr...“ Andrés Finger fuhren sachte von ihrer Oberweite nach unten, erreichten die kleine Bauchwölbung und blieben mit der ganzen Handfläche dort ruhen. „Es wird immer größer...“   „Ich kann es aber noch unter meiner Uniform gut verbergen.“, versuchte Oscar ihn und sich selbst zu beruhigen. „Es wird alles gut werden, André, vertrau mir.“   „Ich vertraue dir voll und ganz...“ Das tat André wirklich, nur die Sorge wuchs in ihm stetig, so ähnlich wie ihr Bauch. „Ich will dich nur nicht verlieren... Ich will euch nicht verlieren...“ Er strich ihr liebevoll an der Wölbung und Oscar gewährte ihn. Sie wandte sich in seinen Armen halbwegs um, er ließ sie rücklings in die Kissen sachte fallen und verteilte kleine Küsse um dem Bauchnabel herum. „Wann wird es kommen?“   Oscar strich ihm dabei gedankenverloren durch sein dichtes, schulterlanges Haar. „Ich schätze im Herbst...“ Ja, sie konnte selbst noch nicht richtig daran glauben, aber sie war guter Hoffnung und trug eine Verantwortung mehr. Es musste in einer der Nächte entstanden sein, die sie im Winter zwischen Januar und Februar mit ihrem André hier auf dem Anwesen verbracht hatte. Sie hatten es sich nicht nehmen lassen, diese Nächte auszunutzen und ihre Liebe zu genießen. Dass Oscar dabei schwanger werden könnte, hatte keiner von ihnen bedacht – sie beide waren ja bereits Anfang dreißig und hatten bisher immer Glück gehabt. Nun hatten sie den Preis für ihre heimliche Liebe bekommen... Der Preis, der in diesen unruhigen Zeiten nicht gerade angebracht oder passend war, aber bestätigte dennoch ihre Liebe und war demzufolge irgendwo willkommen und machte sie auf eine andere Art auch glücklich. Wenn doch nur die Umstände bloß etwas anders wären...   Im März war Oscar zum ersten Mal übel geworden, als sie genauso wie heute neben ihrem Geliebten aufwachte und er mit ansehen musste, wie sie ihr Abendessen in dem Nachttopf erbrach - jetzt konnte sie wenigstens die Übelkeit gewissermaßen kontrollieren. Zuerst hatte sie sich nichts dabei gedacht, dann wiederholte es sich und es war ausgerechnet André, der seine Sorge geäußert hatte und sie in das Licht mit seiner Vermutung geführt hatte. Oscar wollte es nicht glauben, obwohl ihr Gefühl ihr das Gegenteil vermittelte und ihr Bauch im letzten Monat zu Wachsen begann. Erst da fing sie langsam an ihren Umstand zu akzeptieren und André, der sowieso das schon längst geahnt hatte, liebte sie noch mehr.   Oscar war ihm dankbar für alles und schwor sich insgeheim, für ihn und für das Kind alles zu tun, was in ihrer Macht stand und sie zu beschützen. „Ich muss los...“, hörte sie ihn sagen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. „Ich werde dann gleich auch aufstehen“, erwiderte sie und saß auf.   André schloss sie ein letztes Mal in die Arme, schenkte ihr einen innigen Kuss und stieg dann aus ihrem Bett. Auf dem Boden, gleich neben dem Bett, fand er seine Sachen, zog sich an und setzte sich zu Oscar, die ihn die ganze Zeit beobachtet hatte, ohne an ihre Blöße zu denken. Vor ihrem Geliebten brauchte sie sich nicht zu verstecken, er kannte jede Stelle an ihrem Körper und sie an dem seinen. Dennoch nahm er eine Decke und legte sie um die Schultern. „Sonst wird es kalt.“   „Wir haben Ende April.“   „Trotzdem.“ André strich ihr zärtlich an der Wange, küsste ihre Lippen und verließ dann ihre Gemächer.   Oscar hüllte sich noch etwas in die Decke ein, wartete bis der Morgengrauen sich gänzlich im Zimmer ausbreitete und erst dann verließ sie ihr Bett, machte die Morgenwäsche, zog sich an und ging in ihren Salon, um bis zum Frühstück an ihrem Klavier zu spielen.       - - -       Die letzten Tage in diesem Monat regnete es unablässig. In der Kaserne herrschte Ruhe. Die Söldner spielten meistens Karten in ihrem Quartier, als die Tür aufging und einer ihrer Kameraden den Raum betrat. Wasser triefte ihm vom Regenumhang und Mütze. Die Söldner starrten ihn überrascht an, sie fanden sich schon langsam damit ab, dass er nie mehr kommen würde. „Hey, bist du das, Alain? Lange nicht gesehen!“, rief einer von ihnen.   „Lange nicht gesehen, aber trotzdem erkannt.“ Alain zog seine Mütze und seinen Umhang ab und hängte das an einen Hacken an der Wand. „Wie geht es euch, Jungs?“   „Das mit deiner Schwester tut uns sehr leid.“, brachte jemand ein aufrichtiges Beileid für alle und Alain fand sich im nächsten Augenblick im Kreis seiner Kameraden. „Armes Mädchen. Und deine Mutter ist auch gestorben, unser Beileid. Wir dachten, wir sehen dich bei der Truppe nie wieder.“   „Ich hatte gar nicht vor, hierher zurückzukehren.“ Alain kam auf den Tisch zu und ließ sich auf einen der Stühle nieder. „Ich dachte, meine Zeit bei der Armee ist endgültig vorbei. Aber bin nun doch wieder da.“ Er verschränkte seine Finger ineinander und stützte darauf sein Kinn. „Meine Schwester und meine Mutter sind an einer Stelle begraben, wovon aus man direkt auf das Meer blicken kann. Ich war oft dort. Wenn ich an ihren Gräbern saß, wünschte ich mir, ich wäre tot wie sie.“ Seine Gesichtszüge änderten sich von einem Moment auf den anderen. „Aber nun bin darüber hinweg. Wir lassen jetzt den Kopf nicht hängen, sind jetzt doch so große Zeiten.“   André verließ das Quartier und ging in das Offizierszimmer, um seiner Oscar über Alains Rückkehr zu melden. „Das ist gut.“, meinte Oscar und ging ans Fenster, wo draußen noch immer der Regen wie aus Eimern schüttete. André folgte ihr. „Oscar, ich habe gehört, dass Graf von Fersen nach Schweden zurückgekehrt ist. Ihm blieb keine Zeit mehr, sich von dir zu verabschieden.“   Oscar sah weiterhin aus dem Fenster. Warum erzählte er ihr das? Sie war doch mit ihm zusammen und trug bereits ein Kind von ihm unter ihrem Herzen. Sie seufzte und legte hauchfein ihre Handfläche auf die kleine Bauchwölbung, die unter der kompakten, blauen Uniform noch vor allen Augen unsichtbar blieb. Noch. Oscar lenkte gleich das Thema in eine andere Richtung. „Wir werden eine spezielle Übung zum Schutz der Dreiständekammer abhalten, sag allen Bescheid.“   „Gut mache ich.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)