Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 1: Neues Schuljahr - Neue Rätsel ---------------------------------------- Neues Schuljahr – Neue Rätsel Zusammen mit seinen beiden Freunden Ron und Hermine betrat Harry die große Halle von Hogwarts. Das sechste Schuljahr hatte begonnen und alle Schüler saßen an ihren Haustischen und warteten darauf, dass die neuen Erstklässler hereingeführt wurden. Harry setzte sich zwischen Ron und Ginny, während Hermine gegenüber neben Neville und Seamus Platz nahm. An allen vier Haustischen erzählten die Schüler eifrig von ihren Sommerferien. Nur Harry war nicht nach Erzählen zumute. Was sollte er auch groß erzählen? Bei den Dursleys erlebte er ja nicht sonderlich viel und es interessierte sicherlich keinen, wie oft er den Rasen gemäht oder den Ofen geschrubbt hatte. Leider waren diese Ferien aber auch gefühlt die längsten von allen gewesen, da er sich blöderweise angewöhnt hatte, im Schlaf über die Ereignisse vor drei Monaten nachzudenken. Immer wieder ging sein Gehirn die Fehler durch, die Harry gemacht hatte und die zu diesem Kampf im Ministerium geführt hatten, bei dem nicht nur seine Freunde verletzt worden waren, sondern auch Sirius von Bellatrix Lestrange getötet wurde. Und dass der Tagesprophet auch noch nichts besseres zu tun hatte, als auf dem Geschehen im Ministerium herum zu reiten, machte das Ganze auch nicht besser. Dass Sirius unschuldig und im Ministerium gestorben war, war für den Tagespropheten natürlich nicht groß von Bedeutung. Nein, wichtig war ja nur zu verkünden, dass Harry der 'Auserwählte' war. Und das jeden Tag aufs Neue, damit die Leser das auch ja nicht vergaßen. Auch jetzt konnte Harry Gesprächsfetzen seiner Mitschüler erhaschen, bei denen sie über ihn und Voldemort zu sprechen schienen. Die verstohlenen Blicke, die sie ihm dabei zuwarfen, bestätigten seine Annahme. Er versuchte es so gut wie möglich zu ignorieren. „Halloooohooo?! Erde an Harry!“, rief Hermine, während sie mit ihren Händen vor Harrys Gesicht herumwedelte. Harry schrak aus seinen Gedanken und sah sie verdutzt an. „Was ist?“ „Sag mal, wo bist du nur mit deinen Gedanken? Du bist schon den ganzen Tag so“, gab Hermine mit verständnislosem Blick zurück. „Darf ich jetzt noch nicht mal mehr nachdenken?“, fragte Harry patzig. „Kommt drauf an worüber du nachdenkst“, antwortete die junge Hexe und schaute ihn prüfend an, als könne sie so sehen, über was er so scharf nachgedacht hatte. Ron hingegen schaute nur ungeduldig zum Eingang. „Wo bleiben die Erstklässler? Ich hab Hunger!“ Hermine verdrehte die Augen. „Kannst du auch mal an was anderes denken als an Essen?“ „Und kannst du mal aufhören bestimmen zu wollen wer was denken darf?“, gab Ron nur zurück. Hermine setzte an etwas zu sagen, doch schien sie es sich anders zu überlegen und schaute nun zum Lehrertisch. „Hey, der Platz für den Lehrer in Verteidigung gegen die dunklen Künste ist leer“, sagte sie auf einmal, woraufhin Ron und Harry ihrem Blick folgten. Sie hatte recht. Der Platz links neben Snape war nicht belegt, ebenso wie der Rechte, doch das war der Platz von Professor McGonagall, die noch mit den Erstklässlern beschäftigt war. Snape hingegen bemerkte die Blicke der drei und funkelte sie aus seinen schwarzen Augen an. Ron und Hermine schauten schnell weg, aber Harry sah es nicht ein den Blick abwenden zu müssen und schaute genauso grimmig zurück. Eine Zeit lang tauschten sie noch diese Blicke, bis Dumbledore Snape anstieß und ihm etwas zu erzählen schien und Snape sich leicht genervt dem Alten zuwandte. „Also scheint der neue Lehrer noch nicht angekommen zu sein, was?“, setzte Harry zu einem Gespräch an, als er sich wieder zu seinen Freunden gedreht hatte. „Vielleicht hat Dumbledore ja noch keinen Lehrer gefunden. Wenn man mal bedenkt, dass kein Lehrer länger als ein Schuljahr durchgehalten hat“, rief Ron hoffnungsvoll aus. Hermine schüttelte nachdenklich den Kopf. „Er hat bestimmt jemanden gefunden. Er kommt wahrscheinlich nur später.“ „Musst du mir immer jeden Hoffnungsschimmer zerstören?“, gab Ron mürrisch zurück. Harry sagte nichts dazu. Ihm war es egal, welchen Lehrer sie in VgddK bekommen würden, solange es nicht Snape oder Umbridge waren. Plötzlich öffnete sich das Tor zur Halle und Professor McGonagall kam herein, gefolgt von eingeschüchterten Erstklässlern, die brav in Reih und Glied hinterher tapsten. „Na endlich!“, sagte Ron. „Wurde aber auch Zeit!“ Hermine warf ihm einen missbilligenden Blick zu, doch der ignorierte sie einfach. Die neuen Schüler wurden vom sprechenden Hut ihren Häusern zugeteilt, was Rons Meinung nach viel zu lange dauerte. Als alle Schüler durch waren, stellte Professor McGonagall den Hut und den Hocker beiseite und nahm zwischen Dumbledore und Snape platz. Dumbledore erhob sich, sobald sie saß, und sah freudig lächelnd in die Gesichter der Schüler. „An die neuen Schüler: Willkommen in Hogwarts! An die alten Hasen: Willkommen zurück!“, begann er zu sprechen. „Ich will hier jetzt keine großen Reden schwingen und sage deshalb nur: Haut rein!“ Kaum hatte er dies ausgesprochen, bogen sich die Haustische auch schon unter der Last der vielen Köstlichkeiten, die auf einmal auf ihnen erschienen. Doch bevor die Schüler zugreifen konnten, wurde auf einmal die große Tür zur Halle erneut aufgestoßen. Alle Schüler blickten neugierig zum Eingang, in dem eine Frau in einem schwarzen Umhang erschienen war und nun schnellen Schrittes auf den Lehrertisch zutrat. „Verdammt, hat Snape sich umoperieren lassen oder was?“, platzte es aus Ron heraus. Hermine versetzte ihm einen heftigen Tritt unterm Tisch, was diesen kurz aufjapsen ließ, bevor er Hermine böse anfunkelte. Harry jedoch starrte weiterhin diese Frau an, die nun an ihnen vorbei kam. Er konnte Rons Gedanken verstehen. Die Frau hatte lange, schwarze Haare, die sie zu einem simplen Pferdeschwanz gebunden hatte. Ihre Augen waren genauso schwarz wie die von Snape und ihr Blick war, ohne das eine Gefühlsregung darin zu erkennen war, nach vorne gerichtet. Die Schüler, die sie nun alle anstarrten, ignorierte sie gekonnt. Auch ihre Gangart und wie ihr Umhang hinter ihr her wehte, erinnerte stark an den Tränkemeister. „Ab und zu solltest du vielleicht nachdenken, bevor du den Mund auf machst, Ronald“, gab Hermine bissig von sich und blickte zum Lehrertisch. „Allerdings scheint Snape über ihren Besuch nicht gerade froh zu sein“, fügte sie noch erstaunt hinzu und runzelte die Stirn. Harry und Ron folgten ihrem Blick zu Snape. Dieser saß stocksteif an seinem Platz und starrte die Frau an. Seine Hand war in der Bewegung zum Brötchenteller erstarrt, was ein, für Snape, ungewohntes Bild ergab. Dumbledore war währenddessen aufgestanden und strahlte die Frau an. Sie erreichte den Lehrertisch, schüttelte Dumbledores Hand und erwiderte sein Lächeln. „Schön, dass Sie es noch bis zum Festessen geschafft haben“, sagte Dumbledore zu ihr. Diese nickte nur und ging zum freien Platz neben Snape, den Dumbledore ihr zugewiesen hatte. Bevor sie sich setzte, erhob Dumbledore das Wort: „Ich möchte euch eure neue Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste vorstellen: Professor Levin.“ Die Frau verneigte sich kurz vor den Schülern, bevor sie sich auf ihren Platz setzte. Sofort begann das Stimmengewirr der Schüler. „Hallo Severus!“, sprach Professor Levin leise zu Snape, ohne ihren Blick von den Schülern abzuwenden. „Das war ja mal ein gelungener Auftritt, Syndia“, gab Snape kalt zurück, während er versuchte, seine Fassung zurück zu erlangen. „Was zum Teufel willst du hier?!“, fügte er hinzu, seine Wut in der Stimme nicht versteckend und funkelte Professor Levin böse an. Diese holte tief Luft, ehe sie Snape in die Augen sah. „Das ist eine lange Geschichte. Ich werde es dir erklären, aber nicht hier.“ Snape setzte an etwas zu sagen, doch Professor Levin kam ihm zuvor: „Es tut mir Leid, okay? Ich weiß, dass du sauer bist und du bist es auch zu Recht. Aber höre dir bitte zuerst an, was ich zu sagen habe, bevor du mich anschreist.“ „Auf deine Märchen kann ich verzichten!“, zischte Snape und stand auf, um dann in der Tür hinter dem Lehrertisch zu verschwinden. Professor Levin wollte ihm zuerst folgen, überlegte es sich aber anders und blickte ihm nur traurig hinterher. „Keine Sorge, Syndia. Er wird sich beruhigen“, kam es von Dumbledore. Levin sah ihn an und nickte nur, ehe sie sich etwas zu Essen auffüllte. Harry, Ron und Hermine hatten dieses Szenario von ihren Plätzen aus beobachtet. Nachdenklich schüttelte Harry seinen Kopf. „Was die wohl beredet haben? Es sieht Snape nicht ähnlich einfach so zu verschwinden. Schließlich muss er doch sein Gesicht wahren.“ „Naja“, setzte Ron an, „diese Frau ist aber auch etwas seltsam, findet ihr nicht? Und sie sieht Snape so verdammt ähnlich. Ich wette alle meine Schokofroschkarten darauf, dass die verwandt sind!“ Hermine sah ihn skeptisch an, richtete ihren Blick aber bald wieder nach vorne. Levin unterhielt sich nun mit Professor McGonagall und hatte alle Gefühlsregungen aus ihren Gesichtszügen verbannt. „Wir werden sehen. Vielleicht erzählt sie uns ja etwas, wenn wir mit ihr Unterricht haben“, sprach Hermine weiter. „So sicher wäre ich mir da nicht“, sagte Ron und kräuselte die Nase. „Wenn sie genauso ist wie Snape, wird sie uns wohl kaum ihre Lebensgeschichte erzählen. Oh, hoffentlich ist sie es nicht. Es reicht schon aus in einem Fach so einen Lehrer zu haben.“ Alle drei schwiegen. Harry schaute nochmals zur neuen Lehrerin, die ihren Blick über die Schüler schweifen ließ. Als sie bei Harry angelangt war, schauten sie sich an. Nochmals staunte Harry über ihre schwarzen Augen, die denen von Snape so verblüffend ähnlich waren. Levin hingegen schien ihn zu erkennen und lächelte ihn leicht an. Es war kaum zu sehen, doch Harry konnte dieses winzige Mienenspiel erkennen. Er lächelte zurück und sah sich ihr Gesicht noch einmal genauer an. Ganz so ähnlich, wie man es im ersten Moment dachte, war sie Snape gar nicht. Zwar hatte sie die gleichen Augen und die selbe Haarfarbe, doch hatte sie eine gerade, kleine Nase und feinere Gesichtszüge als der Tränkemeister. Es war wohl eher ihre 'Aura', die Snape so sehr ähnelte. Nach kurzer Zeit wendete Levin ihren Blick von Harry ab und sprach wieder mit McGonagall. Severus Snape lief schnellen Schrittes und mit wehender Robe durch die Gänge. Noch immer versuchte er seine Wut zu zügeln, die eben in ihm entfacht war. Es hatte keinen Sinn in der großen Halle zu bleiben. Er wollte sich nicht die Blöße geben und noch in Anwesenheit aller Schüler einen Wutausbruch bekommen. Was bildete sich diese Frau bloß ein?! Dachte sie etwa, dass sie nur wieder aufzutauchen brauchte und alles sei wieder in Ordnung?! Sie schien noch nicht einmal darüber nachgedacht zu haben, was sie angerichtet hatte. Und Dumbledore schien sie auch noch zu unterstützen. Warum hatte dieser alte Mann ihm nicht gesagt, dass sie hier auftauchen würde? Dann wäre er gar nicht erst zum Festessen erschienen oder hätte sich wenigstens wappnen können. Noch immer kochend vor Wut, betrat er sein Büro und ging durch eine weitere Tür in seinen Wohnbereich. Dort schwang er seinen Zauberstab, sodass ein Glas und eine Flasche Feuerwhisky aus der Vitrine zum Tisch schwebten. Er schenkte sich ein und setzte sich in den Sessel vor dem Kamin, in dem gerade ein Feuer zu züngeln begann. Mit langsam abflauender Wut, nahm er einen großen Schluck und starrte dabei ins Feuer. Sie wollte ihm also alles erklären, ja? Ob sie ihm jedoch die Wahrheit erzählen würde, wäre eine andere Sache. Immerhin hatte sie es all die Jahre auch nicht für nötig gehalten ihm zu erklären, was los war. Lange Zeit hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, was das alles sollte und vor allem, warum sie ihn so im Stich gelassen hatte. Da er nie zu einem Ergebnis gekommen war, hatte er das Grübeln irgendwann aufgegeben. Langsam stieg wieder die Wut in ihm auf. Ja, sie hatte ihn im Stich gelassen. Sie hatte sich all die Jahre nicht blicken lassen, obwohl sie ihm damals versprochen hatte, sich wieder öfter zu melden, sobald sie ihr Studium beendet hatte. Doch nichts war geschehen! Nichts! Severus stand auf und trat zu seinem Bücherregal, das Glas noch in der Hand. Er zog ein altes Notizbuch heraus und entnahm daraus zwei Briefe, die inzwischen auch schon einige Jahre dort drin lagen. Sie hatte ihm nur diese beiden Briefe geschickt, in denen auch nur das Notwendigste drin stand. Briefe, die sie ihm auch nur geschickt hatte, weil es sich so gehörte. Diese Briefe waren der einzige Beweis dafür, dass Syndia überhaupt noch lebte. Lange Zeit hatte er befürchtet, dass ihr etwas zugestoßen war, doch als der erste Brief eintraf und Syndia darin noch nicht einmal ihre Grüße ausrichtete, wusste Severus, dass sie sich einfach nicht melden wollte. Severus hatte versucht Kontakt mit ihr aufzunehmen, aber er konnte einfach nicht herausfinden wo sie nun lebte und die Eulen hatte man auch nicht zurückverfolgen können. Bevor er die Briefe noch in seiner Wut zerreißen könnte, schob Severus sie wieder zwischen die Seiten des Notizbuches und stellte dieses zurück ins Regal. Gedankenversunken trat er wieder zum Kamin und schaute in die Flammen. Er hatte wohl keine andere Wahl. Er musste sich die Erklärungen von Syndia anhören. Doch nicht mehr heute, schließlich wollte er ihr nicht an die Gurgel gehen. Sie müsste mit ihrer Geschichte wohl bis Morgen warten und falls diese nicht glaubwürdig genug war, konnte er sie immer noch rausschmeißen. Severus leerte das Glas in einem Zug und stellte es zurück auf den Tisch. Einige Zeit lang schlich Severus durch seine Wohnung, sortierte seine Tränkelisten im Büro weg, nahm sich Bücher aus den Regalen, doch er konnte sich auf nichts konzentrieren. Es hatte keinen Sinn. Selbst eine heiße Dusche half ihm nicht, seine Gedanken zu beruhigen und so zog er sich einfach frühzeitig ins Schlafzimmer zurück. Von der Wohnstube aus konnte er hören, wie jemand hartnäckig an seiner Tür klopfte. Das konnte ja nur Syndia sein. Murrend löschte Severus alle Lampen und verzog sich ins Bett. Er war zwar noch nicht müde, aber lieber im Bett liegen, als sich mit Syndias Erklärungen herum zu schlagen. Nach dem Festessen hatte sich Syndia zuerst auf den Weg in ihre eigenen Räume gemacht. Da sie erst kurz vor dem Festessen angekommen war, hatte sie noch keine Möglichkeit gehabt, sich hier umzusehen geschweige denn ihre Koffer auszupacken. Nun stand sie mit ihren wenigen Sachen in dem größten Raum, der als Wohnzimmer genutzt wurde. Mit wenigen Zaubern waren ihre Sachen ausgepackt und als letztes stellte sie mit einem liebevollen Lächeln ein Bild auf ihrem Schreibtisch auf. Darauf war ein Junge mit kurzen schwarzen Haaren zu sehen, der mit seinen ebenso schwarzen Augen in die Kamera sah. Er saß an einem Baum gelehnt in dessen Schatten und blätterte in einem Buch. Bevor er jedoch heimlich fotografiert werden konnte, schaute er auf und lächelte in die Kamera. Langsam wurde Syndias Blick wieder nachdenklich. Der Kleine erinnerte sie an Severus. Am besten würde sie noch heute Abend mit ihm sprechen, um die ganzen Missverständnisse aufzuklären. Seufzend wanderte sie in die Küche, um sich Wasser für Tee aufzusetzen. Während sie wartete, blätterte sie am Tisch lehnend im Tagespropheten. Die Titelseite nahm einen Bericht über den 'Auserwählten' ein, bei dem ein Bild von Harry Potter zu sehen war. Genervt verdrehte die Hexe die Augen. Sie hatte schon seit vielen Jahren nichts mehr mit England am Hut gehabt, doch selbst ihr war aufgefallen, wie die Presse diesen Vorfall vor knapp 3 Monaten ausschlachtete. Es war schön und gut, wenn man den Menschen Hoffnung geben wollte, doch sollte man das, ihrer Meinung nach, nicht zu Lasten eines 16-jährigen Jungen tun. Ihr waren die Blicke der Mitschüler von Harry Potter nicht entgangen. Sie kannte ihn zu wenig, um beurteilen zu können, ob er wirklich so war wie im Tagespropheten beschrieben. Doch als sie heute Abend in seine Augen gesehen hatte, erkannte sie, dass ihm diese ganze Aufruhr um ihn herum einfach nur nervte. Am inzwischen fertigen Tee nippend, blätterte Syndia die Zeitung durch, ohne großes Interesse an den Artikeln zu zeigen. Sie suchte nach etwas Bestimmtem. „Nichts“, stellte sie zufrieden fest, als sie die Zeitung durchgesehen hatte und legte sie zurück auf den Küchentisch. Das Ministerium hatte es also endlich mal geschafft, etwas vor der Presse geheim zu halten. Besser war es, wenn diese nichts von den neuesten Ereignissen wusste. Es würden nur Fragen aufkommen, die sehr hinderlich werden würden. Mit einem Blick auf die Uhr leerte sie ihre Tasse und stellte diese in die Spüle. Wenn sie Severus noch erwischen wollte, sollte sie bald losgehen. Auch wenn sie ihre Chancen gering einschätzte, dass Severus ihr zuhören würde. Mit Sicherheit würde er erstmal auf stur und beleidigt stellen. Am liebsten hätte Syndia bei dem Gedanken einfach nur die Augen verdreht, aber leider wusste sie, dass Severus dieses Mal im Recht war. Gähnend lief Harry neben seinen beiden Freunden her. Er hatte am Vorabend noch lange wach gelegen. Er hatte gehofft sich mit den neuesten Ereignissen ablenken zu können, doch wenn er alleine war und nichts zu tun hatte, schweiften seine Gedanken wieder zu Sirius. Harry strich sich durch die Haare. Nein, er würde jetzt nicht wieder ins Grübeln fallen. Heute war der erste Schultag. Heute wollte er sich wieder ganz der Schule widmen. Ron sah nicht minder müde aus, obwohl er wesentlich früher eingeschlafen war. Hermine hingegen schaute sich mit wachen Augen in der großen Halle um, die sie gerade betreten hatten. Ein Großteil der Schüler war bereits eingetroffen, doch waren einige Lücken an den Tischen zu erkennen. An den Tischen von Hufflepuff und Gryffindor war es am lautesten. Dort wurde gelacht, rumgealbert und dabei ganz das Frühstück vergessen. Harry, Ron und Hermine setzten sich an den Gryffindortisch und schnappten sich etwas Rührei. Hermine blickte zum Lehrertisch, nur um festzustellen, dass der Platz links von Snape leer war, während der Tränkemeister ungestört frühstückte. Nichts auffälliges. Snape benahm sich ganz normal, als sei gestern Abend nichts geschehen. „Snape scheint sich wieder im Griff zu haben“, bemerkte Harry, als er Hermines Blick gefolgt war und den Tränkemeister beobachtet hatte. „Mal sehen wie er sich verhält, wenn erstmal die neue Lehrerin aufgetaucht ist“, grinste Ron, sichtlich gespannt auf diese Situation. Es sorgte bei ihm für eine ungewöhnlich gute Laune, wenn er beobachten konnte, wie Snape die Fassung verlor. Natürlich nur, wenn es sich dabei nicht um einen Wutanfall handelte, bei dem er in Reichweite des Tränkemeisters war. Er biss von seinem Marmeladenbrot ab und achtete immer im Augenwinkel darauf, ob sich die Tür hinter dem Lehrertisch öffnete. Hermine hingegen schüttelte bei dieser sichtlichen Schadenfreude nur den Kopf. Inzwischen waren fast alle Schüler anwesend und die Hauslehrer erhoben sich, um die Stundenpläne an die Schüler zu verteilen. „Hey, wir haben die neue Lehrerin schon heute!“, rief Ron begeistert aus. „Zuerst Zauberkunst, dann Verteidigung und Zaubertränke. Und nach dem Mittagessen noch Verwandlung.“ Das Grinsen verschwand schnell aus seinem Gesicht, als er weiterlas. „Die anderen Tage sind genauso voll gepackt und der Donnerstag hat sogar 10 Stunden! Wollen die uns fertig machen?! Kein Tag unter 8 Stunden!“ Er raufte sich die Haare, während Hermine nur wieder die Augen verdrehte. Sie hatte ein paar Stunden mehr, allerdings störte sie das nicht weiter. Sie war schon deutlich schlimmeres gewohnt, wenn man an das dritte Schuljahr zurück dachte. Schweigend aßen sie weiter, wobei Ron beobachtete, wie Snape sich wieder auf seinen Platz setzte und aus seiner Tasse trank. Kurz darauf ging die Tür hinter dem Lehrertisch auf. „Da ist sie!“, rief Ron gespannt aus, was Harry und Hermine dazu bewegte, ebenfalls zum Lehrertisch zu sehen. Levin betrat die große Halle und ging auf ihren Platz zu, dabei zu Snape schauend. Dieser bemerkte ihre Anwesenheit noch bevor sie ihren Stuhl erreicht hatte und stand auf. Für einen kurzen Moment standen sie sich gegenüber und schauten sich mit ausdruckslosen Mienen an. Dann ging Snape an ihr vorbei zur Tür und verschwand. Levin hingegen blieb noch kurz stehen, ehe sie tief durchatmete und sich auf ihren Platz setzte. „Das war ja langweilig“, gab Ron von sich. „Ron!“ Hermine sah ihn empört an. „Was denn? Snape scheint ja zu feige zu sein, um sich mit dieser Frau in einem Raum aufzuhalten.“ „Du genießt es, wenn andere Menschen zerstritten sind?!“ Hermine wurde rot vor Wut. „Das habe ich nie gesagt“, sprach Ron, der die Situation wieder etwas entschärfen wollte. „Ich meine...diese Frau...es ist nur interessant zu sehen, dass Snape anscheinend nicht in der Lage ist, sich Konflikten zu stellen.“ „Ach hör schon auf Ron! Du beobachtest die Beiden doch nur, weil du sehen willst, wie es jemand schafft Snape die Stirn zu bieten!“ „Das ist nicht wahr!“ Harry drehte sich genervt von seinen beiden Freunden weg. Mussten sie sich schon am ersten Schultag wieder in die Haare kriegen? Und das noch vor der ersten Stunde. Das war dann wohl ein neuer Rekord. Sein Blick wanderte zum Lehrertisch, wo Levin sich gerade ein Brot mit Käse belegte. Was war hier eigentlich los? Wer war diese Frau und was hatte sie mit Snape zu tun? Und warum verhielt Snape sich so untypisch? Als Syndia die große Halle durch die Nebentür betrat, rechnete sie schon damit, dass Severus' Platz leer sein würde. Doch zu ihrer Überraschung saß dieser auf seinem Platz und leerte gerade seine Tasse mit schwarzem Kaffee. Allerdings bemerkte Severus sie und stand auf. Er stand nun vor ihr und sah ihr direkt in die Augen. Sein Blick sollte gleichgültig wirken, aber Syndia kannte ihn viel zu gut. Sie sah den Schimmer von Unsicherheit aufblitzen. Erleichtert stellte sie fest, dass die Wut, die sie gestern noch so deutlich in diesen schwarzen Augen gesehen hatte, nun fast vollkommen verschwunden war. Allerdings wurde sie durch etwas anderes ersetzt. Enttäuschung vielleicht? Syndia konnte es nicht genau definieren, doch egal was genau es war, es versetzte ihr einen kleinen Stich. Noch bevor sie reagieren konnte, brach Severus den Blickkontakt und ging an ihr vorbei zur Tür. Sie wusste, dass es sinnlos wäre zu versuchen ihn aufzuhalten. Sie atmete einmal durch und setzte sich dann auf ihren Platz. „Guten Morgen, Syndia!“, kam es von McGonagall. „Morgen“, antwortete Syndia nur murmelnd. „Es wird schon besser“, bemerkte Dumbledore, während er sich ein Stück Spiegelei in den Mund schob. „Ja schon“, gab Syndia etwas geknickt zurück. „Ich muss noch vor der ersten Unterrichtsstunde mit ihm reden. Ich war schon am überlegen, ob Sie es nicht mal versuchen sollten“, sprach sie weiter und blickte nun fragend zu Dumbledore. Dieser schüttelte jedoch den Kopf. „Auch auf mich wird er nicht gut zu sprechen sein. Er wird mir vorwerfen, dass ich ihn über Ihr Erscheinen hätte unterrichten müssen. Und in seinem wütenden Zustand würde er Ihnen eher zuhören als mir.“ Nachdenklich sah sich Syndia in der Halle um. Wahrscheinlich hatte er Recht. Es würde für jeden schwer sein an Severus heran zu kommen. Da sie ihn am besten kannte, hatte sie die größten Chancen ihn zum Zuhören zu bringen. Außerdem war seine Wut nun etwas abgeklungen und er hatte sich wieder im Griff. Diese Flucht eben gerade war anders als die gestrige. Gestern war er aus Wut weggelaufen, heute aus reinem Trotz. Er spielte beleidigt. Das hatte er schon immer gerne getan, auch wenn er es nie zugeben würde. Syndia seufzte auf. Sie war viel zu lange weg gewesen und deshalb war Severus verletzt. Das durfte nicht noch einmal passieren. Sie hatte sich den großen Schritt getraut und sich wieder in England blicken lassen. Jetzt gab es kein zurück mehr. Auch gab es keinen Weg daran vorbei, noch vor der ersten Unterrichtsstunde mit ihm zu reden. Entschlossen stand sie auf und verließ die große Halle, um Severus zu suchen. Kapitel 2: Unterrichtsbeginn ---------------------------- Kapitel 2: Unterrichtsbeginn „Nicht schon wieder“, grummelte Harry leise vor sich hin, als er bemerkte, dass am Hufflepufftisch wieder das Thema Zaubereiministerium angeschnitten wurde. Er hatte es so satt. Egal was er tat, jedes Schuljahr gab es eine andere Möglichkeit über ihn zu tuscheln. Ob nun im negativen oder positiven Sinne. „Einfach nicht hinhören, Harry“, flüsterte Hermine ihm zu, während sie die Hufflepuffs genau im Auge behielt. „Wir können ja schon mal zum Klassenraum laufen. Zauberkunst beginnt in 15 Minuten“, schlug Ron vor und erhob sich. Harry und Hermine taten es ihm gleich und sie verließen zu dritt die große Halle. Die drei bogen gerade im zweiten Stock um die Ecke, als sie auf einmal Snape und Levin vor sich hatten. Levin war auf den Schwarzhaarigen zugegangen und hatte sich ihm in den Weg gestellt, woraufhin sie einen tödlichen Blick von diesem kassierte. „Sev, warte! Was soll das?! Hör auf ständig vor mir wegzulaufen. Das ist sowas von albern!“, hörten die Schüler ihre neue Lehrerin zischen. „Ich wüsste nicht, warum ich meine Zeit mit dir vergeuden sollte. Halte es meinetwegen für albern. Mir ist es schließlich völlig egal, was du denkst“, knurrte Snape gereizt und bemühte sich nicht laut zu werden. Levin hingegen schluckte und atmete dann einmal durch, bevor sie versuchte besänftigend weiter zu sprechen. „Bitte Severus, ich habe nicht vor mit dir zu streiten. Ich muss dringend mit dir reden. Jetzt!“ Snape wollte gerade antworten, doch sie kam ihm zuvor. „Keine Angst, ich habe nicht vor dich zuzutexten. Es geht um was anderes als mein Verschwinden. Und ich muss das mit dir besprechen noch bevor der Unterricht beginnt.“ Die drei Gryffindors wussten nicht genau, was sie nun tun sollten. Unsicher standen sie an der Ecke und waren sogar ein Stück zurückgewichen, um nicht so schnell entdeckt zu werden. Die beiden Lehrer schienen sie nicht zu bemerken. „Es kann ja wohl kaum so wichtig sein, dass es nicht auf später verschoben werden kann. Der Unterricht beginnt gleich. Du solltest dich beeilen, oder willst du deine Schüler warten lassen?“, entgegnete Snape nur spöttisch und wollte sich an ihr vorbeischieben. Doch die Hexe stellte sich erneut vor ihn und hielt seinen Arm fest. „Es kann eben nicht warten! Wir müssen es jetzt klären. Das ist viel wichtiger als Unterricht.“ Snape sah der Frau forschend in die Augen, bevor er nachgab und die Arme verschränkte. „Du hast 2 Minuten.“ Levin verdrehte die Augen, sagte aber nichts weiter dazu. Sie sah sich um und führte den Tränkemeister in den nächstbesten Raum. Dann hörten Harry, Ron und Hermine nur noch das Klacken des Türschlosses. Langsam kamen sie um die Ecke und schauten zu der verschlossenen Tür. „Was war das denn?“, kam es von Ron. „Ich weiß es nicht, aber es wäre keine gute Idee von den beiden erwischt zu werden, wie wir hier vor der Tür herumlungern“, antwortete Hermine und ging schnellen Schrittes den Gang entlang Richtung Klassenzimmer. Harry und Ron warfen noch einmal einen Blick auf die Tür, bevor sie ihr folgten. Kaum waren sie im Raum für Zauberkunst angekommen, klingelte es auch schon zur Stunde. Als Severus in den Raum getreten war, verschloss Syndia die Tür und sprach einen Stillezauber. Dann drehte sie sich zu Severus um, der ungeduldig da stand und so schnell wie möglich wieder verschwinden wollte. Ihm gefiel die Situation nicht. Er hatte es schon immer gehasst, wenn Syndia die Zügel in die Hand nahm und ihm Befehle gab. „Also, was soll denn so wichtig sein?“, fragte der Schwarzhaarige in einem gleichgültigen Ton. „Es geht um dich.“ Severus zog eine Augenbraue hoch. „Was soll mit mir sein?“ „Es tut mir Leid, dass ich dich da in was reingezogen habe, aber...“ „Was hast du angestellt?“, unterbrach Severus sie und schaute sie abschätzend an. „Um dir das zu erklären brauchen wir mehr Zeit, aber erstmal muss ich dich warnen. Durch mein Auftauchen ist deine Sicherheit gefährdet. Sobald er herausgefunden hat, dass ich hier bin und weshalb, wird er versuchen, den Menschen, die mir etwas bedeuten, etwas anzutun. Und die Schüler sind nicht blind. Sie werden schon längst erkannt haben, dass wir uns näher kennen. Dann wird es nicht lange dauern, bis er das auch erkannt hat und....“ „Wen meinst du mit 'er'? Wer ist hinter dir her?“, unterbrach Severus sie, der Schwierigkeiten hatte durch Syndias Redeschwall durchzublicken. Diese atmete einmal durch, um wieder ein normales Sprechtempo anzunehmen. Dann trat sie auf den Slytherin zu. „Zeig mir deinen linken Arm“, forderte sie ihn ruhig auf. Verwundert weiteten sich Severus' Augen etwas und automatisch umklammerte er seinen linken Unterarm. „Was...?“ „Ich weiß, dass du da das Dunkle Mal trägst“, unterbrach Syndia ihn flüsternd. „Er ist hinter mir her. Voldemort. Und umso gefährlicher ist es für dich. Wenn er herausfindet, dass du mir was bedeutest, braucht er dich nur zu ihm rufen und schon hat er dich. Und das nur um mich zu erpressen. Das kann ich nicht riskieren.“ Jetzt konnte Severus eindeutig Sorge und Angst in den Augen der Hexe lesen. Angst davor, dass ihm etwas zustoßen könnte. Langsam ließ der Tränkemeister seinen Arm los und schaute Syndia weiterhin an. „Um meine Sicherheit werde ich mich schon selbst kümmern. Ich sehe keinen Sinn darin irgendetwas verheimlichen zu wollen. Erzähle den Schülern so viel von dir, wie du willst.“ Eine seiner Augenbrauen wanderte nach oben und seine Stimme nahm einen leicht sarkastischen Ton an. „Ob du es glaubst oder nicht, aber ich bin inzwischen alt genug, um auf mich selbst aufpassen zu können.“ Syndia musste lächeln. „Aber eines verstehe ich nicht“, fuhr Severus fort, „Wenn der Dunkle Lord hinter dir her ist, wieso verlässt du dann das halbwegs sichere Amerika und betrittst die Insel, auf der er wütet? Und wenn es deiner Aussage nach, anscheinend zu gefährlich war mich zu kontaktieren, warum hast du dann in den USA ein so...unbeschwertes Leben geführt?“ Mit jedem Ton war Severus' Stimme wieder eisiger geworden und er sah Syndia ernst in die Augen. Besonders die letzte Frage beschäftigte ihn. Die beiden Briefe, die er von ihr erhalten hatte, deuteten darauf hin, dass sie in Amerika ein glückliches Leben geführt hatte, in dem sie Severus anscheinend nicht haben wollte. Wieder stieg Wut in ihm auf, doch er versuchte sie zu zügeln. Syndia entging nicht, dass sich Severus' Blick verdunkelte und Wut und Verletzlichkeit in seinen Augen aufblitzten. Und wieder waren sie bei dem kritischen Thema angekommen. Beschwichtigend hob die Schwarzhaarige ihre Hände. „Das ist was ganz anderes. Du verstehst das falsch...“ Sie wurde von der Schulglocke unterbrochen. Severus' Wut war inzwischen noch weiter angestiegen. „Wir sollten die Schüler nicht warten lassen. Es macht keinen guten Eindruck, wenn du gleich zur ersten Stunde zu spät kommst“, blockte Severus ab. Er ging an ihr vorbei zur Tür. Syndia ließ die Hände sinken und seufzte. Das war ja mal wieder super gelaufen. Es war nicht möglich mit ihm zu reden, ohne das er irgendwann blockte. Da hatte sie wohl noch ordentlich was vor sich. Sie drehte sich um und ging durch die Tür, die Severus ihr aufhielt. Noch einmal warf sie ihm einen bittenden Blick zu, doch dieser wurde nur kalt erwidert. Was war nur aus ihm geworden? Seit wann verschloss er sich so stark, dass er sogar Okklumentik benutzte? Oder wandte er das nur gerade gegen sie an, weil er so wütend war und einfach nicht von ihr gelesen werden wollte? Sie hatte das Gefühl ihn nicht mehr so gut zu kennen wie früher und das machte ihr Angst. Im Flur ging jeder in eine andere Richtung zu seiner Klasse, der eine wütend, die andere besorgt. Harry, Ron und Hermine setzten sich im Zauberkunstraum in die zweite Reihe und warteten auf Professor Flitwick. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, die aber alle das selbe Thema betrafen: Snape und Levin. Sie merkten zuerst gar nicht, wie ihr Professor die Klasse betrat und mit dem Unterricht begann. Hermine war die erste, die sich wieder dem Unterricht widmete. „Nun, heute wollen wir mal versuchen Wasser herauf zu beschwören“, verkündete Flitwick. „Der Zauberspruch dafür lautet 'Aguamenti'. Dazu müsst ihr folgende Zauberstabsbewegung machen...“ Harry und Ron hörten nur zur Hälfte zu und sahen sich auch nicht die Zauberstabsbewegung an, die Flitwick nun vorführte. Wie gerne hätten sie erfahren, was die neue Lehrerin mit ihrem Tränkemeister zu tun hatte. Und vor allem, warum Snape sich so seltsam benahm. Dass er jemandem die kalte Schulter zeigte, war nichts Neues, doch dieser Frau gegenüber schien es eine andere Kälte zu sein. Was sollte so wichtig gewesen sein, dass es noch vor dem Unterricht geklärt werden musste? Hermine stieß Harry in die Seite als sie bemerkte, dass er nicht mitbekommen hatte, dass sie nun den Zauber üben sollten. Dieser schrak aus seinen Gedanken und sah sie irritiert an. Hermine seufzte auf. „Harry, du bist bald genauso schlimm wie Ron! Ich will nicht sagen, dass ich nicht auch neugierig bin, aber die Sache mit Snape und Professor Levin geht uns überhaupt nichts an.“ Harry wollte etwas erwidern, aber sie kam ihm zuvor. „Das ist privat! Normalerweise haben wir uns bei Geheimnissen nur hinter gehängt, weil es nach Gefahr roch, aber in diesem Fall handelt es sich um einen ganz normalen Streit, der uns absolut nichts angeht.“ Enttäuscht schloss Harry wieder seinen Mund und stützte seinen Kopf auf eine Hand ab. Sie hatte ja recht. Es ging nur um einen Streit zwischen zwei Lehrern. Das war etwas total unwichtiges, was sie überhaupt nichts anging. Und trotzdem schaffte Harry es nicht, seine Neugierde zu unterdrücken. Warum eigentlich? Vielleicht weil es Snape war? „Keine Löcher in die Luft starren Mr Potter und Mr Weasley! Üben Sie gefälligst den Aguamenti!“, kam es auf einmal verärgert von Flitwick und Harry und Ron zogen hastig ihre Zauberstäbe und murmelten den Spruch vor sich hin. „Nein, ihr macht die Bewegung falsch“, korrigierte Hermine die beiden flüsternd. Sie führte ihnen vor, wie der Zauber funktionierte und die beiden Jungs versuchten es ihr nachzumachen. Nach Harrys zehntem Versuch schoss tatsächlich Wasser aus seinem Zauberstab, während bei Ron noch immer nichts geschah. Flitwick ging durch die Reihen und beobachtete die Schüler. Als er bei den drei Gryffindors angekommen war, nickte er Hermine zu, gab sich mit Harrys Zauber zufrieden und hielt beim Rotschopf inne. Dieser versuchte noch immer sichtlich verärgert Wasser hervorzubringen. Flitwick schüttelte kurz den Kopf und ging weiter. „Na super!“, sprach der Weasley verärgert. „Wenn du deine Wut nicht zügelst, wirst du es nie hinbekommen“, kam der Kommentar von der Braunhaarigen, der nur für noch größere Wut bei Ron sorgte. Nach einer scheinbar unendlichen Zeit bat Flitwick die Schüler, ihre Übungen zu beenden. „Nun ich sehe, dass sich einige noch etwas schwer tun.“ Ron gab ein Grummeln von sich. „Von daher habt ihr die Aufgabe den Spruch bis zur nächsten Stunde zu üben, damit ihr ihn mir dann fehlerfrei vorführen könnt. Die Stunde ist beendet.“ Nach diesen Worten packten die Schüler eifrig ihre Taschen und verließen den Raum. Besonders Ron schien es eilig zu haben. „Jetzt haben wir Verteidigung!“, rief er begeistert aus und forderte seine beiden Freunde auf, sich mehr zu beeilen. „Dadurch wird sie auch nicht früher erscheinen, Ron“, gab Hermine belustigt von sich. „Mag sein, aber wir bekommen dann noch einen Platz in der vordersten Reihe.“ Die junge Hexe schüttelte lächelnd den Kopf und ging hinter dem Rotschopf her, während Harry noch schnell seine Tasche schloss und ihr dann folgte. Zu dritt liefen sie durch den Korridor Richtung VgddK-Raum. „Was ist, wenn sie wirklich so streng ist wie Snape“, gab Harry zu bedenken. „Wir werden sehen“, kam es nur von Hermine. Als sie vor dem Klassenraum ankamen, hatte sich bereits eine Traube von Schülern dort versammelt. Harry konnte Malfoy entdecken, der an der Wand lehnte und mit seinen Freunden redete. „Da kommt sie“, rief Ron aus, woraufhin seine beiden Freunde seinem Blick folgten. Levin ging mit strammen Schritten auf die Schüler zu, die sie nun alle ansahen. Ihr Gesicht war ausdruckslos und mit ihren schwarzen Augen schaute sie sich die einzelnen Schüler an. Ohne aufgefordert zu werden, traten die Schüler zur Seite und gaben den Weg zur Tür frei. Levin öffnete diese und ließ die Schüler an sich vorbei. Dabei beobachtete sie wieder jeden einzeln. Harry setzte sich in die vorderste Reihe, während Hermine und Ron sich neben ihn sinken ließen. Sobald alle Schüler im Raum waren, schloss Levin die Tür und trat zum Pult. Dort angekommen drehte sie sich um, sich dabei gegen die Tischkante lehnend. Ihre langen Haare hatte sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihrem Gesicht mehr strenge verlieh. Sie wartete darauf, dass die Schüler sich gesetzt hatten und Ruhe eingekehrt war. „Okay“, begann sie zu sprechen, „dann wollen wir mal anfangen.“ In der Klasse war es totenstill. „Ich bin Syndia Levin und bin erst vor kurzem in England angekommen. Ursprünglich bin ich Engländerin, bin aber schon sehr früh in die USA ausgewandert. Als ich mich entschloss wieder zurückzukehren, bekam ich gleich die Stelle als Lehrerin hier in Hogwarts angeboten.“ Levin nahm ein paar Zettel vom Pult und blätterte sie durch. „Nun, wie ich sehe habt ihr letztes Schuljahr rein theoretischen Unterricht gehabt. Der praktische Teil muss dringend nachgeholt werden. Ja?“, fragte sie, als Hermines Hand sofort in die Höhe schoss. „Professor, haben Sie in den USA auch als Lehrerin gearbeitet?“, fragte die junge Hexe interessiert nach. Pflichtbewusst antwortete Levin: „Nein, habe ich nicht. Aber ich kann Ihnen versichern, dass ich im Bereich Verteidigung sehr viel Erfahrung habe und Ihnen einiges beibringen kann, falls das Ihre Sorge ist. Mir ist schon zu Ohren gekommen, was für Lehrpläne und... Lehrkräfte Sie bereits hinter sich haben und hoffe doch, dass Sie sich in meinem Unterricht besser einfinden können.“ Harrys Mundwinkel zuckte nach oben. Die Art und Weise, wie Levin ihren bisher katastrophalen Unterricht umschrieb, ließ sie sehr sympathisch wirken. Sie wirkte zwar streng und er war gespannt auf ihre Notengebung, aber wenigstens schien sie ein wenig menschlich zu sein. Bevor Levin sich wieder ihrem Plan widmen konnte, fielen bereits weitere Fragen, die in den Raum gerufen wurden. „Wie lange haben Sie in den USA gelebt?“ „Sind Sie in Hogwarts zur Schule gegangen?“ Seufzend legte Levin ihre Unterlagen auf den Tisch und verschränkte ihre Arme. „Ich hätte mir gleich denken können, dass wir nicht mit dem Unterricht beginnen können, ehe ihr nicht eure Fragen losgeworden seid. Nein, ich bin nicht hier zur Schule gegangen, sondern auf ein Internat in Boston. Deshalb ist es schwer zu beantworten, wie lange ich in den USA gelebt habe, da ich zu der Zeit offiziell noch Engländerin war und in den Sommerferien immer zurückgekommen bin. Nach meinem Abschluss habe ich aber endgültig in Virginia gewohnt.“ Während sie Snape-typisch eine Augenbraue hob, fragte sie: „Genau genug?“ Harry und Ron warfen sich einen kurzen Blick zu. Diese Frau musste einfach mit Snape verwandt sein, aber wie zum Teufel sollten sie danach fragen? Ihnen wollte nicht einfallen, wie sie zu diesem Thema überschwenken könnten. Dieses Mal kam eine zögerliche Meldung von Lavender und Levin nickte ihr zu. „Ähm... i-ist Levin Ihr Geburtsname? Ich meine...“, verhaspelte sie sich fast vor Nervosität. „Es... es ist nunmal so, dass aus allen Familien Englands irgendwelche Mitglieder nach Hogwarts gegangen sind, aber Ihren Namen habe ich noch nie hier gehört. Ich bin nur überrascht... wenn Sie Amerikanerin wären, wäre das eine Erklärung gewesen, aber...“ 'Geschickt.', dachte Harry anerkennend. Die Frage aus der Sicht zu fragen, wäre ihm nie eingefallen. Allerdings war er bei Muggeln aufgewachsen und sie hätte ihn dadurch ohnehin durchschaut. Das kurze Schmunzeln auf Levins Gesicht zeigte jedoch, dass sie sofort erkannte, was Lavender mit der Frage wirklich beabsichtigte. Angespannt saß Harry da und hoffte inständig, dass sie trotzdem antworten würde. „Das scheint Sie alle wirklich brennend zu interessieren, was?“, fragte Levin ruhig und sah von Schüler zu Schüler, ehe sie seufzte. „Also gut. Sie würden ja ohnehin keine Ruhe geben, bis Sie es herausgefunden haben. Ja, ich bin mit Severus Snape verwandt.“ Ein Raunen ging durch die Klasse und Ron sah triumphierend zu Hermine. „Um genau zu sein ist Professor Snape mein Bruder.“ Weiter konnte Levin erstmal nicht sprechen, da es durch das Keuchen und Getuschel der Schüler zu laut geworden war. Flüsternd beugte sich Ron zu seinen Freunden und und fragte ungläubig: „Snape hat eine Schwester? Warum weiß da keiner was von? Haben Lupin oder Sirius das jemals erwähnt?“ Verneinend schüttelte Harry den Kopf und hielt sich davon ab, seine Gespräche mit den beiden durchzugehen. Er wollte sich nicht schon wieder runterziehen. Nach einiger Zeit rief Levin über den Lärm hinweg: „Ich hoffe, dass wir jetzt, wo Sie Ihre Antwort bekommen haben, endlich mit dem Unterricht beginnen können.“ Auch wenn sie dabei nicht verärgert klang, hatte sie eine gewisse Autorität in ihre Stimme gelegt, sodass es sofort wieder ruhig wurde und die Schüler nur noch ab und zu verstohlene Blicke tauschten. Levin hatte ihre strengen Züge angenommen und sah auf die Unterlagen, die sie wieder in der Hand hielt. „Also, wie gesagt, wir werden sehr viel in der Praxis nachzuholen haben. Und wir werden im Allgemeinen etwas tiefer in die schwarze Magie eintauchen.“ Sofort mussten die Slytherins grinsen, während einige Gryffindors skeptisch dreinblickten. Harry jedoch war durchaus zufrieden mit dieser Aussage. Sich gegen tiefere schwarze Magie wappnen zu können, war für ihn als Harry Potter durchaus von Vorteil. Die einzigen Bedenken, die er hatte, waren, dass er hier eine Snape vor sich hatte. Er hoffte nur, dass diese Frau nicht genauso begeistert von der schwarzen Magie war wie ihr Bruder. „Gut, dann will ich euch mal einen kurzen Überblick für die nächsten Wochen geben“, begann Levin erneut zu sprechen und legte die Unterlagen zurück auf den Tisch, um die Schüler anzusehen. „Zu aller erst will ich euch den Standard-Spruch 'Protego' ungesagt beibringen, der vor vielen Flüchen schützen kann, aber leider nicht vor allen. Auch will ich euch einen Überblick über die meistgebrauchten Flüche geben und euch Schutzzauber dazu lehren. Wichtig ist bei diesen Übungen, dass ihr nun langsam lernt, auch ungesagt Zauber anzuwenden.“ Hermines Hand schnellte nach oben und Levin schaute zu ihr herüber. „Ja Miss...“ „Granger, Professor. Macht es einen Unterschied in der Stärke eines Zaubers, ob er nun gesagt oder ungesagt ausgeführt wird?“, fragte Hermine, die wieder ihre Streberrolle eingenommen hatte. Die Professorin sah sich Hermine genau an, ehe sie antwortete: „Wenn man das Anwenden ungesagt beherrscht, nein. Anfänger werden wohl geschwächte Zauber hervorbringen, doch wenn man die ungesagten Zauber problemlos ausführen kann, wird es keinen Unterschied machen. Es gibt allerdings einige Zauber, die nur funktionieren, wenn sie ungesagt ausgeführt werden. Noch weitere Fragen?“ Levin sah durch die Reihen von Schülern, und als keiner Anstalten machte sich zu melden, stieß sie sich vom Tisch ab und fuhr fort: „Wenn es nichts weiter zu klären gibt, möchte ich nun mit der ersten Übung beginnen. Tut euch paarweise zusammen. Der eine soll seinen Partner ungesagt entwaffnen. Ist das gelungen, versucht der andere sein Glück. Los geht’s.“ Sofort wurden Stühle gerückt und die Schüler taten sich paarweise zusammen. Levin fiel auf, dass alle Schüler sich einen Partner aus ihrem eigenen Haus suchten. „Wie wäre es, wenn wir die Paare ein bisschen mehr mischen würden? Ich denke nicht, dass Schüler aus einem anderen Haus beißen, oder?“ fragte sie in die Runde und zog gekonnt ihre Augenbraue hoch. Die Schüler schauten zuerst verblüfft zu ihrer Lehrerin und dann gequält zu den anderen Schülern. Da keiner Anstalten machte den Auftrag zu erfüllen, ging Levin durch die Reihen und mischte die Paare zusammen. Als Levin Harry zu seinem Partner führte, sah er diesen geschockt an. Ausgerechnet Malfoy wurde ihm zugeteilt, der ebenso wenig erfreut aussah. Levin fiel sofort die kalte Atmosphäre auf und betrachtete die beiden Schüler genauer, welche sich hasserfüllt anstarrten. „Gibt es irgendwelche Probleme, meine Herren?“, fragte sie die beiden streng. Überrascht über diese kühle und strenge Tonwahl sah Harry zu seiner Lehrerin. Diese betrachtete ihn abschätzend und war Snape nun ähnlicher denn je. „Nein, alles in Ordnung“, konnte er nur sagen, während er seiner Professorin weiterhin in die Augen sah. Diese schaute nun zu Malfoy, der sie ebenfalls ansah und nur den Kopf schüttelte. Das schien sie nicht ganz zu überzeugen, denn sie blickte noch immer abwechselnd tief in die Augen der beiden Jungs, als könne sie so etwas in Erfahrung bringen. „Ich würde Sie bitten, Ihre albernen Streitereien im Unterricht zu unterlassen und miteinander zu arbeiten, statt gegeneinander.“ Verblüfft sahen die beiden ihre Lehrerin an. Woher wusste sie von ihren Streitigkeiten? War das etwa so offensichtlich? Harry fühlte sich an die Okklumentikstunden bei Snape erinnert. 'Na super, sie scheint auch so ein Legilimentik-Freak zu sein. Scheint wohl in der Familie zu liegen.', dachte Harry genervt. Wie zur Bestätigung lächelte Levin Harry leicht und kaum wahrnehmbar an, so als ob sie sich über seine Gedanken amüsieren würde. Dann wurde sie jedoch wieder ernst. „Also, kann ich mich darauf verlassen, dass Sie vernünftige Partnerarbeit leisten?“ „Ja Professor“, kam es mürrisch von beiden Schülern wie aus einem Mund. Zufrieden nickte Levin und drehte ihnen den Rücken zu, um die restlichen Schüler einzuteilen. Kapitel 3: Enthüllung --------------------- Kapitel 3: Enthüllung   Stumm standen sich Harry und Malfoy mit erhobenen Zauberstäben gegenüber. Malfoy versuchte schon eine ganze Weile den anderen zu entwaffnen, doch genauso wie bei ihren Mitschülern, war bisher nichts passiert. Bis schließlich ein Zauberstab durch den Raum flog. Harry dreht sich um, nur um festzustellen, dass es Zabinis Zauberstab war... natürlich. „Gut gemacht, Miss Granger. 10 Punkte für Gryffindor. Mr Zabini, Sie werden nun den nächsten Versuch starten. Die anderen Schüler versuchen es weiter.“, sprach Levin. Harry blickte nun wieder zu Malfoy, der von Hermines gelungenem Zauber ebenfalls abgelenkt worden war und sich nun wieder auf Harry konzentrierte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, der Zauberstab wollte seinen stummen Befehl nicht ausführen. Malfoy wurde immer roter im Gesicht und Harry fragte sich, ob es von der Anstrengung oder von der Wut kam, die langsam in dem Blonden aufstieg. Der Gryffindor konnte sich ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen. „Ja ja, grins nur, Potter. Dich will ich gleich mal dabei sehen“, gab der Slytherin patzig von sich. Nach einiger Zeit meldete sich ihre Lehrerin erneut zu Wort. „Okay, bei denen es noch nicht geklappt hat, möchte ich Sie bitten, es jetzt mal den Partner ausprobieren zu lassen. Es ist nicht weiter schlimm, wenn es noch nicht funktioniert. Bei weitem nicht jeder erlernt ungesagte Zauber so schnell.“ So aufmunternd das auch klingen sollte, gab Malfoy trotzdem ein unzufriedenes Grummeln von sich, während er seinen Zauberstab sinken ließ. Nun konzentrierte Harry sich darauf, Malfoy ungesagt zu entwaffnen. Immer wieder sprach er in Gedanken den Zauberspruch, doch er spürte keine Magie durch seinen Stab fließen. Einige Minuten verstrichen und Malfoy setzte ein siegessicheres Grinsen auf. „Na Potter? Doch nicht so einfach, was?“ Harry versuchte es zu ignorieren. Er schloss kurz die Augen und konzentrierte sich voll und ganz auf das Holz in seiner Hand und versuchte dort den Kern zu spüren. Er öffnete wieder die Augen und sah Malfoy direkt an. Dann plötzlich spürte er die Magie, die sich nun im ganzen Zauberstab auszubreiten schien. Entschlossen sprach Harry noch einmal in Gedanken 'Expelliarmus' und schon spürte er, wie die Magie freigesetzt wurde. Der völlig überrumpelte Malfoy registrierte erst, was passiert war, als er seinen Zauberstab bereits drei Meter hinter sich liegen sah. „Wieder 10 Punkte für Gryffindor, Mr Potter“, erklärte Levin und schien durchaus zufrieden zu sein. Harry nickte ihr zu, bevor er wieder in das wütende Gesicht des Malfoys sah. Dieser hob nun seinen Zauberstab auf und richtete ihn auf Harry. Kaum hörbar flüsterte er einen Fluch, der nun auf Harry zu kam. So überrumpelt, wie dieser war, konnte der Gryffindor nicht mehr rechtzeitig reagieren. Doch der Fluch prallte an einem bläulichen Schild ab, das sich vor Harry gebildet hatte, und zerschlug stattdessen ein Fenster. Irritiert sah Harry sich um, um herauszufinden, wer ihn da gerade gerettet hatte und sah dann, dass Levin auf sie zugeschritten kam. „40 Punkte Abzug für Slytherin, Mr Malfoy! Das war so ziemlich das Dümmste, was sie hätten machen können“, sprach die Lehrerin mit kalter Stimme und vor Wut blitzenden Augen. „Er hat mich provoziert“, verteidigte sich der Blonde und zeigte auf Harry. „Nochmal 10 Punkte Abzug wegen dieser Lüge. Sie sollten meine Menschenkenntnis nicht unterschätzen, Mr Malfoy. Und seien Sie froh, dass ich sie nicht auch noch nachsitzen lasse. Ich bin heute gütig gestimmt.“ Mit diesen Worten kehrte sie den beiden den Rücken zu und trat wieder nach vorne. „Ich denke, es reicht für heute. Packen Sie Ihre Sachen zusammen. Als Hausaufgabe gebe ich Ihnen auf, ungesagte Zauber zu üben“, verkündete sie und setzte sich danach an ihren Schreibtisch. Die Schüler taten, wie Ihnen geheißen und verließen langsam das Klassenzimmer. Malfoy warf zuerst der Lehrerin und dann Harry einen verachtenden Blick zu und schnappte sich dann ebenfalls seine Tasche, um zu verschwinden. Harry gesellte sich zu Hermine und Ron und zu dritt machten sie sich auf den Weg Richtung Kerker, wo sie jetzt Zaubertränke hatten. „Na super! Snape wird jetzt seine ganze schlechte Laune an uns auslassen!“, gab Ron stöhnend von sich. „Ach, also doch nicht so erfreut über seinen Streit mit Professor Levin?“, konnte Hermine nur bissig fragen. Ron verdrehte die Augen und entschied sich dafür, sie zu ignorieren. Vor dem Klassenraum waren schon die meisten Gryffindors angekommen. Es dauerte nicht lange, da wurde die Tür geöffnet und Snape ließ die Schüler eintreten. Schweigend betraten diese den Klassenraum und nahmen platz. Als alle Schüler den Raum betreten hatten, schloss Snape geräuschvoll die Tür und ging schnellen Schrittes nach vorne. „Wer es wagen sollte, auch nur daran zu denken, mich wegen Professor Levin anzusprechen, wird seine gesamte Freizeit dieses Schuljahres damit verbringen Mr Filch zur Hand zu gehen.“ Die Art, wie er diese Warnung aussprach, ließ darauf schließen, dass in der vorherigen Stunde jemand so mutig gewesen sein musste, ihn tatsächlich zu fragen. Ron warf Harry einen Blick zu, der soviel heißen sollte wie 'Ich hab es doch gesagt'. Seufzend holte Harry sein Zaubertränkebuch heraus. Das versprach ja eine angenehme Stunde zu werden. Stumm nahmen die Schüler die Arbeitsanweisungen auf und machten sich bald ans Brauen. „Sie haben noch 10 Minuten“, verkündete Snape nach einiger Zeit, während er durch die Reihen ging. „Potter, würfeln und nicht in Streifen schneiden! Ich denke mal selbst Sie sollten diesen Unterschied erkennen“, blaffte er Harry an, sobald er an seinem Kessel vorbei kam. „Das ist gewürfelt!“, platzte es aus Harry heraus, bevor er überhaupt darüber nachgedacht hatte, dass es keine gute Idee wäre, Snape weiter zu reizen. Dieser beugte sich nun zu Harry herunter und stützte sich auf dessen Tisch ab. Mit seinem Blick schien er Harry aufspießen zu wollen, doch der Grünäugige hatte nicht vor den Blick zu senken. Ohne Anzeichen von Angst oder Unsicherheit blickte er in diese schwarzen Augen, auch wenn er wusste, dass Snape das als Beleidigung Nummer zwei auffasste. „Frech wie eh und je, Mr Potter“, sprach Snape mit eisiger und leiser Stimme. „Sie scheinen das Nachsitzen in den Ferien ja richtig vermisst zu haben. 10 Punkte Abzug für Gryffindor und ich sehe Sie heute Abend um 20 Uhr in meinem Büro.“ Snape schwenkte seinen Zauberstab, woraufhin sich Harrys Kessel leerte. „Von vorne anfangen, Potter!“, gab der Tränkemeister als Anweisung, bevor er wieder nach vorne zu seinem Pult ging. Verärgert schmiss Harry sein Messer auf den Tisch und ging erneut zum Vorratsschrank. Diese verdammte Fledermaus! Kein Lehrer wäre auf die Idee gekommen, wegen so einer Kleinigkeit Nachsitzen zu verteilen. Es hatte ja nicht einmal Malfoy von Levin welches bekommen, obwohl er ihn angegriffen hatte. Beim zweiten Versuch den Trank zu brauen, gab Harry sich nicht mehr so viel Mühe, da er sowieso nicht mal mehr 10 Minuten Zeit hatte. „Die Zeit ist um. Geben Sie Ihre Proben ab. Hausaufgabe zu nächster Stunde ist ein Aufsatz über die Wirkung des Trankes.“ Harrys Zaubertrank beinhaltete erst drei Zutaten, doch ihm war das egal. Er schöpfte eine Phiole voll davon ab und schüttete den Rest weg. Dann ging er zum Pult, um die Phiole abzugeben, welche Snape mit einem boshaften Grinsen entgegen nahm. „Tja, Potter. Das wird dann wohl wieder ein S.“ Der Gryffindor erwiderte den Blick kalt und kehrte danach seinem Professor den Rücken, um zu seinem Platz zurück zu kehren, während sein Hass heiß in seinem Magen brodelte. „Du hättest ihn nicht so provozieren sollen, Harry“, tadelte Hermine ihren Freund, sobald sie den Klassenraum verlassen hatten. „Ich weiß, Hermine. Das brauchst du mir nicht immer wieder zu erzählen. Ich kann nichts dafür, dass er es auf mich abgesehen hat", knurrte Harry durch seine zusammengebissenen Zähne hindurch, da seine unterdrückte Wut nun doch drohte hochzukochen. „Du solltest dich dann aber ein bisschen zusammenreißen und dir deine Kommentare sparen. Du wirst immer den Kürzeren ziehen, Harry“, sprach die Gryffindor weiter und übersah dabei völlig, wie Harry beinahe der Geduldsfaden riss.   Als Syndia zum Mittagessen die große Halle betrat, saß Severus schon auf seinem Platz. Stumm setzte sie sich neben ihn, während er sie zu ignorieren schien und in Ruhe weiter aß. Die Schwarzhaarige füllte sich auf, ohne ihren Bruder weiter zu beachten und ließ dann ihren Blick über die Schüler schweifen. An drei Gryffindors blieb sie hängen. Der junge Potter tat sich gerade Kartoffeln auf, während Miss Granger und Mr Weasley sich zu streiten schienen. Die Schwarzhaarige konnte nicht genau sagen warum, aber irgendetwas hatte Potter an sich, dass sie dazu verleitete ihn im Auge zu behalten. „Wie ich gehört habe, hast du meinem Haus heute unfairerweise Punkte abgezogen?“, fragte Severus auf einmal kühl, ohne von seinem Essen aufzusehen. „Nicht unfairerweise. Ich habe lediglich Mr Malfoy eine Strafe dafür erteilt, dass er einen Mitschüler angegriffen und mich belogen hat.“ „Mir wurde das als Provokation geschildert.“ „Und genau darin liegt die Lüge“, erwiderte die Hexe in einem neutralen Tonfall. „Ich habe das Geschehen beobachtet und keine Provokation erkennen können. Außerdem konnte ich in Mr Malfoys Augen eindeutig eine Lüge erkennen. Ich dachte eigentlich, dass du in Legilimentik gut genug wärst, um so etwas zu erkennen. Oder hat er bei dir nun auch Okklumentik benutzt? Ich glaube er hat jetzt vor dauerhaft seine Schilde hochzufahren, wenn er bei mir im Unterricht ist.“ „Natürlich kann ich eine Lüge erkennen“, konterte Severus verärgert. „Du bist noch zu neu hier, um wissen zu können, dass Potter Mr Malfoy schon oft genug schikaniert hat und Mr Malfoy sich deshalb ständig von Potter bedroht fühlt.“ Syndia konnte sich ein humorloses Auflachen nicht verkneifen und schüttelte den Kopf. „Ich glaube du hast da ein bisschen was durcheinander gebracht. Wir reden hier über Potter und Malfoy und nicht über gewisse Potter und Snape“, spottete sie und sah den Tränkemeister tadelnd an. Dieser nahm einen Schluck aus seinem Kelch, bevor er weiter sprach. „Das ist mir durchaus bewusst. Es macht nur nicht viel Unterschied, welchen der Potters wir hier vor uns haben“, gab er verärgert zurück und funkelte seine Schwester an. Diese schüttelte den Kopf und setzte ebenfalls ihren Kelch an die Lippen. Sie wollte sich nicht mit Severus streiten. Nicht nachdem sie es geschafft hatte, dass er überhaupt mit ihr sprach. „Du hast doch sicherlich mehr Strafen verteilt als ich“, versuchte die Hexe im ruhigen Ton das Thema zu wechseln. „Wie vielen Schülern hast du bereits Nachsitzen aufgebrummt?“ Severus widmete sich wieder seinem Teller. „Nur einem. Also behaupte nicht, ich sei zu streng.“ Syndia beobachtete ihn beim Essen, während sie weiter sprach: „Und dieser eine ist Mr Potter, stimmt's?“ Severus gab nur ein Grummeln von sich, dass ihre Frage bejahen sollte. „Okay. Wenn du nur einen hast nachsitzen lassen, wie viele Schüler haben dann eine Strafarbeit aufbekommen?“ Severus sah sie kurz an, ehe er wieder auf seinen Teller blickte und ein „Nur fünf“ murmelte, was die Schwarzhaarige leise lachen ließ. „Du hast bisher nur drei Unterrichtsstunden gehabt und hast schon fünf Strafarbeiten und einmal Nachsitzen verteilt?“ Severus zuckte die Schultern und erwiderte: „Wenn diese Gören nicht in der Lage sind, ihre Aufgaben vernünftig zu erfüllen, ist es nicht meine Schuld.“ Noch immer lächelnd, schüttelte die Hexe ihren Kopf und sah zu den Schülern. Erneut blieb ihr Blick bei Potter hängen, der sich gerade mit seinem rothaarigen Freund unterhielt. „Was hast du eigentlich gegen den jungen Potter?“, fragte sie leise und nachdenklich, ohne ihre Augen abzuwenden. Severus sah kurz auf, während seine Laune weiter sank. „Der Bengel ist genauso wie sein Vater. Er ist arrogant, angeberisch, frech...“, wütend stocherte er auf seinem Teller herum. Bevor er noch mehr Punkte aufzählen konnte, unterbrach seine Schwester ihn. „Kann es sein, dass du dich nie mit dem Jungen befasst hast, sondern ihm gleich beim ersten Blick einen Stempel aufgedrückt hast? Mag sein, dass James Potter so war, aber mein Eindruck von Harry ist ein gänzlich anderer. Na gut, als frech kann man ihn durchaus bezeichnen.“ „Und wer behauptet, dass dein erster Eindruck richtig sein muss?“ Er hatte seine Wut seiner Schwester gegenüber noch nicht vergessen und nutzte sie nun, um sie anzugreifen. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, sich mehr auf sie einzulassen, nachdem er heute Morgen dieses Gespräch mit ihr geführt hatte. Doch jetzt fing dieser Entschluss an zu bröckeln. Wieso verteidigte sie diesen Jungen und was gab ihr das Recht zu behaupten, dass ihr Eindruck das einzig Richtige sei? „Du weißt, dass ich eine sehr gute Menschenkenntnis habe, Severus“, antwortete Syndia mit strengem, kalten Ton. Severus verdrehte die Augen und sah zu den Schülern. „Du brauchst jetzt nicht mit deinen Fähigkeiten zu prahlen“, giftete er sie mürrisch an, mit einem bitteren Beigeschmack in der Stimme. Syndia seufzte traurig auf. „Sev, bitte. Du weißt ganz genau, dass ich nie mit irgendwelchen Fähigkeiten geprahlt habe.“ Der Slytherin bemerkte ihren bittenden Blick aus den Augenwinkeln und schloss seufzend die Augen. Sie hatte Recht. Für ihre Fähigkeiten konnte sie nichts und hatte sich nie etwas darauf eingebildet. Im Gegenteil. Wenn sie damals in den Sommerferien nach Hause gekommen war, hatte sie sogar einige ihrer Talente verabscheut. „Also“, setzte Severus mit gelangweiltem Ton neu an, „wie würdest du Potter beschreiben?“ Severus fragte nicht aus Interesse, sondern nur, um das Thema von der Vergangenheit abzulenken. Egal was Syndia über Potter sagen würde, er würde bei seiner Ansicht bleiben. Die Hexe sah erneut zum Gryffindor hinüber und fing langsam und ruhig an zu sprechen: „Er ist aufgeweckt, mutig, zielstrebig, warmherzig...“ Nun musste Syndia wieder schmunzeln. „und ein unglaublich neugieriger und frecher Junge, der deinem Dickschädel gehörig Konkurrenz macht.“ Skeptisch sah Severus zu seiner Schwester. „Mag sein, dass ich ein wenig stur bin, jedoch kannst du mich nicht mit diesem Bengel vergleichen.“ Schmunzelnd sah Syndia ihrem Bruder in die Augen. „Oh doch, ihr seid beides Sturköpfe, die sich, wie ich von ihm und seinen Freunden heute gehört habe, in jeder Zaubertrankstunde die Köpfe einschlagen.“ Der Schwarzäugige grummelte vor sich hin und nahm noch einen Schluck aus seinem Kelch, während er wieder die Schüler beobachtete. „Er hat Lilys Augen“, flüsterte Syndia nur noch. Severus ließ sich bei diesen Worten keine Reaktion anmerken, doch Syndia wusste es besser. Die Laune des Tränkeprofessors sank in den Keller und die Wut auf seine Schwester kam zurück. „Und das ist nicht alles, was er von ihr hat. Er hat viele Charaktereigenschaften von ihr übernommen.“ Die Schwarzhaarige wusste, dass sie gerade ein heikles Thema ansprach und wog ihre Worte gut ab. Sie war erstaunt darüber, dass ihr Bruder sie noch nicht zusammengefaltet hatte. Mit einem Mal stand Severus auf. „Da irrst du dich gewaltig“, flüsterte er mit eisiger Stimme, bevor er die große Halle verließ. Syndia hingegen sah auf ihren Teller und aß weiter. Es hatte besser geklappt, als sie erwartet hatte. Wenn sie ihren Bruder jetzt für einige Stunden in Ruhe ließ, würde sie heute Abend sicherlich vernünftig mit ihm reden können.   „Nur noch eine Unterrichtsstunde“, gähnte Ron vor sich hin, während er mit Harry und Hermine zum Klassenraum für Verwandlung ging. „Ja, ihr habt dann Feierabend. Ich muss heute Abend noch Nachsitzen“, murrte Harry zurück. „Du hast selber Schuld“, giftete Hermine ihn an. „Wenn du mal aufhören würdest, Snape ständig zu widersprechen, hättest du dieses Problem nicht.“ Der Schwarzhaarige rollte mit den Augen. Es hatte keinen Sinn. Hermine würde immer weiter darauf herumreiten, also entschied er sich dafür, sich nicht mehr über Snape zu beschweren. Der Unterricht in Verwandlung ging schleppend voran und Harry driftete mit seinen Gedanken ab. Er war hundemüde, da er am Vorabend mal wieder viel zu spät eingeschlafen war. Und das alles nur, weil er ständig an Sirius denken musste. War es normal, dass man absolut keinen Schlaf fand, obwohl der Verlust eines Paten schon mehrere Monate zurück lag? Oder lag es schlicht und ergreifend daran, dass die Schuldgefühle ihn aufzufressen drohten? „Mr Potter. Wären Sie so freundlich zu wiederholen, was ich gerade gesagt habe?“ Angesprochener schreckte hoch und sah McGonagall überrumpelt an. „Ähm...also...“ „Sie sollten besser dem Unterricht folgen, als Ihren Gedanken nachzuhängen.“ Der Grünäugige nickte nur und McGonagall setzte den Unterricht fort. „Was ist nur los mit dir, Harry?“, flüsterte Hermine mit besorgtem Blick. „Nichts. Was soll sein?“, gab Harry zurück und sah wieder nach vorne, um so zu tun, als würde er McGonagall zuhören. Hermine schüttelte den Kopf und sah ihren Freund noch einmal besorgt an, bevor auch sie sich wieder ihrer Lehrerin zuwandte. Nach einer gefühlten Ewigkeit beendete McGonagall den Unterricht. Beim Verlassen des Raumes begann Hermine:„Und was habt ihr jetzt vor zu machen? Wir könnten in der Bibliothek nach etwas suchen, was wir für unsere Zaubertrankhausaufgaben gebrauchen könnten...“ „Hermine, wir haben erst seit ein paar Minuten Unterrichtsschluss. Gönne uns doch mal eine Pause“, jammerte Ron sofort los und unterbrach damit seine Freundin. „Je schneller wir das hinter uns bringen desto besser.“ „Harry, sag doch auch mal was!“, gab Ron quietschend von sich, in der Hoffnung einen Verbündeten zu bekommen. Harry sah im Korridor aus dem Fenster zum See, der im Sonnenschein glitzerte. „Also ich werde in die Bibliothek gehen...“, setzte Harry an, doch das enttäuschte Aufstöhnen von Ron unterbrach ihn. „...mir dort ein Buch für Zaubertränke ausleihen und meine Hausaufgaben dann am See machen. Ich will die Zeit in der Sonne verbringen.“ Hermine gab sich geschlagen und nickte, während Ron ein leises Grummeln von sich gab.   Severus saß gerade an seinem Schreibtisch und ging die Unterlagen für den nächsten Tag durch, als es klopfte. Mit hochgezogener Augenbraue sah der Tränkemeister auf die Uhr, die 20 nach 7 anzeigte. „Herein“, sprach er in seinem gewohnten, kalten Ton. Die Tür wurde geöffnet und eine Frau mit schwarzen Haaren und Augen wie seine betrat das Büro. Seufzend lehnte Severus sich in seinem Stuhl zurück. Natürlich, wer hätte sonst hier auftauchen sollen? „Hast du Zeit?“, fragte die Hexe und schloss die Tür hinter sich. Severus sah noch einmal auf die Uhr und antwortete dann: „Nicht viel. Potter taucht um 20 Uhr hier auf.“ Auch Syndia sah nun kurz zur Uhr, bevor sie sich unaufgefordert auf den Stuhl vor Severus' Schreibtisch sinken ließ. „Das wird fürs Erste reichen....denke ich.“ Der Tränkemeister legte die Unterlagen zur Seite, während er sprach. „Du willst mir jetzt also irgendeine Geschichte auftischen, die dein plötzliches Verschwinden entschuldigen soll.“ Syndia schüttelte leicht den Kopf. „Keine Geschichte, Sev. Ich meine es ernst. Glaube mir, es war nicht leicht und ich wollte dir nicht wehtun“, verteidigte sie sich mit sanftem Ton. Doch Severus wollte sich von seiner Schwester nicht einwickeln lassen. Sein Blick blieb weiterhin abschätzend und kühl. „Schön, nenne es wie du willst. Jetzt brauchst du jedenfalls eine wirklich sehr gute Erklärung.“ Die Hexe atmete einmal tief durch und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte. Die Maske, die sie den Schülern gegenüber trug, war nun vollständig verschwunden und sie wirkte zerstreut und unsicher. „Wo soll ich anfangen?“, murmelte sie vor sich hin und hielt ihren Blick auf den Schreibtisch gerichtet. „Wie wäre es damit, was du nach deinem Studium gemacht hast?“, fragte ihr Bruder kalt und ungeduldig. Syndia überlegte kurz und nickte dann leicht. Sie ließ ihre Hand, mit der sie noch immer mit der Haarsträhne gespielt hatte, in ihre Schoß sinken und blickte auf diese. „Zauberer, die auf die Uni gehen wo ich war, bekommen nach erfolgreicher Ausbildung vom amerikanischen Ministerium automatisch eine Arbeitsstelle angeboten. Dort arbeite ich in einer Abteilung, die man als einen Nebenzweig der Aurorenabteilung bezeichnen kann. Wir sind grundsätzlich den schwarzmagischsten Verbrechern der ganzen Welt auf der Spur und leben dementsprechend gefährlich.“ Nun sah Syndia ihrem Bruder mit einem verzweifelten Blick in die Augen. „Und genau das war der Grund, weshalb ich keinen Kontakt zu dir aufnehmen durfte. Die gesamte Abteilung arbeitet im Geheimen und alle Angestellten erhalten den größten Schutz, den das Ministerium bieten kann. Es wurde uns verboten allzu viele Kontakte zu pflegen und auch innerhalb des Landes ein normales Leben zu führen ist so gut wie unmöglich.“ Severus sah seine Schwester skeptisch an, während er spöttisch fragte: „Du willst mir doch nicht weiß machen, dass du für die ISAM arbeitest, oder?“ Abrupt geriet Syndia ins Stocken und sah ihren Bruder überrascht an. „Nicht ganz“, antwortete sie leise und wirkte etwas verlegen. „Ich arbeite nur auf nationaler Ebene... also für die NSMA. Aber die Grenzen verschwimmen da momentan etwas.“ Severus' Augenbraue wanderte nach oben. „Das ist kein blöder Scherz?“, fragte er misstrauisch nach und erhielt ein langsames Kopfschütteln als Antwort. „Du willst mir allen ernstes sagen, dass du Geheimagentin bist?“ „Schwer zu glauben, was?“, schmunzelte die Hexe etwas unsicher. Kapitel 4: Die Wunden der Vergangenheit --------------------------------------- „Das ist kein blöder Scherz? Du willst mir allen ernstes sagen, dass du Geheimagentin bist?“ „Schwer zu glauben, was?“, schmunzelte die Hexe etwas unsicher. „Du hast mir immer vorgehalten, dass ich viel zu viel von mir Preis gebe und viel zu gutherzig bin. Und so jemandem wie mir werden Staatsgeheimnisse anvertraut.“ Severus musste zugeben, dass er ein wenig sprachlos war. „Du musstest dir gleich die abgedrehteste Ausrede einfallen lassen, was?“ Ein schiefes Grinsen huschte auf Syndias Lippen, doch sogleich wurde sie wieder ernst und ihr Lächeln gefror. „Das ist der Grund, warum Voldemort hinter mir her ist. Eigentlich fällt das nicht in unseren Aufgabenbereich, aber die ISAM benötigt im Fall 'Selbsternannter Lord' meine Fähigkeiten und hat mich hinzugezogen. Fürs Erste haben sie mich also nach England geschickt, damit ich vor Ort ermitteln und über die Lage berichten kann. Ich weiß schon seit einiger Zeit, dass du das Dunkle Mal trägst und dass du noch immer zu den Todessertreffen erscheinst.“ Mit hochgezogener Augenbraue und fragendem Blick, setzte Severus an etwas zu sagen, doch Syndia kam ihm zuvor. „Ich weiß von dem Prozess, der vor 15 Jahren gegen dich lief. Außerdem gibt es Listen der bekannten Todesser und derer, bei denen man vermutet, dass sie Todesser sind oder waren. Und ich habe auch mit Dumbledore gesprochen. Um auf das Thema zurückzukommen: Voldemort weiß, dass der Amerikanische Geheimdienst hinter ihm her ist und damit es nicht zu Geiselnahmen kommt, wurden uns persönliche Kontakte nach England verboten, insbesondere mir, weil du mit auf der Liste der Todesser standest. Verstehst du es langsam?“ Eine kurze Stille entstand, in der Severus Syndia nur ansah, ohne zu zeigen, was er von dem ganzen hielt. Langsam und seinen nachdenklichen Blick durch den Raum schweifen lassend, stand er auf und ging um den Schreibtisch herum, um sich dann neben Syndia gegen die Tischplatte zu lehnen und die Arme zu verschränken. Einige Momente vergingen, in denen Severus schwieg und Syndia versuchte, irgendwelche Emotionen in seinen Augen zu lesen, doch ihr Bruder schaffte es sich vollkommen zu verschließen. Er wirkte kalt und ruhig. Zu ruhig. So ruhig, dass es unheimlich war. Die Verteidigungslehrerin konnte unmöglich sagen, ob Severus weiterhin so ruhig bleiben würde, oder ob das nur die Ruhe vor dem Sturm war. Sie wagte es nicht etwas zu sagen oder ihren Bruder zu berühren, aus Angst vor seiner Reaktion. Je mehr Zeit verstrich, umso größer wurde Syndias Angst, dass der Slytherin einen Wutanfall bekommen könnte. Sie hatte ihren Bruder noch nie so gesehen wie jetzt. Es war das erste Mal, dass sie nicht in der Lage war, auch nur ansatzweise zu erkennen, was in Severus vorging. Irgendwann begann der Tränkemeister mit ruhiger aber eiskalter Stimme zu sprechen und es war deutlich herauszuhören, dass er seine Wut nur schwer zügeln konnte. „Wenn es für dich so gefährlich war Kontakt mit anderen Personen aufzunehmen, warum in Merlins Namen hast du dann in Amerika eine Familie gegründet?“ Nun sah er Syndia mit eiskaltem Blick in die Augen, sodass selbst sie als eine Snape eine Gänsehaut bekam. Mit ruhiger und besänftigender Stimme antwortete sie: „Weil mein Mann ebenfalls in dieser Abteilung arbeitet und er somit ohnehin in Gefahr ist. Unser Sohn ist die meiste Zeit ganz in der Nähe unseres Arbeitsplatzes untergebracht und wird dort strengstens bewacht.“ Syndias Hoffnung, dass mit dieser Antwort Severus' Wut etwas gedämpft werden würde, schwand sofort, als sie in seine noch immer kalten Augen sah. Langsam wusste sie nicht mehr wie sie reagieren sollte. Den Tränkemeister zu besänftigen war anscheinend unmöglich und um den Blick genauso kalt zu erwidern, fehlte Syndia einfach die Kraft. Noch nie hatte ihr Bruder sie so angesehen und es versetzte ihr einen heftigen Stich. Sie war nicht in der Lage wieder ihre Maske aufzusetzen, doch sie wollte sich auch nicht anmerken lassen, wie sehr Severus sie mit seinen Blicken verletzte. Syndias Hilflosigkeit war ihr deutlich in den Augen abzulesen, doch noch immer zeigte Severus keine Reaktion. Weiterhin leise und schneidend sprach er weiter: „Und bei den beiden Briefen hast du dann wohl ein Auge zugedrückt, um mir zu zeigen, was für ein tolles Leben du führst, was? Du durftest absolut keinen Kontakt ins Ausland haben, aber einen Brief wegen deiner Hochzeit und einen weiteren bei der Geburt deines Sohnes nach England zu schicken war völlig okay, oder was?“ Syndia öffnete den Mund, doch sie brachte keinen Ton heraus. Als Severus merkte, dass seine Schwester nichts sagen konnte, sprach er weiter, diesmal jedoch lauter und deutlich mit Wut in der Stimme. „Wenn du schon diese Sicherheitsvorkehrungen ignoriert hast, warum hast du dann nicht mehr in diese bekloppten Briefe reingeschrieben? Eine kleine Erklärung hätte gereicht, um mir zu sagen, dass alles in Ordnung ist und du mich nicht absichtlich aus deinem Leben ausgeschlossen hattest. Aber da stand nichts! Gar nichts! Nur diese schlichten Urkunden, ohne auch nur ein 'Hallo' oder ähnliches!“ Severus hatte sich nun von seinem Pult abgestoßen, seine Arme gelöst und baute sich in Angriffshaltung vor seiner Schwester auf. In seinen Augen war die Kälte rasender Wut gewichen und beim Sprechen wurde er mit jedem Wort lauter. Syndia stand ebenfalls auf, hob beschwichtigend ihre Hände und sprach im ruhigen Ton, konnte ein leichtes Zittern aber nicht aus ihrer Stimme verbannen. „Ich wusste, dass du noch immer auf der Suche nach mir warst und das hatte mir einfach keine Ruhe gelassen. Zu der Zeit war es gerade sehr ruhig um Voldemort und deshalb konnte ich das Risiko eingehen dich zu kontaktieren. Ich hatte gehofft, dass du aufhören würdest nach mir zu suchen, wenn ich dir das Gefühl geben würde, dass du in meinem neuen Leben keinen Platz mehr hättest.“ „Na, das hast du dir ja schön zurechtgelegt! Gratuliere, es hat geklappt!“ Die nächsten Worte schrie Severus schon fast, sodass die Schwarzhaarige ein paar Schritte zurück trat. „Aber dass du mich damit verletzt hast, kam dir nicht in den Sinn, oder?! Weißt du eigentlich, was es bedeutet, wenn die eigene Schwester deutlich macht, dass sie nichts mehr mit einem zu tun haben will?! Verdammt Syndia, hast du dich auch nur eine Sekunde lang in meine Lage versetzt?! Das letzte Mal, wo ich dich gesehen habe, war auf Mums Beerdigung und da hast du mir versprochen mir zu helfen! Du wusstest, dass ich mit Dad zu kämpfen hätte! Du hattest mir versprochen, dass du mir helfen würdest die ganze Scheiße durchzustehen! Und was hast du stattdessen gemacht?! Du bist wieder nach Amerika gegangen und hast dich nie wieder gemeldet! Du hast mich einfach im ganzen Chaos stehen gelassen! Dabei wusstest du ganz genau, dass du nach Mums Tod der einzige Mensch aus der Familie warst, der noch zu mir stand und der mir noch etwas bedeutet hat! Was glaubst du, wie sich das anfühlt zuerst Mum und dann auch noch dich zu verlieren?! Syndia, ich habe mir SORGEN um dich gemacht! Ich dachte, dir wäre etwas zugestoßen! Verdammt, ich hatte eine SCHEIßANGST um dich!!! Und dann kamen diese BESCHISSENEN Briefe, die mir zeigten, dass es dir SCHEIßEGAL war, was mit mir ist! Dass du einfach nichts mehr mit mir zu tun haben wolltest! “ Unfähig sich zu bewegen, ließ Syndia den Wutausbruch ihres Bruders über sich ergehen und ihre Schuldgefühle wuchsen ins Unermessliche. Verzweifelt und mit feuchten Augen blickte sie in die von Severus und sah, wie sich auch in seinen Tränen angesammelt hatten. Der Tränkemeister setzte dazu an wieder loszuschreien, doch blieben ihm die Worte im Hals stecken, wo sich bereits ein Kloß gebildet hatte, den er nicht herunterschlucken konnte. Er sah zur Seite, um seiner Schwester nicht zu zeigen, was gerade in ihm vorging. Er versuchte es zu verstecken, doch nun sah Syndia endlich, was wirklich mit ihm los war. Sie konnte in seinen Augen deutlich den Schmerz sehen, den er seit ihrer Ankunft hinter Wut versteckt hatte. „Es tut mir so Leid“, flüsterte sie mit kratziger Stimme in die aufgekommene Stille. Der Slytherin schloss kurz die Augen und versuchte damit sich wieder zu fangen, doch es ging nicht. Er hatte gerade seinen gesamten Schmerz herausgeschrien und konnte diesen nun nicht mehr bändigen. Er presste seine Lippen aufeinander und versuchte seine zitternden Hände wieder in den Griff zu bekommen. Langsam trat Syndia auf ihren Bruder zu und als Severus keine Anstalten machte sie wegzustoßen, schlang sie ihre Arme um ihn. Für einen kurzen Augenblick versteifte er sich, doch dann legte auch er ganz langsam seine Arme um seine Schwester. Syndia verstärkte die Umarmung und Severus legte seinen Kopf auf ihrer Schulter ab, während er sich ein Stück weiter entspannte. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und schloss die Augen. Syndia tat nichts anderes, als ihren Bruder zu halten und ihm die Sicherheit zu geben, die er bereits vor Jahren gebraucht hätte. „Es tut mir so leid“, flüsterte sie sanft. „Ich wollte dich nur beschützen.“ Immer wieder strich sie ihm über den Rücken, während Severus sich nicht mehr rührte und so standen sie eine ganze Weile stumm da. Geschwister, die sich nach 20 Jahren Trennung wieder in den Armen hielten. Einige Zeit verging, bis der Tränkemeister sich langsam beruhigte. Kurz genoss er noch die Umarmung, bevor er sich langsam von seiner Schwester löste und sich gegen die Tischplatte lehnte. Er sah an Syndia vorbei zur Wand, da er es nicht fertig brachte sie anzusehen. Die Hexe spürte seine leichte Unsicherheit, legte ihre Hände auf seine Schultern und lehnte ihre Stirn gegen seine. Der Schwarzhaarige schloss die Augen und genoss einfach den Augenblick der völligen Ruhe. Nach einigen Augenblicken atmete er tief durch und sah seiner Schwester in die Augen, die sich nun wieder von ihm löste. Syndia wurde wieder unsicher, da sie nicht wusste, wie es weitergehen sollte. Er hatte mit seinen Anschuldigungen vollkommen Recht gehabt und sie könnte es verstehen, wenn er ihr nicht verzeihen würde. Aber er hatte sich von ihr trösten lassen und auch sein Blick deutete darauf hin, dass sie irgendwann vielleicht wieder miteinander reden könnten wie früher. Severus selbst wusste auch nicht, was er nun tun oder fühlen sollte. Er wusste jetzt endlich, dass Syndia ihn nie mutwillig verletzen wollte. Sie hatte ihn nicht aus ihrem Leben verbannt, sie hatte nie vorgehabt ihn einfach zu verlassen. Sie war gezwungen den Kontakt abzubrechen, um ihn beschützen zu können. Das war der entscheidende Punkt: Sie hatte das alles nur getan, um ihn zu beschützen. Diese Tatsache sorgte dafür, dass Severus versuchen wollte, ihr wieder sein Vertrauen zu schenken. Es würde wahrscheinlich ein wenig dauern, doch erst einmal war er froh seine Schwester wiederzuhaben. Syndia versuchte ihre Unsicherheit zu überspielen und als sie sich sicher war, dass ihre Stimme fest genug sein würde, fing sie an zu sprechen: „Vielleicht sollte ich jetzt erstmal gehen. Du könntest ein wenig Ruhe gebrauchen.“ Der Tränkemeister war noch unschlüssig und zeigte deshalb keine Reaktion. Nach einigem Überlegen schüttelte er leicht den Kopf. „Zuerst muss ich noch einige Dinge von dir wissen.“ Syndia hob die Augenbraue, sagte aber nichts, sondern wartete darauf, dass ihr Bruder weitersprechen würde. „Du sagtest deine Fähigkeiten werden gegen den Dunklen Lord gebraucht. Warum? Und welche? Du bist nicht zufällig von Dumbledore hier in Hogwarts eingeschleust worden, nicht wahr? Warum bist du also hier?“ Syndia seufzte erschöpft auf. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass du mit den wenigen Informationen zufrieden wärst, die ich dir gegeben habe. Eigentlich darf ich dir überhaupt nichts erzählen. Wenn man es genau nimmt, hätte ich noch nicht einmal mit dir reden dürfen. Aber dass die mich ausgerechnet nach Hogwarts geschickt haben und ich dir dann zwangsläufig über den Weg laufe, ist nicht meine Schuld und von daher kann sich keiner bei mir beschweren.“ Der Slytherin nickte kurz und hakte dann weiter nach: „Warum bist du in Hogwarts?“ Die Hexe setzte gerade dazu an zu antworten, als es an der Bürotür klopfte. Sie warf einen fragenden Blick zur Tür und Severus sah irritiert auf die Uhr. Es war 20:06 Uhr. „Verdammt, den habe ich völlig vergessen“, klagte der Slytherin und sah unschlüssig zur Tür. Es klopfte ein weiteres Mal und bevor Severus sich in Bewegung setzen konnte, war Syndia auch schon auf die Tür zugegangen. Sie öffnete, um einen überraschten Harry vorzufinden. „Ähm....ich....sollte zum Nachsitzen hier erscheinen.“ Syndia nickte ihm zu. „Ich weiß, Mr Potter. Aber Sie haben heute Glück. Ihr Nachsitzen wird verschoben werden. Severus, wann soll das nachgeholt werden?“, fragte sie zum Schluss in den Raum. Harry trat einige Schritte ein, sah seinen Lehrer am Schreibtisch lehnen und runzelte die Stirn. So hatte er den Tränkemeister noch nie gesehen. Er sah aus, als hätte er sich überarbeitet und als er Harry kurz in die Augen sah, hätte dieser schwören können, dass sie gerötet waren. Sein Lehrer brach den Blickkontakt nach wenigen Sekunden ab. „Das Nachsitzen wird auf Donnerstag verschoben“, gab er nur knapp von sich und versuchte seine Stimme gewohnt kühl zu halten. Doch Harry fiel sofort auf, dass die Stimme des Tränkemeisters ungewöhnlich rau, ja schon fast brüchig war. Während Harry sich noch fragte, was mit seinem Lehrer los war, schob sich die Hexe vor ihn. „Also, Donnerstag nachsitzen. Sie können für heute gehen.“ Harry sah sie an und nickte dann schwach. Er brauchte noch einen Augenblick, bis er sich wieder zum Gehen wenden konnte. Syndia schob den Jungen regelrecht zur Tür und versperrte ihm möglichst den Blick zu Severus. Sie hatte sofort gemerkt, dass Harry etwas aufgefallen war und wollte ihn schnell wieder loswerden. Noch immer verdattert murmelte Harry ein „Guten Abend“ und verließ das Büro. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und für einen Moment blieb er im Korridor stehen. Was war denn das gerade? Was war mit Snape los? Die brüchige Stimme, die geröteten Augen... Ruckartig lief der Brillenträger los Richtung Gryffindorturm. In Severus' Büro hingegen gab der Tränkemeister ein erschöpftes Seufzen von sich, als die Tür sich hinter Potter geschlossen hatte. „Er hat es gemerkt.“ Syndia trat zu ihm und sah ihn besorgt an. „Und wenn schon. Harry ist keiner, der das in der ganzen Schule herumerzählt. Außerdem weiß er viel zu wenig, um überhaupt irgendwelche Schlüsse ziehen zu können.“ Severus nickte langsam, blieb jedoch still. „Okay“, seufzte Syndia, „Ich werde dann mal gehen.“ Sie trat zu Severus, legte einen Arm über seine Schultern und gab ihm einen Kuss an die Schläfe, was dieser mit einem Grummeln kommentierte. „Gute Nacht“, flüsterte sie lächelnd und ging zur Tür. Bevor sie diese öffnen konnte, wurde sie noch einmal aufgehalten. „Du hast meine Fragen immer noch nicht beantwortet.“ Syndia drehte sich noch einmal zu ihrem Bruder um. „Es würde zu lange dauern das jetzt alles zu erklären. Aber ich bin nach England gekommen, um hier einen Auftrag zu erledigen. Dafür musste ich nach Hogwarts kommen und da Dumbledore uns unterstützen wollte, hat er mich hier als Lehrerin reingeschmuggelt.“ Severus hob eine Augenbraue und fragte seine Schwester: „Und dieser Auftrag lautet?“ Die Hexe schmunzelte über die Hartnäckigkeit ihres Bruders und antwortete nur: „Es gibt etwas, dass ich finden muss, um jemanden beschützen zu können.“ Der Schwarzhaarige tat nichts anderes, als nachdenklich zu nicken und so verließ Syndia mit einem weiteren „Gute Nacht“ den Raum. Nachdem die Hexe den Raum verlassen hatte, stand Severus noch immer stumm da und dachte nach. Diese Aussage hatte mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Langsam hatte er das Gefühl, dass Syndia das mit Absicht tat. Was brachte denn auch mehr Spaß, als den Bruder zu ärgern? Genervt seufzte der Slytherin auf und ging zur Tür, die in seine Privaträume führte. Endlich war Harry im Gemeinschaftsraum der Gryffindors angekommen und sah sich um. Enttäuscht musste er feststellen, dass Ron und Hermine nicht da waren und so sah er auf seine Armbanduhr. In einer halben Stunde war Ausgangssperre. Harry überlegte, ob er solange hier warten oder seine Freunde suchen sollte. Er ging auf einen freien Sessel zu und setzte sich. Es dauerte aber nicht lange bis der Gryffindor schon wieder aufgestanden war und durch das Portraitloch den Raum verlassen hatte. Fürs Herumsitzen und Warten war der Grünäugige einfach zu ungeduldig. Er wollte gerade die Treppe Richtung Bibliothek hoch laufen, als von links Ron und Hermine angelaufen kamen. Sofort ging Harry auf die beiden zu. „Wo habt ihr euch denn herumgetrieben?“, fragte er gleich und unterbrach damit das Gespräch, welches die beiden gerade geführt hatten. Irritiert sahen sie Harry an. „Was machst du denn hier? Warum bist du nicht beim Nachsitzen?“, stellte Ron als Gegenfrage. „Das erzähle ich euch gleich. Wir sollten erstmal zum Gemeinschaftsraum zurückgehen. In 20 Minuten ist Ausgangssperre.“ Seine beiden Freunde sahen ihn verwundert an, nickten dann aber und machten sich mit ihm auf den Weg Richtung Gryffindorturm. „War Snape nicht da?“, fragte Ron neugierig, als sie den nächsten Korridor erreichten. „Doch, aber Professor Levin hat mir geöffnet. Sie meinte, dass mein Nachsitzen verschoben werden würde. Den Grund wollte sie mir nicht sagen und sie versuchte mir den Blick in den Raum zu versperren. Ich konnte einen Blick auf Snape werfen“, erzählte Harry und machte dann eine kurze Pause. „Und?“, drängelte Ron gespannt. „Ich glaube er hatte einen Streit mit Levin“, berichtete Harry etwas nachdenklich weiter. „Bevor ich ihn noch genauer mustern konnte, hatte Levin mich wieder aus dem Raum geschoben und die Tür vor meiner Nase zugemacht.“ „Ich denke, wir sollten uns da nicht weiter einmischen“, beschloss Hermine und sah Harry ernst an. Ron grummelte vor sich hin. „Warum sollen wir uns immer dann heraushalten, wenn es gerade spannend wird?“, murrte er während sie den Gemeinschaftsraum betraten. „Weil uns die Probleme anderer absolut nichts angehen!“, fauchte Hermine den Rotschopf an. Dieser gab nur wieder ein Grummeln von sich. Harry, der diese Streitereien gewohnt war, sah nachdenklich aus dem Fenster. Hermine hatte Recht, es ging sie nicht an was Snape tat. Aber seine Neugierde wuchs immer weiter an. Verdammt nochmal! Harry konnte sich über sich selbst aufregen. Diese Frau hat in England gelebt, war nach Amerika ausgewandert und war nun zurückgekehrt. Was war denn bitte daran so interessant? Okay, sie hatte sich anscheinend vor ihrer Abreise mit ihrem Bruder zerstritten, aber so etwas passierte doch ständig. Also was in Merlins Namen machte ihn so neugierig?! „Harry?“ Angesprochener schreckte hoch und sah der besorgt aussehenden Hermine ins Gesicht. „Was ist?“ „Es ist nur... du hast gerade so wütend ausgesehen“, sprach Hermine weiter und sah ihren Freund forschend an. „Es ist nichts weiter. Ich habe mich nur über meine eigene Neugierde aufgeregt.“ Langsam nickte Hermine und sah auf die Uhr. „Also ich werde mich schlafen legen. Und an eurer Stelle würde ich das auch tun“, sprach sie wieder mit ihrem gewohnt strengen Tonfall. Ungläubig sah Ron ebenfalls auf die Uhr. „Jetzt schon?!“ Hermine verdrehte die Augen. „Ach, macht doch was ihr wollt. Ich habe Kopfschmerzen und werde jetzt ins Bett gehen. Gute Nacht“, gab Hermine leicht bissig von sich und stieg die Treppen zu den Mädchenschlafsälen hoch. Die beiden Jungs sahen ihr verdutzt hinterher, ehe sie sich gegenseitig fragend ansahen. „Was hat die denn gebissen?“, fragte Ron leise. Der Grünäugige zuckte die Achseln. Sie unterhielten sich noch ein wenig mit Dean, bevor sie ebenfalls in ihren Schlafraum gingen. Ron war schon lange am Schnarchen, als Harry noch immer wach im Bett lag. Er konnte keine Ruhe finden. Seine Gedanken kreisten einfach zu sehr. „Guten Morgen, Severus“, grüßte Syndia ihren Bruder, als sie sich neben ihn an den Lehrertisch setzte. „Morgen“, grummelte dieser. Syndia warf ihm einen forschenden Blick zu, was dem Tränkemeister nicht entging. „Du brauchst mich nicht zu bemuttern. Es geht mir gut.“ „Das hatte ich nicht vor“, gab die Hexe zurück und füllte sich was zu Essen auf. Severus sah zum Gryffindortisch und fand schnell den schwarzhaarigen Jungen, der gestern Abend bei ihm aufgetaucht war. Er wirkte ziemlich müde und mürrisch. Syndia folgte seinem Blick und beobachtete ebenfalls den jungen Potter. „Er wird es nicht herumerzählt haben“, sprach Syndia ohne den Blick von Potter zu wenden. „Wir wissen doch noch nicht einmal, ob er überhaupt irgendwelche Schlüsse ziehen konnte.“ „Oh doch, er wird seine Schlüsse gezogen haben“, antwortete Severus und trank einen Schluck Kaffee. „Um noch einmal auf das gestrige Thema zurückzukommen...“ Syndia stöhnte auf. Es wunderte sie nicht, dass ihr Bruder weitere Fragen stellen wollte. Dafür war er einfach zu hartnäckig. „Ich weiß, du willst mir nur ungern antworten, aber gebe mir wenigsten ein paar Antworten.“ „Antworten auf welche Fragen?“, gab die Hexe sich seufzend geschlagen. „Warum arbeitest du für die NSMA?“ Syndia sah sich in der Halle um. „Es wäre unklug, sich hier darüber zu unterhalten. Ich bin wegen meinen Fähigkeiten in diese Abteilung gekommen.“ Severus runzelte die Stirn und Syndia lächelte kaum merklich. Gedankenversunken spielte sie an ihrem Kelch herum. „Du weißt, dass ich auf diese Fähigkeiten nicht gerade stolz bin. Dieser Job gibt mir die Möglichkeit, sie für das Gute einzusetzen. Teilweise ist es jedoch lästig. Allein schon, dass ich im Ausland zur Schule gehen musste und nicht nach Hogwarts durfte, war für mich Grund genug, diese Fähigkeiten eher als einen Klotz am Bein zu betrachten. Hoffentlich ergeht es Luca da anders. Ich will nicht, dass er nicht wie andere Kinder behandelt wird.“ Severus schwieg eine Weile und ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. „Wann bekomme ich den Kleinen denn mal zu sehen?“, fragte er seine Schwester dann. „Klein ist gut“, entgegnete Syndia lächelnd. „Er wird bald elf Jahre alt. Zur Zeit ist er noch in den USA im Hauptquartier. Dort ist es für ihn am sichersten und sein Vater ist da, falls er einmal die Kontrolle verlieren sollte. Du weißt, wie gefährlich Gefühlsausbrüche bei jemandem mit meinen Fähigkeiten sind.“ Sie bekam ein Nicken als Antwort. Oh ja, Severus konnte sich nur zu gut daran erinnern was geschah, wenn Syndia als Kind einmal einen Wutausbruch und die Kontrolle über ihre Fähigkeiten verloren hatte. Bei ihrem schlimmsten Ausbruch war er sogar in ihrer Reichweite gewesen. Ihre Mutter hatte ihn noch gerade rechtzeitig schützen können. Im letzten Moment hatte sie einen Schildzauber auf Severus gesprochen und konnte sich somit nicht selbst schützen. Sie war mit tiefen Schnittwunden und Verbrennungen an Gesicht und Armen ins St. Mungo eingeliefert worden. Syndia hatte sich tagelang in ihrem Zimmer eingeschlossen und geweint, weil sie sich so große Vorwürfe gemacht hatte. Severus und ihre Mutter waren Syndia nie böse wegen diesem Vorfall, da sie wussten, dass sie nichts dafür konnte. Der Einzige, der sie immer wieder damit nieder machte, war ihr Vater gewesen. Der Tränkemeister zwang sich mit seinen Gedanken wieder in die Gegenwart zurückzukehren. „Heißt das, er hat deine gesamten Fähigkeiten geerbt?“ „Nicht alle“, antwortete ihm seine Schwester. „Aber einen großen Teil und bei einigen wissen wir es noch nicht, weil die sich erst mit 14 Jahren entwickeln.“ Wieder nickte Severus nur. Dann schüttelte er leicht den Kopf. „Du hast mal wieder gekonnt vom Thema abgelenkt. Also: Wofür werden deine Fähigkeiten benötigt?“, fragte er dann hartnäckig und sah Syndia forschend in die Augen. Diese lächelte wieder. „Du sagtest du müsstest etwas finden?“, fragte er, um seine Überlegungen voranzutreiben. Syndia sah sich wieder in der Halle um. „Das sollten wir besser nicht hier besprechen.“ Wäre Severus' Augenbraue nicht schon hochgezogen, wäre sie es spätestens jetzt gewesen. Er sah sich ebenfalls in der Halle um, während er weitersprach. „Und wer ist die Person, die du beschützen sollst?“ Syndia nahm einen Schluck aus ihrem Kelch und sah weiterhin nach vorne. „Überlege doch mal. Bei diesem Auftrag geht es darum, die Pläne von Voldemort zu durchkreuzen“, gab sie den Hinweis. Nun sah der Schwarzhaarige sie fragend an. „Potter?“ Syndia sah Severus wieder in die Augen und lächelte leicht. „Potter.“ Kapitel 5: Nachtwanderung ------------------------- Harry Potter raufte sich die Haare, als er diesen Vormittag mit seinen beiden Freunden das Klassenzimmer für Zaubertränke verließ. „Ganz ruhig, Harry“, redete Hermine auf ihn ein, während dieser tief durchatmete, um sich zu beruhigen. „Dieser Kerl macht mich noch wahnsinnig! Wir sind noch in der ersten Schulwoche und schon ertrage ich diesen Bastard nicht mehr!“, keifte der Gryffindor mit unterdrückter Wut. „Aber wenigstens hast du es heute mal geschafft die Klappe zu halten. Du machst Fortschritte.“ „Dafür hast du übrigens meinen Respekt“, mischte Ron sich ein. „Der hat dich heute ja noch fieser behandelt als sonst und trotzdem bist du ruhig geblieben. Ich wäre schon bei seinem ersten Kommentar explodiert.“ „Natürlich hat er mich heute fieser behandelt als sonst. Nachdem ich ihn gestern Abend so gesehen habe, ist es kein Wunder, dass er sich rächt.“ Der Gryffindor schloss kurz die Augen und atmete ein letztes Mal tief durch, bevor er weitersprach: „Es sind auch nicht seine Kommentare gewesen, die mich so wütend gemacht haben. Er hat versucht Legilimentik bei mir anzuwenden.“ „Was?!“, kam es empört von Ron und Hermine gleichzeitig. Harry zuckte nur die Achseln. „Und hat er etwas gesehen?“, fragte Ron vorsichtig nach. Harry schüttelte den Kopf. „Als er merkte, dass ich ihn bei dem Versuch erwischt habe, hat er aufgehört. Er scheint in Legilimentik nicht so gut zu sein wie seine Schwester. Die hat meine Gedanken schon einmal gelesen, ohne das ich es bemerkt habe.“ „Warum machen die das überhaupt? Es geht die doch überhaupt nichts an was wir tun oder denken! Das ist unsere Privatsphäre!“, beschwerte Ron sich weiter. „Bei Snape ist es doch offensichtlich: Er wollte herausfinden, wie viel ich gestern Abend mitbekommen und ob ich es weitererzählt habe.“ „Das gibt ihnen noch lange nicht das Recht in deinen Gedanken herumzuschnüffeln!“, meckerte Ron weiter. Der Schwarzhaarige sagte nichts weiter.   Harry rannte und rannte, aber der Gang, in dem er sich befand, wollte kein Ende nehmen. Immer wieder sah er hinter sich und stellte fest, dass die Schwärze hinter ihm immer näher kam. Sie durfte ihn nicht erreichen. Er wusste nicht, was dieser Nebel war, aber er wusste, dass er verloren wäre, wenn er hineingeraten würde. Endlich konnte er eine Tür vor sich erkennen. Er riss sie auf und fand sich in einem helleren und wesentlich kürzeren Flur wieder. In den Wänden waren Türbögen eingebaut, doch er konnte nicht hindurchgehen. Die Durchgänge waren von einem seltsamen Schleier verdeckt, von denen aus Menschen zu flüstern schienen. Er konnte nicht verstehen was sie sagten, doch das interessierte Harry im Moment auch gar nicht. Der schwarze Nebel hatte bereits die Tür erreicht und kam bedrohlich näher. Panisch lief Harry den Gang entlang. Am Ende angelangt, stand er vor einer weiteren Tür, doch als er versuchte sie zu öffnen, gab diese nicht nach. Verzweifelt rüttelte er an der Klinke, doch es half nichts. Harry drehte sich um und suchte nach einem anderen Fluchtweg. Erst jetzt entdeckte er zwei weitere Türen. Er stürmte zu einer der beiden hin und öffnete sie. Dahinter befand sich ein winziger, dunkler Raum, in dem ein weiterer Torbogen mit Schleier stand. Aus diesem waren ebenfalls flüsternde Stimmen zu hören, doch Harry konnte aus diesem Stimmengewirr eine deutlich heraushören. „Harry! Harry!“, rief diese Stimme immer wieder. Als Angesprochener sich den Schleier genauer ansah, konnte er das Gesicht seines Paten darin erkennen. „Harry! Harry!“, flüsterte Sirius immer wieder. Durch Harrys langes Zögern hatte der schwarze Nebel die Tür erreicht und versperrte ihm den Ausgang. Plötzlich wurde alles um ihn herum schwarz und nur der Torbogen schien leuchtend vor ihm zu stehen. Langsam verblasste Sirius' Gesicht im Schleier und der Torbogen verschwand. Sirius' Stimme jedoch wurde immer lauter. „Harry! Harry!“, hallte es nun von überall her. Panisch sah Harry sich um, doch er konnte nichts erkennen. „Hilf mir, Harry! Hilf mir!“, konnte er Sirius' Stimme sprechen hören, die an nicht sichtbaren Wänden widerhallte. Immer wieder rief Sirius nach ihm und bat um Hilfe. Harry drehte sich im Kreis und versuchte verzweifelt herauszufinden, woher die Stimme kam. Auf einmal packte ihn etwas am Knöchel und er schnellte herum. Vor ihm lag Sirius auf dem Boden und hatte deutlich Schwierigkeiten Luft zu bekommen. Er sah zu Harry hinauf, welcher nun das Blut an der Stirn seines Paten herunterlaufen sah. Sirius gab ein Husten von sich, wobei weiteres Blut aus seinem Mund lief. „Harry, hilf mir!“, röchelte er. „Hilf mir! Wegen dir bin ich hier. Wegen dir ist mir das zugestoßen. Also hilf mir!“ Gerade als Harry sich zu seinem Paten hinunterbeugen wollte, verschwand dieser und Harry war wieder von der Schwärze umgeben. Unsicher stand er auf. „Sirius?“, fragte er ins Dunkle hinein. „Hilf mir!“, konnte er wieder aus allen Richtungen hören. „Wo bist du?“, schrie Harry verzweifelt. „Hilf mir!“, rief Sirius nur weiter. Die Panik des Jungen stieg weiter ins Unermessliche. Orientierungslos lief er in irgendeine Richtung, in der Hoffnung auf etwas zu stoßen. Plötzlich sah er den blutüberströmten Sirius drei Meter vor ihm liegen, doch als er auf ihn zu rannte, verschwand dieser wieder. Kurz darauf erschien sein Pate rechts von ihm, doch kaum hatte Harry einen Schritt gemacht, war er wieder weg. Nur Sirius' Stimme war weiterhin zu hören, die um Hilfe rief. Plötzlich konnte Harry hören, wie sein Pate einen entsetzlichen Schrei von sich gab. Der Schrei hallte von allen Seiten und wollte nicht enden. Harry drehte sich verzweifelt im Kreis, in der Hoffnung, Sirius irgendwo zu entdecken. Doch alles blieb dunkel und der Schrei war weiterhin von allen Seiten zu hören. Er hielt es nicht mehr aus. Er konnte diesen Schrei nicht mehr hören. Er ertrug es nicht länger diesen Qualen zu lauschen. Verzweifelt hielt Harry sich die Ohren zu, doch der Schrei wurde dadurch nicht gedämpft. Er ließ sich auf die Knie sinken, während er weiterhin seine Hände auf seine Ohren presste. Harry riss die Augen auf. Zuerst nahm er nur Schwärze wahr, doch dann erkannte er langsam die Umrisse eines Bettes, in dem er lag. Er sah sich weiter um und erkannte noch vier weitere Betten, in denen Dean, Seamus, Neville und Ron ruhig schliefen. Langsam ließ der Grünäugige sich in sein Kissen zurücksinken und versuchte seinen schnellen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er befreite sich aus der Decke, die sich um seinen verschwitzten Körper gewickelt hatte. Dann vergrub er sein Gesicht in den Händen und versuchte sich zu beruhigen. Als sein Atem sich wieder einigermaßen normalisiert hatte, nahm er die Hände herunter und sah an die Decke. 'Es war nur ein Albtraum.', versuchte Harry sich selbst zu beruhigen, doch er schaffte es nicht seine zitternden Hände in den Griff zu bekommen. Langsam setzte der Gryffindor sich auf und strich sich durch die Haare. Dann stand er auf und ging ins Bad, wo er den Wasserhahn aufdrehte und sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Am Waschbecken abgestützt, blickte er in den Spiegel. 'Oh man seh ich beschissen aus!', konnte er nur denken und drehte den Wasserhahn zu. Dann ging er zurück in den Schlafsaal und legte sich in sein Bett, doch der erhoffte Schlaf wollte nicht kommen. Jedes mal, wenn Harry seine Augen schloss, sah er wieder den blutüberströmten Sirius vor sich. Nach einer halben Stunde gab Harry auf und setzte sich hin. Er kramte einen Pullover aus seinem Koffer und zog ihn sich über. Dann schnappte er sich seinen Tarnumhang und verließ den Schlafsaal. Im Gemeinschaftsraum war niemand zu sehen. Das Kaminfeuer war bereits ausgegangen und so war der Raum nur von der letzten Glut beleuchtet. Am liebsten hätte Harry 'Lumos' angewendet, aber er wollte unentdeckt bleiben und tastete sich im Dunkeln zum Portraitloch. So leise wie möglich stieß er das Gemälde zur Seite und im Flur angekommen verschwand er unter seinem Tarnumhang. Erst jetzt fiel ihm ein, dass er die Karte des Rumtreibers vergessen hatte, doch er wollte nicht nochmal umkehren. So leise wie möglich schlich der Brillenträger durch die Gänge von Hogwarts, mit dem Ziel Astronomieturm. Er musste dringend frische Luft schnappen und einen klaren Kopf bekommen. Harry nahm einen Umweg, um die Gänge zu benutzen, die große Fenster hatten und somit vom Mondlicht beleuchtet waren. Es wäre zu auffällig 'Lumos' zu benutzen und wenn er sich nicht in der völligen Dunkelheit verlaufen wollte, musste er wohl oder übel diese Gänge nutzen. Bevor der Gryffindor um die nächste Ecke bog, konnte er eine Stimme hören. Er hielt kurz inne und lauschte, doch es war nichts mehr zu hören. Für einen Augenblick dachte Harry, dass er sich verhört oder dass ein Gemälde nur im Schlaf gesprochen hatte. Gerade als er weiterlaufen wollte, hörte er wieder jemanden sprechen. „Also werde ich den Jungen nie zu Gesicht bekommen?“, sprach eine tiefe, männliche Stimme im Flüsterton. „Sicher wirst du das. Aber noch nicht jetzt. Es ist noch zu gefährlich“, antwortete eine weibliche Stimme, die Harry als die von Professor Levin erkannte. Ganz vorsichtig spähte Harry um die Ecke. An einem Fenster konnte er zwei Gestalten erkennen, die sich beide auf dem Fensterbrett abstützten und aus dem Fenster sahen. Vorsichtig trat Harry näher heran, immer darauf achtend, dass er keinen Laut von sich gab. Nun konnte er die beiden Gestalten als Levin und Snape identifizieren. „Und wann glaubst du ist es ungefährlich? Wenn ich das richtig sehe, ist es das nie“, fing Snape wieder an zu sprechen. Levin seufzte leise auf. „Wir werden sehen. Es wird schon noch eine Zeit kommen, in der diese Versteckspielchen nicht mehr von Nöten sind.“ Snape lachte humorlos auf. „Ja sicher. Darauf hoffe ich schon seit 20 Jahren und es ist noch nichts passiert“, antwortete er bitter. Harrys Lehrerin drehte sich um, um sich gegen das Fensterbrett zu lehnen. Erschrocken trat Harry einen Schritt zurück, doch dann fiel ihm ein, dass er unter seinem Tarnumhang war und sie ihn gar nicht sehen konnte. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass die Hexe kurz zu ihm herüber sah, doch dann blickte sie zur gegenüberliegenden Wand. „Es werden auch wieder gute Zeiten kommen“, sprach sie aufmunternd zu ihrem Bruder. „Es gibt so viele große Zauberer, die hinter Voldemort her sind. Irgendwann wird es einem von ihnen gelingen, ihn zu vernichten.“ „Irgendjemandem ist gut“, grummelte Snape weiter. „Du weißt, was der Tagesprophet schreibt und du weißt, dass es diese Prophezeiung wirklich gibt.“ Nun zögerte er kurz, bevor er sehr leise hinzufügte: „Ich habe sie selbst gehört.“ Harry stockte der Atem und er sah stirnrunzelnd zu seinem Lehrer. Er hatte die Prophezeiung gehört? Aber wie war das möglich? Die einzigen Menschen, die die Prophezeiung kannten, waren Dumbledore und er selbst. Dumbledore hätte diese Prophezeiung doch nicht an Snape weitergeleitet, oder? „Wo wir gerade von Potter sprechen“, riss Levin Harry aus seinen Gedanken, „Er hat heute Nacht das Bett verlassen.“ Nun hatte sie ihre Arme verschränkt und sah direkt auf die Stelle, an der sich Harry befand. Erschrocken starrte dieser seine Lehrerin an und war nicht in der Lage sich zu bewegen. Mit einer hochgezogenen Augenbraue sah Snape seine Schwester an. „Heute Nacht?“ „Ja, heute Nacht“, bestätigte Levin und sah nun wieder zu ihrem Bruder. „Ich habe ihn dabei erwischt, wie er in den Gängern herumschlich.“ „Mit oder ohne Tarnumhang?“ „Ah, du weißt also, dass er einen besitzt.“ „Natürlich weiß ich das. Er geht nicht gerade mit Vorsicht vor. Bereits im ersten Schuljahr habe ich gemerkt, dass ständig jemand unsichtbar durch die Gänge schleicht. Aber erst im dritten Schuljahr hatte ich den Beweis, dass es Potter war.“ „Nun...“, setzte Levin neu an und sah wieder direkt zu Harry, „heute Nacht trug er auch wieder seinen Umhang. Allerdings wusste er nicht, dass ich in der Lage bin, ihn trotzdem zu sehen.“ Harry musste schlucken. Diese Frau bluffte nicht. Sie hatte ihn wirklich entdeckt und es wartete sicherlich noch eine saftige Strafe auf ihn. Allerdings verstand der Gryffindor nicht, warum Levin ihn nicht direkt ansprach und ihn somit vor Snape verriet. Immerhin hatte er ihr Gespräch belauscht, wenn auch unabsichtlich. Snape konnte sich ein gehässiges Grinsen nicht verkneifen. „Ich hoffe du hast ihn dementsprechend bestraft“, sprach er weiter und sah seine Schwester forschend an. „Natürlich“, antwortete sie leicht beleidigt. „50 Punkte Abzug für Gryffindor und eine Strafarbeit. Strafe genug?“ Grummelnd sagte Snape:„Ich hatte schon befürchtet, dass du deinen Schützling auch noch bevorzugen würdest.“ Harry runzelte die Stirn. Schützling? Hatte er etwas verpasst? „Ich handle immer so gerecht wie möglich, Severus.“ Seufzend stieß Levin sich vom Fensterbrett ab. „Naja, ist jetzt auch egal. Ich werde allmählich müde. Ein Bett hört sich jetzt sehr verlockend an. Gute Nacht“, sprach sie weiter und gab ihrem Bruder einen Kuss an die Schläfe. Dieser murmelte ein „Nacht“ und sah weiterhin aus dem Fenster. Die Schwarzhaarige ging nun an Harry vorbei und als sie direkt neben ihm war, machte sie mit einer Handbewegung deutlich, dass er ihr folgen sollte. Dem Gryffindor wurde mulmig, doch er hatte keine andere Wahl. Leise schlich er seiner Lehrerin hinterher, die etwas langsamer lief als sonst, damit Harry ihr geräuschlos folgen konnte. Als sie in dunklere Gänge einbogen, hielt Levin ihren Zauberstab hoch, der sofort zu leuchten begann. Schon bald blieb die Hexe vor einer Tür stehen und öffnete sie. Sie trat ein und ging einen Schritt zur Seite, um Harry hereinzulassen. Dieser schluckte noch einmal, bevor er Levins Büro betrat. „Hier können Sie Ihren Umhang ablegen, Mr Potter“, sprach die Lehrerin und schloss die Tür. Etwas zögerlich tat Harry, was sie sagte und sah sich unsicher um. Das Büro der Hexe war sehr weiträumig und warm eingerichtet. Levin ging an ihm vorbei und lehnte sich gegen ihren Schreibtisch. „Also“, setzte sie an und verschränkte die Arme, „warum schleichen Sie mitten in der Nacht durch das Schloss?“ Harry sah ihr in die Augen. Die Schwarzhaarige hatte ihre Gesichtszüge perfekt im Griff und zeigte keinerlei Gefühlsregungen. Das machte es dem Gryffindor noch schwerer seine Unsicherheit zu verbergen. Er legte seinen Tarnumhang auf eine kleine Kommode und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Ich... konnte nicht schlafen und wollte ein bisschen frische Luft schnappen. Eigentlich war ich gerade auf dem Weg zum Astronomieturm.“ Forschend sah Levin ihren Schüler an. Harry hatte auf einmal das Gefühl geröntgt zu werden, was ihn dazu brachte leicht die Stirn zu runzeln. Dieses Gefühl kannte er bisher nur von Dumbledore. Langsam löste die Hexe ihre Arme und stützte sich an der Tischplatte ab. „Haben Sie des Öfteren Alpträume?“, fragte sie mit weiterhin forschendem Blick. Harry wusste nicht, was er antworten sollte. Es ging diese Lehrerin überhaupt nichts an, was er tat oder fühlte. „Sie sollten mal mit jemanden über Ihre Sorgen sprechen. Das hilft Ihnen, das Vergangene zu verarbeiten.“ Erstaunt sah Harry zu seiner Lehrerin. Warum hielten es alle Lehrer für selbstverständlich, in seinen Erinnerungen herumzuwühlen?! „Sie scheinen sehr häufig Gebrauch von Legilimentik zu machen, kann das sein?“, fragte er gerade heraus, ohne darüber nachzudenken, dass er einem Lehrer gegenüber gerade unhöflich wurde. Harry glaubte ein Schmunzeln erkennen zu können, bevor seine Lehrerin antwortete. „Ich kann das zum Teil gar nicht kontrollieren und es ist auch nicht die Art von Legilimentik, die Sie kennen.“ Fragend sah Harry der Hexe in die Augen. „Bei normaler Legilimentik werden Erinnerungen des Gegenübers aufgerufen. Somit kann man dann anhand von Bildern erkennen, ob man belogen wird oder nicht. Es gibt natürlich genügend Zauberer, die diese Art von Legilimentik dazu benutzen, um an Informationen heranzukommen. Die Art von Legilimentik, die ich jedoch anwende, funktioniert ein wenig anders.“ Gespannt aber auch misstrauisch lauschte Harry den Worten seiner Lehrerin. Diese lächelte und fuhr fort: „Ich brauche keine Zauberformel zu sprechen oder zu denken, um in den Kopf meines Gegenübers zu tauchen. Und ich sehe mir auch keine Erinnerungen an, sondern lausche den Gedanken.“ Langsam nahm Harry diese Informationen auf und fing an zu grübeln. „Gibt es viele Zauberer, die diese Art von Legilimentik anwenden?“ „Jeder, der Legilimentik beherrscht, kann davon Gebrauch machen. Allerdings braucht man dafür Fingerspitzengefühl und da viele dieses nicht haben, sehen sie sich lieber Erinnerungen an“, beantwortete Levin Harrys Frage fachmännisch. „Fingerspitzengefühl?“, hakte dieser stirnrunzelnd nach. Levin knabberte nachdenklich an ihrer Unterlippe. „Es ist schwierig zu erklären“, setzte sie an und machte wieder eine kurze Pause. „Wenn man vor hat, sich nur Gedankengänge anzuhören, muss man in der Lage sein diese zu filtern. Sobald man den entsprechenden Zauber ausgesprochen hat, hört man sämtliche Gedanken aller Menschen, die gerade in der Nähe sind. Wenn man diese Gedanken dann nicht filtern kann, wird man von ihnen erschlagen.“ „Aber... wenn man mit einer Person alleine ist, müsste es doch funktionieren, oder nicht?“ „Die Gedanken eines Menschen sind ziemlich verworren. Teilweise werden Gedanken nicht beendet oder von anderen gestört. Aus diesem Chaos den Gedanken herauszusuchen, der momentan im Vordergrund steht, ist gar nicht so einfach.“ Grübelnd sah Harry auf den Schreibtisch. Snape hatte ihm Legilimentik nie so genau erklärt. Wenn er es getan hätte, hätte Harry größeres Interesse gezeigt und wäre vielleicht sogar besser in Okklumentik gewesen. Stirnrunzelnd dachte Harry wieder an den Anfang ihrer Unterhaltung. „Sie sagten, Sie könnten das nicht kontrollieren.“ Levin seufzte kurz. „Neugierde kann eine gefährliche Sache sein. Sie bringt das Gleichgewicht von Angst und Mut durcheinander. Sie unterdrückt die Angst, die ursprünglich dafür gedacht war, den Menschen vor gefährlichen Situationen zu schützen. Natürlich will ich damit jetzt nicht sagen, dass Sie sich mit Ihrer Frage in Gefahr gebracht haben. Aber Sie sollten lernen, wann Sie Ihrer Neugierde nachgeben können und wann nicht“, gab seine Lehrerin etwas kühl als Antwort. Harry nickte stumm. Er war wohl zu weit gegangen. Diese Frau war schwer zu verstehen. Im ersten Moment war sie noch redefreudig und im nächsten wies sie einen kalt ab. Anscheinend hatte er mit seiner Frage auf eine Schwäche hingewiesen, die seine Lehrerin aufwies. Er durfte nicht vergessen, dass sie eine Snape war. Ein Snape gab nie zu, dass er Fehler machte oder gar Schwächen hatte. Plötzlich lachte Levin leise, was Harry aus seine Gedanken zog. Er hatte diese Frau noch nie lachen sehen. Es ließ sie gleich viel sympathischer wirken und verlieh ihr eine warme Ausstrahlung. Verwirrt sah Harry seine Lehrerin an, die sich gerade von ihrem Lachanfall erholte. „Tut mir Leid, aber Ihre Gedanken waren gerade zu komisch. Es ist wirklich erstaunlich, wie gut Sie meinen Bruder inzwischen analysiert haben.“ Stirnrunzelnd sah der Gryffindor Levin an. „Sie meinen, dass ich weiß, dass er keine Fehler und Schwächen zugibt?“, fragte er nach, um sich zu vergewissern. Immer noch lächelnd nickte die Schwarzhaarige. „Das ist ja auch nicht schwer herauszufinden“, murmelte der Gryffindor und sah auf den Teppich. „Obwohl Sie offensichtlich der meist gehasste Schüler von Severus sind, scheinen Sie ihn besser zu kennen, als irgend ein anderer Schüler.“ Erstaunt sah Harry auf. „Ich glaube Sie überschätzen mich da ein wenig, Professor.“ „Sie unterschätzen sich. Das scheinen Sie in vielen Dingen zu tun. Allerdings ist das gar nicht mal so schlecht. Dadurch sind Sie bescheiden statt überheblich und sorgen in brenzligen Situationen für Überraschungen.“ Forschend sah die Schwarzhaarige Harry an. „Und das ist auch der Grund, weshalb Sie Voldemort so häufig entkommen sind, nicht wahr?“ Harry ließ die Schultern leicht hängen. „Das hat aber nichts damit zu tun, dass Sie mich mit meiner Menschenkenntnis überschätzen. Ich glaube nicht, dass ich Professor Snape besser kenne als die Slytherins. Und selbst wenn es so wäre, würde das wahrscheinlich nur daran liegen, dass ich so häufig bei ihm Nachsitzen musste und auch Okklumentikunterricht bei ihm hatte“, verteidigte Harry seinen Standpunkt. Levin verschränkte die Arme und schüttelte lächelnd den Kopf. „Professor?“, fragte Harry irritiert nach. Zuerst bekam er keine Antwort, doch nach einiger Zeit begann die Hexe leise und nachdenklich zu sprechen: „Ich finde es nur erstaunlich, was für ein seltsames Schüler-Lehrer-Verhältnis zwischen Ihnen und Severus herrscht. Es ist mir sofort aufgefallen und fasziniert mich immer wieder.“ Harrys Blick verfinsterte sich leicht, als er durch seine zusammengebissenen Zähne sprach: „Er hasst mich. Das ist alles.“ „Gerade das ist ja das Faszinierende“, sagte Levin ruhig und Harry runzelte die Stirn. „Es ist interessant zu sehen, wie Severus mit einigen Situationen umgeht. Er weiß nicht, wie er sich Ihnen gegenüber verhalten soll und hat sich dafür entschieden, Sie kalt und unfair zu behandeln.“ Harry biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. Wieso sollte Snape nicht wissen, wie er sich ihm gegenüber verhalten soll? „Ich weiß, dass es nicht nur der Hass auf meinen Vater ist. Er tut so, als ob ich was verbrochen hätte“, jammerte Harry nun schon fast. Levin lächelte leicht. „Ich denke dieses 'Verbrechen' sind Ihre Augen.“ „M-Meine Augen?“, fragte Harry verdutzt. „Ja, Ihre Augen. Sie sehen zwar aus wie ihr Vater, haben aber Lilys Augen und gerade das bringt Severus durcheinander.“ Harry stutzte und sah Levin verwundert an. „Was hat das mit meiner Mutter zu tun? Er mochte sie doch nicht.“ „Wieso sollte er seine Freundin nicht gemocht haben?“, stellte die Schwarzhaarige mit hochgezogener Augenbraue als Gegenfrage. Nun machte Harry eine Pause. In seinem Kopf begann es zu arbeiten. „Wussten Sie nicht, dass er mit Ihrer Mutter befreundet war?“, fragte Levin erstaunt weiter. Harry hatte es die Sprache verschlagen, sodass er nur den Kopf schütteln konnte. „Oh...“, kam es nur von seiner Lehrerin, die nun ihre Lippen aufeinander presste und ertappt zur Seite sah. „Ups.“ Sie sah zurück zu Harry und stieß sich vom Schreibtisch ab. „Ich denke, Sie sollten jetzt gehen, bevor ich noch mehr Dinge erzähle, die Severus offensichtlich für sich behalten will.“ Doch der Gryffindor hatte nicht vor zu verschwinden. Nicht jetzt. Nicht, nachdem sie auf seine Mutter gekommen waren. „Professor, heißt das, dass Sie und Professor Snape meine Mutter gut kannten?“ Levin verschränkte die Arme und seufzte widerwillig auf. „I-Ich habe nicht vor in Professor Snapes Leben herumzuschnüffeln“, fügte er hastig hinzu, als er bemerkte, dass seine Lehrerin ihm keine Antwort geben wollte. „Es ist nur... Es ist schwierig jemanden zu finden, der wirklich lange mit ihr befreundet war und mir ein bisschen mehr über sie erzählen kann. Deshalb... dachte ich...“ Weiter sprach Harry nicht. Er sah nun auf den Boden und wartete darauf, dass Levin ihn abwimmelte, doch zu seiner Verwunderung setzte sich diese auf ihren Schreibtisch und schwang ihre Beine hin und her, während sie nachdenklich an die Decke schaute. „Es ist verständlich, dass Sie etwas über sie erfahren wollen.“ Die Lehrerin sah ihren Schüler nun wieder direkt in die Augen, als sie weitersprach: „Ich habe sie nicht allzu gut gekannt. Ich hatte sie als die beste Freundin meines Bruders kennengelernt und wir verbrachten in den Sommerferien einige Tage zu dritt im Park und spielten dort.“ Harry schluckte seine Verwunderung hinunter. 'Beste Freunde' auch noch? Levin ließ sich von Harrys Reaktion nicht ablenken und fuhr fort. „Unsere Eltern nahmen nicht so viel Notiz von ihr, da sie unser Haus nur selten betrat. Meistens wartete sie draußen auf Severus oder er ging zu ihr, um sie abzuholen. Sie wohnte nur ein paar Straßen weiter. Die beiden hingen ständig zusammen.“ Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, während sie in Erinnerungen versunken war. „Zu Anfang hatten sie sich nur heimlich getroffen. Den genauen Grund hatte ich nie erfahren, aber ich glaube es hatte etwas mit Lilys neugieriger Schwester zu tun.“ Harry unterdrückte ein Schnaufen. Petunia schien sich also schon damals in alles reingesteckt zu haben. „Jedenfalls fiel mir auf, dass Severus ständig außer Haus war und nie erzählen wollte, wo er war. Irgendwann bin ich ihm nachgeschlichen und habe die beiden dann auf einer Wiese im Park sitzen sehen.“ Nun konnte sich die Hexe ein Lachen nicht verkneifen. „Ich werde nie Severus' Blick vergessen, als ich auf einmal auf sie zu kam. Er wollte mich gleich wieder wegscheuchen, aber Lily war neugierig und bat mich zu bleiben. Wir verstanden uns gut und von Zeit zu Zeit ging ich ebenfalls nach draußen, wenn Lily mal wieder vor unserem Haus stand. Ich war nie so eng mit ihr befreundet wie Severus und ich sah sie auch wesentlich seltener, aber bei diesen wenigen Treffen hatten wir viel Spaß zusammen.“ Nun sah die Lehrerin Harry wieder direkt an. „Wir haben uns nie über unsere Familien oder unseren Alltag unterhalten und deshalb weiß ich auch nicht viel über sie. Aber sie war eine sehr aufgeschlossene, selbstbewusste und neugierige Person und ihre Freunde waren ihr das Wichtigste im Leben. Außerdem wurde es mit ihr nie langweilig, da sie immer eine spaßige Idee parat hatte. Und ich muss sagen, dass Sie viele Ihrer Charakterzüge übernommen haben.“ Während sie sprach war ihr Grinsen immer breiter geworden und Harry konnte nur zurücklächeln. Er brauchte einen Augenblick, um diese ganzen Informationen aufzunehmen. Dann wurde er jedoch wieder nachdenklich. „Aber eines verstehe ich nicht. Ich habe mal... durch Zufall... aus Versehen...“, druckste Harry herum, während er sich durch sein Haar strich, „aus Neugierde heraus eine Erinnerung von Professor Snape gesehen, in der er meine Mutter als Schlammblut beschimpft hat. Mir erschien es nicht so, als seien sie wirklich so gut befreundet gewesen. Ich... ich versteh nicht, wieso...“ „Bevor ich Ihnen dazu etwas erzähle, würde ich gerne wissen, ob Severus von Ihren... 'Nachforschungen' weiß“, sagte die Hexe und sah Harry prüfend und streng an. Dieser sah auf den Boden und fing leise und beschämt an zu sprechen: „Ja er... er hat mich erwischt. Er ist völlig ausgerastet, was ich natürlich verstehen kann“, fügte er hastig hinzu. „Ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht, warum ich in dem Denkarium herumgeschnüffelt habe. Wahrscheinlich einfach aus...“ „Neugierde“, beendete Levin den Satz für ihn, sodass Harry nur wieder nicken konnte. Nun rutschte die Lehrerin vom Tisch herunter, um sich dann Arme verschränkend gegen die Tischplatte zu lehnen. „Ich will Ihnen nicht zu viel aus Severus' Leben erzählen und sage Ihnen deshalb nur, dass es eine Zeit gab, in der die beiden ständig Streit hatten. Diese Erinnerung muss wohl aus diesem Zeitrahmen stammen.“ Harry merkte, dass er nicht weiter bohren sollte und nickte deshalb nur. „Und nun sollten Sie langsam wieder in den Gryffindorturm zurückkehren.“ Etwas enttäuscht atmete Harry durch, drehte sich um und schnappte sich seinen Tarnumhang. Dann hielt er jedoch inne und sah noch einmal zu seiner Lehrerin. „Professor?“ „Ja?“ „Vorhin im Korridor... Wieso haben Sie mich nicht vor Professor Snape verraten? Es wäre für Sie doch einfacher gewesen ihm zu sagen, dass ich gerade im Flur stand. Warum haben Sie gelogen und ihm erzählt, dass Sie mich schon vorher erwischt hätten?“ Nun lächelte die Hexe wieder ihr kaum erkennbares Lächeln. „Ich dachte mir, dass es Strafe genug sei von einem Snape entdeckt zu werden. Hätte Severus herausgefunden, dass Sie da standen... nun, ich denke Sie wissen zu genüge, wie er reagiert hätte. Außerdem hätte er meine Pläne durchkreuzt. Ich will immer erst wissen, weshalb ein Schüler etwas tut, bevor ich denjenigen zusammenfalte. Er scheint es vorzuziehen, es genau anders herum zu machen“, sagte sie mit einem nun sichtbarem Lächeln auf den Lippen. Harry grummelte zustimmend. Es war schon merkwürdig so eine Situation aus der Sicht eines Lehrers zu sehen und noch seltsamer war es, Snape aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Diese Frau hatte es tatsächlich geschafft, Harrys Ansicht über seinen Hasslehrer ins Positive zu verändern. Snape wirkte auf Harry nun viel... menschlicher... irgendwie. „Also“, setzte Levin wieder neu an, „Sie sollten jetzt wirklich gehen, wenn Sie noch ein wenig Schlaf bekommen wollen. Und vergessen Sie nicht, wozu ich Ihnen geraten habe: Sie müssen sich Ihren Sorgen stellen und mit jemanden darüber reden. Ansonsten wird Sie die Vergangenheit immer wieder einholen.“ „Ja, ist gut“, sagte Harry seufzend zu ihr. Sie hatte leicht reden. Mit wem sollte er sich denn bitte darüber unterhalten? Klar, er hatte Freunde, aber die schienen dafür nicht die richtigen Ansprechpartner zu sein. Seiner Lehrerin entging dieses Seufzen nicht und sah den Jungen forschend und mitleidig an. „Wenn es Ihnen hilft: Meine Tür steht immer für Sie offen.“ Der Gryffindor sah der Hexe in die Augen, murmelte ein „Danke“ und verließ unter dem Tarnumhang ihr Büro, um in Richtung Gryffindorturm zu verschwinden. Levin wusste, dass dem Jungen mit ihrem Ratschlag noch immer nicht geholfen war und so gab sie ein sorgenvolles Seufzen von sich, ehe sie durch eine Nebentür in ihre Privaträume verschwand. Kapitel 6: Unnatürliche Neugierde --------------------------------- „Guten Morgen“, grüßte Syndia am nächsten Morgen ihren Bruder, als sie sich an den Lehrertisch setzte. Sie bekam ein Grummeln als Antwort, weshalb sie Severus mit erhobener Augenbraue ansah. „Was ist denn mit dir los?“ Severus ließ sich mit der Antwort Zeit. „In der Schulzeit ist meine Stimmung häufiger so. Gewöhne dich schon mal daran.“ Syndia warf ihm einen Blick zu und schmierte dann ihr Brötchen weiter. Während des Essens sah sie nachdenklich zum Gryffindortisch. Schnell fand sie den jungen Potter, der alles andere als ausgeschlafen aussah. Severus war ihr besorgter Blick aufgefallen und sah ebenfalls zum Grünäugigen. „Auch wenn du die Aufgabe hast ihn zu beschützen, musst du ihn nicht gleich bemuttern.“ „Das tue ich nicht!“, gab sie empört von sich und sah ihren Bruder verärgert an. „Und deshalb schaust du ständig zu ihm herüber und machst dir Sorgen um diesen Bengel.“ „Ich mache mir Sorgen, ja, das stimmt. Aber das würde ich auch bei anderen Schülern machen, wenn es ihnen so schlecht ginge wie ihm“, antworte die Hexe leicht bissig. Severus schnaufte auf. „Dem Bengel geht es nicht schlecht. Er sieht heute etwas müde aus, aber das sollte wohl daran liegen, dass er, laut deiner Aussage, letzte Nacht im Schloss herumgeschlichen ist“, giftete der Tränkemeister zurück. Leicht genervt schüttelte Syndia ihren Kopf. „Bist du vor lauter Hass schon blind geworden? Er sah bisher jeden Tag so aus!“ Severus warf dem Grünäugigen noch einen Blick zu, ehe er weitersprach. „Und was glaubst du sollte der Grund dafür sein?“, versuchte Severus neutral zu sprechen, konnte aber einen sarkastischen Unterton nicht vermeiden. Syndia ignorierte das und trank einen Schluck aus ihrem Kelch. „Der Vorfall im Ministerium hat ihm zugesetzt. Er verkraftet den Tod seines Paten nicht. Er gibt sich sogar die Schuld daran“, erklärte sie nun wieder im ruhigen Ton. Severus musterte zuerst seine Schwester und dann Potter. „Als ob Potter etwas für Blacks Kampfkünste könnte. Er hat Lestrange wohl kaum den Zauberstab aus der Hand genommen und ihn selbst auf Black gerichtet“, spottete er. Als er wieder zu seiner Schwester sah, entdeckte er jedoch, dass sie traurig zum Gryffindortisch sah. „Gerade das ist es ja. Es ist nicht seine Schuld und trotzdem plagen ihn diese Schuldgefühle.“ Severus sah sie forschend an. „Du hast nicht zufällig einen Abstecher in Potters Kopf gemacht?“ Nun lächelte Syndia unmerklich und sah ihren Bruder an. „Er hat fast jede Nacht Albträume. Ähnlich wie nach dem Tod seines Kameraden Cedric.“ Nachdenklich sah Severus wieder zum Gryffindortisch, während Syndia ihn von der Seite musterte. „Du hast ihm das nicht zugetraut, stimmts?“, fragte sie dann leise. „Was?“ „Du warst doch immer der Meinung, dass er ein Egoist sei. Dass er sich ständig Sorgen um andere macht und sich schuldig für die ganzen Kriegsopfer fühlt, passt aber nicht in deine Auffassung“, sprach Syndia weiter und sah Severus siegessicher über den Rand ihres Kelchs an. „Jetzt geht das schon wieder los!“, beschwerte sich der Tränkemeister genervt und trank einen Schluck aus seinem Kelch. Syndia beschloss, das Thema erst einmal fallen zu lassen und aß ebenfalls weiter. „Du hast dich letzte Nacht mal wieder gekonnt vor Antworten gedrückt“, sagte Severus nach einigen Minuten. Fragend sah seine Schwester ihn an. „Ich hatte dich gestern Abend angesprochen, weil ich endlich Antworten von dir haben wollte. Aber jedes mal, wenn ich das Gespräch auf deine Aufgabe lenken wollte, hast du das Thema gewechselt. Und zum Schluss bist du auch noch ganz abrupt abgehauen.“ Syndia aß in Ruhe ihr Brötchen auf, trank dann ihren Kelch aus und machte Anstalten aufzustehen. „Du willst also wissen, warum ich hier bin“, setzte sie während des Aufstehens an. Dann beugte sie sich zu Severus und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich werde heute Abend bei dir vorbeikommen, so ca. 22 Uhr. Bis dahin kannst du dich ein bisschen informieren.“ „Worüber?“, fragte Severus mit hochgezogener Augenbraue. „Hast du schon mal etwas von Necrandolas gehört?“, flüsterte sie nun noch leiser, sodass Severus sie gerade noch verstehen konnte. Dieser zog seine Augenbraue noch höher und sah seine Schwester verwundert an. „Ich habe flüchtig davon gehört.“ „Na dann informiere dich ein bisschen“, gab Syndia nun wieder laut und zwinkernd zurück und verließ die Große Halle. Sie ließ einen verwunderten Bruder zurück, der nun nachdenklich über die Schülerschar blickte. Er besaß grobe Informationen über Necrandolas, aber dass Syndia irgendetwas mit diesen Grotten zu tun haben sollte, gefiel ihm ganz und gar nicht.   „Wie kann sich ein Tag nur so in die Länge ziehen? Wir haben erst 4 Stunden hinter uns und mein Hirn schmilzt jetzt schon“, klagte Ron als er mit Harry und Hermine aus dem Klassenzimmer für Zauberkunst kam. „Jetzt jammer nicht so rum, Ron!“, sagte die junge Hexe genervt und verdrehte die Augen. „Nach der nächsten Doppelstunde gibt es Mittagessen und danach habt ihr nur noch Verwandlung. Das wirst du doch wohl noch schaffen!“ „Stimmt gar nicht! Wir haben heute Abend noch Astronomie!“ „Na und? Ich habe nach Verwandlung noch Arithmantik, also beschwere dich nicht!“ „Ron, konzentriere dich doch erstmal auf die nächste Stunde. Beim Mittagessen kannst du dann ja Pause machen“, versuchte Harry den kommenden Streit zu verhindern. „Wir haben jetzt Verteidigung, oder?“, fragte Ron überflüssigerweise nach. „Jap“, antwortete Harry. Hermine sah ihre beiden Freunde forschend an, insbesondere Harry. „Versucht aber wenigstens eure Neugierde besser zu verstecken. Nachdem, was gestern Abend passiert ist, Harry, wird sie sicherlich ein Auge auf uns werfen.“ Harry hatte noch vor dem Frühstück seinen beiden Freunden erzählt, was letzte Nacht passiert war. Sogleich musste er an den seltsamen Traum denken, von dem er allerdings nichts erzählt hatte. In den wenigen Stunden, in denen Harry vorherige Nacht noch Schlaf bekommen hatte, hatte er von den Ereignissen der Woche geträumt. Sämtliche Erinnerungen an Levin waren ihm durch den Kopf geschwirrt und zwischendurch waren diese Gedanken von einem anderen Traum unterbrochen worden. Dieser Traum handelte von einem alten, silbernen Krug, der ihn geradezu zu verfolgen schien. „Harryyy?!“, hörte Harry auf einmal Hermine rufen. Irritiert sah er seine Freundin an. „Was ist denn?“, fragte er etwas zu patzig. „Du hast schon wieder Tagträume. Was ist nur los mit dir?“ „Nichts“, antwortete der Schwarzhaarige nur und betrat den Klassenraum für Verteidigung, bei dem sie inzwischen angekommen waren. Hermine tauschte mit Ron einen besorgten Blick, ehe sie kopfschüttelnd die Klasse betrat. In Verteidigung hatten sie heute ausnahmsweise mal theoretischen Unterricht und so lauschten die Schüler dem Vortrag ihrer Lehrerin. Nur Harry hatte Probleme bei der Sache zu bleiben. Ohne auf Levins Worte zu achten, beobachtete er sie und dachte über seinen Traum nach. Er wusste nicht warum, aber er war auf einmal unglaublich neugierig. „Schlagt eure Bücher auf Seite 249 auf und schreibt die Anwendungsmöglichkeiten der aufgelisteten Zaubersprüche heraus“, rief Levin auf einmal und ließ mit einem Wink ihres Zauberstabs einige Zaubersprüche auf der Tafel erscheinen. Die Schüler holten ihr Material aus ihren Taschen und begannen zu lesen. Etwas träge machte Harry es ihnen nach, starrte jedoch nur in sein Buch ohne zu lesen. Kurz schloss er die Augen und schüttelte den Kopf. 'Verdammt Harry, jetzt konzentriere dich doch mal!', tadelte er sich selbst in Gedanken. Es half jedoch nichts. Als ob jemand seine Gedanken kontrollieren würde, dachte er über Levin nach und seine Neugierde wuchs ins Unermessliche. Verstohlen schielte er zu seiner Lehrerin hoch, die gerade durch die vordersten Reihen lief. „Ursprünglich bin ich Engländerin, bin aber schon sehr früh in die USA ausgewandert.“ Irritiert schüttelte Harry den Kopf. Warum ging ihm gerade dieser Satz durch den Kopf? „Nach meinem Abschluss habe ich aber endgültig in Virginia gewohnt.“ Verdammt!! Was zum Teufel war hier los? Warum musste er an Dinge denken, an die er gar nicht denken wollte?! „Allerdings wusste er nicht, dass ich in der Lage bin, ihn trotzdem zu sehen.“ 'Sie kann durch Tarnumhänge sehen. Warum?', fragte Harry sich nach dem letzten Gedanken. Er sah wieder zu seiner Lehrerin herüber und zu seiner Neugierde mischte sich auf einmal ein Hauch von Misstrauen. 'Was?! Warum? Warum sollte ich ihr misstrauen?', dachte er nun schon etwas verzweifelt. Er hatte das Gefühl, dass ihn jemand zu diesen Gedanken und Gefühlen zwingen würde. Erst jetzt bemerkte er, dass seine Narbe brannte. Was sollte das alles? Was war hier los?! Plötzlich sah Levin zu ihm herüber, so als ob sie seinen Blick gespürt hätte. Ihr Gesichtsausdruck war völlig neutral gehalten, sodass Harry nicht wusste, ob sie etwas bemerkt hatte oder nicht. Schnell sah er auf sein Buch und kämpfte gegen den Drang an, sie wieder anzusehen. Er bemerkte, dass seine Lehrerin langsam auf ihn zu ging. Vor seinem Tisch blieb sie stehen und beobachtete ihn. Harry tat so, als würde er in dem Buch lesen, kämpfte aber in Wirklichkeit gegen seine Gedanken und Gefühle an. Das Brennen an seiner Narbe wurde immer stärker und der Grünäugige unterdrückte das Bedürfnis, seine Hand auf sie zu pressen. „Mr Potter? Ist alles in Ordnung?“, flüsterte die Schwarzhaarige schon fast, damit kein anderer Schüler auf sie aufmerksam wurde. „Ja klar“, antwortete Harry etwas zu schnell und sah noch nicht einmal auf. „Es kann eben nicht warten! Wir müssen es jetzt klären. Das ist viel wichtiger als Unterricht.“ 'Ihr verdammten Gedanken! Jetzt verschwindet endlich aus meinem Kopf!', dachte Harry verzweifelt. „Ich brauche keine Zauberformel zu sprechen oder zu denken, um in den Kopf meines Gegenübers zu tauchen.“ „Ich kann das zum Teil gar nicht kontrollieren.“ Was hatte das alles zu bedeuten? Was waren das alles für Fähigkeiten, die diese Frau besaß? Nein, er durfte jetzt nicht darüber nachdenken. Er musste sich auf den Unterricht konzentrieren. Harry merkte nicht, dass er seine Feder so stark umklammerte, dass sie brach. Mit deutlicher Sorge sah Levin ihren Schüler nun an und stützte sich auf seinem Tisch ab. „Vielleicht sollten Sei sich zum Krankenflügel begeben, Mr Potter“, sprach die Schwarzhaarige leise und ungewöhnlich sanft. Harry bekam gar nicht mit, dass er angesprochen wurde. Er starrte auf den Tisch und versuchte seine Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. Seine Narbe schmerzte immer stärker. „Also werde ich den Jungen nie zu Gesicht bekommen?“ - „Sicher wirst du das. Aber noch nicht jetzt. Es ist noch zu gefährlich.“ - „Es wird schon noch eine Zeit kommen, in der diese Versteckspielchen nicht mehr von Nöten sind.“ „Mr Potter?“, hörte Harry seine Lehrerin sagen. Er versuchte sich aus diesen Gedanken wieder in die Gegenwart zu ziehen, doch es wollte ihm nicht richtig gelingen. „Ich hatte schon befürchtet, dass du deinen Schützling auch noch bevorzugen würdest.“ „Harry, was ist mit dir?“, konnte Harry auf einmal die besorgte Stimme von Hermine neben sich hören. Erst jetzt merkte er, dass er sein Gesicht in den Händen vergraben hatte. Langsam nahm er sie wieder herunter und sah Levin in die schwarzen Augen. Sie hatte einen prüfenden Blick, in den sich Besorgnis mischte. Wieder überkam ihn diese Welle von Misstrauen. „Wieso hat Snape mich als Ihren Schützling bezeichnet?“, fragte er plötzlich, ohne es zu wollen. Er erschrak wegen seiner eigenen Stimme. Sie war tiefer und rauer als sonst. Die Schwarzhaarige schluckte und sah den Jungen vor sich prüfend an. Hermine hingegen wusste nicht, was sie tun sollte. So wie jetzt hatte sie ihren Freund noch nie erlebt. Nun beugte sich die Lehrerin weiter nach vorne und sah Harry direkt in die Augen. „Konzentrieren Sie sich, Potter. Verschließen Sie Ihren Geist“, flüsterte sie sanft. „Schließen Sie die Augen und atmen Sie tief durch.“ Harry tat wie geheißen und versuchte mit tiefen Atemzügen und geschlossenen Augen seine Gefühle wieder in den Griff zu bekommen. Den Schmerz auf seiner Stirn versuchte er zu ignorieren. Ganz langsam spürte er eine Verbesserung. Die Stimmen in seinem Kopf wurden leiser und das Misstrauen klang ab. „So ist es gut“, sprach Levin sanft zu ihrem Schüler. Hermine sah nur irritiert zwischen Harry und Levin hin und her. Alle anderen Schüler hatten von alledem nichts mitbekommen. Schließlich öffnete Harry wieder seine Augen und sah an seiner Lehrerin vorbei. „Geht es wieder?“ „I-Ich... Ich glaub... ich brauch frische Luft“, stotterte Harry sich zurecht und erhob sich. Seine Lehrerin nickte verstehend. „Miss Granger, wären Sie so nett Mr Potter nach draußen zu begleiten?“ „Ähm... sicher“, antwortete Hermine unsicher und stand ebenfalls auf. Mit Hermine im Schlepptau verließ Harry die Klasse. Die junge Hexe fing sich bald wieder und holte auf. „Was ist denn los gewesen?“, fragte sie ihren Freund, doch das letzte, was Harry jetzt wollte, war reden. Also gab er ihr keine Antwort, sondern lief ungerührt weiter. Sobald der Schwarzhaarige das Hogwartsgelände betrat, atmete er genießerisch die kühle Luft ein. Es nieselte leicht, doch das störte ihn nicht im geringsten. Er ignorierte Hermines besorgten Blick und sah hinauf zum Himmel. Nach wenigen Augenblicken ging der Brillenträger weiter Richtung See, gefolgt von Hermine. Am See angekommen setzte er sich ans Ufer und ließ sich nach hinten fallen. Verunsichert setzte sich die Gryffindor neben ihren Freund und beobachtete, wie dieser in den Himmel hinaufstarrte. „Harry“, setzte sie erneut an, da sie diese Ungewissheit einfach nicht mehr aushielt, „Was ist los? Was hast du?“ Lange bekam sie keine Antwort. Sie befürchtete, dass Harry ihre Anwesenheit gar nicht wahrnahm, doch in Wirklichkeit dachte Harry darüber nach, was er antworten sollte. Ja, was war mit ihm los? Das war eine sehr gute Frage. Er wusste selber nicht genau, was gerade passiert war. „Ich... Ich weiß es nicht. Ich hab... auf einmal dieses Gefühl gehabt und diese Gedanken. Ich hatte meine Gedanken nicht unter Kontrolle.“ Hermine sah den Grünäugigen forschend an. „Harry, du.... du weißt schon, dass... Voldemort deine Gedanken kontrollieren kann, wenn er will.“ Nachdenklich sah Harry auf die Regentropfen, die ihm entgegen kamen. Hermine hatte Recht, das würde auch seine schmerzende Narbe erklären. Hatte Voldemort etwa schon wieder versucht in seinen Geist einzudringen? „Schon möglich, dass er es war.“ „Aber du hast doch gesagt, dass du Okklumentik jetzt beherrschst. Eigentlich hätte das gar nicht passieren dürfen“, sprach die Braunhaarige weiter, langsam in ihr altes Schema fallend. „Ja ich weiß“, gab Harry genervt zurück. Mürrisch fing er an die Grashalme unter seinen Händen abzurupfen. „Woher sollte ich denn wissen, dass er das auf einmal mitten im Unterricht macht? Außerdem war es anders als sonst. Er hat mir nicht irgendwelche Bilder gezeigt, sondern hat mich einfach dazu gezwungen, die Erinnerungen an Professor Levin aufzurufen.“ Hermine runzelte die Stirn. „Wieso sollte er das tun?“ Harry zuckte die Achseln. Plötzlich hörten sie die Schulglocke im Schloss läuten. „Wir sollten mal langsam wieder zurückkehren“, sagte die junge Hexe und stand auf. Harry stimmte zu und erhob sich ebenfalls. Schweigend gingen sie nebeneinander zum Schloss zurück.   Severus hatte gerade die Tür seines Klassenzimmers geschlossen, als plötzlich ein Schmerz durch seinen linken Unterarm ging. Er konnte gerade noch den Reflex unterdrücken, sich den Arm zu halten. Was hatte das zu bedeuten? Wieso jetzt? Der Dunkle Lord kannte die Unterrichtszeiten und wusste, dass jetzt Mittagspause war. Aber was war so dringend, dass es nicht bis nach dem Unterricht warten konnte? Bevor der Schwarzhaarige sich noch weiter Gedanken darüber machen konnte, tauchte auf einmal Syndia vor ihm auf. „Da bist du ja. Wir haben ein Problem“, sprach sie schnell, doch plötzlich stockte sie. „Diese... Diese Präsenz, das ist doch nicht etwa...?“ Sie sah auf Severus' Unterarm und anschließend in die Augen ihres Bruders. „Er ruft dich?“ „Ja, tut er“, antwortete Severus und sah seine Schwester nun verwundert an. „Von was für einem Problem redest du?“ „Du darfst nicht zu ihm!“, entschied Syndia und ignorierte erstmal die Frage ihres Bruders. „Wieso?“ „Er hat mich durchschaut. Er weiß, dass ich hinter ihm her bin.“ „Wie kommst du darauf?“ Nun sah Syndia ihren Gegenüber leicht vorwurfsvoll an. „Niemand hat mir gesagt, dass Potter eine Verbindung zu Voldemort hat. Er hat vorhin mitten in der Unterrichtsstunde versucht den Jungen unter Kontrolle zu bringen.“ „Was?!“ Syndia nickte und fuhr fort: „Ich hatte mich zu ihm gedreht, als ich auf einmal eine schwarze Aura spüren konnte. Sofort bemerkte ich, dass sie von Harry stammte und ihm war deutlich anzusehen, dass er gerade mit sich selbst rang. Er hat es schließlich geschafft die Kontrolle zurückzuerlangen, aber dieser Vorfall ist ja noch nicht einmal das Schlimmste.“ „Sondern?“, fragte Severus nach, als Syndia eine Pause einlegte. „Niemand hat mir gesagt, dass Voldemort Zugriff auf Potters Erinnerungen hat! Hätte ich das gewusst, wäre ich dem Jungen gegenüber vorsichtiger gewesen. Jetzt weiß Voldemort alles über mich, was Potter auch weiß und das ist bei weitem genug!“ „Nicht zu laut!“, warnte Severus sie flüsternd und sah sich prüfend um, doch niemand schien zu lauschen. Leicht verzweifelt schüttelte Syndia ihren Kopf. „Dass er in Potters Kopf herumgeschnüffelt hat und dich jetzt zu sich ruft, beweist doch alles. Er weiß, dass ich die Agentin bin.“ „Jetzt beruhige dich mal wieder!“, flüsterte ihr Bruder und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Also, was für Informationen hat der Dunkle Lord durch Potter erhalten?“ Syndia atmete tief durch, bevor sie antwortete: „Er weiß, dass ich frisch aus Amerika komme, dass du mein Bruder bist, dass ich in Virginia gelebt habe, dass ich spezielle Fähigkeiten habe...“ Sie stockte kurz, um Luft zu holen. „Und ich fürchte er weiß sogar, dass ich einen Sohn habe“, sprach sie flüsternd weiter. „Und so wie ich es aus Potters letzter Aussage entnehmen kann, weiß er auch, dass ich hier bin, um Potter zu beschützen.“ Erschöpfte strich sie sich die Haare aus der Stirn. „Er hat alles, was er braucht.“ „Du hast doch gesagt, dass dein Sohn bestens geschützt wird“, erwiderte Severus. „Und ich kann schon auf mich selbst aufpassen. Auch wenn ich nicht genau weiß, was ich jetzt machen soll.“ Nachdenklich rieb er über seinen Arm, der noch immer schmerzte. Syndias Augen weiteten sich. „Du überlegst doch nicht im Ernst, ob du da hingehen sollst?!“ „Meine Tarnung darf nicht auffliegen“, zischte der Tränkemeister zwischen den Zähnen hindurch. „Aber was ist, wenn er dich gefangen nimmt?“ Severus wollte was sagen, schloss den Mund jedoch wieder und sah den Flur hinunter, während er scharf nachdachte. „Ich denke, das sollte Albus entscheiden“, sagte er schließlich und ging los Richtung Dumbledores Büro. Langsam folgte Syndia dem Slytherin. Sie begegneten Dumbledore bereits im nächsten Korridor, da der Schulleiter offensichtlich gerade zur Großen Halle gehen wollte. Er lächelte ihnen zu, doch sein Blick war forschend. Er ahnte, dass etwas nicht stimmte. „Albus, wir müssen mit Ihnen reden“, begrüßte Severus ihn gleich. „Und es ist so dringend, dass wir deshalb das Mittagessen ausfallen lassen müssen?“, fragte der Schulleiter ruhig nach. Nun trat Syndia näher heran und flüsterte: „Wir haben ein Problem. Meine Tarnung ist aufgeflogen und er ruft Severus zu sich.“ Nachdenklich sah Dumbledore zwischen den beiden Schwarzhaarigen hin und her. „Das sollten wir vielleicht woanders besprechen“, sagte er ruhig, machte kehrt und deutete den anderen ihm zu folgen. Im Büro des Schulleiters angekommen, ging Dumbledore hinter seinen Schreibtisch. „Setzt euch doch. Zitronendrops?“, fragte er heiter nach. „Albus für so etwas haben wir jetzt keine Zeit! Der Dunkle Lord ruft mich jetzt und jedes Zögern wird sein Misstrauen steigern!“, rief Severus aufgebracht aus. Der Brillenträger ließ sich davon nicht beunruhigen, sondern richtete das Wort an die Hexe vor ihm. „Was genau meinten Sie mit 'Sie wurden enttarnt'?“ Syndia holte tief Luft, um ihre Gedanken zu sortieren. Dann schilderte sie noch einmal, was sie zuvor Severus erzählt hatte. Sie versuchte sich kurz zu fassen, da ihr Bruder ihr ständig drängelnde Seitenblicke zuwarf. Als die Hexe geendet hatte, saß der Schulleiter ruhig hinter seinem Schreibtisch und legte die Fingerkuppen aneinander. Severus musste sich zusammenreißen seine Ungeduld nicht offen zu zeigen. Nach einiger Zeit hob Dumbledore den Blick. „Es ist beunruhigend, wie schnell Voldemort Sie verdächtigt hat. Offenbar wusste er schon vor dem Diebstahl, dass ihm der amerikanische Geheimdienst auf den Versen ist. Ich vermute, er hat von Anfang an gewusst, dass das britische Ministerium mit dem amerikanischen Kontakt aufnehmen wird. Und er wusste auch, dass das Ministerium ein Auge auf Harry haben wird und das ist wahrscheinlich der Grund, warum er den Agenten in der Umgebung des Jungen gesucht hat“, schilderte der Direktor ruhig. Severus zog eine Augenbraue nach oben. Diebstahl? Er schielte zu seiner Schwester herüber. Das war also der Grund, warum sie hier war? Weil Voldemort etwas gestohlen hatte? „Wie geht es Harry?“, fragte der Schulleiter auf einmal an Syndia gewandt. Noch bevor die Hexe antworten konnte, ergriff Severus das Wort: „Verzeihen Sie, aber der Dunkle Lord wartet nicht gerne. Er ruft mich jetzt und ich muss jetzt wissen, ob ich zu ihm gehen soll oder nicht!“ Kurz dachte Dumbledore nach, bevor er antwortete: „Ich fürchte, ich könnte das nicht verantworten. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Sie gefangen nimmt, ist zu groß. Das Risiko möchte ich nicht eingehen.“ Kurz nickte Severus, ehe er argumentierte: „Aber das würde bedeuten, dass ich meine Tarnung aufgeben muss. All die Jahre haben Sie behauptet, es sei von höchster Wichtigkeit, dass Sie einen Spion unter den Todessern haben.“ „Das ist es auch, aber ich habe nicht vor Sie ihm zum Fraß vorzuwerfen. Solange die Chance bestand, dass Sie von den Treffen wieder heil zurückkamen, konnte ich das mit meinem Gewissen vereinbaren. Aber jetzt ist es einfach zu gefährlich“, antwortete Dumbledore und machte eine kurze Pause. „Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis sich diese Sache erledigt hat. Danach sollten Sie versuchen, sich wieder bei Voldemort einzuschleichen.“ Der Schwarzhaarige musste humorlos auflachen. „Und wie soll ich das anstellen?“ „Sie werden behaupten, dass ich Voldemorts Ruf bemerkt und Ihnen verboten habe zu gehen. Wenn er fragt, warum Sie sich nicht einfach weggeschlichen haben, sagen Sie einfach, ich hätte Sie strengstens im Auge behalten.“ Wieder konnte Severus ein auflachen nicht verhindern. „Das ist die billigste Ausrede, die ich je gehört habe. Das wird er mir nie im Leben abkaufen. Außerdem würde er mich dann fragen, warum ich nicht auf anderem Wege versucht habe, ihn zu kontaktieren.“ „Wer sagt, dass Sie ihn nicht kontaktieren werden?“, fragte Dumbledore stirnrunzelnd. „Solange Sie dabei nicht in Gefahr geraten, wäre ich sogar dafür.“ Geschlagen seufzte Severus und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, um dann letztendlich zu nicken. Daraufhin wandte sich der Direktor an Syndia. „Also, wie geht es Harry?“, fragte er. „Er hatte sich recht schnell wieder gefangen. Natürlich war er völlig durcheinander. Er wollte an die frische Luft und ich habe ihn zusammen mit Miss Granger rausgeschickt. Seitdem habe ich ihn nicht noch einmal gesehen.“ Der Schulleiter nickte. „Gut. Ich werde in Zukunft ein Auge auf ihn haben und ich bitte Sie beide das auch zu tun“, sprach er mit einem durchdringenden Blick, der zwischen den beiden Schwarzhaarigen hin und her glitt. Beide nickten sie kurz. Dann ergriff Syndia nochmals das Wort. „Albus... wegen Mr Potter... würden Sie mir endlich verraten, was das für eine Verbindung zwischen ihm und Voldemort ist? Seit meiner Ankunft sind Sie mir Fragen in dieser Richtung ausgewichen, aber jetzt sehen wir ja, was passiert, wenn ich nicht alles weiß.“ „Das ist eigentlich nichts besonderes“, antwortete statt Dumbledore Severus. „Durch die Fluchnarbe ist der Dunkle Lord in der Lage, auch ohne Blickkontakt und auf großer Distanz Legilimentik bei dem Jungen anzuwenden. Er hatte bereits im letzten Schuljahr diese Möglichkeit ausgenutzt, um Potter in eine Falle zu locken.“ Nachdenklich schüttelte Syndia den Kopf. „Nein, das kann nicht stimmen.“ Eine Augenbraue hebend sah der Tränkemeister zu seiner Schwester, doch die richtete das Wort an den Schulleiter. „Es ist mehr als das und Sie wissen das, nicht wahr?“ Dumbledore sagte nichts dazu, sondern sah nur mit einem undeutbaren Blick zurück. „Ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, was mich an dem Jungen so fasziniert. Und jetzt weiß ich es endlich. Es liegt an seiner Aura. Aufgrund meiner Fähigkeiten konnte ich spüren, dass seine Aura etwas schwarzmagisches an sich hat.“ Sie sah den Schulleiter forschend an, als sie weitersprach: „Oder sollte ich lieber sagen: zwei Auren?“ „Zwei?!“, platzte es überrascht aus ihrem Bruder heraus. „Wie soll ich das denn verstehen?!“ Die Hexe antwortete nicht, sondern sah weiterhin zu Dumbledore und forderte ihn mit ihren Blicken auf zu antworten. Dieser seufzte nach einiger Zeit und rieb sich müde über die Augen. „Ich hätte wissen müssen, dass es Ihnen auffallen wird, Syndia. Eigentlich hatte ich gehofft, dass ich diese Information noch einige Zeit für mich behalten kann.“ Verwirrt sah Severus von einer Person zur anderen, doch sie schienen ihn zu ignorieren. Syndia beugte sich leicht vor. „Verraten Sie mir wie das möglich ist! Es ist seine Aura, nicht wahr? Sie ist zwar schwach, aber sie ist da. Und offenbar scheint Potter es noch nicht gemerkt zu haben. Zum Glück, würde ich sagen.“ Sie seufzte kurz auf und ließ sich wieder nach hinten fallen, ehe sie weiter bohrte: „Also, wie ist so etwas möglich? Mir würde nur eine Möglichkeit einfallen, aber das kann unmöglich sein.“ Zuerst sagte Dumbledore nichts, doch dann sprach er ruhig: „Nun, um ehrlich zu sein, hielt ich es auch für zu riskant. Von daher ist Ihre Vermutung vielleicht gar nicht so abwegig.“ „Hättet ihr die Güte mich einzuweihen?!“, fragte Severus wütend. Kurz sprach keiner der beiden Angesprochenen, doch dann wandte Syndia sich ihrem Bruder zu. „Ich kann spüren, dass die Aura von Voldemort rund um die Uhr bei Harry vorhanden ist und zwar zusätzlich zu Harrys eigener“, sie sprach nicht weiter sondern holte tief Luft. Etwas unsicher sah sie zu Dumbledore herüber, der leicht nickte. In Severus Kopf wurde auf Hochtouren gearbeitet. „Aber das kann nicht sein“, sprach er dann schließlich aus. „Doch, kann es“, erwiderte Dumbledore ruhig. „Ein Teil von Voldemorts Seele befindet sich in Harrys Körper.“ „Aber das würde ja bedeuten, dass...“, setzte der Tränkemeister erneut an. „Dass Harrys Körper ein Horkrux ist“, beendete Syndia den Satz ihres Bruders. Dumbledore nickte nur stumm. Eine ganze Zeit lang war Stille im Raum. Die beiden Schwarzhaarigen versuchten mit der neuen Information klarzukommen. „Aber dann muss Potter...“, sprach Severus nach einiger Zeit fast flüsternd, doch er brachte seinen Satz nicht zu Ende. Trotzdem verstand Dumbledore, was der Tränkemeister sagen wollte und seufzte leise. „Er darf es nicht erfahren. Erst wenn alle restlichen Horkruxe vernichtet worden sind. Was er dann tun wird, ist allein seine Entscheidung“, sprach der Schulleiter leise aber bestimmend. „Die restlichen Horkruxe?!“, rief der Schwarzhaarige erneut verwirrt aus. Mit einem schnellen Seitenblick zu seiner Schwester erkannte Severus, dass diese von dieser Information nicht überrascht war. War er denn der Einzige, der hier von nichts wusste?! Wieder wurde es ruhig. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach bis Dumbledore sich erhob. „Sie sollten jetzt gehen. Die nächste Unterrichtsstunde beginnt gleich und Sie wollen die Schüler doch nicht warten lassen“, sagte er bestimmend, sodass die Geschwister nichts anderes taten als zu nicken und das Büro zu verlassen. Im Flur gingen sie schweigend nebeneinander her. Irgendwann hielt Severus es nicht mehr aus. „Ich hasse es, wenn ich unwissend bin. Von was für einem Diebstahl habt ihr gesprochen? Und warum redet ihr von mehreren Horkruxen? Und... und warum scheine ich der einzige zu sein, der darüber schockiert ist, dass Potter verrecken soll?“ Die Lehrerin seufzte kurz und blieb stehen. Severus drehte sich zu ihr um und sah ihr in die Augen. „Ich habe doch schon gesagt, dass ich dir alles erklären werde. Mache dich über Necrandolas schlau und dann sehen wir uns heute Abend. Und was Harry betrifft... natürlich stört es mich. Aber im Moment können wir uns nicht darum kümmern. Keine Sorge, es gibt bestimmt einen anderen Weg. Aber es ist schön, dass dir der Junge wohl doch nicht so egal ist“, sagte sie leise und ging mit einem Schmunzeln an ihrem Bruder vorbei. Dieser sah ihr noch kurz hinterher und schnaubte auf, ehe er Richtung Kerker verschwand. Kapitel 7: Necrandolas ---------------------- Seufzend legte Severus das letzte Buch auf den Tisch und rieb sich die Augen. Er hatte alle drei ausgeliehene Bücher durchgearbeitet und war mit den gesammelten Informationen nicht so ganz zufrieden. Egal ob er das Buch über Mythen und Sagen las oder das sachliche Geschichtsbuch, sobald vom Thema 'Necrandolas' berichtet wurde, bewegten sich die Aussagen auf der Ebene der Spekulationen. Ein plötzliches Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken. Seinen Lippen entwich ein Ächzen, als er bei einem Blick auf die Uhr bemerkte, dass Syndia 15 Minuten zu spät war. Besagte öffnete die Tür zum Büro ohne auf eine Antwort gewartet zu haben und schlüpfte hinein. „Tut mir Leid, aber ich hatte noch ein dringendes Gespräch mit meinem Chef“, entschuldigte die Hexe sich und setzte sich in einen der Sessel vorm Kamin. Ohne eine Reaktion zu zeigen, ging Severus auf die Nebentür zu und deutete seiner Schwester ihm zu folgen. Die Tür führte zu seinen Privaträumen. Dort sah Syndia sich um und musste schmunzeln, als sie regelrecht von Büchern erschlagen wurde. Sämtliche Wände waren mit Regalen verkleidet, die mit Büchern nur so voll gestopft waren. Ihr wurde ein bisschen mulmig, als sie sah, dass sogar über den Türen Bücher aufgestellt waren. „Hast du nie Angst von den Dingern erschlagen zu werden?“, fragte sie und deutete auf eben diese Bücher. Severus sah in die gewiesene Richtung und meinte unverständlich: „Bücher fallen nicht einfach so aus Regalen und erst recht nicht dann, wenn man gerade drunter durch geht.“ Syndia zuckte die Achseln und setzte sich nach einem weiteren erkundenden Blick auf das schwarze Sofa. Im Kamin, der sich direkt rechts neben dem Eingang befand, brannte bereits ein Feuer. Severus setzte sich seiner Schwester gegenüber in den Sessel, sodass der längliche Glastisch zwischen ihnen stand. „Also“, begann der Tränkemeister und versuchte nicht allzu ungeduldig zu wirken, „du wolltest mir endlich erzählen was Sache ist.“ Syndia schmunzelte über die versteckte Ungeduld ihres Bruders und sah ihm wissend in die Augen. „Ja, das wollte ich. Hast du dich über Necrandolas informiert?“ „Ja, habe ich“, antwortete der Tränkemeister schnell. „Was hast du herausgefunden?“ „Nicht sonderlich viel. Sobald die Informationen über die Gründer und das Baujahr hinausgehen, werden nur noch Spekulationen aufgestellt.“ „Ich fürchte aber, dass du dich mit so etwas zufrieden geben musst.“ Als der Tränkemeister eine Augenbraue hochzog, begann Syndia endlich zu erzählen. „Necrandolas ist ein Labyrinth, dass unterirdisch in einen Berg gegraben wurde. Die genaue Größe und somit den Standort kennt man nicht. Es ist nur bekannt, dass es sich in Schottland befindet und wenige Personen kennen sogar einen Zugang zu diesen Grotten. Der Bau von Necrandolas wurde im Jahre 595 begonnen und erst 622 war das Labyrinth fertig. Eine recht lange Zeit, wenn man bedenkt, dass Zauberer diese Tunnel gegraben haben. Necrandolas sollte dazu dienen Schwerverbrecher zu bestrafen. Zu dieser Zeit standen die Dementoren noch nicht unter dem Kommando der Zauberer und normale Gefängnisse waren zu unsicher. Ständig gab es Ausbrüche, da eine Steinmauer mit ein paar Flüchen kein großes Hindernis für einen Zauberer ist und so war die Todesstrafe um einiges attraktiver, als eine Gefängnisstrafe zu verhängen. Also hatten sich einige Zauberer zusammengesetzt und das Projekt für Necrandolas in die Wege geleitet. Sie waren die Einzigen, die über sämtliche Informationen verfügten, weshalb die Geschichtsbücher auch nicht so viel hergeben. Niemand, außer diesen paar Leuten, wusste, was es genau mit Necrandolas auf sich hatte. Sie versicherten jedoch, dass kein Verbrecher es jemals schaffen würde, aus Necrandolas wieder lebend herauszukommen. Und so schien es auch zu sein. Es gab einen Ausgang des Labyrinths und es wurden auch Wachen aufgestellt, doch nie hat es jemand aus diesem Labyrinth herausgeschafft.“ Nachdenklich sah Severus seine Schwester an, die sich erst einmal eine Atempause gönnte. „Viel schlauer als vorher bin ich jetzt auch nicht“, gab der Tränkemeister von sich. „Das sind alles Fakten, die auch in den Büchern standen.“ Syndia nickte zustimmend. „Es ist nicht einfach an weitere Informationen zu kommen, da diese Zauberer alles streng geheim hielten“, bestätigte sie. „Aber ganz so falsch sind diese Mythen gar nicht, Severus.“ Der Slytherin zog leicht ungläubig die Augenbraue hoch. „Du meinst also, diese ganzen Geschichten über Monster sollen der Wahrheit entsprechen?“ „Wir haben einen Beweis dafür gefunden, dass gefährliche, seltene und vor allem schwarzmagische Wesen für Necrandolas nach Schottland importiert worden sind“, antwortete die Hexe nickend. „Außerdem schilderte einer der Zauberer, dass zusätzlich Fallen eingebaut worden sind.“ „Was für ein Beweis soll das sein?“ „Erstens haben wir Aufzeichnungen gefunden, die diese Transporte bezeugen und zweitens befindet sich in unserer Zentrale ein sehr interessantes Schriftstück. Dort wurde geschildert, dass das Projekt Necrandolas ins Schwanken geraten war, weil es Unstimmigkeiten zwischen den Zauberern gab. Einer wollte sogar aussteigen, mit der Begründung, dass er nicht bereit sei, so tief in die schwarze Magie einzutauchen. Das scheint sich jedoch nach einiger Zeit wieder erledigt zu haben.“ „Aber damit hätte er auch Flüche meinen können“, argumentierte Severus kritisch. „Er soll gesagt haben, dass er nicht bereit wäre, die Reinheit seiner Seele aufs Spiel zu setzen, nur um diese 'Biester' unter Kontrolle halten zu können.“ „Die Reinheit seiner Seele aufs Spiel setzen?“, fragte Severus grübelnd nach. „Wir wissen auch nicht genau, was er damit gemeint haben könnte“, gab Syndia mit enttäuschtem Tonfall als Antwort. „Es gibt viel zu viele Wege, wie man seine Seele mit Schwarzmagie schädigen kann. Außerdem war die Seele zu dieser Zeit noch nicht so gut erforscht worden und es ist möglich, dass er von schwarzmagischen Wesen gesprochen hatte, von denen man heute weiß, dass sie der Seele nichts anhaben können.“ Nachdenklich lehnte Severus sich zurück. Einige Zeit lang herrschte Stille im Raum, bis der Tränkemeister wieder zu sprechen begann. „Du sagtest es gäbe einen Ausgang?“ „Ja, und ich habe diesen auch schon unter die Lupe genommen“, berichtete Syndia ruhig. „Es sieht aus wie eine Höhle, doch der hintere Teil der Wand strahlt Magie aus. Das muss der Zugang zum Labyrinth sein, jedoch hat es nie jemand geschafft diesen von außen oder innen zu öffnen. Die Schutzzauber sind gewaltig. So etwas habe ich noch nie erlebt. Auf die Frage hin, warum überhaupt ein Ausgang gebaut wurde, hatten die Zauberer damals gesagt, dass es immer mal passieren kann, dass Unschuldige nach Necrandolas gesteckt werden. Nur Menschen mit reinem Herzen könnten diesen Ausgang nutzen, hatten sie behauptet.“ „Aber es müsste doch auch einen Eingang geben. Kann man den nicht untersuchen?“, grübelte Severus weiter. Seine Schwester lächelte leicht. „Und nun sind wir endlich beim eigentlichen Thema angekommen.“ Skepitsch sah der Tränkemeister die Hexe an. „Es gibt keinen direkten Eingang. Diese Höhle ist der einzige Zugang zum Labyrinth. Und selbstverständlich gibt es auch einen Apparierschutz. Außerdem sind weitere Schutzzauber aufgestellt worden, die um einiges mächtiger sind als die über Hogwarts“, erklärte Syndia und als ihr Bruder ungeduldig weiterfragen wollte, sprach sie weiter. „Der einzige Weg, wie man ins Labyrinth gelangt, ist einen speziellen Portschlüssel zu benutzen.“ Sie ließ diese Information kurz sacken, bevor sie fort fuhr: „Es ist nicht möglich einen einfachen Portschlüssel nach Necrandolas zu schaffen. Die Begründer waren und sind bis heute die einzigen Menschen, die in der Lage waren, solche Portschlüssel herzustellen. Sie hatten einen riesigen Vorrat angelegt und produzierten sie nach Belieben nach. Als nur noch zwei von ihnen am Leben waren, wurde eine Art Tresor geschaffen, in den sie ihre neu produzierten Portschlüssel hineinlegten. Das Passwort für diesen Tresor wurde nur an wenige vertrauenswürdige Personen weitergegeben. Und jetzt komme ich ins Spiel“, sprach sie zum Schluss lächelnd und überschlug ihr Beine. „Hör auf mit den Spielchen und rede Klartext!“, beschwerte der Schwarzhaarige sich Augen verdrehend. „Heute existiert nur noch ein einziger Portschlüssel. Die restlichen sind alle innerhalb der letzten Jahrhunderte verwendet worden, um weitere Schwerverbrecher zu bestrafen. Dieser letzte Portschlüssel wurde im Ministerium aufbewahrt. Man hatte nicht vor ihn zu verwenden, da die heutigen Gefängnisse in der Regel sicher genug sind.“ „Wurde aufbewahrt?“, hakte Severus nach und sah seine Schwester verwundert an. „Ja Severus, wurde. Gut, dass du es erkannt hast. Der Portschlüssel wurde vor wenigen Wochen gestohlen. Von niemand anderem als Voldemort. Das Ministerium hat sofort eine Meldung an unsere Abteilung gesendet und uns damit beauftragt, den Portschlüssel zurückzuholen. Du weißt, dass ich die Fähigkeit habe, magische Auren zu spüren. Aus diesem Grund sollte ich nach England kommen und den Portschlüssel aufspüren.“ Forschend sah der Tränkemeister zu der Schwarzhaarigen. „Was sollte der Dunkle Lord mit einem Portschlüssel nach Necrandolas anfangen?“, fragte er nach, wobei ihm seine Skepsis anzusehen war. „Überleg' doch mal. Wen würde Voldemort gerne in ein Labyrinth stecken, aus dem bisher nie jemand wieder lebend herausgekommen ist?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah Severus zu seiner Schwester. „Du hattest gesagt, dass du hier bist, um Potter zu beschützen.“ „Richtige Schlussfolgerung, Bruderherz“, entgegnete die Hexe und musste grinsen, als sich Severus' Gesicht bei der Anrede verzog. „Wir hatten die Vermutung aufgestellt, dass der Portschlüssel für Potter oder Dumbledore gedacht ist. Deshalb war ich hierher gekommen, um nach der passenden Aura zu suchen. Und ich habe sie auch schon gespürt. Der Portschlüssel befindet sich entweder in Hogwarts oder in Hogsmeade. Den genauen Standort kann ich allerdings nicht feststellen, weil die Aura von Hogwarts einfach zu gewaltig ist. Seit ich hier bin, streife ich durch sämtliche Gänge, um den Portschlüssel irgendwo aufzuspüren, aber bisher hatte ich keinen Erfolg. Nächstes Wochenende werde ich es mal in Hogsmeade versuchen.“ Gedankenversunken sah Severus auf den Boden. Geduldig wartete seine Schwester, um ihm Zeit zu geben alles aufzunehmen. „Und jetzt hat der Dunkle Lord erfahren, dass du nach dem Portschlüssel suchst und versucht durch Potter an Informationen heranzukommen“, stellte Severus nach wenigen Minuten des Schweigens klar. „Anscheinend“, entgegnete Syndia und sah ins Kaminfeuer. „Wie sieht der Portschlüssel aus? Nur für den Fall das ich ihn zufällig entdecken sollte.“ Die Schwarzäugige löste ihren Blick vom Feuer und sah Severus in die Augen. „Es ist ein alter Kelch. Nichts besonderes. Du würdest ihn nicht so ohne weiteres erkennen können“, antwortete sie ruhig und sah den Trotz in Severus' Augen, als sie mit ihrem letzten Satz an seinen Fähigkeiten zweifelte. „Tut mir Leid, Sev, aber es ist nun einmal so. Würdest du ihn genauer untersuchen, würdest du ihn sicherlich als einen Portschlüssel erkennen, aber ganz spontan erkennt man ihn nur an seiner Aura.“ Der Tränkemeister gab ein Grummeln von sich und sah zum Kamin. Syndia wurde wieder ernst und sah ihren Bruder forschend an. Jetzt, wo sie dieses Thema abgeschlossen hatten, hatte sie vorgehabt ein anderes anzuschneiden. Eines, dass sie viel unangenehmer fand. Syndia blickte auf ihre Finger, mit denen sie herumspielte, und suchte nach einem Ansatz. „Warum...?“ Fragend sah Severus zu der Schwarzhaarigen und bemerkte ihre Unruhe, was nichts Gutes zu bedeuten hatte. Syndia holte tief Luft und versuchte es noch einmal: „Ich verstehe nicht... warum du dich damals Voldemort angeschlossen hast.“ Severus versteifte sich und sah seine Schwester ausdruckslos an. Syndia sah nun wieder auf, um ihren Bruder mit ihrem Blick zu einer Antwort zu bewegen. „Kannst du es dir nicht denken?“, flüsterte der Slytherin kalt. Die Hexe hatte mit so einer Reaktion gerechnet und ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. Ruhig sah sie ihm in die Augen und verlangte damit eine Erklärung. Die Augen des Schwarzhaarigen wurden zu Schlitzen und er stand langsam auf und drehte Syndia den Rücken zu. „Mutter tot, Schwester abgehauen und verhasster Muggelvater setzt einen ohne Erbe auf die Straße. Ich war am Boden angekommen. Ich war gerade erst fertig mit der Schule und besaß bereits nichts mehr. Nicht einmal eine Zukunft“, sprach er leise und kühl, während er zur Vitrine ging und sein Glas erneut mit Feuerwhisky füllte. „Du hast keine Ahnung, was ich nach deinem Verschwinden durchmachen musste“, zischte er mit unterdrückter Wut und nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. Nachdenklich sah Syndia zu ihrem Bruder herüber und beobachtete seine zittrigen Bewegungen. Langsam stand sie auf und ging ein paar Schritte auf Severus zu. „Warum hast du ausgerechnet diese Lösung gewählt? Du hättest versuchen können dir ein neues Leben aufzubauen, irgendwo eine Ausbildung anzufangen.“ Noch immer drehte Severus sich nicht zu ihr um, sondern trank stattdessen einen Schluck aus seinem Glas. „Warum habe ich das Gefühl, dass du auf etwas bestimmtes hinaus willst?“, stellte Severus als Gegenfrage und drehte sich endlich langsam um. Sein Blick war prüfend und misstrauisch auf seine Schwester gerichtet. „Vielleicht, weil ich das wirklich beabsichtige?“, gab Syndia als Antwort, verschränkte die Arme und legte den Kopf leicht schief. „Mag sein, dass deine Situation wirklich der Auslöser dafür war, dass du dir das Dunkle Mal hast verpassen lassen. Allerdings warst du schon zwei Jahre zuvor auf dem besten Weg dahin ein Todesser zu werden.“ Wieder verengte Severus seine Augen. „Du spielst auf meinen Streit mit Lily an? Du weißt, dass ich mich von da an aus dem Freundeskreis der Todesser zurückgezogen hatte.“ „Das ist richtig“, stimmte Syndia nickend zu. „Allerdings scheinst du deine Einstellung trotzdem nicht geändert zu haben.“ „Worauf willst du hinaus?“, zischte Severus seine Schwester nun wütend an. Er hasste es, wenn sie so um den heißen Brei herumredete. Syndia ließ sich vom wütenden Tränkemeister nicht beeindrucken und sprach weiterhin in einem ruhigen aber auch drängendem Tonfall. „Du sagtest mir, dass du die Prophezeiung selbst gehört hättest. Allerdings weiß ich von Dumbledore, dass er sie nur Harry gezeigt hat. Ich verfüge jedoch über die Information, dass Voldemort durch einen seiner Todesser von der Prophezeiung gehört hat. Dieser besagte Todesser hatte nämlich an der Tür gelauscht, als die Prophezeiung ausgesprochen wurde. Du warst dieser Todesser, nicht wahr?“ Die Hexe sah ihren Bruder eindringlich an, welcher eine ausdruckslose Miene aufgesetzt hatte. „Und was hat das eine jetzt mit dem anderen zu tun?“, fragte der Tränkemeister forschend nach, nachdem er sich wieder gesammelt hatte. „Dass Lily dir anscheinend doch nicht die Augen geöffnet hat“, rief Syndia nun aufgebracht aus und löste ihre Arme. „Du hast allen, auch mir gegenüber behauptet, dass es dir Leid tun würde und dass du gar nicht so kaltherzig bist, wie es in letzter Zeit aussah. Aber dass du diese Prophezeiung weitergeleitet hast, beweist, dass du dich nie geändert hast! Du wusstest, dass Voldemort ein kleines Baby umbringen würde, wenn du es ihm erzählst und trotzdem hast du es getan! Du wusstest, dass er damit eine junge Familie zerstören würde! Und das es durch Zufall Lilys Familie war, brauche ich wohl gar nicht erst zu erwähnen!“ Syndia hätte noch weiter geschimpft, wenn Severus nicht auf einmal auf sie zugekommen wäre und sie an den Armen gepackt hätte, sodass es schmerzte. Wütend sah er seiner Schwester in die Augen, welche nur ebenso wütend zurückblickte. Sie ließ sich nicht einschüchtern. Nicht von ihm. „Meinst du nicht, dass ich mir nicht schon genug Vorwürfe deswegen mache?!“, fragte er zischend und mit eiskalter Stimme. „Denkst du etwa es lässt mich kalt, dass ich Schuld an Lilys Tod bin?!“ „Lilys Tod, es geht dir also nur um LILYS Tod?!“, hielt Syndia mit lauterer Stimme und weniger versteckter Wut gegen. „Es ist dir egal, dass du auch James Potter auf dem Gewissen hast und es ist dir egal, dass du Harry seine Eltern genommen hast?! Ist es dir denn so egal gewesen, ob andere leiden oder nicht?!“ „Du hast KEINE AHNNUNG wie die Situation damals war, Syndia!“, rief Severus aufgebracht zurück. „Du warst nicht hier! Du hast den Krieg hier nicht miterlebt, du hast diese ganzen Menschen nicht sterben sehen! Du hast dich lieber verpisst, statt zu kämpfen! Und jetzt machst du MIR einen Vorwurf?!“ „DU wirfst MIR vor, dass ich nicht gekämpft habe, obwohl DU auf der Seite der Gegner gestanden hast?!“, keifte Syndia ebenso wütend zurück. „Mag sein, dass ich für meine Heimat hätte einstehen müssen, ja. Aber der letzte, der mir das vorwerfen darf bist ja wohl DU! Wie viele Menschen hast du damals unter seinem Befehl ermordet? Wie viele Familien mussten auseinandergerissen werden, bis zu endlich bei Lilys Familie kapiert hast, dass es falsch ist?!“ „Du hast doch keine Ahnung wovon du da redest!“, sprühten Severus' Augen vor Wut. „Denkst du etwa ich hätte nicht für meine Taten gebüßt?! Denkst du ernsthaft mich würde das ganze nicht verfolgen?! Lily ist tot und das nur wegen mir! Wenn du glaubst, dass mich das nicht für den Rest meines Lebens quälen wird, dann kennst du mich sehr schlecht!“ „Ich zweifle nicht daran, dass du Lilys Tod bereust! Ich frage mich nur, ob dir bewusst ist, dass du nicht nur IHR Leben, sondern auch das von James und Harry zerstört hast! Dass du eine Familie auseinandergerissen hast!“ „Entschuldige vielmals, dass ich keine Ahnung von einer glücklichen Familie habe!“, spie Severus aus. „Mag sein, dass du jetzt eine hast, aber ich hatte nie eine!“ Syndia blieben die nächsten Worte im Hals stecken, während sie fassungslos ihren Bruder anstarrte, der vor Wut schnaubte. Mit feuchten Augen erwiderte sie: „Ach wirklich? Dann versetz dich mal in die Lage, dass Voldemort Mum getötet hätte, bevor du überhaupt die Chance hattest sie kennenzulernen. Oh und natürlich musst du dir zusätzlich dabei vorstellen Einzelkind gewesen zu sein. Kannst du jetzt von dir behaupten, dass dir nicht was gefehlt hätte?“ Severus biss die Zähne zusammen und ballte seine Hände zu Fäusten. Er sah noch immer wütend drein, doch dass er nicht antwortete, war Syndia Antwort genug. „Siehst du, so fühlt sich Harry vermutlich jeden Tag“, zischte sie mit blitzenden Augen. „Abgesehen davon, dass der Mörder seiner Eltern noch immer hinter ihm her ist. Und natürlich darfst du dabei nicht vergessen, dass seine Eltern nur wegen ihm getötet worden sind.“ Severus gab ein unterdrücktes Schnauben von sich und verschränkte die Arme, während er dem Blick von Syndia auswich. „Und jetzt kommen wir zu Lily“, rief Syndia wieder etwas energischer, weil sie das Gefühl hatte, Severus wolle ihr nicht mehr zuhören. „DU hast eine Prophezeiung an Voldemort weitergeleitet, obwohl du wusstest, dass er einer Mutter ihr Kind nehmen würde! Kannst du dir wirklich ÜBERHAUPT nicht vorstellen, wie es wäre ein Kind zu verlieren?!“ Severus sah seine Schwester aus den Augenwinkeln abschätzend an, deren Augen wieder feucht wurden. „Ist dir denn nicht bewusst, was du Lily damit ANGETAN hättest?!“, rief Syndia nun wieder laut aus. „Natürlich hat sie sich schützend vor Harry gestellt, das hätte ich dir von Anfang an sagen können! Denn was hätte es ihr genutzt am Leben zu sein, wenn ihre Familie tot ist?! Was hattest du erwartet würde sie tun?!“ Zum Schluss war ihre Stimme wieder frostig geworden. Severus sah ihr in die Augen und schluckte trocken. Inzwischen wusste er nicht mehr, wie er reagieren sollte. „Ich bereue es jeden Tag, Syndia“, wiederholte er so ruhig wie möglich. „Was genau bereust du?!“, fragte Syndia angriffslustig und nun schwammen tatsächlich Tränen in ihren Augen. „Doch nur, dass Lily tot ist, nicht wahr?! Was hättest du denn gedacht würde sie tun, wenn sie überlebt hätte? Und vor allem: Was dachtest du würde sie tun, wenn sie erfahren hätte, dass DU ihren Sohn auf dem Gewissen hättest?!“ Es entstand ein kurzes Schweigen, in dem Severus langsam nervös wurde und das hinter einem wütenden Blick versuchte zu verstecken. Syndia hingegen wischte sich kurz über die Augen, ehe ihr Blick sich verhärtete. „Ich als Mutter eines zehnjährigen Jungen kann dir sagen, was sie getan hätte“, zischte sie mit kalter Wut in der Stimme, die Severus schlucken ließ. „Wenn du das meiner Familie angetan hättest und ich herausgefunden hätte, dass DU es warst, dann hätte ich ohne große Überlegung und ohne Reue unverzeihliche Flüche auf dich gehetzt! Ob du nun mein Bruder bist oder nicht.“ Mit diesen Worten und einem eiskalten Blick drehte sie sich um und ging zur Tür. Während sie die Tür öffnete, sagte sie noch: „Ich hoffe du hast es endlich kapiert. Auch wenn wir nie eine richtige Familie hatten, solltest du jetzt endlich verstehen, dass der Verlust des eigenen Lebens bei weitem nicht das Schlimmste ist.“ Dann knallte die Tür zu. Severus stand wie versteinert mitten im Raum und starrte zur Tür. Er wusste nicht was er denken, geschweige denn tun sollte. Die Gedanken überschlugen sich regelrecht in seinem Kopf. „Ah, verdammt!“, rief er auf einmal aus und strich sich durch die Haare. Er griff nach seinem Glas, welches er während des Streits hinter sich in die Vitrine zurückgestellt hatte, hielt jedoch auf halbem Weg inne. Kurz überlegte er und kam dann zu dem Entschluss, dass der Alkohol ihm jetzt auch nicht weiterhelfen würde. Ziellos lief er durch den Raum und blieb schließlich vorm Kamin stehen. Nachdenklich sah er in die Flammen. Diese Sache hatte Syndia anscheinend schon seit ihrem nächtlichen Gespräch im Gang beschäftigt und war nun aus ihr herausgebrochen. Er wusste, dass Syndia Recht hatte. Doch in einem irrte sie sich: Er wusste sehr wohl, dass der Verlust eines geliebten Menschen schlimmer war als der eigene Tod. Um seine Gedanken abzuschütteln, löste er sich vom Anblick des Feuers und betrat sein Büro. Verloren stand er einige Momente einfach nur vor seinem Schreibtisch. Dann begann er langsam die Aufsätze zusammenzuräumen und in der Schublade verschwinden zu lassen. Als er gerade das Tintenfass schloss, hörte er auf einmal einen lauten Ausruf aus dem Flur. „Hülfe, zu Hülfe! Eine Lehrerin wurde angegriffen! Potti hat seine Lehrerin angegriffen!“, rief Peeves durch den gesamten Kerker. 'Syndia!', schoss es Severus durch den Kopf und er stürmte in den Flur hinaus. Er konnte gerade noch sehen, wie Peeves durch die Decke entschweben wollte, um im Erdgeschoss weiteren Lärm zu machen. „Peeves!“, rief er aus, um den Geist noch zu erwischen. Gerufener kehrte zurück in den Gang und sah auf Severus herunter. „Ah, genau der Richtige. Da kriegt Potti aber Ärger. Mächtigen Ärger“, sagte der Geist vergnügt und drehte Loopings in der Luft. „Wen soll er angegriffen haben und wo?“, fragte der Tränkemeister ungeduldig nach. „Na die Neue, die Neue. Vor ihrem Büro, hat auf sie gelauert, ich hab's gesehen. Kam gerade um die Ecke als sie ins Büro gehen wollte...“, erzählte Peeves munter weiter, kam aber nicht dazu noch mehr zu erzählen, da Severus bereits losgestürmt war. Kapitel 8: Kontrollverlust -------------------------- Severus rannte so schnell er konnte zu Syndias Büro. Eigentlich war er sich sicher, dass seine Schwester sich durchaus selbst verteidigen konnte, doch hätte sie das geschafft, hätte Peeves nicht so einen Lärm gemacht. Potter musste sie erwischt haben. Nach scheinbar unendlichen Minuten bog der Tränkemeister um die letzte Ecke und blieb atemlos stehen. Vor ihm stand Syndia und hielt sich den rechten Arm, während sie zu Harry blickte, der an die Wand gelehnt mit sich selbst zu kämpfen schien. Langsam trat Severus näher, bis er neben seiner Schwester stand. „Alles in Ordnung?“, fragte er sie leise ohne den Blick von Potter abzuwenden. „Nur eine leichte Verbrennung, ist nicht weiter schlimm. Ich war zu unvorsichtig“, gab die Hexe neutral als Antwort und beobachtete ebenfalls den Gryffindor. Harry starrte auf den Boden und sein Atem ging schwer und ungleichmäßig. Ab und zu schloss er gequält die Augen und starrte dann an die Decke. Sein Körper verkrampfte sich und er rutschte seitlich an der Wand hinab. Vorsichtig machte Severus einen Schritt auf den Gryffindor zu, doch Syndia hielt ihn zurück. „Nicht! Voldemort steckt noch immer in seinem Körper. Den Kampf muss er alleine gewinnen.“ Also standen die beiden Lehrer ruhig da und beobachteten ihn. Langsam sah Harry zu seiner Lehrerin. Doch nach wenigen Augenblicken schloss er wieder gequält die Augen und sein Körper verkrampfte sich erneut. „Nein!...nicht...ich will das nicht...“, gab er schwerfällig von sich und sah wieder auf den Boden. Nach einiger Zeit blickte der Gryffindor auf und sah dieses mal zu seinem Tränkeprofessor. Severus konnte oftmals etwas rotes in den Augen des Jungen aufblitzen sehen. „Verräter“, flüsterte Harry plötzlich mit ungewöhnlich tiefer und rauer Stimme. Sofort wandte Harry den Blick ab und verkrampfte sich. Er fing an leise Zischgeräusche von sich zu geben, während sich seine rechte Hand, die seinen Zauberstab umklammert hielt, langsam hob. Erst als das Zischen lauter wurde, verstand Severus, dass es Parsel sein musste. Etwas erschrocken stellte er fest, dass Potter den Zauberstab auf ihn richtete. Er wollte gerade seinen eigenen zur Verteidigung heben, als Syndia ihn mit ihrem Arm abhielt. „Nicht. Er schafft das schon.“ Noch immer leicht unsicher ließ Severus seinen Zauberstab wieder verschwinden. „Nein“, sagte Harry wieder leise, „vergiss es...ich will...das nicht.“ Mit diesen Worten ließ er seinen Zauberstab vor sich fallen. Er schloss die Augen und lehnte seinen Kopf an die Steinmauer, während er mühsam ein Bein nach vorne ausstreckte. Mit dem Fuß stieß er den Zauberstab von sich, sodass dieser vor Syndias Füße rollte. Als ob diese Tat ihm eine große Last von den Schultern genommen hätte, seufzte Harry auf und entspannte sich etwas. Dann spannte er jeden Muskel an. Noch einmal sprach Harry Parsel, jedoch wesentlich lauter und deutlicher. Plötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und erschöpft und schwer atmend sackte er zur Seite. Erleichtert atmete Syndia aus. Es war vorbei, Voldemort hatte aufgegeben. Langsam trat sie auf den liegenden Schüler zu. Nur sein Brustkorb bewegte sich schnell auf und ab und seine Augenlider flackerten bei dem Versuch sie zu öffnen. Sanft strich die Hexe eine Strähne aus der schweißnassen Stirn. Langsam trat Severus zu seiner Schwester und beobachtete ihre Geste. „Was machen wir jetzt mit ihm?“ Kurz zögerte die Hexe und blickte einfach nur auf Potter, dessen Atem sich zu beruhigen schien. „Erst einmal muss er zum Krankenflügel“, antwortete sie und stand auf. „Das meinte ich eigentlich nicht“, grummelte der Tränkemeister. „Ich meinte, wie es jetzt weitergehen soll. Potter wird immer gefährlicher.“ „Das können wir den Direktor entscheiden lassen.“ Severus nickte leicht und bückte sich dann, um den Jungen hochzuheben. Dieser gab kurz einen gequälten Laut von sich, hielt jedoch die Augen geschlossen. Er schien zwischen Wach sein und Bewusstlosigkeit zu pendeln. Langsam machten sich die beiden Professoren auf den Weg zum Krankenflügel.   „Das Fieber wird bis Morgen früh abgeklungen sein. Ansonsten geht es ihm gut“, schilderte Poppy, nachdem sie Harry behandelt hatte. „Und wenn du ihm noch einmal so anstrengende Aufgaben gibst, bekommst du es mit mir zu tun, Severus!“ Mit diesen Worten ging sie in ihr Büro. Seufzend setzte Severus sich auf den Stuhl neben Harrys Bett. „Es kann ewig dauern bis der Bengel aufwacht“, beschwerte er sich und rieb sich müde die Augen. „Dann müssen wir eben so lange warten“, gab Syndia nüchtern zurück. Für einige Minuten herrschte Stille. Zwischen den Geschwistern hatte sich wieder eine leichte Spannung aufgebaut. Durch das Durcheinander hatten sie ihren Streit vollkommen beiseite geschoben, doch jetzt, wo alles vorbei war, wurden sie wieder daran erinnert. Die Hexe hielt die Stille irgendwann nicht mehr aus und seufzte laut auf. „Was ich vorhin zu dir gesagt habe...“ „Du hattest Recht, Syndia“, fiel Severus ihr leise ins Wort und verwundert sah die Hexe auf. Nachdenklich betrachtete Severus seine Hände in seinem Schoß. Er wartete einige Augenblicke, ehe er weitersprach. „Ich denke manchmal viel zu wenig über das Wohlbefinden und die Wünsche anderer nach. Ich war damals geblendet und... so wütend, auf alles und jeden. Ich war nicht Herr meiner Gefühle und Gedanken, als ich mich den Todessern anschloss und das gleiche war es auch, als ich die Prophezeiung weitergab und... Lily verlor. Sie war das einzig Gute noch in meinem Leben und meine Angst um sie hat mich... nicht klar denken lassen.“   Als Harry langsam zu Bewusstsein kam, wusste er zuerst nicht, was passiert war. Er war völlig erschöpft und es taten ihm sämtliche Muskeln weh. Er lag in einem Bett, das stand schon einmal fest, aber er war nicht im Gryffindorturm. Was war geschehen? Das letzte, was ihm einfiel war, dass er schon wieder von Albträumen geplagt worden war und sich unruhig in seinem Bett gedreht hatte. Irgendwann war er aufgestanden, um in den Gemeinschaftsraum zu gehen. Doch dann... er hatte den Gryffindorturm verlassen, weil die Neugierde ihn wieder gepackt hatte und aus irgendeinem Grund war er sich sicher gewesen, bei Professor Levin Antworten zu finden. Aber als er vor ihrer Bürotür ankam und seine Lehrerin dort stehen sah, durchflutete ihn auf einmal brennender Hass und ohne darüber nachzudenken, hatte er einen Zauber auf sie geschossen. Erst da war Harry klar geworden, dass er seinen Körper nicht unter Kontrolle hatte. Danach verschwammen die Erinnerungen. Er konnte sich noch an Snapes Auftauchen erinnern, doch dann wusste er nichts mehr. Harry hörte ganz in der Nähe leise Stimmen. Ohne zu zeigen, dass er erwacht war, lauschte er. „Mir war erst im Nachhinein klar geworden, dass Lily das nicht gewollt hätte“, hörte Harry Snape sagen. Was? Lily? Sprach er tatsächlich gerade von seiner Mutter? Gespannt lauschte er weiter, in der Hoffnung mehr zu erfahren. „Aber du hattest auch Recht, dass ich nichts von dem Krieg miterlebt habe und ich deswegen nicht darüber urteilen sollte, inwieweit man in so einer Situation klar denken und handeln kann“, hörte Harry Levin sagen. „Warum hast du geheim gehalten, dass du mit Lily befreundet warst?“ „Hm?“, kam es erstaunt von Snape, „Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht. Wie kommst du darauf?“ Leise antwortete Syndia: „Harry wusste davon nichts. Das hat mich etwas verwundert.“ „Potter ist auch nicht gerade der erste, mit dem ich über mein Privatleben rede, Syndia“, gab der Tränkemeister spöttisch als Antwort. „Aber es geht um seine Mutter. Ich dachte, er würde etwas besser informiert werden“, mit trauriger Stimme ergänzte Syndia nachdenklich: „Es ist irgendwie traurig, wenn man nichts über die Eltern weiß.“ Beklommen hörte Harry sich das mit an. „Dennoch ist das nicht meine Aufgabe“, widersprach Snape. „Lupin und Black hatten oft genug Zeit mit ihm zu reden. Sie hätten das genauso gut erwähnen können.“ 'Stimmt überhaupt. Warum haben die beiden das nie erwähnt?' überlegte Harry. Sie hatten immer nur von seinem Vater gesprochen, aber nie von seiner Mutter. Nun war es zu spät Sirius danach zu fragen. „Vergessen wir das einfach. Es liegt schon so weit zurück“, flüsterte Snape. Enttäuscht darüber, nicht mehr zu erfahren, musste Harry einen Seufzer unterdrücken. „Dein Arm muss versorgt werden“, sprach Snape nun wieder in seiner typischen Art. „Das ist nicht weiter schlimm. Es war nur ein Brandzauber, der durch einen Protego nicht aufgehalten werden kann. Ich hätte nicht gedacht, dass er Harry dazu bringen würde, Zauber einzusetzen, die er noch nicht kennt. Das hätte gewaltig ins Auge gehen können. Auch wenn er Harrys Körper übernommen hat, sind es noch immer die Fähigkeiten von Harry, die genutzt werden.“ Harry beschloss, dass es keinen Sinn mehr hatte, sich weiter schlafend zu stellen und begann sich zu rühren. Das bereute er jedoch im nächsten Moment, da ihm bei der Bewegung alle Muskeln schmerzten als seien sie gerissen. Seinen Lippen entwich ein Ächzen und beide Lehrer sahen zu ihm herüber. Langsam öffnete der Gryffindor die Augen und sah erst Levin und dann Snape an. „Das ging schneller als erwartet“, gab Snape trocken von sich. „Wie geht es Ihnen?“, fragte Levin ruhig nach und drehte sich zu Harry. „Naja... es ging mir schonmal besser“, murmelte Harry und ergänzte dann zögerlich: „Ich... habe Sie angegriffen.“ „Das ist nicht weiter schlimm, machen Sie sich keine Sorgen um mich. Das ist in Null Komma nichts verheilt.“ „Was ist überhaupt... passiert?“, fragte Harry mit schwacher Stimme weiter. „Denk doch mal nach, Potter!“, grummelte Snape und kassierte damit einen bösen Blick von seiner Schwester. „Voldemort“, brachte der Grünäugige heraus und erhielt ein Nicken von seiner Lehrerin „Aber... warum das alles? Warum...?“ Harry wusste nicht, wie er seine Frage formulieren sollte. Sämtliche Fragen, die ihn seit Tagen plagten, kamen nun hoch und sorgten dafür, dass der Gryffindor nicht wusste, welche er als erstes stellen sollte. „Warum jetzt? Warum bei Ihnen? Was haben Sie getan das Voldemort mich benutzt, um an Sie heranzukommen? Warum kann er überhaupt Besitz von meinem Körper ergreifen? Ich dachte... dass er es in meinem Körper nicht aushält. Das war im letzten Schuljahr doch auch so.“ „Potter, wenn Sie so weiter machen ersticken Sie, bevor man überhaupt die Möglichkeit hat, Ihnen zu antworten“, unterbrach der Tränkemeister seinen Schüler, damit dieser auch mal Luft holte. Dieser atmete tatsächlich so tief durch wie es seine schmerzenden Muskeln zuließen. Levin hingegen sah nachdenklich auf den Boden und kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich denke die Behauptung, dass Voldemort es nicht in Ihrem Körper aushalten würde, ist nicht ganz korrekt. Es stimmt schon, dass er all Ihre Gefühle nicht gewohnt ist und sie ihn möglicherweise 'anwidern', aber ich denke, dass er das alles in Kauf nehmen würde, um an sein Ziel zu kommen. Beim ersten Mal war er darauf nicht vorbereitet und hielt es nicht aus, aber jetzt wusste er was auf ihn zukam.“ „Und warum... warum tut er es jetzt schon wieder? Und warum bei Ihnen? Was will er von Ihnen?“ Levin sah den Gryffindor nachdenklich an, ehe sie antwortete: „Voldemort ist sich seiner vielen Feinde bewusst. Er weiß auch, dass ich hinter ihm her bin und er scheint mich als Gefahr anzusehen. Er muss irgendwie herausgefunden haben, dass Sie sich in meiner Nähe befinden und versucht nun an Informationen über mich heranzukommen.“ „Sie sind hinter ihm her?“, fragte Harry nochmal nach und erhielt ein Nicken. Der Grünäugige ließ sich noch einmal die letzten Ereignisse durch den Kopf gehen und versuchte alles logisch zu sortieren. „Dann war also dieses Misstrauen... und vielleicht auch diese starke Neugierde...“ „Nicht Ihr Gefühl, sondern das von Voldemort“, beendete die Hexe Harrys Satz. „Hältst du es für eine so gute Idee Potter Informationen zu geben, obwohl der Dunkle Lord Zugriff auf sein Gedächtnis hat?“, mischte Snape sich grummelnd in das Gespräch ein und sah seine Schwester forschend an. „Ich denke, das macht jetzt keinen Unterschied mehr“, antwortete statt Levin Dumbledore, der gerade die Krankenstation betrat. „Alles in Ordnung, Harry?“ „Ja, es geht schon“, antwortete der Gryffindor und konnte gerade noch ein automatisches Nicken verhindern, das mit Sicherheit Schmerzen verursacht hätte. „Vielleicht sollte Poppy dir noch einen starken Trank gegen Muskelkater geben“, gab der Schulleiter warm lächelnd von sich. „Es wird schon gehen“, lehnte Harry ab und sah nun nachdenklich zu seinem Tränkeprofessor. „Professor...“ Snape sah auf. „Voldemort traut Ihnen nicht mehr.“ „Danke, Potter. Das wusste ich auch schon so“, gab Snape nur trocken als Antwort ohne Harry überhaupt anzusehen. „Und nur weil wir gesagt haben, dass Sie Antworten bekommen, heißt das noch lange nicht, dass Sie alles wissen dürfen. Werden Sie erstmal erwachsen, dann dürfen Sie mitreden.“ „Aber, aber, Severus“, versuchte Dumbledore einen Streit zu verhindern und hatte die Hände beschwichtigend gehoben. „Wie erwachsen soll ich denn Ihrer Meinung nach werden? Ich bin Voldemort jetzt schon so oft begegnet und ich habe es satt immer erst danach erklärt zu bekommen, was Sache ist!“, keifte Harry zurück, den Schulleiter ignorierend. „Wenn Sie sich mal daran halten würden, was Ihnen gesagt wird, könnte man Ihnen vielleicht auch etwas mehr Vertrauen schenken und Sie einweihen“, gab Snape nun wieder mit einem tödlichen Blick zurück, dem Harry jedoch mühelos standhielt. „Severus“, drohte Levin leise, doch auch sie wurde ignoriert. „Es ist doch wohl eher andersherum: Erst wenn ich weiß, was los ist, kann ich nachvollziehen, warum ich einige Dinge tun soll und dann kann ich das auch tun!“ „Es ist gut jetzt“, mischte sich die Hexe erneut ein und trat sicherheitshalber zwischen die beiden Streithähne, da Snape bereits von seinem Stuhl aufgesprungen war. „Wenn man es Ihnen sagen würde, würden Sie trotzdem noch Ihren Kopf durchsetzen und das tun was Sie für richtig halten. Als ob Sie der schlaueste Kopf der Welt wären. Hätte man Ihnen im letzten Jahr gesagt, dass der Dunkle Lord Ihnen eine Falle stellen würde, wären Sie mit Sicherheit trotzdem ins Ministerium gestürmt!“ „Es ist gut jetzt, hab ich gesagt!!“, rief Levin und stellte sich drohend vor ihren Bruder. Endlich waren beide still geworden. Harry weil ihn der letzte Kommentar wie ein Brett am Kopf getroffen hatte und Snape weil er durch Levins drohenden Blick endlich bemerkte, dass er zu weit gegangen war. Für einige Zeit schien der Moment eingefroren zu sein. Dann trat Levin wieder zur Seite. „Wir sollten Mr Potter schlafen lassen. Eigentlich ist er viel zu früh aufgewacht“, sagte sie kalt zu ihrem Bruder. Dieser sah prüfend zum Gryffindor, der aus dem gegenüberliegenden Fenster sah, und nickte langsam. Mit einem „Gute Nacht“ von Levin verließen die beiden Schwarzhaarigen den Krankenflügel, wobei Levin die Medihexe flüsternd bat, Harry einen Traumlostrank zu geben. Etwas verwirrt nickte Poppy ihr zu. Als Harry mit Dumbledore alleine war, sah er wieder auf sein Bettlaken, während Dumbledore ihn musterte. „Was mit Sirius passiert ist, war nicht deine Schuld, Harry“, gab der Professor leise und ernst von sich. Harry nickte und schnaubte aber zugleich. „Warum fühlt es sich dann trotzdem so an? Und ich scheine ja nicht der einzige zu sein, der so denkt.“ „Professor Snape kämpft genauso gerne mit Worten wie du, Harry. Er wollte dich treffen, was natürlich falsch von ihm war. Aber ich weiß, dass auch er dich nicht für schuldig hält.“ Ungläubig schnaubte Harry erneut auf. „Du solltest dich jetzt erstmal ausruhen. Ich werde mir überlegen, was wir gegen Voldemorts Eingriffe tun können“, beschloss der Direktor, woraufhin Harry nur leicht nickte. „Du weißt, dass die beste Lösung wäre, wieder bei Professor Snape Okklumentikunterricht zu nehmen“, ergänzte der Direktor über seine Halbmondbrille hinweg schauend. „Sie sehen doch, wie prächtig wir uns verstehen“, antwortete der Grünäugige sarkastisch und deutete zur Tür. „Ich bin mir sicher, dass der Großteil eurer Streitigkeiten auf Sturheit und Missverständnissen basieren“, meinte Dumbledore schlicht und ergänzte mit einem Lächeln: „Ihr seid euch im Grunde ähnlicher als ihr denkt.“ Dumbledore wünschte dem Gryffindor noch eine gute Nacht und verließ ebenfalls den Krankenflügel. Harry sah ihm nachdenklich hinterher. Seit wann hatten so viele Menschen Interesse an seiner Beziehung zu Snape? Und warum waren Levin und Dumbledore der Meinung, sie müssten sich eigentlich gut verstehen? Seit Levin hier war, hatte sich alles auf den Kopf gestellt. Und Harry wusste nicht, ob diese Veränderungen gut oder schlecht waren.   „Wo warst du die ganze Nacht?! Du warst nicht im Gryffindorturm, als wir vom Astronomieunterricht zurückkamen. Ich dachte du wolltest dich ausruhen“, wurde Harry von Ron bombardiert, sobald er die Große Halle betrat. „Ich konnte nicht schlafen und bin nochmal aufgestanden“, antwortete der Grünäugige müde und setzte sich zu seinen Freunden. „Die ganze Nacht lang?!“, fragte Hermine skeptisch nach. Genervt rieb sich der Schwarzhaarige die Augen und sah zum Lehrertisch. Levin war noch nicht da und Snape aß wie immer mies gelaunt sein Frühstück. Als ob er Harrys Blick bemerkt hätte, sah er auf und direkt in die Augen des Gryffindors. Harry musste trocken schlucken, als er an die Vorwürfe vom Vorabend dachte. Doch jetzt hatte Snapes Blick komischerweise nichts abwertendes an sich. Harry sah nachdenklich auf seinen Teller und bemerkte nicht, dass Hermine ihn die ganze Zeit beobachtet hatte. „Irgendetwas ist doch passiert. Was ist los mit dir, Harry?“ Seufzend wandte Harry sich seiner Freundin zu und flüsterte: „Voldemort hat es letzte Nacht geschafft mich zu kontrollieren.“ „Und was hat er dich machen lassen?“, machte Ron nun weiter. Wieder warf Harry einen Blick zum Lehrertisch und nuschelte dann: „Ich hab Levin angegriffen. Und beinahe auch Snape.“ Hermine zog die Luft ein, bevor sie weiterbohrte: „Wie konnte das passieren? Ist Professor Levin verletzt?“ „Hermine, bitte!“, unterbrach der Grünäugige ihren Redeschwall. Kurz und knapp erzählte Harry, was geschehen war. „Und wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte Hermine nach einer Pause und sah zum Lehrertisch. „Wurde Dumbledore informiert?“ „Ja, er war im Krankenflügel“, kam es wieder leicht genervt von Harry, der sich einen Toast nahm. „Er sagt, er würde sich überlegen was zu tun ist. Ach, und Levin meinte Voldemort würde das ganze machen, weil sie hinter ihm her ist.“ Ron runzelte die Stirn. „Hinter ihm her? Als Auror oder sowas?“ Harry zuckte die Achseln. „Sie hat einige Fähigkeiten. Ich denke mal sie wäre stark genug, um gegen ihn anzutreten.“ „Was meinst du für Fähigkeiten?“, bohrte Hermine, die heute anscheinend nichts anderes tun konnte, als Fragen zu stellen. „Naja“, begann Harry und biss von seinem Toast ab, „Sie kann durch Tarnumhänge sehen, ist in Legilimentik unschlagbar und ich hab das Gefühl sie kann noch viel mehr.“ „Na dann steht Snape neben seiner Schwester ja dumm dar“, grinste Ron und sah zum Tränkeprofessor herüber. Dieser bemerkte den Blick und starrte bösartig zurück, sodass Ron das Grinsen verging und er sich räuspernd seinem Frühstück zuwandte. Das brachte Harry zum Lachen und Hermine lächelte ihm zu. Es war das erste Mal, dass Harry lachte, seit sie hier waren. Er schien sich endlich wieder zu fangen.   Eine Woche später ging Harry schleppend zu Dumbledores Büro. Noch immer schlief er unruhig. Entweder träumte er von Sirius, hatte verwirrende Träume in denen immer wieder dieser komische Kelch vorkam oder Voldemort versuchte erneut in Harrys Erinnerungen zu graben und langsam zerrte das ziemlich an Harrys Nerven. Müsste Voldemort nicht endlich kapiert haben, dass es da nichts neues mehr zu wissen gab?! Außerdem musste der Kerl doch auch irgendwann mal schlafen, oder? Irgendwie war die Vorstellung eines schlafenden Voldemorts mehr als grotesk. Endlich war der Gryffindor am Ziel. Er klopfte an die Tür, die von alleine aufschwang. „Ah Harry, da bist du ja. Komm herein“, wurde Harry freundlich von Dumbledore begrüßt. „Sie wollten mich sprechen, Sir?“ Vor Dumbledores Schreibtisch standen Levin und Snape, die ihn, ebenso wie Dumbledore, ansahen, was Harrys Laune gleich weiter verschlechterte. „Ja, das ist richtig“, antwortete Dumbledore und deutete Harry sich zu setzen. Zögernd nahm der Brillenträger Platz und fragte nach: „Was gibt es denn?“ „Ich habe dir doch gesagt, dass ich eine Lösung für das Problem mit Voldemort suchen würde. Auch wenn es euch beiden nicht gefallen wird“, dabei sah Dumbledore zwischen Snape und Harry hin und her, „ist die einzige Möglichkeit, die mir eingefallen ist, den Okklumentikunterricht fortzuführen.“ Geschockt sahen sich die beiden Angesprochenen an. „A-Aber Professor, ich glaube nicht, dass das etwas bringen würde.“ „Es würde dir zumindest helfen die Kontrolle zu behalten“, schlug Dumbledore Harrys Argument nieder. „Außerdem würde es etwas bringen, wenn Sie sich bemühen und vor allem üben würden“, ging der Tränkemeister gleich auf Angriff über. „Es gibt doch sicherlich auch... jemand anderen, der Okklumentik beherrscht, oder nicht?“, fragte Harry, Snape ignorierend und sah flüchtig zu seiner Verteidigungslehrerin. Diese bemerkte seine Andeutung und sagte: „Ich bin zwar gut in Legilimentik, aber in Okklumentik ist Severus besser.“ Der Gryffindor seufzte auf. Langsam gingen ihm die Argumente aus. „Geben Sie es auf, Potter. Ich bin genauso wenig davon begeistert wie Sie“, sprach Snape nun genervt, „Kommen Sie morgen nach dem Abendessen in mein Büro. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe noch zu tun.“ Damit verschwand der Tränkemeister aus dem Büro. „Gut, wenn das geklärt ist, kannst du auch gehen, Harry“, lächelte der Direktor und Harry nickte. „Das wird ja lustig“, grummelte der Schwarzhaarige vor sich hin und ging zur Tür. Levin lächelte in sich hinein: „Vergessen Sie nicht, was ich Ihnen erzählt habe. Ihr werdet euch schon zusammenraufen.“ Ein ungläubiges Schnaufen kam als Antwort und mit einem „Gute Nacht“ verließ Harry endgültig das Büro des Direktors. Als der Gryffindor gerade die Treppe verlassen hatte und in einen Gang einbiegen wollte, hörte er Snape hinter sich. „Potter, warten Sie noch einen Augenblick.“ Überrascht drehte sich der Brillenträger um und sah seinen Lehrer fragend an. Dieser ging auf ihn zu und hielt ihm eine Phiole hin, in der sich eine bläuliche Flüssigkeit befand. „Das ist ein Traumlostrank. Syndia bat mich, ihn Ihnen zu geben.“ Zögerlich nahm Harry die Phiole an sich und der Tränkemeister fuhr fort: „Vor dem Schlafengehen drei Tropfen verdünnt mit ein wenig Wasser einnehmen. Mehr nicht, verstanden?“ „J-Ja, danke... Sir“, antwortete Harry immer noch ein wenig perplex. Mit einem Nicken drehte Snape sich um und ging den Gang hinunter, der Richtung Kerker führte. Einen Augenblick sah Harry seinem Lehrer noch verwirrt hinterher, ehe er sich auf den Weg zum Gryffindorturm machte. Kapitel 9: Schlechte Nachrichten -------------------------------- Durch den Traumlostrank bekam Harry keine Albträume mehr, wodurch es ihm schon etwas besser ging. Zu seiner ersten Okklumentikstunde war Harry ein wenig nervös. Ihre letzte Unterrichtsstunde lag schon ein wenig zurück und sie hatte kein schönes Ende genommen. Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, klopfte der Grünäugige an die schwere Tür zu Snapes Büro. Kurz darauf war auch schon ein „Herein“ zu hören und Harry trat ein. „Sie sind ja ausnahmsweise mal pünktlich, Potter”, wurde er von seinem Tränkeprofessor begrüßt, der gerade das Denkarium ins Regal stellte. Harry schluckte und sah zu, wie die Oberfläche der Flüssigkeit blaue Muster auf die Regalwand warf. Snape drehte sich zu seinem Schüler und bemerkte dessen Blick, was bei ihm gleich wieder für schlechte Laune sorgte. „Sie lassen die Pfoten davon, verstanden?! Ich denke nicht mal Sie sind dumm genug, noch einmal so eine Aktion zu starten.” Sofort ging der Gryffindor an die Decke und sagte: „Sie glauben immer noch, dass mir diese Erinnerung Vergnügen bereitet hat, nicht wahr?” Wieder sah Snape kurz zu ihm, bevor er antwortete: „Warum wollen Sie das jetzt unbedingt ausdiskutieren? Ich habe damals gesagt, dass wir nicht mehr darüber sprechen werden und dass Sie es niemandem erzählen sollen. Woran Sie sich hoffentlich gehalten haben.” „Natürlich habe ich das, aber...” „Zu Ihrem Glück. Ich wüsste nicht, was es da weiter zu besprechen gibt”, versuchte der Tränkemeister die Unterhaltung zu beenden, doch er vergaß dabei den Dickkopf des anderen. „Warum wollen Sie mir eigentlich nicht zuhören? Und vor allem nicht glauben?” „Und warum können Sie einige Dinge nicht einfach auf sich beruhen lassen und froh darüber sein, dass es für Sie noch keine großen Folgen hatte?” „Warum weichen Sie mir durch eine Gegenfrage aus?” „Das tue ich gar nicht.” „Und ob Sie das tun.” „Potter!” Schnaubend sah der Gryffindor zu Snape, der ihn mit seinen Blicken offenbar einschüchtern wollte. „Na also, Sie können ja auch mal ruhig sein”, sprach der Tränkemeister nach einer kurzen Stille. „Wenn Sie so weitermachen können Sie gleich wieder gehen. Falls Sie es schon vergessen haben sollten, machen wir diesen ganzen Aufwand nur, um Ihnen zu helfen. Ich kann mir den Abend wesentlich schöner vorstellen, als Ihnen Unterricht zu geben.” Sich geschlagen gebend verschränkte der Gryffindor die Arme. „Also”, setzte Snape an, als er sich sicher war, dass Harry endlich Ruhe gab. „Den Ablauf des Unterrichts kennen Sie ja bereits: Ich werde in ihren Geist eindringen und Sie versuchen mich irgendwie abzuwehren. Außer mit Schildzaubern.” „Ist mir klar.” „So, bereit machen”, sagte Snape während er den Zauberstab auf Harry richtete. „Eins... Zwei... Drei, Legilimens.” Harrys Sicht verschwamm für einen kurzen Moment, ehe er seine Vergangenheit vor sich sah. Er war wieder mit den Dursleys und Piers im Zoo vor dem Eisstand...die Frau fragte ihn lächelnd, was für ein Eis er wolle und widerwillig kaufte Tante Petunia ihm das billigste Eis...... Er lag in seinem Zimmer auf dem Bett...vor seinem Fenster waren Gitter angebracht und die Tür war verriegelt...Tante Petunias Hand erschien in der Katzenklappe, die eine Schüssel voll kalte Dosensuppe abstellte...halb verhungert stürzte Harry sich darauf und gab Hedwig das Grünzeug...Hedwig sah ihn angewidert an...... „Ich schließe dich ein - Du gehst nie wieder in diese Schule zurück – nie – und wenn du versuchen solltest dich hier herauszuzaubern – dann werfen sie dich dort raus.”²...... „Und du?”, war erneut Onkel Vernon zu hören und Harry antwortete gelangweilt: „Ich bin in meinem Schlafzimmer, mache keinen Mucks und tu so, als ob ich nicht da wäre.”²...... Er war neun Jahre alt und rannte so dicht an einer Schaukel vorbei, dass das darauf sitzende Kind fast herunterfiel...Harry achtete nicht darauf, sondern sah nur panisch hinter sich, um festzustellen, dass Dudleys Gang immer noch hinter ihm war...... Er saß in seinem Schrank und zupfte eine Spinne von seinen Socken...... Onkel Vernon sah mit rot angelaufenem Kopf wütend zu dem siebenjährigen Harry, holte aus und schlug ihm so heftig ins Gesicht, dass er hinfiel...Harry wurde wieder gepackt, vom Boden aufgehoben und... 'Nein! Das will ich nicht sehen! Er soll es nicht sehen! Das braucht ihn gar nicht zu interessieren!', dachte Harry auf einmal und das Bild verschwamm. Langsam konnte er Snape erkennen, der nun den Zauber löste und den Gryffindor mit erhobener Augenbraue ansah. Der Grünäugige war währenddessen auf die Knie gesunken und atmete schwer. Für kurze Zeit war es still, da Harry noch zu atemlos war und Snape mit sich rang. Harry sah auf und stellte verwundert fest, dass Snape ein wenig blass aussah. Hatte ihn diese Erinnerung so sehr geschockt? Besagter drehte sich zur Seite und nahm einen Schluck aus dem Glas, welches auf seinem Schreibtisch stand. Unschlüssig öffnete er den Mund, um ihn dann nur wieder zu schließen, ohne einen Ton gesagt zu haben. Währenddessen rappelte sich der Gryffindor auf und setzte sich einfach in den nächsten Sessel. „Kam so etwas öfter bei Ihnen zu Hause vor?”, wurde auf einmal leise gefragt und Harry sah erstaunt auf. Der Slytherin hatte bei seiner Frage nicht aufgeblickt, sondern stand immer noch an seinem Schreibtisch mit dem Glas in der Hand. Der Brillenträger sah auf seine Hände und überlegte, ob er antworten sollte. Schließlich sagte er leise und knapp: „Nicht in diesem Ausmaße.” „Und das Ausmaß wäre...?”, bohrte der Tränkemeister weiterhin mit ruhiger Stimme. Fragend sah der Grünäugige auf, weil er erstens das Gefühl hatte auf dem Schlauch zu stehen und zweitens, weil Snapes Tonfall so außergewöhnlich war. Er hatte seinen Professor noch nie so ruhig, ernst und ohne jeglichen Spott oder Vorwurf reden hören. Mit einem kurzen Seitenblick bemerkte Snape Harrys fragenden Blick und half nach: „Die Erinnerung war noch nicht zu Ende, stimmt's?” „N-Nicht... ganz”, antwortete Harry zögernd, runzelte verwundert die Stirn und stellte fest, dass sich Snapes Griff ums Glas so stark festigte, dass seine Knöchel weiß wurden. Ansonsten war jedoch keine Regung zu erkennen. „Warum fragen Sie mich das überhaupt? Das ist allein meine Sache.” Der Gryffindor wusste, dass er gerade ziemlich respektlos war, aber er hatte wirklich keine Lust über diesen Vorfall zu reden. „Sie haben Recht, es geht mich nichts an”, antwortete Snape kurz darauf und nahm noch einen letzten Schluck aus dem Glas, um sich dann wieder seinem Schüler zuzuwenden. Harry verstand nun gar nichts mehr. Zuerst zeigte Snape so ein Interesse an seinem Leben und das ohne Spott, dann ging er auf keine Provokationen ein und dann gab er dem Jüngeren auch noch Recht. Wo war der alte Snape geblieben? „Die Pause war lang genug. Starten wir den nächsten Versuch”, begann der Tränkemeister und stellte sich mit erhobenem Zauberstab vor Harry. Dieser stand langsam auf und sah seinen Lehrer an. „Legilimens”, sprach Snape auch schon und Harrys Sicht verschwamm. Er saß im Hogwartsexpress Ron gegenüber...in der Tür standen die Weasley-Zwillinge und sprachen ihn an: „Harry, haben wir uns eigentlich schon vorgestellt? Fred und George Weasley. Und das hier ist Ron, unser Bruder. Bis später dann.”(1)...... Harry saß im Auto... „Ich habe von einem Motorrad geträumt. Es konnte fliegen.”...Onkel Vernon machte eine Vollbremsung und drehte sich mit rot angelaufenem Gesicht zum Rücksitz... „MOTORRÄDER FLIEGEN NICHT!”(1)...... Harry lag auf seinem Bett und Onkel Vernon stand in seinem besten Anzug im Türrahmen... „Wir gehen aus.” - „Wie bitte?” - „Wir, das heißt deine Tante, Dudley und ich, wir gehen aus.” - „Schön.” - „Du bleibst in deinem Zimmer während wir weg sind.” - „Okay.” - „Du rührst den Fernseher, die Stereoanlage und auch keine anderen Sachen von uns an!” - „Gut.” - „Du stiehlst kein Essen aus dem Kühlschrank.” - „Okay.” - „Ich schließe die Tür ab.” - „Tu das.”...argwöhnisch verschwand Onkel Vernon und schloss ab³...... Harry flog Diggory hinterher, um den Schnatz noch vor ihm zu bekommen, als auf einmal der Ton abgestellt wurde...da sah er auf einmal Dementoren unter sich...... Vor Harry hockten Lupin und Sirius vor dem Kamin und unterhielten sich mit ihm...Lupin sprach: „Ich möchte nicht, dass du deinen Vater nach dem beurteilst, was du dort gesehen hast, Harry. Er war erst 15...” - „Ich bin auch 15”, warf Harry ein...Sirius sprach weiter: „Sieh mal Harry. James und Snape haben einander gehasst, seit sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, es war eben so, das kannst du doch verstehen, oder?”... Harry spürte, dass die Erinnerung immer deutlicher und detaillierter wurde. Was war das? Bohrte Snape etwa weiter nach? Das muss es wohl sein. Ihn interessierte diese Erinnerung und er wollte sie komplett sehen. Egal wie sehr Harry sich anstrengte, er konnte nicht verhindern, dass sich diese Szene klar und deutlich vor ihm abspielte. ...Harry argumentierte weiter: „Aber er hat Snape ohne richtigen Grund angegriffen, nur weil – also, nur weil du sagtest, du würdest dich langweilen.” - „Darauf bin ich nicht stolz”, erwiderte Sirius... „...wenn sie sich da manchmal ein bisschen haben hinreißen lassen...” - „Wenn wir manchmal arrogante kleine Hohlköpfe waren, meinst du”, fiel Sirius Lupin ins Wort... „Mir kam er wie ein ziemlicher Idiot vor”, sprach Harry... „Natürlich war er ein ziemlicher Idiot! Wir waren alle Idioten!...”, konnte man Sirius hören, „...Im Alter von 15 sind eine Menge Leute Idioten. Er ist da rausgewachsen.”.... „Ja, schon gut”, würgte Harry seine Entschuldigungen ab, „Ich hätte nur nicht gedacht, dass mir Snape jemals Leid tun würde.”³ Abrupt hörte die Erinnerung auf und Harry lag auf dem Boden. Snape hatte sehr lange und tief gebohrt, mehr als sonst und das hatte dem Gryffindor seine gesamte Kraft gekostet. Schwer atmend lag er da, mit leicht zuckenden Armen und Beinen aufgrund der extremen Überanstrengung der Muskulatur. Kurz überlegte Snape, ob er den Bengel da liegen lassen sollte, doch dann ging er um seinen Schreibtisch herum und holte aus dem Regal eine kleine Phiole, gefüllt mit einem grünlich-braunen Gebräu, und ging damit zum Gryffindor. Neben ihm hockte er sich hin, öffnete die Phiole und hielt sie dem Jüngeren an den Mund. Harry zögerte kurz, ehe er den Trank freiwillig schluckte. Sofort verzog er das Gesicht und hätte das Zeug am liebsten gleich wieder ausgespuckt. „Was eklig schmeckt hilft”, kommentierte Snape Harrys Reaktion nur und ging wieder zum Schreibtisch, um die Phiole wegzustellen. Am liebsten hätte der Brillenträger jetzt einen bissigen Kommentar abgegeben, doch er wollte den Professor nicht schon wieder reizen. Langsam beruhigten sich seine Extremitäten und er machte einen vorsichtigen Versuch, sich mit den Armen abzustützen. Das schien ganz gut zu klappen und so schaffte er es, sich zittrig auf den Sessel zu ziehen. „Da sehen Sie, was es für Folgen hat, wenn Sie ihren Gegner zu tief in Ihrem Gedächtnis schnüffeln lassen”, fing Snape wieder an, was in Harry die Wut hochkochen ließ. „Schnüffeln ist das richtige Wort”, murmelte der Gryffindor leise vor sich hin, doch Snape überhörte das nicht. „Bei der Legilimentik gibt es keine Privatsphäre. Es ist Ihre eigene Schuld, wenn Sie mich an solche Erinnerungen heranlassen.” „Sie haben sich doch speziell diese Erinnerung herausgesucht”, erwiderte Harry etwas müde. Zum Streiten war er eigentlich viel zu erschöpft und sein Schädel pochte fürchterlich. Harry sah zu seinem Lehrer auf, doch dieser erwiderte den Blick nicht. Stattdessen stieß der sich von seinem Schreibtisch ab und sprach: „Jetzt, wo Ihre Muskeln sich wieder beruhigt haben, können Sie verschwinden. Die nächste Stunde ist nächste Woche Donnerstag um die selbe Uhrzeit.” Damit schien für ihn das Gespräch beendet zu sein. Der Brillenträger seufzte lautlos und nickte dann. Zittrig stand er auf und mit einem grummelndem „Gute Nacht, Professor“ verließ er das Büro.   Die Wochen vergingen und der Okklumentikunterricht war nicht ganz so schlimm, wie der Gryffindor befürchtet hatte. Betonung auf 'nicht ganz so schlimm'. Er versuchte jeden patzigen Kommentar zu vermeiden und Snape schien dafür die Anzahl seiner Sprüche etwas zu regulieren. Vielleicht lag diese Veränderung aber auch daran, dass Snape das Gespräch mit Sirius und Lupin gesehen hatte. Jedenfalls verkniff sich Snape einige Kommentare und ließ Harry sogar Pausen zwischen den Versuchen, wenn er gute Laune hatte. Voldemort hatte bisher keinen Versuch mehr gestartet Harry zu kontrollieren und obwohl der Gryffindor ganz froh darüber war, verwunderte es ihn ein wenig. Er dachte schon, dass es nun endgültig aufgehört hatte, doch gerade heute Vormittag in der zweiten Pause wurde er eines besseren belehrt. Harry hatte sich gerade mit Ron und Hermine in eine ruhige Ecke des Schulgeländes zurückgezogen, als seine Sicht plötzlich verschwamm. Er befand sich auf einmal auf einer Straße vor einem Gebäude, das von Todessern gestürmt wurde. Die Vorderseite war bereits komplett eingestürzt und aus den restlichen heilen Fenstern kamen hohe Flammen zum Vorschein. Vereinzelt kamen Männer und Frauen aus dem brennenden Gebäude und lieferten sich dabei einen Kampf gegen die Todesser. Doch das interessierte ihn weniger. Er wartete auf eine bestimmte Person, die auch schon bald auftauchte: Ein maskierter Todesser kam von der rechten Seite um das Gebäude herum und kniete sich vor ihm nieder. „Herr, wir haben ihn. Die Mission ist erfüllt”, sprach der Todesser unterwürfig und schon brach Harry in schallendes Lachen aus. „Harry! Harryy!”, hörte der Gryffindor auf einmal eine vertraute Stimme. Verwundert blinzelte er und sah nach einigen Versuchen Hermines Gesicht vor sich. „Hermine, was...?”, begann er, doch dann fiel ihm auf, dass er auf dem kalten Steinboden lag, Ron und Hermine neben ihm kniend. „Du bist gerade voll abgegangen! Was war denn los?“, versuchte Ron zu erklären und langsam dämmerte es ihm. „Du hast wieder was gesehen?!” Anstatt zu antworten setzte Harry sich erstmal hin und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Ja, er war wieder in Voldemorts Kopf gewesen. „J-Ja, ich glaube schon”, antwortete Harry endlich und stand auf. „Und?!”, fragte Ron neugierig nach und Hermine sah auch nicht gerade desinteressiert aus. „Da war ein brennendes Gebäude. Jemand sagte die Mission sei erfüllt und darüber hat sich Voldemort gefreut. Es schien sehr wichtig gewesen zu sein.” „Was für eine Mission?”, hakte Hermine stirnrunzelnd nach. „Ich weiß es nicht”, Harry kratzte sich am Hinterkopf, „Er sagte was von... er sagte sie hätten ihn.” „Ihn? Was meinen die damit?” „Keine Ahnung”, sagte Harry schulterzuckend. In dem Moment läutete die Schulglocke und Harry sah überrascht auf. „Wir sollten uns beeilen”, meinte Hermine und ging zurück ins Schulgebäude. Die anderen beiden folgten ihr nachdenklich. Zum Glück hatte niemand diesen Vorfall bemerkt und so wurde Harry nicht mit Blicken durchbohrt oder ausgefragt. Er hatte also die ganze Unterrichtsstunde Zeit sich Gedanken zu machen. Doch die Informationen waren einfach zu wenig, um eine vernünftige Schlussfolgerung ziehen zu können. Als es zur Mittagspause läutete, machte Harry sich mit seinen beiden Freunden auf den Weg zur Großen Halle. Ihm war ein wenig mulmig. Voldemort hatte irgendetwas oder irgendwen bekommen, was ihn unheimlich glücklich machte und das war kein gutes Zeichen.   „Der Traumlostrank scheint bei ihm wahre Wunder bewirkt zu haben”, stellte Syndia fest, als sie Harry vom Lehrertisch aus beobachtete, doch der Tränkemeister sah skeptisch drein. „Selbst wenn, die Phiole müsste bereits leer sein und noch mehr kann ich ihm von dem Trank nicht geben, das wäre zu gefährlich. Er wird sich jetzt also wieder mit seinen Träumen herumschlagen müssen.” „Wir werden sehen, wie er sich schlägt. Wie läuft es denn mit dem Okklumentikunterricht?” Ihr Bruder warf ihr kurz einen Seitenblick zu, ehe er sich wieder seinem Essen zuwandte. „Was glaubst du denn wie es läuft? Potter hat überhaupt kein Talent dafür. Er scheint im allgemeinen absolut talentfrei zu sein”, grummelte er in seiner typischen Art. Die Hexe wollte protestieren, doch auf einmal stockte sie und griff sich an ihr linkes Handgelenk. Mit hochgezogener Augenbraue sah ihr Bruder auf ihren Arm. Syndia zog den Ärmel hoch und zum Vorschein kam ein Armband, das leicht glühte. „Was...?”, setzte der Slytherin an, doch er wurde von seiner Schwester unterbrochen. „Das ist ein Notsignal”, flüsterte Syndia schnell und zog den Ärmel wieder runter. „Ich muss los und mit meinem Chef sprechen.” Kaum hatte sie das ausgesprochen, war sie auch schon aufgesprungen und verschwunden. Etwas irritiert sah Severus ihr nach.   Nach dem Essen machten sich Harry, Ron und Hermine auf den Weg in die Kerker, da sie jetzt Zaubertränke hatten. Gerade als Snape in Sichtweite kam, ging Levin vom anderen Gang her auf die Gruppe zu. Sie hatte mal wieder ihre typische snapesche Maske aufgesetzt und ging schließlich an den Schülern vorbei. „Guten Tag, Professor”, grüßte Hermine sie höflich, doch sie erhielt nur ein stummes Nicken von der Lehrerin. Stirnrunzelnd sahen die drei Gryffindors ihrer Lehrerin hinterher, die nun auf Snape zuging, der verwundert stehenblieb. Levin trat ganz dicht an ihn heran und griff nach seiner Hand. Dann ging sie den Gang hinunter, aus dem Snape gerade gekommen war und zog den Tränkemeister hinter sich her. „Gehen Sie schonmal in die Klasse. Es wird aber nichts angerührt, verstanden?!”, rief Snape der Klasse noch zu und folgte dann seiner Schwester. Die Schüler sahen sich fragend an und kamen der Aufforderung nur zögernd nach. Was war das denn gerade? So eine Aktion hätten sie von ihrer Lehrerin nie erwartet und es passte auch nicht zum Tränkeprofessor, dass er das einfach mit sich machen ließ.   Severus war schon fast bei seinen Schülern angekommen, als Syndia ihm entgegenkam. Sie ging direkt auf ihn zu und er blieb verwundert stehen. Er erkannte sofort, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmte. Seine Schwester kam so dicht an ihn heran, dass sie sich fast an den Schultern berührten. Dann griff die Hexe nach seiner Hand und flüsterte ein kaum hörbares „Sev”. Viel lauter hätte sie wahrscheinlich auch gar nicht sprechen können, denn ihre Stimme war unheimlich dünn und zerbrechlich. Der Slytherin war sofort alarmiert. Irgendetwas schreckliches musste passiert sein. Syndia zog ihn nun den Gang hinunter, aus dem er gekommen war. Er drehte sich noch einmal um, um den Schülern Anweisungen zu geben und folgte dann der Schwarzhaarigen. Severus bemerkte, dass Syndia mit ihm in sein Büro gehen wollte, da es näher war als ihres. Dort angekommen öffnete die Hexe schnell die Tür und ihr Bruder ging hinterher. Die Tür war noch gar nicht richtig zu, da schmiss sich Syndia schon gegen Severus' Brust und fing an zu weinen. Der Tränkeprofessor schloss sie etwas hilflos in die Arme und streichelte ihr beruhigend den Rücken. „Was ist los?”, fragte er ungewöhnlich sanft nach, doch Syndia war noch nicht in der Lage etwas zu sagen. Einige Minuten lang standen sie einfach nur da und die Schwarzhaarige beruhigte sich ein wenig. Schließlich löste sie sich von ihrem Bruder und wischte ihre Tränen weg, doch es kamen immer wieder neue. „Was ist passiert?”, fragte Severus erneut nach. Nach einem kurzen Zögern fing Syndia stotternd, schniefend und mit zittriger Stimme an zu erklären: M-mein Chef... er sagt, dass...”, weiter kam sie nicht, denn erneut fing sie an zu weinen. Severus nahm seine Schwester wieder in die Arme, welche ihr Gesicht in seiner Halsbeuge vergrub und leise schluchzte. „Vol- Voldemort hat...”, begann die Hexe nach einigen Augenblicken in Severus' Robe zu nuscheln. Sie atmete einmal tief durch und sah wieder zu ihrem Bruder auf. Dieser dirigierte sie nun langsam zum Sessel, der vor dem Kamin stand und Syndia setzte sich brav hin, während sich Severus neben den Sessel hockte. „Er...”, begann Syndia wieder, „Er hat... herausgefunden, w-wo unser H-Hauptquartier ist.” Die Augen des Tränkemeisters weiteten sich, als er eine dunkle Vorahnung hatte. „D-Die Todesser haben das... Gebäude gestürmt. Es w-war ein Überraschungsangriff. Zu-Zuerst dachten d-die andern... dass die T-Todesser einfach nur d-das Hauptquartier... zerstören wollten, aber... ihr eigentliches Z-Ziel war...”, wieder stoppte Syndia und versuchte, sich in Griff zu bekommen. „S-Sie sind in die Wohnquartiere eingedrungen.” Verzweifelt sah Syndia ihren Bruder an, der sich in seiner Vermutung bestätigt fühlte. „Wie geht es deiner Familie?”, fragte der Tränkemeister vorsichtig nach. Kurz zögerte die Hexe, doch dann sah sie auf ihre Hände und sagte: „M-Mein Mann... ist im Krankenhaus. O-Ob er... überlebt, wissen die Heiler n-nicht.” Beruhigend strich Severus ihr über den Rücken, doch er ahnte, dass das noch nicht alles war. „Und dein Sohn?” Die Schwarzhaarige schloss die Augen und ihr lief stumm eine Träne hinunter. „Luca wurde...”, nun sah sie ihren Bruder wieder an, „wurde entführt.” Severus setzte sich auf die Sessellehne und zog Syndia in eine Umarmung, welche wieder in Tränen ausbrach. „Ganz ruhig. Wir werden ihn finden”, versuchte Severus seine Schwester zu beruhigen. Kapitel 10: Unruhige Woche -------------------------- Erschöpft ließ sich Severus in den Sessel vor seinem Kamin sinken. Der heutige Tag war verdammt lang gewesen. Vor dem Frühstück hatte er Dumbledore Bescheid gegeben, dass er und seine Schwester heute keine Zeit zum Unterrichten hätten. Während der Unterrichtszeit hatten sich die beiden dann in Dumbledores Büro beraten, was sie tun könnten. Severus hatte vorgeschlagen, sich jetzt wieder beim Dunklen Lord blicken zu lassen und so herauszufinden, wo Luca hingebracht wurde, doch der Direktor hielt ihn davon ab. Selbst wenn Voldemort dem Tränkemeister vertrauen würde, würde er ihn entweder nicht in den Fall des Jungen einweihen oder ihn zwingen seinen eigenen Neffen zu foltern. Der Slytherin raufte sich die Haare. Er hatte es immer verflucht Informationen sammeln und weitergeben zu müssen und jetzt, wo er es wollte, konnte er es nicht. Nach diesem Gespräch hatte der Slytherin versucht, über andere Kontakte an Informationen zu kommen, während Syndia ein Treffen mit ihrem Chef hatte, doch bereits am frühen Nachmittag waren beide erfolglos nach Hogwarts zurückgekehrt. Nach einem schnellen Essen hatte Severus seine Schwester ins Krankenhaus begleitet, um ihren Mann/ seinen Schwager zu besuchen. Damit Syndia bei ihm sein konnte, ist er ins St. Mungo verlegt worden. Er war inzwischen ins Koma gefallen und lag so ruhig in dem Bett, als ob er nur friedlich schlafen würde. Ächzend stand der Tränkemeister vom Sessel auf. Es war bereits nach Mitternacht und er wollte nur noch ins Bett. Zum Glück war heute Freitag und somit Wochenende. Dann konnte er zumindest ausschlafen. Hoffentlich.   „Das darf nicht wahr sein!”, jammerte Harry leise vor sich hin, als er auf seinen Wecker neben seinem Bett gesehen hatte. 20 nach sechs. Und das auf einem Samstag! Dem Gryffindor reichte es. Er würde bei der nächsten Gelegenheit Snape fragen, ob er noch Traumlostrank für ihn hatte, denn seit ihm dieser ausgegangen war, kamen die Träume wieder zurück. Wenn Snape denn da war, denn gestern hatte ihn keiner zu Gesicht bekommen, genauso wenig wie Professor Levin, was ihn und seine Freunde ins Grübeln gebracht hatte. Ächzend stand Harry auf und zog sich an. Er brauchte jetzt einfach frische Luft und auch wenn es draußen noch ziemlich dunkel aussah, schien es trocken zu sein. Schnell schlüpfte der Grünäugige in seine Schuhe, griff sich seinen Mantel und verließ mit seinem Tarnumhang bewaffnet leise den Schlafsaal. Im Gemeinschaftsraum war es noch dunkel und so leise wie möglich huschte Harry durch das Portraitloch und ging unter seinem Umhang Richtung Eingangshalle. Auf dem Weg dahin dachte er über seinen Traum nach. Es war wieder der selbe wie letzte Nacht: Er wurde von traurigen, schwarzen Augen verfolgt. Sie sahen ihn mit einem flehenden und panischen Blick an. Das empfand Harry als unangenehm, denn diese Panik schien sich auf ihn selbst zu übertragen, sodass er seit dem Aufwachen ein flaues Gefühl im Magen hatte, was ihm sämtlichen Appetit aufs Frühstück verdarb. Warum träumte er so etwas? Zuerst sah er ständig so einen blöden Kelch und jetzt diese schwarzen Augen, die ihn anflehten, ihnen zu helfen. Und wessen Augen sollten das sein? Er kannte nur zwei Personen, die solche Augen hatten, doch die konnten es nicht sein, oder zumindest weigerte Harry sich das zu glauben. Endlich war der Gryffindor auf das Schlossgelände getreten und sog genießerisch die kühle Morgenluft ein. Auf den Wiesen lag ein leichter Nebel und der Rasen war feucht. Die Vögel schienen auch gerade aufzuwachen und sangen bereits vereinzelt ihr Morgenlied. Langsam nahm Harry den Tarnumhang ab und ging zum See hinunter, der durch den Nebel nur zum Teil zu sehen war. Mit den Händen in seinen Jackentaschen und den Umhang über seinem Arm baumelnd ging er am Ufer entlang und fragte sich, ob die Seebewohner schon wach waren. So in seinen Gedanken versunken merkte der Gryffindor nicht, dass er sich einer Person nährte, die stumm am Ufer stand und auf die Wasseroberfläche blickte. „Wie kommt es, dass Sie schon so früh wach sind, Mr Potter?”, fragte die Person ruhig und Angesprochener zuckte erschrocken zusammen. „Oh, Professor. Ich habe Sie gar nicht gesehen”, sagte Harry überrumpelt, statt zu antworten. „Das habe ich gemerkt”, entgegnete Levin schmunzelnd und sah wieder aufs Wasser. „Warum sind Sie so früh hier draußen?” „Das habe ich Sie zuerst gefragt”, gab Levin zurück. Harry seufzte auf und grummelte vor sich hin. Ihm lag ein Kommentar auf der Zunge, den er besser für sich behalten sollte. Nur leider war er nunmal schlecht in Zurückhaltung. „Sie sind wie Ihr Bruder.” „Hm?”, gab die Hexe verwundert von sich und zog eine Augenbraue hoch. „Ich habe ihm auch schon gesagt, dass er bei Fragen mit einer Gegenfrage antwortet.” Zu Harrys Überraschung schien Levin über diesen Kommentar nicht erzürnt zu sein. „Ja das kann sein. Wir sind beide damit aufgewachsen nicht viel von uns Preis zu geben, wissen Sie. Das zeigt sich bei ihm noch deutlicher als bei mir. Ich habe aus diesem Loch herausgefunden... aber er noch nicht”, antwortete Levin ernst und mit Trauer in der Stimme. Nachdenklich musterte Harry seine Lehrerin, die irgendwie erschöpft wirkte. Außerdem war es merkwürdig, dass sie so offen und ehrlich antwortete. Irgendetwas schien nicht mit ihr zu stimmen. Wenn er über ihre Worte nachdachte, hatte sie aber Recht. Snape gab nie etwas von sich Preis. Und als er ihn damals durch die Erinnerung im Denkarium schwach gesehen hatte, war er ausgerastet. Dabei war Schwäche etwas ganz normales, etwas das jeder hatte. „Vielleicht, weil er bei Voldemort auch nichts von sich Preis geben kann“, schlug Harry vorsichtig als Lösung vor. „Ich weiß es nicht”, antwortete Levin und Harry sah auf, als er Sorge in ihrer Stimme hörte. „Ich habe das Gefühl, dass da noch etwas anderes ist. Severus ist inzwischen viel verschlossener als damals und... ich frage mich was ihn so verändert hat.“ „Als damals? Wann hatten Sie denn zuletzt Kontakt zu ihm gehabt?” „Ich hatte doch erzählt, dass ich in Amerika zur Schule ging”, sagte Levin schon fast vorwurfsvoll. „Ich war nur in den Ferien zu Hause. Und nachdem unsere Mutter starb, kam ich nicht mehr zurück. Es war genau das Jahr gewesen, in dem ich einen neuen Abschnitt meiner Ausbildung begonnen und keine Zeit mehr für Besuche in England hatte.” „Oh”, gab Harry die geistreiche Antwort und ließ sich das Erzählte durch den Kopf gehen. Wenn ihr Ausbildungsbeginn also für den Kontaktabbruch gesorgt hatte, mussten die Geschwister viele Jahre nicht mehr miteinander gesprochen haben. War es dann noch verwunderlich, wenn sie sich in der Zeit veränderten? Allerdings schien das Levin wirklich Sorge zu bereiten, denn jeder Blinde hätte bemerkt, dass sie sich über etwas den Kopf zerbrach. Warum sonst sollte sie um diese Uhrzeit hier am See stehen und so großzügig mit Informationen um sich werfen? Langsam fragte Harry sich auch, ob Levin jedem Schüler gegenüber so offen war, oder ob sie wirklich nur Harry so viele Informationen gab. Außerhalb des Unterrichts verhielt sie sich irgendwie nicht wie eine Lehrerin, sondern eher wie eine alte Freundin, die mehr über Harry wusste als zuerst angenommen. Sie begegnete Harry auf Augenhöhe und es schien ihr wichtig zu sein ihm auch Snape näher zu bringen... warum auch immer. Zuerst zögerte der Gryffindor, doch dann fragte er: „Warum erzählen Sie mir das alles? Ich meine... über Ihren Bruder und... Ihre Kindheit....“ Harry wusste nicht so ganz, wie er seine Überlegungen besser formulieren sollte, doch das war anscheinend auch gar nicht nötig. Levin warf ihm einen seltsamen Blick zu, den er nicht zu deuten wusste. Schließlich sagte sie ruhig: „Irgendwann wirst du es verstehen.“ Das war nicht gerade die Antwort auf die Harry gehofft hatte. Seine Enttäuschung war ihm wohl anzusehen, denn ein warmes Glitzern trat in Levins Augen, auch wenn sie offenbar nicht die Kraft hatte zu lächeln. „Grübeln Sie nicht so viel darüber nach. Haben Sie einfach Geduld, dann werden Sie es schon irgendwann selber merken“, erklärte die Hexe beschwichtigend und ließ ihren Blick wieder über den See wandern und ergänzte nun doch mit einem frechen Schmunzeln: „Hoffe ich zumindest.“ Was sollte denn das nun wieder bedeuten? Diese Frau hatte wirklich ein großes Talent dafür, eine Frage so zu beantworten, dass man hinterher ratloser war als vorher. Grummelnd vergrub Harry seine Hände noch tiefer in den Hosentaschen und folgte dann Levins Blick über die Bäume des verbotenen Waldes hinweg. Schweigend standen die beiden einfach nur da und sahen zum Horizont, der mit seiner orangenen Farbe den Sonnenaufgang ankündigte.   „Würden Sie mir mal erklären, warum ich Ihre Träume nicht sehen kann?“, fragte Snape Harry während des Okklumentikunterrichts am nächsten Donnerstag. Der junge Gryffindor war mal wieder zu Boden gegangen, stand nun langsam auf und blickte seinen Lehrer fragend an. „Woher soll ich das wissen? Sie sind hier der Okklumentiker.“ „Sehr witzig, Potter“, schnarrte der Tränkemeister unbeeindruckt. „Haben Sie speziell Ihre Träume vor mir geschützt oder nicht?“ „Ich versuche Sie schon die ganze Zeit von meinem Hirn fernzuhalten. Deshalb sind wir doch hier, nicht wahr?“, kam die patzige Antwort des Schülers. Snapes Augen verengten sich und kurz glaubte Harry seine Zähne knirschen zu hören, bevor er weitersprach: „Also haben Sie die Träume nicht herausgefiltert?“ „Nein. Wenn ich sowas könnte, würde ich hier nicht mehr sitzen.“ Snape ignorierte den Kommentar und schien nachzudenken. Der Grünäugige war ganz froh über die kleine Pause, die dadurch entstand. Allerdings geriet er nun selber ins Grübeln. Die Frage des Tränkemeisters war nicht unberechtigt. Vor einigen Wochen hatte er seine Träume noch sehen können, was also hatte sich geändert? „Hängt es vielleicht mit dem Traumlostrank zusammen?“, suchte Harry nach einer Lösung, doch sein Lehrer schüttelte den Kopf. „Wenn Sie wieder in der Lage sind zu träumen, müssten auch die Erinnerungen daran frei zugänglich sein.“ „Ja, wie eine öffentliche Bibliothek“, grummelte der Gryffindor als Antwort und kassierte damit einen strafenden Blick von Snape. „Was genau haben Sie in den letzten Nächten geträumt?“ „N-Nichts besonderes“, erklärte Harry sich am Kopf kratzend. „Es sind fast die gleichen Träume wie ich sie vor der Einnahme des Traumlostrankes hatte.“ „Fast die gleichen?“, harkte Snape scharfsinnig nach und beobachtete den Gryffindor genau, als dieser antwortete. „Ja, fast. Das ist doch auch nicht so entscheidend, oder?“, giftete der Grünäugige seinen Lehrer an. Seine Träume gingen Snape nichts an und wenn Harry ehrlich zu sich war, würde er lieber seinen Besen fressen, als Snape auf die Nase zu binden, dass er von schwarzen Augen träumte. Wer weiß, was die Fledermaus denken würde. „Warum stellen Sie sich quer, Potter?“ „Es ist meine Privatsphäre!“, gab Harry nur zurück und funkelte seinen Lehrer stur an, welcher einen nicht minder bösen Blick zurückwarf. „Sie wollen also bockiges Kind spielen“, stellte Snape schlicht fest und ging hinter seinen Schreibtisch. „Dann lohnt es sich wohl nicht, hier weiterzumachen. Beschweren Sie sich dann aber nicht, dass wir keine Fortschritte machen.“ „Ich habe bisher keine gesehen“, grummelte der Gryffindor, doch Snape reagierte nicht darauf. „Jetzt verschwinden Sie endlich, Potter!“, schimpfte der Slytherin auf einmal los, „Langsam ist meine Geduld am Ende. Wenn Sie nicht vernünftig mitarbeiten, können wir hier genauso gut aufhören. Also hauen Sie schon ab!“ Etwas stutzig murmelte der Grünäugige ein „Okay“ und ging zur Tür. Er öffnete sie, drehte sich allerdings noch einmal stirnrunzelnd zu seinem Professor um. Noch verwunderter war der Gryffindor, als er sah, wie der Tränkemeister sich erschöpft auf den Schreibtischstuhl sinken ließ und müde ein paar Strähnen aus seinem Gesicht strich. Was konnte seinem Lehrer nur so zu schaffen machen? „Ist noch irgendwas, Potter?“, holte Snape seinen Schüler mit strenger Stimme aus seinen Gedanken. Besagter zuckte kurz zusammen und sah überrumpelt in die Augen seines Professors. „Ähm... nein... es ist nichts“, druckste der Grünäugige herum und stutzte erneut, als er das Schwarz von Snapes Augen betrachtete. Diese verdammten Augen! Die aus seinem Traum waren denen des Schwarzhaarigen wirklich sehr ähnlich. Doch der Gryffindor weigerte sich zu glauben, dass es Snape war, der ihm jede Nacht diese unruhigen Träume bereitete. „Und warum stehen Sie hier immer noch herum?“, keifte der Tränkeprofessor genervt weiter, doch diesmal war Harry schnell genug, sich eine Ausrede auszudenken. „Könnten Sie mir... eventuell noch etwas Traumlostrank geben?“, fragte der Gryffindor leicht abwesend klingend. „Selbst wenn ich wollte“, antwortete Snape mit einem abfälligen Tonfall, „dürfte ich Ihnen keinen mehr geben. Würden Sie den Trank noch länger nehmen, würde das schwere Folgen für Sie haben. Sie müssen wohl oder übel ohne das Zeug auskommen.“ Nach diesen Worten konzentrierte sich Snape auf ein paar Unterlagen und zischte noch ein leises „Und jetzt verschwinden Sie endlich“. Leise seufzend gab Harry auf, sah seinen Professor nochmals nachdenklich an, ehe er das Büro endgültig verließ.   Der nächste Morgen kam mal wieder viel zu früh. Schleppend ging Harry neben seinen Freunden her zur Großen Halle. Dort angekommen stellten die Gryffindors mit einem Blick zum Lehrertisch fest, dass auch Snape und Levin wie gerädert aussahen. Snapes Zustand schien sich also seit gestern nicht gebessert zu haben und Levin lief bereits seit über einer Woche so herum. Am deutlichsten bekamen die Schüler die Launen ihrer Lehrerin im Unterricht zu spüren. Sie machte ihrem Bruder inzwischen gehörig Konkurrenz und hatte Neville in der letzten Stunde sogar eine Strafarbeit aufgegeben, als sein Entwaffnungszauber ein Regal getroffen hatte und somit einige Bücher herausgefallen waren. Harry wollte zu gerne wissen, was seinen Lehrern so zu schaffen machte. Er hatte inzwischen die Vermutung, dass Voldemorts Angriff auf dieses mysteriöse Gebäude damit zu tun hatte. Zeitlich würde das hinkommen. „Er hat die Vampire auf seine Seite gezogen“, berichtete Ron auf einmal am Tisch, während er im Tagespropheten las. Stirnrunzelnd sah Harry von seinem Frühstück auf und fragte seinen Freund: „Was ist mit Vampiren?“ „Du-weißt-schon-wer hat die Vampire auf seine Seite gebracht“, wiederholte der Rotschopf. „Ist ja auch nur eine Frage der Zeit gewesen. Diesen Viechern habe ich noch nie über den Weg getraut.“ Die Fratze, die Ron zog, unterstrich seine Aussage nochmals. Hermine entriss ihm die Zeitung, um den Bericht selbst zu lesen. „Gestern sind drei Angriffe von Vampiren geschildert worden, die sich allesamt gegen Muggelgeborene richteten. Zaubereiminister Rufus Scrimgeour gab gestern Abend bekannt, dass die Vampire auf ihren Status als Zauberwesen verzichtet haben und sich somit an keinerlei Gesetzgebungen mehr halten werden. Ihr Mitspracherecht in politischen Fragen der Magischen Welt wurde ihnen somit entzogen. Ebenso verkündete Scrimgeour, dass die Vampir-Jäger aus der Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe diese nichtmagischen Teilwesen nun mit allen Mitteln aufspüren und beseitigen würden. Kritiker wie Eldred Worple, Autor des Buches 'Blutsbrüder', protestieren gegen die 'gesetzlose Abschlachtung', so Worple. „Sie schließen sich dem Unnennbaren nur an, weil er ihnen mehr Rechte und Freiheiten verspricht, als es das Zaubereiministerium tut. Vampire sind nicht so dumm und instinktgesteuert, wie immer behauptet wird und sie können auch in Frieden mit den Menschen leben. Der Lamia-Clan sollte der beste Beweis dafür sein.“ argumentierte Worple bei einem kurzen Interview. Seine Theorie über die unschuldigen Vampire jedoch auf den verschrieenen Lamia-Clan zu stützen, ist mehr als fragwürdig.“ „Was für ein Clan?“, hakte Harry sich über den Tisch beugend nach. „Der Lamia-Clan“, wiederholte Hermine. „Was soll das für ein Clan sein?“, kam es nun von Ron, der seinen Mund mit Müsli vollgestopft hatte. „Ich weiß es nicht“, antwortete die Braunhaarige nachdenklich und runzelte die Stirn, als sie die ungläubigen Gesichter ihrer beiden Freunde sah. „Was?“ „Du... weißt es nicht?“, kam es zögernd von dem Weasley. „Nein, ich weiß es nicht. Ihr braucht gar nicht so dämlich gucken“, entgegnete die junge Hexe leicht schnippisch und legte die Zeitung beiseite. „Wir haben gleich Verteidigung. Dann könnten wir Professor Levin fragen.“ „Willst du das wirklich riskieren?“, fragte Ron nach und machte ein Gesicht, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte. „Die ist im Moment so schlecht gelaunt. Nicht, dass du Ärger bekommst.“ „Ach quatsch“, verwarf Hermine Rons Bedenken und schmierte sich ein weiteres Brötchen. „Sie ist nunmal unsere Fachlehrerin für schwarzmagische Wesen. Da ist es erlaubt, dass wir sie auch mal über einige ausfragen.“ „Wieso eigentlich nichtmagische Teilwesen?“, überlegte Harry laut, als er den Artikel nochmals überflog. „Vampire können nicht zaubern?“ „Nicht wirklich“, konnte Hermine nun doch in ihre Rolle schlüpfen, „Sie können keine Zauber sprechen wie wir, aber sie besitzen Fähigkeiten, die man leicht mit zaubern verwechseln könnte.“ „Was für Fähigkeiten?“, beteiligte Ron sich nun auch wieder. „Alle Einzelheiten sind nicht bekannt, weil sich nur sehr wenige Menschen die Mühe machen, sich mit den Vampiren zu beschäftigen“, erklärte die Braunhaarige. „Zum Beispiel habe ich gelesen, dass ihre Sinne viel schärfer sind als unsere. So sollen sie sich in der völligen Dunkelheit zurechtfinden und auch Gegenstände sehen können, die magisch verborgen worden sind. Ihr Geruchs- und Gehörsinn ist natürlich auch um einiges besser. Es heißt sie könnten sogar die Gedanken der Lebewesen in ihrer Umgebung hören und spüren Magie auf 5 km Entfernung. Sie sollen mit ihren Artgenossen per Telepathie sprechen können, aber das ist noch nicht nachgewiesen.“ „So genau wollte ich das nun auch wieder nicht wissen“, jammerte der Rothaarige und stocherte in seinem Müsli herum. „Ich hatte gehofft du kannst uns erzählen, was für coole Kampftechniken die Biester drauf haben.“ „Ron, nenn sie nicht so! Außerdem war ich ja noch gar nicht fertig. Natürlich sind Vampire ausgezeichnete Kämpfer. Irgendwie müssen sie ja an ihre Opfer herankommen.“ Harry überzog ein Schauer und er schüttelte sich unmerklich. „Sie sind verdammt schnell und können weit springen. Über ihre Kampftechniken weiß man nicht so viel, weil kaum ein Mensch einen Angriff eines Vampirs überlebt hat. Sie sollen angeblich starke Kräfte ausstrahlen können, sodass sie praktisch allein mit ihrer Willenskraft alles um sich herum zerstören. Ich glaube aber eher, dass das nur eine Legende ist. Allerdings ist bewiesen, dass Vampire eine sehr schnelle Wundheilung besitzen.“ „Also wenn dich ein Vampir aussaugen will, schnell weglaufen“, sagte Ron etwas lustlos und aß weiter. „Das wird nicht klappen, Ron. Hast du gar nicht zugehört?“, kam es verärgert von Hermine. „Wie man einem Vampir entkommt, hatten wir doch im Unterricht. Du hättest vielleicht mal aufpassen sollen.“ „Wir hatten Vampire im Unterricht?!“, schrak der Gryffindor nun hoch und sah seine Freundin verwundert an, die nur mit verdrehten Augen den Kopf schüttelte und kommentarlos weiteraß.   „Dementoren zählen zu den Zauberwesen, die sich allerdings nicht an politischen Fragen beteiligen dürfen, wie beispielsweise auch Zentauren, Wassermenschen und seit neuestem auch Vampire“, führte Levin ihre Schüler in das neue Thema des Unterrichts ein und lief dabei auf und ab. Ihre Gesichtszüge waren kalt und unnahbar, wie es sich für eine Snape gehörte. Die Schüler waren im Laufe der Woche von ihr eingeschüchtert worden und verhielten sich so ruhig wie bei Snape. Der einzige Unterschied war, dass selbst die Slytherins sich zurückhalten mussten, da Levin kein Haus bevorzugte. So hatte Malfoy den Kopf müde auf seinen Arm abgestützt und schien dem Unterricht nicht zu folgen. „Professor?“, schnellte Hermines Arm nach oben und Levin sah sie mit erhobener Augenbraue an. „Ja, Miss Granger?“ „Wo wir gerade bei dem aktuellen Thema Vampire sind... ähm“, begann die Gryffindor nun jetzt doch etwas vorsichtiger, „Es wurde in dem Artikel im Tagespropheten von dem sogenannten Lamia-Clan gesprochen. Könnten Sie uns darüber etwas sagen?“ Levin schien für einen kurzen Moment die Luft anzuhalten, während Malfoy hochschreckte und seine Lehrerin nun hochinteressiert ansah. Stirnrunzelnd beobachtete Harry den Slytherin. Was war denn auf einmal mit dem los? „Sie wissen nicht, was der Lamia-Clan ist?“, hakte Levin leise nach und ging zu ihrem Schreibtisch, um sich daran zu lehnen. „Nein, Professor“, antwortete Hermine und Levin nickte kurz. Nun hatte Malfoy ein wissendes Grinsen aufgesetzt und Harry sah nur verwundert zwischen ihm und Levin hin und her. „Schon vor Jahrhunderten gab es Magier, die von der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, weil sie sich einen Vampir als Partner gesucht hatten. Ihre Nachkommen waren Halbvampire und wurden genauso gejagt, wie ihr Elternteil reinen Vampirblutes. Familien, die aus solch einer Bindung von Mensch und Vampir entspringen, gehören zu dem Lamia-Clan.“ „Also gibt es noch heute Menschen, die Vampirblut in sich tragen?“, fragte Parkinson neugierig nach. „Die Stammbäume der meisten Familien reichen nicht so weit zurück, um eine Verwandtschaft mit einem Vampir zu beweisen, aber es gibt einige Merkmale, woran man den heutigen Lamia-Clan erkennt.“ „Heißt das, dass diese Menschen wie Vampire Blut trinken?“, fragte Ron laut in die Klasse. „Nein, das tun sie nicht. Aber sie haben einige Fähigkeiten geerbt. Heutzutage tritt eine solche Bindung seltener auf und bei den meisten ist das Erbe des Vampirs im Laufe der Generationen inzwischen so abgeschwächt, dass nicht mehr alle Nachfahren Fähigkeiten aufweisen. Sie dürfen das Ganze nicht falsch verstehen: Der Lamia-Clan besteht aus ganz normalen Menschen. Sie haben nur ein paar Fähigkeiten mehr als normale Zauberer, was eben auf einen Vampir in der Familie zurückzuführen ist.“ 'Fähigkeiten?', dachte Harry wie vom Blitz getroffen und sah erneut zu dem grinsenden Malfoy und anschließend zu seiner Lehrerin. 'Magisch versteckte Gegenstände sehen, Gedanken von den Lebewesen in der Umgebung hören können... Das würde ja bedeuten, dass...' „Professor“, meldete sich Malfoy zu Wort und sah Levin erneut wissend an, „aber selbst wenn die Fähigkeiten nicht vererbt worden sind, gibt es dennoch Merkmale, woran man einen Lamia erkennt. Zum Beispiel ist bewiesen worden, dass Augen- und Haarfarbe des Vampirs dominant vererbt wird.“ „Ja, das ist richtig“, entgegnete Levin leicht scharf und tauschte mit dem Malfoy abschätzende Blicke, was Harry nur noch mehr irritierte. „Welche Augenfarben hatten Vampire noch?“, fragte er scheinheilig nach. „Das war doch Rot, Grau... und Schwarz, richtig?“ „Ja, wieder richtig“, antwortete die Schwarzhaarige langsam und mit eisiger Stimme. „Und die Haarfarben sind Braun, Blond und Schwarz, was ja nun schon fast alle möglichen Haarfarben sind.“ „Das schon, aber ein Lamia besitzt, wenn er zum Beispiel schwarze Augen hat, zwangsläufig auch schwarze Haare.“ „Genauso wie blonde Lamia immer graue und braunhaarige immer rote Augen haben, ja“, ergänzte Levin weiterhin kühl. Harry warf einen schnellen Blick zu seinen beiden Freunden, welche den Blick erwiderten und ihn zu verstehen schienen. Sie hatten alle drei den selben Gedanken. Kapitel 11: Schwarze Augen -------------------------- Nach der Verteidigungsstunde ging das Gryffindor-Trio zur Großen Halle, um zu Mittag zu essen. Alle drei waren ungewöhnlich ruhig, wobei Hermine jedoch etwas auf der Zunge zu liegen schien, da sie öfters Andeutungen machte, etwas sagen zu wollen. Schließlich konnte sie sich nicht mehr zurückhalten. „Ich hätte das Thema im Unterricht nicht ansprechen sollen.“ „Wieso nicht?“, Ron sah sie fragend von der Seite an. „So haben wir zumindest herausgefunden, dass Levin zu diesem Lamia-Clan gehört. So wie sie sich verhalten hat.“ „Gerade das ist es ja“, sprach Hermine mit leicht verzweifelter Stimme. „Sie wollte offensichtlich nicht, dass jemand darauf kommt, dass sie eine Lamia ist. Und Malfoy hat sofort reagiert und sie in die Ecke getrieben.“ „Du konntest doch nicht wissen, dass es so kommen würde, Hermine. Außerdem hatte ich nicht den Eindruck, dass jeder Malfoys Andeutungen verstanden hat“, versuchte Harry seine Freundin zu beruhigen. „Ich frage mich nur, woher Malfoy diese Informationen hat und vor allem, wie er sich so sicher sein konnte, dass Levin zum Lamia-Clan gehört.“ Grübelnd ging er neben seinen beiden Freunden her. „Voldemort“, kam ihm auf einmal der Einfall. Hermine blieb stehen und sah den Schwarzhaarigen stirnrunzelnd an. „Was?“ „Er hat das bestimmt von Voldemort. Voldemort hatte doch versucht, durch mich an Informationen über sie zu kommen. Dabei haben ihn ihre Fähigkeiten besonders interessiert. Ich bin mir sicher, dass er Bescheid weiß. Und Malfoy wird es entweder von ihm oder von seiner Mutter haben.“ Skeptisch erwiderte Hermine: „Das ist ein bisschen weit hergeholt, Harry.“ „Heißt das, Snape hat auch solche komischen Fähigkeiten?“, fragte Ron auf einmal dazwischen, bevor Harry protestieren konnte. „Wenn ich das richtig verstanden habe, gehört er dann ja auch zu diesem Lamia-Clan, oder?“ „Ron, sieh ihn dir an. Er gehört mit Sicherheit auch zu diesem Clan“, antwortete Hermine leicht genervt. „Allerdings glaube ich nicht, dass er die Fähigkeiten geerbt hat. Ihr habt es ja gehört: Es liegen inzwischen so viele Generationen zwischen der heutigen und der des Vampirs, dass nicht jeder Lamia die Talente vererbt bekommt.“ Eine kurze Stille trat ein, während sich die Schüler langsam der Großen Halle näherten. „Was meint ihr? Haben Snape und Levin das Gen von ihrem Vater oder ihrer Mutter?“, dachte Ron auf einmal wieder laut nach. „Sie müssen es von ihrer Mutter haben“, gab Harry kurz angebunden zurück und hätte sich selbst Ohrfeigen können. „Woher weißt du das?“, fragte seine Freundin forschend nach und wurde auch von Ron neugierig gemustert. „Ähm... Ich habe mal aus Versehen im Okklumentikunterricht in Snapes Kopf gesehen und... konnte einen Blick auf seinen Vater erhaschen.“ Dass es sich bei dieser Erinnerung um einen Streit seiner Eltern handelte und Snape weinend in einer Ecke saß, wollte er nun wirklich nicht erwähnen. „Das hast du wirklich gemacht?!“, rief Ron begeistert aus. „Cool! Und? Was hast du alles gesehen?“ „Das geht uns nichts an, Ronald!!“, schrie Hermine den Rotschopf schon fast an, welcher ein Grummeln von sich gab und neben Harry weiterlief. Als sie sich in der Halle angekommen an den Tisch setzten, flüsterte Ron seinem Freund zu: „Erzähl es mir einfach später, okay?“ „Ich werde dir nichts erzählen“, antwortete Harry nur stur und wurde von dem Rothaarigen verwundert angestarrt. „Aber...“ „Nichts aber, Ron. Hermine hat Recht, es geht dich nichts an. Mich ja eigentlich auch nicht.“ Deutlich schlecht gelaunt füllte sich der Weasley was auf seinen Teller und riss einem Zweitklässler die Schüssel mit den Kartoffeln aus der Hand. „Harry“, wurde der Gryffindor auf einmal gerufen und besagter drehte sich um. Vor ihm stand Ginny, die sich nun zu ihm herunterbeugte und in sein Ohr flüsterte: „Du sollst heute Abend nach dem Essen in Dumbledores Büro kommen. Er meinte noch, er müsse mit dir über dein Verhalten beim Nachsitzen bei Snape reden.“ Nach diesen Worten war die Rothaarige auch schon weitergezogen und setzte sich zu ihren Klassenkameraden. Harry hingegen sah zum Lehrertisch, wo Dumbledore sich mit Hagrid unterhielt. Snape sowie Levin aßen stumm ihr Mittagessen, sodass Snape leider nicht den verärgerten Blick des Gryffindors sehen konnte, welcher geradezu 'Petze' schrie.   Am Abend machte sich der Gryffindor also auf den Weg zum Büro des Direktors. Noch bevor Harry die Tür erreichte, schwang sie schon auf und der Schwarzhaarige trat ein. „Du hast dir Zeit gelassen, Harry“, wurde er von Dumbledore begrüßt, was jedoch weniger nach einem Vorwurf klang. Snape saß in einem der Sessel vor dem Schreibtisch, während Levin neben ihm stand. Harrys abschätzender und kalter Blick wurde von seinem Tränkeprofessor erwidert. „Also, wie lautet die Anklage?“, fragte der Gryffindor schon etwas zu patzig nach. „Na na, warum so schlecht gelaunt?“, fragte Dumbledore beschwichtigend und hielt Snape somit davon ab aufzuspringen und sich mit Harry anzulegen. „Ich kann es nur nicht ab, wenn sich jemand wegen Kleinigkeiten beschweren geht.“ „Sie wollen mich also gerade als Petze beschimpfen, ja? Wie alt sind Sie nochmal, Potter?“, kam die kalte Antwort des Tränkemeisters. „Ihr führt euch gerade beide auf wie im Kindergarten!“, mischte sich auf einmal Levin verärgert ein und es wurde kurz still. „Harry, du solltest nicht vergessen mit wem du hier sprichst“, konnte der Gryffindor seinen Schulleiter ungewohnt streng sprechen hören und wandte den Blick sich geschlagen gebend ab. „Also“, begann der Direktor erneut, „Ich habe erfahren, dass Professor Snape deine Träume nicht sehen kann, obwohl du sie nicht blockierst.“ Bei Dumbledores prüfendem Blick über seine Halbmondbrille nickte Harry zur Bestätigung. „Würdest du uns sagen, was du träumst, Harry? Es ist nämlich ungewöhnlich, dass Träume nicht eingesehen werden können“, sprach der Direktor weiterhin ruhig und der Gryffindor zuckte die Achseln. „Es ist nichts besonderes an diesen Träumen. Sie sind noch genauso verworren, wie vor der Einnahme des Traumlostrankes.“ „Und es hat sich nichts in dem verändert, was du siehst?“ „N-Nicht wirklich“, wich Harry leicht aus. „Manchmal reichen nur kleine Veränderungen aus, Harry“, versuchte es der Schulleiter erneut und stützte sich vorbeugend auf seinem Schreibtisch ab. „E-Es kommt dieser Kelch nicht mehr vor.“ „Kelch?“, meldete sich auf einmal Levin zu Wort und etwas verwundert nickte Harry. Levin schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann schloss sie ihren Mund wieder und geriet scheinbar ins Grübeln. „Du hast also immer wieder von einem Kelch geträumt?“, hakte der Schulleiter nach. „Damals ja, aber ich sagte doch, dass der nicht mehr...“, plötzlich hielt Harry inne. Ihm blieb einfach die Luft weg und für einen kurzen Moment konnte er nichts mehr sehen, sodass er dachte er würde gerade das Bewusstsein verlieren. Doch dann sah er auf einmal die kalten Steinwände aus seinen Träumen wieder. Und die Augen. Diese schwarzen Augen, die ihn flehend ansahen. So schnell, wie diese Bilder kamen, waren sie auch schon wieder weg und erstaunt stellte Harry fest, dass er sich an dem zweiten Sessel vor Dumbledores Schreibtisch festgehalten hatte, um nicht zu stürzen. Alle drei Lehrer sahen ihn leicht geschockt und verwirrt an, wobei Snape sogar aufgesprungen war. Erst jetzt registrierte der Gryffindor ein leises scheppern, das gerade verklang. Stirnrunzelnd suchte er nach der Ursache des Geräusches und entdeckte ihn in einer Vitrine. Darin lag ein Ring mit einem großen Stein, welcher noch immer leicht hin und her schwankte, so als hätte ihn jemand gerade berührt. Mit einem weiteren Blick zu seinen Lehrern erkannte der Grünäugige, dass diese ebenfalls die Bewegung des Ringes bemerkt hatten und nun irritiert zwischen Harry und dem Schmuckstück hin und her sahen. Besonders Levin schien das merkwürdig zu finden, denn sie zog eine Augenbraue hoch und machte den Anschein, als wolle sie den Ring hypnotisieren. „Alles in Ordnung mit dir, Harry?“, fand der Direktor als erster seine Stimme wieder und noch immer etwas verwirrt nickte der Gryffindor ihm zu. „M-Mir ist nur kurz schwarz vor Augen geworden.“ Levin und Snape sagten noch immer nichts, wobei letzter sich in den Sessel zurücksinken ließ. Er sah von dem Ring weg zu Harry und schien sein ganzes Misstrauen in diesen Blick stecken zu wollen. „Merkwürdig, merkwürdig“, konnte der Brillenträger Dumbledore murmeln hören und sah zurück zu ihm. „Professor? W-Was... ist das für ein Ring?“, stellte Harry seine Frage mit noch immer schwacher Stimme und deutete auf das besagte Schmuckstück, welches nun ruhig und unschuldig in der Vitrine lag. „Ach das“, ging der Direktor mit einem unschuldigen Tonfall auf den Gryffindor ein, „das ist ein altes Artefakt, eines mit einer langen Geschichte. Irgendwann werde ich sie dir erzählen.“ Aufmunternd lächelte Dumbledore Harry zu und das Glitzern trat in seine Augen zurück. „Nun, ich denke, wenn du uns nichts weiter sagen kannst“, dabei sah Dumbledore seinen Schüler wieder forschend an, „dann hat es keinen Sinn hier weiterzugrübeln. Ich werde mir meine Gedanken machen. Du kannst gehen, Harry.“ „Ähm, in Ordnung“, antwortete der Gryffindor irritiert nickend und ging zögernd zur Tür. „Gute Nacht, Professor!“ Doch noch ehe er die Tür öffnen konnte, schien Levin aus ihrer Starre erwacht zu sein. „Ah, warten Sie, Potter! Ich muss Ihnen noch etwas zeigen“, rief sie ihm nach und eilte hinterher. „Kommen Sie bitte nochmal kurz in mein Büro.“ „Ähm... okay“, erwiderte der Gryffindor nur stirnrunzelnd und noch verwirrter als eh schon, folgte seiner Lehrerin jedoch, die sich an ihm vorbeigeschoben hatte und nun die Treppen hinunterlief. Was waren seine Lehrer heute nur so komisch drauf? Und was war das gerade eben im Raum? Da waren schon wieder diese Augen. Die Augen, bei denen Harry schwören könnte, dass sie Levin oder Snape gehörten. Aber warum das alles? Und was war mit diesem Ring? Auf dem Weg zum Büro kaute Harry nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und schielte ab und zu zu seiner Lehrerin herüber. Jetzt im dunklen Flur und bei der Fackelbeleuchtung sah sie einem Vampir schon recht ähnlich. Ein Wunder, dass ihm das nicht schon bei Snape aufgefallen war. „Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, sagen Sie es ruhig“, holte die Stimme seiner Lehrerin den Gryffindor in die Gegenwart zurück. Offenbar hatte sie seine Blicke bemerkt. „I-Ich habe nur...“, stotterte Harry unsicher und wusste nicht, ob er nun auf dieses Thema eingehen sollte oder nicht. Schließlich holte er noch einmal Luft und fragte: „Hatte Malfoy Recht mit seiner Annahme? Heute Morgen im Unterricht?“ „Sie meinen, dass ich eine Lamia bin?“, fragte Levin mit erstaunlich neutraler Stimme nach und der Gryffindor nickte zögernd. „Ich habe gesehen was für Fähigkeiten Sie haben. Und sie würden zu einem Vampir passen.“ „Ach, der ausschlaggebende Punkt war also nicht die Augen- und Haarfarbe?“, hakte die Schwarzhaarige schief grinsend nach, was Harry dazu brachte den Blickkontakt zu brechen. „Doch, eigentlich schon“, gab der Brillenträger nuschelnd zu und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Ich muss zugeben, in dieser Sache bin ich leicht zu durchschauen. Jeder, der etwas mit dem Begriff Lamia anfangen kann, weiß bereits nach kurzer Zeit, dass ich eine bin.“ „Hat Professor Snape denn auch... Fähigkeiten?“ „Hm, bisher sind mir keine aufgefallen“, erklärte sie ehrlich. „Allerdings muss das noch nichts heißen. Es gibt Fähigkeiten, die sich erst sehr spät zeigen oder nicht entdeckt werden. So kann zum Beispiel nicht immer gesagt werden, ob ein Lamia die Augen oder das Gehör vom Vampir geerbt hat, weil diese Lamia damit ganz normal aufwachsen und denken, dass jeder so gut sehen oder hören kann wie sie. Sie haben keinen Vergleich, wissen Sie.“ Verstehend nickte Harry und war so in Gedanken versunken, dass er beinahe an Levins Büro vorbeigelaufen wäre. Die Schwarzhaarige kommentierte das zum Glück nicht und ließ den Gryffindor ein. Zögerlich stand dieser nun im Raum und fragte sich, was seine Lehrerin von ihm wollte, als diese schon zu ihrem Schreibtisch ging und eine Schublade öffnete. „Den haben Sie am See liegen lassen. Sie sollten mehr Acht auf ihre Sachen geben. Das ist ein wertvolles Artefakt“, tadelte Levin ihren Schüler und holte Harrys Tarnumhang hervor. Erstaunt sah dieser auf das Stück Stoff. Wie hatte er nur seinen Umhang vergessen können?! Ihm schwirrten in letzter Zeit eindeutig zu viele Dinge auf einmal durch den Kopf. Er hatte noch nicht einmal bemerkt, dass der Tarnumhang fehlte. „Danke“, nuschelte der Grünäugige und trat auf seine Lehrerin zu, um sein Erbstück entgegenzunehmen. „Dürfte ich erfahren, woher Sie so etwas seltenes haben?“, fragte Levin interessiert nach und stützte sich an ihrem Schreibtisch ab. „Es ist ein Erbstück. Von meinem Vater“, antwortete der Gryffindor und rieb den feinen Stoff zwischen seinen Fingern. „Interessant“, meinte die Schwarzhaarige etwas nachdenklich, was Harry stutzen ließ. „Dann bin ich wohl nicht die einzige hier mit interessanten Vorfahren“, fuhr die Hexe fort und ging zum Kamin, um diesen anzuzünden. Der Gryffindor runzelte über diesen Kommentar die Stirn, tat das dann aber ab und sah sich im Büro seiner Lehrerin um. Er stockte, als er ein eingerahmtes Bild auf dem Schreibtisch sah. Harrys Kopf schien geradezu leergefegt zu sein, als er geistesabwesend das Bild in die Hand nahm und den darauf abgebildeten Jungen anstarrte. Dieser Junge unter dem Baum sah direkt in die Kamera und zeigte somit seine schwarzen Augen. Die Augen aus Harrys Traum. „Professor?“, fragte der Grünäugige mit leicht erhöhter Stimme, was Levin dazu brachte verwundert aufzusehen. „Wer... Wer ist das hier auf dem Foto?“ Kurz schien Levin wie erstarrt. Doch dann biss sie sich auf die Unterlippe und senkte den Blick, was dem Gryffindor seltsam vorkam. „Das ist mein Sohn“, flüsterte Levin schon fast mit heiserer Stimme. Noch bevor einer der beiden irgendetwas weiteres sagen konnte, ging die Bürotür auf und Snape kam herein. „Syndia, hast du schon wieder meine...“, verwundert sah der Tränkemeister von einer Person zur anderen und entdeckte dann erst das Bild in Harrys Hand. Mit zusammengebissenen Zähnen trat er auf seinen Schüler zu und entriss ihm das Bild, während er ihn mit einem kalten Blick strafte. „Sollten Sie nicht langsam in Ihren Schlafsaal zurückkehren?“, fragte er schneidend. „J-Ja, das sollte ich wohl“, gab Harry nur zurück und sah von einem Lehrer zum anderen. Levin stand noch immer ruhig beim Kamin und sah zur Seite. Irgendwie hatte der Brillenträger das Gefühl auf ein Tabuthema gestoßen zu sein und so schob er sich schweigend an Snape vorbei und verließ zögernd das Büro.   Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig. Das Wetter machte dem November mit seinem hagelähnlichen Regen und bitterkalten Wind alle Ehre. So hatten die Schüler bereits ihre Winterklamotten aus den Schränken geholt und liefen mit ihren knalligen Schälen durch das Schloss. Harry wäre froh gewesen, wenn das kalte Wetter seine größte Sorge gewesen wäre. Er litt mal wieder unter Schlafmangel, was an den ständigen Albträumen lag. Zwar wusste der Gryffindor jetzt, dass die schwarzen Augen zu Levins Sohn gehörten, doch konnte er sich einfach keinen Reim darauf machen, warum er überhaupt von ihm träumte und das noch bevor er überhaupt von dessen Existenz wusste, geschweige denn ihn gesehen hatte. Was dem Grünäugigen ein wenig Ablenkung verschaffte, waren die Apparierstunden, die seit einer Woche für den sechsten Jahrgang begonnen hatten. Man stellte sich das Apparieren immer so leicht vor, doch jetzt, wo die Schüler es selber versuchen sollten, merkten sie, dass eine starke Konzentration vonnöten war. Besonders Hermine war niedergeschlagen, als es nach einigem Üben noch immer nicht klappen wollte. „Komm schon, Hermine. Nicht einmal du kannst alles auf Anhieb“, versuchte Ron seine Freundin am Frühstückstisch aufzumuntern. „Das habe ich auch nicht behauptet“, antwortete die Braunhaarige leicht eingeschnappt. Als ob das Brötchen etwas für ihre Situation könnte, riss Hermine ein Stück davon ab, was eher ein Raubtier bei seiner erlegten Beute tun würde als ein Mensch bei seinem Frühstück. „Es gab Ausbrüche aus Askaban“, unterbrach Harry seine Freunde, während er weiter in dem Tagespropheten las. „Jetzt fängt das ganze wieder von vorne an“, jammerte Ron und hätte beinahe seinen Kopf auf den Tisch geschlagen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten als er bemerkte, dass seine Müslischüssel vor ihm stand. „Wie viele sind entkommen?“, hakte Hermine besorgt klingend nach und schien ihre mürrische Laune vergessen zu haben. „Drei Todesser“, antwortete Harry schlicht und ergänzte: „Einer von denen ist Lucius Malfoy.“ „Was? Wie kommt es, dass Voldemort ausgerechnet ihn aus Askaban herausholt?“, fragte die Braunhaarige stirnrunzelnd nach. „Das frage ich mich auch“, pflichtete der Rotschopf ihr bei. „Ich dachte eigentlich, dass die Malfoys bei Du-weißt-schon-wem unten durch sind und er den Kerl im Gefängnis verrotten lässt.“ „Anscheinend nicht“, kommentierte Harry den Beitrag seines Freundes grübelnd. „Langsam glaube ich Mum will uns mit Absicht aus England rausschaffen“, grummelte Ron und rührte mit seinem Löffel im Müsli herum. „Wie meinst du das?“, horchte Harry auf, was den Rotschopf dazu brachte aufzuseufzen. „Mum will in den Weihnachtsferien unbedingt ihre Tante in Ungarn besuchen. Das heißt die gesamte Familie Weasley wird die gesamten Weihnachtsferien über weg sein“, erklärte Ron in einem Ton, der unweigerlich zeigte, wie wenig Begeisterung er für diese Idee übrig hatte. Mit einem mitleidigen Schmunzeln klopfte Harry dem Weasley auf den Rücken, doch auf einmal fuhr er erschrocken zusammen. Er konnte seine Umgebung nicht mehr wahrnehmen und sah erneut eine kahle, kalte Steinwand. Dann sah er wieder die schwarzen Augen vor sich, die Schmerz und Verzweiflung ausdrückten. Wie aus dem Nichts konnte Harry einen Jungen rufen hören: „HILF MIR!“ Erschrocken sog Harry die Luft ein und war sich wieder bewusst, dass er am Gryffindortisch in der Großen Halle saß. Er hatte sich an der Tischkante festgekrallt und wurde von seinen Freunden besorgt angesehen. „Harry, alles in Ordnung?“, fragte Hermine sicherheitshalber nach. „Ich... Ich weiß nicht“, antwortete Harry noch immer nach Luft ringend. „Ich fürchte jetzt kriege ich auch noch Tagträume.“ Erschöpft rieb sich der Gryffindor über die Augen und beruhigte sich langsam, doch der Ruf des verzweifelten Jungen ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. „Tagträume? Wie meinst du das?“, hakte die Braunhaarige nach, wurde allerdings von ihrem Freund ignoriert. Die junge Hexe tauschte einen vielsagenden Blick mit Ron, welcher leicht nickte und sich zögerlich wieder an Harry wandte. „Du... hast eine Zeit lang jeden Abend Traumlostrank getrunken, nicht wahr?“, fragte er vorsichtig. Verwundert sah der Grünäugige auf: „Wie hast du...?“ „Harry wir sind nicht blöd“, unterbrach die Braunhaarige ihn. „Wir sind deine Freunde. Wir merken doch, wenn etwas nicht mit dir stimmt.“ Seufzend sah der Schwarzhaarige auf den Tisch, während er beichtete: „Ich habe in letzter Zeit ziemlich häufig Albträume. Snape hatte mir deshalb einen Traumlostrank gegeben, aber inzwischen darf ich den nicht mehr nehmen.“ „Weil du bereits die maximale Menge zu dir genommen hast“, vervollständigte die junge Hexe den Bericht und Harry nickte. „Albträume? Aber wovon?“, fragte Ron stirnrunzelnd nach. „V-Verschiedenes. Es ist meistens total verworren und ich kann mich nur noch an ein paar Kleinigkeiten erinnern.“ Ron wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, als es unruhig in der Großen Halle wurde. Die Eulen kamen wie jeden Morgen durch die hohen Fenster geflogen und überbrachten die Post der Schüler. Gelangweilt fing Ron ein kleines, braunes Paket auf und wollte es gerade aufknoten, als ein lautes Krächzen zu hören war und alle Schüler verwundert zu eines der Fenster sahen.   Gerade verließen die letzten Eulen die Große Halle, als ein lautes Krächzen zu hören war. Verwundert sah Syndia von ihrem Frühstück auf, was auch Severus dazu brachte den Blick zu heben. Durch eines der Fenster kam ein übergroßer Rabe hereingeflogen. Zwischen seinen Krallen hatte er ein schwarzes Bündel, welches er zielsicher auf dem mittleren Gang der Tischreihen auf den Boden fallen ließ. Ohne sich weiter an der Umgebung zu interessieren, machte der Rabe kehrt und flog aus dem selben Fenster heraus, aus dem er gekommen war. 'Ein Rabe als Botschafter. Das hat im Normalfall nichts Gutes zu bedeuten.', dachte Severus verwundert. Die Schüler hatten sich dem Bündel zugewendet und einige mutige gingen näher heran. Gerade als ein Hufflepuff Anstalten machte das Ding aufzuheben, stand Syndia auf einmal auf und rief: „Nicht anfassen!“ Augenblicklich wurde es in der Halle ruhig und alle, eingeschlossen Severus, sahen verwundert zu der Verteidigungslehrerin. Diese starrte auf das Bündel und schien ihren kompletten Körper anzuspannen, was der Tränkemeister als schlechtes Zeichen erkennen konnte. „Weißt du was das ist?“, fragte er seine Schwester leise, doch diese schien ihn gar nicht zu hören und schritt stattdessen langsam auf den Gegenstand zu. Gebannt folgten die Schüler ihren Bewegungen. Die Art, wie Syndia auf das schwarze Etwas geradezu hinschlich beunruhigte Severus. Er nahm gar nicht bewusst war, wie er langsam aufstand, bereit Syndia zur Hilfe zu eilen, falls es von Nöten war. Endlich war die Hexe bei dem Bündel angekommen und hob es nun langsam auf. Es war ein kleiner Gegenstand, der in ein schwarzes, seidenes Tuch eingehüllt war. Vorsichtig löste Syndia das ebenfalls schwarze Stoffband und entwickelte den Gegenstand. Severus konnte nicht sehen was es war, aber er bemerkte sofort, dass Syndia in ihren ohnehin schon schwerfälligen Bewegungen erstarrt war. Die gesamte Halle schien den Atem anzuhalten, ja die Luft schien sogar vor Anspannung zu flimmern. Moment mal, flimmern? Skeptisch sah Severus genauer hin. Tatsächlich war nun zu erkennen, dass die Luft um die Hexe herum zu flimmern begonnen hatte und es immer schlimmer wurde. Die Schüler, die in unmittelbarer Nähe waren, rissen die Augen auf und starrten ihre Lehrerin an. Am Gryffindor- und Ravenclawtisch, zwischen denen die Schwarzhaarige stand, begannen die Gläser zu klirren, was Severus nun endgültig aus seiner Starre erwachen ließ. „Syndia, Nein!“ Kapitel 12: Das Medaillon ------------------------- „Syndia, Nein!“, rief Severus seiner Schwester zu und eilte zu ihr. Nun völlig irritiert starrten die Schüler ihren Tränkeprofessor an, welcher zu Syndia rannte und sie an den Schultern packte. „Syndia, beruhige dich! Hier sind Kinder!“, flüsterte Severus seiner Schwester energisch zu und versuchte zu verhindern, dass diese endgültig die Kontrolle verlor. Denn ihre Energie war es, die dieses Flimmern und das klirren der Gläser verursachte. Genauso wie jetzt hatte bei ihr immer ein Gefühlsausbruch begonnen, der für alle Personen in der Umgebung höchste Gefahr bedeutete. „Syndia, du musst dich wieder in den Griff bekommen!“, redete der Slytherin weiterhin auf seine Schwester ein, doch diese schien ihn einfach zu überhören. Stattdessen starrte sie noch immer auf den Gegenstand in ihrer Hand und streckte ihn auf einmal ihrem Bruder entgegen. „Du weißt, was das hier ist!“, schrie sie ihn auf einmal an und Tränen bahnten sich ihren Weg über ihre Wangen. „Du weißt was das ist und du weißt auch, was das bedeutet!“ Ihre Stimme erstickte und sie fing bitterlich an zu weinen, wobei sich die Magiewelle erweiterte. Erst jetzt sah Severus auf den Gegenstand und erstarrte. Es war ein goldenes Medaillon, welches eine silberne Krone mit kleinen, weißen Edelsteinen als Wappen eingeprägt hatte. Doch das Schmuckstück konnte seinen Glanz nicht zeigen, da es komplett mit Blut beschmutzt war. „Es war seines und es ist mit Sicherheit auch sein Blut!“, schrie Syndia verzweifelt aus. „Jetzt beruhige dich erst einmal, Syndia!“, forderte der Tränkemeister und verstärkte den Griff um die Schultern der Hexe. Diese weinte jedoch nur weiter und senkte den Blick. Leicht panisch sah Severus zu den Tischen und beobachtete, wie die Gläser bereits einzeln am Zerspringen waren und die Flammen der Kerzen um das dreifache wuchsen. „Syndia hör mir zu! Hör mir zu!“, murrte ihr Bruder energisch und schüttelte sie leicht. „Hier sind überall Kinder um dich herum. Und hier ist auch überall Glas und Feuer, das sie verletzen könnte. Ich bitte dich, reiß dich zusammen, wenn du nicht willst, dass du jemanden verletzt!“ Kurz hielt die Verteidigungslehrerin in ihrem Schluchzen inne und hob langsam den Blick. Severus sah die pure Verzweiflung in ihren Augen. „Komm, wir verschwinden“, flüsterte er seiner Schwester noch ins Ohr, ehe er sich von ihr löste und sie bestimmt am Arm aus der Großen Halle führte. 'Erstmal die Schüler in Sicherheit bringen.', dachte sich der Tränkemeister und führte die Schwarzhaarige nach kurzem Überlegen hinaus zum See, da sie draußen am wenigsten Schaden anrichten konnte. Zum Glück regnete es gerade nicht und sie konnten eine Stelle am Ufer finden, die windgeschützt war. „Jetzt setz dich erstmal hin“, befahl Severus Syndia leicht murrend und bugsierte sie auf einem großen Stein, auf den sie sich schniefend niederließ. In ihren zittrigen Händen hielt sie das Medaillon, welches Severus ihr zögernd abnahm, um es genauer zu betrachten. Das Blut musste noch relativ frisch sein und der Tränkemeister zweifelte nicht daran, dass es das seines Neffen war. Er kannte das Medaillon, denn diese Krone war das Wappen der Familie Prince. Seine Mutter hatte ihm damals erklärt, dass dieses Familienerbstück von Generation zu Generation weitergegeben wird, um die Familie zu beschützen. Denn nichts anderes war dieses Schmuckstück: ein Schutz. Es hatte magische Kräfte, sodass der Träger vor schlimmen Verletzungen geschützt wurde. Severus selbst besaß ebenfalls so ein Medaillon und trug es immer bei sich, wenn er Voldemort einen Besuch abstatten musste. So waren die unzähligen Cruciatus-Flüche einigermaßen erträglich für ihn gewesen. Syndia hatte ebenfalls ein Schmuckstück erhalten, das sie offensichtlich an ihren Sohn weitergegeben hatte. Nun war es hier in Severus' Händen, mit dem Blut der Person verklebt, welche es hätte beschützen sollen. Severus setzte sich neben seine Schwester und nahm sie wortlos in den Arm, die ihren Kopf in seiner Halsbeuge vergrub und ungehindert weiterschluchzte. Beruhigend strich der Slytherin über ihren Arm und dachte nach. Es war verständlich, dass Syndia so reagierte, denn es war keine einfache Sache das Medaillon zu stehlen. Ein Feind konnte nicht einfach hingehen und dem Träger das Medaillon abnehmen. Dazu musste er dem Träger bereits so viele Qualen zugefügt haben, dass das Medaillon nicht mehr die Macht hatte seinem Schützling zu helfen. Severus betete darum, dass der Junge tapfer genug war das durchzustehen.   In der Großen Halle war währenddessen die Gerüchteküche am brodeln. Die Lehrer gaben sich die größte Mühe, doch es gelang ihnen nicht, die Schüler ihre Gespräche einstellen zu lassen. Madame Pomfrey war zu einer Schülerin geeilt, die einen Glassplitter in den Unterarm bekommen hatte, und heilte die kleine Schnittwunde im Nu. Ron und Hermine tauschten besorgte Blicke aus und flüsterten miteinander, während Harry versuchte mitzuhören, nebenbei aber immer wieder zum Slytherintisch herübersah. Er hatte Malfoy während der ganzen Szene beobachtet und fand sein Verhalten mehr als merkwürdig, obwohl der Blonde es wohl nicht zu auffällig machen wollte. Noch bevor Levin ihren Ausbruch bekam, hatte er die Kerze vor sich gelöscht und alle Gläser von sich geschoben. Das war dann das letzte Mal gewesen, dass der Grünäugige ihn beobachtete, denn Levin zog seine Aufmerksamkeit durch ihr Geschreie auf sich. Harry hatte sich schon gedacht, dass Levin mehr Fähigkeiten hatte, als er bisher gesehen hatte, doch dass sie eine so große Macht besaß, sodass die Gläser anfingen zu zerspringen, hätte er nie gedacht. Nachdem die beiden Lehrer die Große Halle verlassen hatten, war eine drückende Stille entstanden, in der die Schüler fassungslos ihren Lehrern hinterhergesehen hatten. Die übrigen Lehrer standen wie versteinert am Lehrertisch, wobei Dumbledore noch immer den Arm gehoben hatte, wodurch er ursprünglich seine Kollegen zurückgehalten hatte, Snape zur Hilfe zu kommen. Kurz darauf war das absolute Chaos ausgebrochen, welches noch immer nicht von den Lehrern in den Griff bekommen werden konnte. „Sie sprach von Blut. War da Blut auf diesem Anhänger?“, hörte Harry Hermine leise fragen und er drehte sich nun vollends zu ihr und Ron. „Keine Ahnung. Was glaubt ihr, wer das geschickt hat? Ich habe noch nie gesehen, dass die Post mit Raben verschickt wird“, überlegte Harry weiter. „Na das ist auch gut so“, erwiderte Ron etwas bleich im Gesicht. „Raben als Botschafter sind immer ein schlechtes Zeichen.“ „Wessen Blut sollte das gewesen sein...?“, dachte Hermine laut nach. Grübelnd erzählte Harry:„Auf Levins Schreibtisch steht ein Bild von ihrem Sohn. Als ich sie danach fragte, war sie so merkwürdig geworden. Bevor ich weiter fragen konnte, kam Snape rein und als er sah, dass ich das Bild in der Hand hatte, hat er mich rausgeschmissen.“ „Hm... meinst du wirklich Snape hat nur so reagiert, weil etwas nicht stimmt? Er würde sich doch immer so aufführen, wenn du in seinem Privatleben herumschnüffeln würdest, oder?“, überlegte die junge Hexe. „Ich weiß nicht... mein Gefühl sagt mir, dass da was nicht stimmt.“ Kurze Stille trat ein und die drei Gryffindors wurden sich nun wieder bewusst, welches Chaos noch immer in der Großen Halle herrschte. „Am besten verschwinden wir erstmal von hier. Das wird mir hier zu laut“, beschloss Hermine, schnappte sich ihre Tasche und verließ, gefolgt von ihren beiden Freunden, die Große Halle.   Harry betrat zum ersten Mal den Garten des riesigen Hauses am Grimmauldplatz. Es hatte sich eine friedliche Stille über die Wiesen gelegt, die nur von fröhlich zwitschernden Vögeln unterbrochen wurde. Das Grün des Grases war intensiver als jemals zuvor und der wolkenlose Himmel hatte eine neue Stufe des Blaus erreicht. Die Frühlingssonne strahlte eine angenehme Wärme aus, die nicht zu warm und nicht zu kalt war. Am hinteren Teil des Gartens gab es einen kleinen See, an dessen Ufer ein Mann mit langen, schwarzen Haaren stand und den Libellen dabei zusah, wie sie über das Wasser flogen. Harry trat zu ihm und schaute in sein zufriedenes Gesicht. Als Sirius seinen Patensohn bemerkte, sah er ihm in die Augen und lächelte. „Es ist herrlich, nicht wahr?“, fragte er leise und mit sanfter Stimme, während er seinen Blick wieder über den See schweifen ließ. „Das ist der schönste Frühling, den ich jemals erlebt habe. Selbst die Natur scheint sich über den Fall von Voldemort zu freuen.“ Genießerisch sog er die Luft ein, in der der Blumenduft schwebte, vermischt mit dem Geruch von frischem Gras. Lächelnd ließ der Grünäugige seinen Blick ebenso schweifen, ehe er die Augen schloss und die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht genoss. „Jetzt haben wir endlich Zeit auch mal auszuspannen“, fuhr Sirius fort, weiterhin mit entspannender Stimme, sodass diese herrliche Ruhe und der Frieden nicht gestört wurde. „Wir können unser Leben leben. Wir können alles nachholen, was uns bisher verwehrt wurde.“ Harry öffnete wieder seine Augen und fragte seinen Paten: „Und was schlägst du als erstes vor? Jetzt, wo deine Unschuld bewiesen wurde, kannst du dich wieder frei bewegen.“ „Wie wäre es...“, überlegte der Ältere, „wenn wir erstmal wegfahren? Wir gönnen uns einen schönen Urlaub, wo es nur uns beide gibt. Ein schöner ruhiger Ort. Am besten am Meer.“ „Ans Meer hört sich gut an“, bestätigte der Brillenträger. „Und wir suchen uns einen guten Platz zum Quidditch spielen“, grinste Sirius nun frech. „Ich bin mal gespannt, wie gut du wirklich bist. Dann kann ich dir endlich mal zeigen, wie ich spiele. Eingerostet bin ich noch lange nicht.“ „Na das werden wir dann ja sehen“, lachte Harry auf. „Ja, werden wir. Du wirst staunen“, grinste Sirius weiter. „Du wirst staunen, wenn ich dich erstmal fertig gemacht habe“, forderte der Gryffindor seinen Paten heraus. „Freue dich nicht zu früh. So schlecht, wie du denkst, bin ich nicht“, ging Sirius auf die Stichelei ein. „Und was machen wir noch?“, fragte Harry weiter, um auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. „Hm...“, überlegte Sirius und beobachtete eine Gruppe von Enten, die nun an ihrem Ufer entlang schwammen und vor sich hin quakten. Eine schwache Brise glitt über die Wiesen und ließ Sirius' Haar leicht wehen. „Wir haben Zeit und genug Geld, um eine ganze Zeit lang herumzureisen. Ich will unbedingt mal nach Spanien“, grinste Sirius weiter und sah sein Patenkind fragend an. „Wo immer du hin willst“, lächelte Harry zurück. „Allerdings nur unter der Bedingung, dass wir auch einen Abstecher nach Australien machen.“ „Oh ja, das ist eine gute Idee“, ließ sich der Ältere begeistern. „Wie wäre es, wenn wir Seidenschnabel mitnehmen?“ „Wenn der sich mit den Kängurus versteht“, lachte Harry und Sirius stimmte mit ein. „Was glaubst du, wer würde bei einer Kabbelei gewinnen? Seidenschnabel oder das Känguru?“, überlegte Sirius weiterhin glucksend. „Hm...“, überlegte Harry kurz und fing bei seinem nächsten Gedanken wieder zu lachen an, „Es kommt drauf an. Stell dir nur vor, wie Seidenschnabel von so einem Tier ein blaues Auge verpasst bekommen würde.“ Kurz sahen sich die beiden an, ehe sie sich nicht mehr halten konnten und lauthals loslachten.   Verwirrt öffnete Harry die Augen. Es war dunkel, still und er befand sich in einem Bett. Das Lachen von Sirius hallte noch in seinem Kopf nach und er hatte das Gefühl, dass sich nach diesem schönen Sonnenschein die Augen erst einmal wieder an die Dunkelheit gewöhnen mussten. Langsam fraß sich nun auch Kälte in den Körper des Gryffindors und als dieser die Vorhänge um sein Bett herum erkannte, wusste er wieder, wo er war. Er war in Hogwarts in seinem Schlafsaal. Voldemort war nicht besiegt, dafür aber Sirius schon seit einem halben Jahr nicht mehr am Leben. Er hatte nur geträumt mit Sirius zu reden, mit ihm den Frieden zu genießen und mit ihm zu lachen. Alle Glücksgefühle aus diesem Traum waren auf einmal verschwunden und es blieb nichts als Leere. Die Stille um den Grünäugigen wurde unerträglich. Sie war mit einem mal so drückend, dass er das Gefühl hatte seine Ohren würden schmerzen. Die Kälte konnte nicht von der Decke abgehalten werden, sodass sie sich, genauso wie die plötzliche Einsamkeit, in seine Knochen fraß. 'Kein Frieden. Kein lachender Sirius. Und ein noch quicklebendiger Voldemort.', rief Harry sich ins Gedächtnis und legte seinen Arm über die Augen. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Dieser Traum war noch schlimmer gewesen als seine Albträume. Es machte dem Gryffindor deutlich, was er sich so sehr wünschte und dennoch nicht erreichen konnte. Sirius war tot! Frieden war noch lange nicht in Sicht! Er konnte nicht frei sein! Nicht solange er es nicht schaffen würde, Voldemort zu besiegen! Wie sollte er das überhaupt anstellen?! Warum sollte es ausgerechnet ihm gelingen, wenn es kein Zauberer der Welt in den letzten 20 Jahren geschafft hatte?! Wenn es nicht einmal Dumbledore schaffte! Verzweifelt drehte sich der Grünäugige auf den Bauch und drückte den noch in den Händen liegenden Kopf ins Kissen, um seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Die Erinnerungen an den Traum schmerzten. Das würde niemals die Realität sein! Er saß hier alleine in Hogwarts, während Voldemort irgendwo da draußen war und Menschen quälte. Das Leben war nicht so farbenfroh und fröhlich, wie in seinem Traum. Es war grau und bitter, wie ein verregneter Wintertag mit dunklem, grauen Himmel und dreckigem, braunem Schneematsch auf dem Boden. Das Leben schien ihn zu erdrücken. Am liebsten würde er sich irgendwie verkriechen und dieser Hoffnungslosigkeit entkommen. Doch er konnte dieser Flut von Verzweiflung nicht entrinnen. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien. Um sich endlich wieder zu fangen, drehte der Grünäugige sich auf den Rücken und atmete tief durch, dabei ignorierend, dass sein Gesicht tränennass war. Doch das Durchatmen brachte nichts. Die Schwärze um ihn herum war so erdrückend, dass es ihm die Luft zum Atmen nahm. 'Ich muss an die frische Luft. Ich muss hier raus.', dachte Harry und schwang sich kurzerhand aus dem Bett. Sich den Tarnumhang, einen Umhang und die Schuhe schnappend, verließ der Gryffindor den Gemeinschaftsraum und schlich verborgen Richtung Astronomieturm. Er achtete nicht sonderlich darauf leise zu sein, dafür war er zu aufgewühlt. Durch diese ausgestorbenen Gänge zu schleichen hatte irgendwie was beruhigendes, was Harry nicht ganz erklären konnte. Trotzdem kam es ihm wie eine kleine Ewigkeit vor, bis er endlich den Fuß der Treppe des Turmes erreicht hatte. Während er hinaufstieg, zog er sich den Tarnumhang vom Kopf und stopfte ihn so gut es ging in seine Hosentasche. In dem Moment, wo Harry die Spitze des Turmes erreicht hatte, ließ ihn eine dunkle Stimme aufschrecken. „Was machen Sie um diese Uhrzeit außerhalb des Gemeinschaftsraumes, Potter?“, murrte Snape, den Harry mit einem Blick nach rechts auf der steinernen Brüstung sitzen sehen konnte, mit dem Rücken gegen die Mauer gelehnt und ein Bein aufgestellt. „P-Professor. Was machen Sie denn hier?“, war Harry völlig platt von dem Anblick eines entspannten Tränkemeisters. „Auch ich sollte mir mal einen Moment der Ruhe gönnen können, oder etwa nicht?“, grummelte der Tränkeprofessor weiter, jedoch ungewöhnlich ruhig. Auf den Gryffindor wirkte es, als sei Snape ziemlich erschöpft und müde. Die Ereignisse des vergangenen Tages gingen Harry durch den Kopf und er schloss daraus, dass diese ganze Aufruhr mit Levin auch Snape zuzusetzen schien. Snape schien sogar zu kraftlos zu sein, um seine Maske wieder aufzusetzen, denn er blieb auf seinem Platz sitzen und sah über das Gelände Hogwarts'. „Also, warum stören Sie diese Ruhe indem Sie sich hier hochschleichen?“, fragte der Slytherin für seine Verhältnisse erstaunlich ruhig. „Ähm...ich...“ Snape zog eine Augenbraue hoch und fragte: „Albtraum?“ „Nicht... direkt“, versuchte der Grünäugige zu erklären und kratzte sich am Hinterkopf. Konnte man diesen Traum als Albtraum bezeichnen? Immerhin war es ja eigentlich ein wunderschöner Traum gewesen, doch er hatte die Realität nur noch grausamer wirken lassen und war somit schlimmer als jeder Albtraum gewesen. Auf einmal seufzte Snape auf. „Potter, wann kapieren Sie endlich, dass Sie für Blacks Tod keinerlei Schuld tragen?“, fragte Snape ruhig, während er in die Nacht hinaussah. „Ich...“, setzte Harry schon an, runzelte dann jedoch verwundert die Stirn. „Wie kommen Sie überhaupt...“ „Denken Sie etwa ich würde in meiner Freizeit nichts mit meiner Schwester zu tun haben? Sie hat mir gegenüber den Verdacht geäußert, dass Sie sich an dem ganzen Geschehen im Ministerium die Schuld zuschreiben.“ Zuerst wusste Harry nicht, was er dazu sagen sollte. Er konnte sich nur fragen, ob es ihm wirklich so offensichtlich anzusehen war, worüber er sich Gedanken machte. Andererseits war Levin eine Lamia und hatte die Fähigkeit Gedanken zu lesen geerbt. Also versuchte der Gryffindor diese Vermutung gar nicht erst abzustreiten. Snape würde ihm sowieso nicht glauben. „Wäre ich nicht ins Ministerium gestürmt, wäre Sirius nicht gestorben“, sprach er also verbittert aus. „Hätte ich dies nicht getan oder wäre das nicht passiert. Das sind die typischen Leiern, mit denen sich die Menschen Tag und Nacht beschäftigen. Man kommt nicht voran, wenn man immer nur darüber nachdenkt, wie man es hätte besser machen können“, hielt Snape leicht genervt seine Predigt, setzte dann allerdings wesentlich leiser hinzu: „Damit zerstört man nur sich selbst.“ Erstaunt runzelte Harry die Stirn, sah jedoch keinerlei Emotionen im Gesicht seines Lehrers. Das einzig merkwürdige war, dass dieser so nachdenklich und vor allem ruhig wirkte. Der Slytherin schien sich einen Ruck zu geben, löste seinen Blick von der Landschaft und sprach nun wieder in normaler Lautstärke: „Man sollte sich lieber Gedanken darüber machen, wie man seine Schuld wieder begleichen kann.“ Harry musste humorlos auflachen: „Und wie soll ich bitte Sirius' Tod wieder gutmachen?“ „Wofür ist Black denn gestorben, Potter?“, fragte Snape verärgert und blitzte seinen Schüler aus seinen tiefschwarzen Augen an. Harry setzte an zu antworten, stockte jedoch, als er über die Frage nachdachte. „Er ist gestorben, um Sie zu retten“, half Snape nach einem Augenblick nach. „Also sollten Sie Black den Gefallen tun und am Leben bleiben. Scheint Ihnen ja nicht sonderlich schwer zu fallen.“ Der giftige Tonfall hätte den Gryffindor normalerweise aufgeregt, doch in dem Moment war er zu sehr mit den Worten an sich beschäftigt. Diese Schuldgefühle loswerden, indem er Sirius' Wünsche erfüllte? Er zweifelte daran, dass das funktionieren würde. Anscheinend waren die Grübeleien dem Gryffindor im Gesicht anzusehen, denn der Tränkemeister sprach: „Wenn Sie nachdenken wollen, dann tun Sie das im Gemeinschaftraum. Sie haben hier um diese Uhrzeit nichts zu suchen.“ Harry bemerkte, wie Snape wieder in seine Rolle zurückfiel, murmelte ein „Ja, Professor“ und stieg die Treppen hinab. „Und Potter“, hielt der Slytherin seinen Schüler noch einmal auf, „50 Punkte Abzug von Gryffindor. Und jetzt verschwinden Sie.“ 'Wäre ja auch zu schön gewesen.', dachte der Gryffindor augenverdrehend und setzte seinen Weg fort. Dennoch... so hatte er Snape noch nie erlebt. Noch nie hatten sie so ein ruhiges Gespräch führen können und wenn Harry ehrlich war, tat es ihm gut. Er sollte für Sirius weiterleben? Er war für ihn gestorben und wollte sicherlich, dass er glücklich ist. Aber wenn er Sirius so nachtrauerte, konnte er nicht glücklich werden. Weiterleben und glücklich sein. Klang eigentlich nicht schwer, oder? Rein theoretisch zumindest. Am Fuß der Treppe sah Harry nochmal zum Turm hoch. Ein leichtes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er ging weiter Richtung Gryffindorturm.   Es waren kalte, modrige Steinwände um ihn herum. Aus dem kleinen Raum gab es nur einen Ausgang, der durch eine schwere eiserne Tür versperrt wurde. Auf einer Pritsche lag ein schwarzhaariger Junge, der vor Erschöpfung keuchte. Seine Kleidung hing in Fetzen an ihm und die darunter freigegebene Haut war entweder blau oder aufgerissen und somit voller Blut, welches von den Stofffetzen aufgesogen wurde. Der Junge öffnete seine schwarzen Augen, die unglaublichen Schmerz, Verzweiflung und Angst widerspiegelten. „Hilf mir“, flehte der Kleine mit Verzweiflung in seiner krächzenden Stimme, was daraus schließen ließ, dass er sie bereits einige Male zum Schreien gebraucht hatte. „Bitte, hole mich hier raus!“ Die Tür schwang knarrend auf und ein vermummter Mann erschien im Blickfeld. Er setzte eine dreckige Schüssel auf den Boden ab, die irgendeine Flüssigkeit enthielt und verließ die Zelle wieder. Beim Schließen der Tür konnte der Junge einen kurzen Blick in den Flur werfen, an dessen Wand ein Bild eines blonden Mannes hing, der teuflisch grinsend zurücksah, ehe die Tür ganz zufiel. „Bitte, ich will hier nicht sterben!“ Unruhig wachte Harry aus seinem Traum auf. Ächzend drehte er sich zu seinem Wecker und stellte fest, dass es kurz nach 6 Uhr war. Sich wieder auf den Rücken drehend, rieb sich der Gryffindor nachdenklich die Stirn. Der zweite verrückte Traum heute Nacht. Irgendjemand schien es wohl nicht gut mit ihm zu meinen. Erst jetzt bemerkte Harry erstaunt, dass er sich nicht ohne Grund an die Stirn fasste. Er hatte sich unbewusst die schmerzende Narbe gerieben. Aber wieso schmerzte sie überhaupt? Das tat sie doch nur, wenn Voldemort in der Nähe war oder Harry sich in dessen Kopf befand. Dann hatte er den Jungen aus Voldemorts Sicht gesehen? Nein, das konnte nicht sein, sonst hätte der Kleine nicht um seine Hilfe gebeten. Jetzt, wo Harry über den Jungen nachdachte, hatte er ihn genau vor Augen. Es war eindeutig der Junge vom Foto in Levins Büro gewesen. Aber wieso träumte er von ihm? Warum sah er ständig dessen Augen vor sich, ob nun bei Tag oder Nacht? Und vor allem: Wieso hatte er von seinen Augen geträumt noch bevor er wusste, wie Levins Sohn aussah? Nachdenklich stand der Gryffindor auf und verschwand im Bad. Er hatte noch ein wenig Zeit bis die anderen aufstanden, sodass er sich eine lange Dusche gönnen konnte. Kapitel 13: Seltsame Träume --------------------------- Als Harry den Schlafsaal wieder betrat, war der Rest bereits aufgewacht und es herrschte das typische Chaos eines Schulmorgens. Neville packte seine Tasche zusammen, während Dean alles auf den Kopf stellte, um sein Verwandlungsbuch zu finden. „Da waren meine Hausaufgaben drin!“, rief er verzweifelt aus und raufte sich die Haare. „Hast du es vielleicht wieder im Gemeinschaftsraum liegen lassen?“, fragte Seamus, und konnte gar nicht so schnell gucken, wie Dean in den Gemeinschaftsraum flitzte. Da der Grünäugige diese Aufruhr gewohnt war, zog er sich in Ruhe an. Mit fertig gepackter Tasche trat er zur Tür und sah fragend zu Ron, der sich im Halbschlaf die Socken anzog. „Ich werde schon mal runter gehen, okay?“, fragte der Schwarzhaarige seinen Freund, welcher nur ein Nicken und zustimmendes Grummeln von sich gab. Beim rausgehen wäre Harry beinahe mit Dean zusammengeknallt, der fröhlich mit seinem Buch vor dessen Nase herumwedelte und ins Zimmer verschwand. Unten entdeckte der Grünäugige Hermine vor dem Kamin in einem der Sessel sitzend. Er gesellte sich zu ihr und wartete auf Ron, der nach 10 Minuten die Treppen herunter schlich. Gemeinsam gingen sie zum Frühstück, wo Dumbledore verkündete, dass der Verteidigungsunterricht wieder stattfinden würde. Harry konnte seine Lehrerin jedoch nicht am Lehrertisch ausfindig machen, wobei Snape schlecht gelaunt wie immer seinen Toast aß. Grübelnd beobachtete der Gryffindor seinen Lehrer. Entweder ging es Snape besser als letzte Nacht oder er war besser darin sich zu verstellen, als der Gryffindor angenommen hatte. Nun kamen dem Brillenträger auch wieder die Gedanken an den letzten Traum zurück. Dieser Junge... „Ist alles in Ordnung, Harry?“, riss Hermine ihren Freund aus seinen Gedanken. Als dieser aufsah erkannte er, dass ihn seine Freunde besorgt musterten. „Ich habe nur... Ich hatte einen seltsamen Traum“, begann Harry zu erzählen. „Ich sah Levins Sohn schwer verletzt in einer Art Kerkerzelle sitzen. Er sah mich und flehte mich an ihm zu helfen.“ „Harry, nachdem was gestern passiert ist, ist es kein Wunder, dass du so etwas träumst“, versuchte Hermine ihrem Freund zu erklären, doch der Grünäugige unterbrach sie. „Hör mir doch erstmal zu. Es ist nicht das erste Mal, das ich ihn gesehen habe. Ich habe seit Wochen von ihm geträumt. Ich sah ständig seine ängstlichen Augen vor mir. Seit ungefähr einer Woche sehe ich ihn auch tagsüber. Snape war im Okklumentikunterricht nicht in der Lage meine Träume von Levins Sohn zu sehen. Er hielt das für wichtig genug, um es Dumbledore zu sagen.“ „Das kann nichts Gutes bedeuten, Harry“, gab Hermine besorgt von sich. „Du solltest Dumbledore alles sagen, was du weißt.“ „Jetzt warte doch erstmal“, beschwerte der Gryffindor sich, da er versuchte seine Gedanken zu sortieren. „Bei dem Traum von Levins Sohn hat meine Narbe gekribbelt. Snape kann diese Träume nicht sehen... Levin ist nicht gut auf ihren Sohn zu sprechen und... Gestern kam ein Anhänger mit Blut beschmutzt hier an, was Levin völlig austicken ließ... und meine Vision von dem brennenden Haus. 'Wir haben ihn'! Was ist, wenn Voldemort den Jungen entführt hat?“ „Das ist vielleicht ein wenig zu weit ausgeholt“, überlegte Hermine skeptisch. „Wieso denn das?“, schaltete Ron sich ein. „Vielleicht ist Levins Sohn so ein Tabuthema, weil er vermisst wird. Die Träume mit kribbelnder Narbe hat Harry, weil das Visionen sind und diese Aktion gestern war vielleicht so eine Art Drohung dem Jungen noch mehr anzutun. Das würde alles zusammenpassen.“ „Und meine Vision von dem brennenden Haus“, ergänzte Harry schnell. „Das war auch der Zeitpunkt, wo Levins Laune so in den Keller ging. Erinnerst du dich, wie sie Snape noch am selben Tag vor dem Unterricht eingesammelt hat?“ Überlegend biss die junge Hexe sich auf ihre Lippe. Sie musste zugeben, dass das durchaus angehen konnte, was sich die Jungs da zusammengereimt hatten. „Dann solltest du erst Recht mit diesen Träumen zu Dumbledore gehen, Harry.“ „Kein Sorge. Ich habe heute Abend Okklumentikunterricht. Da werde ich Snape mal drauf ansprechen... und hoffen, dass er nicht in die Luft geht.“ „Das ist die vernünftigste Antwort, die ich je von dir gehört habe, Harry“, sah Hermine ihn positiv überrascht an. „Hey, ich kann durchaus vernünftig sein“, schmollte der Brillenträger, was Hermine mit einem Lächeln quittierte.   Im Verteidigungsunterricht war Levin erstaunlich ruhig. Einige Schüler hatten angenommen, dass sie leicht reizbar oder gebrechlich sein würde, doch sie führte ihren Unterricht ohne solche Anzeichen durch. „Sie versucht nach außen hin stark zu wirken. Sie betäubt einfach ihre Gefühle“, murmelte Hermine leicht besorgt. „Setzen Sie sich nun mit einem Partner zusammen. Ich werde rumgehen und mir bei den einzelnen Paaren ansehen, wie gut sie Stupor und Protego ungesagt beherrschen. Außerdem würde ich mir gerne ihre Fortschritte beim Patronus ansehen. Währenddessen können die anderen Gruppen noch etwas üben.“ Die Schüler setzten sich in Bewegung und die Lehrerin musste gar nicht erst erwähnen, dass sich Gryffindors und Slytherins mischen sollten. Zu Harry gesellte sich die miesgelaunte Bulstrode, die offensichtlich alles andere als begeistert von ihrem Partner war. Ron musste sich mit Nott herumschlagen, während Hermine Malfoys bissige Kommentare ignorierte. Mit Freuden begann Bulstrode den Stupor auf Harry zu jagen, welchen dieser nur mühsam ungesagt abwehren konnte oder notfalls auswich. „Jetzt hör endlich auf dich zu verkriechen wie ein elender Hund!“, beschwerte sich die Slytherin und schoss einen Zauber nach dem anderen ab. Ein Räuspern ließ sie in ihrer Aktion stocken. Levin stand Arme verschränkend vor ihnen und hatte das Spektakel beobachtet. Schnaubend ließ Bulstrode ihren Zauberstab sinken und Harry stellte sich wieder gerade hin. „Nun, da Sie bewiesen haben, dass Sie den Stupor beherrschen Miss Bulstrode und Sie, Mr Potter, den Protego, würde ich es gerne mal andersherum sehen“, meinte ihre Lehrerin weiterhin monoton, jedoch mit strengem Blick. Harry murmelte ein „Ja, Professor“ und machte sich zum Angriff bereit, während Millicent ihn abschätzend musterte. Dann entließ der Gryffindor ohne große Anstrengung den Stupor, der von der Slytherin gekonnt abgewehrt wurde. „Jetzt Ihr Patronus, Miss Bulstrode.“ Angesprochene nickte und atmete tief durch. Hochkonzentriert versuchte sie ihren Patronus heraufzubeschwören, wobei allerdings nur ein kleines, blaues Schild zum Vorschein kam. Levin kommentierte das nicht, sondern sagte nur:„Nun Sie, Mr Potter.“ Angesprochener löste seinen Blick von Millicent und konzentrierte sich auf die Erinnerung an seine Eltern. Nach einem deutlich gesprochenem „Expecto Patronum“ kam der große Hirsch zum Vorschein und trabte heiter um Blustrode herum, welche ihn Arme verschränkend mit ihren Augen verfolgte und offensichtlich mit ihrem Blick umbringen wollte. „Gut, sehr gut“, kommentierte die Lehrerin den Zauber. „Da ihr Patronus bereits überall bekannt ist, wundert es mich nicht, wie spielend leicht Sie ihn heraufbeschwören können.“ Damit drehte sich die Hexe um und ging zur nächsten Gruppe. Millicent warf ihrem Partner einen tödlichen Blick zu, wofür der Hirsch ihr einen Schubser in den Rücken gab. Erschrocken quietschte sie auf und beschimpfte das Tier mit allen Beleidigungen, die sie kannte, während Harry vor sich hin grinste und den Patronus auflöste.   „10 Punkte Abzug von Gryffindor“, wurde der Grünäugige von seinem Tränkemeister begrüßt, als er dessen Büro betrat. „Wofür denn das?“ „Sie haben 5 Minuten Verspätung“, antwortete Snape schlicht und trat um seinen Schreibtisch herum. Augenrollend nahm der Gryffindor die Strafe hin und achtete darauf, was als nächstes passieren würde. Ohne weiter etwas zu sagen, begann Snape mit Okklumentik, wobei Harry wie immer keinerlei Chance hatte sich zu wehren. Es zogen Bilder aus seinem neunten Lebensjahr an ihm vorbei, wie Dudley dafür gesorgt hatte, dass niemand etwas mit ihm zu tun haben wollte, wie er immer die Schuld von seiner Tante zugeschoben bekommen hatte, wenn Dudley etwas in der Schule angestellt hatte... „Sie versuchen es nicht einmal!“ Abrupt hörten die Erinnerungen auf und der Gryffindor sackte erschöpft zu Boden. Nach Luft ringend ignorierte er Snapes Beschwerden, die inzwischen zur Routine des Okklumentikunterrichts gehörten. „Nach all dieser Zeit sollten Sie doch wenigstens einen kleinen Fortschritt zeigen. Doch nichts passiert!“, genervt ging Snape in seinem Büro umher. „Und wenn wir einfach akzeptieren, dass ich absolut kein Talent besitze und es einfach nicht lernen kann?“, fragte Harry murrend während er sich aufrappelte. „Jeder normale Zauberer ist dazu in der Lage das zu erlernen. Vielleicht sollten Sie mal untersuchen lassen, ob bei Ihnen irgendwas kaputt ist!“ 'Na vielen Dank auch! Auf der Ebene waren wir lange nicht mehr.', dachte der Grünäugige genervt. „Sie brauchen Ihre üble Laune nicht an mir auszulassen.“ Das hatte er jetzt nicht wirklich laut gesagt, oder?! Mit einem schnellen Blick zu Snape erkannte Harry, dass er diesen Satz sehr wohl laut gesagt hatte, denn der Tränkemeister war stehen geblieben und funkelte seinen Schüler an. Langsam trat der Slytherin auf Harry zu, was diesem doch ein wenig Angst machte. Doch eher würde er seinen Besen verbrennen, als jetzt zurückzuweichen. Dicht vor dem Gryffindor blieb Snape nun stehen und legte all seinen Hass in den Blick. Harry hingegen wirkte nach außen hin ruhig und gelassen, stand innerlich jedoch unter Strom. 'Nicht zurückweichen, nicht zurückweichen.', redete er sich immer wieder ein. „Ihnen scheint es ja wieder prächtig zu gehen, wenn Sie wieder in der Lage sind eine neue Ebene der Frechheit zu erreichen, Potter“, murrte Snape bedrohlich leise, was Harry schlucken ließ. 'Lass dich nicht einschüchtern, verdammt!', tadelte der Gryffindor sich selbst und gewann damit seine Fassung zurück. Unbeeindruckt sah der Grünäugige in die schwarzen des älteren und sprach ruhig: „Es ist nur inzwischen jedem Schüler aufgefallen, dass Sie sowie Professor Levin seit Wochen schlecht gelaunt sind. Das hat etwas mit Voldemort zu tun, nicht wahr?“ „Ich wüsste nicht, was Sie das angeht“, schnarrte der Slytherin durch zusammengebissene Zähne. „Und wie oft soll ich Ihnen noch eintrichtern, dass Sie seinen Namen nicht erwähnen sollen?“ Der Tränkemeister drehte sich von seinem Schüler weg. „Merken Sie nicht, wie sehr man mit dieser Regel nach Voldemorts Pfeife tanzt?“, warf Harry mutig geworden ein. „Er wird es mit Sicherheit lieben, dass die Menschen sich nicht trauen, seinen Namen auszusprechen. Im übrigen ist Voldemort noch nicht einmal sein richtiger Name. Eigentlich müsste man ihn Riddle nennen, um ihm gegenüber so wenig Furcht wie möglich zu zeigen.“ „Ich weiß inzwischen zu genüge, dass Respektlosigkeit Ihre liebste Methode zum Angriff ist, Potter. Sie haben nur anscheinend vergessen, dass Sie einem Feind erst vor die Füße spucken sollten, wenn Sie auch eine Chance gegen ihn haben.“ „Ich will Voldemort nur keinen Triumph gönnen“, argumentierte der Gryffindor weiter, doch Snape unterbrach ihn zischend. „Wenn Sie nichts besseres zu tun haben, als mit mir über solche Dinge zu diskutieren, sollten Sie verschwinden. Der Unterricht bringt heute eh nichts. Genau genommen bringt er nie etwas.“ Harry schluckte seinen nächsten Kommentar herunter, als ihm einfiel, was er noch mit seinem Lehrer besprechen wollte. „Professor, es gibt da noch etwas“, begann er etwas zögerlich. „Machen Sie sich etwa in Ihrer Freizeit eine Liste mit Themen, mit denen Sie mich nerven können?!“, beschwerte Snape sich und strich sich durch die Haare, was wohl ein Zeichen von Erschöpfung bei ihm darstellen sollte. Das brachte den Gryffindor kurz aus dem Konzept, ehe er blinzelte und seine Gedanken wieder ordnete. „Sie erinnern sich doch noch daran, dass Sie einige meiner Träume nicht sehen konnten?“, versuchte sich der Grünäugige zögernd auf das Thema hinzutasten. „Ich leide nicht an Gedächtnisschwund, Potter“, murrte Snape nur. „Nun, ähm... Dumbledore meinte, dass es nur eine Kleinigkeit sein muss, die neu in meinen Träumen ist, damit so ein Effekt entsteht...“ „Reden Sie nicht um den heißen Brei herum, Potter! Sagen Sie was Sie sagen wollen, damit ich Sie so schnell wie möglich los bin“, unterbrach der Slytherin seinen Schüler genervt. Wut blitzte in den grünen Augen des Gryffindors auf, welcher nun die Arme verschränkte und mit der Sprache herausrückte: „Voldemort hat Ihren Neffen, nicht wahr?“ Kurz herrschte Stille, in der Snape den Gryffindor regungslos anstarrte. Dann sprach Snape sehr leise und bedrohlich, sodass Harry ihn beinahe nicht verstanden hätte: „Wie kommen Sie zu dieser Annahme, Potter?“ „Ich habe es gesehen“, erklärte Harry noch immer patzig. „Diese Träume, die Sie nicht sehen konnten, beinhalten diesen Jungen auf dem Foto. Ich bin mir ganz sicher, dass er es ist und er sitzt in einem Kerker und fleht mich an ihm zu helfen. Teilweise habe ich ihn schon tagsüber gesehen, im wachen Zustand. Nach dem letzten Traum hat meine Narbe gekribbelt, also ging ich davon aus, dass der Junge bei Voldemort ist.“ Wieder entstand eine Stille, bei der Snape die gegebenen Informationen zu verarbeiten schien. „Sie haben Visionen von meinem Neffen?“, fragte er nach einiger Zeit mit neutralem Tonfall nach, was wohl zum ersten Mal vorkam. „Wenn es Visionen sind“, meinte der Brillenträger ebenfalls ruhig geworden. „Es fühlt sich anders an, als bei den normalen Visionen, aber mir fiel bisher keine andere Erklärung ein.“ „Seit wann haben Sie das?“ „Ähm... ich weiß nicht genau... die Augen habe ich schon seit einigen Wochen gesehen, den gesamten Traum erst letzte Nacht. Und die Tagesvisionen seit ungefähr einer Woche.“ Der Gryffindor erschrak ein wenig, als Snape auf ihn zuging und ihn an den Schultern packte. „Und dann rücken Sie jetzt erst mit der Sprache heraus?!“ „Also stimmt es“, stellte der Gryffindor mit festem Blick fest. „Sie haben ja keine Ahnung, was Sie vielleicht hätten verhindern können, wenn Sie uns gleich gesagt hätten, dass diese Träume von Luca handeln“, knurrte Snape leise und ließ den Schüler los, um seinen Umhang vom Schreibtischstuhl zu nehmen. Leicht verdutzt blinzelte der Gryffindor. Was er hätte verhindern können? Hätten seine Lehrer das Auftauchen der schwarzen Augen denn richtig gedeutet? Hätte er dem Jungen weitere Folter ersparen können, wenn er den Mund aufgemacht hätte? Ein fürchterliches Gefühl machte sich in Harry breit, was er schon bald als Schuldgefühl deuten konnte. Er hätte dem Jungen schon früher helfen können, wenn er damals nur im Büro gesagt hätte, dass er ständig diese Augen vor sich sah. Spätestens als er auf dem Foto diese Augen wiedererkannt hatte, hätte er etwas sagen sollen. Unbewusst biss sich der Grünäugige bei seinen Überlegungen auf die Unterlippe. Snape warf sich währenddessen den Umhang über und holte den Gryffindor in die Gegenwart zurück: „Stehen Sie da nicht wie angewurzelt, Potter. Beeilen Sie sich lieber.“ Damit schritt er an dem Schüler vorbei zur Tür. Verwirrt sah Harry zu seinem Lehrer. „Ähm... beeilen?“, fragte er irritiert nach, was ihm ein Augenrollen seitens Snape einbrachte. „Professor Levin und Dumbledore zusammenzutrommeln, was sonst?“ Genervt und mit schüttelndem Kopf verließ Snape sein Büro. Nach kurzem Zögern folgte der Gryffindor ihm, hatte jedoch Schwierigkeiten schrittzuhalten. In den Gängen war es inzwischen stockduster, sodass Snape seinen Zauberstab als Beleuchtung benutzte. Vor Levins Tür gab Snape ihm die Anweisung zu warten und betrat das Büro. Schon nach kurzer Zeit trat er wieder hinaus, gefolgt von einer etwas verwirrt aussehenden Levin, die zu alledem auch noch übermüdet wirkte. „Abend, Harry“, grüßte sie ihren Schüler leise und schloss die Tür hinter sich. „Abend“, erwiderte der Gryffindor und folgte Snape dann den Gang hinunter, da dieser bereits ohne zu zögern weitergelaufen war. Schnell hatte die Hexe ihren Bruder erreicht und lief neben ihm her, während Harry hinter den beiden blieb. Als sie Dumbledores Büro erreichten, trat Snape vor und klopfte an. Es war ein leises „Herein“ zu hören und die drei traten durch die Tür. Der Raum war bereits verdunkelt worden. Lediglich eine Kerze brannte noch auf dem Schreibtisch, an dem Dumbledore saß und offensichtlich in einem Buch gelesen hatte. Etwas erstaunt sah der Direktor die drei an und legte dann das Buch beiseite, um seinen Besuchern seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. „Nun, was verschafft mir die Ehre eines solch späten Besuches?“, fragte er ruhig wie immer nach und faltete seine Hände. „Potter, was sonst“, grummelte Snape leicht, sprach dann aber in einem normalen Ton weiter. „So wie es aussieht, gibt es Neuigkeiten zu Luca.“ Sofort huschte Levins Blick zu ihrem Bruder, welcher ihn ruhig erwiderte, ehe er an Dumbledore gewandt weitersprach. „In Potters Träumen, die ich mit Okklumentik nicht einsehen konnte, geht es offenbar um den Jungen. Ich dachte mir, dass das vielleicht ganz interessant zu wissen wäre.“ Damit warf der Slytherin Harry einen strengen Blick zu, welcher sich erneut auf die Lippe biss. „Was genau siehst du in den Träumen, Harry?“, fragte Dumbledore nun ruhig an den Schüler gewandt. „Ähm...“ Harry schilderte den Traum so gut er konnte. „War er schwer verletzt?“, warf Levin hektisch ein. „Nun...“, begann Harry, wusste jedoch nicht, was er genau sagen sollte. Er konnte ihr einfach nicht sagen, dass das Blut überall gewesen war. Trotzdem schien Levin zu verstehen, denn sie senkte den Blick, nickte leicht und biss sich auf die Unterlippe. „Dieses Gebäude, das Voldemort vor einiger Zeit in Brand gesetzt hatte... das hat er getan, um den Jungen zu schnappen, richtig?“, fragte der Gryffindor vorsichtig in die Runde und erhielt ein Nicken vom Schuldirektor. „Seitdem ist er in Gefangenschaft“, flüsterte Levin auf den Boden starrend. „Und wir haben noch immer keine Spur, die uns zu ihm bringen könnte.“ Die Lehrerin drehte sich leicht weg. „Ich... weiß nicht, ob meine Träume da weiterhelfen können.“ „Aus welcher Perspektive hast du ihn gesehen, Harry?“, fragte der Weißbärtige ruhig. „War jemand bei dem Jungen?“ „Nein, nur der Todesser, der die Brühe brachte. Ich habe es gesehen, als würde ich selbst dort stehen, aber Voldemort war es nicht, denn der Junge hat mich gebeten ihm zu helfen. Andererseits hat meine Narbe nach dem Traum gebrannt.“ „Deine Narbe...“, murmelte Dumbledore leise und ging nachdenklich auf und ab. „Und Voldemort ist kein einziges Mal in diesen Träumen vorgekommen, sagst du?“, wandte der Direktor sich wieder an Harry. Dieser verneinte und der Direktor trat stumm zu seiner Vitrine, in der dieser Ring lag. „Luca hat dich nicht mit Namen angesprochen, nehme ich an.“ „Nein.“ „Worauf wollen Sie hinaus, Albus?“, meldete sich nun der Tränkemeister zu Wort und der Blick seiner Schwester bewies, dass diese sich das ebenfalls fragte. „Es ist doch interessant, nicht wahr?“, begann Dumbledore. „Ein Eingriff von außen in diese besondere Verbindung zwischen Harry und Voldemort, bei dem sich kein direktes Ziel als Empfänger dieser Botschaft gesucht wurde.“ „Ein Eingriff...“, murmelte Levin und sah nun erstaunt zum Direktor. „Aber wie soll der Junge von dieser Verbindung gewusst haben? Geschweige denn sie genutzt haben?“, warf der Slytherin ein. „Das Benutzen wird nicht das Problem gewesen sein, Severus“, murmelte Levin weiter. Verwirrt sah Harry zwischen den dreien Professoren hin und her und versuchte mitzukommen. „Die Verbindung... nutzen?“, fragend sah der Gryffindor zum Ältesten im Raum, bei dem er am ehesten auf eine Antwort hoffen konnte. „Das, was du siehst, ist tatsächlich eine Vision, jedoch stammt sie nicht von Voldemort selbst, sondern vom Jungen.“ „Aber... wie macht er das und woher weiß er überhaupt von der Verbindung?“ „Wir werden das schon noch herausfinden“, schloss der Direktor und trat hinter seinen Schreibtisch. „Erst einmal sollten wir überlegen, wie wir diese Informationen nutzen können, um dem Jungen zu helfen.“ „Konnten Sie irgendetwas sehen, was einen Anhaltspunkt auf Lucas Aufenthaltsort geben könnte?“, fragte Levin hoffnungsvoll an den Schüler gewandt. Harry überlegte und rief sich jede Einzelheit ins Gedächtnis. „Es war eine Kerkerzelle, nur kalte Steinwände und eine schwere Eisentür. Das schien alles schon ziemlich alt zu sein.“ „War da noch irgendwas anderes?“, fragte die Hexe mit kratziger Stimme. Harry konnte sich nur schwer vorstellen, was Levin für eine Verzweiflung inne haben müsste. Überlegend schüttelte der Gryffindor den Kopf. Levin ließ sich erschöpft in den Sessel fallen und verbarg ihr Gesicht in den Händen, während ihr Bruder sich mit einer Hand durch die Haare fuhr. Es war schon ungewohnt, dass der Tränkemeister den Gryffindor nicht mit einem höhnischen Blick ansah, wenn er versagt hatte. 'Moment mal... höhnischer Blick?', dachte der Grünäugige, ehe ihn weitere Erinnerungen wie ein Blitz vorm inneren Auge entlanghuschten. „D-Da war noch ein Bild!“, rief er aus, sodass alle drei ihn ansahen. „Als die Tür offen stand, konnte man im Flur ein Bild sehen. Ein... Ein blonder Mann, der den Jungen höhnisch angegrinst hat.“ „Kannst du diesen Mann genau beschreiben?“ „Ich denke schon, aber wäre es nicht einfacher, wenn Sie sich das Bild in meinen Erinnerungen ansehen würden?“ „Toller Plan, Potter. Nur das Sie eine Kleinigkeit vergessen haben. Nämlich, dass Ihre Träume vor Okklumentikeingriffen geschützt sind!“, giftete Snape weiter, doch dann schob sich seine Schwester an ihm vorbei. „Severus, hör auf dich wie ein 10-jähriger zu benehmen! Er will uns nur helfen Luca zu finden.“ Kurz sah der Slytherin erstaunt aus, ehe er die Arme verschränkte und finster dreinblickte. Seine Schwester beachtete ihn gar nicht und trat auf Harry zu. Verwirrt beobachtete der Gryffindor, wie seine Lehrerin ihre Finger an seine Schläfen legte. „Konzentrieren Sie sich auf das Bild. Ich werde versuchen, diese Barriere zu durchbrechen, was auch immer diese Erinnerungen schützt.“ Kapitel 14: Hogsmeade --------------------- „Konzentrieren Sie sich auf das Bild. Ich werde versuchen, diese Barriere zu durchbrechen, was auch immer diese Erinnerungen schützt.“ Zaghaft nickte Harry und schloss die Augen, um sich dieses Portrait aus seinem Traum genau vor Augen zu führen. Zuerst spürte er nichts, doch dann wurde ein Druck auf seinen Schädel ausgeübt, bei dem Harry zu Anfang dachte, es käme nur von Levins Fingern. Dieser Druck nahm jedoch stetig zu, bis der Gryffindor es nicht mehr vermeiden konnte das Gesicht zu verziehen. „Lassen Sie sich nicht ablenken. Denken Sie an das Bild“, murmelte Levin so leise, dass wohl nur Harry sie hören konnte. Dieser unterdrückte den Reflex sich den Kopf zu halten und klammerte sich mit seinen Gedanken an dieses Bild. Jedes Mal, wenn der Gryffindor dachte, der jetzige Druck wäre an der Grenze seiner Selbstbeherrschung, wurde er eines besseren belehrt, indem er einen noch stärkeren Druck aushalten musste. Nun konnte Harry ein schmerzhaftes Zischen nicht mehr verhindern und musste mit sich kämpfen weiterhin an diesen Mann zu denken. „Sie schaffen das. Noch ein kleines bisschen“, flüsterte die Verteidigungslehrerin ihrem Schüler zu und der Druck erhöhte sich erneut. Harry gab einen gequälten Laut von sich, biss jedoch die Zähne zusammen. Dann wurde ihm blitzartig weiß vor Augen und der Gryffindor blinzelte erschrocken. Er verlor den Gleichgewichtssinn und stürzte zu Boden. Der Druck hatte aufgehört, ließ jedoch unheimliche Kopfschmerzen zurück, sodass sich der Brillenträger ächzend an den Kopf fasste und am liebsten drauf eingehämmert hätte. Einen Moment blieb Harry einfach nur liegen, ehe er einen Blick zu den restlichen Anwesenden wagte. Levin saß auf der Lehne eines Sessel und stützte sich nach Luft ringend bei ihrem Bruder ab, während Dumbledore sein Denkarium hervor holte und auf den Schreibtisch stellte. Dieser Eindruck reichte dem Gryffindor erst einmal. Erneut schloss er die Augen und versuchte seine Schmerzen wegzuatmen und konzentrierte sich auf Geräusche im Raum, um sich abzulenken. So hörte er auch, wie Levin ihrem Bruder zuflüsterte, dass er sich erst einmal um ihn kümmern solle. Kurz darauf spürte Harry eine Hand an seiner Schulter, die ihm deutlich machte sich umzudrehen. Auf die Seite drehend sah der Gryffindor zu seinem Tränkeprofessor, welcher neben ihm hockte und seine Augen genau zu mustern schien. „Stehen Sie auf, Potter“, murmelte der Schwarzhaarige erstaunlich ruhig und zog seinen Schüler am Arm hoch auf die Beine. Kaum stand der Gryffindor musste er sich allerdings schon am Sessel festkrallen, um nicht wieder umzukippen. Snape half seinem Schüler in den Sessel und begann ihn zu untersuchen. Während Harry seine Anweisungen, wie ins Licht oder auf seinen Finger zu gucken, ausführte, bemerkte der Gryffindor am Rande, dass Levin sich erhoben hatte und nun auf das Denkarium zutrat. „Hat es funktioniert?“, fragte Harry. „Das werden wir ja gleich sehen“, murmelte Snape und stand auf. „Es sind keine Schäden entstanden. Potters Hirn ist so mickrig und reaktionsarm wie zuvor.“ 'Na danke auch, Snape!', murrte Harry in Gedanken. „Vielleicht solltest du ihm trotzdem einen Trank fertig machen. Ich musste ziemlich grob vorgehen“, erwiderte Levin und hielt nun ihren Zauberstab an ihre Schläfe, um einen blau-silbrigen Erinnerungsfaden zum Vorschein zu bringen. „Hoffen wir, dass es klappt.“ Der Faden landete im Denkarium und zugleich entstand ein feiner Rauch, der sich langsam zu einer Gestalt verfestigte. Schon bald waren die langen, blonden Haare, eisblauen Augen und der feine Umhang der Person zu erkennen. „Genau das ist er“, bestätigte Harry und stützte seine Ellenbögen auf den Knien ab. Ihm war noch immer leicht schwindelig und die Kopfschmerzen ebbten nur sehr langsam ab. „Nun gut“, begann Dumbledore. „Wenn wir erstmal herausgefunden haben, wer das ist, können wir nachforschen, wer Gemälde von diesem Mann besitzen könnte. So könnten wir mit etwas Glück auf einen Besitzer eines solchen Anwesens mit Kerker stoßen.“ „Mit sehr sehr viel Glück“, murmelte Levin müde. „Aber wir haben endlich eine Spur“, lächelte der Direktor ihr aufmunternd zu. „Nun Harry, geht es dir soweit gut?“ „Es geht schon.“ „Dann möchte ich dich bitten in deinen Schlafsaal zu gehen. Severus wird dir sicherlich gerne noch etwas gegen deine Kopfschmerzen vorbeibringen.“ „Nichts würde ich lieber tun“, grummelte Snape kaum hörbar, wofür er den Ellenbogen seiner Schwester zwischen die Rippen bekam. Langsam stand Harry auf, um seinen Gleichgewichtssinn zu testen, ehe er schlürfend auf die Bürotür zuging. Mit einem „Gute Nacht“ verließ er den kreisrunden Raum und stieg die Treppen hinab. Bei jedem Schritt pochte sein Kopf, als wäre die kleinste Erschütterung einem Erdbeben gleichgestellt. Langsam aber sicher erreichte der Gryffindor den Gemeinschaftsraum und ließ sich nach einem kurzen Gang ins Bad aufs Bett fallen, auf dem er sich nun auf nichts anderes konzentrieren konnte als seine Kopfschmerzen, sodass diese nur noch bohrender wirkten. 'Snape soll Gas geben.', verzweifelte er und wartete ungeduldig ab.   Kaum war die Bürotür hinter Harry zugefallen, drehte sich Severus auch schon zum Direktor. „Wären Sie nun so nett zu erläutern, wie Sie das vorhin gemeint haben?“, murrte er schlecht gelaunt. „Ich weiß gar nicht, was du meinst, Severus“, meinte Dumbledore unschuldig klingend. „Ein Eingriff von außen, bei dem sich kein direktes Ziel als Empfänger gesucht wird“, zitierte Snape genervt seinen Arbeitgeber. „Ich konnte nicht weiter ins Detail gehen, sonst hätte Harry zu viele Informationen bekommen.“ „Also hat Luca diese Informationen an alle Seelenteile von Voldemort geschickt? Aber wieso sollte er das tun? Woher sollte er wissen, dass es sich bei einem um einen Menschen handelt, der auch noch zufälligerweise seine Botschaft entschlüsseln und bildlich darstellen kann?“, fragte Syndia Arme verschränkend. „Ihre Frage kann ich nicht beantworten. Ich weiß nicht, wie der Junge auf so eine Idee kam. Aber die Ausführung ist wohl auf seine Fähigkeiten als Lamia zurückzuführen, nicht wahr?“ „Er muss eine Art Telepathie verwendet haben“, murmelte die Hexe nachdenklich. „Deshalb hat der Ring reagiert. Als Potter letztes Mal hier war, hat er eine Botschaft erhalten und der Ring ebenso. Nur konnte der Ring nichts mit den Daten anfangen.“ Kurz murrte der Slytherin, ehe er fragte: „Und wo wollen wir jetzt ansetzen, um diesen Typen zu finden?“ „Severus, ich bitte dich. Streng dein Gehirn ein wenig an“, meinte seine Schwester gespielt enttäuscht. „Es gibt Datenbanken, von denen viele sonst nur wagen zu träumen, und ich habe Zugriff darauf. Außerdem: Sieh dir den Kerl doch mal genauer an. Blaue Augen, blonde Haare...“ „Das kann jeder X-beliebige reiche Mann sein, der aus dem Norden stammt“, grummelte der Tränkemeister Arme verschränkend. „Oder aber jeder X-beliebige reiche Lamia, der aus dem Norden abstammt.“ „Schön und gut, wenn du dir so viel Hoffnung zusprichst, aber nicht jeder blonde und blauäugige Mann ist gleich ein Lamia. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei nicht einmal einem Prozent.“ „Es ist zumindest ein Versuch wert.“ Severus setzte bereits zu einem weiteren Argument an, begegnete dann aber Dumbledores Blick, der unauffällig den Kopf schüttelte. Mit erhobener Augenbraue sah Severus erneut zu Syndia und endlich fiel auch ihm der seltsame Blick seiner Schwester auf. Das Bild dieses Mannes war alles was sie hatten, der einzige Hoffnungsschimmer, der ihr blieb und an den sie sich offenbar eisern klammerte. Das sollte er ihr nicht kaputt machen.   „Probiere die mal“, hielt Ron seinem Freund eine rosane, kugelförmige Süßigkeit unter die Nase. „Was soll das denn sein?“, fragte dieser skeptisch nach. „Mach einfach.“ „Nein danke. Ich trau dir nicht“, schob Harry grinsend Rons Hand beiseite und sah sich weitere Leckereien im Regal des Honigtopfs an. Endlich war Hogsmeade-Wochenende und Harry stöberte mit seinen Freunden in den Läden, zumindest die, die noch offen hatten, denn viele hatten inzwischen ihre Fenster vernagelt. „Spielverderber“, murrte der Rothaarige und ging ein paar Regale weiter. Sobald er außer Hörweite war, schob sich Hermine neben den Schwarzhaarigen. „Meinst du, die würden Ron gefallen? Schmecken nach Lakritze.“ Der Grünäugige begutachtete die schlangenförmigen, grünen Kaubonbons, die in der Tüte herumwuselten. „Sind Lakritze nicht eigentlich schwarz?“ „Ach, so schwer ist es nun auch nicht die Farbe zu ändern“, grinste die Braunhaarige. „Also?“ „Joa, warum nicht.“ „Oder lieber - Ups, Entschuldigung Professor - oder lieber die hier?“ Harry griff nach der Schachtel in der Hand der Gryffindor und las sich die Beschreibung durch. „Explodieren bei Wasserkontakt? Also gehen die Dinger hoch, wenn du sie dir in den Mund stopfst?“, fragte der Brillenträger skeptisch. „Da wird schon nichts bei passieren“, beschwerte sich die junge Hexe und riss ihrem Freund die Packung aus der Hand. „Die werde ich schonmal nehmen. Was willst du Ron denn schenken?“ „Weiß ich noch nicht genau. Ich stöbere heute einfach mal ein bisschen in den Läden herum. Da wird sich schon was finden lassen.“ Das Gespräch wurde abrupt unterbrochen, als Ron fröhlich grinsend und die Arme voll Süßigkeiten um die Ecke kam. „Also ich habe alles. Was ist mit euch?“ „Alles zu haben scheinst du wörtlich zu nehmen“, murmelte Harry, ehe er seinem Freund zur Kasse folgte. „Und was machen wir jetzt?“, fragte der Rotschopf nach, als die drei Gryffindors den Laden verlassen hatten. „Ich wollte nochmal in die Buchhandlung“, wurde von niemand anderem als Hermine gesagt. „Hat das nicht noch Zeit? Ich würde mich viel lieber erstmal aufwärmen“, jammerte der Weasley und zappelte herum, um seine Füße warm zu halten. „Im Buchladen ist es doch auch warm.“ „Wie wäre es, wenn wir erstmal in die Drei Besen gehen und danach weiter herumstöbern“, meldete sich Harry zu Wort und lief bereits Richtung Gasthof. Die anderen beiden sahen sich kurz an, zuckten die Achseln und folgten ihrem Freund. Im Gasthof angekommen steuerte Hermine bereits auf einen freien Tisch zu, ehe Ron sie am Arm in eine andere Richtung zog. „Du willst dich doch nicht im Ernst an den Nachbartisch der Lehrer setzen.“ „Was soll denn das bitte für einen Unterschied machen?“, beschwerte sich die junge Hexe, nahm jedoch zusammen mit den Jungs an einem anderen Tisch platz. Mit einem weiteren düsteren Blick zu den Lehrern grummelte der Rotschopf: „Jetzt hat sich sogar Snape zu denen gesellt. Auf dessen Nähe kann ich verzichten.“ Die Braunhaarige verdrehte die Augen, ehe sie bei der vorbeilaufenden Rosmerta drei Butterbier bestellte. Harry hatte sich stumm hingesetzt und jeden Kommentar heruntergeschluckt. Wenn Ron sich schon über Snapes zu häufige Anwesenheit beschwerte, was sollte er dann sagen? „Was hatte sich jetzt eigentlich gestern ergeben, Harry? Hast du Snape wegen deines Traumes angesprochen?“, riss Hermine den Gryffindor aus seinen Gedanken. „Hm? Ja, hab ich.“ „Und?“ In knappen Worten erzählte Harry, was in Dumbledores Büro passierte. „Und... wie alt ist der Junge?“, kam es nach einer kurzen Pause zögerlich von der Hexe. „Das weiß ich nicht genau. Ich schätze mal um die 10 Jahre.“ „Das Voldemort zu solch grausamen Mitteln greift...“, flüsterte Hermine schon fast weinerlich. Kurz trat bedrückende Stille zwischen den drei Freunden ein, ehe Hermines Aufmerksamkeit auf eine Person gezogen wurde, die soeben den Raum betreten hatte. Draco Malfoy ging mit seinen Bodyguards auf den freien Tisch neben den Lehrern zu. „Es ist schon seltsam“, murmelte die Braunhaarige vor sich hin. „Was?“, fragten die Jungs gleichzeitig. „Na, Malfoy“, erklärte Hermine mit dem Kinn Richtung Slytherin nickend. Kurz sahen alle drei Gryffindors zu dem Blonden rüber, ehe Harry stirnrunzelnd zu seiner Freundin sah. „Was soll mit ihm sein?“ „Sonst bist du doch immer derjenige, dem sofort etwas auffällt“, meckerte Hermine flüsternd. „Malfoy benimmt sich schon seit Wochen merkwürdig.“ „Inwiefern merkwürdig?“, fragte der Rotschopf. „Das einzige, was mir aufgefallen ist, ist, dass er ziemlich gut über Lamia Bescheid weiß. Bei Levins Gefühlsausbruch in der Großen Halle schien er schon im Vorfeld zu wissen, was sie für Kräfte hat“, berichtete der Brillenträger. „Nun gut, auf so etwas habe ich nicht geachtet“, murmelte Hermine. „Aber ist euch nicht aufgefallen, wie schrecklich krank er in letzter Zeit aussieht? Er wird immer dünner und scheint wenig zu schlafen. Außerdem verhält er sich dieses Schuljahr verdächtig ruhig.“ „Jetzt, wo sein Vater aus Askaban befreit worden ist, wird es mit Sicherheit besser werden“, meinte Ron nur zuversichtlich. „Meinst du wirklich es steckte nur Askaban dahinter?“, überlegte die Braunhaarige auf ihrer Lippe kauend. „Harry, sonst bist du doch immer derjenige, der Malfoy die meiste Zeit beobachtet.“ Angesprochener hatte während des Gesprächs immer mal wieder zu dem Slytherin herübergesehen und musste zugeben, dass Malfoy wirklich fertig aussah. Aber sein Vater war nun schon vor einer ganzen Weile aus Askaban entkommen. „Ich glaube nicht, dass es mit der Gefangenschaft zu tun hat“, überlegte der Schwarzhaarige laut. „Aber es könnte... Was ist, wenn Voldemort die ganze Familie Malfoy seit dem Vorfall im Ministerium wie Dreck behandelt? Ich bin mir ziemlich sicher, dass Malfoys Mutter ebenfalls eine Todesserin ist und nach so einem Patzer von Lucius vor einem halben Jahr, können sie kaum ein gutes Ansehen haben. Stattdessen wird Voldemort sich wohl an der ganzen Familie für Lucuis' Fehler rächen.“ „Wie schaffst du es nur, dir so etwas immer wieder aus den Fingern zu saugen?“, staunte die junge Hexe. „Naja, plausibel klingt es“, meldete sich Ron zu Wort. „Aber meinst du denn, dass Malfoy ebenfalls direkten Kontakt zu Du-weißt-schon-wem hat?“ Kurze Stille entstand, während Harry über seine Antwort nachdachte. „Um ehrlich zu sein bin ich davon schon immer ausgegangen. Dass Malfoy irgendwann, wie sein Vater, zum Todesser werden wird, meine ich.“ „Das wäre jetzt wirklich eine Überlegung zu weit, Harry“, schaltete sich Hermine ein. „Du wolltest meine Meinung hören“, zuckte Harry nur mit den Achseln und nahm einen Schluck vom Butterbier. „Ich habe Malfoy viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, um mir etwas handfesteres einfallen zu lassen. Es ist in letzter Zeit einfach viel zu viel passiert.“ Grübelnd tranken die drei aus ihren Krügen. „Sollten wir uns nicht langsam auf den Weg machen?“, unterbrach Hermine die Stille. Nach kurzem Zögern erhielt sie von beiden Jungs ein Nicken und alle drei standen auf. Draußen wurde es bereits dunkel, obwohl es erst halb 5 war. „Sagmal hat es geschneit?“, rief Ron verwundert aus und sah auf den Boden, der von einem hauchdünnen, weißen Teppich bedeckt war. „Sieht so aus.“ „Aber wir haben doch erst Ende November“, jammerte der Weasley quietschend. „Wir hatten bisher jedes Jahr zu dieser Zeit Schnee, Ron“, kommentierte Hermine das Verhalten ihres Freundes. „Sicher?“ „Ja, ganz sicher.“ „Harry?“ „Was fragst du mich das? Ich markiere mir den ersten Schneefall doch nicht im Kalender.“ Grummelnd zog Ron den Kragen seiner Jacke höher, um sich möglichst gut vor der Kälte zu schützen und folgte seinen Freunden. Im Buchladen angekommen schlich Hermine sofort durch die Reihen und war in ihrem Element, während Ron und Harry sich einige Buchrücken durchlasen und ab und zu welche herausnahmen, die ganz interessant klangen. „Hey, sieh mal was ich gefunden hab“, meinte Ron auf einmal und hielt seinem Freund ein Buch vor die Nase. „Blutsbrüder. Das war doch das Buch über Vampire, oder?“, fragte Harry nach. Der Rotschopf nickte und blätterte sogleich in dem Buch. „Du willst es aber nicht kaufen, oder?“, hakte der Schwarzhaarige skeptisch nach. „Wieso nicht?“ „Naja, weil es...“ Bevor Harry sich eine Antwort überlegen konnte, kam Hermine um die Ecke gebogen, auf dem Arm vier Bücher. Sofort erkannte sie das Buch in Rons Hand. „Du willst dir das kaufen?“ „Jaja, ist ja schon gut“, beschwerte sich der Rotschopf und stellte das Buch zurück ins Regal. „Wollt ihr noch irgendwas?“, erkundigte sich Hermine bei den Jungs, die die Köpfe schüttelten. „Dann können wir ja zur Kasse gehen.“ Gesagt, getan. Während Hermine ihre Bücher bezahlte, standen die beiden Gryffindors etwas abseits und blickten sich um. Mit einem Mal stockte Harry der Atem und ihm wurde schwarz vor Augen. Für einen Sekundenbruchteil sah er die flehenden, schwarzen Augen des Jungen, aus denen ein paar Tränen flossen. „Holt mich endlich hier raus. Bitte!“ „Harry!“ Nach Luft schnappend sah Harry sich um. Er hatte sich an Rons Schulter festgekrallt, welcher ihn stützend am Arm festhielt. Hermine war mit besorgtem Blick zu ihren Freunden geeilt und musterte den Schwarzhaarigen. „Hast du wieder etwas gesehen?“ Harry brauchte einen Moment, ehe er leicht nickte. Luca hatte so kraftlos und verzweifelt geklungen. Wie lange würde der Junge wohl noch durchhalten? „Und? Etwas Neues?“, fragte Hermine wieder. „N-Nein, nichts Neues... Aber ich fürchte der Junge gerät langsam an seine Grenzen.“ „Du solltest das Levin oder Snape sagen“, schaltete sich Ron ein. „I-Ich denke eher Snape“, meinte Harry noch immer leicht durch den Wind. „Levin würde es wohl nur aus der Bahn werfen.“ „Snape ist leider gerade aus der Tür raus“, erklärte die Hexe. „Am besten gehst du gleich zu ihm, wenn wir im Schloss sind.“ Nickend stimmte Harry seiner Freundin zu. Zu dritt verließen sie den Laden und machten sich auf den Weg zum Schloss zurück. Um noch weiter im Dorf herumzustöbern, war es einfach zu kalt.   „Du schuldest mir was“, begrüßte Severus seine Schwester, als er ohne anzuklopfen ihr Büro betrat. „Für was?“ fragte diese irritiert nach. Sie war gerade in die Aufsätze ihrer Schüler vertieft. „Dafür, dass ich nun meinen ganzen Samstag verplempert habe“, antwortete der Slytherin leicht mürrisch und setzte sich in den Sessel, der leicht abseits im Raum stand. „Dass du die Möglichkeit hast, dir über so etwas Gedanken zu machen, zeigt mir, dass alles glatt gegangen ist“, stellte Syndia fest und unterschrieb einen fertig korrigierten Aufsatz. „Naja, wie man es nimmt. Potter ist zwar heil aus Hogsmeade zurückgekehrt, Miss Bell aber nicht. Und es ist ein Wunder, dass er mich nie bemerkt hat. Offensichtlicher hätte ich ihm nun wirklich nicht mehr folgen können.“ „Du wirst ja wohl kaum wie ein Kaugummi an ihm geklebt haben“, kommentierte die Hexe. „Viel hätte dazu aber nicht mehr gefehlt“, grummelte der Tränkemeister. „Ihm auf offener Straße unbemerkt zu folgen ist ein Kinderspiel. Aber ihm in jeden Laden nachrennen zu müssen, welche teilweise nicht größer als dieser Raum sind, ist sowas von...“ „Ich weiß schon was du meinst“, schmunzelte Syndia sanft, aber etwas kraftlos. „Wie geht es Miss Bell denn inzwischen?“ „Kann ich nicht genau sagen, aber sie hatte großes Glück. Sie ist ins St Mungo gebracht worden.“ Mit Sorgenfalten auf der Stirn fragte sie: „Wisst ihr schon, wer ihr das angetan hat?“ „Natürlich“, schnaufte Severus abfällig. „Das war ein kläglicher Versuch von Malfoy an Dumbledore heranzukommen. So einen dummen Plan hätte ich nicht von ihm erwartet.“ „Er ist verzweifelt“, nahm Syndia Malfoy in Schutz. „Die Last auf seinen Schultern ist enorm.“ Seufzend lehnte Syndia sich zurück und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Aber wenigstens ist der Kelch nicht aufgetaucht. Ich hätte Voldemort durchaus zugetraut, dass er ausgerechnet jetzt, wo ich mit den Gedanken woanders bin, versuchen würde ihm den unterzujubeln.“ „Es wundert mich, dass er es nicht versucht hat“, murmelte Severus nachdenklich. „Hoffen wir, dass der Grund nicht der ist, dass er zu beschäftigt mit anderen Plänen ist.“ „Inzwischen nervt es wirklich keine Informationen mehr sammeln zu können“, beschwerte sich der Slytherin weiter. Die Verteidigungslehrerin betrachtete ihren Bruder mit einem undeutbaren Blick, ehe sie wieder auf ihre Unterlagen sah. „Tut mir leid, dass ich dir so viele Sorgen bereite.“ „Rede keinen Unsinn“, sprang der Slytherin auf und trat an den Schreibtisch heran. „Es reicht schon, dass zur Zeit ein depressiver Potter durch die Gegend rennt. Da musst du jetzt nicht auch noch anfangen dir unnötig Gedanken zu machen.“ „Du scheinst dir ja mehr Gedanken um Harry zu machen, als du bisher zugegeben hast“, stellte die Professorin fest und sah ihrem Bruder forschend in die Augen. Grummelnd sagte der Tränkemeister zu seiner Verteidigung: „Es ist nunmal lästig, wenn er ständig nachts zum Astronomieturm rennt oder früh morgens auf dem Gelände herumschleicht.“ „Du hast ihn ja erstaunlich gut im Auge behalten“, wunderte sich die Hexe eine Augenbraue hebend. „Es fällt mir nur bei meinen Rundgängen auf.“ „Hast du ihn denn mal darauf angesprochen?“ Kurz herrschte Stille, in der Severus ins Kaminfeuer blickte. „Ich habe versucht ihm zu verklickern, dass er sich nicht von seinen Schuldgefühlen begraben lassen soll“, murmelte er leise. „Glaubst du, dass es was gebracht hat?“ Wieder wurde es still im Raum. Nach einiger Zeit löste sich Severus vom Anblick des Feuers. „So genau beobachte ich den Jungen nun auch wieder nicht.“ Mit diesen Worten verließ er das Büro und ließ eine nachdenkliche Schwester zurück. Kapitel 15: Stimmungsschwankungen --------------------------------- Harry war fast beim Gryffindorturm angekommen, als Snape ihm entgegen kam. Kurz fragte sich der Gryffindor, was sein Professor hier zu suchen hatte, sagte sich dann aber, dass es passender nicht hätte sein können. Also ging er auf den Tränkemeister zu. „Professor?“ „Ich wusste gleich, dass es keine gute Idee war, sich in der Nähe der Gryffindors aufzuhalten“, grummelte der Slytherin schlecht gelaunt vor sich hin. „Was wollen Sie, Potter?“ „Nun...“, setzte Harry an, verstummte jedoch, als eine Gruppe Gryffindors vorbeikam. Diese sahen leicht ängstlich zu Snape, während der Tränkemeister ungeduldig eine Augenbraue hochzog. „Mir ist nicht gerade danach, hier den ganzen Abend herumzustehen, Potter.“ Als keine weiteren Schüler in Hörweite waren, begann der Gryffindor zu sprechen. „Ich habe Ihren Neffen wieder gesehen. Ich fürchte er hält nicht mehr lange durch.“ Snape atmete durch und sah sich nun ebenfalls nach Mithörern um. „Konnten Sie noch irgendetwas hilfreiches entdecken?“ „Nein. Es waren wieder nur die Augen. Professor Levin sagte nur, dass ich Bescheid geben sollte, wenn ich weitere Visionen bekomme und... naja, ich hielt es für keine gute Idee, ihr zu erzählen, dass ihr Sohn langsam an seine Grenzen stößt.“ „Mit anderen Worten wollen Sie mir sagen, dass wir die Suche schneller vollziehen sollten. Als ob wir nicht schon längst unser Bestmögliches geben würden.“ „Das sollte keine Kritik sein“, beschwerte sich der Brillenträger. „Ich wollte Ihnen lediglich sagen, dass ich ihn wieder gesehen habe.“ „Schön, das haben Sie ja jetzt getan. Dann kann ich mich endlich auf den Weg in mein Büro machen“, meinte Snape kühl und ging den Gang weiter. Harry sah seinem Lehrer nach und wusste nicht, wie er reagieren sollte, bis sich letztendlich die Wut durchsetzte. „Was habe ich Ihnen eigentlich getan?! Ich will nur helfen!“ Als ob der Schwarzhaarige schon auf Harrys Wutausbruch gewartet hätte, drehte er sich zu seinem Schüler. „Das hätten Sie getan, wenn Sie früher mit der Sprache herausgerückt wären.“ Ein paar Ravenclaws kamen um die Ecke und beobachteten verwundert die beiden Streithähne, welche sich aus zwei Meter Abstand anmeckerten. Jeder Schüler wusste zwar, dass Snape und Harry sich nicht leiden konnten, doch einen Streit hatten bisher nur die Schüler aus Harrys Tränkekurs beobachten können. „Die gesamte Situation hatte ich doch erst Vorgestern gesehen und Ihnen Bescheid gegeben. Was hätte ich noch tun sollen?“, brüllte Harry, welcher verzweifelt versuchte sich keine Schuld zuschreiben zu lassen. „Sie sagten selbst, dass es bereits einige Zeit vorher begonnen hatte. Spätestens als ich Sie nach den Erinnerungen fragte, hätten Sie etwas erwähnen sollen“, rief Snape etwas beherrschter als der Gryffindor aus. Harry setzte zu einer Erwiderung an, wusste jedoch nicht, was er antworten sollte. Er wäre sowieso zu keiner Antwort gekommen, da in diesem Moment Levin hinter ihrem Bruder auftauchte. „Wie wäre es, wenn ihr beide jetzt die Klappe haltet! Severus, ich brauche dich mal eben“, sprach die Hexe Arme verschränkend und ruhig, jedoch mit einer gewissen Kälte. Levin hatte es geschafft, dass Ruhe einkehrte und die beiden Streitenden zu ihr sahen. Neben der Verteidigungslehrerin standen außerdem Ron und Hermine, welche stirnrunzelnd das Geschehen beobachteten. Noch immer waren die Ravenclaws da, die nun leise flüsternd den Gang hinuntergingen. Als sie an Harry vorbeikamen, sahen sie ihn neugierig an. Dieser hatte jedoch nur einen kurzen Seitenblick für sie übrig. Snape hingegen sah noch einmal zu seinem Schüler, ehe er seiner Schwester folgte, die sich bereits auf den Weg zu ihrem Büro machte. Harry starrte seinem Lehrer hinterher. Also machte man ihm doch Vorwürfe, Snape hätte es klarer nicht formulieren können. Wenn Harry nicht ein auf bockig gemacht hätte, könnte man den Jungen vielleicht jetzt schon befreien und sein Leid hätte endlich ein Ende. Der Gryffindor bekam nur am Rande mit, wie Ron und Hermine zu ihm traten. „Was war das denn gerade?“, fragte Ron stirnrunzelnd nach. „Ist schon gut“, meinte Harry nur und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum. Verwundert und auch besorgt folgten ihm seine Freunde.   Syndia hingegen begann mit ihrer Standpauke, als sie aus der Hörweite der Schüler waren. „Du hast selbst gesagt, dass Harry sich über zu viele Dinge Gedanken macht. Meinst du etwa, du besserst das, wenn du ihm jetzt auch noch in die Schuhe schiebst, an Lucas Situation Schuld zu sein?!“ „Das habe ich nie behauptet“, verteidigte sich Severus wesentlich leiser. „Du bist so ein Idiot!“, flüsterte Syndia wütend. „Was ist eigentlich mit dir los? Seit wann lässt du dich auf solche Diskussionen überhaupt ein? Und das auch noch mitten im Flur. Wenn ihr euch verplappert hättet...“ „Haben wir aber nicht“, sprach der Slytherin weiterhin ruhig und neutral. „Ich war auch kurz am Überlegen, ob ich dem Bengel nicht Nachsitzen aufbrummen soll, aber dann hätte ich ihn nur noch öfter am Hals.“ „Irgendwas stimmt doch nicht“, sah Syndia ihren Bruder forschend an. „Kannst du mir mal erklären, was der Grund für deine Launen ist?“ „Braucht man einen Grund, um schlecht gelaunt zu sein?“, fragte der Slytherin nur und bog Richtung Treppenhaus ab. Syndia blieb im Gang stehen und sah ihrem Bruder hinterher.   Im Jungenschlafsaal der Gryffindors war schon lange das Licht gelöscht worden und alle lagen schlafend in ihren Betten. Alle bis auf Harry. Dieser lag wach und wartete nur darauf, dass Ron anfing zu schnarchen. Dann schlüpfte der Gryffindor in seine Schuhe und zog seinen Mantel über. Mit Tarnumhang und Karte bewaffnet verließ er den Gryffindorturm. Es wunderte den Brillenträger ein wenig, dass er Snape in keinen der Gänge entdecken konnte. Achselzuckend machte sich Harry auf den Weg zum Astronomieturm, wo er am besten nachdenken konnte. Inzwischen fand der Gryffindor den Weg zum Astronomieturm im Dunkeln und konnte sich somit ohne Licht schnell im Schloss fortbewegen. An der Treppe zum Turm angekommen atmete Harry erleichtert durch. Nur noch die Treppe hoch und er würde an der frischen Luft sein und den See bei Mondlicht betrachten können. Schnell war der Gryffindor oben angekommen und ging geradezu zum Geländer. Den Tarnumhang von sich ziehend sah er zum Waldrand. „Sie sind heute ziemlich früh dran, Potter“, sprach auf einmal eine dunkle Stimme hinter Harry, sodass sich dieser erschrocken umdrehte. Auf der anderen Seite tauchte Snape mit einem mal aus dem Schatten auf. Anscheinend stand er schon eine ganze Weile da und hatte den Eingang beobachtet. „W-Was...?“, begann Harry verwirrt. „Ich hatte mir gedacht, dass Sie hier heute Nacht auftauchen würden. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie bereits so früh kommen“, sprach Snape einfach weiter ohne dabei einen spöttischen Ton anzunehmen. Nein, er sprach völlig neutral. „S-Sie... haben auf mich gewartet?“, fragte der Gryffindor ungläubig. „Um Sie daran zu erinnern, dass die Ausgangssperre bereits gültig ist“, knurrte der Slytherin. „I-Ich wollte...“ „Mir ist schon klar, was Sie wollten, Potter. Fakt ist, dass Sie hier nichts zu suchen haben.“ 'Ihm scheint ja ziemlich langweilig zu sein, wenn er nachts auf Türmen herumlungert, nur um herumschleichende Schüler wieder ins Bett zu schicken.', murrte der Gryffindor in Gedanken. „Schön... dann verzieh ich mich eben“, grummelte Harry, vergrub seine Hände in den Taschen und ging auf die Treppe zu. „Die 30 Punkte Abzug sollten wir nicht vergessen“, meinte der Tränkemeister noch. 'Nanu? Weniger Punkte als die letzten Male?' Harry versuchte sich keine Gedanken darüber zu machen und war bereits die ersten Stufen hinabgestiegen, als Snape ihn noch einmal aufhielt. „Potter.“ Fragend hielt Angesprochener inne und sah zu seinem Lehrer. „Schuldgefühle haben im Fall meines Neffen nichts bei Ihnen zu suchen, verstanden?“, brummte der Schwarzhaarige. Irritiert sah der Gryffindor zurück. „Sir?“ „Egal was ich heute gesagt habe, fangen Sie nicht damit an, sich die Schuld an Lucas' Situation zuzuschieben.“ Noch immer stand Harry verdattert da und sah seinen Lehrer an. Er sagte gerade das genaue Gegenteil von dem, was er ihm heute an den Kopf geworfen hatte. War das etwa Snapes Art sich zu entschuldigen?? „Ähm... ich versuch es“, murmelte Harry, um überhaupt etwas zu sagen. „Sie hatten nur Recht damit, dass ich früher etwas hätte sagen sollen.“ „Das Sie immer jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen“, ächzte Snape und strich sich durch die Haare. „Ich war nunmal sehr schlecht gelaunt und wenn Sie dann auch noch auftauchen und keine Ruhe geben wollen, rutscht mir eben einiges raus.“ 'Jop. Eindeutig eine Entschuldigung!', dachte der Gryffindor erstaunt. Der Brillenträger wusste nun gar nicht mehr, was er sagen sollte, also sah er nervös zu Boden. „T-Tun wir einfach so, als sei nichts passiert.“ Forschend sah Harry auf, um zu sehen, wie sein Vorschlag beim Tränkemeister ankam. Dieser stand noch immer Arme verschränkend da und schien nachzudenken. „Wenn ich dadurch verhindern kann, dass Sie sich jede Nacht hier hochschleichen“, murmelte Snape schließlich. „Zeit schlafen zu gehen, meinen Sie nicht?“ Mit hochgezogener Augenbraue sah der Slytherin zu seinem Schüler, welcher zögerlich nickte und mit einem „Nacht, Professor“ die Treppe hinab ging. 'Was. War. Das?', fragte Harry sich nur und konnte das alles immer noch nicht glauben. Snape hatte sich bei ihm entschuldigt? Für einen Streit, den, grob betrachtet, Harry angefangen hatte?? Diesen Tag musste der Gryffindor sich unbedingt rot im Kalender anstreichen und ganz viele bunte Luftballons dazumalen.   „Du bist heute noch später dran als sonst, Ron. Irgendwann verzauber ich mal deinen Wecker, dass der dir notfalls die Birne einschlägt“, begrüßte Hermine die beiden Jungs, als diese den Gemeinschaftsraum betraten. „Nicht ich habe verschlafen, sondern Harry“, rief Ron empört aus und deutete auf seinen Freund. „Harry...“, meinte die Braunhaarige ungläubig und sah stirnrunzelnd zu dem Schwarzhaarigen, welcher nur nickte. „Das... okay.“ „Ich werde zusammengestaucht und bei Harry nimmst du es einfach so hin?“, beschwerte sich Ron nun wieder. „Du verschläfst ja auch immer.“ Harry versuchte die Streitereien seiner Freunde zu überhören. In der Großen Halle füllten sich die drei Gryffindors schweigend auf, ehe Ron erstaunt innehielt. „Was hat Dumbledore denn mit seiner Hand gemacht?“ Seine beiden Freunde sahen nun ebenfalls zum Schuldirektor, dessen Hand schwarz war, als sei sie abgestorben. „Hat er vielleicht die Kette berührt, die Katie am Wochenende bei sich hatte?“, überlegte Ron weiter. „Nachdem was mit Katie passiert ist, wird Dumbledore dieses Ding garantiert nicht angefasst haben“, warf Hermine leicht patzig ein und schnappte sich den Käse. „Gibt es eigentlich was neues über Katie?“, fragte nun Harry und erhielt die Aufmerksamkeit seiner Freunde. „Naja, sie liegt im St. Mungo“, begann Hermine leicht bedrückt. „Aber von einer Besserung habe ich nichts gehört.“ Kurz trat Stille ein, ehe Ron mit vollem Mund überlegte: „Aber wer hat ihr diese Kette überhaupt gegeben? Und für wen sollte sie sein? Das war eindeutig ein Mordanschlag!“ „Vielleicht sollten wir zuerst überlegen, für wen die Kette sein sollte“, sprach die junge Hexe. „Ich meine, für wessen Tod ist so ein Aufwand nötig? Dumbledore wäre am wahrscheinlichsten.“ Hermine schielte zu Harry herüber, dem ihr Blick jedoch nicht entging. „Oder mein Tod, richtig?“, fragte der Grünäugige monoton und biss von seinem Brötchen ab. „Das kann aber nicht sein“, warf Ron ein. „Wenn Katie das Paket an Harry hätte geben sollen, hätte sie uns nur in Hogsmeade abfangen müssen. Dann hätte dieses Ding auch nicht durch Filchs Kontrolle gemusst.“ Stumm stimmten ihm die beiden anderen Gryffindors zu. Ohne zu weiteren Ergebnissen zu kommen, aßen die drei auf und mussten sich schon bald auf den Weg zum Zauberkunstunterricht machen. Diese Doppelstunde verging zäh wie Kaugummi und auch die nächste Stunde, Verteidigung, war nicht gerade spektakulär. Völlig geschafft gingen die Gryffindors Richtung Kerker, wo sie nun Zaubertränke haben würden. Da ihr Thema bereits seit längerem Gegengifte war, war es nicht verwunderlich, dass die Schüler eines entwickeln sollten, wobei Snape sich wohl eines der kompliziertesten ausgesucht hatte. Somit hatte dieser an fast jedem Schüler etwas auszusetzen und blieb, wie nicht anders zu erwarten war, bei Harry stehen. „Müssten Sie nicht inzwischen wissen, dass man eine Wurzel der Länge nach durchschneidet, wenn man an ihren Saft herankommen will, Potter? Mit ein bisschen logischem Denkvermögen würde da sogar ein 5-jähriges Kind drauf kommen.“ Harry biss die Zähne zusammen, um keinen Kommentar abzugeben und hackte ein wenig zu heftig nun der Länge nach auf die Wurzel ein. „Und so kommen Sie zu gar keinem Ergebnis“, bemängelte Snape wieder lässig. „Sie sollten mal überlegen, ob Sie nicht vielleicht einen brauchbaren Trank zustande kriegen würden, wenn Sie besser mit den Zutaten umgehen würden.“ „Ja weil ich sonst ihre Gefühle verletze und sie dann so böse auf mich sind, dass sie mir den Trank vergiften“, platzte es nun doch sarkastisch aus dem Gryffindor heraus. Er war einfach nicht in der Lage die Klappe zu halten. Es schien wie ein Zwang zu sein. „Eigentlich hatte ich noch den kleinen Hoffnungsschimmer, dass Sie irgendwann erwachsen werden würden. Doch leider scheinen Sie mit acht Jahren in der Entwicklung stehen geblieben zu sein“, zischte Snape nun wieder. Mit funkelnden Augen sah Harry von seiner Wurzel auf in die schwarzen Augen seines Tränkelehrers. „Und Ihre freche Art werden Sie wohl auch nie ablegen“, ergänzte Snape seine Rede kühl. „Ich bin frech. Schön. Dafür werden Sie einfallslos“, pampte der Grünäugige zurück. Hermine zog die Luft ein und sah ängstlich zu ihrem Lehrer, bei dem sie nun einen Wutausbruch erwartete. „Einfallslos, ja“, meinte Snape leise und mit eisiger Stimme. „Nun, dann werde ich wohl weiterhin einfallslos bleiben und Ihnen, wie immer, Nachsitzen verpassen.“ „Hatte ich schon lange nicht mehr“, knurrte der Gryffindor nur und sah weiterhin in die Augen seines Gegenübers. „Dann wird es wohl langsam wieder Zeit“, murrte der Slytherin leise. Im selben Moment öffnete sich die Tür zum Klassenraum, doch die beiden Streithähne sahen sich noch immer kühl an. Erst als ein „Severus?“ erklang, wandte sich der Slytherin langsam der Tür zu, in welcher Levin stand und ihren Bruder und Harry mit hochgezogener Augenbraue beobachtete. „Ich wollte dich fragen, ob ich Mr Potter kurz entführen könnte. Es ist wichtig“, sprach die Hexe, als sei ihr nichts aufgefallen. „Und wenn ich nun Nein sage?“, fragte der Slytherin aalglatt mit hochgezogener Augenbraue. „Du wirst schon jemand anderen zum Streiten finden. Mr Potter, kommen Sie?“ Zögerlich nickte der Gryffindor und legte das Messer beiseite. „Ich habe meine Zustimmung noch nicht gegeben“, gab der Tränkemeister nicht nach. „Hör auf zu versuchen deinen Dickschädel durchzusetzen, Severus“, meinte Levin nun doch energischer und warf einen Blick auf die Schüler, welche diese Unterhaltung hochinteressant fanden. „Ich berufe mich auf das Recht des Älteren. Mr Potter?“ Harry schnappte sich seine Tasche und schob sich an Snape vorbei, welcher das zähneknirschend hinnahm. Als der Gryffindor neben seiner Lehrerin angekommen war, schloss sie die Tür mit einem zuckersüßen „Entschuldige die Störung“ und holte Luft. „Jetzt ist er sauer“, stellte sie fest und ging den Gang hinunter, Harry im Schlepptau. „Hat Severus seine schlechte Laune Ihnen zu verdanken?“ „Ich habe überhaupt nichts gemacht“, murrte der Gryffindor, sodass die Hexe schmunzelte. Der Grünäugige sah auf, als er seine Lehrerin leise lachen hörte. „Ihr beide seid zu köstlich. Ich glaube ich werde mich mal bei Ihrer nächsten Tränkestunde mit Popcorn in die Ecke setzen.“ Nun musste auch der Brillenträger schmunzeln. „Ich glaube nicht, dass das Ihrem Bruder gefallen würde“, meinte er nur und sah wieder den Gang hinunter. „Sie sind die ältere?“ „Ja, Severus ist zwei Jahre jünger als ich“, antwortete Levin schlicht und sah nun mit erhobener Augenbraue zu ihrem Schüler. „Überrascht?“ „Irgendwie schon“, gab Harry kleinlaut zu und kratzte sich am Hinterkopf. Die Hexe schmunzelte noch einmal kurz und sah wieder geradeaus. Der Gryffindor wunderte sich ein wenig über Levins lockere und vor allem heitere Art. Sie schien verdammt gute Laune zu haben. „Ähm, Professor? Wo gehen wir denn jetzt hin?“ „In Dumbledores Büro. So wie es aussieht, haben wir den Namen des Portraitbewohners. Ich brauche nur noch Ihre Bestätigung.“ Ah, das war also der Grund für ihre Laune. Sie waren endlich einen Schritt weiter, was die Suche ihres Sohnes anging. Hoffentlich kamen sie noch rechtzeitig. Vor Dumbledores Büro sprach die Schwarzhaarige das Passwort und die Treppe wurde freigegeben. Schweigend gingen sie hinauf und nach einem kurzen Klopfen betrat die Lehrerin das Büro. „Ah, da seid ihr ja schon“, begrüßte der Schuldirektor sie. „Severus wollten Sie nun in der Mittagspause Bescheid geben, Syndia?“ „Bei dessen Laune, ja“, murmelte Angesprochene, ging auf den Schreibtisch zu und nahm Dumbledore einen Zettel ab und reichte ihn an Harry weiter. „Und?“, fragte sie ruhig, doch Harry vermutete, dass das nur gespielt war. Sie war wahrscheinlich eine genauso gute Schauspielerin wie Snape. Also sah der Grünäugige auf das hingereichte Blatt, das ein Foto von einem blonden, grauäugigen Mann darstellte. „Ja, das ist er“, atmete Harry erleichtert auf. „Sie sind sich sicher?“, harkte Levin nochmal nach. „Ja, ganz sicher“, bestätigte der Gryffindor und gab seiner Lehrerin das Foto zurück. Diese atmete erleichtert durch und schenkte Harry sogar ein leichtes Lächeln, welcher dieses nur erwiderte. „Jetzt, wo wir den Namen haben, werden wir überprüfen, wie viele magische Portraits von ihm gemalt wurden und an wen sie zuletzt verkauft worden sind“, erklärte die Schwarzhaarige fachmännisch. „Er ist ein Lamia, was die Sache noch um einiges leichter macht, da wir über dessen Stammbäume informiert sind. Vielleicht stoßen wir somit auf einen Verwandten, der mit Voldemort in Verbindung gebracht werden könnte.“ 'Für wen arbeitet diese Frau nur, das sie solche Kontakte hat?', fragte der Gryffindor sich verwundert. Gleichzeitig fiel ihm jedoch ein Stein vom Herzen, sodass er nur verstehend nickte. Wenn wirklich alles so gut lief, wie Levin sich das vorstellte, dann wäre Luca in Null Komma nichts befreit. „Sie wissen nicht zufällig etwas über einen Arsenius Conway?“, fragte die Verteidigungslehrerin den Direktor. „Tut mir Leid, aber der Name sagt mir nichts. Ich weiß, dass Sie darauf gehofft haben, dass meine Lebenserfahrung umfangreich genug sei, aber auch ich kenne nicht jeden Zauberer in England.“ Seufzend winkte die Hexe ab: „Hätte ja sein können. Aber ich bin mir sicher, dass wir auch so an Informationen kommen.“ Überlegend musterte Harry seine Lehrerin, der nun wieder deutlich die Anspannung anzumerken war. Sie war durch die neuen Informationen zwar um einiges besser drauf, aber auch unglaublich unruhig. „Harry, du kannst nun gehen. Du warst uns eine große Hilfe“, entließ der Schulleiter den Gryffindor, welcher nach einem kurzen Zögern „okay“ sagte. Er lief jedoch extra langsam zum Klassenraum zurück, sodass er noch einen Korridor weit entfernt war, als es zur Pause klingelte. Achselzuckend und leicht grinsend drehte der Gryffindor um, um zum Mittagessen zu gehen.   „Arsenius Conway“, begrüßte Syndia ihren Bruder in der Mittagspause am Lehrertisch. „Was?“, fragte der Tränkemeister untypischer Weise nach. Seine Schwester hatte ihn mitten aus seinen Gedanken gerissen, sodass er ziemlich überrumpelt wurde. Syndia setzte sich auf ihren Platz und griff gleich nach ein paar Hähnchenschenkeln. „Der Mann im Portrait heißt Arsenius Conway. Sagt dir der Name etwas?“ „Wieso sollte der mir etwas sagen?“, entgegnete der Slytherin nun wieder gefasst. „Na, dieser Mann muss schließlich irgendwie eine Verbindung zu Voldemort oder einem Todesser haben. Wer war hier der Spion, hm?“ Nachdenklich kaute Severus, schüttelte jedoch nach einigen Augenblicken langsam den Kopf. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass der Name jemals gefallen sein sollte.“ „Schade“, seufzte die Schwarzhaarige auf. „Aber wir werden auch so eine Verbindung finden können.“ „Und das sollte der Grund gewesen sein, Potter für den Rest meiner Stunde zu entführen?“, beschwerte sich Severus und erhielt einen bösen Blick. „Er musste uns die Identität des Mannes bestätigen, Severus. Lass deine Laune jetzt nicht an mir aus, nur weil ich dir dein Lieblingsspielzeug weggenommen habe.“ „Spielzeug“, murrte der Slytherin abfällig und beschäftigte sich wieder mit seinem Essen. „Du brauchst gar nicht so zu tun“, griff die Hexe ihn weiterhin an. „Es ist nur zu offensichtlich, dass du Freude daran hast, Harry bei jeder Gelegenheit fertigzumachen.“ „Der Bengel treibt mich zur Weißglut. Tut mir Leid wenn du das mit Freude verwechselst“, konterte der Tränkemeister verächtlich. Syndia atmete tief durch. „Lassen wir es einfach, okay? Ich merke schon, deine Laune ist einfach zu schlecht, als das man vernünftig mit dir reden könnte.“ „Du kannst dich ja mal fragen, wem ich diese Laune zu verdanken habe“, spie der Tränkemeister mit einem weiterhin bösen Blick aus, doch seine Schwester blieb ruhig. „Und dass du mich vor den ganzen Schülern so bloßgestellt hast, soll auch einfach so unter den Teppich gekehrt werden?“ „Du hättest Harry nur gehen lassen müssen“, antwortete die Schwarzhaarige ruhig ohne auch nur aufzublicken. „Dann hätte ich gar nicht erst mit solchen Mitteln arbeiten müssen.“ „Suche nur weiter deine Ausreden“, damit stand Severus verärgert auf und verließ die Große Halle. Seufzend ließ Syndia ihren Blick über die Schüler schweifen. Wenn Severus an einem Montag schon so schlechte Laune hatte, konnte die Woche ja noch sehr lustig werden. Die Schüler, die Severus heute noch unterrichten würde, taten der Schwarzhaarigen besonders Leid. Kapitel 16: Erschreckende Informationen --------------------------------------- Der Mittwoch war herrlich ruhig verlaufen, so ganz ohne den missgelaunten Snape, doch als der Donnerstag anbrach und der Unterricht sich, für Harrys Geschmack, viel zu schnell dem Ende zuneigte, bekam der Gryffindor ein mulmiges Gefühl. Er hatte nie viel Angst vor solchen Extrastunden mit Snape gehabt, doch dessen Laune war inzwischen so schlecht, dass es den Gryffindor nicht wundern würde, wenn er heute einen Wutausbruch zu ertragen hätte. So verabschiedete sich der Schwarzhaarige am Abend von seinen Freunden und machte sich auf den Weg in die Kerker. Zu der Jahreszeit waren diese nicht nur dunkel, sondern auch kalt, sodass sich der Brillenträger seinen Umhang enger um den Körper wickelte. An Snapes Bürotür seufzte der Gryffindor kurz auf und klopfte. Und wartete. Und wartete. Stirnrunzelnd klopfte Harry noch einmal, erhielt aber erneut keine Reaktion. 'Und was jetzt? Abhauen?', fragte sich der Gryffindor ratlos. Letztendlich drückte er probeweise die Türklinke herunter und hatte Erfolg. Leise öffnete sich die Tür und etwas unsicher lukte Harry in den Raum. Als sein Blick nach links fiel, entdeckte er seinen Professor im Sessel vor dem Kamin mit einem Buch in der Hand und den Kopf auf die Hand abgestützt. Erstaunt trat der Gryffindor nun ganz in den Raum. Das Buch lag locker in Snapes Hand. Auch der Kopf war weit vorgeneigt und die Augen geschlossen. Schlief der Mann etwa? „Professor?“, fragte der Brillenträger und erhielt sofort eine Reaktion, die ihn aufschrecken ließ. Der Tränkemeister war zusammengezuckt und blinzelte nun einen Augenblick. Langsam sah er auf und erkannte den Gryffindor, der noch immer unschlüssig bei der Tür stand. „Was...?“, begann der Slytherin und sah irritiert auf die Uhr über dem Kamin. „Was machen Sie hier in meinem Büro?“ Von einer Sekunde auf die andere war Snapes Stimme wie eh und je und auch seine Augen blitzten gefährlich. „Ich... bin wegen Okklumentik hier, Sir“, versuchte Harry seinem Lehrer auf die Sprünge zu helfen. „Sie haben nicht auf das Klopfen reagiert und da dachte ich...“ „Da dachten Sie, Sie könnten sich hier ja mal reinschleichen“, bellte der Tränkemeister und stand auf. „Nein ich... wollte nur sehen, ob Sie da sind.“ „Und wenn ich es nicht gewesen wäre? Was hätten Sie dann getan?“ Verärgert zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Ich wollte nicht herumschnüffeln, wenn Sie das meinen!“ „Erzählen können Sie mir viel, Potter“, tat Snape Harrys Worte ab und ging zu seinem Schreibtisch, nur um kurz die Augen zu schließen und sich die Nasenwurzel zu massieren. „Meine Geduld ist heute nicht die beste, also rate ich Ihnen, mir so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen, verstanden?“ Zögerlich nickte der Gryffindor. „Ich hoffe für Sie, dass Sie geübt haben“, knurrte der Slytherin und trat nun mit seinem Zauberstab bewaffnet um das Pult herum zu seinem Schüler. „So gut es eben geht“, murmelte Harry kaum hörbar. Das war noch nicht einmal gelogen. Seit Sirius' Tod war er sich bewusst, dass er damals hätte üben sollen und hatte es in den letzten Wochen auch getan. Außerdem hatte sich der Gryffindor erhofft, dass er durch das leeren des Kopfes vorm Schlafen einige Albträume fernhalten könnte. „Dann machen Sie sich bereit“, meinte der Slytherin mürrisch und ging in Angriffsposition. „Ob es was gebracht hat, werden wir gleich sehen. Eins, Zwei, Drei, Legilimens.“ Harry hatte überhaupt keine Zeit zur Vorbereitung gehabt, weshalb es nicht verwunderlich war, dass sofort seine Sicht verschwamm. Er saß mit den Dursleys am Essenstisch... „Gib mir die Pfanne“, grunzte Dudley zu Harry... „Du hast das Zauberwort vergessen“...die Dursleys sehen ihn wütend an... „Ich habe 'bitte' gemeint!“ - „HAB ICH DIR NICHT GESAGT DAS WORT MIT Z KOMMT IN DIESEM HAUS NICHT VOR!“ - „Aber ich...“ - „WIE KANNST DU ES WAGEN DUDLEY ZU BEDROHEN!“ - „Ich hab doch nur...“ - „ICH HABE DICH GEWARNT! UNTER MEINEM DACH WILL ICH NICHTS VON DEINER ABNORMALITÄT HÖREN!“² …... „Ich denke, wir könnten ihn in den Zoo mitnehmen und ihn im Wagen lassen...“(1) …... Der elfjährige Harry betrachtete mit großen Augen das Fotoalbum in seiner Hand, das Fotos zeigte, auf denen seine glücklichen Eltern zu sehen waren...... Magda sprach am Tisch: „Du musst dir keinen Vorwurf machen, dass der Junge so geworden ist, Vernon. Wenn im Inneren etwas Verdorbenes steckt, kann kein Mensch etwas dagegen machen. Das ist eine Grundregel der Zucht. Bei Hunden kann man es immer wieder beobachten. Wenn etwas mit der Hündin nicht stimmt, wird auch mit den Welp-“³ … Magdas Glas zerspringt und Harry erhält einen mahnenden Blick von den Dursleys... „Alles eine Frage des Blutes, sag ich immer. Schlechtes Blut zeigt sich einfach. Nun, ich will nichts gegen eure Familie sagen, Petunia aber deine Schwester war ein faules Ei. Kommt in den besten Familien vor.“³ „Verdammt Potter!“, keifte auf einmal Snape und brach die Verbindung ab. „Ihre Erinnerungen werden immer deutlicher, als dass sie verborgen werden!“ Genervt schritt der Tränkemeister auf und ab, während Harry sich keuchend vom Boden hochhiefte. „Dann suchen Sie nach anderen Erinnerungen! Sie picken sich gerade die heraus, die mich am wütendsten werden lassen“, beschwerte sich der Gryffindor und erhielt einen tödlichen Blick. „Beim Dunklen Lord werden Sie sich auch keine angenehmen Erinnerungen ansehen müssen! Sie lassen sich viel zu sehr von Ihren Emotionen treiben. Diese Frau zum Schluss... das war die, die Sie im dritten Schuljahr verzaubert haben, nicht wahr?“ „Sie hat meine Mutter beleidigt!“, verteidigte sich der Gryffindor und hatte eigentlich gehofft, dass Snape ihm in dem Punkt, dass Magda es nicht anders verdient hatte, zustimmen würde. „Darum geht es nicht. Sie haben sich von Ihrer Wut leiten lassen und wären wegen dieser Nummer fast von der Schule geflogen“, keifte der Tränkemeister fröhlich weiter. 'Das kann nicht gut für das Herz sein.', dachte Harry schlicht und schien wirklich nur darauf zu warten, dass sein Lehrer bald einen Kollaps bekommen würde. „Was ist daran so schwer sich zu verschließen? Nach so vielen Wochen sind Sie noch keinen Deut besser geworden! Das ist reine Zeitverschwendung mit Ihnen!“ 'Besser als so verschlossen und einsam zu werden wie er.', dachte der Gryffindor verärgert. „Warum lassen wir das Ganze denn nicht einfach?“, keuchte Harry noch immer erschöpft. „Sie haben Recht, es bringt doch eh nichts.“ „Und mit dieser Einstellung wird es erst recht nichts bringen“, keifte sein Professor zurück. „Noch ein Versuch. Eins, Zwei, Drei...“ 'Jajaja, bloß keine Pause gönnen.', grummelte der Brillenträger in Gedanken und erhob erneut seinen Zauberstab zur Verteidigung. 'Immer gleich nach wenigen Minuten dieses scheiß Legilimens!' Snape hatte gerade seinen Zauber losgeschickt, als auch schon Harrys Sicht erneut verschwamm. Jedoch sah er nicht seine Erinnerungen. Er sah Snape als Jugendlichen, wie er mit seiner Schwester bei einer Beerdigung war. Ihr Vater stand mit versteinerter Miene ein Stück weiter und warf ab und zu böse Blicke zu seiner Tochter, die, wie ihr Bruder, gegen die Tränen ankämpfte, ihr aber, im Gegensatz zum Schwarzhaarigen, trotzdem eine Träne die Wange herunterlief. Als der Vater ihnen den Rücken kehrte, um zu gehen, nahm Levin ihren Bruder in den Arm, woraufhin nun beide die Tränen nicht mehr zurückhielten......Snape stieg aus dem Hogwarts-Express in King's Cross. Harry schätzte, dass er wohl in der ersten Klasse sein musste. „Seeeeev!“, kam seine Schwester angerannt und hätte den Slytherin beinahe umgeworfen. Leicht lächelnd erwiderte er die Umarmung und sah zu seiner Mutter, die ein wenig abseits stand und ihre Kinder schmunzelnd beobachtete...... Harry sah Snape im Erwachsenenalter, wie er eine Wohnstube betrat und seinen Todesserumhang wütend auf den Sessel schmiss. Kurz stand er nur mit geballten, zitternden Händen da, ehe er plötzlich seine gesamte Einrichtung kurz und klein schlug. Letztendlich schrie er auf, raufte sich die Haare, senkte den Kopf und sackte kraftlos in sich zusammen...... Dann sah er Snape zusammen mit Männern in Todesserkleidung ein Gebäude stürmen. Als der Slytherin eines der Zimmer durchsuchte, konnte er gerade noch jemanden durchs Fenster verschwinden sehen. „Sectumsempra“, rief Snape, doch der Zauber verfehlte das Ziel... „Stopp das, Potter!“, konnte Harry seinen Lehrer hören und war irritiert. Im gleichen Moment verschwammen die Bilder vor den Augen des Gryffindors, allerdings konnte er noch etwas hören. So erklang in seinen Ohren ein Schluchzen. „Bitte hör auf!“, flehte ein Junge kraftlos und verzweifelt. „Bitte!“ „Potter!“ Erneut hörte Harry einen Jungen, der aus Leibeskräften schrie: „VERDAMMT DAD! DU TUST MIR WEH!!!“ „Potter!!“ Keuchend fiel der Gryffindor nach hinten und sah zu seinem Professor auf. Der Schrei des Jungen hallte noch immer in seinem Kopf wider, sodass er vor lauter Schock kaum denken konnte. Dieser verzweifelte Junge... war Snape?! Was hat sein Vater mit ihm gemacht, dass er so... Snape hingegen lehnte keuchend an seinem Schreibtisch und sah abwesend und leicht geschockt auf den Boden. Er schien von diesen Erinnerungen überrumpelt worden zu sein und hatte es noch nicht geschafft sich zu sammeln. Nur langsam drang in sein Gedächtnis, dass er vergessen hatte, seine Erinnerungen ins Denkarium abzulegen. Als der Tränkemeister eine Hand hob, um sich das Nasenbein zu massieren, hätte Harry schwören können, dass diese zitterte. Tief atmete der Slytherin durch. „Warum in Merlins Namen haben Sie Legilimentik angewendet?“, versuchte er wütend zu klingen, was jedoch durch die zittrige Stimme zunichte gemacht wurde. „Ich... Ich hab...?“, begann Harry, brach jedoch ab. „Aber ich habe doch gar nicht... Ich habe nicht einmal den Zauberspruch...“ „Sie haben ihn aber gedacht, während Ihr Zauberstab erhoben war“, fiel Snape seinem Schüler ins Wort. „Oh... Ich... Ich wollte nicht...“ „Ist mir schon klar, Potter“, unterbrach der Tränkemeister den Brillenträger erneut. „Der Unterricht ist für heute beendet. Verschwinden Sie!“ Harry schluckte, stand zögerlich auf und murmelte: „E-Entschuldigung.“ Damit trat er zur Tür, wurde jedoch noch einmal aufgehalten. „Und Potter. Kein Wort zu irgendwem. Wirklich zu niemandem“, betonte Snape jedes Wort. „N-Natürlich... Professor“, nickte Harry und verließ zögerlich den Raum. Er stand noch einen Augenblick an der geschlossenen Tür und musste nicht lange warten, bis er hörte, wie in Snapes Büro Glas zu Bruch ging.   „Mein Gott, Harry! Du siehst ja aus als hättest du einen Geist gesehen!“, sprang Hermine auf, als der Gryffindor den Gemeinschaftsraum betrat. „Hä? Geist? Hier schwirren doch genug herum“, runzelte Ron die Stirn. „Ein Muggelspruch, Ron“, tat die Braunhaarige das schnell ab und trat zu Harry, um ihn forschend anzusehen. „War es wirklich so schlimm?“ „Bei der Laune, die Snape hat, kein Wunder, oder?“, mischte sich der Rotschopf erneut ein und kam näher. Murrend schob Harry sich an Hermine vorbei, um sich in den Sessel vor dem Kamin fallen zu lassen. „Aber irgendwas ist doch noch“, murmelte Hermine und setzte sich dicht bei dem Schwarzhaarigen auf das Sofa. „Tut mir Leid Leute, aber ich darf es euch nicht sagen“, seufzte der Brillenträger erschöpft auf. „Äh...“, kam es verständnislos vom Rotschopf, der noch immer herumstand. „Aber... was könnte denn bitte in Okklumentik passieren, was du nicht erzählen darfst?“ Auf einmal weiteten sich die Augen des Weasley, was wohl ein Zeichen der freudigen Erkenntnis war. „Du hast wieder etwas gesehen, stimmt's? Du hast irgendwas von Snape gesehen.“ Hermines Blick huschte von Ron zu Harry, sodass nun beide Freunde den Schwarzhaarigen fragend ansahen. Seufzend senkte dieser den Blick. „Ja... hab ich.“ „Und?“ „Ron, hör auf! Das Thema hatten wir doch schonmal. Es ist klar, dass Harry nicht erzählen darf, was er in Snapes Kopf sehen könnte. Genauso ist es umgekehrt. Snape wird mit Sicherheit auch niemandem sagen, was er bei Harry gesehen hat.“ „Mein Gott, das ist Snape. Bei dem kann man eine Ausnahme machen. Und? Irgendwas, was ihm peinlich wäre?“ Der Brillenträger ignorierte den neugierigen Blick seines Freundes und schüttelte nachdenklich und mit einer gewissen Traurigkeit den Kopf. „Nein, und selbst wenn, würde ich es nicht weitererzählen.“ Mit einem gewinnenden Blick sah Hermine zu Ron, welcher grummelnd seine Hände in den Taschen vergrub. „Aber was war es sonst?“ „Etwas, das... mich zum Nachdenken bringt.“ Harry wurde von beiden stirnrunzelnd angesehen, doch er hatte nicht vor, noch weitere Informationen zu geben. Er hatte Snape versprochen nichts zu sagen. Aber wusste denn wirklich niemand davon? Wusste niemand, dass es Snape bei seinem Vater so schlecht ging? Was war mit seiner Schwester? Erging es ihr vielleicht genauso oder wusste sie von alledem auch nichts? Am liebsten hätte Harry auf seinen Kopf eingeschlagen, um diese ganzen Fragen loszuwerden. Jedenfalls konnte sich der Gryffindor nun etwas besser vorstellen, warum Snape so gefühlskalt war. Levin hatte ihm einmal gesagt, dass sie so erzogen worden sind und nachdem er nun diese Beerdigung gesehen hatte, wo den beiden offensichtlich verboten war zu weinen, wusste er, was sie meinte. „Und nachdem unsere Mutter starb, kam ich nicht mehr zurück.“ Das sprach doch dafür, dass Snape seinen Vater alleine ertragen musste, oder? Verständnislos schüttelte Harry den Kopf. Seine beiden Freunde hatten bemerkt, wie abwesend er war und hatten sich zurückgezogen, um ihrem Freund seine Ruhe zu lassen. Somit hatte der Gryffindor genügend Zeit, um über die verschiedenen Erinnerungen nachzudenken. Jetzt fielen ihm auch wieder Abschnitte des Gesprächs mit Levin ein. Sie hatte damals gesagt, dass sie das Gefühl hatte, dass mit ihrem Bruder etwas nicht stimmen würde. Konnte es wirklich sein, dass Levin nichts von alledem wusste? Konnte man übersehen, dass der eigene Bruder vom Vater misshandelt wurde? Harry erinnerte sich an die Okklumentikstunde, wo Snape sah, wie Vernon ihn geschlagen hatte. Damals hatte er so heftig darauf reagiert. Nachdem, was Harry jetzt gesehen oder eher gehört hatte, ergab es einen Sinn. Er hatte ihn gefragt, wie weit Vernon gegangen war. Wie weit dachte er denn wäre er gegangen? Wie weit war sein Vater gegangen? Was war mit seiner Mutter, Lily? Wusste sie als seine beste Freundin etwas? „Ah!“, rief Harry überfordert aus und raufte sich die Haare. Das waren eindeutig zu viele Gedanken und vor allem zu viele Fragen auf einmal. Und dabei hatte er sich noch nicht einmal Gedanken um diese andere Erinnerung gemacht. Der Wutausbruch. Snape war nach einem Todessertreffen total durchgedreht... und war völlig am Ende. Und dann diese Hetzjagd. „Sectumsempra...“, murmelte Harry. Er kannte den Zauber nicht. Was er wohl bewirkte? Ächzend hievte Harry sich aus dem Sessel und versuchte seine Gedanken bei Seite zu legen. Das waren einfach zu viele Informationen über Snapes Privatleben. Und auch Informationen, die ihn überhaupt nichts angingen.   Am nächsten Morgen beim Frühstück blieb Snapes Platz leer und im Unterricht verhielt er sich so schlecht gelaunt wie die letzten Tage auch. Die einzige Ausnahme, die sämtliche Schüler dazu brachte, verwundert dreinzuschauen war, dass Harry vom Tränkemeister ignoriert wurde. Harry selbst hatte schon mit so etwas gerechnet, da Snape schon im letzten Schuljahr so reagiert hatte. Langsam wurde dieser Kerl für den Gryffindor berechenbar. Was jedoch nur Harry auffiel war, dass der Slytherin immer mal wieder forschende, kühle Blicke zum Brillenträger warf, wenn er gerade nichts zu tun hatte. Auch zum Mittagessen erschien der Tränkeprofessor nicht, was Levin nun doch etwas nervös werden ließ. Ihr war Harrys ständiger Blick aufgefallen, sodass sie diesen nun direkt ansah. Der Gryffindor zuckte kaum merklich mit den Schultern, woraufhin die Hexe sich mit ihrem Essen beeilte und schnell die Große Halle verließ. „Kommunizierst du jetzt schon mit Blicken mit den Snapes?“, sah Ron seinen Freund erstaunt an. „Wie kommst du denn darauf?“, stellte Harry die Gegenfrage. „Du hättest euch beide mal eben sehen sollen.“   Syndia verließ eiligst die Große Halle, um in die Kerker zu verschwinden. Dass Severus sich heute gar nicht mehr blicken ließ, machte ihr Sorgen. Die Hexe wurde das Gefühl nicht los, dass Harry etwas wusste. So beschloss sie den Rest der Pause zu nutzen, um nach ihrem Bruder zu sehen. Bei seinem Büro angekommen klopfte sie, doch auch nach einiger Zeit kam keine Reaktion. Als das zweite Mal klopfen auch nichts brachte, betrat sie leise das Büro. Dort sah sich die Schwarzhaarige um, doch es war kein Mensch zu sehen. Also ging sie auf die nächste Tür zu und lukte vorsichtig in Severus' Wohnzimmer. Ein Feuer brannte im Kamin, sodass der Raum in ein sanftes Licht getaucht wurde. Syndia sah sich weiter um und entdeckte so ihren Bruder auf dem Sofa. Er hatte Schuhe und Robe ausgezogen, sodass er mit Hose und Hemd auf dem schwarzen Sofa lag und tief und fest zu schlafen schien. Leise trat die Verteidigungslehrerin auf das Sofa zu und entdeckte eine leere Phiole auf dem Glastisch. Diese nahm sie an sich und roch vorsichtig daran. Traumlostrank. Die Phiole wieder wegstellend setzte sich die Hexe zu Severus aufs Sofa und strich ihm sanft eine Strähne aus dem Gesicht. „Sev?“, versuchte sie ihren Bruder sanft zu wecken, der jedoch erst nach einem sanften Rütteln der Schulter vor sich hingrummelte. „Was...?“, öffnete er murmelnd die Augen und erkannte seine Schwester. Müde rieb er sich über die Augen. „Wie spät ist es?“ „Gleich halb zwei“, antwortete die Schwarzhaarige nach einem kurzen Blick auf die Uhr. „Ich hab doch nach der Mittagspause keine Schüler mehr“, jammerte der Tränkemeister schon fast und drehte sich auf den Rücken, den Arm über die Augen legend. „Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weil du nicht zum Essen gekommen bist.“ „Ich werde mir nachher was besorgen. Wenn ich wieder wach bin“, murmelte Severus und schien schon wieder im Halbschlaf zu sein. „Was ist denn los mit dir? Irgendwas stimmt doch nicht“, flüsterte Syndia besorgt und hob den Arm ihres Bruders an. „Ich schlafe nur in letzter Zeit nicht gut. Also würdest du jetzt so freundlich sein mich in Ruhe zu lassen?“, meinte der Tränkemeister schon fast patzig. „Dafür muss es doch aber irgendeinen Grund geben.“ „Ah, Syndia!“, beschwerte Severus sich und vergrub sein Gesicht in den Händen. „Was ist mit Harry?“ „Was soll mit ihm sein?“ „Ich werde das Gefühl nicht los, dass er vielleicht mehr wissen könnte als ich.“ „Na dann frag ihn doch, wenn du das unbedingt herausfinden willst, aber lass mich in Ruhe“, pampte der Schwarzhaarige los und richtete sich auf. „Er hat gestern nur ein paar Erinnerungen gesehen.“ „Erinnerungen?“, hob Syndia eine Augenbraue und sah zu ihrem Bruder auf, der sich erhoben hatte. „Ja. Er hat Legilimentik angewendet und Mums Beerdigung gesehen.“ „Wie konnte das passieren? Du bist doch nie so unvorsichtig“, fragte die Hexe noch immer sanft nach. „Indem man völlig übermüdet ist und jetzt hör auf zu nerven“, grummelte Severus verärgert, betrat sein Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.   Das Schloss war wie ausgestorben, als Harry am Samstagmorgen durch die Gänge lief. Nur ein paar Geister begegneten dem Gryffindor und schienen sich zu fragen, was ein Schüler so früh auf einem Samstag in den Kerkern zu suchen hatte. Snape hatte mit ziemlicher Sicherheit diesen Zeitpunkt zum Nachsitzen gewählt, um Harry das Ausschlafen zunichte zu machen. Als Harry sich dem Büro des Tränkemeisters näherte, hörte er Stimmen im Gang. „Wir sollten das nicht noch weiter hinauszögern. So plötzlich und um so eine Uhrzeit wird keiner einen Angriff erwarten“, erkannte Harry die Stimme seiner Verteidigungslehrerin und ging stirnrunzelnd in Richtung des Gespräches. Der Gryffindor fuhr erschrocken zusammen, als er hinter sich ein Knallen hörte und drehte sich um, allerdings konnte er nichts entdecken. „Potter. Was haben Sie jetzt schon wieder angestellt?“, kam der Tränkemeister angerauscht und funkelte seinen Schüler an. „Gar nichts. Ich habe wirklich nichts gemacht.“ „Schön, wie Sie meinen. Und jetzt verschwinden Sie von hier.“ „W-Was?“, fragte der Gryffindor erstaunt nach. Und das Nachsitzen? „Es ist etwas dazwischen gekommen. Wir müssen für eine Weile weg“, trat nun auch Levin zu den beiden. „Der Mann in dem Portrait war ein Vorfahre der Familie Malfoy. Lucius Malfoy besitzt zudem ein Manor, das durch Banne geschützt ist. Das erklärt auch, warum Voldemort Malfoy aus Askaban befreit hat: Ohne ihn kommt er nicht in das Manor.“ „Und Sie... wollen da jetzt hin?“, schlussfolgerte der Gryffindor stirnrunzelnd. So ganz überstürzt und ohne Vorbereitungen? Was war, wenn Voldemort persönlich dort war? „Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Potter. Severus und ich, wir haben beide genügend Erfahrung. Ich weiß, wie ich den Bann schwächen kann und dann werden wir Luca da rausholen“, erklärte Levin entschlossen und legte eine Hand auf Snapes Schulter. „Über einen neuen Termin werden wir noch reden“, meinte Snape nur und folgte seiner Schwester, die deutlich ungeduldig den Gang weiterging. „Ähm dann... viel Glück.“ „Danke“, drehte die Schwarzhaarige sich noch einmal um und lächelte ihrem Schüler zu. Sie schien wirklich optimistisch zu sein. Noch immer perplex stand der Gryffindor im Gang und sah seinen Lehrern hinterher. Irgendwie hatte er kein gutes Gefühl dabei. Wahrscheinlich hatte Levin gerade erst herausgefunden, wo ihr Sohn sich aufhielt und rannte nun völlig überstürzt los. Ohne Plan, ohne Vorbereitung und Snape zog da auch noch mit. Das konnte doch gar nicht gut ausgehen. Andererseits konnte Harry verstehen, dass Levin nicht eine Sekunde lang mehr warten wollte. Harry atmete einmal durch, vergrub seine Hände in den Taschen und schlenderte zur Eingangshalle, wo er spontan entschied etwas an die frische Luft zu gehen. Es schien heute ein sonniger Tag zu werden. Kein Wind war zu spüren, der sonst immer dafür sorgte, dass es bitterkalt war. So war die Temperatur angenehm und gemütlich schlenderte der Gryffindor zum See. Harry war noch nicht weit gekommen, da begann seine Narbe zu schmerzen, sodass er die Hand zu seiner Stirn schnellen ließ. „Und du bist dir absolut sicher?“, fragte er mit kalter Stimme einen Mann in schwarzem Umhang, der vor ihm kniete. „Ja, Herr. Mein Hauself beteuert es. Sie vermuten, dass der Bengel hier ist und wollten sich sogleich auf den Weg machen. So wie es aussieht sind sie alleine.“ „Nun, diese Frau macht aber auch einen Fehler nach dem anderen“, grinste Harry boshaft und begann zu lachen. „Dass sie Severus alles im Flur erzählt hat, wird ihr nun zum Verhängnis werden. Lucius!“ „Ja, Herr?“, kam der Blonde eiligst angelaufen und fiel ebenfalls auf die Knie. „Wie sieht es mit den Schutzzaubern aus? Werden sie durchkommen?“ „Bei den Fähigkeiten, die dieses Weib hat, kann ich mir gut vorstellen, dass sie den Bann genügend schwächen kann. Jedoch werden sie es nicht schaffen unbemerkt zu bleiben.“ „Gut. Haltet euch bereit. Wir werden ihnen einen überraschenden Empfang bereiten“, grinste Harry teuflisch und drehte seinen Zauberstab zwischen den Fingern. „Und bringt den Bengel von hier weg. Selbst wenn sie es bis zum Schloss schaffen sollten, sollen sie den kleinen Plagegeist nicht finden. Schicke McNair und Rowle los, um den Jungen in den Bunker am Waldrand zu bringen. Dort werden sie ihn nicht vermuten.“ Keuchend hockte Harry am Ufer des Sees und kam wieder zu sich. Das durfte nicht sein. Nein, das durfte nicht passieren! Sie werden Levin und Snape fangen, ohne Zweifel und das nur, weil Levin Hals über Kopf handeln wollte. Ein Hauself hatte sie belauscht? 'Der Knall! Das war ein apparierender Elf!', schoss es dem Gryffindor durch den Kopf. Aber was sollte er jetzt tun? Er musste verhindern, dass seine Lehrer in diese Falle tappten. Mit etwas Pech waren sie bereits angekommen und jede Hilfe würde zu spät kommen. ----------   1: Rowling, Joanne K. (1998): Harry Potter und der Stein der Weisen. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.29. 2: Rowling, Joanne K. (1999): Harry Potter und die Kammer des Schreckens. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S. 6. 3: Rowling, Joanne K. (1999): Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S. 29-30, 32. Kapitel 17: Fluchtversuch ------------------------- Noch immer war Harry nicht in der Lage sich zu bewegen. Voldemort würde Snape und Levin fangen. Zwar hatte Levin einige Fähigkeiten, doch der Gryffindor glaubte nicht, dass Voldemort wirklich so unwissend darüber war. Er würde sich schon etwas ausdenken, um die Hexe zu bändigen. „Verdammt!“ Was sollte er jetzt machen? Dumbledore Bescheid sagen? Wusste dieser überhaupt von der Rettungsaktion? Seufzend stand Harry auf, verschränkte die Finger an seinem Hinterkopf und sah unschlüssig zum Schloss. Wenn er hier noch länger herumstand und grübelte, würden die beiden wirklich geschnappt werden. Er musste sie irgendwie abfangen und warnen. Aber wie? Er wusste noch nicht einmal, wo dieses Manor war und er kannte auch keinen Zauber, mit dem man dieses orten konnte. 'Aber es gibt Wesen, die jeden Ort finden.' Der Brillenträger drehte sich zum verbotenen Wald und zögerte. Angenommen er würde die Thestrale finden und diese das Manor... würde er dann überhaupt rechtzeitig ankommen? Was war wenn nicht? 'Sie wissen nicht einmal, wo Luca ist.' Kurz entschlossen stürmte Harry los Richtung Wald und überlegte, wie er die Tierwesen finden konnte. Leider fiel ihm nur die Möglichkeit ein, sich zu verletzen und so nahm er seinen Zauberstab, zog die Hose ein Stück hoch und schnitt sein Bein an der Seite auf. Das Blut lief hinunter und wurde zum Teil von der Socke aufgesogen. Langsam ging der er weiter und sah sich um. Mit jeder Minute, die verging wurde der Schwarzhaarige ungeduldiger. Inzwischen zweifelte er daran, dass er noch rechtzeitig kommen würde. Harry dachte gerade darüber nach, ob er nicht doch zu Dumbledore gehen sollte, als er ein Schnauben hinter sich hörte. Erschrocken drehte er sich um und stand vor einem ausgewachsenen Thestral, das neugierig in der Luft schnupperte. Hinter ihm tauchten noch drei weitere dieser Pferde auf, doch denen schenkte der Gryffindor nur einen kurzen Blick. Sanft streichelte er über den Nasenrücken des Tieres vor sich und ging dann neben das Pferd, dabei über den Hals streichend. „Würdest du mir einen Gefallen tun?“, murmelte der Gryffindor leise zum Thestral, welches nur weiter ruhig dastand. „Ich muss jemandem helfen, der in Schwierigkeiten ist. Bringst du mich zu ihnen?“ Ein kurzes Schnauben war zu vernehmen und Harry sah sich nach einem Baumstumpf um, von dem aus er auf den Rücken des Tierwesens klettern könnte. Sein Blick fiel auf einen umgestürzten Baum, den er nutzte. Er sortierte noch seine Beine, um die Flügel nicht so sehr zu stören und beugte sich dann nach vorne. „Weißt du, wo das Manor von Lucius Malfoy ist, das als einziges durch Banne geschützt ist? Würdest du mich dahin bringen?“, fragte er das Tier ruhig, welches schnaubte und dann etwas ungeduldig mit dem Huf schabte. Harry krallte sich noch fester in der Mähne fest, als der Thestral seine Flügel ausbreitete und loslief. Das Pferd erhob sich in die Lüfte und bahnte sich einen Weg durch die Bäume hoch zum freien Himmel. 'Jetzt gibt es kein zurück mehr.', dachte der Gryffindor und atmete durch. Harry musste schmunzeln als ihm der Gedanke kam, dass er sich hier wahrscheinlich gerade ins Verderben stürzte, um Snape zu retten. Während sich der Gryffindor weitere Gedanken machen konnte, sah er unter sich, wie sich große Waldgebiete erstreckten und es keine Anzeichen von Zivilisation gab. Nach einiger Zeit flog der Thestral immer tiefer, bis er letztendlich an einem Waldrand auf dem Boden landete. Harry sah sich verwundert um, als das Tier im Schritt im Schutz der Bäume am Rand der Lichtung längs lief. Auf einmal erschauderte der Gryffindor kurz, als er ein seltsames Gefühl bekam. Doch so schnell, wie es gekommen war, war es auch wieder verschwunden. Verwundert sah er nach hinten und erkannte, dass die Luft ein wenig bläulich flackerte. War das ein Bannkreis gewesen? Dann hatte Levin ihn also schon geschwächt. Seufzend drehte sich der Gryffindor wieder nach vorne und stockte. Zwischen den Bäumen hindurch konnte er eine Burg sehen, die auf der Lichtung stand. Noch während er staunte, blieb der Thestral stehen und schnaubte leise. Etwas zögerlich ließ sich der Gryffindor vom Rücken gleiten und sah weiterhin zur Burg. Das war also das Manor? Harry wurde angestupst, weshalb er zu dem Pferd sah. „Danke“, murmelte er sanft und strich über die Nüstern des Tieres. Nach dieser kleinen Streicheleinheit ging das Tier an dem Jungen vorbei, tiefer in den Wald hinein. Kurz sah der Grünäugige ihm hinterher, ehe er tief durchatmete und sich wieder auf seine Aufgabe konzentrierte. Der Gryffindor holte seinen Tarnumhang heraus, schlüpfte darunter und näherte sich dem Gebäude. Er war noch gar nicht weit gegangen, da konnte er einige Menschen mitten auf der Lichtung vor dem Manor entdecken. Langsam ging er näher heran und sah, dass es Snape und Levin waren, die von einigen Todessern umringt waren. Ihre Hände waren auf den Rücken gebunden und Lucius Malfoy stand mit einem hämischen Grinsen vor ihnen. Harry ging noch dichter heran, um lauschen zu können und überlegte fieberhaft, was er jetzt tun sollte. Angreifen? Dafür waren es zu viele. „Leider muss ich euch sagen, dass sich der kleine Bengel nicht länger im Schloss aufhält. Ihr seid zu spät“, erklärte Malfoy den beiden Schwarzhaarigen teuflisch grinsend. „Ich hätte nicht gedacht, dass ihr eine so dumme Aktion starten würdet. Das ist ja schon bald Potter-reif. Erst recht nicht von dir, Severus.“ Der Tränkemeister starrte nur kalt zurück ohne etwas zu erwidern. Leise schlich Harry sich herum, um in Levins Blickfeld zu treten und erreichte das, was er wollte. Ihr Blick huschte zu ihm, ansonsten ließ sie sich jedoch nichts anmerken. Harry konzentrierte sich auf nur einen Satz und hoffte, dass Levin ihn verstand. 'Ich weiß, wo sie Luca hingebracht haben.' Levin sah nun geradeaus, um nicht zu auffällig auf eine Stelle zu sehen. Sie schien zu überlegen, ehe sie den Kopf senkte und leise sprach: „Kümmere dich darum.“ Der Gryffindor schluckte. Es würden nur zwei Todesser bei dem Jungen sein, also wäre seine Befreiung für ihn kein Problem. Allerdings wären dann Snape und Levin auf sich allein gestellt. Zögerlich ging der Grünäugige weiter auf das Manor zu. „Was sagst du?“, fragte Malfoy. „Was kümmert es mich, was ihr mit mir anstellen wollt? Ihr habt meinem Mann und meinem Sohn schon so sehr geschadet, dass mich nichts mehr stört“, knurrte die Lehrerin wütend. „Soso“, begann der Blonde und trat zu Snape, um ihm seinen Zauberstab an die Kehle zu halten. „Dann wird es dir wohl auch nichts ausmachen, wenn wir deinen Bruder hier auf der Stelle umbringen.“ Erschrocken blieb Harry stehen und sah unschlüssig zurück. Das konnte er nicht zulassen. Aber verraten durfte er sich auch nicht. Er konnte nur entweder Snape helfen oder Luca. Was für eine verdammte Zwickmühle! Doch Levin deutete ihm mit einem kaum merklichen Nicken an, weiterzugehen. Sich auf die Lippe beißend leistete der Gryffindor diesem folge, lauschte aber weiterhin. „Wenn du das tun würdest, hättest du in den Augen des Dunklen Lords erneut Mist gebaut. Kannst du dir das etwa schon wieder leisten? Mir machst du keine Angst, Lucius“, murrte Snape kühl. „Was ich mir leisten kann und was nicht, geht dich nichts an“, zischte Malfoy unbeherrscht, wurde dann aber wieder ruhig. „Aber der Dunkle Lord macht dir doch sicherlich Angst, nicht wahr? Der wird sich sicherlich gerne für deinen Verrat rächen. Ich konnte Agitot noch nie leiden.“ Agitot? Was sollte das denn sein? „Als ob man das verallgemeinern könnte. Nicht jeder Verenim ist so hochnäsig und einfältig wie du“, meldete sich nun wieder Levin. Verenim? Wovon redeten die da bloß? „Du solltest nicht so vorlaut sein. Wir haben genügend Zeit, um uns noch ein wenig mit euch beiden zu vergnügen. Frage deinen Bruder, der weiß wie erfinderisch Todesser in Sachen Foltermethoden sind.“ Der Brillenträger schluckte und war nun zu weit weg, um noch mehr zu verstehen.   Erleichtert stellte Syndia fest, dass Harry endlich zu kapieren schien. Zu Anfang war es ein Schock für sie gewesen ihn hier zu sehen, doch so war ihr Plan vielleicht sogar leichter in die Tat umzusetzen. Im Schloss wurden die Geschwister Richtung Kerker geschoben, wo sie letztendlich in einer Zelle landeten. „Solange Severus bei ihr ist, wird sie ihre Fähigkeiten nicht benutzen. Es wäre doch zu schade, wenn der geliebte Bruder zu schaden kommen würde“, schmunzelte Malfoy süffisant und verließ zusammen mit den anderen Todessern den Kerker. „Und was jetzt? Warten bis sie uns fast zu Tode gefoltert haben und Luca hier irgendwo eingehen lassen? Warum hast du deine Kräfte vorhin nicht eingesetzt?!“, murrte Severus verärgert. „Wir müssen den richtigen Moment abwarten“, meinte die Hexe ruhig. „Hättest du dir lieber den Weg ins Schloss freigekämpft? So war es doch nun wesentlich einfacher hier reinzukommen. Und um Luca werden wir uns hoffentlich keine Sorgen machen müssen. Harry wird ihn befreien.“ „Potter??!“, sah der Tränkemeister seine Schwester nun verwundert an. „Ja. Er ist uns gefolgt. Er weiß wo Luca ist und ich habe ihn zu ihm geschickt.“ Kurz dachte Severus nach, ehe er murmelte: „Kümmere dich darum.“ „Genau, das war an Harry gerichtet. Er hat sich auf den Weg gemacht, auch wenn es ihm offensichtlich schwer fiel uns im Stich zu lassen.“ „Wie kommt er überhaupt hierher? Und warum ist er uns gefolgt, verdammt nochmal?! Kann der Bengel auch mal einmal das machen, was er soll?!“ „Ich weiß nicht wie er hierher gekommen ist“, ignorierte Syndia die scharfen Worte. „Jedenfalls sollten wir nichts unternehmen ehe wir wissen, wo die Jungs sind.“ „Und wie willst du das in Erfahrung bringen?“ Schmunzelnd sah Syndia zu ihrem Bruder. „Es wird sicherlich nicht unentdeckt bleiben, wenn Luca verschwinden sollte. Sobald wir sicher sein können, dass die beiden in Sicherheit sind, können auch wir diesen Ort verlassen. Vorher gehe ich hier nicht weg.“   Mit jedem Schritt, den Harry sich weiter von der Gruppe entfernte, wurde sein schlechtes Gewissen größer. Er konnte seine Lehrer doch nicht der Folter der Todesser überlassen! Andererseits war wohl Levins größter Wunsch Luca in Sicherheit zu bringen. Bald fand er eine Vertiefung im Boden. Langsam ging er darauf zu und sah, dass es ein Loch war, welches vor den Eingang eines Betonblockes unter der Erde führte. So leise und vor allem unsichtbar wie möglich kletterte der Schwarzhaarige in das Loch. Einen Augenblick lauschte er, doch es war absolut nichts zu hören. Also ging der Gryffindor vorsichtig in den unterirdischen Raum. Anfangs hatte er die Befürchtung, dass er seinen Zauberstab zur Beleuchtung brauchen würde, doch dann sah er Licht von vorne links in den Gang fallen, wo sich ein Nebenraum befand. An der Wand längs schleichend, hörte Harry Männerstimmen. „Die haben aber nicht vor, uns den ganzen Tag die Aufsicht übernehmen zu lassen, oder?“, beschwerte sich ein Mann mit tiefer, brummiger Stimme. „Wenn der Lord es befiehlt, solltest du diese Aufgabe mit Freuden erledigen, Rowle“, keifte ein anderer Mann mit ebenso tiefer und vor allem bedrohlicher Stimme. „Und du hör auf zu jammern!“ Ein Geräusch war zu hören, was dafür sorgte, dass ein gequältes Aufschluchzen zu hören war. Luca! Noch einmal durchatmend trat Harry leise in den Türrahmen und sah sich die Situation an. Ein Junge mit kurzen, schwarzen Haaren, der definitiv Luca war, lag in der hintersten Ecke in sich zusammengerollt und sah einfach nur furchtbar aus. Seine Klamotten waren völlig zerrissen und blutgetränkt. Die entblößte Haut war entweder aufgeschürft oder blau. Zusätzlich zitterte er leicht, während ein kaum hörbares Wimmern von ihm kam. Der eine Mann, den Harry als den Henker erkannte, der Seidenschnabel hatte richten wollen, stand eben noch vor dem Jungen, ging jedoch wieder zu seinem Kollegen zurück, der in der Mitte des Raumes auf einer Kiste saß, vor sich eine Lampe stehen habend, welche als einziges den Raum erhellte. Diesen Todesser kannte der Gryffindor nicht, allerdings wirkte dieser große, blonde Kerl mindestens genauso furchteinflößend wie der Henker. „Wenn diese verfluchten Lamia endlich tot sind, können wir uns den Bengel auch vom Hals schaffen. Ich habe es satt immer den Babysitter spielen zu müssen“, beschwerte sich der Henker und setzte sich neben Rowle. „Snape wird für seinen Verrat noch genügend Strafe erhalten“, kicherte Rowle freudig. „Am besten wäre es, wenn der Lord Bella die Folter überlassen würde. Sie weiß, wie man jeden Kerl brechen kann.“ Das war genug. Wütend richtete Harry seinen Zauberstab auf Rowle und sprach einen Schockzauber, der mitten ins Schwarze traf. Erschrocken sprang McNair auf und suchte nach dem Angreifer. Allerdings war er zu langsam und nach einem weiteren Stupor lag auch er auf dem Boden. Der Gryffindor schenkte den Todessern keine weitere Beachtung, sondern nahm den Tarnumhang ab und rannte zum Jungen, welcher von dem ganzen Tumult anscheinend nichts mitbekommen hatte. Vorsichtig kniete Harry sich neben den Schwarzhaarigen, welcher leise schluchzte. Als er sanft die Hand auf Lucas Schulter legte, zuckte dieser heftig zusammen und sah mit vor Schreck geweiteten Augen auf. „Keine Angst. Ich will dir nur helfen“, versuchte der Grünäugige den Jungen zu beruhigen. „Ich werde dich hier rausholen, okay?“ Noch immer leicht skeptisch sah Levins Sohn Harry an, sodass dieser überlegte, wie er das Vertrauen des Jungen gewinnen konnte. „Ich bin Harry. Die Nachrichten, die du gesendet hast... die habe ich bekommen. Von deiner Mutter wusste ich, dass du hier bist.“ „M-Mum?“, kam es zittrig von dem Jungen. „Ja, von deiner Mum“, lächelte der Grünäugige sanft. „Jetzt gehen wir hier erstmal schnell raus, okay? Dann wirst du deine Mum auch wiedersehen.“ Luca nickte leicht und richtete sich mit Harrys Hilfe auf. Sich den Kopf haltend saß er da und schien sich erstmal fangen zu müssen. „Meinst du du kannst laufen?“ „Ja... ich denke schon“, murmelte der Junge leise und zog sich an dem Gryffindor hoch bis er fast aufrecht stand. „Es geht gleich.“ Der Brillenträger nickte kurz und schon ließ Luca ihn los und machte ein paar vorsichtige Schritte. Es schien wirklich zu gehen. Harry hatte nur das Gefühl, dass der Junge lange Zeit nicht gelaufen war. Mit vorsichtigen Schritten dirigierte Harry ihn zum Ausgang. Im Loch angekommen hob er den Jungen vorsichtig hoch und erschrak über das geringe Gewicht. Er war nur noch Haut und Knochen. Etwas schwächlich zog sich Luca hoch und wartete im Gras liegend bis auch Harry neben ihm auftauchte. Kurz blickte dieser über das Gelände und zog dann den anderen auf die Beine. „Wir sollten uns beeilen“, murmelte er und ging Richtung Wald, der hoffentlich genügend Schutz bieten würde. 'Und was jetzt?', überlegte der Schwarzhaarige fieberhaft. 'Der Thestral! Der ist hier mit Sicherheit noch irgendwo in der Nähe.' Das viele Blut, dass an Lucas Körper klebte, würde das Tier sicher schnell anlocken. „Wo gehen wir hin?“, fragte der Junge erschöpft klingend. „Wir suchen einen Thestral.“ „Ich kann das Tier aber nicht sehen.“ „Das macht nichts. Ich schon“, entgegnete Harry ruhig, wunderte sich jedoch, dass es selbstverständlich zu sein schien, dass ein 10-jähriger Junge wusste, was ein Thestral war. „Und du bist sicher, dass er hier ist?“ „Ich habe ihn hier in den Wald reinlaufen sehen. Das Blut wird ihn anlocken“, versuchte der Grünäugige der Frage auszuweichen. Er wusste wirklich nicht, ob das Tier noch hier war. Vielleicht war es auch schon wieder auf dem Weg nach Hogwarts. Erschrocken zuckten die beiden Jungen zusammen, als ein Stück hinter ihnen rote Funken in die Luft flogen. „Nicht gut“, murmelte der Junge und stellte sich dichter neben den Gryffindor. Dieser versuchte die Quelle des Zaubers auszumachen und erkannte nun einige Gestalten zwischen den Bäumen. Eindeutig Todesser. „Verdammt!“ Harry drehte sich um und rannte los, darauf achtend, dass Luca mitkam. Allerdings war der Junge in keiner guten Verfassung, sodass sie nicht so schnell vorankamen. Die Todesser kamen immer näher, so dass ihre Rufe schon zu hören waren. „Komm her!“, packte Harry Luca am Arm und zog ihn hinter einen großen Baumstamm. „Was hast du vor?“ Die Frage erübrigte sich, als Harry seinen Tarnumhang herausholte und ihn über sie beide warf. „Und jetzt so leise wie möglich sein“, flüsterte der Gryffindor und ging den Jungen am Arm haltend langsam weiter, darauf bedacht die Blätter auf dem Boden nicht zu sehr zu bewegen. „Sie waren eben noch hier“, konnten die Jungs einen Todesser ganz in der Nähe rufen hören. Nervös blieben sie stehen und versuchten keinen Mucks von sich zu geben, während sie einige Todesser beobachteten, die an ihnen vorbeiliefen. „Ihr beide sucht in der Richtung und ihr dort. Wer etwas findet gibt ein Zeichen.“ Sofort strömten die Männer in alle Richtungen, während die beiden Schwarzhaarigen noch immer an der gleichen Stelle standen. Als alle weit genug weg waren, zog Harry Luca am Ärmel weiter. Eine ganze Weile war nichts von den Todessern zu sehen, sodass der Grünäugige erleichtert durchatmete. Mit dem Tarnumhang würden diese Kerle kein Problem sein. Jetzt musste er nur noch überlegen, wie er Luca am sichersten nach Hogwarts bringen konnte. Ganz in der Nähe schlich Malfoy herum und sah sich in alle Richtungen um, sodass sie stehen bleiben mussten. Leider kam er immer näher, bis er nur noch wenige Schritte von ihnen entfernt stand. Beide wagten es kaum zu atmen und waren erstarrt. Malfoy runzelte die Stirn, als sein Blick auf den Waldboden fiel. Zögerlich sah Harry auf die selbe Stelle und stellte entsetzt fest, dass auf einigen Blättern Blut zu erkennen war. Der Blick des Blonden folgte der Blutspur bis zu der Stelle, wo Luca stand und sah verwundert, wie dort scheinbar aus dem Nichts weiteres Blut auf die Blätter tropfte. Die Augen vor Erkenntnis aufgerissen hob er den Blick und hob gerade seinen Zauberstab, als Harry den Tarnumhang von sich riss und einen Stupor auf den Blonden richtete. Noch während dieser umfiel, schossen rote Funken in die Luft, denen Luca erschrocken nachsah. „Dort drüben!“, hörte Harry jemanden hinter sich rufen, sodass er sich erschrocken umdrehte. Von fast allen Seiten kamen nun die dunklen Gestalten näher. Entschlossen packte er den anderen am Arm und zog ihn rennend in eine Richtung, aus der keine Todesser kamen. „Da laufen sie!“ „Komm Luca, das schaffst du!“, keuchte Harry beim Laufen und versuchte den Jungen dazu zu bewegen, all seine Kraft zusammen zu nehmen, doch der jüngere war einfach zu geschwächt. Kurzerhand hob Harry ihn hoch und rannte weiter. Sie waren bereits ein Stück gelaufen, als sie mit einem Mal an den Rand des Waldes stießen und auf hartem Fels liefen. Der Gryffindor ließ sich davon nicht stören und lief weiter, ehe er eine Vollbremsung hinlegen musste. Beinahe wären er und Luca über die Kante des Felsens gestürzt und keuchend setzte Harry den Jungen ab, während er die Schlucht hinuntersah. Unter ihnen bahnte sich ein großer, reißender Fluss mit gefährlich aussehenden Felsen einen Weg durch die Landschaft. „Wir haben sie gleich!“ Panisch drehten sich die Schwarzhaarigen um und sahen bereits die ersten Todesser aus dem Wald treten. Luca rannte flussabwärts los, was ihm der Gryffindor kurzerhand nachtat. „Gebt auf! Wir kriegen euch sowieso!“ Der Weg schien immer steiler nach unten zu gehen, sodass auch die Strömung des Flusses zunahm. Wenn man den Flussverlauf betrachtete, sah man, dass weiter unten das Ufer flacher wurde und mit Gras bedeckt war. 'Wir können nicht ewig durch den Wald rennen', dachte Harry leicht verzweifelt. Im gleichen Moment kam ein überraschter Schrei von Luca, was den Älteren dazu verleitete, zu ihm zu sehen. Offenbar hatte ein Fluch das Bein des Schwarzhaarigen getroffen, welcher das Gleichgewicht verlor und drohte die Klippe hinunter in den Fluss zu fallen. Schnell griff Harry nach dem Jungen, doch er konnte ihn nicht mehr zu sich ziehen. So stürzten beide zusammen den Felsen hinunter und wurden kurz darauf von eiskaltem Wasser umhüllt. Allein die starke Strömung schien zu verhindern, dass das Wasser gefror, denn es war so kalt, dass Harry für kurze Zeit bewegungslos war und schwarz vor Augen wurde. 'Nein, nicht ohnmächtig werden. Denk an Luca.', versuchte sich der Gryffindor bei Bewusstsein zu halten und schwamm an die Oberfläche. Dort angekommen musste er feststellen, dass es verdammt schwer war sich oben zu halten und er immer nur aufschäumendes Wasser vor Augen hatte. Nicht weit von sich entfernt sah Harry Luca darum kämpfen an der Luft zu bleiben und er packte den Jungen und zog ihn an sich. Ein Aufblitzen neben sich ließ Harrys Blick kurz nach oben schnellen, wo einige Todesser auf dem Felsen standen und Flüche herunterschickten. „Achtung!“, rief er aus, als ein Fluch gefährlich nah kam und tauchte zusammen mit Luca unter. Während Harry gegen die Strömung ankämpfte und nur noch das Rauschen des Wassers im Ohr hatte, rief er sich immer wieder in Erinnerung, den Jungen auf gar keinen Fall loszulassen. So geschwächt, wie der war, würden ihn die Fluten gegen die Felsen donnern. Panisch schnappten die Jungs nach Luft, als sie das nächste Mal an die Oberfläche kamen. Sie waren bereits ein ganzes Stück getrieben und für die Todesser war es unmöglich sie noch einzuholen. „Pass auf die Felsen auf!“, rief der Gryffindor Luca zu und zog ihn näher zu sich, während er sich mit den Füßen von einem Fels abstieß, um nicht dagegengeschleudert zu werden. Erneut wurden die beiden in die Tiefe gerissen und für einen kurzen Moment hatte Harry die Hand des Jungen verloren. Als er erneut nach Luft schnappen konnte, hatte dieser ihn jedoch wieder am Arm gepackt. Für den Gryffindor war es schwierig bei dem unruhigen Wasser Felsen rechtzeitig zu sehen, zumal er seine Brille bereits beim Sturz ins Wasser verloren hatte. Allerdings konnte er erkennen, dass das Ufer flacher geworden war und so versuchte er so gut wie möglich sich und Luca an den Rand des Flusses zu bringen. „Bei der ersten Gelegenheit hältst du dich am Ufer fest“, befahl er, konnte jedoch nicht weitersprechen, da er erneut untertauchte. Luca antwortete nicht, schien jedoch verstanden zu haben, da er immer wieder mal Versuche startete, sich an langen Grasbüscheln festzuhalten, jedoch ohne Erfolg. Nach zwei weiteren Tauchgängen sah Harry vor sich eine ganze Reihe Felsen auf sich zukommen, denen sie wohl nicht so einfach ausweichen konnten. Mit aller Kraft packte der Gryffindor den Jungen an den Seiten und hievte ihn Richtung Ufer, wo dieser es nun tatsächlich schaffte sich festzuhalten. Das änderte aber nichts daran, dass er selbst noch immer auf die Felsenkette zutrieb. Panisch versuchte er weiter in die Mitte zu schwimmen und schaffte es tatsächlich, sich mit den Füßen von einigen Felsen abzustoßen und rückwärts an ihnen vorbeizukommen. „Harry!“, hörte der Grünäugige Luca vom Uferrand aus rufen und spürte im nächsten Moment einen fürchterlichen Schmerz am Hinterkopf, bevor ihm schwarz vor Augen wurde. Kapitel 18: Tödliche Kälte -------------------------- „Raus mit euch!“, forderte einer der beiden Todesser, die vor der Zelle der beiden Snapes aufgetaucht waren. Zögerlich kamen die beiden Schwarzhaarigen heraus, wobei der Mann, der bereits gesprochen hatte, Syndia grob schubste. „Ein bisschen schneller.“ „Fass meine Schwester nicht an, Yaxley“, fauchte Severus eiskalt und funkelte Angesprochenen an, der ihm zur Antwort die Faust in den Magen rammte. Severus keuchte auf und krümmte sich, ließ seinen kalten Blick aber nur kurz sinken. „Ich glaube du hast vergessen, in was für einer Situation du steckst, Snape“, spuckte Yaxley verächtlich aus und schielte grinsend zu der Hexe herüber. „Sei froh, dass wir sie noch nicht anders anfassen. Noch hat der Dunkle Lord nicht entschieden, wer die Ehre haben wird.“ Der Tränkemeister schluckte seine Wut herunter, während Syndia die Zähne zusammenbiss, ansonsten jedoch keine Reaktion zeigte. Die beiden wurden aus den Kerkern heraus und scheinbar zum großen Hauptraum des Schlosses geführt, der eine dunkle Halle darstellte, an dessen Ende sich ein riesiger Kamin befand. Das Feuer beleuchtete als einziges den Raum und ein Stück davor thronte ein schwerer Stuhl, auf dem eine Gestalt saß, die wegen dem Feuerschein jedoch nicht zu erkennen war. Kurz vor dem Thron wurden die beiden Lamia auf die Knie gezwungen und von den beiden Todessern genau im Auge behalten. Voldemort erhob sich bedächtig aus seinem Stuhl und sah auf seine Besucher hinab. Ein leichtes, schadenfrohes Schmunzeln erschien auf seinen Lippen. „Severus, schön dich mal wieder zu sehen. Du hast dich lange nicht mehr blicken lassen.“ Der Tränkemeister starrte auf den Boden vor Voldemorts Füßen und schwieg, was dem selbsternannten Lord missfiel. Langsam trat er auf seinen ehemaligen Todesser zu. „Es ist unhöflich nicht mit dem Gastgeber zu sprechen. Hat dir deine Mumy das nicht beigebracht? Ach, wahrscheinlich hatte sie bereits beschlossen abzukratzen, bevor sie dazu kam, euch Manieren beizubringen“, höhnte der Schlangenkopf und trat Severus in die Seite, sodass er umfiel. Gleich darauf richtete Slytherins Erbe einen Cruciatus auf den Schwarzhaarigen, welcher die Augen schloss, die Zähne zusammenbiss und sämtlich Muskeln anspannte, sodass sie stark zitterten. Wütend darüber, dass der Schwarzäugige den Fluch so gut wegzustecken schien, verstärkte der Lord diesen. Nun konnte der Tränkemeister nicht mehr verhindern sich zu verkrampfen, auf dem Boden zu winden und gequälte Laute von sich zu geben, bis er letztendlich schrie. Syndia schloss die Augen und versuchte die Schreie ihres Bruders auszublenden, während sie regungslos dahockte. Nach viel zu langer Zeit beendete Voldemort den Fluch und trat ein Stück zurück. „Vielleicht bist du jetzt bereit zu reden, mein Guter. Seit wann schon spionierst du für Dumbledore?“ Severus lag keuchend da und schwieg, während er auch noch die Dreistigkeit besaß, dem Lord furchtlos direkt in die Augen zu sehen. Voldemort zischte durch die zusammengebissenen Zähne und schickte den nächsten Cruciatus auf den Schwarzhaarigen, welcher diesmal sofort anfing zu schreien. „Wenn dir das nicht genug ist, wird sich Bella sicherlich gerne um dich kümmern!“, schrie das Schlangengesicht ihm entgegen und löste nach einigen Augenblicken den Fluch, sodass Severus keuchend und zittrig dalag. „Oder aber“, begann Voldemort und trat näher zu Syndia, um seinen Zauberstab auf sie zu richten, „wir foltern deine Schwester ein wenig. Mal sehen, ob du dann redest. Sollte das auch nicht helfen, werde ich Bella bitten ihr Messer zu holen, um euch beide ein wenig von eurer Haut zu befreien. Und nicht zu vergessen, dass ich einigen deiner ehemaligen Kollegen versprochen habe, sich ein wenig mit deiner Schwester vergnügen zu können“, fuhr Voldemort fort und wartete auf eine Reaktion seitens Severus. Dieser regte sich jedoch nicht und sah nur geradeaus, was den Lord zur Weißglut trieb. Syndia hingegen versuchte sich immer weiter in sich zu kehren, um keinerlei Gefühlsregungen zu zeigen. Jetzt hatte es einen Nachteil, dass sie darin nicht mehr so gut war wie früher. In so einer Situation fand sie ihren Bruder bewundernswert. „Fahr zur Hölle!“, spie die Hexe hasserfüllt aus. „Ihr scheint es nicht anders zu wollen!“, spuckte Voldemort wütend aus und wollte gerade einen Fluch auf Syndia hetzen, als Lucius Malfoy die Halle betrat. „My Lord?“ „Lucius“, meinte Voldemort scheinbar wieder völlig ruhig und senkte seinen Zauberstab. „Du hast lange gebraucht.“ „Genau darüber muss ich mit Euch reden, Herr“, entgegnete Malfoy unterwürfig und trat näher heran. Dem Erben Slytherins missfiel diese Unterbrechung sichtlich, letztendlich gab er jedoch nach. „Schafft sie mir aus den Augen!“, keifte er und Syndia stand bereitwillig auf, während ihr Bruder grob hochgezogen wurde. Die Schwarzhaarige warf ihm einen besorgten Blick zu, aber Severus sah nicht zurück und zeigte keinerlei Gefühlsregungen. Sie wurden aus der Halle geführt, wobei die Hexe vorsichtig zurück in die Halle schielte. „Lausche“, flüsterte die Lehrerin ihrem Bruder zu, welcher eine Augenbraue hob, dann jedoch auf sie hörte. „Herr, es gibt da ein Problem. Potter ist hier aufgetaucht und hat es geschafft den Jungen zu befreien. Sie sind in den Wald geflüchtet und in den Fluss gefallen. Bei der starken Strömung haben wir sie aus den Augen verloren“, konnte der Tränkemeister Malfoy sprechen hören, während er weiterlief. Voldemort zischte etwas zur Antwort, was Severus nicht mehr verstand. „Was hörst du?“, fragte Syndia und Severus sah sie fragend an. Wieso fragte sie ihn? Konnte sie es nicht selber hören? „Es wird nicht geredet!“, keifte einer der Todesser und schubste Syndia weiter, welche das ignorierte. Sie schielte zu ihrem Bruder herüber, der seine Mauern kurz fallen ließ, damit sie seine Gedanken lesen konnte. 'Sie sind entkommen. Sie sind im Wald.' Entschlossen nickte Syndia und blieb abrupt stehen, sodass der Todesser hinter ihr fast in sie hineingelaufen wäre. Schnell hob die Hexe ihren Ellenbogen und verpasste ihrem Wächter eins auf die Nase, welcher überrumpelt nach hinten fiel. Zur gleichen Zeit reagierte Severus, welcher seinen eigenen Ellenbogen in Yaxleys Magen rammte, welcher sich daraufhin schmerzvoll stöhnend vorbeugte. Schnell drehte sich der Tränkemeister um und gab dem Todesser mit dem Knie einen Kinnhaken, sodass auch dieser auf dem Boden zum liegen kam. Syndia hatte ihren Gegner bereits ausgeschaltet und hockte sich neben diesen und bekam, etwas umständlich mit den Fesseln, einen Zauberstab zu fassen, mit dem sie ebenso umständlich die beiden Männer schockte und fesselte. Danach trat sie ein Stück von Severus weg, schloss die Augen und sofort flackerte die Luft um sie herum. Keine drei Sekunden später waren ihre Fesseln aufgebrochen, sodass die Hexe zu ihrem Bruder laufen konnte, um auch seine Fesseln zu lösen. „Wo genau sind die beiden? Weißt du das?“, fragte sie Severus während sie den Knoten löste. „Lucius meinte sie seien in einen Fluss gefallen.“ Erschrocken sah Syndia auf. „Im Winter?! Wir müssen uns beeilen.“ Schnell liefen sie zu den Gefesselten und suchten ihre Zauberstäbe. Als Severus sie entdeckte, warf er Syndia ihren zu und sie verließen leise, jedoch schnell und unbemerkt das Manor. Zu ihrem Leidwesen mussten sie feststellen, dass Voldemort offenbar all seine Männer losgeschickt hatte, um nach den Jungs zu suchen, und so wimmelte es draußen nur von Todessern. „Wenn wir Pech haben sucht der Dunkle Lord höchst persönlich nach ihnen“, flüsterte Severus seiner Schwester zu. „Er wird sich Potter nicht durch die Lappen gehen lassen.“ „Dann müssen wir eben schneller sein als er“, erwiderte Syndia und belegte sie beide kurzerhand mit einem Desillusionierungszauber. Das war zwar nicht so effektiv wie ein Tarnumhang, aber es reichte aus, sodass Syndia und Severus ungesehen über die Wiese huschen und zwischen den ersten Bäumen verschwinden konnten. Etwas ratlos sahen sie sich um, immer auf der Hut vor den umherschleichenden Todessern. „Und jetzt? Welche Richtung?“, fragte der Tränkemeister. „Wir werden schon auf etwas stoßen“, murmelte die Schwarzhaarige optimistisch und lief los, gefolgt von ihrem Bruder. „Achte einfach darauf, ob du Wasser rauschen hörst.“ Ziellos rannten sie durch den Wald und legten dabei vier Todesser lahm, bis Severus wirklich etwas hörte und eine bestimmte Richtung einschlug. Nach weiteren drei Minuten des schweigsamen Wanderns hörte auch Syndia das Wasserrauschen. Vor ihnen entdeckten sie drei Todesser, die miteinander sprachen und sie nicht sehen konnten. Von Baum zu Baum schleichend, näherten sich die Snapes ihnen, als würden sie nicht zum ersten mal so zusammenarbeiten. Als sie dicht genug für einen Angriff waren, verständigten sie sich mit einem Blick und griffen an. Völlig überrumpelt konnten die Todesser nicht rechtzeitig reagieren und wurden überwältigt. Ohne die drei weiter zu beachten, rannte Syndia weiter, gefolgt von Severus. Schon bald gelangten die beiden Professoren an den Rand des Waldabschnittes und sahen die Klippe hinunter. „Oh bei Merlins...“, hauchte Syndia erschrocken, als sie sah, wie stark das Wasser tobte. „Das ist ja lebensgefährlich!“ „Noch ein Grund mehr die beiden schnell zu finden“, murmelte Severus und duckte sich schnell weg, als ein Fluch auf ihn abgeschossen wurde. Den Fluss hinunter trieben sich die restlichen Todesser herum und hatten die beiden sofort entdeckt. Ohne groß Deckung zu suchen lief Syndia den Hügel hinunter und kam den Todessern so kämpfend entgegen. Severus blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen und sie zu unterstützen. Die Hexe kämpfte sich unerbittlich voran, kannte weder Skrupel noch Angst. Langsam machte Severus sich Sorgen, dass Syndia durch ihre Angst um ihren Sohn nun völlig durchgedreht war und sich in ihren eigenen Untergang stürzte. Doch zu seinem Erstaunen konnten sie die Todesser tatsächlich besiegen und Syndia hatte nur noch Augen für den Fluss. „Wir werden sie nie rechtzeitig finden, wenn wir den gesamten Fluss einfach nur längs laufen. Entweder ertrinken oder erfrieren sie vorher.“ „Dann apparieren wir eben streckenweise“, erklärte Severus ruhig und so apparierten sie zur nächsten Uferstelle. Doch auch von dort aus konnten sie keine Gestalt am Ufer ausmachen, geschweige denn im Wasser. Nicht aufgebend nahm Syndia den Arm ihres Bruder, um mit ihm zur nächsten Stelle zu apparieren. Diese Prozedur führten sie dreimal durch, ehe Syndia etwas entdeckte. „Da vorne!“, deutete sie aufgeregt auf eine Stelle am Ufer, wo eine Gestalt im Gras lag. Sofort stürmte die Hexe los, gefolgt von ihrem Bruder. „Luca!“, erkannte die Lehrerin ihren Sohn und stürmte zu ihm, um ihn vollkommen aus dem Wasser zu ziehen. „M-Mum“, murmelte der Junge erschöpft und ließ sich ins Gras sinken. Er war am Ende seiner Kräfte. Fürsorglich strich Syndia ihrem Sohn einige Strähnen aus dem Gesicht und ließ ihren Blick hektisch über ihn huschen. „Luca, dem Himmel sei Dank! Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Oh mein Schatz, mein Engel...“, murmelte sie schnell vor sich hin, zog Luca in ihre Arme und wiegte ihn hin und her.„Keine Sorge, ich bin jetzt hier. Es wird alles gut. Wir werden dir helfen. Bald geht es dir besser.“ „H-Harry“, flüsterte Luca mit krächzender Stimme und sah seine Mutter leicht verzweifelt an. „Was ist mit ihm?“, schaltete sich der Tränkemeister ein, der sich soeben neben seine Schwester gehockt hatte. „Er... Er hat mich gerettet“, begann der Junge fast weinerlich. „Da waren so viele Felsen, er sagte ich solle versuchen mich am Ufer festzuhalten. Er... hat mich hier ans Ufer gebracht. Die Fluten haben ihn mit sich gerissen und gegen die Felsen geschleudert. Dann konnte ich ihn nicht mehr sehen.“ „Keine Sorge, wir werden ihn finden.“ Besorgt sah die Hexe zu ihrem Bruder, welcher ihren Blick erwiderte. „Ihr müsst ihn schnell finden, bitte“, murmelte Luca weiter und klapperte mit den Zähnen. „Ich werde dich erstmal hier wegbringen“, meinte Syndia noch immer mit leichter Panik in der Stimme und sah dann erneut zu ihrem Bruder. „Ich werde mit ihm nach Hogwarts zurückkehren. Meinst du, du findest Harry alleine?“ „Zweifelst du etwa gerade an meinen Fähigkeiten?“, beschwerte sich der Tränkemeister eine Augenbraue hebend, jedoch ohne Zorn in der Stimme. „Das würde ich nie“, erwiderte Syndia, legte ihre Hand kurz auf Severus' Wange, ehe sie wieder besorgt zu ihrem Sohn heruntersah. Es war nur zu deutlich, dass sie nichts lieber täte, als ihren Sohn in Sicherheit zu bringen, während sie sich Vorwürfe dafür machte, dass sie Harry so im Stich lassen wollte. „Geh nur, bring ihn hier weg, ich werde Potter schon finden“, beruhigte Severus sie und zögerlich kam ein zittriges „Okay“ von Syndia. Nickend erhob sich Severus und ging den Fluss hinunter, während seine Schwester vorsichtig den Jungen auf ihre Arme hob und mit ihm apparierte. Der Tränkemeister suchte auf die selbe Weise, wie schon zuvor den Fluss ab und begann nach einiger Zeit daran zu zweifeln den Gryffindor zu finden. Würde das so weitergehen, würden hier bald wieder Todesser auftauchen. Es wunderte Severus sowieso, dass diese so lange zum Reagieren brauchten. Voldemort wird sie alle in der Luft zerreißen. Oder er würde diese Sache selbst in die Hand nehmen, was natürlich nicht so optimal wäre. Das Land wurde immer flacher und somit schwächte das auch die Strömung etwas ab. Umso unruhiger wurde allerdings der Tränkemeister, denn langsam zweifelte er daran, den Gryffindor noch lebend zu finden. Auch wenn Potter dafür berühmt war das unmögliche zu schaffen, so weit im Wasser zu treiben ohne zu ertrinken würde nicht einmal er schaffen. Severus wusste nicht, wie lange er bereits unterwegs war, und wie oft er apparieren musste, als sein Blick auf einen Punkt fiel, an dem der Fluss einen Knick machte. Genau in der Kurve ragten einige Felsen aus dem Wasser und dort schien etwas zu schwimmen. Eilig ging Severus näher heran und stellte fest, dass es tatsächlich Potter war, der da im Wasser trieb. Zum Glück war er auf einen Felsen zugetrieben, der so flach war, dass er bis zu den Schultern auf dem harten Untergrund lag. Dennoch rührte er sich nicht. 'Oh Merlin, lass ihn nicht tot sein.' Der Slytherin führte einen Schwebezauber aus und ließ den Gryffindor aus dem Wasser gleiten, ehe er ihn vor sich aufs Gras legte. Als erstes kontrollierte Severus den Puls und die Atmung. Puls ja, Atmung nein. „Verdammt!“, fluchte der Schwarzhaarige flüsternd und zog erneut seinen Zauberstab. „Tu mir einen Gefallen und zwing mich nicht dazu, dich beatmen zu müssen, Potter. Anapneo.“ Severus ließ seinen Zauberstab von Potters Brust zu dessen Hals hochwandern, woraufhin Wasser aus dem Mund des Gryffindors schwebte und diesen heftig husten ließ. Erleichtert atmete der Tränkemeister auf, während er die Klamotten des Schülers trocken zauberte und anschließend in dessen Gesicht sah. Benommen sah der Grünäugige in die schwarzen seines Lehrers. „P-Professor“, hauchte er kaum hörbar und hustete erneut. Severus wischte ihm ein paar Strähnen aus dem Gesicht, welche aussahen, als seien sie gefroren. Auch die Haut des Gryffindors war eiskalt und sah alles andere als gesund aus. Die Lippen des Jungen hatten eine Stufe des Blaues erreicht, die der Tränkemeister noch nie bei lebenden Menschen gesehen hatte. Er musste Potter sofort ins Warme bringen. Hastig zog der Slytherin seinen Mantel aus, wickelte seinen Schüler darin ein und belegte ihn mit einem Wärmezauber, was Potter kaum zu registrieren schien. „Luca.“ „Er ist in Hogwarts, und da gehören Sie auch hin. Was haben Sie sich dabei gedacht hier aufzutauchen, Potter?! Direkt in die Arme des Dunklen Lords! Wie sind Sie überhaupt hierher gekommen?“ „Thestral“, murmelte der Grünäugige mit halb geschlossenen Augen. „Ich hab eigentlich... vorgehabt...“ Der Kopf des Jungen sackte zur Seite. Sofort kontrollierte Severus erneut Puls und Atmung, doch alles schien in Ordnung zu sein. Potter war nur bewusstlos geworden. Als Severus seine Hand in den Nacken des Schwarzhaarigen legte, zog er sie erstaunt wieder zurück, um sie zu betrachten. Blut. Nach einigem Tasten bemerkte er die Verletzung am Hinterkopf des Jungen, von der das Blut stammte. Der Blutverlust trug nicht gerade zur Erhaltung der Körpertemperatur bei. 'Typisch Potter!', dachte der Tränkemeister nur. 'Wenn dann richtig.' Vorsichtig nahm er seinen Schüler samt Umhang auf den Arm und stand auf. Prüfend sah sich der Slytherin nach Todessern um, ehe er an die Grenze Hogwarts' apparierte. Dort angekommen achtete er nochmals auf den Atem des Gryffindors, der zum Glück noch vorhanden war. Auf dem Schlossgelände lagen wenige Zentimeter Schnee und bei dem eisigen Wind fröstelte Severus ohne seinen Umhang. Der Weg zum Schloss war dem Lehrer noch nie so lang vorgekommen und er fluchte bereits innerlich. Je näher er dem Schloss kam, umso überraschter war er darüber, dass es ziemlich ruhig war. Waren noch keine Schüler wach? Weitere Überlegungen schob der Tränkemeister beiseite und war lieber froh darüber, dass er bzw. der Bengel auf seinem Arm nun wenigstens nicht so viel Aufmerksamkeit erregen würde. In der Eingangshalle schlug ihm die angenehme Wärme entgegen und der Slytherin machte sich auf den direkten Weg zum Krankenflügel. Als er diesen betrat, sah er bereits seine Schwester und Poppy über Luca gebeugt, der auf der linken Seite in einem Bett lag und stark zu zittern schien. Die beiden Frauen bemerkten ihn und drehten sich zu ihm um. „Oh Merlin sei Dank, da seid ihr ja“, murmelte Syndia erleichtert aufatmend. „Ist alles gut gegangen?“ „Todesser sind keine aufgetaucht, wenn du das meinst. Poppy?“ „Leg ihn hier hin“, deutete die Heilerin auf das Bett neben Lucas und vorsichtig legte der Tränkemeister seinen Schüler darauf ab und nahm seinen Umhang wieder an sich. „Noch einen kurzen Augenblick, dann kann ich mich um ihn kümmern. Erstmal muss ich den Jungen hier versorgen.“ Severus nickte nur stumm. Die Verteidigungslehrerin sah zuerst der Heilerin zu, ehe sie einen prüfenden, besorgten Blick zu ihrem Bruder warf. „Hat er irgendwelche Verletzungen, Severus?“, fragte Poppy während sie nicht einmal den Blick von ihrer Arbeit abwendete. „Am Hinterkopf blutet er. Das kommt wahrscheinlich von den Felsen im Fluss. Ansonsten sollten wir uns lieber um seine Körpertemperatur Gedanken machen.“ „Hast du ihn wecken können?“ „Er war kurz wach, als ich seine Atemwege befreit habe, wobei er ansprechbar war. Kurz danach ist er wieder weggeklappt.“ „Hat er gezittert?“ „Nein.“ „Das ist nicht gut“, murmelte die Heilerin leise und drehte sich nun doch zu dem Gryffindor, um ihn zu untersuchen. „Tu mir den Gefallen und reinige die Kopfverletzung. Anschließend mit der Salbe hier heilen und dann solltest du versuchen mit einem leichten Wärmezauber die Extremitäten des Jungen aufzuwärmen.“ Seufzend nickte Severus, nahm die Salbe entgegen, die Poppy ihm hinhielt, und machte sich an die Arbeit, während die Medihexe erneut Luca behandelte. Sachte drehte der Schwarzhaarige den Gryffindor auf die Seite und behandelte ihn. Syndia riss sich vom Anblick ihres Sohnes los und zog Potter die Schuhe aus. „Und dir geht es soweit gut?“, flüsterte sie ihrem Bruder zu und sah ihn besorgt an. Ihr war das Zittern seiner Hände nicht entgangen. „Alles bestens.“ „Du sollst mir doch nichts vormachen. Die Folterflüche sind nicht spurlos an dir vorbeigegangen, das sehe ich. Ein Cruciatus kann schwere Folgen haben...“ „Glaube mir, niemand weiß das besser als ich“, zischte der Schwarzhaarige wütend und funkelte seine Schwester an. „Ich habe das oft genug miterleben, anderen antun und selber ertragen müssen, also versuche nicht, mich zu belehren!“ Forschend sah Syndia in die Augen ihres Bruders, wo sie neben der Wut noch etwas anderes sehen, es aber nicht identifizieren konnte. Schon nach kurzer Zeit brach der Tränkemeister den Blickkontakt ab und kümmerte sich um seinen Schüler. Dieses Verhalten war mehr als ungewöhnlich für ihn. Konnte er ihr etwa nicht in die Augen sehen? „Ich habe das Medaillon dabei gehabt“, begann der Slytherin nun etwas ruhiger. „Auch wenn es die Schmerzen nur minimal dämpft, schützt es meinen Körper vor größeren Schäden. Ein passender Trank aus meinem Büro, etwas Schlaf und ich bin wieder fit.“ Damit war für den Tränkemeister das Thema beendet und so ließ Syndia ihren Blick sinken. „Ich werde Hilfe aus dem St. Mungo brauchen“, sagte Poppy plötzlich und eilte in ihr Büro. Mit besorgtem Blick sah Syndia ihr hinterher, ehe sie zu ihrem Sohn zurückeilte und ihm sanft übers Haar strich, während sie ihn musterte. Schon kurze Zeit später kam Poppy zurück in den Saal, drückte Severus ein paar Tränke für Harry in die Hand und widmete sich wieder Luca. „Keine Sorge, das kriegen wir wieder hin“, besänftigte die Heilerin die besorgte Mutter ruhig aber konzentriert. Schon nach wenigen Minuten tauchten zwei weitere Heiler im Krankenflügel auf, denen Poppy kurz den Zustand des Jungen schilderte und dann Severus' Arbeit begutachtete. Der hatte dem Gryffindor die Tränke eingeflößt und war nun damit beschäftigt seine Arme mit einem Wärmezauber zu behandeln. „Danke, Severus. Ich werde mich jetzt um ihn kümmern“, löste sie den Slytherin ab. Der Tränkemeister trat beiseite und sah der Medihexe zu, wie sie den Zauberstab über Potters Körper wandern ließ, während Syndia unruhig neben ihren Bruder trat. „Er ist jetzt soweit wieder in Ordnung. Der Körper wird sich Morgen von der Unterkühlung erholt haben, aber wegen seiner Gehirnerschütterung muss er noch einige Zeit hier bleiben. Das wäre doch mal etwas, was du erfinden könntest, Severus: Ein Trank, der bei Gehirnerschütterung hilft“, lächelte Poppy sanft. „Leichter gesagt als getan“, grummelte der Schwarzhaarige. „Hey, jetzt sei nicht so patzig“, legte Syndia eine Hand auf die Schulter ihres Bruders. „Du hast Harry noch rechtzeitig gefunden, sodass ihm geholfen werden konnte. Du hast ihm das Leben gerettet.“ „Ja schon zum hundertsten Mal“, murrte Severus weiter und schob die Hand seiner Schwester fort, um Richtung Ausgang zu gehen. „Ich werde wohl die Hoffnung aufgeben müssen, dass der Bengel auch mal selbst auf sein Leben aufpassen kann. Sich nicht unnötig in Gefahr zu stürzen, wäre bereits ein riesiger Fortschritt.“ Stirnrunzelnd sah Poppy zu der Verteidigungslehrerin, als sich die Tür geschlossen hatte, doch die Hexe schüttelte nur leicht den Kopf. Kapitel 19: Langeweile ---------------------- Im Laufe des Tages kamen Ron und Hermine im Krankenflügel vorbei und bekamen von Levin zu hören, was geschehen war. Erst zur Abendbrotzeit verließen sie den Krankenflügel, kamen danach jedoch zurück. Syndia hatte während der ganzen Zeit ihren Sohn nicht verlassen und strich ihm regelmäßig besorgt durchs Haar. Poppy hatte ihr zwar versichert, dass keine bleibenden Schäden bei ihrem Sohn bleiben würden, aber es würde dauern, bis er sich erholt hatte. Außerdem war nicht zu vergessen, dass sie über seinen psychischen Zustand noch keinerlei Eindrücke erhalten konnten. Als es draußen dunkel wurde, kam Severus in den Krankenflügel und ging auf seine Schwester zu. „Ist irgendwas passiert?“, fragte Syndia ihren Bruder eine Augenbraue hebend. Auch die beiden Schüler sahen verwundert auf und beobachteten schweigend ihre Professoren. Der Slytherin wirkte auf seine Schwester leicht angespannt, sodass diese ein mulmiges Gefühl bekam. „Ich war gerade in deinem Büro, als per Kamin eine Nachricht aus dem St. Mungo kam“, erklärte Severus ruhig. „Mir wurde für dich mitgeteilt, dass du dich melden sollst. Da ich meine Familienangehörigkeit nicht beweisen konnte, wollten sie mir nicht sagen, ob es nun eine positive oder negative Nachricht ist.“ „Dann werde ich gleich mal beim St. Mungo vorbeischauen“, seufzte Syndia sorgenschwer auf und sah erneut auf ihren Sohn herab. „Hast du Dumbledore schon über Potters kleine Aktion informiert?“, fragte der Tränkemeister wieder etwas kühler. „Und was ist mit deinem Vorgesetzten? Ist der auf dem aktuellen Stand?“ „Alles schon lange erledigt. Dumbledore wollte vorbeischauen, wenn die beiden wieder aufgewacht sind.“ Verstehend nickte Severus, während die Gryffindors wie zwei kleine Mäuse bei Harry saßen und sich offensichtlich etwas fehl am Platze fühlten. Von ihrer Lehrerin ging eine bedrückende Stimmung aus und sie wussten nicht, wie sie sich in ihrer Nähe verhalten sollten. Natürlich konnten sie ihre Sorgen verstehen, schließlich lag ihr Sohn schwer verletzt genau vor ihren Augen, aber die nötige Privatsphäre konnten sie ihr auch nicht geben, wenn sie Harry beistehen wollten. „Harry“, rief Hermine auf einmal aus und beugte sich weiter über den Schwarzhaarigen. Sofort bekam der Grünäugige die gesamte Aufmerksamkeit, während er etwas verschlafen blinzelte. „Was...wo...?“ Sofort beendete der Gryffindor seinen Versuch zu sprechen, als er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf hielt und ein Ächzen von sich gab. „Du hast eine heftige Gehirnerschütterung“, erklärte die Braunhaarige sanft und lächelte. „Du wirst es wohl nie schaffen heil aus einer Situation herauszukommen.“ „In der Tat“, schaltete sich der Tränkemeister kalt und Arme verschränkend ein. „Hätten Sie die Güte uns zu erklären, was diese Aktion sollte?“ „Severus, jetzt lass ihn doch erstmal wach werden“, versuchte Syndia ihren Bruder ernst zu besänftigen. Einen Augenblick brauchte der Gryffindor noch, um sich zu orientieren, ehe er auf Severus' Angriff einging. „Das nächste Mal ist mir Ihr und Professor Levins Leben unwichtig. Entschuldigen Sie vielmals“, beschwerte er sich sarkastisch, wobei sein Spruch aufgrund seiner schwachen, kratzigen Stimme an Wirkung verlor. „Und Sie glauben, dass Sie es mit Ihrem Kommen besser gemacht haben? Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, dass zwei erfahrene, erwachsene Zauberer keine Rettungsaktion starten könnten?“, gab der Slytherin bissig zurück. „Ach ich vergaß, Sie sind hier der Held. Nur Ihnen ist eine erfolgreiche Mission zuzutrauen.“ „Okay, ich denke das reicht“, schaltete sich Syndia kalt ein, stand auf, schnappte sich den Arm ihres Bruders und zog ihn Richtung Ausgang. „Ich schlage vor wir informieren den Direktor über Mr Potters Erwachen und statten anschließend dem St Mungo einen Besuch ab.“ „Erstes wird nicht mehr nötig sein“, kam es von der Tür und die Verteidigungslehrerin blieb erstaunt stehen. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen kam Dumbledore herein und schritt auf Harrys Bett zu. Alle Anwesenden wunderten sich darüber, dass der Direktor so schnell und ohne Benachrichtigung auftauchte. Syndia ließ einen skeptischen Blick zu den Portraits wandern und überlegte, ob es vielleicht Gegenstücke im Schulleiterbüro gab. Diesen Gedanken wischte die Schwarzhaarige jedoch schnell beiseite, da Dumbledore für so eine Benachrichtigung einfach zu schnell anwesend war. Der Typ würde wohl immer ein Mysterium bleiben. „Wie geht es dir, Harry?“, wandte sich der Direktor an seinen Schüler, die erstaunten Blicke ignorierend. „Ähm... Gut, soweit“, murmelte der Gryffindor und setzte sich vollends auf. „Jedenfalls wieder gut genug, um mit Professor Snape zu streiten?“, zwinkerte der Direktor ihm zu und sah auch flüchtig zum Tränkemeister. Etwas verlegen strich sich der Gryffindor ein paar Strähnen aus dem Gesicht und stockte, als er bemerkte, dass seine Brille fehlte. „Wo... was...?“, begann er verwundert und sah sich suchend um. „Ihre Brille war wohl im Fluss verloren gegangen“, begann Syndia ruhig zu erklären. „Madam Pomfrey hat deshalb einen Heiler kommen lassen, der Ihre Augen behandeln konnte. Erzählen Sie das aber lieber nicht herum, so eine Behandlung ist nicht gerade billig.“ Die grünen Augen wurden immer größer, als ihm dämmerte, was ihm gerade erzählt wurde. „S-Sie hat meine Augen heilen lassen?“ „Schnell erkannt, Potter. Sie sind schlauer als jeder Fuchs“, schaltete sich nun Severus wieder sarkastisch ein, wofür er den Ellenbogen seiner Schwester zu spüren bekam. Harry hingegen funkelte seinen Lehrer böse an. „Wärst du denn bereit uns zu sagen, was passiert ist?“, unterbrach Dumbledore die Unterhaltung. „Wieso bist du deinen Lehrern gefolgt?“ Der Gryffindor war leicht verwundert und verärgert darüber, dass der Schulleiter ihn gleich mit Fragen löcherte, gab sich dann aber geschlagen. Aufregung tat seinen Kopfschmerzen eindeutig nicht gut. So ruhig wie möglich erzählte er also von seiner Vision. „Wozu machen wir überhaupt den Okklumentikunterricht, wenn Sie sich doch die Gedanken des Dunklen Lords ansehen?“, grummelte Severus Arme verschränkend, wurde jedoch von Dumbledore mit einer Armbewegung zum Schweigen gebracht. Ruhig erzählte Harry weiter. „Und auf der Flucht seid ihr in den Fluss gefallen“, beendete Dumbledore die Erzählung und Harry nickte stumm und senkte dabei den Blick. „Eine wirklich clevere Lösung einen Thestral zu benutzen, um einen Ort zu finden, den man nicht kennt.“ „Ja und eine noch cleverere Idee genau die selbe Nummer nach einer Vision abzuziehen, wie von vor gerade mal einem halben Jahr, die zu Blacks Tod geführt hat“, warf nun wieder der Tränkemeister scharf ein und erhielt einen wütenden Blick seitens des Gryffindors sowie ein mahnendes „Severus“ von seiner Schwester. „Was hätte ich tun sollen? So tun als wüsste ich von nichts und den Gedanken verbannen, dass Sie da vielleicht nicht mehr lebend wegkommen?“, keifte der Gryffindor los, seine pochenden Kopfschmerzen ignorierend. „Außerdem ist da noch ein gravierender Unterschied zu... damals. Dieses mal wusste ich, dass Voldemort Sie wirklich in die Finger bekommen würde. Ich wusste, dass die Vision echt war.“ „Und statt Professor Dumbledore Bescheid zu geben, kommen Sie auf den Gedanken, uns alleine helfen zu können? Uns im Alleingang aus den Fängen des Dunklen Lords befreien zu können? Ich hätte gedacht, dass Sie wenigstens ein bisschen aus Blacks Tod gelernt hätten.“ „Wir werden uns jetzt auf den Weg ins St Mungo machen!“, meldete sich Syndia mit kühler Stimme zu Wort und zog ihren Bruder grob am Ärmel zum Ausgang. „Diesen Kindergarten hält ja kein Mensch aus!“ Die beiden Streithähne warfen sich noch einen kühlen Blick zu, ehe die beiden Professoren den Krankenflügel verließen. Erschöpft seufzte Harry auf und hielt sich den Kopf. Die Aufregung und vor allem die Lautstärke tat seinem empfindlichen Hirn wirklich nicht gut.   „Wenn du es dir zur Lebensaufgabe gemacht hast, den Jungen kaputt zu machen, dann sag es einfach, statt mir nach jeder Aktion zu beteuern, dass du dich endlich zusammennehmen willst. Harry ist hier nicht der einzige, der nicht lernt!“, keifte Syndia verärgert auf dem Weg zum Schlosstor. „Vielleicht stimmst du mir ja auch endlich mal zu, dass Potter genauso närrisch wie sein Vater ist“, bemerkte Severus unbeeindruckt kühl. „Wie viele Dummheiten muss er noch begehen, bis du ihn nicht mehr in Schutz nimmst?“ „Ich habe dir meine Meinung zu dem Thema bereits gesagt, mach endlich mal die Augen auf! Harry kommt viel mehr nach Lily als nach seinem Vater. Er macht sich sogar Sorgen um dich, wenn du mal wieder komisch drauf bist.“ „Sorgen“, spottete der Tränkemeister stark zweifelnd. „Ja, Sorgen“, gab die Hexe bissig zurück. „Egal wie sehr du ihm auch Gründe gibst dich zu hassen, er hat oft ein Auge auf dich und macht sich Gedanken, wenn du irgendwas zu haben scheinst. Manchmal habe ich das Gefühl so etwas fällt ihm sogar eher auf als mir.“ „Kannst du mir mal verraten, was du dir da gerade für einen Schwachsinn zusammenreimst?“ „Das ist kein Schwachsinn!“, blieb Syndia verärgert stehen und funkelte ihren Bruder an. „Ich habe schon oft genug mit ihm gesprochen, um das zu wissen. Er redet mit mir über dich oder wirft dir besorgte Blicke in der Großen Halle zu. Eigentlich hatte ich von einem 'Superspion' wie dir erwartet, dass du das bemerkst. Aber du Idiot hast nichts besseres zu tun, als ständig in seiner tiefsten Wunde herumzustochern! Dass Harry da noch in der Lage ist, dich nicht zu hassen, erhält meine größte Bewunderung!“ Damit ging die Schwarzhaarige schnaufend durch die großen Tore Hogwarts' auf das Schulgelände, wo das Weiß des Schnees richtig blendete. Leicht den Kopf schüttelnd folgte Severus seiner Schwester nach draußen. „Du redest mit ihm über mich?“, hakte der Slytherin misstrauisch nach, als er Syndia eingeholt hatte. „Ich werde schon nicht zu viel von deiner Privatsphäre preisgeben“, bemerkte die Hexe nur bissig. „Das scheinst du ja selber besser hinzukriegen. Immerhin hast du ihn Erinnerungen aus unserer Kindheit sehen lassen.“ „Jedem passieren mal Fehler.“ „Und du bist genau die Person, die Fehler am wenigsten duldet“, sah die Schwarzhaarige den Tränkemeister scharf von der Seite an, welcher nur stur geradeaus sah. Lautlos seufzte die Verteidigungslehrerin auf und versuchte ihre Gedanken loszuwerden. Sie sollte sich nun eher ihren Sorgen bezüglich David zuwenden. Kaum hatten die beiden Geschwister die Appariergrenze erreicht, reisten sie nach London.   „Hast du irgendwelche Bücher dabei?“, fragte Harry Hermine, die zusammen mit Ron am Montagnachmittag an dessen Bett im Krankenflügel saß. „Nur die Schulbücher von heute. Was willst du denn...?“ „Kannst du mir irgendeines hier lassen?“, unterbrach der Schwarzhaarige seine Freundin sofort, welche ihn verwundert ansah. „Was willst du denn mit Schulbüchern?“ „Ich will irgendwas lesen. Was soll man mit Büchern sonst machen?“ „Du willst freiwillig Schulbücher lesen?“, platzte es fast schon entsetzt aus Ron heraus. „Mir ist momentan jedes Buch recht. Ich langweile mich hier zu Tode, wenn ich nichts machen darf“, beschwerte sich der Grünäugige und ließ sich schmollend in die Kissen sinken. „Apropos, du darfst eigentlich auch nicht lesen“, merkte Hermine noch an und erhielt einen giftigen Seitenblick von Harry. „Du brauchst mich nicht mit Verboten zu quälen. Das tut Madam Pomfrey schon zu genüge“, grummelte er mürrisch. „Bis Mittwoch muss ich noch hier herumliegen.“ „Dauert eine Gehirnerschütterung so lange?“, runzelte Ron erstaunt die Stirn. „Das kann nunmal nicht mit Magie geheilt werden“, erklärte Hermine ruhig. „Ja und in der Zeit darf ich nichts anderes machen als schlafen und an die Decke starren“, ächzte Harry gelangweilt. Bei der nun aufgekommenen Stille sah Hermine besorgt zum Nachbarbett und hakte leise nach: „Und wie steht es um den Jungen?“ Harry sah zu Luca herüber, der wie tot in seinem Bett lag. Der Großteil seines Körpers war verbunden und blaue Flecken zierten sein Gesicht sowie eine halb verheilte Lippe. Der Gryffindor hatte einige Male zugesehen, wie die Heilerin diese Verbände wechselte, wobei tiefe Wunden am ganzen Körper zu sehen waren, welche anscheinend nur schwer durch Heiltränke behandelt werden konnten. Immer wieder fragte Harry sich, wie Luca es überhaupt geschafft hatte, sich bei ihrer Flucht auf den Beinen zu halten, geschweige denn zu rennen. Eines musste man ihm lassen: Er war ein starker Junge, der tapfer diese Hölle durchgestanden hatte. „Madam Pomfrey meinte, er müsse eigentlich ins St Mungo aber Levin wollte ihn lieber hier behalten“, erklärte Harry seinen Freunden, ohne den Blick von Luca abzuwenden. „Vielleicht will Levin ihn nur in ihrer Nähe wissen“, versuchte Hermine eine Erklärung zu finden. „Nach so einer Entführung hat sie sicherlich Angst ihren Sohn wieder in fremde Hände zu geben.“ „Und wo ist sie dann jetzt?“, schaltete sich Ron wieder ein. Nach einem kurzen Blick auf den Wecker am Bett antwortete Harry: „Keine Ahnung. Sie ist jetzt seit einer halben Stunde weg. Sie verschwindet öfters mal für eine oder zwei Stunden.“ „Sie hatte sich doch mit Snape über das St Mungo unterhalten“, fiel der Braunhaarigen ein. „Vielleicht besucht Levin dort jemanden.“ „Das wäre möglich“, zuckte der Schwarzhaarige die Achseln. Die junge Hexe schielte zur Uhr herüber und erhob sich zögerlich. „Wir müssen langsam zum Abendessen. Du kommst klar?“ „Wenn ihr mir Bücher hier lasst vielleicht“, antwortete Harry und sah seine Freundin lange an, doch diese blieb standhaft. „Es schadet nur deiner Genesung, tut mir Leid, Harry.“ Damit umarmte sie ihn kurz zum Abschied und drehte sich bereits Richtung Tür. Ron schloss seine Schultasche und nahm dabei unauffällig seine Bücher für Zauberkunst und Verteidigung in die Hand. Diese legte er dann neben Harry aufs Bett und drückte anschließend die Schulter seines besten Freundes. „Vielleicht schaffen wir es noch nach dem Essen wiederzukommen“, lächelte er aufmunternd und setzte flüsternd hinzu: „In Verteidigung ließ Snape uns den Text ab Seite 239 bearbeiten. Echt ätzend ihn in Zaubertränke und Verteidigung zu haben und das auch noch hintereinander.“ Schmunzelnd nickte Harry und seine Freunde gingen zur Tür. Es hatte wohl doch Vorteile hier zu sitzen, so musste er Snape nicht in Verteidigung ertragen. Die Gryffindors hatten gerade die Tür geöffnet, als ihnen Dumbledore entgegentrat. „Oh, guten Tag, Professor“, grüßte Hermine freundlich. „Guten Abend ihr beiden“, sah der Schulleiter seine Schüler mit funkelnden Augen an. „Solltet ihr nicht schon längst beim Abendessen sein?“ „Wir wollten uns gerade auf den Weg machen“, entgegnete Ron mit den Händen in den Hosentaschen. „Na dann beeilt euch lieber“, schmunzelte der Direktor. Die beiden Gryffindors huschten an ihm vorbei und er ging gemächlich an Harrys Bett heran. „Ist lesen nicht eigentlich tabu?“, deutete Dumbledore auf die Bücher, die nicht ganz von der Decke verborgen worden sind und die Harry nun endgültig verschwinden ließ. „Es dient nur dazu nicht zu viel im Unterricht zu verpassen, Sir“, versuchte der Schwarzhaarige möglichst überzeugend zu klingen. „Soso.“ Prüfend sah der Direktor seinen Schüler über seine Halbbmondbrille hinweg an. Nach einem kurzen Blick zu Luca setzte er an zu sprechen. „Ich denke es wird langsam Zeit, dass ich dir einige Dinge beibringen sollte, Harry.“ Stirnrunzelnd setzte Harry sich aufrechter hin und sah den Direktor fragend an. „Dinge beibringen, Sir? W-Was für Dinge?“ „Nun, Voldemort wird immer stärker und ich fürchte, es ist unvermeidlich bald offen gegen ihn zu kämpfen. Bevor es soweit ist will ich jedoch, dass du mit genügend Wissen gerüstet bist.“ „Sie wollen mich unterrichten?“ „So könnte man es nennen“, schmunzelte Dumbledore sanft. In Harrys schmerzendem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Privatunterricht bei Dumbledore. Vielleicht spezielle Techniken, wie er gegen Voldemort ankam? Der Gryffindor hatte den Kampf im Ministerium nicht vergessen und war noch immer sehr beeindruckt. Wollte Dumbledore ihm beibringen auch so kämpfen zu können? „Der Unterricht wird allerdings sehr unregelmäßig stattfinden, da ich momentan viel zu tun habe“, ergänzte der Schuldirektor. „Erstmal solltest du gesund werden und dann reden wir über den ersten Termin.“ Stumm nickte Harry, während er innerlich total aufgeregt war. „Außerdem“, begann der Ältere erstaunlich ernst, „möchte ich, dass du diese Treffen für dich behältst. Obwohl... es ist okay, wenn du Mr Weasley und Miss Granger davon erzählst, solange es unter euch dreien bleibt.“ „Geht in Ordnung, Sir“, bestätigte Harry nochmals und wurde immer neugieriger. „Was wollen Sie mir denn beibringen?“ Ein amüsiertes Glitzern war in den Augen des Direktors zu sehen und er sagte ruhig: „Lass dich einfach überraschen. Eines ist nur sicher: Das, was du lernen wirst, ist von größter Wichtigkeit.“ Erneut nickte Harry und ärgerte sich ein wenig darüber, dass Dumbledore ihn so zappeln ließ. Die Aufmerksamkeit der beiden wurde sogleich auf den Jungen im Nachbarbett gelenkt, als dieser ein gequältes Ächzen von sich gab. Luca hatte sich ein Stück gedreht, hielt die Augen aber weiterhin geschlossen, wobei seine Gesichtszüge Schmerzen ausdrückten. „Ich denke wir sollten Poppy informieren, dass unser junger Gast langsam aus der Bewusstlosigkeit erwacht“, meinte Dumbledore ruhig und ging in Richtung des Büros der Medihexe. „Lerne nicht zu viel, Harry.“ Etwas beschämt antwortete der Gryffindor mit einem „Okay“.   Es war erst 8 Uhr Morgens und Harry schlief, als Syndia den Krankenflügel betrat. Sie wollte den Vormittag nutzen, um bei ihrem Sohn zu sein, da sie heute Nachmittag nochmals im St Mungo vorbeisehen wollte. Als sie letzten Samstag mit Severus dort gewesen war, hatten ihr die Heiler berichtet, dass sie wegen einer akuten Hirnblutung gerufen worden war. Noch bevor sie dort angekommen war, war dies aber wieder behandelt worden. Nun tat Syndia seit Tagen nichts anderes, als entweder im Krankenflügel oder im St Mungo zu sitzen. Leise, um den Gryffindor nicht zu wecken, trat Syndia an Lucas Bett heran. Sanft strich sie ihrem Sohn über die Stirn, welche zugleich gerunzelt wurde. Erstaunt hielt die Schwarzhaarige inne. „Luca?“, flüsterte sie kaum hörbar. Etwas verschlafen und orientierungslos öffneten sich die schwarzen Augen des Jungen und erfassten sogleich die seiner Mutter. „Mum?“ „Hey“, lächelte Syndia mit Tränen in den Augen. „Wie geht es dir?“ „Ich weiß nicht“, murmelte Luca und hielt inne, als wolle er wirklich überprüfen, wie es um seine Schmerzen stand. „Im Vergleich zur letzten Zeit...?“ Sogleich brach Luca den Blickkontakt, was seiner Mutter Sorgen bereitete. Sanft strich sie dem Jungen durchs Haar. „Es ist alles wieder in Ordnung. Wir sind hier in Hogwarts. Hier kann uns nichts passieren. Erinnerst du dich daran, was ich dir von Hogwarts erzählt habe?“ Einen Moment lang reagierte Luca nicht auf die Frage, sodass Syndia Angst hatte er sei abgedriftet, doch dann antwortete er schwach: „So eine tolle Schule, dass du meinen Onkel darum beneidet hast dort hingehen zu können.“ „Interessant, dass ausgerechnet das bei dir hängen geblieben ist“, beschwerte sich Syndia schon fast, was Luca ein Schmunzeln auf die Lippen zauberte. Er drehte den Kopf, um sich in dem Raum umzusehen und blieb bei Harry hängen. „Was ist mit ihm?“, fragte er besorgt nach. „Er ist schon fast wieder gesund. Nur noch heute und morgen und dann darf er wieder zum Unterricht gehen.“ „Wie habt ihr ihn so schnell gefunden?“, sah Luca nun wieder seine Mutter an. „Das musst du Onkel Severus fragen, der hat ihn hier hergebracht.“ Stumm nickte der Schwarzhaarige und schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. Besorgt strich Syndia ihm durchs Haar und im ersten Moment zuckte Luca erschrocken zusammen. „Es ist alles gut“, flüsterte Syndia schon fast und musterte ihren Sohn traurig. „Du bist in Sicherheit.“ Luca schluckte und nickte schließlich erneut zögerlich, doch es war ihm deutlich anzusehen, dass seine Angst nicht einfach so besiegt werden konnte. Vorsichtig, um ihm keine Schmerzen zu bereiten, nahm Syndia ihren Sohn in den Arm, der sich zitternd an sie klammerte. Immer wieder wiegte Syndia ihn hin und her, während sie beruhigende Worte flüsterte und Luca vor sich hinschluchzte. Dieses Geräusch brach der Hexe das Herz und auch ihre Stimme wurde zittrig. Nach einiger Zeit hatte Luca sich wieder im Griff und lehnte sich seufzend zurück, während Syndia ihn genau beobachtete, bereit ihn beim geringsten Anzeichen von Angst wieder in den Arm zu nehmen. Fürsorglich wischte sie ihm die Tränen von den Wangen, bis Luca das Gesicht verzog und das lieber selber machte. Syndia rang sich ein kleines Schmunzeln ab. Luca hasste es, wenn er zu sehr umsorgt wurde. Plötzlich betrat jemand den Krankenflügel und beim Anblick des Mannes in der Tür, bekam Luca große Augen. Er hatte bisher niemanden mit so einem langen, weißen Bart gesehen und das gesamte Erscheinungsbild war seltsam beeindruckend. Was Luca jedoch noch viel mehr beeindruckte, war die unglaubliche Energie, die von diesem alten Mann ausging. Er musste wahrhaftig ein mächtiger Zauberer sein. Der stärkste, dem der Junge bisher begegnet war. „Ahja, dann ist unser Gast endlich erwacht“, lächelte Dumbledore sanft und trat näher heran. „Darf ich mich vorstellen: Ich bin Albus Dumbledore, der Direktor dieser Schule.“ „Freut mich“, antwortete Luca etwas zögerlich. „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht.“ Zu dem Zeitpunkt betrat Severus den Raum und sah etwas überrascht zu dem erwachten Jungen. „Sie haben mich hierher bestellt?“, wandte er sich an den Direktor. „Genau“, bestätigte Dumbledore, legte stumm einen Muffliato auf Harry und drehte sich wieder zu Luca. „Ich kann mir vorstellen, dass es für dich nicht angenehm ist, aber ich möchte dich bitten uns einige Fragen über deine Gefangenschaft zu beantworten, Luca.“ Der Junge schluckte kurz und Syndia strich ihm sanft über die Schultern, während sie Dumbledore vorwurfsvoll ansah. „Hat das nicht Zeit, bis er sich erholt hat?“ „Um dann unnötig die alten Wunden aufzureißen?“, argumentierte Dumbledore ruhig, aber Syndia war trotzdem nicht wohl bei der Sache. „Er hat schreckliches durchgemacht“, verteidigte sie ihren Sohn vehement. „Sie können nicht von ihm verlangen das noch einmal zu durchleben!“ „Harry hat auch schon viel durchgemacht, Syndia“, blieb Dumbledore noch immer ruhig. „Und auch bei ihm hat sich gezeigt, dass es besser war ihn gleich zu befragen, damit er es hinter sich hatte und mit dem Verarbeiten beginnen konnte.“ Aufgebracht stand Syndia auf. „Aber er ist nie so lange in Gefangenschaft gewesen! Harrys Erlebnisse mit Lucas zu vergleichen...“ „Schon gut, Mum“, unterbrach Luca sie plötzlich und erstaunt drehte sie sich zu ihm um. In Lucas Augen war zwar deutlich seine Unsicherheit zu sehen, doch gleichzeitig zeigte er sich entschlossen seine Angst zu überwinden. Mit kratziger Stimme fragte er leise an Dumbledore gewandt: „Was wollen Sie wissen?“ Kapitel 20: Verheimlichen ------------------------- „Was wollen Sie von mir wissen?“, fragte Luca mit kratziger Stimme nach. „Erst einmal möchte ich dir gegenüber meine Hochachtung aussprechen“, begann Dumbledore, sodass Luca etwas verwundert den Kopf schief stellte. „Die Idee, eine Nachricht über Voldemorts Seelenteile zu übermitteln, war wirklich genial und bereits sehr hohe Magie, die zudem nur sehr wenige ausführen können. Könntest du uns erklären, wie du auf diese Idee kamst und wie du das angestellt hast? Selbst deine Mutter war ganz überrascht darüber, dass dein Plan funktioniert hat.“ Luca sah zu seiner Mutter auf, welche trotz ihrer Aufruhr ein bestätigendes Lächeln aufsetzte. „Nun ich... habe bei den regelmäßigen... Besuchen dieses Mannes“, begann der Schwarzhaarige zu erklären, musste sich jedoch deutlich überwinden seine Erinnerungen hervorzuholen. Sanft strich Syndia ihrem Sohn über den Rücken, sodass er sich etwas entspannte und langsam weitererzählte. „Ich habe gespürt, dass etwas mit seiner Aura nicht stimmt. Erst nach einiger Zeit habe ich erkannt, dass seine Seele unvollständig ist. Wie das geht weiß ich nicht“, sah der Junge nun fragend zu den drei Erwachsenen auf, von denen Dumbledore das Wort ergriff. „Dieser Mann hat grausame Dinge getan und dadurch seine Seele so sehr beschädigt, dass sie in Stücke gerissen worden ist.“ Sich auf die Lippe beißend und abwesend wirkend nickte Luca. „Hey“, flüsterte Syndia ihrem Sohn sanft zu und zog ihn an sich, da er begann zu zittern. „Es ist nun alles wieder gut, du bist in Sicherheit. Hier kann dir nichts passieren.“ Luca lehnte sich an seine Mutter und blieb für einen Augenblick still, in dem er offensichtlich versuchte seine Emotionen herunterzuschlucken. Dann fragte er leise: „Was ist mit Dad? Ich hab... ich sah wie er stürzte. Er hat versucht mich zu beschützen aber dieser vermummte Mann war stärker...“ „Er ist in Sicherheit“, unterbrach die Schwarzhaarige ihren Sohn, da er begann panisch zu werden. „Aber er ist verletzt worden. Wegen mir!“, wich der Junge nicht von seinem Standpunkt ab, erhob die Stimme und sah seine Mutter ängstlich an. Etwas ratlos sah Syndia zu ihrem Bruder, welcher bisher alles stumm beobachtet hatte. „Aber er wird wieder gesund werden“, begann die Hexe und suchte weitere Möglichkeiten ihren Sohn zu besänftigen. „Wie wäre es, wenn wir ihn besuchen, hm? Aber erst wenn du wieder gesund bist.“ „Wo ist er denn?“, wich Lucas Panik noch immer nicht aus seinen Augen. Kurz stockte Syndia, ehe sie antwortete: „ Es ist nicht weit von hier. Er hält sich auch in England auf.“ Kurz nickte Luca, lehnte sich wieder an seine Mutter und atmete tief durch, ehe er anfing ins Nichts zu starren. „Mum, dieser Mann... dieses Monster... was wollte der von dir? Er sagte nur immer wieder... dass ich leiden soll damit... er dir drohen kann“, krächzte er schwach und begann wieder zu zittern. „Er ist einer dieser dunklen Zauberer, die ich und Dad immer suchen“, erklärte Syndia ruhig und strich ihrem Sohn beruhigend über den Rücken. „Er wollte mich dazu bringen ihn nicht mehr zu jagen.“ „Also wollte er dich erpressen?“ „So ungefähr, ja.“ Eine kurze Stille trat ein in der Syndia ihrem Sohn über den Rücken strich. Severus' Blick wanderte zu dem Gryffindor im Nachbarbett. Harry schien seelenruhig zu schlafen. Selbst wenn er jetzt aufwachen würde, würde er durch den Muffliato dem Gespräch nicht folgen können. Nicht auszudenken, was der Junge denken würde, wenn er erfahren sollte, dass ein Teil von Voldemorts Seele in ihm steckte. „Luca, dieser Mann muss dringend gefasst werden, damit er nicht noch mehr Menschen verletzen kann“, unterbrach Dumbledore ruhig die Stille. „Deshalb ist es wichtig, dass du uns noch einige Dinge erklärst.“ Ein kurzes Nicken schien Lucas Zustimmung zu signalisieren und der Direktor fuhr fort. „Du hast also gespürt, dass seine Seele unvollständig war. Wie kamst du dann darauf, dass du das irgendwie zum Nachrichten versenden nutzen konntest?“ „In seinem Körper war nur noch ein kleiner Teil seiner Seele, aber ich habe gespürt, dass der Rest nicht einfach gestorben, sondern nur an einem anderen Ort war“, flüsterte Luca und versuchte es so gut wie möglich zu erklären. „Wie genau ich das gemacht habe, weiß ich nicht, aber als er einmal in meiner Nähe war ohne auf mich aufmerksam zu sein, habe ich mich auf seine Seele konzentriert und gemerkt, dass sein Seelenteil noch mit den anderen in Verbindung stand. Zwar sehr schwach, aber die Verbindung war da. Es waren recht viele aber zwei... Brücken waren besonders stark. Später habe ich gemerkt, dass es daran lag, dass er diese öfters mal nutzte. Ich wusste also, dass sein Seelenteil in der Lage war mit den anderen Teilen zu kommunizieren. Das hat mich stark an unseren Legilimenthikunterricht in der Schule erinnert aber gleichzeitig war es trotzdem etwas völlig anderes.“ Luca vertiefte sich regelrecht in seine Erzählungen und bekam unbewusst eine Denkerstirn, während er über seine Entdeckung nachdachte. Seine Augen spiegelten Faszination und Angst zugleich wider, als würde er vor seinem inneren Auge noch immer Voldemorts Seele sehen. Dumbledore sowie Syndia hörten gespannt zu, während Severus grübelte, wie der Junge nur in der Lage sein konnte solche derartigen Vernetzungen von Seelen sehen zu können. Soweit er das wusste konnte Syndia das nicht. Allgemein kein Lamia den er kannte. „Irgendwann nachts, als dieser Mann schlief, war sein Körper so entspannt, dass ich einen Versuch startete, mir die Seele etwas genauer anzusehen und versuchte mit ihr Kontakt aufzunehmen. Wenn er darauf reagiert hätte, hätte ich hoffen müssen, dass er das alles als einen Traum deutet.“ „Moment mal, du kamst an seine Seele heran als er schlief?“, unterbrach Severus die Erzählung und erhielt die Aufmerksamkeit der anderen. „War er dafür nicht zu weit weg?“ „Er muss ca zwei Stockwerke über mir gewesen sein, der Entfernung nach zu urteilen“, erklärte Luca ruhig, ohne daran etwas besonderes feststellen zu können. Verwundert sah der Tränkemeister zu seiner Schwester, welche die Schultern hob. „Ein Wunderkind halt.“ Etwas verwirrt sah Luca zwischen Severus und seiner Mutter hin und her, bis Syndia ihn ansprach. „Erzähl ruhig weiter.“ Luca schluckte und lehnte sich wieder an sie. „Ähm... ich habe also Kontakt mit seiner Seele aufgenommen und das alles schien super zu funktionieren. Sofort merkte ich, dass ich diese Brücken zu den restlichen Seelenteilen ebenfalls nutzen konnte, allerdings nicht im Sinne der normalen Legilimenthik. Ich kam an keine Informationen dieser Seelenteile heran, sondern konnte nur Informationen abgeben. Diese beiden Brücken, die der Mann selbst schon genutzt hatte, waren anders als die anderen. Ich... weiß nicht genau wie ich es erklären soll, aber diese Seelenteile wirkten... lebendiger. Zuerst dachte ich es lag an der guten Verbindung aber dann bemerkte ich, dass es einfach nur daran lag, dass die restlichen Seelenteile in einem toten Körper steckten. Ich hatte also herausgefunden, dass diese zwei Seelenstücke in einem anderen Lebewesen stecken mussten. Erst nach einigen Tagen, wo ich jede Nacht mit dieser Verbindung herumexperimentierte, kam ich auf die Idee, dass diese Lebewesen vielleicht Menschen waren und vielleicht sogar die Nachrichten erhalten könnten, die ich per Legilimenthik schicken würde. Ich habe es gleich ausprobiert aber es war verdammt schwer. Ich weiß nicht warum, aber ich konnte Nachrichten nur über alle Brücken gleichzeitig verschicken und das hatte enorm viel Energie verbraucht. Es dauerte einige Tage, bis ich den Dreh heraus hatte richtige Nachrichten zu verschicken.“ „Und so kam es, dass Harry mit der Zeit immer deutlichere Visionen von dir erhielt“, beendete Dumbledore die Erzählung nachdenklich. „Luca, wie viele Brücken gab es dort?“ „Es waren... sechs Brücken.“ „Sechs...“, murmelte Dumbledore nachdenklich. „Es hat alles wunderbar geklappt, Luca“, strich Syndia ihrem Sohn lächelnd durchs Haar. „Ohne deine Nachrichten hätten wir dich nicht so schnell gefunden.“ „Und ohne Potters Geheimniskrämerei wären wir noch schneller gewesen“, mischte sich der Tränkemeister grummelnd ein, wofür er sich sofort einen giftigen Blick seiner Schwester einfing. „Du kannst nichts anderes mehr als meckern, oder?“ „Was Potter betrifft konnte ich da noch nie etwas anderes“, meinte Severus nur Arme verschränkend. „Vielleicht solltest du das mal ändern.“ „Solange meine Bemerkungen berechtigt sind, werde ich gar nichts ändern.“ „Ihr beide seid ganz schöne Streithähne, was?“, mischte sich auf einmal Luca ein und sah von seinem Onkel zum Gryffindor. Siegessicher grinsend sah Syndia zu ihrem Bruder herüber und es hätte nur noch gefehlt, dass sie ihm die Zunge entgegenstrecken würde. „Such dir nur Verbündete gegen mich, Syndia“, verschränkte der Slytherin grummelnd seine Arme. „Geschwister sind zum Ärgern da“, grinste Syndia nur weiterhin. „Dann brauche ich ja dringend Geschwister“, mischte sich Luca erneut ein und sah auffordernd zu seiner Mutter hoch. „Tja dann mal los, Schwesterchen“, triumphierte nun Severus, der sogleich von der Schwarzhaarigen einen gespielt empörten Blick erhielt. „Erstens bin ich die Ältere, womit ich dir verbieten könnte Verniedlichungen zu verwenden und zweitens lass ich mir so etwas nicht von einem Bruder sagen, der single ist.“ „Alleine zu leben macht das Leben viel unkomplizierter.“ „Aber auch langweiliger“, zwinkerte auf einmal der Direktor seinem Angestellten zu. „Wenn unsere Gesprächsthemen schon dieses Level erreicht haben, kann ich ja wohl gehen“, meinte Severus trocken und drehte sich bereits zum Gehen. „Hey, weglaufen gilt nicht“, beschwerte sich die Hexe lautstark. „Sicher, dass du älter bist?“, kommentierte der Tränkemeister die Reaktion seiner Schwester nur. Zur gleichen Zeit regte Harry sich im Bett und sah sich verschlafen um, offenbar überrascht, dass er die Anwesenheit von so vielen Leuten nicht mitbekommen hatte. Sofort schwang Dumbledore seinen Zauberstab, um den Muffliato aufzuheben. „Guten Morgen, Harry. Schade, dass du nicht schon früher aufgewacht bist.“ „Ähm... wieso?“, fragte Harry irritiert und sah dann zu seinem Tränkemeister, als dieser noch einmal schnaubte und den Raum endgültig verlassen wollte. „Potters Beteiligung an dieser Diskussion hätte mir gerade noch gefehlt“, grummelte er und verschwand. „Spielverderber“, rief Syndia ihrem Bruder noch hinterher. Irritiert sah Harry dem Tränkemeister hinterher. Automatisch strich er sich übers Gesicht, als er bemerkte, dass er ohne Brille perfekt sehen konnte. Es würde wohl noch einige Zeit dauern, bis er sich daran gewöhnt hatte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Bettnachbar erwacht war und nun an seine Mutter gekuschelt auf dem Bett saß. „Luca! Ähm... alles in Ordnung soweit?“ Zögerlich nickte Luca und Harry wusste sofort, dass das eine Lüge war. „Und... Danke nochmal...“ „Hm? Oh äh... kein Problem“, antwortete Harry etwas unbeholfen und strich sich durch die Haare. „Nun jetzt, wo hier wieder alle putzmunter sind, kann ich mich in Ruhe meiner Arbeit widmen“, meinte der Direktor plötzlich. „Wenn man einmal den Papierkram vernachlässigt, wirkt der Berg schon so groß, dass man meinen könnte, das würde man nicht einmal in so einem langen Leben wie meinem schaffen.“ Grüßend hob Dumbledore noch einmal die Hand und verließ den Krankenflügel. Nach einer kurzen Stille fragte Luca verwundert: „Ist dieser Mann immer so....“ „So Dumbledore-like?“, fragte Harry schief grinsend. „Du wirst dich dran gewöhnen.“ „Vielleicht solltest du dich noch ein bisschen hinlegen“, meinte Syndia nun sanft zu ihrem Sohn und strich durch seine Haare. „Du bist noch lange nicht wieder gesund...“ „Gleich, ich muss nur... erstmal wo hin“, unterbrach Luca seine Mutter leise und machte Anstalten aus dem Bett zu krabbeln. Harry erkannte dabei sofort, wie recht seine Lehrerin hatte. Luca war unglaublich dünn und wirkte so zerbrechlich. Außerdem war er leichenblass und die Verbände wirkten diesem Eindruck nicht gerade entgegen. Vorsichtig half die Hexe ihrem Sohn hoch, da er offensichtlich Probleme hatte selbstständig zu stehen. „Es geht gleich“, meinte der Junge leise und wollte ohne Hilfe ein paar Schritte machen, was sehr wackelig aussah. „Durch die Tür da vorne“, zeigte Syndia ihrem Sohn den Weg und ging aufmerksam hinter ihm, um ihn notfalls zu stützen. Langsam trat Luca in das Bad ein und sah sich erst einmal um. Er war in einen gefliesten Raum gekommen, in dem er gleich zwei in eine Platte eingebaute Waschbecken und einen riesigen Spiegel vor sich hatte. Nach rechts ging eine Art Flur weiter, der schließlich links um die Ecke bog. Links neben den Waschbecken ging ebenfalls ein Weg weiter geradeaus. Der Schwarzhaarige sah kurz etwas erschrocken sein eigenes Spiegelbild an, in dem er nur einen blaugeschlagenen, blassen Jungen sehen konnte. Er wich unwillkürlich einen Schritt zurück und schnappte nach Luft, ehe er den Blick schnell senkte. „Hey“, griff Syndia mit sanfter Stimme nach seiner Schulter und sah ihm forschend ins Gesicht. „Alles gut“, krächzte Luca, holte zittrig Luft und wollte gerade nach rechts gehen, als seine Mutter ihn am Arm aufhielt. „Da geht es zur Dusche. Zur Toilette musst du geradeaus.“ „Vielleicht sollten sie das mal ausschildern“, murmelte der Junge, während er Richtung Toiletten ging. Syndia lehnte sich schmunzelnd gegen die Platte, wurde aber sofort wieder ernst. Es war beeindruckend wie gut Luca sich im Griff hatte, aber gut ging es ihm definitiv nicht. Er war so ruhig und zurückhaltend, ganz anders als sonst. Normalerweise war er ein frecher, aufgeweckter Junge... Syndia hoffte einfach, dass er sich schnell erholen würde. „Durch diesen Bau haben Patienten zumindest ein bisschen Privatsphäre, wenn sie duschen wollen“, rief Syndia ihrem Sohn hinterher, um ihre eigenen düsteren Gedanken zu vertreiben. „Duschen wäre auch mal was“, rief Luca zurück. „Aber mit dem ganzen Verbandszeugs...“ „Wir können ja gleich mal Poppy fragen, wie das mit den Verbänden aussieht.“ Nach einigen Augenblicken kam Luca schwankend zurück und Syndia machte ihm Platz zum Händewaschen. „Ich habe irgendwie das Gefühl, ihr habt nicht nur den Stillezauber über Harry gelegt, um ihn nicht zu wecken“, meinte der Junge während er den Wasserhahn aufdrehte. „Er weiß nicht, dass ein Teil von der Seele des Unnennbaren in seinem Körper steckt“, erklärte die Hexe ruhig. „Und ihr wollt es ihm auch nicht erzählen?“, sah Luca nun verwundert auf. „Müsste man es nicht merken, wenn der Körper gleich zwei Seelen hat?“ „Anscheinend ja nicht und nein, wir werden es ihm noch nicht sagen. Und ich bitte dich es auch nicht zu tun“, erklärte seine Mutter mit einem durchdringenden Blick. „Warum verheimlicht ihr so etwas vor ihm? Es geht schließlich um seinen Körper.“ „Wenn er von diesem Seelenstück erfahren würde, wäre die Gefahr groß, dass er versuchen würde diese zu vertreiben. Und wer weiß was er sich dabei alles antun würde.“ Luca hielt beim Händetrocknen inne und sah zu seiner ernst gewordenen Mutter. „Du meinst wirklich er würde sich selbst wehtun?“ „Was würdest du an seiner Stelle tun?“, mit diesen Worten ging Syndia Richtung Tür. „Wir werden es ihm sagen. Aber erst, wenn wir sicher sein können, dass er damit umgehen kann.“ Auffordernd hielt die Hexe die Tür auf und ihr Sohn trat wackelig in das Krankenzimmer zurück. Poppy stand gerade beim Gryffindor und stellte ein Tablett ab. Als die beiden Schwarzhaarigen den Raum betraten, drehte sich die Medihexe um. „Ah da bist du ja, Junge. Ich stell dir hier eine Kleinigkeit zu essen hin. Wehe du versuchst gar nicht erst es runterzubekommen“, ermahnte die Heilerin Luca und stellte das zweite Tablett auf Lucas Nachttisch. Widerwillig aß der Schwarzhaarige das Brot unter der Aufsicht seiner Mutter. Schon kurz danach ließ sich der Junge ächzend in die Kissen zurückfallen und während Syndia ihm sanft durchs Haar strich, ließ er seinen Blick stumm durch den Raum wandern, ohne dass in seinen Augen zu erkennen war, worüber er nachdachte.   Erschrocken riss Harry die Augen auf. Vor sich sah er die hohe Decke des Krankenflügels, welche nur spärlich vom Mondschein beleuchtet wurde. Schon wieder hatte ihn ein Traum geweckt. Sich sammelnd strich der Gryffindor durch seine Haare. Kurz darauf stockte er jedoch, als ein leises Schluchzen zu hören war. Erstaunt drehte er den Kopf nach links zum Nachbarbett, nur um da eine Gestalt zu sehen, die ihm zwar den Rücken zugedreht hatte, dessen Schultern jedoch deutlich bei jedem Schluchzer erzitterten. Leise setzte Harry sich auf, zögerte kurz, verließ dann aber sein Bett und tapste so leise wie möglich zu Luca. „Hey“, flüsterte er sanft und legte seine Hand auf die Schulter des Jüngeren. Sofort wirbelte Luca erschrocken herum und starrte in die grünen Augen seines Gegenübers. Für einen Moment blieb der Schrecken in die schwarzen Augen eingemeißelt, wich jedoch langsam etwas anderem. Bei der Dunkelheit konnte Harry nicht viel erkennen. Etwas beschämt drehte Luca den Kopf weg und starrte vor sich hin, das Schluchzen nun unterdrückend. Langsam setzte Harry sich auf die Bettkante und strich zögerlich über Lucas Arm. „Kannst du nicht schlafen?“, fragte er etwas hilflos nach. Er war nicht gut im Trösten. Überhaupt nicht. Der Kleine zog die Nase hoch, reagierte jedoch zuerst nicht weiter. Nur zögerlich presste er die Lippen aufeinander und nickte dann leicht. „Ich bin dann immer wieder... dort“, murmelte er zittrig. „Immer wenn ich die Augen zu mache. Es fühlt sich alles wie ein Traum an... als wäre ich... als wäre das hier nicht real.“ Überlegend seufzte der Gryffindor. „Ich versichere dir, das hier ist real. Du bist in Hogwarts. Und die werden nicht mehr an dich herankommen“, versuchte er es schließlich. „Du bist hier in Sicherheit. Und deine Mum ist ja auch hier und wird dich beschützen.“ „Dann stößt ihr aber vielleicht auch was zu... so wie Dad.“ Erstaunt runzelte Harry die Stirn. „Dein Dad?“ Erneut schniefte Luca und erklärte: „Er hat mich beschützt, als diese Todesser kamen. Mum sagt zwar es ginge ihm gut, aber er war garantiert verletzt.“ Kurz dachte Harry stumm nach. War das der Grund, warum Levin ständig ins St Mungo verschwand? „Wenn deine Mum aber sagt, dass alles in Ordnung ist, dann ist das bestimmt auch so“, versuchte er den Jungen zu beruhigen. „Und hier in Hogwarts seid ihr wirklich sicher. Voldemort ist schon hinter mir her seit ich ein Baby war und hier im Schloss war ich immer am sichersten aufgehoben.“ „Also stimmt es, was über dich erzählt wird?“ „Was genau meinst du?“, hakte Harry stirnrunzelnd nach. Nun drehte sich Luca auf den Rücken, um den Gryffindor direkt anzusehen. Er schniefte zwar noch immer, aber ihre Unterhaltung schien ihn trotzdem ein wenig abzulenken. „Na alles was man sich erzählt. Dass du diesem Mann schon so oft entkommen bist. Der einzige, der so etwas je überlebt hat.“ Etwas leiser und nachdenklich antwortete Harry: „Es hat mich immer jemand beschützt. Es war immer jemand da, der mir helfen konnte. Nur leider... gibt es davon nicht mehr viele.“ „Ich war jetzt erst einen Tag bewusst hier und habe bereits vier Menschen getroffen, die dich beschützen“, meinte Luca leise, sodass Harry erstaunt aufsah. „Mir kannst du es glauben, ich sehe mit meinen Fähigkeiten mehr als das normale Auge.“ Der Gryffindor sah den Jungen erstaunt an. Vier Menschen? Allzu viele hatte Luca doch noch gar nicht getroffen. Dumbeldore, okay, aber die anderen drei? Luca seufzte auf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Etwas unschlüssig und deutlich müde ließ er seinen Blick durch den Raum wandern. Harry beobachtete ihn nachdenklich und überlegte, wie er dem Anderen die Angst vorm Einschlafen nehmen könnte. „Mach ruhig die Augen zu. Ich passe auf dich auf.“ „Du willst wach bleiben?“, sah ihn Luca ungläubig an. „Ich bin geübt darin“, zuckte der Schüler beiläufig die Schultern. „Ich habe in den letzten Tagen eindeutig genug Zeit zum Schlafen gehabt.“ Noch immer sah Luca den anderen unsicher an, sodass Harry mit seiner Hand über Lucas Arm strich. „Ist wirklich in Ordnung. Schlaf ein bisschen.“ Luca seufzte auf, drehte sich dann jedoch auf die Seite und zog die Decke bis zum Kinn hoch. „Nacht.“ „Nacht“, erwiderte der Gryffindor und strich noch weiter über den Arm des jüngeren, bis er sicher sein konnte, dass er eingeschlafen war.   Mittwoch Vormittag setzte sich Harry mit auf Lucas Bett, eine Platte zwischen sich legend. Ron und Hermine hatten am Vortag Zauberschach und Snape explodiert mitgebracht, sodass dem Gryffindor die Idee kam Luca ein wenig abzulenken, solange seine Mutter nicht da war, denn er wurde immer apathisch, wenn sie nicht bei ihm war und das gefiel dem Gryffindor ganz und gar nicht. Oder er fing an herumzuschreien, das war auch schon vorgekommen. War nicht wirklich besser. Jedenfalls konnte Harry nicht tatenlos dabei zusehen, wie der Junge litt. Nach zwei Runden Schach erkannte Harry, dass Luca zu gut für ihn war. Ein Spiel gegen Ron wäre sicherlich spannend. Um seine Chancen also zu bessern, holte der Gryffindor Snape explodiert heraus, was Luca zum Schmunzeln brachte. „Mein Onkel scheint ja sehr beliebt bei euch zu sein“, grinste er seinen Gegenüber an. „Unter den Gryffindors ganz besonders“, erwiderte Harry lächelnd. „Dann scheint er ja ein sehr interessanter Lehrer zu sein. Schnipp“, fuhr Luca fort und sie drehten die Karten um. „Schnapp! Jaa, die Anzahl an Strafarbeiten und Punkteabzügen sind bei ihm legendär“, schnappte Harry sich ein passendes Paar. „Ist er wirklich so streng?“ „Zu allen nur nicht den Slytherins. Schnipp! Verdammt!“, rief Harry aus, als er die Karte mit Snape erwischte, die sofort explodierte und Luca zum Lachen brachte. „Also ist er zu allen so... grimmig?“ „Du hast ihn schon live erlebt?“ „Naja, wie er über dich gesprochen hat, war nicht gerade schmeichelhaft“, meinte der Jüngere nur und mischte die Karten neu. „Ähm ja... wir beide kommen nicht gerade gut miteinander aus“, strich der Gryffindor sich durch die Haare. „Komisch eigentlich“, murmelte Luca und legte die Karten hin. Stirnrunzelnd sah Harry auf. „Wieso?“ „Ähm...“, suchte der Junge nach Worten. „N-Nichts, vergiss es.“ Doch der Gryffindor ließ nicht locker. Seufzend nuschelte der Lamia: „Naja, es ist nur... ist zu kompliziert es zu erklären.“ „Versuch es doch einfach. Schnipp!“ „Nun ja... er beschützt dich schließlich und das passt irgendwie... besser. Obwohl ich zugeben muss, dass da wirklich komische Schwingungen mit bei sind, wenn ihr in einem Raum seid.“ „Schnapp! Zu was... soll es passen, dass er mich beschützt?“, hakte Harry nach. Dieser Junge irritierte ihn völlig. Offenbar sah er viel mehr als das normale Auge, auch wenn dem Gryffindor nicht einfallen wollte, was Luca denn bitte bei ihm und seinem Professor sah. Sie hassten sich. Na gut, wohl eher Snape ihn, aber trotzdem beschützte er ihn. Das musste für andere wirklich komisch wirken, doch es war trotzdem nichts besonderes. „Na... zu euch... einfach.“ Immernoch sah der Grünäugige irritiert zu seinem Gegenüber, welcher aufseufzte. „Du könntest ihm niemals wehtun, nicht wahr?“, flüsterte Luca nun schon fast und sah Harry ruhig an. Dieser wusste inzwischen nicht mehr was er sagen sollte. Was redete der Junge denn da für merkwürdiges Zeug? Sprachlos sah er zu Luca, welcher sich wieder dem Spiel zuwandte. „Schon gut. Ich sage ja ich kann es nicht erklären. Schnipp!“ „Schnapp!“, erkannte dieses Mal Harry als erstes ein Paar. „Schnipp!“ „Was macht ihr denn da?“, kam auf einmal die Frage von hinten und Harry drehte sich erschrocken um. Kapitel 21: Veränderungen ------------------------- Harry hatte nicht bemerkt, dass jemand den Raum betreten hatte. Levin stand schräg hinter ihm und sah auf die Spielkarten. Luca drehte gerade eine um, als er auch schon ein „Verdammt!“ murmelte. Er hatte Snape erwischt, was zur Folge hatte, dass die Karte explodierte. „Ist das...?“, begann die Hexe verwundert und betrachtete die Karte, als sie sich von selbst reparierte. Der Gryffindor schluckte und hoffte, dass Levin jetzt nicht sauer wurde. Bisher hatten die Schüler dieses Spiel immer ganz gut vor den Lehrern verstecken können. Zu Harrys Entsetzen antwortete Luca auch noch heiter: „Das nennt sich Snape explodiert.“ „Aha“, hob die Lehrerin eine Augenbraue und Harry rechnete schon mit Punkteabzügen, doch zu seinem Erstaunen hörte er die Frau lachen. Irritiert sah er auf zu Levin. „Das ist wirklich... oh man, die Schüler haben aber auch immer wieder neue Ideen“, japste sie zwischendurch, während Harry sie völlig verdattert anstarrte. „Dürfte ich erfahren, was so witzig ist?“, kam es auf einmal vom Eingang und alle drei drehten sich um. Zu Harrys Leidwesen stand dort Snape, der einen Korb voller Tränke auf dem Tisch neben Madam Pomfreys Bürotür abstellte und irritiert näher kam. Harry schnappte erschrocken nach Luft und gefror zur Salzsäule. Der würde das ganze sicherlich nicht witzig finden. „Ach, schon gut“, versuchte Levin sich zu fangen und stellte sich so hin, dass ihr Bruder die Karten nicht sah, was den Gryffindor aufatmen ließ. „Ich glaube nicht, dass das deinen Humor treffen würde.“ Sie trat ein paar Schritte auf den Tränkemeister zu und drehte sich nochmal zu den Jungs um. „Wie ich sehe habt ihr eine gute Beschäftigung gefunden. Dann werde ich mich erst einmal um andere Dinge kümmern und euch in Ruhe lassen. Ich komme später nochmal wieder. Severus, kommst du mit?“ Ohne eine Antwort abzuwarten zog sie den Slytherin Richtung Tür, welcher noch immer skeptisch dreinsah. Bevor die Hexe die Tür hinter sich schloss, grinste sie Harry nochmal an, welcher ihr dankbar zunickte. „Das war knapp“, atmete Harry durch und sah zum grinsenden Luca. „Oh ja, war es.“   „Harry! Hey, Harry ist wieder da!“, wurde der Schwarzhaarige gleich am Gryffindortisch in der Großen Halle begrüßt, woraufhin dieser nur unsicher lächelte. „Ron und Hermine müssten auch gleich kommen. Sie machten sich gerade fertig, als ich losgelaufen bin“, wandte Neville sich ihm zu, der neben Dean saß und eine Suppe löffelte. „Hat wer nach uns verlangt?“, meinte auch schon jemand dicht hinter Harry, der sich zu Hermine umdrehte. Lächelnd begrüßte Harry seine Freundin und auch Ron, der kurz darauf hinter der Braunhaarigen auftauchte. Die drei Gryffindors setzten sich und nahmen vom Putenfilet. „Schon eine Idee, wie du deine Weihnachtsferien herumbekommst?“, wandte sich Ron auf einmal an den verdutzten Harry. „Na, so wie immer, oder nicht?“ „Ich habe dir doch erzählt, dass meine gesamte Familie meine Großtante in Ungarn besuchen geht“, erklärte der Rothaarige schon fast vorwurfsvoll. „Und Hermine ist wie immer bei ihren Eltern. Das heißt, dass du alleine hier bist.“ „Achso. Ja stimmt, das hattest du mal erwähnt“, murmelte Harry nachdenklich. Ja, dieses Weihnachten würde er wohl wieder alleine verbringen. Es wäre zwar nicht das erste mal, aber das letzte Fest hatte er mit den Weasleys und vor allem Sirius verbracht und das verursachte schon ein Zwicken in seiner Brust. „Wir schreiben natürlich so oft es geht“, versuchte Hermine ihren Freund aufzumuntern. „Und du bist ja nicht der einzige, der hier bleibt.“ „Vielleicht kannst du Malfoy ein bisschen im Auge behalten“, warf der Rotschopf ein. „Der war einer der ersten, der sich für die Weihnachtsferien eingetragen hat.“ „Er fährt nicht nach Hause?“, runzelte Harry verwundert die Stirn und war dankbar für diesen Themenwechsel. Achselzuckend schob sich Ron eine Gabel voll in den Mund. „Könnte es daran liegen, dass... Voldemort im Manor ist?“ Harry wollte gerade etwas erwidern, als Hermine ihm zuvorkam: „Ich weiß, dass du glaubst Malfoy sei auf dem Weg ein Todesser zu werden, Harry. Aber wenn es so wäre, würde es ihm dann so schlecht gehen, während... Voldemort immer mehr Macht erlangt?“ Darauf wusste der Gryffindor nichts zu antworten. So gesehen stimmte es zwar, aber Harry bezweifelte, dass Voldemorts Aufstieg Malfoy missfallen würde, geschweige denn dessen Anwesenheit bei ihm zu Hause so viel zusetzen würde. Plötzlich drängelte sich ein Braunschopf zwischen Harry und Ron. „Won Won, hast du schon ohne mich angefangen?“, kicherte die Person, die Harry verdattert als Lavender Brown erkannte, welche sich an Rons Arm klammerte. Verwundert sah Harry zu Hermine, um eine Erklärung zu bekommen, doch die junge Hexe konzentrierte sich mit gesenktem Blick verbissen darauf, ihr Essen so schnell wie möglich herunterzuschlingen und beachtete den Schwarzhaarigen gar nicht. Verwirrt sah Harry zu Ron zurück, der schief grinsend zu Lavender meinte: „Ich dachte deine Hausaufgaben würden noch länger dauern und ich wollte dich nicht stören.“ „Ach, keine Hausaufgabe kann wichtiger sein als mein Schatz“, quiekte Lavender fröhlich und setzte Ron einen Kuss auf die Wange. Hermine ließ ihre Gabel scheppernd auf den Teller fallen und stand eiligst auf. „Bist du fertig, Harry?“, fragte sie schnell und deutete ihm mit ihr zu kommen, welcher noch völlig überrumpelt auf seinen vollen Teller sah. Mit leichtem Bedauern stand er auf, um Hermine aus der Halle zu folgen. Irritiert sah Harry nochmals zu Ron und Lavender, welche nun Anstalten machte, Ron zu füttern. „Sag maaal...“, begann er, sobald er und die Braunhaarige die Große Halle verlassen hatten, „Wie lange war ich eigentlich weg? So viel kann ich doch nicht verpasst haben.“ „Du hast Lavenders Anspielungen nur ständig übersehen. Du warst in letzter Zeit immer so abwesend“, kommentierte Hermine Harrys Frage und wirkte dabei angespannt und zerknirscht. „Sonntag hat Ron Ginny beim Rumknutschen erwischt und spielte verrückt. Sie meinte, dass er nur eifersüchtig sei, weil alle bereits eine Liebesbeziehung hatten außer er. Und jetzt hat Ron aus reinem Trotz diese Beziehung mit Lavender angefangen.“ Wütend stieß Hermine die Tür nach draußen auf und marschierte Richtung See. Irritiert beobachtete Harry seine Freundin. War sie etwa eifersüchtig? Sie hatte sich doch ständig mit Ron in den Haaren. „Also meinst du er hat keine Gefühle für sie?“, hakte er zweifelnd nach. Die Gryffindor öffnete den Mund zu einer Antwort, zögerte jedoch kurz. Etwas unsicherer geworden meinte sie: „Naja, es ist ein komisches Timing, oder? Und er hat Lavender vorher nie beachtet.“ „Hm“, überlegte Harry und blickte über die Wiese. „Beweisen tut das aber trotzdem noch nichts. Wir sollten ihm da eine Chance geben.“ „Hm, ja“, erwiderte Hermine bitter, so dass Harry wieder zu ihr sah. Ihr Gesicht war angespannt und die Augen zu Schlitzen geformt. Sie war tatsächlich eifersüchtig. „Wenn du Recht haben solltest, wird das nicht lange halten. Aber Ron in den Rücken fallen sollten wir auch nicht.“ „Ja, ich weiß“, gab Hermine nur wieder als knappe Antwort. „Leistest du mir dann wenigstens Gesellschaft?“ „Was?“, verstand Harry die Frage seiner Freundin nicht. Irritiert sah er sie an, wobei Hermine nun eher geknickt wirkte. „Na du bist momentan ständig mit dir selbst beschäftigt und... abwesend. Manchmal habe ich das Gefühl du redest sogar mit den Snapes mehr als mit uns.“ Völlig irritiert starrte Harry sie an. „Wie kommst du denn auf sowas? Wann sollte ich überhaupt Zeit haben mich ausgiebig mit den Snapes zu unterhalten?“ „Ich weiß es nicht, aber so wie Professor Levin sich mit dir im Krankenflügel unterhalten hat, wirkte es fast so, als wärt ihr Freunde.“ Skeptisch sah Harry Hermine an. Freunde? „N-Natürlich heißt das nicht unbedingt was Schlechtes“, ergänzte Hermine hastig, „aber es ist... ja, einfach komisch. Wie kommt es, dass ihr euch so gut versteht?“ „K-Keine Ahnung“, zog Harry etwas hilflos die Schultern hoch. „Levin hat mich von Anfang an anders behandelt. Ich habe sie sogar schonmal danach gefragt und sie meinte nur, ich würde es irgendwann verstehen. Aber wie kommst du nur darauf, dass ich nicht mit euch reden würde?“ Seine letzte Frage ignorierend fragte Hermine stirnrunzelnd: „Sie hat also konkrete Gründe dafür, warum sie so freundschaftlich mit dir umgeht?“ „Ich weiß, es klingt komisch“, murrte Harry, als er einsah, dass es wohl keinen Sinn hatte, Hermine von diesem Thema ablenken zu wollen. „Ich habe mal gehört, wie Snape mich als Levins Schützling betitelt hat, aber das hilft mir auch nicht wirklich weiter.“ „Als Schützling“, wiederholte Hermine nachdenklich, während sie zum See liefen. „Luca ist doch entführt worden, weil sie gegen Voldemort arbeitet. Vielleicht ist sie ja zu deinem Schutz hier?“ „Hm“, biss Harry sich überlegend auf die Unterlippe. „Aber deshalb gibt man nicht gleich Dinge aus dem eigenen Privatleben preis, oder? Und irgendwie habe ich auch das Gefühl, dass sie sich als Streitschlichterin für mich und Snape sieht.“ Grübelnd sah Harry zum Waldrand, während Hermine ihn musterte. Leise und langsam überlegte der Grünäugige weiter: „Vielleicht sieht Levin auch meine Mutter in mir und geht deshalb so mit mir um. Das würde auch erklären, warum sie mir versucht zu erklären, wie ihr Bruder tickt.“ Fragend runzelte Hermine die Stirn. „Inwiefern hat das was mit deiner Mutter zu tun?“ „Tja“, setzte Harry an und ließ den Blick kurz sinken. „Ich habe erfahren, dass Snape der beste Freund meiner Mutter war.“ „Was?!“, keuchte Hermine ungläubig auf und blieb sogar stehen. „Warum hat das nie jemand erwähnt? Sirius oder Lupin oder...“ „Keine Ahnung“, zuckte Harry die Achseln und sah ernst zu seiner Freundin auf. „Das würde mich auch mal interessieren.“ Bei der Härte in Harrys Stimme schluckte Hermine und sah nach Worte suchend über den See. „Das ist seltsam. Irgendwie... fühlt es sich so an als würde das alles ändern.“ „Es ändert ja auch alles“, knurrte Harry und sie setzten ihren Spaziergang um den See fort. „Die ganze Zeit hatte ich eine Person vor der Nase, der mir mehr von meiner Mutter erzählen kann als sonst eine andere lebende Person. Und ausgerechnet diese Person kann mich nicht ausstehen.“ Noch immer völlig verständnislos schüttelte Hermine den Kopf. „Aber das ergibt überhaupt keinen Sinn.“ „Sag das ihm und nicht mir“, knurrte Harry. „Levin hat sein Verhalten mir gegenüber im übrigen als 'faszinierend' betitelt. Sie scheint zu glauben er hätte Angst vor mir oder irgendsowas ähnliches. Weil meine Augen die gleichen sind wie die von Mum.“ „Und wenn da was dran ist?“, warf Hermine ein und Harry sah sie skeptisch an. „Die letzten Jahre über hat er dir immer aus dem Hintergrund heraus geholfen, obwohl er dich behandelt hat wie den letzten Dreck. Das widerspricht sich doch, meinst du nicht?“ Murrend dachte Harry über ihre Worte nach, während er die letzten Wochen Revue passieren ließ. „Ich weiß nicht, er verhält sich momentan seltsam. Im einen Moment ist er wieder das Arschloch und im anderen...“ Harry führte seinen Satz nicht fort, sodass Hermine ihn fragend musterte. „Und im anderen?“ Der Gryffindor biss sich überlegend auf die Lippe, ehe er erzählte: „Er hat mich schon mehrmals nachts auf dem Astronomieturm erwischt und hat sich dabei so seltsam benommen. Irgendwie... netter. Das eine Mal hatte er sich sogar für unseren Streit im Flur entschuldigt.“ „Du meinst den Streit, wo ihr euch vor den ganzen Schülern angebrüllt habt?“, runzelte Hermine die Stirn. „Ja, für den Streit. Ich war auch völlig überrascht deswegen. Außerdem habe ich inzwischen zweimal ein paar seiner Erinnerungen gesehen und ich lebe immer noch.“ Hermine lachte leise auf und schüttelte den Kopf. Nach einer kurzen Pause sagte sie: „Vielleicht versucht Levin nicht nur bei dir ihr Glück im Streitschlichten.“ „Kann sein“, zuckte Harry mit den Schultern. Schwer seufzend strich er sich durchs Haar und zog den Schal enger, da der Wind ziemlich beißend war. „Ich schätze es ist nicht zu leugnen, dass sich seit Levins Auftauchen einiges geändert hat. Es fühlt sich fast so an, als würde sie... versuchen mich in der Familie aufzunehmen.“ „Wenn sie deine Mutter gekannt hat, kann das doch durchaus sein“, musterte Hermine ihren Freund von der Seite. „Und so wie ihr miteinander sprecht, scheinst du dich ja auch gut mit ihr zu verstehen. Mit Luca hast du dir auch viel Mühe gegeben, damit es ihm besser geht. Man könnte meinen du hättest diese Familie inzwischen lieb gewonnen.“ „L-Lieb gewonnen?“, fragte Harry ungläubig. Was war denn das für ein Blödsinn? Er hatte doch nicht... oder hatte er doch? Ja, er verstand sich gut mit Levin und vielleicht hatte sie tatsächlich auch ein wenig Einfluss auf sein Verhältnis zu Snape. Und wenn er ehrlich war, hatte er sich vorgenommen, Luca regelmäßig im Krankenflügel zu besuchen. „Vielleicht“, gab der Gryffindor kleinlaut zu. „Vielleicht ganz bisschen. Aber Snape nicht“, ergänzte er schnell. Da musste Hermine auflachen. „Okay. Bis auf Snape hast du sie lieb gewonnen.“ Grinsend sah Harry zu seiner Freundin. „Du kannst ruhig öfter erzählen, was momentan passiert. Du hast dich in letzter Zeit viel zu sehr verschlossen. Ständig haben wir uns Sorgen um dich gemacht“, erklärte die Hexe und erhielt ein Nicken von Harry. „Tut mir Leid. Es sind einfach verrückte Zeiten“, entschuldigte sich Harry verlegen und fuhr durch sein Haar. Sie hatte ja Recht, er hatte in letzter Zeit ständig den Kopf voll gehabt und nichts davon seinen Freunden erzählt. Normalerweise konnten sie sich immer alles erzählen, aber die letzten Wochen hatte er alles in sich hineingefressen. „Normale Zeiten haben wir noch nie erlebt“, lächelte Hermine weiterhin. Langsam verschwand ihr Lächeln und sie wurde ernst. „Und leider wird es in der nächsten Zeit nicht besser werden. Es riecht nach Krieg.“ Ebenfalls ernst werdend, nickte der Gryffindor. „Ist Ollivander inzwischen wieder aufgetaucht?“ Hermine schüttelte den Kopf. „Nein. Und es verschwinden immer mehr. Die Läden in der Winkelgasse haben zugemacht und auch in Hogsmeade werden die Türen nacheinander verriegelt. Es ist wie die Ruhe vor dem Sturm. Und man kann das Gewitter bereits in der Luft riechen.“ „Um einen Krieg kommen wir wohl nicht mehr herum“, stimmte Harry ihr seufzend zu. „Aber wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben. Irgendwie überstehen wir das alles. Und wir werden einen Weg finden Voldemort zu vernichten.“ „Ich würde ja gerne alle Hoffnung auf Dumbledore setzen, aber er wirkt in letzter Zeit so gebrechlich“, murmelte die Braunhaarige besorgt vor sich hin. „Was mit seiner Hand passiert ist, würde mich mal interessieren“, ergänzte der Schwarzhaarige. „Aber was den Krieg angeht, wollte er mir was beibringen.“ Erstaunt sah Hermine auf und verlangte stumm eine Erklärung. „Ja, er hat mir im Krankenflügel gesagt, dass er mir Unterricht geben will. Was genau er vor hat, hat er mir aber nicht erklärt.“ Aufgeregt drehte sich Harry weiter zu Hermine herüber. „Meinst du er will mir höhere Magie beibringen? Irgendwelche coolen Tricks, die bei einem Kampf gegen Voldemort helfen könnten?“ Skeptisch zog Hermine eine Augenbraue hoch. „Es ist schwer vorzustellen, dass er zulassen will, dass du Auge in Auge gegen Voldemort kämpfst. Wo er dich doch immer beschützen wollte.“ „Aber vergiss die Prophezeiung nicht. Ich schätze ich bin der Einzige, der Voldemort aufhalten kann“, erzählte Harry mit einem flauen Gefühl im Magen. Er alleine gegen Voldemort? Bisher hatte er das Glück gehabt, immer mit heiler Haut zu entkommen. Aber ewig weglaufen konnte er auch nicht. „Ich schätze...“, begann er leise, „ich muss mich ihm irgendwann stellen. Ich habe keine andere Wahl.“ „Aber dann hilft dir Dumbledore doch sicherlich das gut zu überstehen“, versuchte Hermine sich selbst zu beruhigen. „Er wird dir beibringen, wie du ein Duell mit Voldemort überstehen würdest. Und... vielleicht muss es ja gar nicht so weit kommen. Ich weiß, du denkst immer du müsstest alleine kämpfen, aber das ist nicht so. Wir sind doch auch noch da. Wir können dir helfen.“ Mit einem leichten, dankbarem Lächeln sah Harry seine besorgte Freundin an. Natürlich würde sie und auch Ron versuchen, ihm zu helfen. Aber er hatte das Gefühl, dass er da alleine durch musste. Bei allem konnten sie ihm nicht helfen, so wollte es das Schicksal. „Wir werden sehen was Dumbledore sagt“, erwiderte Harry. Langsam gingen die beiden Gryffindors zum Schloss zurück. Sie waren inzwischen die letzten auf dem Gelände, da es bereits dunkel geworden war. Von hier aus konnte man das erleuchtete Fenster des Gryffindorgemeinschaftsraumes sehen, in dem sich bereits die meisten Gryffindors aufhielten. Die Eulen erwachten aus ihrem Schlaf und flatterten bereits vereinzelt über das Gelände, um zu jagen. Bald hatten Harry und Hermine das Schlosstor erreicht. In der Eingangshalle schlug ihnen die Wärme entgegen und sieh nahmen ihre Schals ab. Auf dem Weg nach oben kam ihnen Professor McGonagall entgegen, die direkt auf sie zuging. „Ich hatte Sie schon gesucht, Potter. Könnte ich Sie kurz sprechen?“ Etwas irritiert stimmte Harry zu und Hermine ging mit einem „Bis gleich“ bereits vor. Anscheinend war die Angelegenheit nicht so wichtig, denn McGonagall machte keine Anstalten zu ihrem Büro zu gehen, sondern blieb mit Harry mitten auf der Treppe stehen. „Ich habe gesehen, dass Sie sich eingetragen haben die Ferien über in Hogwarts zu bleiben“, begann die Hexe das Gespräch. „Ähm, ja, das hatte ich vor“, bestätigte der Gryffindor. Was würde denn jetzt kommen? McGonagall wusste genauso gut wie er, dass er keinen Ort hatte, wo er hingehen könnte. „Nun, Professor Dumbledore hat mir die Anweisung gegeben, Sie in den Ferien zu Ihren Verwandten zu schicken.“ Dem Gryffindor blieb empört der Mund offen stehen. „Was?! Wieso? Das ist doch meine Entscheidung!“ „In der Regel schon“, versuchte die Professorin ihren Schüler zu besänftigen. „Aber ich fürchte die momentanen Umstände erlauben das nicht. Sie-wissen-schon-wer erlangt immer mehr Macht und wir müssen Sie an einem sicheren Ort unterbringen. Es tut mir Leid, Potter, aber durch den Schutzzauber sind Sie bei Ihren Verwandten am sichersten.“ „Aber hier bin ich doch auch sicher“, beschwerte Harry sich lautstark. „Wenn Sie Einwände dagegen haben, müssen Sie wohl direkt mit Professor Dumbledore sprechen. Er hat mir ohnehin gesagt, dass Sie morgen nach dem Abendessen zu ihm kommen sollen. Das Passwort ist Lakritze.“ Damit stieg die Hexe die Treppe herunter und verschwand im nächsten Flur. Perplex sah Harry ihr nach. Was sollte das denn? Wieso meinten die Lehrer sie müssten ihn nach Hause schicken? Die hatten da gar kein Recht zu! Die Freude darüber, bei Dumbledore morgen Unterricht zu bekommen, ging vollkommen in der Wut auf den alten Mann unter. Wütend stampfte der Gryffindor die Treppen nach oben. Er würde Dumbledore morgen fragen was das sollte und er sollte eine gute Erklärung parat haben! Reichte es nicht schon, dass all seine Freunde keine Zeit für ihn hatten? Musste er jetzt auch noch die Dursleys ertragen?!   „Ich habe hier was zu den Lamia gefunden“, berichtete Ron. Er war mit Harry in der Bibliothek, um seine Hausaufgaben für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu bearbeiten. Dabei vergaß er völlig das Arbeiten und las sich durch ein Buch, welches er ganz interessant fand. „Achja?“, sah Harry nur kurz von seinem Pergament auf. Er hatte sich bereits so an Levins Talente gewöhnt, dass er es schon als 'normal' ansah. Nur bei Luca war es noch seltsam, da man nie wusste, wie weit seine Fähigkeiten reichten. Außerdem schien er sogar noch besser zu sein als seine Mutter. „Den Lamia sind besondere Fähigkeiten zugesprochen, die sie von ihren Vorfahren, den Vampiren, geerbt haben.“, begann Ron zu lesen. „So können sie die geschärften Sinne eines Vampirs besitzen, was ihnen die Möglichkeiten gibt im Dunkeln zu sehen, magisch verborgene Gegenstände zu sehen, ein überdurchschnittliches Gehör zu haben und Gerüche viel intensiver wahrzunehmen. In seltenen Fällen soll sogar die Fähigkeit des Gedankenlesens, das Sehen von Seelen und Auren und der Aufspürung von Magie vererbt werden sowie die Ausstrahlung magischer Energie. Fähigkeiten, wie schnell zu laufen, weit zu springen oder eine beschleunigte Wundheilung zu besitzen, werden nicht vererbt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein heutiger Lamia eine Fähigkeit vererbt bekommt, liegt inzwischen bei 20% und sinkt stetig weiter.“ „Ich hätte die Wahrscheinlichkeit niedriger eingestuft“, warf der Schwarzhaarige ein. 'Ausstrahlung magischer Energie'. Damit musste dieser Gefühlsausbruch gemeint sein, den Levin in der Großen Halle hatte. „Levin scheint eine Art Super-Lamia zu sein“, bestätigte Ron die Überlegungen seines Freundes. „Und was ist dann Luca? Ein Supra-Lamia?“, grinste der Schwarzhaarige. „Ist der Junge so gut?“, staunte Ron und sah auf. „Naja, er scheint in Gedankenlesen noch viel besser zu sein als sie. Und er sieht mehr als das normale Auge. Er macht immer komische Andeutungen.“ „Und der ist erst zehn“, runzelte der Rotschopf die Stirn. „Das ist irgendwie beängstigend.“ Harry lächelte leicht, während Ron den Artikel weiterlas. „Sollte der Lamia keine Fähigkeiten geerbt haben, so ist er an seinem Äußeren zu erkennen, da Haar- und Augenfarbe des Vampirs dominant vererbt werden und sich bis heute konsequent durchgesetzt haben. Hierbei sind drei Arten von Vampiren zu unterscheiden. Der östliche Vampir, genannt Agitot, zeichnet sich durch schwarze Haare und ebenso schwarze Augen aus.“ „Was, Agitot? Wie heißen die anderen beiden Arten?“, unterbrach Harry seinen Freund. „Ähm...“, begann Ron, „Der Asanbosam, südlicher Vampir, besitzt rote Augen und braune Haare. Der nördliche Vampir wird Verenim genannt und zeigt blonde Haare und graue Augen auf.“ „Verenim“, überlegte Harry. Jetzt verstand er auch das Gespräch, dass Levin und Malfoy miteinander geführt hatten. „Was überlegst du denn?“, versuchte Ron zu verstehen. „Hast du die Namen schonmal gehört?“ „Ja beim Manor der Malfoys“, erklärte Harry. „Die Malfoys sind ebenfalls Lamia, nämlich Verenim. Deshalb wusste Malfoy so viel über Levin. Deshalb wusste er, was in der Großen Halle passieren würde, als Levin ihren Gefühlsausbruch hatte.“ „Jetzt wo du es sagst...“, überlegte Ron. „Warum ist uns das nicht schon früher aufgefallen?“ Eine Weile saßen die beiden stumm da, wobei Ron grübelnd die Stirn runzelte. „Irgendwie ist Levin schon komisch, oder? Ich meine, irgendwie ist sie eine Snape aber dann ist sie auch wieder ganz anders.“ „Vielleicht ist sie jetzt mehr sie selbst und legt nur noch ab und zu dieses Snape-Verhalten auf, weil es ihr anerzogen wurde“, meinte Harry, ohne groß zu überlegen. „Manchmal ist es unheimlich, wie gut du sie schon zu kennen scheinst“, murmelte der Rothaarige leise. „Jetzt kommst du auch damit“, warf Harry ein. „Hermine meinte das auch schon.“ „Hermine ist genauso komisch“, fiel Ron nun ein. „Besonders die letzten Tage. Sonntag hat sie mir ernsthaft Vögel auf den Hals gehetzt!“ „Du weißt nicht, wieso sie das gemacht hat?“, fragte Harry erstaunt nach. „Woher sollte ich das wissen? Sie redet ja nicht mit mir“, zog Ron hilflos die Schultern hoch. Erstaunt sah Harry seinen Freund an. Bemerkte er wirklich nicht, dass Hermine eifersüchtig war? Was sollte er ihm denn jetzt sagen? Das konnte er ihm doch nicht einfach so auf die Nase binden. „Ähm... vielleicht solltest du einfach die Zeit mit Hermine ohne Lavender als Anhang verbringen.“ „Meinst du es liegt an Lavender?“, fragte Ron unschuldig nach. Harry zog langsam die Schultern hoch. „Wäre schon möglich.“ „Dann sollten die sich mal aussprechen“, beschloss der Weasley knapp. „Ähm...“, wurde Harry panisch, „I-ich glaube nicht, dass das hilft. Du solltest einfach dafür sorgen, dass ihr nicht zu viel zu dritt seid.“ „Hm“, grübelte Ron und verzog den Mund. Das schien ihm nicht sonderlich zu gefallen, aber eine bessere Idee wollte ihm nicht einfallen. Kapitel 22: Lucas Zeitvertreib ------------------------------ Als Syndia die Tür zum Krankenflügel öffnete, schallte ihr als erstes das Lachen ihres Sohnes entgegen. Verwundert sah sie zum Bett herüber und entdeckte Harry. Dieser grinste, während er eine fangzähnige Frisbee in der Hand hielt, die Luca so zu belustigen schien, dass er sich den Bauch hielt. Ein leichtes Lächeln huschte über Syndias Lippen. Er konnte endlich wieder lachen. Und das hatten sie Harry zu verdanken. „Wenn ich mich recht erinnere, steht diese Frisbee auf der Tabuliste von Mr Filch“, begrüßte sie die beiden gespielt streng. Harry hatte nicht bemerkt, wie sie hereingekommen war und sah nun ziemlich erschrocken aus. „Ähm... nun, also...“, stotterte der Gryffindor vor sich hin. „Sei doch nicht so, Mum“, versuchte Luca die Situation zu retten. „Das ist eines von Weasleys Zauberhaften Zauberscherzen. Die sind lustig.“ „So so“, zog die Hexe eine Augenbraue hoch. „Aber seid trotzdem vorsichtig mit diesen Sachen. Einige davon können ernsthafte Verletzungen verursachen.“ „Keine Sorge, Mum“, grinste Luca. Die Hexe lächelte nochmals, bevor sie das Thema wechselte. „Hast du schon was gegessen?“ „Ja“, antwortete Luca etwas zu schnell und schaute nach einem strengen Blick seiner Mutter betreten auf die Decke. „Ein bisschen.“ „Aber nicht genug, oder?“, fragte seine Mutter besorgt. Als keine Antwort kam, wandte sie sich um. „Ich werde mal Poppy fragen.“ Damit verschwand sie im Büro der Heilerin. Sofort beugte sich Luca zu Harry und flüsterte aufgeregt: „Weißt du was man mit diesen Scherzartikeln machen kann?“ Ein breites, listiges Grinsen huschte über Lucas Lippen. „Mein Onkel ist doch immer so gemein zu dir. Ich könnte ein paar der Sachen bei ihm reinschmuggeln und ihn damit ärgern.“ Etwas verblüfft sah Harry den noch immer grinsenden Jungen an. „Du willst Snape mit diesen Sachen terrorisieren?“ Luca lehnte sich wieder zurück und meinte locker: „Ich muss mir doch sowieso jemanden suchen, an dem ich die Artikel ausprobieren kann und für euch Schüler ist mein Onkel schwer zu erreichen. Für mich wird es aber ein Kinderspiel und ich kann keine Strafarbeiten aufkriegen.“ „Hmmm...“, überlegte der Gryffindor. „Das hat schon seinen Reiz, muss ich zugeben. Aber meinst du nicht, dass du trotzdem Ärger kriegst?“ „Ach“, winkte der Jüngere ab. „Ich spiele doch nur.“ So ganz wusste Harry noch nicht, was er von der Idee halten sollte. Es ging sicherlich nicht gut aus. Andererseits... „Sei aber vorsichtig“, riet Harry dem Jungen, welchem die Vorfreude anzusehen war. „Mach dir da mal keine Sorgen.“   „Ah, da bist du ja, Harry“, begrüßte der Schulleiter seinen Schüler fröhlich. „Setz dich.“ Harry kam zum Schreibtisch herüber, hinter dem Dumbledore saß, und sah sich dabei im Büro um. Alles sah aus wie sonst. Nirgendwo war eine Fläche frei geräumt worden, auf der man sich duellieren konnte. Wenn sie hier Zaubersprüche üben würden, würde das halbe Büro zerstört werden. Was hatte Dumbledore vor? „Nun, du bist sicherlich gespannt, was dich erwartet“, erkannte Dumbledore die Gedanken von Harry und lächelte sanft. „Ja, sicher“, bestätigte der Schwarzhaarige, dem jedoch noch etwas einfiel. „Ich habe allerdings noch eine Frage, bevor wir anfangen.“ Der Schulleiter nickte, um Harry zu deuten fortzufahren. Harry setzte sich und versuchte nun nicht allzu verärgert zu klingen: „Professor McGonagall hat mir gesagt, dass ich in den Weihnachtsferien zu den Dursleys zurück soll. Aber sollte das nicht meine Entscheidung sein? Warum darf ich nicht hier bleiben?“ „Nun, Harry“, begann der Direktor langsam, „Du weißt, dass auf dem Haus deiner Verwandten ein Schutzzauber liegt, der verhindert, dass ein Feind dieses Haus betreten kann. Da Voldemort nun so stark geworden ist, ist es sicherer für dich...“ „Aber Hogwarts ist doch auch sicher“, fiel Harry dem Direktor aufgeregt ins Wort. „Lass mich ausreden, Harry“, erhob Dumbledore die Hand und sah den Gryffindor durchdringend an, woraufhin sich dieser zurückhielt. „Es ist dort sicherer für dich, weil Voldemort zur Zeit Wege sucht ins Schloss zu gelangen und es ihm früher oder später wohl auch gelingen wird. Hogwarts ist leider nicht mehr so sicher, wie die letzten Schuljahre.“ Harry zog die Stirn kraus. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass sich der Schutz verschlechtert haben soll. Die Schutzzauber waren immer noch die selben, die wurden doch nicht schwächer. „Ich weiß, dass das keine schöne Nachricht für dich ist“, beteuerte Dumbledore, „aber leider ist das zur Zeit der bestmögliche Weg, um dich zu beschützen.“ 'Und wenn ich gar nicht beschützt werden will?', wollte der Gryffindor rufen, aber er wusste, dass das jetzt nicht angebracht war. Und ein effektives Gegenargument wollte ihm auch nicht einfallen. „Ich hoffe das lenkt dich jetzt nicht zu sehr ab, denn wir sollten langsam mit dem Unterricht beginnen“, wechselte Dumbledore das Thema. Zögernd und auch etwas geknickt, nickte der Schwarzhaarige. Dumbledore lächelte wieder und begann zu erklären: „In diesem Unterricht möchte ich dir Informationen geben, die entscheidend im Kampf gegen Voldemort sind. Alles, was ich mit Sicherheit weiß, habe ich dir bereits im letzten Schuljahr erzählt. Das, worüber wir uns in diesem Unterricht unterhalten werden, sind reine Vermutungen, die ich aufgestellt habe.“ Das machte den Gryffindor nun neugierig. „Und diese Informationen helfen mir zu überleben?“ „Das hoffe ich doch“, lächelte der Direktor und stand auf, um sein Denkarium zu holen. Etwas misstrauisch beobachtete Harry die blau-silbern-schimmernde Flüssigkeit, die sich darin befand. Von Erinnerungen hatte er eigentlich genug. „Beunruhigt dich das?“, fiel dem Direktor auf. „Kein Sorge, Harry. Dieses Mal gehen wir zusammen hinein. Und vor allem hast du diesmal eine Erlaubnis.“ Dumbeldore zwinkerte Harry zu und füllte dann eine Erinnerung in das Denkarium...   „Und was genau soll dir diese Information nun bringen?“ fragte Ron seinen besten Freund beim Frühstück, während er seine Cornflakes löffelte. „Je mehr Hintergrundwissen man hat, umso besser“, schaltete sich Hermine ein. „Wenn Voldemort unter solchen Umständen zur Welt gekommen ist, ist es kein Wunder, dass er so grausam geworden ist.“ „Verteidigst du ihn etwa gerade?“, hakte Harry verdutzt nach. Hermine winkte hektisch ab: „Nein, natürlich nicht. Aber wir kennen jetzt die Ursache für seinen Hass gegen Muggel. Sein Vater hat ihn nie gewollt und seine Mutter alleine gelassen. Aber ich finde so einfach ist das nicht zu betrachten. Immerhin hat Merope ihn gezwungen sie zu lieben.“ „Vergiss nicht, dass er der Erbe Slytherins ist“, ergänzte Ron Hermines Argumente. „Er wäre kein Slytherin, wenn er Muggel nicht hassen würde.“ Hermine wollte protestierend etwas erwidern, doch dann blickte die junge Hexe verwundert an Harry vorbei. „Harry, sieh mal.“ Der Gryffindor drehte sich um, um zu sehen, was Hermine meinte und entdeckte dann eine kleine Gestalt zwischen einer Gruppe Sechstklässler, die sich erstaunt nach der Person umsahen, die sich durch ihre Mitte drängelte. Die Person hatte nun auch Harry gesehen, und steuerte auf ihn zu. „Luca, was machst du denn hier?“, fragte der Gryffindor erstaunt nach. „Ich darf ab heute im Schloss rumlaufen“, erklärte Luca knapp und sprach dann wesentlich leiser weiter, „Ich wollte dich um was bitten. Darf ich mir deinen Tarnumhang ausleihen?“ „Wofür brauchst du den denn?“, runzelte Harry verwundert die Stirn. „Das erleichtert es mir, meine Mission zu erfüllen“, tat Luca geheimnisvoll und mit geschwollener Brust. Harry dachte weiter nach. Mission? „Du weißt schon...“, drängte der Jüngere nun etwas ungeduldig, „mein Auftrag zur Rettung der Gryffindors...“ Nun sahen auch Hermine und Ron den Schwarzhaarigen fragend an. „Oh, ja... richtig“, ging Harry endlich ein Licht auf. Ron und Hermine verlangten noch immer stumm nach einer Erklärung, was Harry jedoch ignorierte. „Und du passt gut darauf auf?“, fragte er den Jungen. „Dieser Umhang ist einzigartig und niemand darf ihn zu fassen kriegen. Wirklich niemand.“ „Ja, ich passe auf“, antwortete Luca schnell und bekam leuchtende Augen. „Also gibst du ihn mir?“ Verstohlen blickte Harry sich um und suchte auch den Lehrertisch ab. Keine Levin, kein Snape und seine Klassenkameraden beachteten ihn nicht. Schnell zog er seinen Tarnumhang unter seinem Pulli hervor. Unauffällig schob er ihn Luca zu und flüsterte: „Pass auf dich auf.“ Der Kleinere nickte, ließ den Umhang ebenso unauffällig verschwinden und hüpfte dann fröhlich aus der Halle. Harry wandte sich wieder seinem Essen zu, doch dann sah er die Blicke seiner Freunde. „Er will Snape ein wenig auf die Palme bringen“, erklärte der Schwarzhaarige knapp. „Mit Freds und Georges Scherzartikeln.“ „Sicher, dass das eine gute Idee ist?“, zweifelte Hermine stark an diesem Plan. „Die Idee ist super!“, reagierte Ron begeistert. „Aber er muss wirklich aufpassen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was passiert, wenn Snape ihn erwischt.“ Ein Schauer überzog den Rotschopf. „Nicht nur das“, begann Hermine ihren Bedenken Luft zu machen. „Snape weiß von deinem Tarnumhang. Selbst wenn er Luca nicht erwischt, wird er dann denken, dass du ihm diese Streiche spielst.“ „Es können sicherlich genug Mitschüler und Lehrer bestätigen, dass ich nicht einmal in der Nähe seines Büros war“, blieb Harry gelassen und aß weiter.   „Potter! Auf ein Wort!“, begrüßte Snape die Klasse, kaum das er an der Tür seines Klassenraumes angekommen war. Alle Schüler wandten sich zu Harry um und fragten sich, was er angestellt hatte. Harry sah kurz unsicher zu seinen Freunden, wobei Ron die Schultern zuckte und Hermine ihren Ich-habs-dir-doch-gesagt-Blick aufsetzte. Langsam erhob sich Harry von seinem Platz und ging an Snape vorbei nach draußen. Mit einiger Heftigkeit schlug Snape die Tür zu und drängte Harry, sich ein wenig weiter von der Tür wegzubewegen. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er sehr schlechte Laune hatte. „Mag sein, dass ich noch keine Beweise habe, aber ich weiß, dass Sie dafür verantwortlich sind“, keifte Snape seinen Schüler an. „Was? Wovon reden Sie?“, versuchte Harry sein gesamtes Schauspieltalent einzusetzen. „Tun Sie nicht so blöd, Potter“, funkelte der Tränkemeister Harry weiterhin wütend an. „Ich rate Ihnen, diese Scherze zu lassen, bevor ich die Chance bekomme, Sie von der Schule zu schmeißen!“ „Was für Scherze meinen Sie?“, verteidigte sich der Gryffindor weiterhin unschuldig tuend. „Ich habe gar nichts gemacht.“ Snape setzte an wieder loszukeifen, doch da war ein Geräusch hinter ihm zu hören. Beide drehten sich um und sahen, wie eine gelb-rote Kugel von unsichtbarer Hand auf den Boden geprellt wurde wie ein Handball. Harry huschte ein kleines Grinsen übers Gesicht, während Snape noch zu verdattert war, um zu reagieren. Da flog die Kugel auf einmal auf sie beide zu, so dass sie sich reflexartig duckten. Im Flug verwandelte sich die Kugel in eine Art Feuerwerkskörper mit Flügeln und gab einen tierischen Lärm von sich. Als es über die Köpfe der beiden Schwarzhaarigen hinweggeflogen war, drehte es um und sauste wieder auf Snapes Kopf zu. Dieser duckte sich erneut und verteidigte sich dann mit seinem Zauberstab. Harry blieb weiterhin geduckt, um weder den Knaller, noch einen Zauber abzubekommen und beobachtete, wie Snape sich abmühte dieses Ding zu treffen. Mit seinem dritten Zauber traf er nun den Feuerwerkskörper, welcher augenblicklich zerplatzte. Noch immer geschockt standen Harry und Snape im nun wieder leisen Flur. Aus der Klasse war Lärm zu hören, was wohl bedeutete, dass die Schüler den Krach auch gehört hatten, sich jedoch nicht trauten nachzusehen. Plötzlich hastete Snape zu der Stelle, wo der Scherzartikel ursprünglich her kam und schien nach der unsichtbaren Person zu suchen. Als er um die Ecke sah, grinste Harry wieder. Luca war sicherlich schon über alle Berge. Snape kam zurück und starrte Harry grimmig an, welcher sofort das Lächeln wieder verschwinden ließ und versuchte irritiert zu gucken. „Wer hat Ihnen geholfen?“, ging der Tränkemeister auf Harry zu. „Geholfen? Ich habe nichts damit zu tun“, verteidigte sich der Gryffindor lautstark. „Sie haben es doch gerade selbst gesehen: Ich war das nicht.“ „Sie haben jemandem Ihren Tarnumhang gegeben!“, keifte Snape seinen Schüler nun sichtlich wütend an. Drohend ging er ganz dicht an Harry heran. „Ich warne Sie, Potter“, sprach er mit eisiger Stimme und zu Schlitzen geformte Augen. „Ich werde einen Beweis finden, dass Sie dafür verantwortlich sind und dann werden Sie sich wünschen, nie geboren worden zu sein.“ „Wäre ich nicht geboren, würde meine Mutter noch leben, was?“, rutschte es Harry heraus, worüber er selbst erschrak. Wie kam er auf solche Gedanken? Vor allem in so einem denkbar schlechten Moment? Dennoch warf dieser Gedanke den Gryffindor völlig aus der Bahn. Auch Snape zeigte sofort eine Reaktion auf Harrys Worte. Seine Pupillen zogen sich zusammen und er vergaß völlig, wütend zu schauen. Vollkommen erstarrt sah er seinen Schüler an und schien sogar das Atmen vergessen zu haben. „Das ist eine Betrachtungsweise, Potter“, gab Snape sehr leise von sich. Harry sah seinen Lehrer verwundert an. Er hatte ihm nicht zugestimmt? Er schrie ihn jetzt nicht an, so wie er es verdient hätte? Er warf ihm nicht vor, ihm seine beste Freundin genommen zu haben? Warum war er so ruhig?! Dennoch konnte Harry sehen, dass Snape litt. Das kannte er bisher nur aus seinen Erinnerungen, die er unfreiwillig gesehen hatte. Nie hätte er gedacht, das selbst einmal zu erleben. Was sollte er jetzt tun? Während Harry sich nicht rührte, steckte Snape seinen Zauberstab wieder ein und fing sich langsam wieder. „Dennoch ist deine Aussage nicht komplett falsch“, krächzte der Tränkelehrer und drehte sich dann um, um zum Klassenraum zu gehen. Das versetzte dem Gryffindor nun doch einen Stich, obwohl er gerade eben noch darum gebettelt hatte, die Schuld zugewiesen zu bekommen. Er sah seinem Professor hinterher. „Professor...“, wollte Harry Snape aufhalten. Angesprochener blieb stehen und drehte sich zum anderen um. Keinerlei Emotionen waren ihm noch abzulesen. „Es ist Unterricht, Potter“, sagte der Tränkemeister kühl, als sein Gegenüber das Schweigen nicht noch einmal brach und deutete ihm an, in die Klasse zu gehen. Trocken schluckend setzte sich der Grünäugige in Bewegung und ging an seinem Professor vorbei in die Klasse. Dort starrten ihm seine Klassenkameraden neugierig entgegen, doch er ignorierte sie und setzte sich stumm neben Ron. Auch Snape sagte keinen Ton und betrat nach seinem Schüler den Raum, um dann zum Lehrerpult zu gehen. Im Raum herrschte Grabesstille, bis Snape erst nach mehreren Minuten die Anweisung gab, den Trank von Seite 378 zu brauen. Nur langsam löste sich die Spannung der Schüler und mit lautem Stühlerücken erhoben sie sich, um Zutaten zu holen. Harry braucht etwas länger und war noch immer damit beschäftigt, in sein aufgeschlagenes Buch zu starren. „Was hat er gesagt, Harry?“, fragte Ron zögerlich nach. „Alles in Ordnung, Harry?“, schloss sich auch Hermine Rons besorgtem Blick an. Der Schwarzhaarige sah seine Freunde lange an, ehe er wieder auf die Zutatenliste blickte. „Nein.“   „Severus, auch du solltest dich an die Regelung halten anzuklopfen“, kommentierte Syndia das hereinschneien ihres Bruders in ihr Büro, ohne von den Arbeiten aufzuschauen. „Weißt du eigentlich, was genau dein Sohn treibt, wenn er durch das Schloss spaziert?“, schritt der Tränkemeister energisch auf den Schreibtisch zu. „Ich nehme an er... spielt?“, überlegte die Hexe unschuldig aufschauend. „Der Junge ist 10 und nicht 6“, grummelte Severus und stützte sich auf der Tischplatte ab. „Ich bin noch neu im Lehrerberuf, ich weiß nicht genau, wie reif die Jugend von heute ist“, verteidigte sich Syndia weiterhin gelassen und schrieb weiter. „Dein Sohn hat es sich zum Hobby gemacht mich mit Scherzartikeln zu terrorisieren.“ Syndia sah zu ihrem Bruder auf und eine kurze Stille trat ein. Mit ihrer Schreibfeder spielend überlegte sie: „Alsooo... spielt er doch?“ „Syndia!“ „Was?“ Knurrend ließ sich Severus in einen Sessel sinken. „Du heißt das gut?? Bin ich dir etwa nicht wichtig?“ „Doch natürlich, aber...“, Syndia lehnte sich zurück, legte die Feder an ihre Lippe und musterte Severus nun mit einem leichten Grinsen, „ich frage mich nur, warum du zu mir kommst und Petze spielst, statt dich wie ein Erwachsener zu benehmen und ihm zu sagen, dass er das lassen soll.“ „Ich kriege diesen Bengel einfach nicht zu fassen“, klagte Severus weiter und strich sich durch die Haare. „Er muss sich Potters Tarnumhang ausgeliehen haben. Die beiden stecken unter einer Decke. Potter hat ihm den Floh ins Ohr gesetzt, sich für ihn an mir zu rächen.“ „Moment, Moment“, erhob Syndia die Hand, um ihren Bruder zu unterbrechen. „Heißt das du weißt nicht einmal, ob es wirklich Luca ist?“ „Kein Schüler außer Potter würde so etwas jemals wagen und Potter selbst scheint es nicht zu sein. Also muss er Luca beauftragt haben. Merlin sei Dank ist Potter in den Ferien weg, dann beruhigt sich das ganze vielleicht wieder.“ „Beauftragt?“, grinste Syndia nun wieder. „Beauftragt 'Rache' zu üben? Weißt du eigentlich wie du dich anhörst?“ „Syndia, wieso begreifst du nicht, dass mir das ernst ist?“, verlor Severus nun langsam die Geduld. Er konnte es nicht leiden, wenn man sich über ihn lustig machte. „Gut, ich werde Luca sagen, dass er nicht zu hart zu dir sein soll“, erwiderte die Hexe seufzend. „Nein, du sollst ihn mir komplett vom Hals halten“, regte sich der Tränkemeister weiterhin auf. Wie konnte seine eigene Schwester nur so herzlos sein? „Severus, er ist ein Kind. Noch dazu dein Neffe. Ich möchte ihn gar nicht ganz von dir fernhalten. Ehrlich gesagt gefällt es mir, dass er sich sogar auf dich einlässt.“ Severus wollte protestieren, doch Syndia fuhr schnell fort. „Natürlich werde ich ihn in seinem Eifer bremsen, respektlos soll er schließlich nicht werden. Dennoch denke ich, ist das nur ein Zeichen dafür, dass Luca sich hier wohlfühlt. Ich hatte die Befürchtung, dass ihn dieser fremde Ort mit den fremden Menschen verschrecken würde, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Und ich bedaure es ein wenig Harry nach Hause zu schicken. Er versteht sich am besten mit Luca.“ „Das beweist doch nur, dass ich Recht habe. Du kannst ihn trotzdem nicht machen lassen, was er will! Verzieh die Göre nicht.“ „Mache ich nicht“, sprach Syndia weiterhin beschwichtigend. „Ich regle das, mach dir keine Gedanken.“ Grummelnd erhob sich der Slytherin und wollte das Büro verlassen, doch seine Schwester hielt ihn nochmal auf. „Hat Harry die Ausrede von Dumbledore angenommen?“ „Soweit ich weiß ja, auch wenn er nicht begeistert war.“ „Kann ich verstehen“, seufzte die Hexe. „Aber uns bleibt leider nichts anderes übrig. Je weiter er vom Kelch entfernt ist, desto besser.“ „Und je weiter von Luca auch“, grummelte Severus leise vor sich hin. Lächelnd erwiderte Syndia: „Ich sagte doch, ich kümmere mich darum.“ „Hoffentlich“, knurrte der Tränkemeister und verließ das Büro. So ganz glaubte er noch nicht daran, dass Syndia wirklich etwas unternehmen würde.   In der letzten Woche vor den Ferien ging viel Getuschel durch die Schülermengen. Insbesondere drehten sie sich um Luca, da die meisten erst jetzt seine Anwesenheit bemerkt hatten. Und ein weiteres Highlight war der unbekannte Held, der Snape einen Streich nach dem anderen spielte. Zwar jagten ihm keine Feuerwerkskörper mehr hinterher, aber es kam des öfteren vor, dass sich seine Schreibfeder verselbstständigte und sein Zauberstab vertauscht wurde. Einmal bekam er sogar extremes Nasenbluten mitten in der Großen Halle. Wo Snape am Anfang noch mit Wutausbrüchen reagierte, ignorierte er die meisten Streiche jedoch inzwischen, was alle sonderbar fanden. Snape schien eigentlich nicht der Typ dafür zu sein, sich etwas gefallen zu lassen. Das sorgte jedoch auch dafür, dass das Interesse der Schüler schneller abnahm. Dennoch hatten sie alle (bis auf die Slytherins) großen Respekt und Ehrfurcht vor dem Unbekannten, der das Unmögliche gewagt hatte. Niemand schien auf die Idee zu kommen, dass die Streiche mit dem neuen Jungen zusammenhängen könnten und so machten sich Harry, Ron und Hermine einen Spaß daraus, sich den wilden Spekulationen ihrer Mitschüler anzuschließen und sogar Neville mit unter die Verdächtigen zu schieben. „Überlegt doch mal“, argumentierte Ron dann eifrig, während Harry sich sein Lachen verkniff, „Neville muss unter Snape am meisten leiden. Er hätte den größten Ansporn für so etwas.“ Langsam aber sicher näherten sich jedoch die Ferien und Harrys Laune sank von Stunde zu Stunde. Am letzten Abend vor der Abreise saß er zusammen mit Ron und Hermine im Gemeinschaftsraum am Kamin und aß Kekse, die Ron aus der Küche besorgt hatte. „Ihr müsst mir wenigstens was zu Essen schicken. Für alle Fälle“, murmelte der Schwarzhaarige vor sich hin. „Keine Sorge, Mum wird so ein schlechtes Gewissen haben, dass sie dich mit Essen überhäufen wird“, entgegnete Ron kauend. „Und ich werde dafür sorgen, dass du dich nicht nur von Zucker ernährst“, ergänzte Hermine. „Und wir schreiben dir natürlich ganz viel. Jeden Tag wenn du willst.“ Harry musste matt lächeln. Es war rührend wie sehr sich seine Freunde um ihn kümmerten. „Passt auf euch auf“, sagte der Grünäugige dann ernst geworden. „Du auch auf dich“, erwiderte Hermine ebenso ernst. „Ich weiß, das wird dir sicher nicht gefallen, aber entferne dich nicht zu weit vom Haus.“ „Ja, ich weiß“, seufzte Harry mürrisch. Er war sich jedoch bewusst, dass Hermine wohl oder übel Recht hatte. Jeden Tag verschwanden immer mehr Menschen. Voldemort war unglaublich mächtig geworden. Am nächsten Morgen war Hermine wegen Lavender nicht gut auf Ron zu sprechen. Während des Frühstücks ignorierte sie den Weasley komplett und im Zug versteckte sie sich hinter einem dicken Buch. So verging die Heimreise sehr still und deprimierend. Am Bahnhof angekommen, besserte sich Harrys Laune nicht im geringsten, als er seinen grimmig dreinblickenden Onkel in der Menge entdeckte. Seine Freunde verabschiedeten sich noch mit einem schlechten Gewissen von ihm, ehe Harry sich in Bewegung setzte. Kapitel 23: Unerwarteter Besuch ------------------------------- Bereits nach wenigen Stunden wurde Harry klar, dass die Dursleys die letzten Jahre Weihnachten ohne ihn genossen hatten und er unerwünscht war. „Weshalb solltest du nochmal diese Ferien hier herkommen?“, harkte Vernon am Frühstückstisch nach, da ihn offensichtlich gerade wieder Harrys Anwesenheit störte. Seufzend antwortete der Schwarzhaarige: „Voldemort hat inzwischen so viel Macht erlangt, dass es für mich sicherer ist, wenn ich mich in diesem Haus aufhalte, weil auf dem ein Schutzzauber liegt.“ Vernon zuckte kurz zusammen, jedoch nicht beim Namen Voldemorts, sondern bei dem Z-Wort. „Dieser... Typ, der deine Eltern in die Luft gejagt hat“, versicherte sich Vernon, um alles mitzubekommen und Harry nickte. Kurz sah dieser zu seiner Tante, doch die aß in Ruhe weiter. „Ja“, bestätigte Harry erneut, „Er ist zurückgekehrt und versucht die Regierung zu untergraben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ein Krieg ausbricht.“ „Eure Regierung scheint ja nicht sonderlich stark zu sein, wenn ein Mann es schafft sie zu untergraben“, regte sich Vernon nun wieder über die Zauberergesellschaft auf. „Er ist ja nicht alleine“, begann Harry sich zu verteidigen. „Er hat viele Anhänger und die schleichen sich beim Zaubereiministerium ein oder verzaubern ihre Mitarbeiter mit dem Imperiusfluch, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen...“ „Schon gut, schon gut“, wurde Harry hektisch von seinem Onkel unterbrochen, da wohl mehr 'magische' Worte gefallen waren als er ertragen konnte. Grummelnd schob Vernon mit der Gabel sein Essen auf dem Teller hin und her. „Und... das Haus ist also sicher?“ „Momentan ja“, bestätigte Harry ihn, fühlte sich hier aber alles andere als wohl. Ob nun sicher oder nicht. „Mhm“, nickte Vernon grummelnd, womit er das Thema für sich abschloss. Nach dem Essen räumte Harry den Tisch ab und schlich danach rauf auf sein Zimmer, wo er eines der Bücher aus der Bibliothek unter dem Bett hervorholte. Nach wenigen Stunden rief ihn seine Tante nach unten. Ächzend erhob sich der Gryffindor und stapfte aus seinem Zimmer die Treppen hinunter. „Vernon kommt gerade vom Einkaufen zurück. Hilf ihm die Geschenke reinzutragen!“, sagte sie nur knapp und ging dann ins Wohnzimmer zurück. Seufzend ging Harry in die Küche und sah aus dem Fenster, um nach seinem Onkel Ausschau zu halten. Weihnachtsgeschenke. Er konnte froh sein, wenn er nichts geschenkt bekam. Auf alte Socken oder irgendetwas anderes ekliges hatte er keine Lust. Und er wollte es den Dursleys auch nicht gönnen, sein Gesicht dabei sehen zu dürfen. 'Aber ich bekomme Geschenke von meinen Freunden', lächelte Harry nun wieder. Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er Vernons Auto auf die Auffahrt fahren sah. Langsam ging er Richtung Tür und öffnete sie. Sein Onkel hatte gerade die ersten Geschenke aus dem Kofferraum geholt, als er grummelnd eine Katze unter sein Auto huschen sah. „Verzieh dich, husch husch“, versuchte er sie zu verscheuchen. Erst nach mehrmaligen Versuchen verzog sich die Katze ins nächste Gebüsch. „Bestimmt ein Streuner. Fürchterlich!“, verzog Vernon angewidert das Gesicht und wandte sich nun an Harry. „Das muss alles nach oben ins Schlafzimmer. Los, beeile dich!“ Damit verschwand er mit der ersten Ladung im Haus und Harry schnappte sich seufzend ebenfalls Geschenke aus dem Wagen. Wie erwartet waren Kofferraum und Rückbank komplett vollgepackt und natürlich waren die alle für Dudley. Dieser war gerade nicht zu Hause, sonst hätte er sich schon längst die Pakete unter den Nagel gerissen. Harry wunderte es ohnehin, dass die Dursleys es schafften, diese große Menge an Geschenken bis Weihnachten von Dudley fernzuhalten.   Etwas kratzte an Harrys Gesicht. Grummelnd vergrub dieser seinen Kopf weiter im Kissen und versuchte weiterzuschlafen. Doch dann landete ein Gewicht auf seiner Seite und ihm kniff etwas ins Ohr. Ächzend drehte Harry den Kopf und blinzelte. „Hedwig“, raffte er sich langsam auf und die Schneeeule flatterte von ihm runter auf das Bett. Sie war durch das angelehnte Fenster gekommen und hielt Harry nun ihr Bein hin, an dem ein Brief festgebunden war. Noch immer etwas müde löste der Gryffindor den Brief und strich Hedwig dann durch das Gefieder. „Danke.“ Damit flatterte sie wieder durch das Fenster hinaus. Harry lehnte es wieder an, damit es nicht zu kalt im Zimmer wurde. Erst dann sah er sich den Brief genauer an. Diese Handschrift kannte er: Es war Rons. Der Schwarzhaarige machte seine Tischlampe an und öffnete den Brief, um ihn zu lesen.   Hi Harry, ich hoffe dein Start in die Ferien war jetzt nicht allzu schlimm. Wir sind gerade in Ungarn angekommen und ich muss sagen... weder Wetter noch Landschaft sagen mir zu. Aber mit Fred und George kriegt man die Zeit gut herum. Übrigens hat Percy in einem Brief gefragt, wo du die Ferien über verbringst. Irgendwie komisch, oder? George meint, Percy müsse irgendwelche Hintergedanken haben, wenn er nach dir fragt und ich denke er hat Recht. Wir haben es ihm also nicht gesagt, mache dir da keine Sorgen. Naja, mir kann er gestohlen bleiben. Wenn er kein Interesse an uns hat, haben wir auch keines an ihm. Ich schreibe dir Morgen nochmal (wie versprochen)   Bis dann, Ron   P.S.: Meinst du ich soll Hermine auch schreiben? So komisch, wie die im Moment drauf ist, da weiß ich nicht was ich machen soll.   Ächzend erhob sich Harry, um sich an seinen Schreibtisch zu setzen. Er holte ein Stück Pergament sowie Feder und Tinte hervor, um eine Antwort zu schreiben. Überlegend sah er aus dem Fenster. Draußen war alles still, bis auf ein fernes Fauchen und Miauen. Offensichtlich prügelten sich zwei Katzen im Nachbarsgarten. Harry wusste nicht, was er Ron bei Hermine raten sollte. Warum mussten Frauen auch so kompliziert sein? Und Percy hatte nach ihm gefragt? Das konnte ja nur bedeuten, dass er für das Ministerium spionieren wollte. Wussten die etwa nicht, wo er sich aufhielt? Und was würden die von ihm wollen? Harry war Dumbledore dankbar dafür, dass er seinen Aufenthaltsort nicht dem Ministerium gesagt hatte. Das letzte was Harry gebrauchen konnte, war ein Zaubereibeamter, der seinem Onkel und seiner Tante einen Besuch abstatten würde. Harry tauchte seine Feder ins Tintenfass und begann den Brief an Ron zu schreiben. Er erzählte ihm, wie er seine Zeit vertrieb und riet ihm, Hermine ab und zu zu schreiben. Mehr als ignorieren konnte sie ihn nicht. Als Hedwig von ihrer Jagd zurückkam, gab Harry ihr einen Keks und bat sie, nach einer Pause den Brief Ron zu bringen. Sogleich legte er sich wieder ins Bett und schlief schnell ein. Wie so oft in letzter Zeit träumte er von goldenen Kelchen.   Die Tage zogen sich hin und schon sollte morgen Heiligabend sein. Vernon hatte einen Baum besorgt und Harry musste Tante Petunia helfen, ihn zu schmücken. Leichter gesagt als getan. „Nein, nein, da kann die nicht hin“, beschwerte sich Petunia bei jeder Kugel, die Harry aufhängen wollte. „Die Farben müssen gleichmäßig verteilt werden und sie dürfen nicht zu dicht an andersfarbigen Kugeln liegen. Da habe ich schon blaues Lametta hin gehängt, da kann keine rote Kugel drunter.“ Am liebsten hätte Harry die Kugeln auf den Boden geschmissen. Wenn er sowieso alles falsch machte, warum schmückte sie den Baum dann nicht alleine? Entnervt hielt Harry also seiner Tante jede einzelne Kugel vor die Nase und wartete auf ihre Anweisungen, wo er die aufhängen sollte. „Da drüben. Nein, der kleine Zweig daneben. Nein, weiter rein. Das ist jetzt zu weit, da sieht man sie zu schlecht.“ 'Grrrrr', war der Gryffindor kurz vorm Platzen. „Ach gib her!“, nahm Petunia ihm die Kugel aus der Hand und übernahm die Arbeit selbst. Erleichtert schlich sich Harry aus der Wohnstube. Zum Glück erwarteten die Dursleys zu Weihnachten keinen Besuch, sonst würde Petunia den Schwarzhaarigen in den Wahnsinn treiben. Um der ganzen Aufruhr endgültig zu entkommen, zog Harry sich seine Jacke an und verließ das Haus. Er hatte zwar versprochen vorsichtig zu sein, doch er hielt es nicht länger aus. Es schneite gerade und Harry knüpfte die Jacke weiter zu. Mit den Gedanken abschweifend, schlenderte er die Straße hinunter, in der zur Zeit nicht viel los war. Wie so oft in den letzten Tagen, dachte Harry über Snapes letzte Worte nach, die er mit ihm gewechselt hatte. Was würde Sirius zu dem Streit sagen? Zu der Überlegung, dass er Schuld am Tod seiner Eltern war? Naja... eigentlich nicht schwer zu erraten. Er würde ihm sagen, dass Snape totalen Bullshit geredet hat. Aber war es wirklich so? Bei seinen Überlegungen ging Harry am Spielplatz vorbei, von wo er Krach hörte und aufschaute. Dudley hatte mit seiner Gang die Schaukel belegt und schien irgendwas auf dem Boden zu machen, wobei alle lauthals lachten. Der Gryffindor reckte den Hals, um erkennen zu können, was dort auf dem Boden sein sollte. Doch erst, als ein lautes Miauen zu hören war und Dudley nach hinten fiel, sah Harry eine schwarze Katze davonflitzen. „Mistvieh!“, rief Dudley ihr hinterher und fasste sich ans Gesicht, wo ihn die Katze offensichtlich gekratzt hatte. „Alles okay?“, fragte einer seiner Kumpels, worauf Dudley nur „Ja, ja.“ antwortete. Harry musste leicht lächeln. Geschah ihm recht. Wahrscheinlich gab er sich vor seinen Freunden jetzt gelassen und sobald er nach Hause kommen würde, würde er Petunia vorheulen, wie sehr die Katze ihn doch auseinandergenommen hätte. Nun besser gelaunt ging Harry weiter und machte sich bald auf den Rückweg, um sich nicht zu weit vom Haus zu entfernen.   Wie zu erwarten war, ging das große Geheule los, sobald Dudley zu Hause war und Petunia überschlug sich vor Fürsorge. Um seine Ruhe zu haben ging Harry hinaus in den Garten. Er war gerade erst hinaus getreten, da kam eine Eule auf ihn zugeflattert. Sich vorher nach Nachbarn umsehend, hob Harry seinen Arm, um die Eule darauf landen zu lassen. Sie streckte ihm ihr Bein entgegen, um den Brief auszuhändigen, den Harry eilig löste, bevor sein Onkel oder seine Tante sahen, was er hier trieb. Sich auf die Bank setzend öffnete der Schwarzhaarige den Brief. Er war von Hermine.   Lieber Harry,   wie versprochen schreibe ich dir so oft es geht. Morgen kann ich dir Kekse und Kuchen zuschicken, auch wenn du wahrscheinlich von Mrs. Weasley damit überschüttet...   „Was ist denn das?“, riss Dudley seinem Cousin den Brief aus der Hand, welcher ihn gar nicht bemerkt hatte. „Gib den sofort wieder her!“, sprang Harry wütend auf. „Hermine? Wer ist das denn? Als ob du mal eine Freundin abkriegen würdest. Hast du dir bestimmt selber geschrieben“, höhnte Dudley, wobei er mit seinen tausend Pflastern im Gesicht weniger bedrohlich wirkte als sonst. Dennoch kochte Harry vor Wut. „Gib ihn mir!“, hauchte der Gryffindor eiskalt, doch Dudley drückte den Brief an sich und ging langsam rückwärts. „Das ist bestimmt ein genauso großer Spinner wie du. An deiner Schule gibt es ja nichts anderes“, damit drehte sich Dudley um und rannte zwischen die Bäume, die hinter dem Grundstück in einer winzigen Gruppe zwischen den ordentlich geschnittenen Rasenflächen der Häuser standen und so für etwas Sichtschutz sorgten. Knurrend rannte Harry seinem Cousin hinterher. „Dudley, gib ihn mir zurück! Du bist eh viel zu langsam zum weglaufen!“ Doch plötzlich hatte Harry ein merkwürdiges Gefühl und er wurde langsamer. Irgendetwas stimmte hier nicht. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als würden ihm seine Instinkte auf Gefahr hinweisen. „Dudley!“, rief er nun alarmiert. „Komm zurück!“ Langsam zog Harry seinen Zauberstab hervor und schlich sich an den angrenzenden Grundstücken vorbei, um nach Dudley zu suchen, doch der war nirgends zu sehen oder zu hören. „Dudley! Verdammter Idiot, komm zurück! Irgendetwas ist hier!“ Hinter sich hörte der Gryffindor ein Rauschen und erschrocken drehte er sich um. Doch alles, was zu sehen war, war etwas weiß-blaues, das schnell Richtung Himmel davonflog. Es sah aus wie ein Vogel. Vielleicht nur eine Eule. Er drehte sich wieder nach vorne und suchte weiter. „Dudley!“ Ein Knacken war von schräg links zu hören. Harry hob den Zauberstab, doch es war sein Cousin, der hektisch über die Äste zu ihm gestolpert kam. Als er näher kam erkannte Harry, dass ihm die Angst ins Gesicht geschrieben stand und er leichenblass war. „Was hast du gesehen?“, kam Harry ihm eiligst entgegen. „D-D-Da v-vor-vorne“, stotterte Dudley ängstlich und zeigte mit zitternder Hand in die Richtung aus der er kam. „Was ist da?“ „I-Ich... Ei-ein M-Mann...“ „Dudley, wir müssen schnell zurück ins Haus. Da sind wir sicher, verstanden?“, redete Harry auf seinen Cousin ein. Zögerlich nickte dieser und sie setzten sich in Bewegung, wobei sie ständig hektische Blicke nach hinten warfen. „Was für ein Mann war das Dudley? Wie sah er aus?“ „G-Ganz dünn im Ge-Gesicht und blass. Er... Er hatte r-rote Augen.“ 'Voldemort??!', dachte Harry schockiert. Nein, das konnte nicht sein. Er hatte sich hier noch nie blicken lassen und die Narbe reagierte auch nicht. Moment mal... blass... rote Augen... Hinter sich hörten die Jungs etwas knacken und sie drehten sich erschrocken um. Dort stand ein schlanker, hochgewachsener Mann mit langen, braunen Haaren und roten Augen, direkt zwischen den letzten Bäumen. Seine Haut war leichenblass und sein Gesicht hohlwangig. Ein überlegenes Grinsen huschte über sein Gesicht, als er Harry erblickte und zu sehen waren spitze Eckzähne. Entsetzt starrte Harry seinen Gegenüber an. Ein Vampir! Ein verdammter Vampir! „Lauf Dudley, lauf!“, schrie er seinen Cousin an und die beiden nahmen die Beine in die Hand. 'Was hatten wir im Unterricht? Verteidigung gegen Vampire... wie ging das nochmal, verdammt!', grübelte Harry verzweifelt, doch ihm wollte nicht einfallen, was man in so einer Situation machen sollte. Ihm fiel nur ein, was Hermine zu den Fähigkeiten eines Vampirs gesagt hatte. Weglaufen funktionierte nicht, das wusste er noch. Aber was sollten sie dann tun?! In Windeseile war der Vampir an den beiden vorbeigezischt und versperrte ihnen nun den Weg. Schlitternd kamen Harry und Dudley zum Stehen. Harry grübelte so schnell er konnte, während Dudley ein jämmerliches Quieken von sich gab. „Harry, mach was.“ „Ich überlege doch schon!“, rief Harry gestresst. Was sollten sie jetzt tun?? Irgendeinen Trick musste es doch geben! „Miau“ kam es auf einmal von rechts. Harry sah sich um und erkannte die schwarze Streunerkatze, die gerade heute Mittag Dudley eine verpasst hatte. Sie kam auf die drei zugerannt und sprang über das zur Zeit kahle Rosenbeet von Tante Petunia. Im Flug schien sich die Katze zu verändern. Sie wuchs und wuchs, bis sie bei der Landung die Größe eines Panthers angenommen hatte, der sich schützend vor die Jungs stellte und den Vampir anfauchte. Harry verstand die Welt nicht mehr. „Wer...“, begann er, doch die Großkatze schob ihn und Dudley an die Seite, bis sie freie Bahn zum Haus hatten. Erstaunt blieb Harry noch immer stehen, sodass sich die Großkatze ihm zuwandte und ihn ungeduldig anknurrte. Sie hatte schwarze Augen. „Pro-Professor?“, fragte Harry erstaunt nach. Das Tier wandte sich wieder dem Vampir zu, welcher sich in Angriffsposition brachte, und schob Harry weiter Richtung Haus. „Schnell, ins Haus, Dudley!“, holte der Gryffindor Dudley aus seiner Starre. Dieser stolperte sogleich los und Harry folgte ihm. Diese Katze war also die ganze Zeit als Wache hier. Aber welcher von den Snapes war es? Da gäbe es wohl eine simple Möglichkeit, um das herauszufinden... Nein! Harry würde da jetzt ganz bestimmt nicht hingucken!! Sich selbst tadelnd lief Harry weiter und erreichte gerade die Terrassentür, als es einen Knall von der Straße aus gab. Erschrocken zückte der Schwarzhaarige seinen Zauberstab, doch auf der Straße war nur Snape erschienen. Dann war die Frage mit der Großkatze wohl geklärt. Wie konnte er auch denken, dass Snape solche Fähigkeiten hätte. „Ins Haus, sofort!“, kam Snape auf ihn zugerannt. Schnell gehorchte Harry und betrat die Wohnstube, wo Dudley bereits mit seinem panischen Geschrei Onkel Vernon und Tante Petunia aufgescheucht hatte. „Was ist da draußen los?!“, keifte Vernon bereits puterrot los. „Ein Vampir“, japste Harry nur und sah hastig nach draußen. „Ein – Ein WAS??!“, hoffte Vernon sich verhört zu haben. Petunia gab einen spitzen Schrei von sich. „Keine Sorge, hier drinnen seid ihr sicher“, meinte Harry nur und konzentrierte sich weiter auf das Geschehen draußen. Snape kam nun auch auf das Haus zu und stürmte in die Wohnung. „Hat er dich gebissen?“ fragte er als erstes Harry, welchem das Du nicht entgangen war. „Nein, er hat uns nicht berührt“, antwortete der Gryffindor schnell. „Gut“, kam es als Reaktion zurück und Snape blieb an der Terrassentür stehen, um die Lage draußen zu beobachten. Levin lieferte sich einen heftigen Kampf mit dem Vampir, welcher sowohl 'Krallen' als auch Zähne benutzte. „Aber was ist mit ihr? Sie wird von ihm gebissen“, sorgte sich Harry sofort. „Einem Lamia macht das nichts aus.“ „Snape?!“, rief auf einmal Petunia offensichtlich entsetzt vom Sofa herüber, wo sie mit Vernon und Dudley zusammengekauert saß. Angesprochener drehte sich um und betrachtete das erbärmliche Bild. „Evans“, gab er nur mit gerümpfter Nase zurück. Etwas irritiert sah Harry zwischen den beiden hin und her. Stimmt ja, sie mussten sich von früher kennen. „I-Ich heiße schon lange nicht mehr Evans!“, richtete sich Petunia auf. „W-Was zum Teufel treibst du hier?!“ „Ich rette euer Leben, wenn das gestattet ist“, knurrte Snape zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und richtete den Blick wieder nach draußen. „Was ist das für ein Vieh da draußen? Dieses... Dieses Raubtier?“, schaltete sich nun auch Onkel Vernon ein. „Das ist meine Schwester, du Walross“, bekam der Slytherin immer schlechtere Laune und warf Vernon einen seiner Todesblicke zu. Empört blieb Vernon der Mund offen stehen. „So hast du nicht mit uns zu reden, du... du Freak!“, wurde Petunia nun mutiger. „Eigentlich dachte ich, dass du nach so vielen Jahren ein wenig kreativer werden würdest, Evans“, leierte Snape gelangweilt ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. „Ich heiße nicht Evans!“ „Petunia, kennst du diesen... diese Leute etwa?“ Nun wurde Petunia doch etwas ruhiger. Sie sah nervös zu ihrem Mann, der sie verwirrt ansah, verschränkte die Arme und meinte dann mit einem Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen: „Er war derjenige, der... meine Schwester zu einem... zu einer von denen gemacht hat.“ „Als Hexe wird man geboren und nicht dazu gemacht. Wann begreifst du das endlich, Evans. Ich dachte Dumbledore hätte dir oft genug erklärt, dass man dich nicht einfach zu einer Hexe machen kann.“ Erschrocken japste Petunia nach Luft und Harry wurde hellhörig. „Wie? Du wolltest eine Hexe werden?“, fragte er verblüfft nach. „W-Was reden die da für einen Blödsinn? Petunia?“, sah Vernon immer irritierter zu seiner Frau, die vor sich hin stotterte und immer blasser wurde. Doch bevor Petunia eine passende Antwort einfiel, wurde die Unterhaltung durch ein lautes Quieken von draußen unterbrochen. Sofort stürzte sich Snape in den Garten hinaus. „Verdammt, Syndia!“ Mit mulmigem Gefühl sah Harry ihm nach. Levin schaffte es nicht alleine gegen einen Vampir? Das musste schon was heißen. Was sollte er tun, wenn es beide nicht schafften? Er musste doch irgendwas unternehmen können. Aber was, wenn er nicht einmal zaubern durfte? „Sie sollen verschwinden!“, brüllte nun wieder Vernon wütend. „Alle! Sie sollen uns in Ruhe lassen!“ „Snape und Levin beschützen euch gerade!“, regte sich der Gryffindor auf. „Nein“, ging Vernon langsam auf Harry zu. „Sie beschützen dich. Ohne dich würden wir hier gar keinen Ärger haben!“ „Das bringt uns jetzt auch nicht weiter!“, brüllte Harry wütend zurück. „Erstmal muss der Vampir aus dem Garten raus!“ „Er verschwindet, wenn du auch verschwindest!“ Harry setzte gerade zu einer Erwiderung an, als Levin gestützt von Snape das Haus betrat. Etwas humpelnd und aus der Puste betrachtete sie skeptisch die Situation. „Wir haben ihn verjagt. Noch alles dran, Harry?“ „Ja, alles gut. Bei Ihnen auch?“, gab Harry besorgt zurück. „Nichts ist gut!!“, brüllte Vernon weiter, den die Verletzungen von Levin überhaupt nicht zu interessieren schienen. „Diese Biester sind hinter dem Jungen her? Dann soll er von hier verschwinden! Wir führen hier ein ruhiges, normales Leben und das soll uns dieser Bengel nicht versauen!“ Fragend sah der Gryffindor zu den Snapes. Sie hatten es gehört, er war hier unerwünscht. Durfte er jetzt nach Hogwarts zurück? Snape hatte seine Augen verengt und auch Levin schien von Onkel Vernon angewidert zu sein. „Das ist der sicherste Ort für Harry“, begann Levin ruhig, dennoch mit bösem Blick zu erläutern. „Ist mir egal! Er brauchte bisher nie die Winterferien herkommen, dann wird er es diese auch überleben!“ Seufzend sah Levin zu Harry, welcher sie hoffnungsvoll ansah. Kühl sah sie wieder zu Vernon, der vor Wut schnaufte. „Hole deine Sachen, Harry. Du kommst mit uns.“ Kapitel 24: Urlaub bei den Snapes --------------------------------- „Was?“, kam es gleichzeitig von Harry und Snape. „Na los, beeile dich“, ignorierte Levin das. Zögerlich setzte Harry sich in Bewegung, auch wenn er nicht ganz begriff, was hier vor sich ging. Während er die Treppe nach oben ging, hörte er Levin sagen: „Lange nicht gesehen, Petunia.“ Zu gerne wäre Harry jetzt bei dem Gespräch dabei gewesen. Eilig schnappte er sich seine Bücher, Klamotten, Federn, Pergamentrollen und schmiss alles durcheinander in seinen Koffer. Hatte er das richtig verstanden? Wollte Levin ihn jetzt zu sich mit nach Hause nehmen? Warum schickte sie ihn nicht einfach nach Hogwarts zurück? Als alles verstaut war, schnappte er sich noch Hedwigs leeren Käfig und ging die Treppe wieder herunter. In der Wohnstube war es still und die Kälte, die nichts mit dem Schnee vor der Tür zu tun hatte, war nahezu greifbar. Besonders Petunia lieferte sich mit den beiden Snapes ein Duell mit verachtenden Blicken. „Hast du alles?“, fragte Levin nur kurz, woraufhin der Gryffindor nickte. „Gut. Dann... bis irgendwann, Petunia.“ Tante Petunia verzog zur Antwort den Mund und verschränkte die Arme. „Auf nimmer Wiedersehen“, grummelte Onkel Vernon vor sich hin und Dudley saß noch immer quiekend und zusammengekauert auf dem Sofa. „Du hast noch meinen Brief, Dudley“, streckte Harry die Hand nach seinem Cousin aus. Dieser hielt Harry mit zitternder Hand den Brief hin, der durch die ganze Aufregung extrem zerknittert war. „Danke. Dann... bis zum Sommer“, meinte Harry noch und verließ nach den Snapes das Haus zum Garten hinaus. „Meinst du es sind Gedächtniszauber nötig?“, murmelte Levin ihrem Bruder zu. „Die Nachbarn haben sicherlich was mitbekommen.“ „Berichte Dumbledore davon und er wird sich was einfallen lassen“, grummelte Snape nur, der neben ihr lief. „Sicher, dass du Potter mitnehmen willst?“ 'Ich kann euch hören', grummelte Harry in Gedanken. 'Mir ist schon klar, dass ich überall unerwünscht bin.' „Jetzt sei nicht so patzig“, beschwerte sich Levin über Snape und drehte sich dann zu Harry um. „Harry, gib mir deine Hand, damit wir Apparieren können.“ Zögerlich ging Harry auf seine Lehrer zu. Er hatte im Apparierkurs bereits den Vorgeschmack davon bekommen, wie unangenehm apparieren war. Er griff nach Levins ausgestreckter Hand. „Bereit?“, fragte sie ihn und nachdem er genickt hatte, entstand bereits dieses widerliche Soggefühl. Als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, sah er sich um. Sie standen vor einem Haus, dass das einzige weit und breit zu sein schien. Es war so groß wie ein Zweifamilienhaus und war vom Äußeren her dem Anwesen der Blacks gar nicht so unähnlich, nur das der Zustand viel besser war. Rundherum waren Wiesen und ein Wald befand sich auf der linken Seite. Sie standen auf einem Sandweg, der vom Haus fort nach rechts führte und sich zwischen den Wiesen verlor. „Das ist zur Zeit unsere Unterkunft“, erklärte Levin. „Komm rein, ich werde mal sehen, wo du deine Sachen hinpacken kannst.“ Levin schritt voran, gefolgt von einem grummelnden Snape und einem ziemlich unsicheren Harry. Er sollte also wirklich jetzt hier bleiben? Ohne das er überhaupt gefragt wurde? „Sind deine Verwandten immer so zu dir?“, fragte die Hexe nach. „Meistens ist es aushaltbar“, zuckte Harry mit den Schultern. „Sie reagieren nur allergisch auf alles, was nicht normal ist, also war das eben der Schock ihres Lebens.“ „Das klingt ja wunderbar“, kommentierte Levin das mit gemischten Gefühlen. „Aber dir geht es gut?“, fügte sie mit besorgtem Blick hinzu. „Ja, es geht schon“, nickte der Gryffindor und betrachtete dabei das Haus, auf das sie zugingen. „Aber was ist mit Ihnen?“, setzte er hinzu, da Levin noch immer humpelte. „Es geht schon“, wiederholte sie Harrys Worte mit einem sanften Lächeln. „Ich hoffe das alles ist jetzt nicht zu unangenehm für dich. Es war eine Kurzschlussreaktion, weil ich so empört über deine Verwandten war. Ich wollte dich denen nicht ausliefern“, versuchte die Schwarzhaarige sich zu erklären. „Ist schon okay“, versuchte Harry sie zu beruhigen. „Ich bin nur etwas überrumpelt.“ Lächelnd betrachtete Levin den überraschten Schüler. „Luca wollte heute den Baum schmücken. Mal sehen, wie weit er schon ist.“ „Luca ist auch hier?“ „Ja. Wir wollten uns zu Weihnachten ein bisschen entspannen und uns vom Stress in Hogwarts eine Pause gönnen.“ Harry musterte seine Lehrerin. Sie hatte in der Tat sehr viel Stress gehabt. Alleine die Sorge um Luca muss schon sehr kräfteraubend gewesen sein. „Und ich dachte, ich hätte wenigstens dieses Jahr ein wenig Ruhe vor Ihnen, Potter“, grummelte Snape von der Seite, wofür er einen missbilligenden Blick von seiner Schwester kassierte. „Ebenso“, gab Harry trocken zurück, ehe Levin überhaupt etwas sagen konnte. „Tu mir einen Gefallen, Syndia, und sperr diesen Bengel irgendwo ein“, reagierte Snape schlecht gelaunt. „Würde keinen großen Unterschied zu den Dursleys machen.“ „Na, ich hoffe doch, dass du es bei uns besser haben wirst, als bei deinen Verwandten“, schaltete sich Levin nun doch ein, während sie die Eingangstür öffnete. „Sooo. Da wären wir.“ Neugierig sah sich der Gryffindor um. Der Eingangsbereich war sehr geräumig und mit rotem Teppich versehen. Ging man weiter hinein, so erhöhte sich die Decke um eine weitere Etage. Mit einem prüfenden Blick stellte Harry fest, dass über eine Treppe die zweite Etage zu erreichen war, die nur den vorderen Bereich des Hauses einnahm, weshalb die andere Hälfte so eine hohe Decke hatte. Der 'Flur' der zweiten Etage lag mit einem Geländer versehen direkt über ihm, von wo aus man einen guten Blick in den Eingangsbereich hatte. Vor ihm befanden sich noch zwei weitere Türen, bei denen er noch nicht erkennen konnte, wo sie hinführten. Alles sah sehr edel aus und erinnerte weiter an das Black-Anwesen, nur dass das hier alles wie neu aussah. „Wenn man sich erstmal zurechtgefunden hat, ist es ganz gemütlich hier“, erläuterte Levin. „Hier vorne sind die Küche und das Wohnzimmer“, deutete sie auf die beiden Türen vor Harry. „Luca und ich haben uns Zimmer im Erdgeschoss ausgesucht, also sind oben noch welche frei. Komm mit.“ Damit ging sie auf die Treppe zu, auf der sie sich am Geländer abstützend hochkämpfte, gefolgt von dem staunenden Harry. Snape schnaufte kurz und verzog sich in die Küche. „Hier ist Severus' Zimmer“, deutete Levin auf die erste Tür, „und hier ist ein freier Raum.“ Sei öffnete die nächste Tür und zum Vorschein kam ein großes Zimmer mit kompletter Möblierung. Ein großes Himmelbett stand links an der Wand und am Fenster befand sich ein Schreibtisch. Kommode und Beistelltisch gab es neben der Tür. Vom Raum weg ging noch eine weitere Tür, auf die die Hexe geradewegs zu ging. „Jedes Zimmer hat sein eigenes Badezimmer, siehst du? Gib mir einfach Bescheid, wenn du Handtücher oder irgendwas anderes brauchst. Ich habe das alles unten liegen.“ „Ist gut“, nickte Harry und sah sich noch immer um. Aus dem Fenster konnte er den Sandweg vor dem Haus sehen. „Und? Meinst du du kannst mit leben?“, fragte die Lehrerin forschend nach. „Ja“, nickte Harry eifrig. „Es ist super hier.“ „Gut“, lächelte die Schwarzhaarige. „Dann werde ich dich in Ruhe auspacken lassen und sehe mal nach Luca. Wir sind in der Wohnstube, wenn du uns brauchst.“ Damit verließ die Hexe das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Noch immer überrumpelt ließ sich Harry aufs Bett nieder und sah sich um. Ein Vampir hatte ihn angegriffen und Levin und Snape hatten ihn gerettet. Und jetzt sollte er die restlichen Ferien bei denen verbringen, weil Onkel Vernon ihn rausgeschmissen hatte. Irgendwie war das alles schwer zu fassen. Ob das überhaupt gut gehen würde? Mit Luca und Levin hatte er keine Probleme, aber Snape störte seine Anwesenheit offensichtlich. 'Der kann mir gestohlen bleiben', dachte Harry sich nur und machte sich auf dem Bett lang. Da hatten sich seine Ferien vielleicht doch noch in gute gewandelt.   „Wirklich ein grandioser Plan von dir“, begrüßte Severus seine Schwester, als diese ächzend wegen des Beines die Küche betrat. „Langsam habe ich das Gefühl, du willst mir mit Absicht mein Leben versauen.“ „Jammer nicht herum, sondern hilf mir lieber“, meinte die Hexe angestrengt bei dem Versuch, die Wunde an ihrem Bein freizulegen. Grummelnd erhob sich der Tränkemeister und positionierte seine Schwester auf einem Stuhl, welche ihr Bein auf einen weiteren hochlegte und die Hose hochzog. Severus untersuchte die Wade genauer. „Er hat sich da richtig drin verbissen“, ächzte Syndia weiter. „Sei froh, dass die Wunde durch die Rückverwandlung nicht größer wurde“, murmelte Severus analysierend. „Trotzdem solltest du damit zu einem Heiler.“ „Hey, wozu hat man einen Tränkemeister als Bruder?“, beschwerte sich die Schwarzhaarige. Angesprochener zog nur eine Augenbraue hoch: „Ich kann die Wunde reinigen und verschließen, aber ich kann nicht kontrollieren, ob dir der Asanbosam eine ansteckende Krankheit verpasst hat.“ Grummelnd nahm Syndia ihr Bein wieder herunter: „Ich kann dich doch jetzt nicht mit Luca und vor allem Harry alleine hier lassen. Das Haus soll noch stehen, wenn ich wiederkomme.“ „Und wenn ich mitkomme und Potter passt auf Luca auf? Allerdings ist das Risiko eines zerstörten Hauses dann mindestens genauso groß.“ „Ihn alleine lassen, wenn er sich hier noch gar nicht auskennt? Schon schlimm genug, dass ich ihn so überrumpelt habe.“ „Du hast nicht nur ihn überrumpelt“, grummelte Severus wieder vor sich hin. „Wie kamst du nur auf diese bescheuerte Idee?“ „Was hätte ich denn machen sollen?“, beschwerte sich die Hexe. „Seine Verwandten zwingen ihn bei sich zu behalten? Dann hätten sie ihre Wut an ihm ausgelassen. Und nach Hogwarts zurück ist zu riskant.“ Ächzend strich sich Severus über die Nasenwurzel, was Syndia nun doch etwas stutzen ließ. „Macht es dir wirklich so viel aus, dass er hier ist? In Hogwarts hast du ihn doch auch immer um dich herum.“ „Da haben wir deutlich mehr Quadratmeter, um uns aus dem Weg zu gehen. Außerdem teilen wir da keine Wohnräume“, knurrte der Slytherin genervt. „Und unser letztes Gespräch war nicht gerade das angenehmste.“ Da wurde Syndia hellhörig. „Worum ging es denn?“ „Nein, vergiss es einfach.“ „Aber es scheint ja wichtig genug zu sein, dass du glaubst, es würde die Ferien über zwischen euch im Raum stehen“, ließ Syndia nicht locker. „Ich sagte vergiss es!“, wurde Severus nun ungeduldiger. „Es geht dich nichts an.“ Einen kurzen Moment musterte die Schwarzhaarige ihren Bruder, ehe sie sagte: „Dann regle das mit ihm. Sprecht euch aus. Dann werden die Ferien auch angenehmer für euch sein.“ Kurze Zeit sagte Severus gar nichts mehr, ehe er das Thema wechselte: „Soll ich nun mitkommen oder nicht?“ „Bleib du mal hier. Aber reißt euch zusammen, ja?“, erhob sich Syndia und verließ dann die Küche.   Luca hatte erfahren, dass Harry da war und war bereits nach kurzer Zeit vor seiner Zimmertür aufgetaucht. Zusammen liefen sie durch das ganze Haus, da Luca ihm alles ganz genau zeigen wollte. Vor allem sein Zimmer war ihm wichtig und auch den Tannenbaum präsentierte er mit Stolz. Vom Wohnzimmer aus gelangte man in den großen Garten, in dessen Mitte ein runder, steinerner Pavillon stand, was etwas märchenhaftes an sich hatte. Den Rest des Abends verbrachten Luca und Harry schwatzend und Kakao schlürfend in der Wohnstube vor dem Kamin. Snape ließ sich die gesamte Zeit über nicht blicken, was Harry nur mit einem Schnauben registrierte. Nach einigen Stunden kam Levin kerngesund zurück und schickte Luca ins Bett. „Und Harry?“, begann sie ein Gespräch, als sie zurück in die Wohnstube kam. „Gefällt es dir hier? Du kannst ruhig ehrlich antworten. Ich will nur, dass du dich wohl fühlst.“ Lächelnd antwortete der Gryffindor: „Es ist alles super, danke. Das ist ein sehr schönes Haus.“ „Ja, finde ich auch“, setzte sich die Hexe Harry gegenüber. „Da hat Dumbledore ganze Arbeit geleistet uns so etwas zu organisieren. Und... ist dir Severus nochmal über den Weg gelaufen?“ „Nein, er geht mir wohl aus dem Weg. Aber ist auch besser so. Ich habe keine große Lust mich die restlichen Ferien über ständig mit ihm zu zoffen.“ „Meinst du nicht, dass ihr euch irgendwann vertragen könntet?“ Verwundert sah Harry zu Levin auf, welche ihn kritisch beobachtete. „Bezweifle ich. Wir sind einfach zu unterschiedlich.“ „Ihr seid euch ähnlicher als du denkst.“   „Professor, wie kommt es, dass Sie Ihren Animagus verändern können?“, fragte Harry am Morgen des Weihnachtstages beim Frühstück. Er unterhielt sich mit Levin und Luca, während Snape dem Gryffindor bewusst die kalte Schulter zeigte. Doch das störte Harry nicht besonders und er zeigte sich ebenfalls eingeschnappt. „Ich benutze dafür einen kleinen Trick“, schluckte Levin ihren Bissen hinunter und erzählte dann weiter, „Die Katze ist meine normale Gestalt, aber wenn ich zusätzlich meine Lamia-Fähigkeiten freisetze, wachse ich zu der Größe einer Raubkatze heran.“ „Achso“, nickte der Gryffindor verstehend. „Lamia können so viele Vorteile haben.“ „ Aber auch Nachteile. Ich habe aus Versehen mal einen Tisch angezündet, als ich einen Wutausbruch hatte“, meldete sich Luca zu Wort. „Als Kind ist das echt doof.“ Grübelnd betrachtete Harry den schmollenden Jungen. Wahrscheinlich waren Lamia, die noch nicht genügend Übung mit ihren Kräften hatten, gar nicht so ungefährlich. Als Kleinkinder richteten sie sicherlich viel Unheil an. „Ich habe dem Orden Bescheid gegeben, dass du hier bist, Harry“, schaltete sich wieder Syndia ein. „Lupin hat gefragt, ob er heute vorbeischauen könnte.“ „Lupin?“, strahlte Harry nun. „Super, ich habe ihn ewig nicht gesehen.“ Leicht lächelnd erwiderte die Hexe: „Gut, ich habe mir schon gedacht, dass du ihn sehen möchtest.“ „Harry, bist du fertig? Ich wollte dir noch was zeigen“, hibbelte der Jüngste ungeduldig auf seinem Stuhl herum. „Ähm, ja, klar“, antwortete Harry und erhob sich. „Super!“, rief Luca fröhlich und stürzte schon Richtung Tür. Langsam erhob Harry sich und folgte ihm. Syndia sah ihnen noch kurz nach, ehe sie sich mit finsterer Miene ihrem Bruder zuwandte. „Warum musst du auch noch Lupin hierher bestellen?“, murrte Severus. „Reicht es nicht, dass du mich dazu zwingst mit Potter unter einem Dach zu leben? Am liebsten würde ich wieder zu mir nach Hause.“ Jetzt übertrieb er aber. Er konnte sich doch nicht in ihrem alten Elternhaus wohler fühlen als hier. „Voldemort lässt das Haus überwachen.“ „Das weiß ich auch, Syndia“, meckerte der Slytherin genervt los und begann sein Geschirr wegzuräumen. Langsam wurde auch Syndia gereizt. „Warum stellst du dich nicht endlich mal Harry? Warum musst du immer zu feige sein über Probleme zu sprechen? Nie lässt du mich oder wen anderen an dich heran. Genauso war das auch bei deinen Schlafstörungen vor einigen Wochen, du hast mir bis heute nicht gesagt, was der Grund war.“ „Weil es dich nichts angeht!“, keifte Severus zurück. „Das ist nicht der Grund, du bist einfach zu feige dazu!“ „Nenn mich nicht feige!“ „Bist du aber!“ „Du hast keine Ahnung was alles passiert ist!“ „Wie soll ich es denn auch wissen?“, schrie Syndia zurück. „Wie soll ich es wissen, wenn du es mir nicht erzählst? Nur weil du so ein Feigling...“ „Ich musste auch Kinder foltern, verdammt!!“, platzte es aus dem Schwarzhaarigen heraus. Eine kurze Stille trat ein, bevor Severus etwas ruhiger geworden weitersprach. „Um meine Tarnung aufrecht zu erhalten, musste ich alles tun, was der Dunkle Lord von mir verlangte und das beinhaltete auch das Foltern von Kindern! Die Situation mit Luca hat diese Erinnerungen hochgeholt.“ Ruhig durchatmend sah Syndia ihren Bruder an, der sich auch langsam beruhigte. „War es jetzt so schwer mir das zu sagen? So verstehe ich dich doch viel besser.“ „Du wolltest damals nicht wissen, was mit mir passiert ist, also brauchst du es jetzt auch nicht mehr zu erfahren.“ Damit stampfte Severus aus der Küche hinaus und ließ seine seufzende Schwester zurück.   Harry war mit Luca in dessen Zimmer und unterhielt sich mit ihm über Besen, als Levin mit ernster Miene hereinkam. „Luca, ich wollte mit dir mal wo hinfahren.“ „Wohin denn?“, fragte der Lamia mit großen Augen nach. Syndia zögerte und Harry erkannte an ihrem Blick, dass irgendetwas nicht stimmte. „Wir gehen Daddy besuchen“, quälte Syndia die Worte aus sich heraus. „Dad? Juhu!! Ich habe mich schon gefragt wo er bleibt. Kann er nicht herkommen?“ „Luca...“, begann die Hexe. Harry bekam Mitleid mit seiner Lehrerin. „Weißt du... Dad ist noch immer verletzt von dem Kampf beim Hauptquartier.“ Bei diesen Worten wurde auch Luca still und seine Begeisterung wich der Angst. „Aber es geht ihm doch gut, oder?“ „Er... er ist ins Koma gefallen. Wann genau er wieder aufwachen wird, weiß keiner. Manchmal dauert so etwas nur ein paar Tage... und manchmal länger.“ Syndia sah ihren Sohn intensiv an, welcher nicht genau wusste, was er tun sollte. „Hm“, machte der Junge und fiel ins Schweigen. Nach gefühlt unendlichen Minuten ergriff Syndia wieder das Wort und erhob sich. „Komm, lass uns zu ihm fahren.“ Während sie einen Arm um ihren Sohn legend den Raum verlassen wollte, schaute sie nochmal kurz zu Harry auf. „Kommst du hier für einige Zeit alleine klar?“ „Ja, klar, kein Problem“, nickte der Gryffindor schnell. „Lasst euch Zeit.“   Zur Mittagszeit war Syndia mit ihrem Sohn zurück, beide in gedrückter Stimmung. Harry hielt sich den Tag über etwas zurück, um den beiden ein wenig Zeit für sich zu geben. Am Nachmittag kam Lupin vorbei, woraufhin Severus sich sofort in seinem Zimmer verbarrikadierte. Doch niemanden schien das zu interessieren und so saßen Harry und Lupin im Wohnzimmer und aßen Kuchen. Lupin erzählte von seinem Auftrag, den Dumbledore ihm zugeteilt hatte. Harry behagte es zwar nicht, dass Lupin mitten zwischen diesen unberechenbaren Werwölfen spionieren sollte, aber irgendwo hatte Lupin auch Recht: Irgendjemand musste etwas tun. Langsam bekam Harry aber das Gefühl, dass Dumbledore nur allzu bereit war, die Ordensmitglieder in gefährliche Situationen zu schicken. „Und du kommst hier gut zurecht?“, hakte Lupin mit einem prüfenden Blick nach und riss Harry so aus seinen düsteren Gedanken. „Ich wollte herkommen, um zu sehen, ob du dich hier wohl fühlst.“ „Es ist alles in Ordnung. Nur Snape ist... naja, Snape eben“, winkte Harry locker ab. „Aber sonst ist alles gut?“ „Ja“, nickte der Schwarzhaarige, wurde jedoch unsicher bei Lupins Blick. „Naja, größtenteils.“ „Irgendetwas spukt dir im Kopf herum“, stellte der Ältere gelassen fest. „Ach, eigentlich geht es nur um einen Streit mit Snape... wenn man es Streit nennen kann“, murmelte der Gryffindor und sah auf seine Tasse in der Hand. Fragend runzelte Lupin die Stirn und Harry sagte seufzend: „Meine Mutter... und Snape... das ist...“ „Ich weiß schon, was du meinst, Harry“, erlöste der Werwolf Harry. „Und inwiefern habt ihr euch da gestritten?“ „Sie wussten, dass er mit ihr befreundet war?“, stockte Harry verwundert. „Ja natürlich“, nickte Lupin selbstverständlich. „Selbst wenn ich nichts mit James zu tun gehabt hätte, hätte ich es gewusst. Diese Freundschaft war so ungewöhnlich für einen Gryffindor, dass es das ganze Haus wusste. Viele haben darüber getuschelt, aber Lily hat dem immer standgehalten.“ Perplex sah Harry ihn an, ehe er empört fragte: „Warum hat mir das nie jemand erzählt?“ „Naja“, zuckte Lupin die Achseln. „Bei deinem Hass auf Snape...“ Noch immer wusste Harry nicht, was er sagen sollte. Es hatten das alle gewusst? Wie konnten sie so etwas als unwichtig ansehen? Warum wurde immer alles vor ihm geheim gehalten? „Wahrscheinlich hatte James es so sehr auf Snape abgesehen, weil er eifersüchtig war“, gab Lupin mehr Informationen, da Harry die offensichtlich haben wollte. „Aber um sich mit Lily zu verstehen, musste er Snape irgendwann akzeptieren.“ Grübelnd sah Harry ins Kaminfeuer und versuchte seine Gedanken zu sortieren. Er war sauer, wusste aber gleichzeitig, dass das hier die einzige Gelegenheit war, in der er Lupin ausfragen konnte, also musst er sich zurückhalten. „Und wie hat sich das später entwickelt? Als sie aus der Schule raus waren?“, fragte er ruhig nach. Lupin lehnte sich zurück: „Sobald Snape sich Voldemort angeschlossen hatte, hatten sie kaum noch Kontakt. Ich hatte James mal danach gefragt und er erzählte mir, dass Lily ihn immer noch für einen guten Menschen hielt, der nur auf die falsche Bahn gekommen war. Sie soll auch noch Briefkontakt mit ihm gehabt haben, aber vorbeigekommen war er nicht mehr, soweit ich weiß. Das hätte Lily wahrscheinlich auch nur in Gefahr gebracht. Voldemort durfte nicht erfahren, dass einer seiner Todesser Kontakt zu Ordensmitgliedern hatte.“ Noch immer überlegte Harry stumm vor sich hin und Lupin wurde unsicher. „Ich glaube, Snape war derjenige, der dafür gesorgt hat, dass deine Familie sich versteckte.“ Da sah Harry abrupt auf: „Sich versteckte? Du meinst den Schutzzauber mit dem Geheimniswahrer?“ „Ja“, nickte Lupin. „Dumbledore meinte eines Tages, dass er aus zuverlässiger Quelle wisse, dass Voldemort hinter euch her war. Bei der Gerichtsverhandlung von Snape sagte Dumbledore aus, dass er für ihn Voldemort ausspioniert hatte. Also schließe ich daraus, dass Snape euch beschützte.“ Das wurde ja immer besser hier. Snape hatte ihn und seine Eltern beschützt und niemand kam auf die Idee ihm das zu erzählen? „Aber es hat nichts genützt... Er hat uns trotzdem gefunden“, murrte Harry. „Ja, aber das lag nun nicht an Snape, sondern an Peter. Wir hätten ihm nicht vertrauen sollen.“ Da horchte der Gryffindor auf. Peters Schuld? War es vielleicht das, was Snape gemeint hatte? „Du bist wirklich sehr nachdenklich geworden, Harry“, stellte Lupin besorgt fest. „Sicher, dass alles in Ordnung ist?“ „Ja ja, keine Sorge“, meinte Harry noch immer leicht abwesend. „Das ist normal seit ich... seit das im... Ministerium passiert ist...“ Nickend und leicht beklommen beobachtete Lupin den jüngeren genau. „Harry, du... du weißt, dass du mit mir reden kannst.“ Nickend sah der Schwarzhaarige auf: „Ja, ich weiß. Keine Sorge, ich komme schon klar. Snape sagte ich müsse einfach weiterleben und glücklich sein, damit Sirius' Tod nicht umsonst war.“ Überrascht meinte Lupin: „Snape hat das gesagt? So langsam habe ich das Gefühl, ich hätte ein halbes Leben verpasst. Es hat mich überrascht, als ich hörte, dass du hier bist.“ „Es hat sich einiges geändert, ja“, grinste Harry schief. „Das liegt wohl an Professor Levin.“ „Ich habe sie nie vorher getroffen“, murmelte Lupin nachdenklich. „Lily hatte mal erwähnt, dass Snape eine Schwester hatte. Aber sie sagte, sie sei tot.“ Stirnrunzelnd horchte Harry auf: „Tot? Aber dann... dann... Snape hat so komisch reagiert, als Levin in Hogwarts auftauchte...“ „Das muss schon merkwürdig gewesen sein, ja. Aber ich denke das ist eine Sache zwischen den beiden“, zwinkerte Lupin Harry zu, welcher daraufhin auch das Grübeln einstellte. „Und von was für einen Streit hattest du gesprochen?“, nahm Lupin den Faden wieder auf. „Ach das... hat sich jetzt glaube ich schon erledigt...“, murmelte der Gryffindor. „Wir hatten darüber gesprochen, wer Schuld am Tod von meinen Eltern wäre...“ „Dich trifft keine Schuld, Harry“, warf der Ältere sofort ein. „Hat das Snape etwa behauptet?“ „Nein, hat er nicht... also nicht größtenteils“, runzelte Harry die Stirn. „Jetzt, wo du das eben erwähnt hast, könnte es sein, dass er meinte es sei Pettigrews Schuld.“ „Das kann gut sein, aber...“, seufzte Lupin, „du solltest gar nicht erst versuchen verkrampft einen Schuldigen zu suchen. Das bringt dir nichts anderes als Hass. Zu Snape passt diese Denkweise, aber nicht zu dir, Harry. Das schadet dir nur.“ Harry dachte kurz darüber nach, ehe er zustimmend nickte. Lupin hatte wohl Recht. Kapitel 25: Eine andere Seite ----------------------------- Nach dem Weihnachtsessen machte Lupin sich wieder auf den Heimweg und die Hausbewohner machten es sich in der Wohnstube gemütlich. Kaum war Lupin aus dem Haus, traute sich der Tränkemeister wieder aus seinem Zimmer und setzte sich mit seinem Tee dicht vor den Kamin. Luca hatte ein Rätselbuch aus seinem Zimmer geholt und stellte nun immer wieder Fragen in die Runde, die meistens von Syndia beantwortet wurden, während Severus einige nur mit einem Schnauben quittierte. „Wo wird die sogenannte Faultierrolle eingesetzt?“, fragte Luca als nächstes und sofort antwortete Harry wie aus der Pistole geschossen. „Beim Quidditch. Mit diesem Manöver weicht man einem Klatscher aus.“ „War ja klar, dass Sie bei den wichtigen Wissensfragen keine Ahnung haben, aber so etwas völlig unbedeutendes wie eine Sportart auswendig kennen“, kommentierte Snape Harrys Antwort sofort spitz, der den Slytherin böse anfunkelte. „Ich konnte vorhin auch Zauber aufzählen, bei denen der Protego nicht funktioniert“, verteidigte sich der Gryffindor. „Das kann jeder 10-Jährige, Potter“, kam die knurrende Antwort. „Und Sie antworten wahrscheinlich auf keine der Fragen, weil sie unter Ihrem Niveau sind, was?“, feuerte Harry weiter zurück. Entnervt warf Luca ein:„Können wir nicht einmal ein Spiel spielen, ohne dass ihr euch...?“ „Nein“, unterbrachen beide den Jungen sofort, ohne den Blickkontakt zum anderen zu brechen. „Aber es ist Weihnachten“, beschwerte Luca sich weiter. „Meine Güte, könnt ihr euch nicht wenigstens heute Abend zusammenreißen?“ „Luca hat Recht“, warf nun auch Syndia ruhig ein. Knurrend wandte Snape sich an seine Schwester und sagte: „Zwing mich nicht den Abend mit Potter in einem Raum zu hocken, dann kannst du ihn auch in Ruhe verbringen.“ An der Tür läutete es und sofort war der Streit vergessen. Alle waren mucksmäuschenstill geworden. Verwirrt ging Syndia zur Tür, gefolgt von Severus und Harry. „Mr Scrimgeour, was verschafft uns die Ehre?“, fragte sie weniger freundlich als es eigentlich klingen müsste. „Ach, ich wollte nur einmal nachsehen, ob Sie sich in Ihrer Unterkunft wohlfühlen, Mrs Levin“, antwortete der Zaubereiminister und betrat bereits unaufgefordert die Eingangshalle, wobei er sich umsah. „Immerhin wollen wir ja, dass Sie und Ihre Familie gut geschützt sind.“ „Es ist alles Bestens, Danke“, versuchte Syndia sich erneut in Höflichkeit, doch ganz gelingen wollte es ihr immer noch nicht. „Scheint auch alles so weit zu stimmen, wie es mir berichtet wurde“, musterte Scrimgeour weiterhin das Haus, bevor er Harry entdeckte. „Ah, Mr Potter, Sie sind auch hier. Schön, nach dem Vampirangriff sollten Sie hier sicherer sein, nicht wahr?“ „Ich wusste nicht, dass das Ministerium über meinen Aufenthaltsort informiert wird, Sir“, war auch Harry skeptisch. Er erinnerte sich an Rons Brief. Scrimgeour hatte es also tatsächlich geschafft an diese Adresse hier zu kommen. Wer hatte es ihm verraten? Sicherlich war er nicht wegen Levin hier. „Wir geben uns alle Mühe Sie zu beschützen, da sollten wir natürlich auch wissen, wo Sie sind“, lächelte der Minister und kam auf Harry zu. „Mir wurde von dem Garten vorgeschwärmt, mögen Sie ihn mir einmal zeigen, Mr Potter?“ Harry blickte kurz zu Snape und Levin, die ebenso wenig über den Besuch erfreut schienen. Sich seinem Schicksal ergebend deutete Harry dem Minister ihm zu folgen und stapfte in Richtung Garten. Sobald beide draußen waren, huschte Syndia in die Küche und sah von dort aus aus dem Fenster in den Garten. „Wer ist dieser Mann?“, kam Luca neugierig hinterher. „Der Zaubereiminister, der sich offenbar bei Potter einschleimen will“, antwortete Severus dem Jungen und lugte ebenfalls kurz über Syndias Schulter, ehe er begann sich einen Kaffee zu machen. „Das ist doch ganz nach seinem Geschmack. Der große Harry Potter wird sogar vom Ministerium angehimmelt. Immerhin ist er der 'Auserwählte'...“ „Ich denke nicht, dass Harry das so toll findet“, würgte Syndia ihren Bruder schlicht ab. „Das Thema hatte wir doch schon lange abgehakt, oder nicht?“ „Ich habe dir nie Recht gegeben“, murrte der Slytherin und setzte sich an den Tisch. „Du siehst nur das, was die Allgemeinheit von sich gibt.“ Luca zog sich murrend in die Wohnstube zurück. „Du wirst dich nie mit Harry verstehen, kann das sein?“, stellte Syndia nun bedauernd fest. „Weil du einfach zu feige bist.“ „Komm jetzt nicht wieder mit so etwas“, ging Severus drohend auf seine Schwester zu. Doch auch Syndia baute sich auf: „Tu ich aber. Er ist Lily ähnlich, das müsstest du sehen. Ich glaube du siehst es auch, hast aber genau deswegen Angst vor ihm.“ „Ich habe keine Angst vor ihm“, knirschte der Slytherin mit den Zähnen. „Oh doch, hast du“, sprach Syndia nun wieder ruhig. „Ich kann das spüren, selbst Luca hat es bemerkt. Meistens ist es nur so schwach, dass ich dachte, ich bilde es mir ein, aber worüber ihr euch auch gestritten habt, seit Anfang der Ferien ist deine Angst vor ihm gestiegen.“ „Ich. Habe. Keine. Angst. Vor. Ihm“, murrte Severus nochmals. „Wovor dann?“, sah Syndia ihren Bruder intensiv an. Das man ihm immer alles aus der Nase ziehen musste. „Nicht vor ihm“, sagte Severus noch einmal schlicht und ging dann Richtung Tür. „Sondern?“, rief Syndia ihm hinterher, doch ihr Bruder reagierte nicht und ging die Treppe hinauf. „Na super“, murmelte die Hexe und ging wieder in die Wohnstube, wo Luca sie unsicher ansah. „Warum müsst ihr streiten?“, murrte er leise. „Wir streiten doch gar nicht“, sprach Syndia sanft und setzte sich zu ihrem Sohn. „Es ist nur momentan etwas... schwierig mit Onkel Sev. Er und Harry müssen sich erstmal zusammenraufen.“ „Warum verstehen die sich denn nicht?“, blickte Luca mit seinen großen Augen zu seiner Mutter hoch. „Ich versteh das nicht. Alle Menschen, die solche Schwingungen haben wie die beiden, müssten sich eigentlich bestens verstehen. Zumindest ging ich bisher davon aus.“ „Ich weiß was du meinst. Ich versuche ja die beiden zu versöhnen aber das ist gar nicht so einfach“, seufzte die Hexe. „Also habe ich das nicht falsch gedeutet? Der Fehler liegt nicht bei mir?“ Lächelnd legte Syndia einen Arm um ihn: „Nein, du hast das ganz hervorragend erkannt. Ich bin stolz auf dich. Weißt du, ich glaube, dass du das sogar besser siehst als ich.“ „Ehrlich?“, strahlten Lucas Augen wieder. Im selben Moment kam Scrimgeour wieder hereingestürmt. Abrupt blieb er auf Syndias Höhe stehen, da er sie zuerst nicht gesehen hatte. Er versuchte wieder seine Haltung einzunehmen, verbeugte sich leicht, nuschelte noch irgendwas und verließ dann stürmisch das Haus. Zugleich kam Harry mit finsterer Miene hereingestapft. Mit hochgezogener Augenbraue fragte Syndia: „Nicht besonders gut gelaufen?“ „Dieser Kerl sollte mal weniger auf sein Image achten und mehr nützliche Dinge tun“, murrte der Gryffindor und setzte sich neben Luca.   Luca und auch Harry waren bereits zu Bett gegangen, als Syndia mit einem Tee in der Hand zu Severus' Zimmer ging und leise klopfte. Von drinnen war ein leises Murren zu hören und sie öffnete die Tür. Der Raum war schwach von einer Kerze beleuchtet und die Hexe entdeckte Severus am Fenster. „Es ist mitten in der Nacht“, begrüßte der Slytherin sie ohne aufzusehen. „Und da ich dich kenne, wusste ich, dass du diese Nacht kein Auge zu bekommst“, erwiderte Syndia sanft und stellte den Tee auf dem Beistelltisch ab. „Deshalb habe ich dir einen Tee gemacht. Der sollte helfen.“ Einige Augenblicke lang sah Severus zum Tee und anschließend zu seiner Schwester, ehe er aufgab und sich aufs Bett neben sie setzte. „Du willst reden, nicht wahr?“, murmelte er. „Willst du es denn?“, fragte Syndia weiterhin ruhig. Kurz sah Severus sie an, bevor er nach der Tasse griff und einen Schluck nahm. Langsam begann die Hexe: „Ich hätte nicht gedacht, dass es dir so schwer fällt, mit Harry hier zu wohnen. Was ist los?“ „Nichts. Er geht mir nur auf die Nerven.“ Forschend musterte Syndia den Tränkemeister von der Seite. „Du hast gesagt, du hättest keine Angst vor ihm. Wovor dann?“ Lange sah Severus nur in seine Tasse, ehe er flüsterte: „Vor der Vergangenheit.“ Mit hochgezogener Augenbraue verlangte Syndia mehr Informationen, was den Schwarzhaarigen aufseufzen ließ. „Irgendwie kamen Potter und ich auf das Thema, wer Schuld an Lilys Tod sei.“ „Ich hoffe, du hast sie ihm nicht zugeschoben“, sagte Syndia mit mahnendem Blick. „Was? Nein“, tat Severus das ab. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr genau, was ich gesagt habe.“ Eine Pause entstand, bei der die Hexe scharf nachdachte. „Du glaubst, es sei deine Schuld“, stellte sie dann schlicht fest. „Es ist meine Schuld“, wurde Severus nun unruhiger. „Und jedes Mal, wenn dieser... Bengel sich gegen mich auflehnt, setzt er den gleichen verdammten Blick auf wie Lily, wenn ich etwas verbrochen hatte. Jedes Mal, wenn wir über die Todesser sprachen, sah sie mich genau so an. Dieser... vorwurfsvolle, trotzige Blick... das ist zum verrückt werden!“ Erschöpft strich er sich über das Gesicht. Syndia wusste noch nicht so ganz, was sie tun sollte und wartete ab, jetzt wo Severus endlich angefangen hatte zu erzählen. „Es ist als sei Potter mein ganz persönlicher Fluch. Er existiert nur, um mich für den Rest meines Lebens mit diesem vorwurfsvollen Blick anzusehen. Hätte ich damals doch nur auf Lily gehört“, murmelte der Slytherin nun wieder. „Hätte ich damals nachgegeben, wäre sie noch am Leben.“ Syndia griff nach Severus' Händen, um sie vom Zittern abzuhalten. „Wenn ich kein Todesser geworden wäre, hätte ich nie die Prophezeiung weitergegeben“, sprach er im bitteren Ton weiter. „Aber hättest du sie nicht belauscht, hätte es gar keine gegeben“, erwiderte die Hexe sanft. „Verstehst du? Die Prophezeiung konnte es nur geben, wenn Voldemort auch von ihr erfuhr und danach handelte. Wärst du kein Todesser geworden, gäbe es keine Prophezeiung, aber Voldemort wäre auch niemals gestoppt worden. Lilys Tod war nicht umsonst. Sie hat damit Harry eine Chance gegeben Voldemort zu besiegen und das entscheidet über unser aller Leben. Ihr Tod rettet das ganze Land, vielleicht sogar die ganze Welt.“ Skeptisch sah Severus seine Schwester an, die sanft zu lächeln begann. „Seh nicht alles so schwarz“, versuchte sie ihn aufzumuntern. „Es ist natürlich schrecklich, aber... jeder hat seine Aufgabe vom Schicksal zugeteilt bekommen.“ „Und was ist nun meine Aufgabe?“, murrte der Tränkemeister. „Bisher habe ich versucht Potter zu beschützen... doch wenn es stimmt, was du und Dumbledore sagt, ist das auch sinnlos.“ „Nein, ich sehe das nicht als sinnlos an“, hielt Syndia dagegen. „Ich habe immer noch Hoffnung, dass Dumbledore etwas besseres einfällt. Wir sollten Harry nicht im Stich lassen.“ Lächelnd ergänzte sie: „Und freue dich darüber, dass Lily in Harry weiterlebt. Auch wenn Harry lacht ähnelt er ihr, nicht nur wenn er sauer ist. Nur hast du dieses Lachen bisher wegen deiner Einstellung nicht sehen können. Ändere das und du wirst sehen, dass er dich auch positiv an Lily erinnern kann.“ Damit gab Syndia Severus einen Kuss auf die Schläfe und ließ ihn allein. Nachdenklich sah der Slytherin ihr hinterher.   Am nächsten Morgen stürmte Luca als Erster in die Wohnstube, um die Geschenke zu öffnen. Die Bescherung zauberte wieder ein Grinsen auf sein Gesicht, was seine Mutter sehr erleichterte. Auch Harrys Geschenke lagen unter dem Baum und so schnappte er sich als erstes das riesige Paket von Mrs Weasley. Wie immer bekam er einen Pulli und Plätzchen, die göttlich schmeckten, während Kreacher ihm Maden geschickt hatte. „Wohl doch nicht nur Verehrer in Hogwarts, was Potter?“, grinste der Slytherin sofort schadenfroh, der gerade mit seinem morgendlichen Kaffee die Wohnstube betrat. Harry warf ihm einen vernichtenden Blick zu und Syndia ließ die Maden verschwinden. Severus hatte ebenfalls Geschenke bekommen, die er jedoch nicht in Harrys Anwesenheit öffnen wollte. Luca freute sich lautstark über seine Geschenke und präsentierte sie alle einzeln den anderen. „Guck mal, Mum! Hier ist noch ein großes Paket!“, strahlte Luca. Syndia wurde jedoch skeptisch. „Das kenne ich gar nicht. Vom wem ist das?“ „Das ist von...“, begann er, doch Harry, der gerade nicht im Blickwinkel von Snape war, fuchtelte wild herum, damit Luca nicht seinen Namen nannte. „Ä-Ähm... von... einem... Schüler aus Hogwarts.“ Doch diese Antwort beschwichtigte seine Mutter nicht. „Wir sollten vielleicht nachsehen, ob damit etwas nicht stimmen könnte.“ „Ach quatsch, Mum, wir spüren doch beide nichts Schwarzmagisches, oder? Und die Quelle ist wirklich zuverlässig.“ „Hm“, überlegte die Hexe mit geschürzten Lippen. „Naa gut.“ Hastig packte Luca das Paket aus, um dann das breiteste Lächeln zu zeigen, das Harry bisher gesehen hatte. „Oh nein“, stand Severus protestierend auf und starrte auf das Paket, welches Weasleys zauberhafte Zauberscherze enthielt. „Nein nein nein, das kann doch nur ein Witz sein! Wehe du benutzt diese Dinger, ich drehe dir sonst den Hals um...“ „Severus!“, entrüstete sich Syndia, war zugleich jedoch auch belustigt. „Jetzt komm mal wieder runter.“ „Komme ich aber nicht. DU...“, zeigte er auf den unschuldig blickenden Harry. „Das Paket stammt von dir! Ich wusste doch, dass ihr unter einer Decke steckt...“ „Severus, setz dich wieder hin“, befahl Syndia ihrem Bruder lachend und zog ihn neben sich auf das Sofa zurück. „Und du billigst das auch noch!“, beschwerte sich der Slytherin bei seiner Schwester, wobei sein Ton nun langsam zu einem Jammern wurde. „Stimmt doch gar nicht. Luca, wende diese Dinger nicht bei deinem Onkel an, okay?“ „Geht klar“, kreuzte der Junge die Finger hinterm Rücken, was nur Harry sehen konnte. „Siehst du Severus...“, versuchte Syndia weiterhin ihren Bruder zu beschwichtigen, doch der unterbrach sie gleich. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass er sich daran hält!“ „Doch, wird er und jetzt schrei hier nicht so herum, es ist noch früh am Morgen“, verdrehte Syndia die Augen, doch Severus ließ sich davon nicht bremsen. Knurrend schnappte er sich seinen Kaffee vom Tisch und warf Harry einen finsteren Blick zu. „Das zahl ich dir heim“, zischte er und verließ die Wohnstube. Noch immer möglichst unschuldig, aber auch sichtlich belustigt sah Harry dem Tränkemeister nach, der in seinen Augen wie eine eingeschnappte Teenie-Göre abgehauen war.   Eifrig saß Harry am Tisch seines Zimmers und schrieb seinen Freunden Antworten auf ihre Briefe. Er hatte ihnen alles erzählt und sie waren überrascht, dass er bei den Snapes war. „Harry?“, klopfte es an der Tür, eindeutig Lucas Stimme. „Ja?“, antwortete der Gryffindor und die Tür wurde geöffnet. „Kommst du mit raus? Wir wollen einen Schneemann bauen“, berichtete der Jüngere und setzte einen Dackelblick auf. Mit einem kurzen Blick nach draußen stellte Harry fest, dass wirklich wunderschönes Wetter war und letzte Nacht wieder jede Menge Schnee gefallen war. Er war zwar nicht der große Fan von Schneemännernbauen, aber bei dem Blick aus den schwarzen Augen konnte man gar nicht Nein sagen. Ob Luca sich dessen bewusst war und immer so dreinsah, wenn er seinen Willen kriegen wollte? „In Ordnung, ich komme gleich nach“, sagte er also zu. „Supi“, strahlte Luca und verschwand. Harry beendete noch die Briefe, legte sie Hedwig hin und zog sich um. Im Garten traf er auf Levin und Luca, die bereits die erste große Kugel fertig hatten. Strahlend forderte der Junge Harry auf mitzumachen und so machte sich auch der Gryffindor an die Arbeit. Als sie fast fertig waren, kam Snape aus dem kleinen Gewächshaus, das am Rande des Gartens aufgestellt war. Offensichtlich hatte er sich Kräuter besorgt, die er für einen Trank brauchte. „Hey Sev, mach mit“, begrüßte Syndia ihren Bruder fröhlich. Dieser sah zurück, als würde er sie für verrückt halten. „Aber sonst geht es dir gut, oder?“ Damit ging er weiter Richtung Haus. „Jetzt sei mal nicht so“, quengelte die Hexe. „Was spricht denn dagegen?“ „Das es Kinderkram ist?“ „Soll das heißen ich sei kindisch?“, tat Syndia gespielt beleidigt. „Wie gut du doch richtige Schlüsse ziehen kannst“, grinste der Slytherin fies und wollte gerade das Haus betreten, als er einen Schneeball abbekam. Ganz langsam drehte er sich zu seiner Schwester um, die schon die nächste Kugel bereithielt. „Fange keinen Krieg an, den du nicht gewinnen kannst“, warnte Severus die Hexe. Lachend erwiderte diese: „Ohh, jetzt habe ich aber Angst.“ Damit warf sie die nächste Kugel, die Severus am Bauch traf. Doch seine einzige Reaktion war: „Überspann den Bogen nicht.“ Die nächste Kugel flog bereits auf ihn zu, welcher er blitzschnell auswich und schon hatte er eine Ladung Schnee in der Hand. Quietschend rannte Syndia vor ihm davon, da er eine Schneekugel nach der anderen warf, sodass sie nicht einmal die Chance hatte selbst eine zu formen. „Mu-um, Mu-um“, fing Luca an seine Mutter anzufeuern, was Harry zum Grinsen brachte. Dieses Bild war für ihn absolut einmalig: Snape rannte Levin Schneebälle werfend hinterher, welche lachend verzweifelte Versuche anstellte sich zu wehren. „Harry, ich brauche Unterstützung!“, rief sie plötzlich, was Harry völlig überrumpelte und sein Grinsen ganz schnell wieder verschwinden ließ. Er sollte ernsthaft Snape abwerfen?? „Unterstehe dich, Potter“, kam sogleich die Reaktion des Tränkemeisters, ohne dass er seinen Angriff auf Syndia unterbrach. „Los, Harry, wir müssen ihr helfen!“, war nun auch Luca angesteckt worden und begann Snape abzuwerfen, wobei er ihn jedoch nicht traf. Dennoch drehte sich der Slytherin sofort zu Luca um und warf ihm eine Ladung Schnee entgegen. „Ah! Hilfe Harry!“, rief der Junge sofort. Nun sah Harry keine andere Möglichkeit mehr. Er schnappte sich eine Hand voll Schnee und warf Snape ab. Kurz schien dieser seinen Augen nicht zu trauen, ehe er anfing in aller Ruhe eine besonders große Kugel zu formen. „Du willst dich ernsthaft mit mir anlegen, Potter?“ „Gegen Frauen und Kinder kann man nicht als Sieg zählen lassen“, erwiderte der Gryffindor mutig geworden, woraufhin ein „Ey“ von weit hinten von Syndia kam. „Ach, und als was zählst du halbe Portion?“, kam Snape nun näher und warf dann seinen Schneeball ab. Harry versuchte auszuweichen, doch war er nicht schnell genug und wurde an der Brust getroffen. Snape hatte ordentlich Kraft hinter den Wurf gelegt. Erschrocken stellte er fest, dass Snape nun im schnellen Tempo eine Kugel nach der anderen warf. Harry legte sich ins Zeug und versuchte mitzuhalten. „Har-ry, Har-ry“, jubelte Luca nun ihm zu. Snape kam immer dichter und irgendwann kam Harry mit dem Tempo nicht mehr mit. Also schmiss er dem Tränkemeister nur noch den losen Schnee in großen Massen entgegen, sodass der von oben bis unten weiß wurde. „Du willst also eine Dusche?“, meinte Snape und überwand nun auch den letzten Abstand. Schnell nahm der Gryffindor eine besonders große Ladung Schnee und warf sie direkt in Snapes Gesicht. Daraufhin duckte der sich und warf eine ebenso große Ladung zurück, wobei er Harry umwarf. „Wuah“, erschrak sich der Grünäugige lachend und schmiss mit Schnee um sich, in der Hoffnung sich noch irgendwie verteidigen zu können. „Da hast du deine Dusche“, wollte Snape den Gryffindor einseifen, doch dieser packte den anderen beim Mantel und warf ihn beiseite. Snape landete neben ihm im Schnee und Harry begann ihn einzuseifen. Schnell hatte er jedoch seine Fassung zurück und warf sich auf Harry. Kurze Zeit über sah dieser nichts mehr vor lauter Schnee, von dem er nicht einmal wusste, ob er von ihm selbst oder von Snape aufgewirbelt wurde. Dann stellte er fest, dass Snape sich so auf ihn gesetzt hatte, dass er sich nicht mehr befreien konnte. Eine Weile zappelte Harry noch herum, doch der Slytherin hatte ihn fest im Griff, sodass jeglicher Widerstand zwecklos war. Mit einem gefrusteten Laut gab Harry seine Versuche auf, gab sich geschlagen und sogleich zeigte sich ein kleines spöttisches Grinsen auf Snapes Lippen. Keuchend sahen sie sich an und versuchten zu Atem zu kommen. Eine seltsame Spannung entstand, die Harry nicht einordnen konnte. Er konnte Snapes Blick nicht deuten, da er ihn noch nie so gesehen hatte. Allerdings war er sich sicher, dass es andersherum genauso war, da Snape ebenfalls nicht zu reagieren wusste. Und so sahen sie sich einfach nur an, beide überrumpelt von dieser völlig neuen Situation. „Oh nein, Harry. Du darfst nicht verlieren“, rief auf einmal Luca von weiter hinten und holte damit die beiden wieder in die Realität zurück. Nun hörte Harry auch Levins Lachen, was er vorher anscheinend ausgeblendet hatte. „Ich schätze mal das zählt jetzt aber als Sieg“, keuchte der Slytherin und erhob sich. Noch immer etwas verwirrt, setzte sich auch der Gryffindor auf. Er erblickte Levin, die so breit grinste, wie er es noch nie gesehen hatte. Was hatte sie denn auf einmal? „Kriege ich wenigstens die Chance auf eine Revanche?“, wandte sich der Gryffindor an Snape, welcher neben ihm stand und sich den Schnee abklopfte. „Du bist doch jetzt schon völlig platt“, erwiderte dieser. „Muss ja nicht jetzt sein“, grinste der Gryffindor, was Snape stocken ließ. Dass Snape ihn plötzlich so musterte, machte Harry nervös. Na gut, die Situation war auch ziemlich... absurd. Severus hingegen war völlig überrumpelt von Harrys Grinsen. So wirkte er völlig anders als sonst und seine Augen leuchteten. Es ähnelte wirklich Lilys. „Du wirst nie eine Chance haben“, antwortete der Slytherin endlich. „Da wäre ich mir nicht so sicher“, meinte der Gryffindor mutig. „Fang schonmal an zu üben“, beendete Snape das Gespräch schnell und ging Richtung Haus. Diese Situation überforderte ihn komplett. Auch Harry sah ihm nachdenklich hinterher. Er hatte gerade einen völlig anderen Menschen kennengelernt. Und diese Schneeballschlacht... hatte Spaß gemacht. „Du hast dich tapfer geschlagen“, wurde er von Levin angesprochen, welche noch immer dieses Grinsen aufgesetzt hatte. Davon irritiert räusperte sich der Gryffindor und stand endlich auf. Irgendwie war ihm das gerade peinlich. Doch warum überhaupt? Es fühlte sich so an, als hätte sie ihn bei irgendetwas erwischt. Wobei... irgendwie hatte sie das auch. Er hatte sich gerade mit Snape amüsiert. Mit SNAPE! Wenn er Hermine und Ron diese Geschichte erzählen würde, würden sie ihn endgültig für verrückt erklären.   Die nächsten Tage verliefen relativ ruhig. Snape verließ nicht gleich den Raum, wenn Harry ihn betrat, war aber auch nicht zu einem Gespräch bereit. Levin verschwand nun täglich für mehrere Stunden und so verbrachte Harry die meiste Zeit mit Luca. Dieser zeigte ihm nach einigen Tagen aufgeregt einen Fluchttunnel, den es von Levins Zimmer aus gab. „Das ist aufregend, oder?“, begeisterte sich Luca dafür. „Ich hoffe nur, dass ihr ihn nie benutzen müsst“, murmelte Harry. „Ja stimmt schon...“, gab Luca ihm kleinlaut recht. „Aber trotzdem ist es... cool, oder?“ Harry zwang sich zu einem schiefen Lächeln. Vor fünf Jahren hätte er das wahrscheinlich noch cool gefunden, aber in der jetzigen Zeit war so ein Tunnel notwendig, um zu überleben. Es war der bittere Beigeschmack des Krieges und holte Harry mehr denn je in die Realität zurück, denn die letzten Tage hatte er selten an das Leben außerhalb dieses Hauses gedacht. „Meinst du denn, dass wir ihn wirklich mal brauchen könnten?“ Seufzend musterte der Gryffindor den Jüngeren. Wie viel konnte man einem 10-Jährigen zumuten? „Weißt du, Voldemort will einen Krieg anfangen. Wir versuchen alle ihn vorher zu stoppen, aber es ist nicht leicht und braucht Zeit.“ Grübelnd sah Luca ihn an. „Müsstest du ihn nicht stoppen können? Also, ä-ähm...“, begann Luca plötzlich nervös zu werden, als hätte Harry ihn bei etwas ertappt. „A-Alle reden sie von dir und jeder kennt dich. Das wirkt so, als würden sie dich für einen Helden halten.“ Beinahe hätte er ausgeplappert, dass Harry ein Seelenstück von diesem Mann in sich trug. „Ich fürchte, ich werde gegen ihn kämpfen müssen, ja“, murmelte Harry vor sich hin. „Das schaffst du bestimmt“, lächelte Luca optimistisch. „Du hast mich auch befreit, dann besiegst du den doch mit links.“ Das brachte den Gryffindor wieder zum Lächeln. Diesen Optimismus hätte er auch gerne. Kapitel 26: Rückschritte ------------------------ „Hm... Pizzaa!“, rief Luca aufgeregt in der Küche. „Nicht immer so etwas ungesundes. Ich wollte vernünftige Vorschläge von dir hören“, erwiderte Syndia. „Harry, hast du Vorschläge, was wir die nächsten Tage essen könnten? Ich wollte gleich einkaufen.“ Einkaufen. Den Begriff hatte Harry noch nie bei einer Zaubererfamilie gehört. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er Mrs Weasley nie dabei gesehen hatte, wie sie Einkaufssachen mit nach Hause brachte. Für den Gryffindor erschien es schon fast so, als müssten Zauberer nicht einkaufen gehen. „Ähm... irgendeinen Auflauf?“, schlug er vor und stützte sich am Tisch ab. „Nudelauflauf!“, rief Luca begeistert und zappelte auf seinem Stuhl herum. „Okay, einmal Nudelauflauf. Da brauchen wir...“, Syndia suchte sich einen Zettel heraus, konnte allerdings keine Feder finden. „Harry, könntest du eben aus Severus' Zimmer eine Feder holen? Er hatte gerade neue gekauft. Die müssten links auf der Kommode liegen.“ „Ähm... ich soll...“, begann Harry verdattert. Meinte sie das ernst? Snape würde ihn umbringen. „Severus ist gerade nicht da“, zwinkerte die Hexe. „N-Na gut“, gab sich der Gryffindor geschlagen und ging mit einem mulmigen Gefühl die Treppe hoch und öffnete vorsichtig Snapes Zimmertür, als würde er befürchten, er würde in der Ecke auf ihn lauern. Doch der Raum war leer. Ein großes Doppelbett stand ihm gegenüber und links in der Ecke war ein Schreibtisch. An der rechten Wand schloss sich das Badezimmer an und daneben stand ein großer, schwerer Kleiderschrank. Schnell huschte Harry zur Kommode, doch darauf fand er nur ein hölzernes Kästchen, Fläschchen mit Zaubertränken und Magazine. Vielleicht in dem Kästchen. Langsam öffnete er es und darin fand sich jede Menge Krempel, der dort einfach hineingeworfen wurde. Harry wühlte ein wenig darin herum und nahm einen Stapel Zettel heraus, um besser suchen zu können. Erst dann stellte er fest, dass das Kästchen noch eine Schublade hatte, in der er die gesuchten Federn fand. Hastig legte Harry die Zettel wieder in das Kästchen und bückte sich nach zwei von ihnen, die zu Boden gefallen waren. Als er sie hochhob, fiel aus einem gefalteten Zettel ein Bild heraus. Stirnrunzelnd hob er es auf und stutzte. Auf dem Bild war seine Mutter zu sehen. Sie trug einen weißen Kittel und saß auf einem Bett. Harry erkannte den Ort als ein Krankenhaus. Doch noch viel interessanter war das, was Lily in den Armen hielt: Harry. Das Foto musste kurz nach der Geburt von ihm gemacht worden sein. Glücklich und in die Kamera strahlend hielt Lily Harry im Arm und wiegte ihn leicht. Harry schluckte. Dann sah er sich die Zettel in seiner Hand genauer an, in der Hoffnung, dass einer von denen zum Bild gehörte. Und tatsächlich: Bei dem einen handelte es sich um einen Brief, an dessen Ende Lilys Unterschrift zu sehen war. Harrys Herz klopfte schneller. Er hielt einen Brief von seiner Mutter in der Hand. Der Gryffindor brauchte einen Moment, bevor er den Brief anfangen konnte zu lesen.   Hey Sev,   Vielleicht hast du es schon erfahren: Harry ist vorgestern zur Welt gekommen. Er ist kerngesund und hat gute Werte (Keine Sorge, keine Details). Ein Bild habe ich angehängt, damit du dich selber davon überzeugen kannst, dass es mir gut geht. Deine Bedenken waren also völlig unbegründet, mache dir keine Sorgen. Allerdings mache ich mir welche um dich. Ich hoffe dich erreicht dieser Brief bald, wo du doch so plötzlich verschwunden bist. Geht es dir gut? Seit du dich von Avery hast überreden lassen, hast du dich nicht mehr gemeldet. Wenn Dumbledore mir nicht versichert hätte, dass du noch lebst, wäre ich hier schon längst im Dreieck gesprungen. Mir graust es vor dem Gedanken, was du vielleicht alles tun musstest, seit du dich Voldemort angeschlossen hast. Es fällt mir immer schwerer dich vor James in Schutz zu nehmen, schließlich steht jeden Tag in der Zeitung, wie viele Muggel erneut von Todessern getötet worden sind und jedes Mal frage ich mich, ob einer von ihnen dir zum Opfer gefallen ist. Ich kann nur hoffen, dass du endlich erkennst, dass nicht alle Muggel wie dein Vater sind, dass es auch böse Menschen unter den Zauberern gibt und ein Großteil davon Todesser sind. Ich kann dich nur immer wieder anflehen endlich zur Besinnung zu kommen. Du kannst mir nicht weiß machen, dass ein Leben als Todesser dich glücklich macht, denn du bist nicht wie die. Sprich mit Dumbledore oder komm zu mir oder zu irgendeinem anderen Ordensmitglied, Hauptsache du tust endlich was. Der Orden hat Mittel und Möglichkeiten dich vor Voldemort zu schützen. Eigentlich hatte ich vor dich zu fragen, ob du Harrys Pate werden willst, aber ich muss wohl langsam einsehen, dass das zu gefährlich wäre. Du musst dich entscheiden auf wessen Seite du stehst, Sev, und ich hoffe, dass du die richtige wählst.   In Liebe Lily   Völlig erstarrt stand Harry da und las den Brief gefühlte tausend mal. Dieser Brief machte die damalige Situation so gut deutlich. Er schrie geradezu nach schweren Zeiten und Harry verstand nicht, warum seine Mutter immer noch versucht hatte, an Snape heranzukommen. War er ihr wirklich so wichtig gewesen, dass sie selbst über Morde hinwegsah? Allerdings hatte ihr letzter Satz auch irgendwie was kühles, endgültiges. Snape als sein zweiter Pate? Das war... verrückt. Nein, das wäre nie gut ausgegangen... oder? Harry dachte an die Schneeballschlacht. Würden sie anders miteinander umgehen, wenn sie sich anders kennengelernt hätten? Harry starrte auf Lilys Handschrift. Seine Mutter hatte das geschrieben. Kurz nach seiner Geburt. Das war ihre Schrift. „Harry?“, rief Levin von unten herauf und Harry machte einen Satz vor Schreck. „Findest du keine oder warum brauchst du so lange?“ „I-Ich Ich hab sie“, rief er zurück und packte hastig den Brief mit dem Bild zurück ins Kästchen. Eilig kam er die Treppe hinunter und reichte der Hexe die Feder. Mit hochgezogener Augenbraue musterte Syndia ihn. „Alles in Ordnung?“ „Ja... klar“, mühte Harry sich ab und vergrub seine Hände in den Hosentaschen. „Ich musste ein wenig suchen, um... um die Federn zu finden.“ „Mmhm“, sah Syndia ihn noch immer skeptisch an und wandte sich dann langsam dem Einkaufszettel zu. „Also Nudelauflauf, Jägerschnitzel und gefüllte Paprika... noch eine Idee?“ „Ähm... nein, jetzt so spontan keine“, kratzte sich der Gryffindor unsicher am Hinterkopf. „Gut, dann werde ich spontan gucken, was mir noch einfällt“, damit steckte die Hexe den Zettel ein und machte sich abreisefertig. Harry blieb alleine mit seinen Gedanken in der Küche zurück. Wenn er den Brief richtig verstanden hatte, war Snape nur wegen dem Hass auf seinen Vater Todesser geworden. War dieser Mann wirklich so schlimm? „VERDAMMT DAD! DU TUST MIR WEH!!!“ „Bitte hör auf! Bitte!“ Harry schüttelte den Kopf, um diese grässlichen Erinnerungen loszuwerden. Snape war von seinem Vater misshandelt worden, aber Harry wusste immer noch nicht, ob das seiner Schwester bewusst war. Sie war nie zu Hause gewesen und sie sagte selbst, dass sie glaubte etwas verpasst zu haben. Seine Mutter Lily schien davon gewusst zu haben, vielleicht als einzige. Sollte er es Levin sagen? Andererseits... was sollte das ändern? Und Snape hatte ihm verboten es ihr zu sagen. Aber sie war immerhin seine Schwester. Seufzend ging Harry in die Wohnstube, wo noch seine Hausaufgaben auf dem Tisch lagen. Vielleicht konnten die ihn ablenken.   Am nächsten Tag kam Syndia nach einigen Stunden Abwesenheit nach Hause. Frustriert hing sie ihren Mantel auf. Sie suchte inzwischen jeden Tag mehrere Stunden und noch immer konnte sie den Kelch nicht aufspüren. Langsam hatte sie den Verdacht, dass er mit einem Zauber belegt war, der sie täuschen sollte. Wenn das stimmte, würde sie dieses blöde Ding nie finden. In der Wohnstube fand sie alle drei Mitbewohner versammelt: Severus las ein Buch, Harry schrieb einen Brief und Luca übte sich in Rechenaufgaben. „Na, alles gut?“, begrüßte sie die anderen. „Alles Bestens. Ich habe die beiden Streithähne im Griff“, meinte Luca besonders cool tuend. „Was?“, kam es gleichzeitig entrüstet von Severus und Harry. Syndia lachte auf, weshalb sie nun zum Opfer der bösen Blicke wurde. „Jetzt seid mal nicht so. Das kam gerade sehr gut“, grinste die Hexe unbekümmert weiter. „Ich werde mich mal um das Essen kümmern.“ Damit verließ sie die Wohnstube. Severus und Harry saßen sich gegenüber ohne sich anzugreifen, das war wirklich ein großer Fortschritt. Sie musste erneut grinsen, als sie an die Schneeballschlacht zurückdachte. Wenn die beiden doch nur wüssten wie das ausgesehen hatte. Zufrieden holte sie Töpfe heraus, um zu kochen. „Ähm, Professor?“, stand plötzlich Harry in der Tür. Er wirkte unsicher, was Syndia stutzen ließ. „Ja?“ Harry war noch immer nicht sicher, ob es eine gute Idee war, Levin alles zu erzählen. Um sicher zu gehen, dass Snape nichts mitbekam, schloss er die Küchentür, woraufhin die Hexe eine Augenbraue hochzog. „Alles in Ordnung?“ „Ähm...“, überlegte Harry wie er anfangen sollte. „Es... ist schon eine Weile her, aber... erinnern Sie sich daran, wie wir uns mal am See in Hogwarts unterhalten hatten?“ Langsam wandte sich die Hexe vom Herd ab und musterte Harry ganz genau. „Worauf willst du hinaus?“ „Wissen Sie noch, worüber wir uns unterhalten hatten?“ „...Über Severus“, dachte Syndia kurz nach. „Du musst schon mit der Sprache herausrücken, Harry.“ „Sie meinten damals, dass sie das Gefühl hatten, irgendetwas hätten sie verpasst.“ „J-Ja“, versuchte die Hexe sich zu erinnern. Nun doch langsam beunruhigt fragte sie nach: „Ist irgendwas passiert?“ „Könnte es sein, dass Sie...“, begann der Gryffindor. „Ich glaube er ist von Ihrem Vater misshandelt worden.“ Nun hatte er es ausgesprochen und ob Syndia davon wusste, würde sich jetzt herausstellen. Eine kurze Stille entstand, bei der die Hexe nachdachte. Allerdings wirkte sie skeptisch. „Wie kommst du darauf, Harry?“, fragte sie mit schräg gestelltem Kopf nach. Harry kratzte sich am Kopf. „Es... sind mir inzwischen mehrere Informationen in den Schoß gefallen... die darauf hindeuten. Eigentlich... hatte ich ihm versprochen es niemandem zu sagen, aber... ich werde den Gedanken nicht los, dass ich es Ihnen erzählen müsste.“ „Was für Informationen meinst du?“ „Ähm... hauptsächlich eine Erinnerung, die ich aus Versehen von ihm gesehen habe. Oder viel mehr gehört.“ „Eine Erinnerung, von der du ihm versprechen musstest, sie mir nicht zu erzählen?“ „Ja.“ Grübelnd betrachtete die Hexe den anderen. „Und du bist sicher, dass es keine harmlose Erinnerung war, die du nur falsch gedeutet hast?“ „Ganz sicher“, nickte der Grünäugige. „Diese... Schreie gingen durch und durch.“ Syndias schluckte. „Schreie? Wütende?“ „Nein“, zögerte der Gryffindor. „Verzweifelte.“ Die Schwarzhaarige sah Harry lange und intensiv an, was diesen nervös werden ließ. Dann hörte er erneut die Rufe aus Snapes Erinnerung und war sich bewusst, dass Levin sie sich anhörte. Die Hexe wurde kreidebleich. „Ich dachte“, trat er von einem Fuß auf den anderen, „es wäre notwendig, dass Sie davon erfahren.“ Nachdenklich nickte Syndia, sagte jedoch nichts. Dann stieß sie sich von der Zeile ab und wandte sich ihr wieder zu, um sich den Töpfen zu widmen. „Danke, Harry“, sprach sie ruhig, wirkte aber nun auch verschlossener. „Ich werde darüber nachdenken und vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, dass ich mit ihm darüber reden kann. Erstmal sollte ich ihn aber in Ruhe lassen. Ich quäle ihn in diesen Ferien schon mit genug Fragen.“ Harry nickte, wusste jedoch nicht ganz, was er jetzt tun sollte. Also öffnete er die Küchentür und verließ den Raum. Sobald er draußen war, sah Syndia ihm hinterher, nun mit einem besorgten Blick, den sie gerade noch hinter einer Maske versteckt hatte. „Du hast keine Ahnung was ich durchmachen musste“ hatte Severus mal zu ihr gesagt. Anscheinend hatte er Recht.   Die Ferien neigten sich dem Ende zu und Harry verbrachte viel Zeit in der Wohnstube. Zwischen ihm und Snape war eine Art Waffenstillstand entstanden und Snape wagte es sogar immer häufiger, freiwillig die Zeit im selben Raum totzuschlagen wie Harry. Den Gryffindor drängte diese Tatsache immer öfter zu der Überlegung, Snape wegen seiner Mutter anzusprechen. Vielleicht hatte er Glück und er würde sogar eine Antwort erhalten. Und so schaute der Grünäugige eines Abends grübelnd ins Kaminfeuer, während Snape auf der gegenüberliegenden Couch saß und las. „Professor?“ „Hm?“, schaute Snape nicht von seinem Buch auf. „Sie kannten meine Mutter am längsten, oder?“ Jetzt zeigte Snape doch eine Reaktion. Sein Blick schnellte zum Gryffindor. Zuerst zögerte er. Wieder auf sein Buch schauend meinte er: „Schon möglich.“ „Wie war sie so?“ Erneut sah Snape auf, doch seinen Blick konnte Harry nicht deuten. Er schien irgendetwas bei Harry zu suchen. Den Mund öffnend setzte er an zu sprechen, zögerte aber erneut. „Konnte Ihnen der Flohfänger nichts von ihr erzählen?“, grummelte der Tränkemeister und brach den Blickkontakt wieder ab. „Nein, er...“, druckste Harry herum, „er hat eigentlich... mehr von meinem Vater gesprochen.“ „Natürlich hat er das“, schnaubte Snape verächtlich. „Im gesamten Universum existierte nur James Potter.“ „Sie schweifen vom Thema ab“, beschwerte sich der Gryffindor, womit er einen scharfen Blick kassierte, weshalb er schnell ergänzte: „Sir.“ „Vielleicht, weil ich nicht darüber reden möchte“, widmete Snape sich wieder seinem Buch. „Warum?“, vergaß Harry entrüstet seine ganze Freundlichkeit. „Darum.“ „Das ist nicht fair.“ „Was ist daran bitte nicht fair?“, wurde Snape ebenso lauter wie Harry und legte das Buch beiseite. „Ich kann nichts dafür, dass ich sie nicht kennenlernen konnte“, kam der Gryffindor langsam in Fahrt. „Ich habe doch wohl das Recht etwas über sie zu erfahren. Immerhin ist sie meine Mutter.“ „Dann kommen Sie aber nicht bei mir damit an!“, stand der Slytherin wütend auf und wollte den Raum verlassen. Harry erhob sich ebenfalls und hielt ihn auf: „Dann sagen Sie mir, wer sie noch gekannt hat!“ Snape hielt inne und atmete tief durch. „Viele aus Ihrem Umfeld kannten sie irgendwie.“ „Aber nicht gut genug!“ „Was ist denn hier los?“, kam Levin erstaunt in die Wohnstube und stand nun vor ihrem Bruder, den sie fragend ansah. „Gar nichts“, erwiderte der nur und schob sich an ihr vorbei nach draußen. „Jetzt laufen Sie nicht weg!“, rief Harry ihm wütend hinterher. „Suchen Sie sich jemand anderen, Potter“, kam der Ruf zurück. Wütend lief Harry zur Tür, in der noch immer Syndia stand und schrie: „Wen denn?!“ Daraufhin hörte man nur noch eine Tür im ersten Stock zuknallen. „Was ist denn passiert?“, fragte die Hexe noch immer verwirrt. „Ach, ich habe Snape gefragt, ob er mir was von meiner Mutter erzählen kann“, polterte Harry weiter, stapfte zurück in das Zimmer und schmiss sich sauer auf das Sofa. „Aber da ist der werte Herr sich wohl zu fein für.“ „Was?“, zog Syndia eine Augenbraue hoch. „Hat er gesagt warum?“ „Er hat einfach keine Lust“, schnaubte Harry weiter. Die Hexe wurde noch skeptischer. „Ich rede mit ihm“, seufzte sie und folgte ihrem Bruder. Ohne anzuklopfen öffnete sie die Zimmertür: „Müsst ihr euch noch auf dem letzten Drücker streiten? Die Ferien sind fast vorbei.“ „Wir streiten uns immer, falls dir das noch nicht aufgefallen ist“, beschwerte sich der Slytherin. „Und jetzt raus hier.“ „Nein, die letzten Tage habt ihr euch vertragen“, ignorierte Syndia die Aufforderung und machte stattdessen die Tür von innen zu. „Was willst du von mir?“, ächzte Severus. „Willst du mir eine Predigt halten?“ „Warum erzählst du Harry nichts über Lily?“, verschränkte die Hexe ihre Arme. „Mein Privatleben geht ihn einen Scheißdreck an. Soll er sich doch jemand anderen suchen.“ „Du weißt, dass es keinen anderen mehr gibt, Sev.“ Genervt, aber in dem Punkt sich geschlagen gebend, schnaubte der Slytherin. Syndia fuhr fort: „Du willst ihm also nichts von Lily erzählen, weil du dabei automatisch auch etwas von dir preisgibst?“ „Endlich hast du es gerafft“, grummelte Severus. „Findest du das nicht ein bisschen unfair?“, sah Syndia ihn skeptisch an. „Was soll daran bitte unfair sein?“, brauste er wieder auf. „Harry möchte etwas über seine verstorbene Mutter erfahren und du bist der einzige, der ihm weiterhelfen kann!“, wurde nun auch die Hexe energischer. „Ich bin immer noch sein Lehrer“, blieb der Schwarzhaarige stur. „Er hat nichts über mein Privatleben zu erfahren. Schon schlimm genug, dass er die Ferien über hier ist.“ Grummelnd ergänzte er: „Das kannst du nicht nachvollziehen, oder? Du hast bei Potter noch nie Privat und Beruf getrennt.“ „Weil ich Harry inzwischen nicht mehr nur als Schüler sehe“, entgegnete Syndia ruhig. „Wir haben den Auftrag ihn zu beschützen und er hat meinen Sohn gerettet. Außerdem ist er der Einzige außerhalb der Familie, der sich mit Luca beschäftigt. Klar, er passt eigentlich nur auf Luca auf und zwar freiwillig, aber gerade das ist doch das Gute. Er würde das nicht tun, wenn er Luca nicht irgendwie mögen würde.“ „Potter will sich nur wichtig machen...“ „Fängst du schon wieder damit an?“, unterbrach Syndia ihren Bruder wütend. Dieser schloss den Mund und sah stur zu seiner Schwester. „Mit euch beiden ist es schlimmer als im Kindergarten!“, beschwerte sich die Hexe. „Wie willst du Harry beurteilen, wenn du dir nie die Mühe gemacht hast ihn kennenzulernen?“ „Ich will ihn auch gar nicht kennenlernen und ebenso soll er nichts über mich erfahren. Und ich kann ihm nichts von Lily erzählen, ohne etwas von mir selber preiszugeben, also lasse ich es gleich bleiben. Sind wir jetzt fertig? Da ist die Tür“, deutete Severus zum Ausgang. Seufzend ergab sich Syndia. „Es ist nicht schlimm, andere Menschen an seinem Leben teilhaben zu lassen, weißt du“, murmelte sie noch und verließ dann den Raum.   Die restlichen Tage gingen Harry und Snape so miteinander um, wie es für sie normal war. Sprich sie tauschten fiese Blicke und gaben bei jeder Gelegenheit spitze Kommentare von sich. Syndia war enttäuscht, dass all die Mühen umsonst waren, nur weil ihr Bruder Harry nicht an sich heranlassen wollte. Und so kam es, dass Harry und auch der Slytherin froh waren, als sie nach Hogwarts zurückkehren durften. Harry kam es vor, als sei er mehr als zwei Wochen fort gewesen. Es war merkwürdig, dass sie zu viert die Eingangshalle erreichten und wieder getrennte Wege gingen. Nun würde Harry wieder ein ganz normaler Schüler von Levin und Snape sein. Beim näheren Überlegen konnte Harry jedoch nicht erkennen, dass sich in den Ferien irgendein Verhältnis schwerwiegend verändert hätte. Gut, sie hatten Küche und Wohnzimmer geteilt und sie hatten gemeinsam im Garten einen Schneemann gebaut... aber ansonsten war doch eigentlich alles ganz normal gewesen... oder? Harry schüttelte den Kopf. Wie war er auf den Gedanken gekommen, dass sich was verändert hätte? Es kam ihm beinahe so vor, als seien sie zu einer Art Familie zusammengewachsen. Das war ziemlich naiv gedacht. Und doch hatte Hermine diesen Punkt schonmal mit ihm besprochen... Als Ron und Hermine wenig später ankamen, musste Harry Hermine nochmals jede Kleinigkeit erzählen, die er erlebt hatte. Ron war sofort von Lavender abgefangen und in Beschlag genommen worden. Hermine schielte zu Ron herüber. „Hast du schon das Weihnachtsgeschenk von Lavender für Ron gesehen?“, fragte Hermine spitz nach. „Ron hat mir davon erzählt“, kratzte Harry sich am Hinterkopf. „Sie zwingt ihn doch nicht die Kette auch zu tragen, oder?“ „Ist sein Problem“, zuckte die Braunhaarige mit den Schultern. „Sag mal... nach diesen Ferien... habt ihr, also du und Snape, jetzt euer Kriegsbeil begraben?“ Verächtlich schnaufte der Gryffindor: „Wohl kaum, wir haben uns wieder in die Haare gekriegt. Der Kerl wird sich nie ändern.“ „Mhm“, musterte die Hexe Harry genau, um zu sehen, ob das wirklich alles war. „Harry“, kam Ginny auf die beiden zu. „Erträgliche Ferien gehabt?“ „Hi. Ja, irgendwie schon“, lächelte der Gryffindor ihr zu. „Wir haben die gesamten Ferien versucht, uns vor unserer Großtante zu verstecken“, verdrehte die junge Hexe ihre Augen. „Aber Fred und George hatten ganz gute Einfälle, wie wir uns verdrücken konnten. Ähm... ich bin Dumbledore in der Eingangshalle begegnet. Er bat mich, dir diese Nachricht zu geben.“ Harry nahm die kleine Pergamentrolle entgegen, die Ginny ihm zureichte und bedankte sich bei ihr. „Kein Ding“, erwiderte sie und ging dann zu Dean herüber. „Eine neue Unterrichtsstunde?“, fragte Hermine sofort nach, während Harry das Pergament entrollte. „Ja. Morgen Abend“, nickte Harry zufrieden. „Endlich geht es weiter.“ „Jetzt hast du Malfoy auch nicht beobachten können“, fiel Hermine plötzlich ein. „Also glaubst du jetzt auch, dass er hinter dem Unfall steckte?“, freute Harry sich. „Und dass er sich Voldemort angeschlossen hat?“ Hermine seufzte. „Du hast doch kaum Zeit, um Malfoy zu beobachten. Wie willst du das also beweisen?“ „Hm...“, überlegte der Gryffindor. Dann stand er auf und ging hoch zum Jungenschlafsaal, was Hermine komplett verwirrte. „Wo willst du hin?“ „Komm mit“, rief Harry zurück. Zögerlich stand Hermine auf und folgte Harry die Treppen hinauf. Harry vergewisserte sich, dass im Schlafsaal niemand anderes war und rief dann: „Dobby?“ Sofort gab es einen Knall und der Hauself machte eine tiefe Verbeugung vor dem Gryffindor. „Harry Potter, Sir. Ihr habt gerufen? Wie kann Dobby Euch zu Diensten sein, Sir? Dobby tut alles.“ „Hör zu, könntest du mir einen Gefallen tun?“ „Alles, Sir!“, leuchteten Dobbys Augen vor Freude. „Würdest du Draco Malfoy für mich beobachten? Ich glaube er hat irgendetwas vor.“ „Draco Malfoy, Sir?“, fummelte Dobby nervös an seinen Sachen herum. „Ähm...“, überlegte Harry. „Wäre das okay für dich?“ „Natürlich, Sir“, nickte der Hauself nun doch eifrig. „Dobby wird nicht eher ruhen, bis er herausgefunden hat, was der Malfoy im Schilde führt.“ Damit verschwand der Hauself mit einem Plopp. „Und du meinst, das bringt etwas?“, fragte Hermine skeptisch nach. „Wir werden sehen.“ Kapitel 27: Alles wie vorher? ----------------------------- Am nächsten Tag konnte Hermine sich selbst davon überzeugen, dass sich zwischen Harry und Snape nichts verändert hatte, denn im Zaubertrankunterricht stritten sie sich wie eh und je. „Das ist nicht fair!“, ließ Harry seinem Ärger Luft, als er mit Ron durch die Korridore zur Großen Halle ging. Hermine schwieg Ron noch immer an und war mit dem Kommentar verschwunden, sie müsse sich etwas aus der Bibliothek besorgen. „Gibt es auch eine Auszeichnung für das häufigste Nachsitzen an der Schule?“, gluckste Ron. „Sehr witzig“, reagierte Harry patzig. „Ich habe bald gar keine Freizeit mehr. So etwas gehört verboten! Kann man das nicht als Freiheitsberaubung ansehen?“ „Bezweifle ich“, sah Ron seinen Freund skeptisch an. „Nun reg dich nicht so auf. Das müsstest du doch eigentlich von Snape gewohnt sein.“ Der Schwarzhaarige gab ein Grummeln von sich. Ron betrachtete ihn noch immer skeptisch. „Kann es sein, dass du so sauer bist, weil du doch dachtest, dass sich etwas geändert hätte?“ „Was? Blödsinn“, tat Harry das ab, doch Ron betrachtete ihn weiter skeptisch. Die beiden unterbrachen ihr Gespräch, da sie sich durch die Massen in der Großen Halle drängeln mussten. Am Gryffindortisch war wie immer das meiste Gewühl und der größte Krach. „Ro-on“, winkte Lavender dem Rothaarigen aufgeregt vom Tisch her zu. Dieser gab ein Ächzen von sich. „Langsam genervt von ihr?“, fragte Harry schmunzelnd nach. „Wie kommst du denn auf so etwas?“, kam es sarkastisch zurück.   Anscheinend war Ron sogar genervter, als Harry angenommen hatte, denn als Harry am Abend von Dumbledores Unterricht zurück in den Gemeinschaftsraum ging, kam Ron ihm bereits entgegen. „Harry, wie hast du damals mit Cho Schluss gemacht?“ „Ähm... was?“, runzelte dieser die Stirn. „Na wie macht man mit einem Mädchen Schluss?“, war der Rothaarige nun schon etwas verzweifelter. Ratlos hob Harry die Schultern. „Keine Ahnung. Ich war eigentlich nie wirklich mit Cho zusammen und... das hat sich irgendwie irgendwann von selbst erledigt.“ „Das ist nicht fair“, jammerte Ron los. „Meinst du ich kann Hermine um Rat fragen?“ Beide sahen sie zu Hermine herüber, die in einem Sessel saß und las. Doch auch auf diese Frage wusste der Schwarzhaarige keine Antwort. „Versuche erstmal überhaupt wieder mit ihr zu reden.“ „Bei ihr weiß man aber nie was man sagen darf und was nicht.“ „Das musst du wohl riskieren.“ Harry ging auf die Braunhaarige zu, gefolgt von Ron, der sich im Hintergrund hielt. Hermine bemerkte ihn bald und legte ihr Buch beiseite. „Und? Was hat dir Dumbledore dieses mal gezeigt?“ „Oh ähm“, hätte der Gryffindor das fast vergessen zu erzählen. Kurz sah sich Harry um, um sicher zu gehen, dass niemand lauschte, ehe er sich setzte. „Er hat mir gezeigt, wie er Voldemort das erste Mal begegnet ist. Er hatte ihn im Waisenhaus besucht, um ihm zu sagen, dass er ein Zauberer ist.“ „Hey!“, rief Colin vom Portraitloch aus in die Runde. „Dieser Levin-Junge ist hier und will rein.“ Harry sprang sofort auf und kam zum Portraitloch herüber, wohinter Luca ein wenig eingeschüchtert stand. Als er den Gryffindor entdeckte, seufzte er erleichtert auf. „Harry... ich hab... nach dir gesucht.“ „Ähm...“, zögerte Harry und sah zu seinen Freunden. Ron begann gerade zaghaft ein Gespräch mit Hermine. Vielleicht wäre es sogar ganz gut, wenn er die beiden erstmal alleine lassen würde. „Ich komme kurz mit raus bis die Ausgangssperre losgeht“, sagte er also und verließ den Gemeinschaftsraum. Stirnrunzelnd musterte Harry den Jüngeren: „Alles in Ordnung mit dir?“ „Ja... schon...“, kam es wenig überzeugend zurück. „Das mit Dad...“, wurde Luca nun ganz bedrückt. „Er wacht doch irgendwann wieder auf, oder?“ Mit seinen großen, schwarzen Augen sah er Harry an, welcher nervös nach Worten suchte. „Es ist... dein Dad braucht diesen Schlaf, um wieder gesund zu werden. Wenn es ihm besser geht, wird er auch wieder aufwachen.“ Luca zweifelte noch immer etwas. „Seine... seine Ausstrahlung... er ist so schwach. Er ist schon so lange im Krankenhaus. Ich will, dass er nach Hause kommt.“ Seufzend strich Harry sich durchs Haar. Was sollte er denn jetzt tun? Irgendwie musste er dem anderen doch Mut machen können. Andererseits war Luca so gut darin andere Menschen zu lesen, dass er jede Aufmunterung sofort durchschauen würde. Was also tun? Er musste Luca doch irgendwie helfen können. Ach, was machte er sich eigentlich vor, er war lausig im Trösten. Hinter ihm sprach eine sanfte Stimme plötzlich: „Wir müssen stark für ihn sein.“ Levin war aufgetaucht und kam nun auf ihren Sohn zu. „Meinst du denn er merkt es, wie es uns geht?“, drehte Luca sich zu seiner Mutter um, offenbar nicht überrascht, dass sie sie belauscht hatte. „Ganz sicher“, lächelte Syndia ihren Sohn leicht an. „Er spürt, dass wir bei ihm sind und wir müssen stark sein, damit wir ihn dazu motivieren können zu kämpfen. Wir können ihm helfen, indem wir an ihn glauben.“ Luca fiel ins grüblerische Schweigen, ehe er tapfer nickte. „Okay.“ Harry fühlte sich ein wenig fehl am Platz. So wie er die beiden sah, fühlte er mit ihnen, denn der Schmerz über die zerrissene Familie war deutlich zu spüren. Und dennoch war er irgendwie ein Außenstehender, ein Eindringling in diesem schweren Moment. Syndia unterbrach die Stille sanft: „Ich hatte dich eigentlich gesucht, weil es schon spät ist. Du solltest hier nicht mehr herumstreunern.“ Luca fing gar nicht erst an zu protestieren, sondern setzte sich seufzend in Bewegung. Mit einem über die Schulter geworfenen „Gute Nacht“ verabschiedete er sich noch von Harry, nicht ohne ihn kurz bedauernd anzusehen. Offenbar hatte er sich noch nicht alles von der Seele geredet, was er Harry hatte anvertrauen wollen. „Nacht“, rief auch der Gryffindor knapp zurück. Syndia warf Harry noch einen sanften Blick zu. „Gute Nacht!“, erwiderte auch die Hexe und Harry sah ihr kurz beklommen nach, ehe auch er sich in Bewegung setzte. Während Harry in den Gemeinschaftsraum zurückkletterte, dachte er über Luca nach. Er schien die Situation mit seinem Vater doch nicht so gut verdaut zu haben, wie es in den Ferien ausgesehen hatte. Außerdem wurde Harry das Gefühl nicht los, dass Luca noch vieles mit sich herumschleppte, auch wenn er das gut zu verbergen wusste. Er schien einen Ansprechpartner zu suchen, einen anderen als seine Mutter, doch leider, dachte Harry, war er selbst eine schlechte Wahl, denn oft genug wusste er nicht, was er sagen sollte. Andererseits schien Luca hier bei niemandem sonst Anschluss zu finden. Seufzend strich der Gryffidor sich durchs Haar. Er sollte wenigstens versuchen für Luca da zu sein. Im Gemeinschaftsraum angekommen, sah Harry, wie sich Ron gerade vom Sofa erhob und sich etwas zögerlich von Hermine entfernte. Harry bemerkte er nicht und so ging er die Wendeltreppe hinauf, gefolgt von Hermines Blick. „Ihr redet wieder miteinander?“, wandte Harry sich seiner Freundin zu. Die Braunhaarige zögerte kurz und sah unsicher auf ihr Buch. „Er möchte, dass ich ihm beim Schluss machen helfe.“ „Und?“, schöpfte Harry Hoffnung. „Hilfst du ihm?“ Unsicher sah Hermine ihn an. „Ich... denke darüber nach“, kämpfte sie mit sich selbst, was Harry erleichtert lächeln ließ. Endlich rauften die beiden sich wieder zusammen. Er hatte es auch langsam satt, immer nur mit einem von seinen Freunden sprechen zu können.   Mit dem Schulbeginn ging auch der Okklumentikunterricht weiter, was weder Harry noch Snape sonderlich begeisterte. „Wenn Sie sich nicht so blöd anstellen würden, wären wir schon längst mit dem Unterricht durch und Sie würden mir wesentlich seltener auf die Nerven gehen“, beschwerte sich der Slytherin. „Geben Sie mir einfach kein Nachsitzen mehr, dann sehen wir uns auch seltener“, kam als Antwort zurück. „Sie glauben gar nicht wie oft ich das schon in Betracht gezogen habe, allerdings kann ich Sie nicht bevorzugen und jede Frechheit von Ihnen ungestraft lassen.“ „Bevorzugen?“, lachte Harry empört auf. „Gleichberechtigung wäre schon ein großer Fortschritt.“ „Zügeln Sie Ihre Zunge, Potter!“, knurrte der Tränkemeister mit zusammengebissenen Zähnen. „Genau diese Frechheiten meine ich.“ „Ich muss inzwischen jeden Abend bei Ihnen oder Dumbledore sein“, kam der Gryffindor jetzt erst richtig in Fahrt. „Irgendwann muss ich auch mal meine Hausaufgaben machen können.“ „Ihre Hausaufgabensorgen interessieren mich nicht!“, blaffte Snape wütend los. „Konzentrieren Sie sich lieber, damit wir weitermachen können.“ „Wie soll ich meinen Geist leeren, wenn Sie mich immer wieder provozieren?“ „Das reicht, Potter!“, wurde Snape nun laut. „20 Punkte Abzug wegen Ihrer Respektlosigkeit. Nur weil Sie in den Weihnachtsferien bei meiner Schwester untergekommen sind, heißt das noch lange nicht, dass Sie so mit mir reden können!“ Eine kurze Stille entstand, in der Harry trotzig und wütend seinen Lehrer mit Blicken zu töten versuchte. Dieser Kerl brachte ihn so auf die Palme! Und das verrückte war, er wusste nicht einmal genau warum. Er musste jedoch zugeben, dass er Snape gegenüber gerade ziemlich respektlos war. „Wenn Sie fertig sind mit Starren, sollten Sie sich auf den nächsten Versuch konzentrieren.“ Tief durchatmend, oder eher schnaubend, versuchte Harry ein wenig herunterzukommen, da Snape bereits wieder seinen Zauberstab erhob. „Was ist das denn?“, fragte Harry und betrachtete die Lumpen im Waschbecken... „Deine neue Schuluniform...Ich färbe ein paar alte Sachen grau für dich. Die sehen dann genauso aus wie die anderen.“(1)......Ginny reichte Harry etwas aus einem Karton...“Es sind Ostereier von Mum. Da ist auch eines für dich dabei...hier bitte.“...Harry bekam einen Kloß im Hals...“Alles in Ordnung mit dir, Harry?“²......“Ich habe dich gestern Nacht gehört. Hast im Schlaf geredet. Gejammert.“ - „Was soll das heißen?“ - „'Lass Cedric leben!' Wer ist Cedric – dein Freund?“ - „Ich...du lügst.“ - „Komm und hilf mir, Dad! Mum, komm und hilf mir! Er hat Cedric getötet! Dad, hilf mir! Er wird mich...NIMM DAS DING RUNTER!“²......“Lily, nimm Harry und lauf!Er ist es! Schnell fort, ich halte ihn auf -“ - „Nicht Harry! Nicht Harry! Bitte – ich tu alles...“³ Die Verbindung brach und Harry sackte zu Boden. Keuchend hockte er da und sah auf. Snape schien die Verbindung selbst abgebrochen zu haben und hatte seine Augen entsetzt aufgerissen. „Was... war das?“, fragte er, den Blick seltsam leer auf Harry gerichtet. Angesprochener brauchte einen Moment, um zu Atem zu kommen. „Das... ist eine Erinnerung... die ich gezwungen werde zu hören, wenn... wenn die... Dementoren mich... angreifen“, keuchte er um Atem ringend. „Das war... echt?“, fragte Snape, ohne dass es wirklich wie eine Frage klang. „Ja“, nickte Harry und setzte sich etwas aufrechter hin. Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Vielleicht würde er damit Snape überreden können... „Ich hatte... eine Zeit lang das merkwürdige Bedürfnis mich absichtlich den Dementoren zu ergeben“, gab er von sich preis, um den Versuch zu wagen. „Damit ich meine Mutter hören kann... weil das die einzige Erinnerung ist, die ich an sie habe.“ Er machte eine kurze Pause, um das auf Snape wirken zu lassen. „Aber es wird wohl auch immer meine einzige Vorstellung von ihr bleiben... wenn mir niemand etwas von ihr erzählen kann.“ Hatte das gewirkt? Möglichst unschuldig versuchte Harry seinen Lehrer anzusehen, der deutlich blasser geworden war. Eine merkwürdige Stille trat ein, in der Snape noch damit beschäftigt war alles zu verarbeiten. Langsam drehte er sich zur Seite und legte behutsam seinen Zauberstab auf den Tisch. „Sie benutzen das als Masche, um mich zu überreden“, durchschaute er den Gryffindor. „Trotzdem ist es die Wahrheit“, zuckte Harry mit den Achseln. Der Tränkemeister sah ihn erneut an und schien nachzudenken. Harry war der Blick ein wenig unangenehm und hievte sich in den Stuhl hoch, um einen Grund zu finden den Blickkontakt zu brechen. Seine Hände zitterten und sein Kopf brummte, aber er hatte schon schlimmere Unterrichtsstunden erlebt. Er kam nicht umhin seinen Lehrer wieder anzusehen, was dieses mal diesem unangenehm zu sein schien, denn er sah wieder zu seinem Schreibtisch. Snape öffnete zögerlich den Mund zum Sprechen: „Sie war...“ Gespannt horchte Harry auf, doch zugleich brach der Tränkemeister ab, schüttelte leicht den Kopf und entschied sich anders. „Wir sollten für heute Schluss machen.“ Empört stand Harry auf: „Was, Sie wollen...?“ „Sie sollten gehen, Mr Potter“, unterbrach Snape ihn eindringlich und setzte dabei einen seltsam durchbohrenden Blick auf. „Warum?“ Kurz musterte Snape ihn, ehe er antwortete: „Weil es mir gerade so passt.“ Mürrisch atmete Harry aus und verengte seine Augen. Was hatte er anderes erwartet? Hatte er ernsthaft geglaubt, dass Snape ihm etwas erzählen würde? Enttäuscht ließ Harry die Schultern hängen und schlurfte Richtung Tür. Beim Herausgehen murmelte er noch: „Gute Nacht, Professor.“   „Komm schon, du hast es doch schon öfter geschafft, dann schaffst du es in der Prüfung auch“, versuchte Harry seinen Freund aufzumuntern, während sie durch die Gänge gingen. Die Apparierprüfung stand bald bevor und Ron bekam langsam Muffensausen. „Selbst wenn der Anfang klappt, was wenn ich mich zersplinter?“, wurde Ron grün um die Nase. „Dann sind genügend Leute zur Stelle, um dich wieder zusammenzuflicken“, erwiderte der Schwarzhaarige schulterzuckend. „Versuche die Angst vor dem Zersplintern als Motivation zu nutzen. Wenn du dich genügend anstrengst, wirst du auch nicht zersplintern.“ Misstrauisch sah der Rothaarige zurück: „Du kannst das nur so sicher sagen, weil du selber nicht zur Prüfung gehst.“ „He, ich würde gerne hingehen“, beschwerte Harry sich sofort. Ron setzte gerade zu einer Entschuldigung an, als beide eine bekannte Stimme hörten. „Lasst mich durch!“, rief Luca aufgebracht. Ein Stück weiter den Gang hinunter stand Luca vor vier Drittklässlern aus Hufflepuff, die lauthals lachten und offenbar Luca nicht durchlassen wollten. „Wie süß, guckt mal wie rot sein Kopf wird, wenn er sich aufregt“, machte sich der größte der Hufflepuffs über den Jungen lustig. Ron und Harry sahen sich kurz an, ehe sie schnurstracks auf die Gruppe zugingen. „Glaubt mir, ihr wollt mich nicht erleben, wenn ich mich wirklich aufrege“, knurrte Luca zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Ooooh, jetzt kriegen wir aber Angst“, wurden die Hufflepuffs immer heiterer. „Schaut mal, mit dem Gesichtsausdruck sieht er schon eher aus wie ein Snape.“ „Ihr würdet ihn wirklich nicht wütend erleben wollen. Es könnte das letzte sein was ihr tut“, schaltete sich Harry ein, sobald er dicht genug dran war. Sofort hörten die Drittklässler auf zu lachen und schauten unsicher zu Ron und Harry, die die 'großen' Jungs auf einmal sehr klein aussehen ließen. „Wir... unterhalten uns nur“, sagte der größte von den Hufflepuffs mutig. „Dagegen gibt es doch nichts einzuwenden.“ Plötzlich kam von hinten noch Hermine hinzu und stellte sich auf die andere Seite von Luca. „Ihr habt gesehen, was Professor Levin tut, wenn sie wütend ist und das kann Luca auch. Also solltet ihr ihn besser in Ruhe lassen“, ergänzte sie schnippisch und setzte ihren scharfen Blick auf. „Pf“, machte der noch eben mutige Hufflepuff, war jetzt jedoch sehr verunsichert und eingeschüchtert. Gegen drei Sechstklässler hatten sie keine Chance und auch die Erzählung zu Luca schien seine Wirkung gehabt zu haben. Ohne ein weiteres Wort zogen die vier ab. „Eigentlich versuchen wir Lamia immer unsere Fähigkeiten geheimzuhalten“, murmelte Luca unsicher. „Aber das war die einzige Möglichkeit, sie dir vom Hals zu halten“, erwiderte Harry. „So werden sie dich sogar in Ruhe lassen, wenn du alleine bist.“ „Hm“, zuckte Luca mit den Schultern und tat das damit ab. „Danke.“ „Ist doch selbstverständlich“, lächelte Hermine. Plötzlich entdeckte Harry jemanden und zischte Ron zu: „Du solltest dich vielleicht verstecken oder so etwas.“ Ron und Hermine folgten seinem Blick und entdeckten Lavender, die offenbar auf der Suche nach dem Weasley war. Nervös machte der Rotschopf einen Schritt zurück. „Zu spät, sie wird mich so oder so sehen.“ „Hm...“, grübelte Hermine und wurde von den anderen angesehen. Dann plötzlich drehte sie sich zu Ron und umarmte ihn, was diesen völlig überrumpelte. Auch Harry war völlig perplex und starrte die beiden an. „Du wolltest sie doch los werden, oder?“, murmelte Hermine, als sie Ron wieder los ließ und verschwand den Gang hinunter. Bevor Ron begriffen hatte was vor sich ging, stand bereits Lavender Arme verschränkend und mit einem giftigen Blick vor ihm. „Was war das denn gerade?“, legte sie sogleich los. „Ich dachte ihr versteht euch nicht mehr.“ „Ähm... tun wir auch nicht...“, war der Weasley noch immer überfordert. Harry und Luca wussten auch nicht, was sie tun sollten, und beobachteten das Geschehen einfach stumm. Lavender sagte bissig: „Hältst du mich für so blöd? Glaubst du ernsthaft, dass ich dir das noch abkaufe, nachdem ich das gerade gesehen habe?!“ „Normalerweise ignoriert sie mich“, zog Ron hilflos die Schultern hoch. „Verarschen kann ich mich alleine!“, keifte Lavender wütend und stampfte davon. Sprachlos starrte Ron seinen besten Freund an, der nur ratlos zurücksah. „Ich schätze... das könnte deine Chance sein sie loszuwerden.“ „Meinst du das war Hermines Plan?“, fragte Ron nach. Luca sah irritiert zu den anderen auf. „Ich komme irgendwie nicht mit. Dürfen Freunde sich nicht umarmen?“ Nach Worten suchend erwiderte der Schwarzhaarige: „Ähm... das ist etwas komplizierter.“ Eine Augenbraue hochziehend seufzte der Junge und sagte theatralisch: „Erwachsene machen sich das Leben aber auch schwer. Also wirklich, tse.“ Damit ging er kopfschüttelnd und selbstsicher davon, nicht bemerkend, dass er von den beiden Gryffindors mit offenen Mündern angestarrt wurde. „Dieser Bursche haut einen echt um“, schüttelte Ron den Kopf. „Wem sagst du das.“   Am Abend stapfte Harry erschöpft die Treppe zum Schlafsaal nach oben. Er war zwar noch nicht müde, aber er wollte seinen Freunden die Gelegenheit geben, sich alleine zu unterhalten. Seufzend setzte sich der Schwarzhaarige auf sein Bett und zog sich langsam um. Wenn Ron in der nächsten Zeit nichts dummes tat, würde das Gryffindortrio bald wieder so sein wie früher. Ganz zufrieden mit diesem Gedanken schmiss sich Harry aufs Bett und wollte gerade das Licht auf dem Nachttisch löschen, als er dort etwas entdeckte, was da nicht hingehörte. Stirnrunzelnd nahm der Schwarzhaarige ein kleines, blaues Kästchen in die Hand und musterte es. Er hatte das noch nie zuvor gesehen, also musste es ihm jemand dort hingelegt haben. Kurz entschlossen stand Harry auf und ging noch einmal zurück in den Gemeinschaftsraum zu Ron und Hermine. „Hast du mir das auf den Nachttisch gestellt, Ron?“, präsentierte er das Kästchen. „Ähm... nein.“ „Aber wo kommt es dann her?“, runzelte Harry die Stirn und musterte den Gegenstand erneut. „Was ist denn drinnen?“, fragte Hermine neugierig nach. Harry öffnete den Magnetverschluss vorsichtig und entdeckte eine Art Glaskugel. „Keine Ahnung“, zuckte er mit den Schultern. „Sieht aus als sei es zum Wahrsagen.“ „Zeig mal her“, streckte Hermine die Hand aus und Harry gab ihr das offene Kästchen. Die Hexe musterte den Gegenstand darin und bekam plötzlich große Augen. „Das ist eine Nachricht!“ „Was?“, fragten die beiden Jungs. Vorsichtig nahm Hermine die Kugel heraus. Sie war sehr trüb und hatte einen türkisstich. „Eine Art Speicher“, erklärte sie weiter. „Darin können Erinnerungen gespeichert und vom Empfänger abgerufen werden, ähnlich wie bei einem Denkarium. Nur dass sich nur der Empfänger die Erinnerungen ansehen kann. Aber die Methode ist auch unsicherer, weil dabei die gezeigten Erinnerungen viel leichter manipuliert werden können.“ „Okaay...“, überlegte Harry. „Aber wer sollte mir so etwas schicken?“ „Das findest du wohl nur heraus, wenn du sie dir ansiehst“, steckte Hermine die Kugel zurück in die Schachtel und reichte sie Harry. Unsicher nahm er diese an sich. „Wie aktiviere ich sie?“ „Indem du sie berührst. Mache das aber am besten nicht hier, sondern im Schlafsaal. Es müssen dich nicht alle dabei anstarren, oder?“, sah Hermine sich im Raum um, in dem sich noch einige Schüler aufhielten. „Ist glaube ich besser“, nickte Harry noch immer unsicher. „Komm wieder runter, wenn du fertig bist. Ich will unbedingt wissen, von wem das ist“, meinte Ron aufgeregt. „Klar“, lächelte der Schwarzhaarige schief und ging in den Schlafsaal zurück. Grübelnd setzte sich der Gryffindor auf sein Bett und betrachtete das offene Kästchen. Eine Erinnerung also? Von wem? Und warum in einer Form, in der man die Erinnerungen manipulieren konnte? Oder dachte die Person, dass er keinen Zugriff auf ein Denkarium hätte? Oder sollte so verhindert werden, dass sich noch jemand anderes diese Erinnerungen ansah? Seufzend kroch Harry zum Kopfteil seines Bettes hoch und setzte sich bequemer hin. Was ist, wenn es eine Falle war? „Durch angucken kriege ich das auch nicht heraus“, murmelte Harry schließlich und griff entschlossen nach der Kugel. ---------------   1: Rowling, Joanne K. (1998): Harry Potter und der Stein der Weisen. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.40. 2: Rowling, Joanne K. (2003): Harry Potter und der Orden des Phönix. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.23/24; S.769. 3: Rowling, Joanne K. (1999): Harry Potter und der Gefangene von Askaban. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.249/250. Kapitel 28: Erinnerungen ------------------------ Harry nahm die Kugel aus dem Kästchen und betrachtete sie genauer. Auf einmal begann sie intensiv in türkis zu leuchten und wurde ganz warm in seiner Hand. Dem Gryffindor wurde schwarz vor Augen und er schüttelte irritiert den Kopf. Hinzu kam jetzt ein leises Summen in seinen Ohren, wodurch er sich von der Außenwelt abgeschnitten fühlte. Blinzelnd versuchte Harry wieder etwas zu sehen und tatsächlich schaffte er das auch, allerdings hatte er einen seltsamen Tunnelblick und er sah auch nicht den Schlafsaal. Zwischen Zweigen eines Busches hindurch sah er einen Spielplatz, auf dem zwei Mädchen standen. Noch immer versuchte Harry durch Blinzeln seine Sicht zu verbessern, aber anscheinend war das nicht möglich. |„Guck mal, Tunia“, hörte Harry das jüngere Mädchen sagen und wurde hellhörig. Petunia? Dann musste die Rothaarige daneben... „Schau, was ich machen kann.“ Tante Petunia kam dichter an ihre Schwester Lily heran, die eine Blüte in der ausgestreckten Hand hielt. Als Petunia dicht genug gekommen war, sorgte Lily mit stabloser Magie dafür, dass die Blüte sich öffnete und schloss. „Hör auf damit!“, rief Petunia sofort aus. „Die tut dir doch nichts“, antwortete Lily und ließ die Blüte wieder zu Boden fallen. „Das macht man nicht... Wie kriegst du das hin?“, klang Petunias Neid heraus. „Ist doch klar, oder?“, hörte Harry plötzlich sich selbst reden... oder auch nicht? Er war sich sicher nicht gesprochen zu haben und auch die Stimme passte überhaupt nicht zu ihm. Die Zweige verschwanden. Offensichtlich sah Harry dieses Geschehen aus den Augen einer anderen Person und langsam dämmerte es Harry, wessen Erinnerungen das sein mussten. Die Mädchen entdeckten ihn und Petunia lief erschrocken zur Schaukel, während Lily stehen blieb und keine Angst zeigte. „Was ist klar?“, fragte sie nach. „Ich weiß, was du bist“, sprach wieder der Beobachter. „Was meinst du?“ Flüsternd sagte der Unbekannte: „Du bist... du bist eine Hexe.“ Beleidigt reckte Lily ihre Nase in die Luft: „Es ist nicht besonders nett, wenn man jemandem DAS sagt!“|² Und so stapfte sie zu ihrer Schwester herüber. Die Sicht verschwamm wieder und ein neues Bild ergab sich, wieder im Tunnelblick. Dieses Mal befand er sich nicht draußen, sondern in einem recht großen Zimmer, das offenbar ein Kinderzimmer war. „So und das ist mein Zimmer“, sprach Lily neben ihm. Harrys Blick schweifte durch den Raum. Die Tapete hatte einen sanften Gelbton und eine Bordüre mit Feen war auf halber Höhe angebracht. In der hinteren Ecke stand ein Hochbett, wodrunter Vorhänge den Eindruck erweckten, als sei dort eine Höhle gebaut worden. In den Kisten und auf den Kommoden lagen allerhand Spielsachen wie Puppen, Pferde und Feen. Ein richtig klischeehaftes Mädchenzimmer eben. Die Person ging zu den Pferdefiguren, um sie sich genauer anzugucken. „Ich habe ganz viel Lego, damit könnten wir einen Bauernhof bauen“, berichtete Lily eifrig und griff nach einer großen Kiste, um darin herumzuwühlen. „Verrückt...“, murmelte der Junge und tickte die Figuren an, streichelte sie sogar. „Was ist verrückt?“ „Die bewegen sich ja gar nicht“, versuchte der Junge noch immer das Pferd zu einer Reaktion anzustacheln. „Die sind ja auch gar nicht verzaubert“, trat Lily neben ihn und nahm das Pferd in die Hand. „Das ist Susi, meine Lieblingsstute. Sie hat ein Fohlen zusammen mit Amadeus, der hier.“ Sie nahm einen schwarzen Pegasus von der Kommode. „Der ist mein aller aller bestes Pferd. Der kann sogar fliegen, siehst du.“ „Aber wie soll er fliegen, wenn er sich nicht bewegt?“ „Hast du keine Fantasie?“, lachte die Rothaarige fröhlich. „Syndia hat auch Pferde, muss sie aber einzäunen, damit die nicht durch die ganze Wohnung laufen“, berichtete der Junge, bei dem Harry jetzt den Beweis hatte, dass es sich um Snape handelte. „Echt?“, begannen Lilys Augen zu leuchten. „Kann ich mir die mal ansehen?“ „Ähm...“, zögerte der Slytherin. „Ich kann sie fragen, ob sie sie anbindet und mal mit raus auf den Spielplatz nimmt. Da kann sie dir die zeigen.“ „Und warum nicht....“, hörte Harry Lily noch fragen, doch das Bild war bereits verschwommen und die Szene endete. So langsam wurde dem Gryffindor klar, warum Snape ihm die Erinnerungen auf diese Art zeigen wollte: So konnte er alles rauslassen, was Harry nicht sehen sollte, inklusive Snape selbst. Das Bild baute sich wieder auf und Snape saß im Hogwartsexpress Lily gegenüber. Mit im Abteil saßen noch weitere Jungs, die sie erstmal nicht beachteten, denn Lily hatte geweint. |„Tunia... h-hasst mich. Weil wir diesen Brief von Dumbledore gesehen haben“, sagte sie bedrückt. „Na und?“, fragte Snape und erhielt von Lily einen fiesen Blick. „Sie ist immerhin meine Schwester!“ Das Bild verschwamm kurz, ehe sich die gleiche Szene wieder bildete, nur mit einem Zeitsprung. „Vielleicht breche ich mit der Tradition. Wo würdest du hin wollen, wenn du die Wahl hättest?“, fragte einer der Schwarzhaarigen seinen Freund. Bei genauerem Betrachten erkannte Harry den einen als James, dann musste der andere Sirius sein. „Gryffindor“, rief James aus. „Denn dort regieren Tapferkeit und Mut! Wie mein Dad.“ Snape schnaubte und James sah ihn an. „Hast du'n Problem damit?“ „Nein“, meinte der Slytherin. „Wenn du lieber Kraft als Köpfchen haben willst...“ „Wo möchtest du denn gern hin, wo du offenbar nichts von beidem hast?“, warf Sirius ein und James begann zu lachen. Lily sprang empört auf, warf James und Sirius einen verächtlichen Blick zu und sagte: „Komm, Severus, wir suchen uns ein anderes Abteil.“|² Eine neue Szene: Snape saß an einem langen, festlich gedeckten Tisch zusammen mit einigen anderen Kindern. Ihm gegenüber saß Lily, die aufgeregt mit dem Mädchen neben sich schnatterte. Vor Lily stand eine Torte, der bereits einige Stücke fehlten, auf der aber noch einige Kerzen standen. „Komm, Severus, iss noch ein Stück Kuchen. So kriegst du vielleicht mal etwas auf die Rippen“, sagte eine Frau freundlich neben ihm. Sie hatte schöne, rote Locken und bernsteinfarbene Augen. „Nein, danke, Mrs Evans“, versuchte Snape abzudanken, doch sie schnitt ihm bereits ein kleines Stück Torte ab. Mrs Evans? Harrys Großmutter? Sie war hübsch, eine gewisse Ähnlichkeit war zwischen ihr und Lily zu erkennen. „Ach komm, das wird dir nicht schaden“, lächelte sie weiterhin und reichte ihm den Teller. Beim nächsten Bild war Harry irritiert, weil er nur Wasser um sich herum sah. Doch dann erkannte er, dass Snape wohl tauchte und nun an die Oberfläche brach. Er befand sich im schwarzen See und prustete. Am Ufer stand die jugendliche Lily und krümmte sich vor lachen. „Das sah genial aus!“, rief sie und hielt sich den Bauch. „Das war nicht fair“, rief Snape und schwamm Richtung Ufer, schien jedoch nur gespielt verärgert zu sein. „Ach komm schon, das...“, schnappte Lily nach Luft. „Das war 1000 Galleonen wert. Was hast du vor? Was... AH“, quietschte sie los, als Snape zügig auf sie zu lief, sie um die Taille packte und Richtung Wasser zerrte. „Ich hab... ich hab einen Walkman in der Tasche!“, rief sie aufgeregt. „Netter Versuch, aber in Hogwarts funktionieren die eh nicht“, antwortete Snape nur und schmiss Lily ins Wasser, die noch einmal spitz aufschrie. Als sie wieder auftauchte und sich die Haare aus dem Gesicht strich, begann Snape zu lachen, was Harry extrem merkwürdig fand. Snape lachen zu hören... war verrückt. „Du Assi“, beschwerte sich Lily, lachte jedoch ebenfalls und spritzte mit Wasser. Dann befand sich Harry im abgedunkelten Zimmer von Lily, inzwischen anders eingerichtet als noch zu Kindertagen. Sie saß auf einigen Kissen auf der Fensterbank und sah total verheult aus. Snape hatte sich zu ihr gesetzt. „Robert ist eben ein Arschloch“, meinte der Slytherin. „Willst du mir jetzt eine Predigt halten von wegen 'Ich habs dir ja gesagt'?“, schniefte Lily. „Nein, ich will dir gar nichts predigen. Ich will nur, dass es dir besser geht.“ „Keine Schadenfreude, weil du eifersüchtig auf ihn warst?“ „Schadenfreude?!“, protestierte Snape. „Warum zum Teufel sollte ich mich darüber freuen das du weinst? Und ich war nicht eifersüchtig.“ „Doch warst du“, zwang sich Lily zu einem kleinen Lächeln. „Nur weil ich nicht wollte... dass das unserer Freundschaft schadet.“ „Das ist doch Unsinn. Sev, ich verspreche dir, dass ich niemals für einen Kerl unsere Freundschaft aufgebe.“ Der Ton wurde auf einmal kurz unscharf, so dass Harry nicht verstand, was Snape erwiderte, doch es brachte Lily wieder zum Lächeln. Danach ging es normal weiter. „Danke“, murmelte Lily wieder ernst. „Dass du hier bist.“ „Ich hätte die Tür auch eingetreten, wenn du mich weiter abgewimmelt hättest.“ Lily lächelte schwach, doch sah sie wieder aus dem Fenster und bekämpfte den nächsten Ansturm von Tränen. Snape kam näher und umarmte die schluchzende Lily. Als nächstes fand sich Harry in einem Laden wieder, der mit allerhand Souvenirs vollgestopft war. Snapes Blick wanderte über die Figuren, Taschen, Shirts, Heftchen, Anhänger und vieles mehr, doch nichts davon betrachtete er genauer. Im Gegensatz zu Lily. Mit leuchtenden Augen nahm sie einen Gegenstand nach dem anderen in die Hand und begutachtete ihn genau. Harry fiel auf, dass sie Muggelkleidung trug und dieser Laden ebenfalls eindeutig nichtmagisch aussah. „Oh Sev, schau mal wie niedlich das ist“, quietschte sie schon fast begeistert und streckte dem Slytherin einen Plüschhasen entgegen. „So einen kriegst du in anderen Läden deutlich billiger“, brummte Snape nur als Antwort, weshalb Lily eine Schnute zog. „Du könntest wenigstens so tun als würdest du Spaß haben, weißt du?“ „Wir laufen seit Stunden von einem Laden zum anderen. Es wundert mich, dass du überhaupt noch Geld hast“, ächzte der Slytherin erschöpft. „Ach komm, heute ist der letzte Tag, da muss ich mir doch noch irgendwas als Souvenir mitnehmen“, winkte Lily ab, ohne ihren Blick vom Regal zu nehmen. „Irgendwas? Wie viele Souvenire brauchst du denn noch?“, sagte der Slytherin fast jammernd, während er die drei Einkaufstüten in seinen Händen hochhielt. Als ob Lily ihn nicht gehört hätte, durchstöberte sie die Shirts und zog schließlich grinsend ein blaues heraus, auf dem ein griesgrämig dreinblickender Bär aufgedruckt war. Mit einem breiten Grinsen und schelmisch leuchtenden Augen hielt sie es Snape hin. „Schau mal, Sev, das ist wie für dich gemacht“, lachte sie begeistert. „Probier's mal über, na los.“ „Ganz sicher nicht“, murrte der Slytherin dunkel, was Lilys Grinsen nur breiter werden ließ. „Komm schooon, das gibt es auch in schwarz, siehst du?“, zog sie ein weiteres Shirt hervor. „Besser geht’s doch gar nicht. Na los, na los.“ „Vergiss es.“ „Biitteee.“ „Nein.“ „Komm schon, für mich.“ „Ich sagte nein.“ „Lily, schau mal“, wurde ihre Diskussion unterbrochen, als ein blondes Mädchen mit einer Tasche in der Hand dazustieß und Lilys Aufmerksamkeit erhielt. „Ist die Tasche nicht der Hammer? Guck mal, da passt so viel rein und sie hat sogar zwei Innentaschen. Und die Steinchen hier vorne...“ Begeistert nahm Lily ihr die Tasche ab und begutachtete sie von allen Seiten. „Die muss ich haben! Aber so viel Geld habe ich nicht mehr.“ Die Rothaarige seufzte schwer auf und zog einen Schmollmund. „Du kannst mir nicht zufällig was leihen?“, sah sie hoffnungsvoll zu ihrer Freundin, doch die schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich brauche mein letztes Geld für die Rückfahrt, tut mir Leid. Ich würde sie mir ja selber holen, wenn ich genug Geld hätte.“ Nochmals seufzte Lily auf, ehe die Blicke der Mädchen ganz langsam zu Severus wanderten. „Seeev?“, fragte Lily zuckersüß, doch der Slytherin unterbrach sie sofort. „Vergiss es!“ „Bitteee, du kriegst das Geld wieder.“ „Du hast doch selber Schuld, du hast heute schon deine gesamten Ersparnisse verprasselt.“ „Aber da wusste ich auch noch nichts von dieser süßen Tasche. Du hast dann auch was gut bei mir. Biiiitteee.“ „Was ist daran bitte süß? Dass ihr Weiber auch immer auf solche kitschigen Handtaschen abfahren müsst, die kein Mensch braucht. Weißt du eigentlich wie wenig Taschengeld ich kriege?“ „Biitteeee“, setzte Lily den perfektesten Dackelblick auf, den Harry je gesehen hatte, ehe sie leise ergänzte: „Als Geburtstagsgeschenk?“ „Du hast doch erst in drei Monaten.“ „Ich weiß“, erwiderte sie unschuldig, ließ nun sogar Tränen in ihre Augen treten, drückte die Tasche an ihre Brust und wiegte sich leicht hin und her. „Du bist doch mein aller aller allerbester Freund und ich hab dich sooooo doll lieb...“ „Ach!“, unterbrach der Slytherin sie ächzend. „Meinetwegen, aber hör endlich auf so herumzuschleimen.“ Quietschend sprang Lily freudestrahlend in die Luft, ehe sie Snape um den Hals fiel und ihm einen Kuss auf die Wange gab. „Danke danke danke danke....!!“ „Ist ja gut jetzt“, unterbrach Snape sie nun schon wesentlich erheiterter klingend. „Du und dein blöder Dackelblick. Du bist hinterhältiger als jeder Slytherin.“ Lily grinste ihn nur frech an. Die nächste Szene: Lily lief mit Snape über den Hof von Hogwarts und schien aufgebracht zu sein. |„Ich weiß, dass James Potter ein arroganter Widerling ist“, sagte Lily gerade. „Das brauchst du mir nicht erst zu sagen. Aber Mulcibers und Averys Vorstellung von Humor ist einfach böse. BÖSE, Sev. Ich verstehe nicht, wie du mit denen befreundet sein kannst.“|² Schon hörte die Szene wieder auf. Es war Nacht und Lily und Snape standen vor dem Portraitloch zum Gryffindorturm. |„Es tut mir leid“, sagte Snape. „Das interessiert mich nicht.“ „Es tut mir leid!“ „Spar dir die Worte. Ich bin nur rausgekommen, weil Mary gesagt hat, du hättest gedroht, hier zu schlafen.“ „Das stimmt. Das hätte ich getan. Ich wollte dich nie Schlammblut nennen, es ist einfach...“ „Rausgerutscht? Es ist zu spät. Seit Jahren entschuldige ich mich für dich. Keiner von meinen Freunden kann verstehen, warum ich überhaupt mit dir rede. Du und deine netten kleinen Todesserfreunde – siehst du, du streitest es nicht einmal ab! Du kannst es kaum erwarten, bei Du-weißt-schon-wem mitzumachen, oder?“, seufzend ließ Lily die Schultern hängen und sprach etwas sanfter weiter.|² „Hör zu, ich weiß was Avery dir einredet, aber du darfst nicht auf ihn hören. Auch wenn du...“ Weiter verstand Harry sie nicht, denn der Ton wurde extrem verzerrt und dann verschwand auch das Bild. Doch Harry wusste bereits, dass das Thema auf Snapes Vater umgesprungen war. Als nächstes befand er sich wieder auf den Ländereien von Hogwarts. Es war ein strahlender Sommertag und Lily saß neben Snape, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. Ihre Haare fielen ihr seidig nach vorne und hatten einen goldenen Glanz im Sonnenlicht. Sie saßen ruhig da und Lily betrachtete die Landschaft. „Du bist mir schon einer“, seufzte sie dann, legte den Kopf schief und blinzelte gegen die Sonne, um Snape anzusehen. „Weißt du... die anderen Gryffindors werden ziemlich blöd dreinsehen, wenn sie sehen, dass wir uns wieder verstehen. Nach so langer Zeit wird sicher keiner mehr damit rechnen. Damit werden wir erneut die ganze Schule schocken.“ Ein leichtes, warmes Lächeln umspielte ihre Lippen und dieser Moment hätte das schönste Foto der Welt ergeben. „Mir hast du letzte Woche aber auch einen ziemlichen Schock verpasst. Ausgerechnet Potter?“, sagte Snape ruhig. „Joar“, sagte Lily und senkte ihren Blick mit einem verlegenen Grinsen. „Ich weiß, das klingt verrückt.“ „Es ist verrückt.“ „Tja“, zuckte Lily die Schultern und sah wieder breit grinsend zu ihm. „Ich kann ja nicht immer nur dich den Spinner sein lassen.“ Die nächste Szene war extrem getrübt und Harry bemühte sich etwas zu erkennen. Er befand sich in einem leicht beleuchteten Raum, draußen war es dunkel. Lily stand mit einer dampfenden Tasse vor ihm und sah ihn besorgt an. „Hier, wärm dich ein wenig auf“, hielt sie ihm die Tasse hin und sprach dabei in einem unendlich sanftem Ton. „Du kannst hier so lange bleiben wie du willst.“ „Sagtest du nicht, Potter würde dich bald besuchen kommen?“, fragte Snape nach und an der Stimme war zu erkennen, dass er zitterte. „Das ist doch völlig egal, du bist mein bester Freund“, lächelte sie sanft. „Und für beste Freunde ist man immer da.“ In der nächsten Szene saß Lily dicht neben Snape auf dem Sofa, die Füße mit auf dem Sofa abgestellt. „Ich bin schwanger.“ Eine kurze Stille trat ein, in der sie Snape erwartungsvoll ansah. „Tu mir einen Gefallen“, kam Snapes tiefe Stimme. „Hm?“ „Lass Potter nicht die Erziehung übernehmen.“ „Du bist doof“, lachte Lily auf und knuffte den Slytherin. „Weißt du, normalerweise gratuliert man.“ „Ja, aber wir sind ja nicht normal.“ „Spinner“, grinste Lily nun breit. „Siehst du, sag ich doch“, erwiderte Snape und Lily musste wieder auflachen. Nun verdunkelte sich das Bild und Harry hörte wieder dieses Rauschen. Ganz langsam, als hätte sein Kreislauf verrückt gespielt, sah Harry den Schlafsaal wieder auftauchen. Die Kugel hatte aufgehört zu leuchten und war nun schwarz und kalt geworden. Tief durchatmend betrachtete Harry sie. 'Wow.', dachte er nur. Völlig perplex blieb Harry auf seinem Bett sitzen. Snape hatte ihn ernsthaft freiwillig seine Erinnerungen sehen lassen, auch wenn sie durch den Tunnelblick und Störgeräusche gestutzt worden waren. Doch sie hatten die Wirkung, die sie erreichen sollten: Harry konnte sich ein viel besseres Bild von seiner Mutter machen. Jetzt verstand er auch, warum alle immer so von ihr geschwärmt hatten, denn sie glich einem Engel. So gutmütig, so rein, so... verständnisvoll und Freundschaft war für sie sehr wichtig. Der Gryffindor seufzte auf. Die Freundschaft zu Snape war auch deutlich geworden. Einige Erinnerungen waren schon ziemlich privat und Harry wunderte sich, dass Snape sich tatsächlich überwunden hatte, sie ihm zu zeigen. Doch was hatte er da verschleiern wollen, als Lily diesen Liebeskummer hatte? Er hatte irgendetwas gesagt, was Harry nicht hören sollte. Und auch die Stelle, wo er bei ihr Asyl gesucht hatte, war extrem verzerrt gewesen. Harry zuckte die Achseln. Das war wohl zu privat und er würde es nie herausfinden. Es wunderte ihn, dass er sein Lachen am See nicht kaschiert hatte. Das war mehr als ungewohnt für Harry. Ein lachender Snape... absolut verrückt. Mit einem Ruck stand Harry auf und ging hinunter zu seinen Freunden, damit sie sich keine Sorgen machten. Diese warteten schon aufgeregt und entdeckten ihn sofort. „Und?“, zappelte Ron herum. „Ihr werdet es nicht glauben“, setzte Harry sich mit einem Grinsen zu seinen Freunden. „Was war es? Von wem war es?“, hielt es Hermine auch nicht mehr aus. „Von Snape.“ „Was?“, fragten beide gleichzeitig ungläubig. „Und worum ging es?“, bohrte Ron weiter. „Um meine Mutter“, strahlte Harry die beiden an. „Erinnert ihr euch, dass ich sagte, ich hätte ihn nach ihr gefragt?“ Die beiden Gryffindors nickten. „Nun, er scheint es sich anders überlegt zu haben. Es waren Erinnerungen an Mum, auch wenn sie teilweise stark kaschiert wurden. Wahrscheinlich, damit es ihm nicht zu privat wird.“ „Wow“, sagte Hermine nur und ließ sich in den Sessel zurückfallen. Auch Ron staunte nicht schlecht. „Und?“, fragte Hermine schließlich zögerlich. „Wie ist sie so?“ Harry konnte nicht verhindern, dass ein seliges Lächeln über sein Gesicht huschte. „Wie soll ich das beschreiben...?“, überlegte Harry und sah auf seine Hände. „Sie war sehr gutmütig, herzlich... fast schon perfekt.“ „Wie man sieht hat Snape dir damit eine große Freude gemacht“, lächelte Hermine breit. „Das... klingt irgendwie....“, runzelte Harry zweifelnd die Stirn. „Komisch?“, half Ron nach. „Ja, das ist es auch... und es klingt schwul.“ „Ja Dankeschön“, schubste Harry grinsend seinen besten Freund, sodass der beinahe feixend vom Sofa fiel. „Sag das bloß nicht zu laut“, schmunzelte Hermine ebenfalls. „Gerüchte verbreiten sich in Hogwarts ziemlich schnell.“ „Wem sagst du das“, stimmte Harry ihr zu. „Aber Gerüchte über mich wären ja nichts Neues.“ „Verzichten kann man trotzdem drauf“, meinte Ron.   Die erste Schulwoche nach den Ferien war geschafft und das Gryffindortrio schlenderte durch die Gänge Richtung Große Halle. „Es wird Zeit, dass es draußen warm wird“, streckte Ron sich erschöpft. „Dann könnten wir uns endlich wieder in die Sonne setzen.“ „Das wird wohl noch eine Weile dauern“, seufzte auch Hermine sehnsüchtig. Plötzlich waren von hinten schnelle Schritte zu hören und Harry sah flüchtig über die Schulter. Doch da war keiner. Sie waren alleine im Flur. „Leute...“, murmelte er verwirrt und noch ehe er begriff, hörten sie Lucas Stimme. „Ihr solltet hier lieber verschwinden“, rief er aufgeregt und war unsichtbar an ihnen vorbeigerannt. Verwirrt sahen sich die drei Gryffindors an. Verschwinden? „LUCAAA!!!“, schrie auf einmal Snape ganz hinten im Flur. „Oh Shit!“, sagte Ron und begann ebenfalls zu rennen, gefolgt von seinen beiden Freunden. Erst in der Eingangshalle machten sie keuchend halt, wo sich genug Schüler herumtrieben, sodass sie nicht auffallen würden. „Luca?“, fragte Harry in den Raum hinein, falls dieser sich hier aufhielt. „Hier“, flüsterte dieser tatsächlich von der Mauer her. „Ich sollte noch weiter weggehen. Was ist denn?“ „Was hast du angestellt?“, keuchte der Grünäugige. „Ich habe Onkel Sev's Büro... umgestaltet. Ich sollte lieber gehen. Bis später.“ Ron lachte auf. „Umgestaltet? Das würde ich ja zu gerne sehen.“ Der Rothaarige verstummte sofort, als ein wütender Tränkemeister in die Eingangshalle gehastet kam und sich umsah. Dass die Gryffindors hier herumstanden, fand er mehr als verdächtig. „Potter!“, rief er also, „Wo ist Luca?“ „Was?“, tat Harry ahnungslos. „Woher soll ich das wissen? Ich habe ihn heute noch nicht gesehen.“ „Tun Sie nicht so, Sie sind mit Sicherheit auch am Streich beteiligt!“ „Streich?“, runzelte Harry die Stirn. „Potter...“, kam Snape bedrohlich auf ihn zu und hatte die Augen zu Schlitzen geformt. „Professor, was auch immer passiert sein soll, Harry war die ganze Zeit bei uns und wir kommen gerade direkt vom Unterricht“, schaltete sich Hermine ein. „Wir hatten gerade Verteidigung gegen die dunklen Künste, da können Sie Professor Levin fragen.“ Der Slytherin sah die Hexe giftig an und ihm schienen mehrere Beschimpfungen für sie durch den Kopf zu gehen. „Irgendwann erwische ich euch“, drohte Snape Harry. „Vergessen Sie Ihr Nachsitzen morgen nicht, Potter.“ Damit rauschte Snape im gewohnten Gang davon. Die drei Gryffindors atmeten durch. „So langsam solltest du darauf achten, ob etwas in deine Getränke geschüttet wird, Harry“, murmelte Ron.   „Wo ist Luca?“, platzte Severus wütend in das Büro seiner Schwester. „Wann lernst du es anzuklopfen?“, ließ sich Syndia nicht aus der Ruhe bringen. „Und keine Ahnung, ich habe ihm keinen Aufspürzauber verpasst, weißt du.“ „War Potter vorhin bei dir im Unterricht?“ „Ähm... ja, wieso?“, zog sie eine Augenbraue hoch. „Luca hat mein Büro verwüstet!“, keifte der Slytherin los. „Was?“, sah sie nun doch etwas ernster zurück. „Komm mit und sieh es dir an“, meinte Severus nur und rauschte davon, während Syndia sich beeilte hinterherzukommen. In Severus' Büro wäre Syndia beinahe auf eine Phiole getreten. Sämtliche Regale waren ausgeräumt und alles stand durcheinander. Bücher lagen offen im gesamten Raum verteilt. „Sicher, dass nicht jemand etwas gesucht hat?“, sah sich die Hexe besorgt um. „Er hat mir noch einen Bluffknaller hinterlassen. Das würde ein Dieb wohl kaum tun.“ Seufzend meinte die Hexe: „Ich rede mit Luca.“ „Dankeschön, dass du doch irgendwo eine Grenze ziehst“, grummelte der Schwarzhaarige weiter und ließ sich in seinen Sessel fallen. Erschöpft rieb er sich über die Augen und Syndia trat langsam auf ihn zu. „Sag maal...“ „Hm?“, grummelte Severus ohne aufzusehen. „Waren die Ferien nun wirklich so schlimm für dich?“, fragte die Hexe sanft und begann damit, einige Phiolen aufzuheben und zu begutachten. „Liegt dir das so am Herzen?“ „Naja, ich wäre ein wenig beunruhigt, wenn du immer noch sagen würdest, dass du es in Spinners End besser gehabt hättest.“ „Es war okay“, grummelte Severus. Syndia sah wieder weg und grübelte. „Wie kommt es überhaupt, dass Dad dir das Haus überlassen hat? Sagtest du nicht, er hätte dich rausgeworfen?“ „Er hat es mir nicht freiwillig gegeben.“ Fragend zog Syndia eine Augenbraue hoch. „Nicht freiwillig?“ Eine kurze Stille trat ein, ehe Severus zu erzählen begann: „Nachdem er mich rausgeschmissen hat, bin ich zum dunklen Lord gegangen. Irgendwann kam ich mit ein paar Todessern nach Spinners End zurück, doch er schien schon damit gerechnet zu haben. Noch bevor wir das Haus betreten hatten, war er schon am Fliehen. Ich habe keine Ahnung wo er jetzt ist, aber ich hoffe, dass er in irgendeiner Gasse verrottet.“ Severus legte zum Schluss immer mehr Hass in seine Stimme, was Syndia Sorgen bereitete. „Und warum hast du die Todesser auf ihn angesetzt?“ Die Hexe wartete, doch ihr Bruder schwieg stur, sodass sie seufzend zu ihm herüber kam. „Sev, ich habe das Gefühl, dass mir irgendwas entgangen ist. Irgendetwas ist doch vorgefallen, was dich so... hat werden lassen.“ Verächtlich schnaufte Severus auf, sagte jedoch immer noch nichts, sondern sah nur zum Kamin. „Was ist nach Mums Tod passiert?“ „Er fing an zu saufen, das ist passiert“, murrte Severus. „Und er hat seinen gesamten Frust und seine Streitlust an mir ausgelassen, die sich zu der Schulzeit anstaute, da Mum nicht mehr zum Streiten zur Verfügung stand.“ Syndia musterte ihren Bruder genau. „Wurde er handgreiflich?“ „Natürlich wurde er das.“ ----------------   2: Rowling, Joanne K. (2007): Harry Potter und die Heiligtümer des Todes. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.671/672; S.678-680; S.682; S.683. Kapitel 29: Verhängnisvolles Duell ---------------------------------- „Natürlich wurde er das“, murrte Severus so neutral wie möglich, doch Syndia kannte ihn. „Und deshalb wurdest du zum Todesser, nicht wahr? Deswegen hast du trotz deiner Versöhnung mit Lily doch noch diesen Weg gewählt. Warum hast du das nie jemandem gesagt? Du hättest zu den Behörden gehen sollen.“ „Ich hätte dann alles erzählen müssen und ich wollte mein Gesicht wahren“, erwiderte Severus sofort. Man konnte heraushören, dass er sehr lange, vielleicht sogar Jahre über diese Frage nachgedacht hatte und letztlich endgültig zu dieser Antwort gekommen war. Seufzend ergänzte er etwas ruhiger: „Ich bin irgendwann weggelaufen und einfach den Rest der Ferien bei Lilys Eltern untergekommen.“ „Sie wussten davon?“ „Nichts genaues. Lily wusste als einzige Bescheid.“ Beide schwiegen eine Weile. Also hatte Harry Recht gehabt. Syndia hockte sich hin und suchte nach Worten. Sie machte sich Vorwürfe, dass sie damals ihren Bruder zurückgelassen hatte, ohne über mögliche Konsequenzen nachzudenken. Ihr Unbehagen bei diesem Gedanken war ihr deutlich anzusehen. „Sev, ich...“, begann sie zögerlich, „es war nicht meine Absicht, dich dem alleine auszusetzen. Ich hätte nicht gedacht, dass Dad so weit gehen würde...“ „Spare dir deine Entschuldigungen“, unterbrach Severus sie bitter. „Damit kannst du die Vergangenheit auch nicht ändern. Passiert ist passiert.“ Damit stand der Tränkemeister hastig auf und wandte sich zur Tür, die in seine Privaträume führte. „Sev“, hielt Syndia ihn nochmals auf, doch als dieser sie ansah, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sein Blick war weder anklagend noch wütend, sondern distanziert und beinahe emotionslos und das ließ Syndia die Worte im Hals stecken bleiben. Sie fühlte sich so schuldig. Er war ihr kleiner Bruder, sie hätte ihn beschützen können. Auch wenn er zu der Zeit noch nicht hatte zaubern dürfen, sie hätte es gedurft. Und vielleicht hätte ihr Vater sich nicht einmal getraut die Hand zu erheben, wenn sie zu zweit gewesen wären. Erst jetzt verstand sie die Ausmaße der Zerstörung, die sie mit ihrem Verschwinden hinterlassen hatte. Ihre Mutter tot, sie selbst verschollen und ihr Vater ein brutaler Säufer. „Es ist schon gut, Syndia“, murmelte Severus ruhig in die drückende Stille hinein. „Ich bin nicht dran gestorben. Und so konnte er dir wenigstens nichts tun.“ Damit verließ er den Raum.   Gähnend schlurfte Harry am Samstagmorgen Richtung Kerker. Wenn er es schaffte in diesem Halbschlaf zu bleiben, würde er das Nachsitzen vielleicht ohne Streit überstehen. Vor Snapes Büro angekommen klopfte er an und sogleich wurde ihm geöffnet. Erstaunt stellte er fest, dass auch Luca anwesend war. Er musste Snapes Büro wieder aufräumen, während Harry Frösche ausnahm. Der Slytherin genoss es sichtlich sie beide mit finsteren Blicken und spitzen Kommentaren bombardieren zu können und während Harry sich inzwischen die Zunge blutig biss, konnte Luca seine Wut erstaunlich gut in Zaum halten. So verging der Vormittag und nach vielen Stunden verließen Harry und Luca gnatschig das Büro und liefen Richtung Eingangshalle. „Ich verhungere gleich“, sagte der jüngere nach mehreren Minuten des Schweigens. „Mir ist der Appetit vergangen“, erwiderte Harry noch immer grummelnd. In der Eingangshalle angekommen betrachtete Luca durch das Fenster die Schneelandschaft. „Wollen wir uns nachher draußen treffen und wieder einen Schneemann bauen?“, fragte er nun etwas munterer. Eigentlich hatte der Gryffindor gerade keine Lust irgendetwas zu machen, aber Luca sah ihn mit großen Augen fragend an. Harry war bewusst, dass Luca ständig alleine durchs Schloss schlich und offenbar nur bei ihm Anschluss fand. „Ich frage mal die anderen“, antwortete er also und fröhlich hopste der Junge davon. „Dann bis nachher“, rief er noch, ehe er um die Ecke verschwunden war. Ächzend schleppte Harry sich zum Gryffindorturm hoch und überlegte, sich nochmal für ein bis zwei Stunden schlafen zu legen.   Am Nachmittag also gingen Harry, Ron, Hermine und Luca nach draußen, um einen Schneemann zu bauen. Zum Schluss verpasste Hermine dem Schneemann noch die Nase und ein paar Schritte zurücktretend, betrachteten sie ihr Werk. Dann griff Luca schnell nach dem Schnee und begann Harry abzuwerfen und noch bevor dieser reagieren konnte, ging Luca schon lachend in Deckung. In Null Komma nichts war eine Schneeballschlacht zwischen den Vieren ausgebrochen. Sie jagten über das halbe Gelände, doch irgendwann blieb Harry stehen statt Luca weiter zu folgen, der vor ihm herrannte. „Luca, komm zurück!“, rief er alarmiert, denn der Junge kam gefährlich nah an die peitschende Weide heran. „Komm doch und hol mich!“, hatte Luca den Befehl missverstanden und rannte fröhlich lachend weiter. „Verdammt!“, murmelte Harry und spurtete los. „Luca, das ist gefährlich!“, rief nun auch Hermine und lief Harry hinterher. „Wieso?“, war Luca nun doch irritiert stehen geblieben. Doch da reagierte bereits der große Baum und ein gefährliches Knacken war zu hören. Langsam drehte sich der Junge um und schien zu geschockt zu sein, um sich bewegen zu können. „Luca, duck dich!“, rief Harry erneut und rannte so schnell er konnte. Seine Lunge protestierte bei dieser kalten Luft, doch er zwang sich alles zu geben. Wäre der blöde Schnee nicht so hoch, könnte er viel schneller laufen. Die Weide holte mit einem kräftigen Ast aus und schleuderte ihn auf Luca zu, der nun doch wieder erwachte und sich zu Boden fallen ließ. Nur wenige Zentimeter sauste der kahle Ast über ihn hinweg. Hermine versuchte die Knolle am Fuß des Baumes mit einem Zauber zu treffen, aber sie kam nicht dicht genug heran. Harry ging duckend auf Luca zu, doch kurz vor ihm traf ihn ein heftiger Hieb in die Seite und er wurde zwei Meter durch die Luft geschleudert. Ächzend hielt der Gryffindor sich die Seite. „Krabbel wieder zurück!“, rief Hermine Luca zu, welcher es sogleich versuchte. Dennoch musste er höllisch aufpassen, nicht von irgendwelchen Ästen erwischt zu werden. Harry hatte sich wieder erholt und versucht erneut zu Luca zu kommen. Im Augenwinkel sah er Ron, der immer näher kam. „Komm, schnell!“, war er bald in Reichweite von Luca und reichte ihm seine Hand. Da sah Harry einen weiteren Stamm auf die beiden zusausen. „Duck dich, Ron!“ Ron reagierte schnell und konnte um Haaresbreite ausweichen. Danach rappelte er sich schnell wieder auf und zog Luca hinter sich her. Dieser war noch immer geschockt und sah sich hektisch nach weiteren Angriffen um. Harry war zu sehr damit beschäftigt auszuweichen, als das er hätte zurückgehen können. Als sich der halbe Baum auf ihn stürzen wollte, erwischte Hermine endlich den Knoten und die Weide beruhigte sich. „Alles in Ordnung?“, fragte die junge Hexe in die Runde. Harry rappelte sich auf und keuchte: „Ich denke schon.“ „Was... war das?“, fragte Luca mit weit aufgerissenen Augen und starrte den Baum an. „Das ist die peitschende Weide“, erklärte Hermine. „Sie wurde gepflanzt, um einen geheimen Tunnel zu beschützen. Siehst du das Loch da? Das ist der Eingang.“ „Wenn ich jetzt nicht so erschrocken wäre, wäre ich davon begeistert“, meinte Luca trocken und erholte sich langsam vom Schreck. „Ist noch alles dran?“, fragte Harry ihn nochmal und Luca nickte. „Ich bin okay.“ „Vielleicht sollten wir reingehen“, schlug Hermine vor. „Schnappen wir uns einen warmen Kakao und erholen uns von dem Schreck.“ Stumm wurde ihr von allen zugestimmt und sie stapften zum Schloss. Beim Betreten der Eingangshalle freute sich Harry wieder einmal darüber keine Brille mehr zu tragen, die jetzt beschlagen wäre. Die Leute ohne Sehschwäche wussten gar nicht, wie gut sie es hatten.   Weitere Schulwochen vergingen und draußen wurde es wieder wärmer. Der Schnee verschwand und die Sonne gab den Schülern von Hogwarts neue Energie. Viel mehr Aufregung verursachte jedoch Katie, als sie eines Tages einfach in der Großen Halle zum Mittagessen auftauchte. Sofort wurde sie von ihren Mitschülern umringt und ausgefragt. Auch Harry war neugierig, aber er wollte sich nicht sofort aufdrängen. Er wusste zu genau wie es war, wenn man nach einer abenteuerlichen Geschichte angeschlagen zurückkam. Doch noch etwas anderes zog Harrys Aufmerksamkeit auf sich. Kurz stupste er Hermine mit dem Ellenbogen an und nickte zu Malfoy herüber. Dieser war totenblass geworden, stand hastig auf und wäre beim Verlassen der Halle fast hingefallen. „Da hast du den Beweis“, murmelte der Grünäugige seiner Freundin zu, die nachdenklich auf ihrer Unterlippe kaute. Der Gryffindor erhob sich ebenfalls, mit der Absicht Malfoy zu folgen, doch Hermine hielt ihn am Ärmel zurück. „Harry, nicht“, meinte sie leise. „Es ist so wenig in den Gängen los, dass er dich eh bemerken würde.“ „Hermine, ich muss wissen wo er hingeht!“, erwiderte Harry verärgert und befreite sich aus ihrem Griff. Eiligst lief er Richtung Ausgang und musste sich dabei durch die Schülerschar quetschen, die Katie umringte. Vor der Tür sah er sich um, doch von Malfoy war nichts zu sehen. Aus seiner Tasche holte er die Karte der Rumtreiber heraus und suchte die Korridore ab. Zuerst dachte Harry, dass Malfoy in den Slytherinsälen war, aber dann sah er den Punkt bei den Toiletten. Die Karte wegsteckend rannte der Gryffindor die Treppe rauf. Vor der Tür blieb er kurz stehen, um seinen Atem zu beruhigen und öffnete sie dann leise. Malfoy stand vor einem Waschbecken und hielt den Kopf gesenkt, während die Maulende Myrte um ihn herum schwebte. „Lass mich dir helfen“, sagte sie gerade in einem tröstenden Tonfall. |„Mir kann keiner helfen“, jammerte der Blonde und Harry hörte heraus, dass er weinte. Verdutzt stand Harry da wie angewurzelt. „Ich kann es nicht tun...“, schluchzte Malfoy. „Ich kann nicht... es wird nicht funktionieren... und wenn ich es nicht bald mache... dann will er mich umbringen...“|² Harry schluckte. Er sprach eindeutig von Voldemort. Und tatsächlich empfand der Grünäugige gerade Mitleid für seinen Mitschüler. Vergessen war, was Malfoy dunkles plante, vergessen, dass er sich der anderen Seite angeschlossen hatte. Jetzt gerade war er nur ein Opfer Voldemorts. In dem Moment sah Malfoy zum Spiegel auf und sah mit Entsetzen Harry darin. Harry wollte gerade ansetzen etwas zu sagen, doch da hatte der Blonde sich schon umgedreht und den Zauberstab auf seinen Gegenüber gerichtet. Harry zog seinen eigenen und konnte gerade noch dem Fluch entkommen, der ihm entgegengeschleudert wurde. „Verdammt Malfoy!“, rief er, „Ich will doch gar nicht...“ Doch da kam bereits der nächste Fluch. Harry hatte keine Wahl, er musste kämpfen. Also schickte er ebenfalls Zauber in Malfoys Richtung und ging in Deckung. Myrte fing an zu kreischen und verlangte von den beiden aufzuhören, doch sie stieß auf taube Ohren. Bei ihrem Duell zerstörten die beiden die gesamte Einrichtung des Raumes und der Boden war bereits überflutet. Malfoy setzte zu einem Cruciatus an und da schaltete Harrys Hirn ab. „Sectumsempra!“, rief er und Malfoys Körper wurde aufgeschlitzt. Blut spritzte umher und der Slytherin sackte zitternd zu Boden. Myrte schrie noch lauter und Harry riss entsetzt die Augen auf. |„Nein“, murmelte er geschockt und eilte zu Malfoy, um sich neben ihn zu knien. „Nein“, wiederholte er und sah hilflos auf den anderen herab, der haltlos zitterte und dabei immer mehr Blut aus seinen Wunden trat. „Das habe ich nicht gewollt!“ „MORD! MORD!“, schrie Myrte und endlich reagierte jemand.|² Die Tür wurde aufgerissen und darin stand Snape. Sofort kam er herübergeeilt, schubste Harry grob beiseite und beugte sich über Malfoy. Während Snape mit gesangähnlichen Zaubern begann, kauerte der Gryffindor nur daneben und starrte auf Malfoy. Was hatte er getan? Und was war das überhaupt, woher kannte er diesen Zauber? Er biss sich auf die Unterlippe und betete, dass Snape den Blonden retten könne. Nach einer Weile begannen sich die Wunden zu schließen und der Grünäugige atmete auf. Schließlich half der Tränkemeister seinem Schüler auf. |„Sie müssen sofort in den Krankenflügel. Vielleicht werden Narben zurück bleiben, aber wenn Sie sofort Diptam nehmen, könnte selbst das verhindert werden“, murmelte der Tränkemeister und stützte seinen Schüler, während sie den Raum verließen. Harry konnte nicht ganz erfassen, was gesagt wurde, der Schock saß zu tief. An der Tür drehte sich der Professor nochmal um und sagte zu Harry: „Sie warten hier auf mich.“|² Harry reagierte sehr langsam. Warten. Er sollte warten. Okay. Neben ihm jammerte Myrte noch weiter vor sich hin und wurde immer lauter, doch er konnte ihr nicht sagen, dass sie aufhören sollte. Der Gryffindor sah an sich herab. Er war von oben bis unten von Wasser und Blut durchnässt. Es war nicht das erste Mal, dass er aussah, als hätte er jemanden ermordet, doch dieses Mal war es fast so gewesen. Er hätte beinahe Malfoy getötet. Nach einigen Minuten betrat Snape mit ernster Miene den Raum, schloss die Tür und befahl Myrte sich zu verziehen. Ohne Widerrede verschwand der Geist und eine unheimliche Stille legte sich über die beiden. |„Ich... hab das nicht gewollt“, murmelte Harry und wagte es kaum, dem anderen in die Augen zu sehen. „Üben wir also heimlich schwarze Zauber, Potter?“, kniff Snape feindselig die Augen zusammen. „Ich habe Sie wohl unterschätzt. Wer hat Ihnen das beigebracht und was für Zauber können Sie noch?“|² „Ich weiß nicht woher ich den Zauber habe.“ „Lügner.“ „Es ist wirklich so“, sah Harry nun doch auf. „So etwas vergisst man doch nicht, Potter!“, wurde der Tränkemeister lauter. „Ich... ich weiß nicht...“, überlegte Harry fieberhaft, zumindest so gut, wie es in der Situation ging. Woher kannte er den Zauber? Vor Harrys Augen begannen Bilder zu flackern und er erkannte, dass Snape ihn gerade las. Zuerst wollte er sich wehren, doch dann ließ er es einfach zu. Er konnte ja eh nichts dagegen ausrichten und zu verbergen hatte er in diesem Fall auch nichts. Snape schien nicht das zu finden was er suchte und brach ab, offensichtlich verdutzt, dass der Gryffindor die Wahrheit sagte. Wie sollte er auch etwas finden woran Harry sich selbst nicht mehr erinnerte? „Sie müssen doch wohl wissen, wo Sie diesen Zauber her haben!“, brüllte Snape. „Denken Sie nach, Potter! Auch wenn Ihnen so etwas nicht liegt.“ Ein wütendes Glitzern trat in Harrys Blick und er erhob sich. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke. „Ihre Erinnerungen“, murmelte er. „Wie bitte?“ „Ich glaube... ja, Sie haben den Zauber benutzt. Ich habe es in Ihren Erinnerungen gesehen“, stellte Harry fest. „Meine...?“, setzte der Tränkemeister an, doch dann schien er sich zu erinnern. Mit wenigen Schritten war er bei Harry angekommen, packte ihn beim Kragen und keifte los: „Sie benutzen einfach einen Zauber, den ich bei den Todessern verwendet habe?! Sie wussten doch noch nicht einmal was er bewirkt!“ „Ich habe ihn nicht bewusst gewählt!“, rief Harry verteidigend zurück. „Man wählt doch nicht völlig gedankenlos einen Zauber aus! Da denkt man sich schon was bei!“ „Ich habe aber eben nicht gedacht!“, wurde der Gryffindor immer wütender und verzweifelter. „Er wollte mir einen Cruciatus verpassen, da habe ich instinktiv gehandelt!“ „Instinktiv handelt man anders! Verdammt Potter, Sie hätten ihn fast umgebracht!“ „ICH WEIß!“, schrie Harry und eine kurze Stille trat ein, in der sich die beiden anstarrten und der Hall von Harrys Worten an den Wänden abklang. Langsam ließ Snape seinen Schüler wieder los, der seinem durchdringenden Blick nicht mehr lange standhielt. Harry wusste nun überhaupt nichts mehr. Er war sauer, geschockt, aufgewühlt und alles zugleich, sodass er nicht wusste wie er sich geben sollte. „Ich hab ihn gesehen, ich weiß es“, setzte er mit zitternder Stimme und wesentlich leiser hinzu. Am liebsten hätte er sich jetzt in die Ecke gesetzt und wäre alleine gewesen, doch Snapes Blick blieb hart, obwohl er Harrys Zerrissenheit bemerkte. „Gerade Sie können es sich nicht leisten sich gedankenlos zu duellieren“, murrte der Tränkemeister mit zusammengebissenen Zähnen. „Bisher hatte es mir das Leben gerettet“, erläuterte der Gryffindor kleinlaut. „Und da sieht man wieder, wie falsch der Begriff des Helden bei Ihnen gewählt worden ist. So zu handeln ist einfach nur dumm!“, fauchte der Slytherin kalt. „Sie haben nur pures Glück in Ihrem Leben, mehr nicht.“ „Ich habe nie etwas anderes behauptet“, erwiderte Harry schwach. Die Augen zu Schlitzen geformt, musterte Snape seinen Gegenüber genau. „Machen Sie nur so weiter, Potter, irgendwann sind ihre Fehltritte nicht mehr entschuldbar. Das Thema ist noch nicht durch. Sie werden das restliche Schuljahr jeden Samstag bei mir nachsitzen“, knurrte der Slytherin und ging zur Tür. „Ihre Hauslehrerin wird sicherlich auch nochmal mit Ihnen sprechen wollen.“ Damit fiel die Tür hinter ihm zu.   In der Schule hatte sich schnell herumgesprochen was passiert war, zumal ihn jeder anstarrte, als er mit den blutgetränkten Klamotten zum Gryffindorturm lief. Hermine und Ron wollten sofort erfahren, was geschehen war und unwillig berichtete Harry ihnen alles, nachdem er sich umgezogen hatte. „Oh Harry...“, seufzte Hermine, halb vorwurfsvoll, halb mitleidig. „Jaja, ich weiß“, murrte der Schwarzhaarige schlecht gelaunt und starrte ins Feuer. „Ich musste ja wieder irgendwie Mist bauen.“ Aufmunternd erwiderte Ron: „Aber wenigstens wissen wir jetzt zu hundert Prozent, dass Malfoy wirklich ein Todesser geworden ist und hinter dem Vorfall mit Katie steckt.“ „Habt ihr inzwischen mit ihr gesprochen?“, fragte Harry nach und strich sich über die Augen. „Ja haben wir“, antwortete Hermine. „Ihre Erinnerungen an den Vorfall sind allerdings gelöscht worden. Sie erinnert sich nur noch daran, wie sie die Tür zur Damentoilette aufgestoßen hat.“ „Apropos“, fiel Hermine etwas ein und wandte sich an Harry. „Meinst du Snape wird dich Samstag den ganzen Tag festhalten oder wirst du danach noch Zeit haben mit nach Hogsmeade zu kommen?“ Die Schultern hochziehend antwortete der Schwarzhaarige: „Ich soll da schon früh morgens kommen. Er kann mich ja schlecht bis zum Abend dabehalten.“ „Na sag das mal nicht zu laut“, murmelte der Rothaarige. „Das wird schon klappen“, winkte Harry ab. „Was mir größere Bauchschmerzen macht, ist die kommende Standpauke von McGonagall.“ Und tatsächlich wurde es ein langer Vortrag. Die ersten 10 Minuten schimpfte Professor McGonagall nur auf ihn ein ohne Luft zu holen und redete davon, dass er Glück hatte nicht von der Schule zu fliegen. „Und die angesetzte Strafe von Professor Snape unterstütze ich voll und ganz“, ergänzte sie. Irgendwann durfte Harry endlich gehen, nur um im Flur von seinen Kameraden finster angestarrt zu werden. Doch der Gryffindor tat das, was er bisher jedes Schuljahr machen musste: Er ignorierte die anderen. Eine gute Ablenkung war zudem die nächste Unterrichtsstunde bei Dumbledore, die kurzfristig angekündigt wurde. Zu Harrys Erleichterung sprach der Schulleiter nicht über den Vorfall, sondern machte gleich mit den Erinnerungen weiter. Harry sah Voldemort in jungen Jahren, wie er seinen Onkel Morfin besuchte und ihm den Mord an den Riddles anhängte. Vorlost selbst war bereits tot und Morfin verbrachte den Rest seines elenden Lebens in Askaban. Vorher jedoch stahl Riddle Morfin noch den Ring von Slytherin. Danach kam eine Erinnerung von einem ehemaligen Zaubertranklehrer namens Horace Slughorn. Er hatte einige Schüler bei sich versammelt, unter ihnen auch den damaligen Schüler Tom Riddle. Allerdings war die Erinnerung verwirrend, denn zweimal kam dichter Nebel auf und nur Slughorns Stimme war zu hören. Doch die Worte, die er sprach, schien keinerlei Regung bei den anderen auszulösen und es wirkte ein wenig unpassend. |„Sie werden auf die schiefe Bahn geraten, Junge, denken Sie an meine Worte.“|³ |„Ich weiß nichts über Horkruxe, und wenn, würde ich es Ihnen nicht sagen! Und nun sofort raus hier, und wehe, Sie erwähnen sie noch einmal!“|³ Dann war die Erinnerung vorbei und Harry landete wieder in Dumbledores Büro. „Was war das denn?“, fragte er irritiert nach. „Du hast also bemerkt, dass etwas an der Erinnerung nicht stimmt“, stellte Dumbledore ruhig fest. Harry fragte weiter: „Was... was war das für ein Nebel und warum hat den keiner bemerkt?“ „Dieser Nebel, Harry“, erklärte der Schulleiter und legte die Fingerspitzen aneinander, „kommt daher, dass Horace seine Erinnerung bearbeitet hat, um vor mir zu verheimlichen, was wirklich geschehen ist. Wahrscheinlich schämt er sich für das, was er getan hat. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass das die wichtigste Erinnerung von allen ist, die ich je gesammelt habe.“ „Und... wie wollen Sie an die richtige Erinnerung herankommen?“ „Das ist etwas, woran ich zur Zeit arbeite“, erwiderte der Direktor. „Es kostet sehr viel Zeit und Nerven, aber es ist zu wichtig, um aufzugeben.“ „Sir...“, begann der Gryffindor zögerlich. „Was... was ist ein Horkrux?“ „Das erkläre ich dir, wenn es so weit ist“, wimmelte Dumbledore ihn ab und sah über seine Halbmondbrille hinweg. Harry nickte kurz und bemühte sich, nicht weiter zu diskutieren. Für seinen Geschmack waren es inzwischen zu viele Dinge, die Dumbledore ihm später sagen wollte. „Ich denke, es reicht für heute. Du solltest bei all den Terminen und dem Nachsitzen nicht auch noch an Schlafmangel leiden“, wollte Dumbledore das Gespräch beenden, doch Harry lag noch etwas auf der Zunge, was er los werden wollte. „Sir... ich denke, Sie haben von meinem... Duell mit Malfoy gehört...“, begann er vorsichtig. Dumbledore musterte ihn, bevor er sagte: „In der Tat, das habe ich.“ „Ich... ich habe dabei etwas herausgefunden, was ich schon länger vermutete, Sir.“ Der Schulleiter machte keine Anstalten etwas zu sagen, also fuhr Harry fort: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein Anhänger Voldemorts geworden ist und dass er hinter dem Angriff auf Katie steckt.“ Die Reaktion, die Harry sich erhofft hatte, blieb leider aus. Dumbledore sah ihn immer noch weiter an, als sei diese Information für ihn nichts neues. „Weißt du ,Harry“, begann er ruhig, „du bist nicht der Einzige, der sich Gedanken über diesen Vorfall gemacht hat. Ehrlich gesagt glaube ich, darüber besser informiert zu sein als du. Es ist gut, dass du mir deine Vermutung anvertraut hast, aber du kannst dir sicher sein, dass ich bereits meine Augen und Ohren offen halte.“ Mit dieser Antwort hatte Harry nicht gerechnet. Er war es nicht gewohnt, dass Dumbledore etwas so ablehnte. Irgendwie war der Gryffindor sogar beleidigt, immerhin stellte er hier keine unhaltbaren Vermutungen auf. „Sir, ich...“, begann er, doch Dumbledore unterbrach ihn. „Du brauchst dir darüber keine Gedanken machen, Harry. Und jetzt solltest du lieber gehen, es ist spät. Gute Nacht.“ Zögerlich stand Harry auf, verließ das Büro und grübelte auf dem Weg zum Gryffindorturm über alles. Wie konnte Dumbledore ihn nur so abblitzen lassen? -----------------   2: Vgl. Rowling, Joanne K. (2005): Harry Potter und der Halbblutprinz. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.526-529. 3: Rowling, Joanne K. (2005): Harry Potter und der Halbblutprinz. Hamburg: Carlsen Verlag GmbH. S.373; S.374. Kapitel 30: Der Flohmarkt ------------------------- Am Samstag Nachmittag stapfte Harry mit seinen beiden Freunden über das Schulgelände hinunter nach Hogsmeade und diskutierte mit ihnen darüber, was er bei Dumbledore erfahren hatte. Leider wusste nicht einmal Hermine, was Horkruxe waren und so spekulierten sie nur darüber, was Voldemort mit dieser Frage an Slughorn bezweckt hatte. Doch da unterbrach Ron die hitzige Diskussion. „Was ist denn hier los?“, fragte er erstaunt und alle drei sahen die Straße hinunter. Sie waren gerade in Hogsmeade angekommen und vor ihnen gab es ein großes Getummel auf der Straße. Dann erkannten sie, dass lange Tische in der Mitte längs des Hauptweges aufgestellt waren, worauf einiges an Gerümpel lag. „Sieht nach einem Flohmarkt aus“, stellte Hermine fest. „Na da haben wir das Wochenende ja mal gut abgepasst“, erfreute sich der Rothaarige an dem Spektakel und ging sogleich los, um sich die Sachen anzusehen. Seine beiden Freunde folgten ihm und sahen sich ebenfalls die teilweise wundersamen Gegenstände an. Das meiste davon war Besteck, Geschirr, Krüge oder Dekorationen. Einige Dinge jedoch waren magisch und wurden von den Besuchern gemustert. Ein Verkäufer war in der Masse nicht zu sehen. Harry hatte ein Taschenmesser entdeckt, welches dem von Sirius sehr ähnlich sah. Grübelnd drehte er es in der Hand und rang mit sich, ob er es kaufen sollte. Doch beim Umsehen konnte er noch immer keinen Verkäufer entdecken, also trug er es erst einmal mit sich, bis sich jemand finden würde. Die drei Gryffindors waren bereits einige Meter weiter gegangen, als Harry ein Gegenstand ins Auge fiel. Ein unscheinbarer Kelch, der halb hinter einem goldenen Teller versteckt war, kam ihm schrecklich bekannt vor. Dann fiel es ihm ein: Der Kelch sah genauso aus, wie der, von dem er schon das gesamte Schuljahr über träumte.   Gut gelaunt ging Syndia über die Wiese von Hogwarts Richtung Hogsmeade, in Begleitung ihres mürrischen Bruders. Genüsslich sog sie die Luft ein, denn endlich hatte der Frühling begonnen und es roch nach frischem Grün. „Jetzt sei doch mal besser gelaunt, Sev“, stupste sie Severus an, der nur ausdruckslos zu ihr sah. „Warum sollte ich es? Ich habe Potter schon den ganzen Morgen an der Backe gehabt, da will ich Nachmittags nicht auch noch auf ihn aufpassen müssen.“ „Genieß es doch einfach mal ein wenig rauszukommen“, ließ sich die Hexe nicht beirren. „Ich habe besseres zu tun“, murrte der Tränkemeister fröhlich weiter. „Außerdem kann Potter sehr gut auf sich selbst aufpassen. Passende Zauber beherrscht er jedenfalls, wie wir gerade feststellen durften.“ Syndia seufzte auf: „Ich dachte er hätte den Zauber bei dir aufgeschnappt. Ich bezweifle, dass er böse Absichten hatte.“ „Nimm ihn nur weiter in Schutz.“ Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als sie das Dorf betraten und verwundert stehen blieben. Es gab ein riesiges Gewusel auf den Straßen und da entdeckte Syndia die Tische. „Oh nein“, murmelte sie und auch Severus erkannte, was ihr solche Sorgen machte. „Der Kelch könnte hier überall sein“, sprach er leise und versuchte einen Überblick zu bekommen. „Schnell, wir müssen Harry finden“, wurde Syndia unruhig und die beiden liefen los. Etwas ruppig drängelten sie sich durch die Menschenmasse und versuchten entweder Harry oder den Kelch zu entdecken. Bei dem Gewusel war es jedoch schwer sich zu orientieren. „Kannst du nicht erahnen wo der Kelch ist?“, rief Severus seiner Schwester zu, während er sich durch die Massen drängelte. „Ich spüre ihn, aber...“, rief sie zurück, doch weiter kam sie nicht. Sie konnte ihn tatsächlich besser spüren und sah am Tisch entlang und da entdeckte sie ihn. Harry stand bereits davor, hatte den Kelch entdeckt und streckte die Hand nach ihm aus. „Sev!“, schrie Syndia panisch und deutete dem Schwarzhaarigen, wo Harry war. Der Tränkemeister schubste die Leute unwirsch beiseite, um sich zum Gryffindor vorzukämpfen. Auch Syndia drängelte sich voran, doch Severus war dichter dran als sie. „Potter!“, rief Severus als er dicht genug dran war und wollte gerade Harrys Hand vom Kelch wegschlagen, als sie beide plötzlich verschwanden. „NEIN!“, schrie Syndia geschockt und die Menschen um sie herum starrten sie verwirrt an. Einigen war das Verschwinden der beiden auch aufgefallen, waren jedoch nur verwirrt und dachten sich nichts weiter. Nur Hermine und Ron schauten auf die Stelle, wo Harry verschwunden war und wussten nicht, was sie davon halten sollten. Syndia war nicht in der Lage sich zu bewegen, zu sehr stand sie unter Schock. Sie fühlte sich als sei sie zu Eis gefroren, sodass ihr Körper taub und ihre Gedanken langsam waren. Sie hatte versagt. Sie waren fort. Harry und Severus, sie waren beide gerade nach Necrandolas gereist. Syndia stützte sich am langen Tisch ab und versuchte sich zu sammeln. Sie würde ihren Bruder nie wieder sehen. Sie musste sich damit abfinden, dass die beiden... so gut wie tot waren. Übelkeit kroch in ihr hoch und sie schluckte hart, um sich zusammenzureißen und ihr Zittern in den Griff zu bekommen. „Professor?“, wurde Syndia aus ihren Gedanken gerissen. Neben ihr standen Ron und Hermine und sahen sie fragend und zugleich besorgt an. Da fiel der Hexe auf, dass sie mit ihrer Energie die Gegenstände wackeln ließ. Inzwischen hatten die anderen Hexen und Zauberer Abstand zu ihr genommen und musterten sie verunsichert. Sich aufrichtend, versuchte Syndia sich zu sammeln und wandte sich ihren beiden Schülern zu. „Folgen Sie mir“, murmelte sie kaum hörbar und ging Richtung Schloss. Unsicher sahen sich Ron und Hermine an und folgten ihrer Lehrerin. Sie spürten, dass etwas gewaltig nicht stimmte und bekamen langsam Angst. Den Zauberstab mit ihrer schwachen, zitternden Hand schwingend, schickte die Lehrerin ihren Patronus vor, der sich in die Lüfte erhob und eiligst davonflatterte. Hermine musterte ihn genauer. Es sah fast aus wie ein Bussard, sicher war sie sich jedoch nicht. „Professor“, versuchte sie es nochmal vorsichtig. „Was ist da gerade passiert? Wo sind Harry und Professor Snape?“ „Nicht hier darüber reden“, murmelte Syndia wie betäubt und entdeckte in dem Moment Professor McGonagall, die vom Schloss her kam. „Minerva“, kam sie ihr entgegen und McGonagall blieb stehen. „Könntest du mir einen Gefallen tun? Finde bitte heraus, wer diesen Flohmarkt veranstaltet hat.“ „Wieso, ist etwas passiert?“, fragte diese irritiert nach und sah, wie blass ihre Kollegin war. „Ist alles in Ordnung?“ In Syndias Gesicht zeigte sich ein nervöses Zucken, bevor sie kratzig antwortete: „Nein. Komm nachher zu Dumbledore, dann erfährst du alles.“ McGonagall wusste zwar noch immer nicht, was los war, doch sie nickte. „In Ordnung. Ich kümmere mich darum.“ „Danke“, murmelte Syndia und ging weiter zum Schloss hinauf. Schweigend begleiteten die beiden Gryffindors ihre Lehrerin bis zum Büro des Schulleiters. Jetzt wurden sie richtig nervös. Dumbledore schien sie bereits zu erwarten, denn die Tür oben an der Treppe schwang auf, ohne das Syndia etwas tun musste und im Büro stand Dumbledore mit ernster Miene hinter seinem Schreibtisch. „Syndia, erklären Sie mir genau was passiert ist“, sprach er ruhig jedoch ebenfalls etwas steif. Ron und Hermine lauschten gespannt, während Syndia mit zitternder Stimme erzählte, was passiert war. „Necrandolas?“, fragte Ron nach. „Was ist das?“ Syndia wagte es nicht zu sprechen und so ergriff Dumbledore das Wort. „Necrandolas ist ein uraltes, unterirdisches Labyrinth, das als Gefängnis für Schwerverbrecher genutzt wurde. Dort unten leben alte Kreaturen und sollen die Gefangenen daran hindern, den einzigen Ausgang zu finden. Von außen ist es unmöglich den Ausgang zu öffnen oder ohne einen Portschlüssel in die Grotte zu gelangen.“ Eine kurze Stille entstand, in der die beiden Gryffindors den Direktor anstarrten, während sie vergeblich versuchten den Schock zu überwinden. Nur langsam drang zu ihnen hindurch, was die Worte zu bedeuten hatten. Harry war in einem Labyrinth mit gefährlichen Kreaturen und sie konnten ihm nicht helfen, sie konnten nicht zu ihm. „A-Aber es gibt einen Ausgang“, begann Hermine und versuchte sich damit Mut zu machen. „Sie könnten zum Ausgang gehen und wieder herauskommen. Harry ist bereits im Trimagischen Turnier durch ein Labyrinth geirrt.“ „Es ist noch nie jemand wieder lebend herausgekommen“, flüsterte Syndia fast, noch immer vor Schock in sich gekehrt. Ron schluckte und sah die ebenfalls fassungslose Hermine an. „Dann wird es Zeit, dass jemand es schafft“, lächelte Dumbledore aufmunternd, schien jedoch selbst nicht ganz an seine Worte zu glauben. „Die beiden sind nicht als Verbrecher dort hingeschickt worden. Es wird gesagt, dass nur jemand, der reinen Herzens ist, den Ausgang öffnen kann. Ihre Unschuld wird den beiden von Nutzen sein. Außerdem hat Harry bisher jede Herausforderung gemeistert.“ „Aber...“, begann Syndia und hatte nun Tränen in den Augen, „Selbst wenn das mit dem Zauber stimmt... Severus war ein Todesser. Warum sollte Necrandolas ihn verschonen?“ Erschöpft zitternd ließ sie sich in den Sessel sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Auch auf Ron und Hermine wollten Dumbledores Aufmunterungen nicht so wirklich wirken. Hermine ließ sich geschockt in den anderen Sessel fallen und Ron setzte sich auf die Lehne, um seine Freundin dann in den Arm zu nehmen. Also sollten sie Harry aufgeben? Sollten sie ihn für tot erklären?   Völlig verblüfft darüber, dass der Kelch ein Portschlüssel war, taumelte Harry kurz, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Den hatte er doch, oder? Denn zu sehen war nichts, es war stockdunkel. Dann jedoch bemerkte er, dass jemand neben ihm stand. Snape. „Das ist jetzt nicht wahr...“, murmelte dieser und auf einmal wurde Harry von Snapes Zauberstab geblendet. Die beiden sahen sich im Schein des Zauberstabes um. Sie waren in einem Tunnel gelandet. Ein kalter, dunkler, steinerner Tunnel. In der Ferne konnte man Wasser tropfen hören, das einzige Geräusch überhaupt. Hinter sich sah Harry einen riesigen Haufen von Gegenständen und irritiert sah er auf den Kelch in seiner Hand. Waren das auch alles Portschlüssel? „Warum...“, knurrte Snape und schrie den verdutzten Harry dann an. „WARUM zum Geier musst du immer alles anfassen!!!! Verdammter Bengel!! Wirklich ganz große Leistung!! ICH GRATULIERE!! DIE GRÖßTE DUMMHEIT, DIE DU JE GEMACHT HAST!!!“ „Ich konnte nicht wissen, dass das ein Portschlüssel ist!“, schrie Harry verärgert zurück. Warum regte der Kerl sich so auf? Eine Falle zu Voldemort schien es nicht gewesen zu sein. Was konnte also groß schlimmes passieren? „Deshalb muss man noch lange nicht alles in die Hand nehmen! Miss Bell hätte für Sie doch eine Lehre sein müssen!!“ Erschöpft vom Wutausbruch lehnte Snape sich an die Wand und schien sich langsam zu beruhigen, allerdings auf eine seltsame Art. Harry wusste nicht, wie er dieses Verhalten interpretieren sollte. „Wo... wo sind wir?“, fragte er zögerlich nach, als der Slytherin eine Weile schwieg. „In unserem Grab“, murrte Snape, ließ sich an der Wand hinab sinken und raufte sich die Haare, das Gesicht dabei in den Armen versteckend. Das irritierte den Gryffindor noch wesentlich mehr. „Sie sollen mir keine Angst machen, sondern antworten.“ „Wozu? Wir werden eh bald sterben. Je eher desto besser“, kam es nur resigniert zurück. So langsam fand Harry das nicht mehr lustig. Snape verhielt sich untypisch und das gefiel dem Gryffindor überhaupt nicht. „Ich hatte gesagt, Sie sollen mir antworten“, versuchte Harry einen herrischeren Ton, um den alten Snape wieder herauszukitzeln. „Wie soll ich sonst wissen, warum Sie mich überhaupt anschreien?“ Der Tränkemeister seufzte, hob den Kopf, um ihn an die Wand zu lehnen und ließ seine Hände über die Knie baumeln. „Wir sind in Necrandolas, eine Grotte, aus der noch nie jemand wieder lebend herausgekommen ist. Der dunkle Lord hatte den Plan, Ihnen den letzten vorhandenen Portschlüssel dafür unterzujubeln und Sie damit endgültig loszuwerden. Syndia kam mit dem Auftrag nach Hogwarts genau das zu verhindern.“ Harry bekam große Augen und schluckte. „Wir... also... das ist eine Grotte aus der... man nicht mehr lebend herauskommt?“ „Es ist ein Labyrinth. Es wurde speziell für Verbrecher gebaut, vor über tausend Jahren. Nette kleine Haustiere gibt es hier im übrigen auch. Es gibt einen Ausgang, aber den hat bisher noch nie jemand geöffnet.“ „Dann...“, schaute Harry sich ratlos um. Er brauchte einen Moment, um die Informationen zu verarbeiten und den ersten Schock zu überwinden. Jetzt nur nicht panisch werden, kühlen Kopf bewahren. Das unangenehme Gefühl in der Brust durfte keine Oberhand gewinnen. „Dann sollten wir... doch den Ausgang suchen, oder?“ „Potter, haben Sie mir nicht zugehört?“, murrte der Slytherin genervt. „Es ist noch nie jemand hier herausgekommen.“ Der Gryffindor atmete durch. Natürlich war diese Botschaft angekommen und seine Gedanken rasten, obwohl die unterschwellige Panik sie gleichzeitig blockierte. Er zweifelte nicht an Snapes Worten, aber er wollte sich nicht wie er deprimiert hinsetzen und auf den Tod warten. Er ging die Fakten durch, um sich zu ordnen. Ein Labyrinth, das war wohl das geringste Problem. Kreaturen... das konnte schon problematischer werden. Ein Ausgang, das war die eine Hoffnung, an die er sich jetzt klammern musste. Es gab einen Ausgang. „Wenn es einen Ausgang gibt, müssen wir ihn finden“, erklärte er so ruhig und sachlich wie möglich. „Wir können wenigstens versuchen zu überleben.“ Snape sah noch immer ungerührt zu Harry auf und seinen Blick konnte der Gryffindor nicht deuten. Er schien über irgendetwas nachzudenken. Vielleicht wog er auch ihre Möglichkeiten ab. „Nach all Ihren kleinen Abenteuern scheinen Sie ziemlich davon überzeugt zu sein, dass Sie alles überleben, was, Potter?“, zog Snape die Schlussfolgerung. „Ich glaube eher, dass mein Wille mir überhaupt erst geholfen hat zu überleben“, erwiderte Harry ruhig. „Wir sollten es wenigstens versuchen.“ „Ohne Wasser werden wir keine drei Tage überleben.“ „Dann müssen wir uns eben welches suchen.“ Wieder sah Snape ihn abschätzend an und Harry fragte sich immer mehr, warum nicht auch Snape einen Anflug von Angst zeigte. Im Gegenteil, er schien vollkommen ruhig zu sein. „Wie kommt es, dass Sie noch nicht vor Panik im Kreis laufen, Potter? Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass wir hier elendig verrecken werden.“ „Und ich habe nicht vor hier zu verrecken!“ „Oh, und wenn der großartige Harry Potter etwas bestimmt, geschieht es auch, völlig egal wie viele Naturgesetze dabei gebrochen werden.“ Wütend erwiderte der Gryffindor: „Was soll ich denn Ihrer Meinung nach tun?! Mich neben Sie setzen und rumheulen?!“ Eine Weile sahen sie sich stumm an. Snape wusste, dass Harry seine Panik nur verbarg, doch Harry wurde aus Snape nicht schlau. Wollte er wirklich einfach hier sitzen bleiben und sterben? Warum war ihm keine Gefühlsregung anzusehen? „Machen Sie was sie wollen“, knurrte der Gryffindor. „Aber ich werde hier nicht bleiben.“ Damit verwendete Harry Lumos und entschied sich, dem Tunnel nach rechts zu folgen. „Warte“, meinte Snape nun doch, erhob sich und nahm die alten Portschlüssel in Augenschein. „Vielleicht ist hier etwas bei das wir gebrauchen können.“ Harry kehrte zurück und half Snape beim Durchwühlen der Sachen, doch eine Trinkflasche oder Waffe fanden sie leider nicht. Sie konnten eine Schüssel finden, die sie zusammen mit ihrem Kelch einsteckten. „Ich bin selber Schuld!“, grummelte der Slytherin vor sich hin, während er sich vom Stapel erhob. „Was musste ich auch wieder versuchen dein Leben zu retten. Ich hätte es einfach geschehen lassen sollen. Dann wärst du hier gelandet und ich könnte gemütlich in meiner Wohnung hocken. Mit einem schönen Whisky in der Hand.“ Das brachte Harry nur dazu die Augen zu verdrehen. Wahrscheinlich würde Snape es sogar feiern, dass er ihn endlich los wäre, doch einen Kommentar verkniff sich der Gryffindor. Dann marschierten sie los, schweigend. Beide wussten nicht, was auf sie zukam und so gingen sie langsam und leise, Angst davor, dass im Schatten irgendeine Kreatur auftauchen könnte. Harry folgte dem Plätschern, auch wenn er wusste, dass wahrscheinlich gerade beim Wasser irgendwelche Monster sein könnten, immerhin brauchten die auch was zu trinken. „Könnten wir nicht hoffen, dass die ganzen Viecher im Laufe der Jahrhunderte verhungert sind?“, wagte der Gryffindor zu hoffen. „Ist der Basilisk in der Kammer des Schreckens verhungert?“, stellte Snape trocken die Gegenfrage. Als Antwort ächzte Harry nur. Man wird doch wohl noch träumen dürfen. Eine ganze Weile schwiegen sie wieder und der Tunnel veränderte sich kein Stück. Wenn das wirklich ein Labyrinth war, musste doch irgendwann mal eine Abzweigung kommen. Oder waren diese Grotten so gigantisch? Als Harry ins Stolpern kam, riss ihn das aus seinen Gedanken. Um herauszufinden, was ihn da beinahe zu Fall gebracht hatte, leuchtete er den Boden ab und da lag tatsächlich etwas. Der Gryffindor schluckte und auch Snape wurde aufmerksam. Er bückte sich und hob das Etwas vom Boden auf, um es zu untersuchen. „Ist es das was ich denke?“, fragte Harry vorsichtig nach. „Ich schätze mal ein Oberschenkel“, musterte der Tränkemeister weiterhin den Knochen in seiner Hand. „Menschlich.“ „Na wunderbar“, murmelte der jüngere. Aber was hatte er erwartet? Er hatte den großen Haufen von Portschlüsseln gesehen. Jeder davon hatte mindestens einen Menschen hierher gebracht, der hier gestorben war. Wahrscheinlich würden sie noch auf viele Knochen oder sogar ganze Skelette stoßen. Der Tränkemeister beachtete den Knochen nicht weiter und stand wieder auf, um weiterzugehen. Während Harry ihm folgte, musterte er ihn unauffällig. Snape schien seine Stimmung ein wenig geändert zu haben. Er wirkte nicht mehr so hoffnungslos, sonst würde er ja auch nicht mit ihm durch die Gänge schleichen... oder? Es dauerte nicht lange da hatte Harry bereits jedes Zeitgefühl verloren. Liefen sie jetzt eine halbe Stunde? Vier Stunden? Einen ganzen Tag? Jedenfalls taten ihm langsam die Beine weh. „Sie wissen nicht zufällig, wie lange wir schon hier sind?“ Snape schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Uhr bei mir.“ „Was... Was wissen Sie noch über Necrandolas? Jede Information könnte doch wichtig sein. Zum Beispiel wie groß das hier ist.“ „Das weiß ich nicht“, antwortete der Slytherin ruhig. „Aber Syndia sagte, dass es ungewöhnlich lange gedauert hat das Labyrinth zu bauen. Und wo dir der Ausgang so wichtig ist: Er ist durch Zauber versiegelt, so dass er auch nicht von außen geöffnet werden kann. Nur wer 'reinen Herzens' ist, kann ihn öffnen.“ Kurz dachte Harry nach. „Also... sind wir in der Lage das Tor zu öffnen? Wie definiert sich denn ein reines Herz?“ „Weiß ich nicht“, antwortete Snape gereizt. „Aber ich hoffe sehr für dich, dass du dieses blöde Ding aufkriegst! Nur wegen dir sitze ich hier fest, dann kannst du gefälligst auch den Ausgang suchen.“ „Ich habe Sie nicht darum gebeten! Sie haben selbst gesagt, dass es Ihre Schuld ist“, fauchte Harry zurück. Mit einer schnellen Bewegung drehte Snape sich um und starrte seinen Gegenüber finster an. „Ach, also hätte ich nicht versuchen sollen dich zu retten? Wäre schön, wenn ich sowas früher zu hören kriegen würde! Ohne mich hättest du nicht einmal dein erstes Schuljahr überlebt!“ Murrend setzte Snape sich an die Wand gelehnt hin, offensichtlich mit der Absicht eine Pause einzulegen. „Warum rege ich mich überhaupt noch auf? Diese Arroganz müsste ich doch inzwischen gewohnt sein.“ Harry setzte sich ebenfalls, war jedoch sauer, weil Snape wieder mit den Vergleichen anfing. „Wollten Sie nicht aufhören mich mit meinem Vater zu vergleichen? Ich bin nicht so wie Sie mich sehen wollen.“ „Wenn du nicht so wärst wie ich denke, dann würden wir gar nicht erst hier sein! Du wärst gar nicht erst so dämlich gewesen, diesen blöden Kelch anzufassen.“ „Ich hatte den Kelch monatelang in meinen Träumen gesehen. Da wollte ich wissen, was es damit auf sich hat.“ „Und du bist nicht auf die Idee gekommen, dass der Dunkle Lord dir diese Träume geschickt hat, damit du eben diesen Kelch berührst?! Lernst du auch mal irgendwann aus deinen Fehlern?!“ „Ich hab...“, begann Harry zu erwidern, doch Snape deutete ihm still zu sein. Zuerst dachte Harry gar nicht daran, doch dann wurde ihm wieder bewusst, wo sie waren. Sein Tränkelehrer starrte an ihm vorbei in die Dunkelheit und das gefiel dem Gryffindor gar nicht. Langsam drehte er sich zu dieser Seite um und suchte nach dem, was Snapes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Zuerst konnte Harry nichts sehen, doch dann hörte er ein Schaben und so etwas wie... Schritte. Nur sanfter. Pfoten vielleicht. Dann ein Schnauben. Und dieses Schnauben klang nach einem großen Tier. Harrys Hände wurden schwitzig, doch er umklammerte fest seinen Zauberstab. Snape stand langsam und geräuschlos auf, aber der Schein der beiden Zauberstäbe hatte sie wahrscheinlich eh schon verraten. Sie löschen wollte Harry aber auch nicht. Dieses... Ding konnte sicherlich im Dunkeln sehen, sie aber nicht. Jetzt hörten sie ein Grummeln, eine Art Knurren mit einem seltsamen Echo. Waren da mehrere? Nun kam es näher, immer schneller. Harrys Herz schlug ihm bis zum Hals. Blitzschnell tauchte ein riesiger Hundekopf im Lichtschein auf, und da noch einer... Moment, drei Köpfe? Ein Cerberus! Kapitel 31: Versteckte Panik ---------------------------- Das Ungetüm stürzte sich auf die beiden, die schnell reagierten und sich zur Seite warfen. Snape schickte sofort einen Zauber los, doch der schien nichts zu bewirken. Stattdessen rannte der Hund jetzt auf Harry zu. Ein weiterer Zauber von Snape ließ das riesige Tier stolpern, sodass der Gryffindor genug Zeit hatte, um auszuweichen und ebenfalls einen Zauber zu versuchen, doch die Haut schien sehr dick zu sein. „Sie sind doch immer so scharf auf das Fach Verteidigung. Warum zeigen Sie mir nicht mal was?“, rief Harry seinem Lehrer zu und bemerkte erst hinterher, dass das ziemlich beleidigend ankommen könnte. „Wollen Sie frech werden, Potter?“, kam also als Antwort zurück. Dennoch führte der Slytherin einen Zauber aus, der den Cerberus aufheulen ließ. Anscheinend konnte er nichts mehr sehen und schlug wild um sich, wobei er Snape umstieß und gegen die Wand schleuderte. Harry musste etwas tun, sofort, doch seine Zauber bewirkten nichts, was also könnte er tun, um Snape zu unterstützen? Seine Gedanken wurden unterbrochen, als er einer der riesigen Pfoten ausweichen musste und auf die Seite fiel. Dabei spürte Harry etwas hartes am Brustkorb und irritiert durchsuchte er die Taschen seines Mantels. Das Messer! Er hatte das Messer vom Flohmarkt dabei. Mit einer neuen Idee rappelte Harry sich auf. Der Cerberus schlug noch immer blind um sich und Snape war damit beschäftigt nicht zertrampelt zu werden. Die Ablenkung ausnutzend, sprang Harry am Tier hoch und schaffte es tatsächlich sich am Bein hochzuhangeln. Etwas wackelig saß er nun auf einem der Nacken und klappte das Messer auf. Er zögerte, doch dann holte er kräftig aus und stach von hinten in den mittleren Kopf. Das Tier gab ein fürchterliches Gejaule von sich und Harry schloss kurz die Augen und bat gedanklich um Vergebung. Doch dann wurde er herum gerissen und ehe er sich versah, bohrten sich kräftige Zähne in seine Seite. Er schrie auf und erkannte, dass er sich halb im Maul des Ungetüms befand. Die Hand mit dem Messer befand sich im Maul, also schlug er es dem Tier in den Gaumen. Sofort wurde er losgelassen, fiel zwischen zwei Hälsen hinunter und landete unsanft auf dem Rücken genau vor den Pfoten des Cerberus. Noch ehe er wusste was geschah, schnappte Snape nach seiner Hand und stach somit das Messer in die Brust des Tieres. Das Jaulen nahm immer weiter zu und das Tier machte einige Schritte zurück. So gut wie es sich orientieren konnte, ergriff es die Flucht in die Richtung, aus der es gekommen war. Keuchend lagen die beiden da und sahen dem Cerberus hinterher, der noch eine ganze Weile zu hören war. Obwohl er gerade beinahe gefressen worden war, hatte Harry Mitleid mit dem Tier. „Warum hast du nicht gleich gesagt, dass du ein Messer hast?“, keuchte Snape neben ihm. „Ich hatte es vergessen“, erwiderte Harry mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen. Langsam stand der Slytherin auf und Harry wollte es ihm nachmachen, doch da schoss ihm der Schmerz durch den Brustkorb. Ächzend hielt er sich die Seite und sah auf die Bisswunden hinab. Der Pullover hatte sich bereits mit Blut vollgesogen. „Bleib liegen“, murmelte Snape, drückte dem Gryffindor seinen erleuchteten Zauberstab in die Hand und untersuchte den Biss. „Ist nicht tief.“ „Nicht tief?!“, erwiderte Harry empört. „Sie haben schon gesehen wie lang die Zähne dieses Tieres waren, oder?“ Mit böse funkelnden Augen zischte Snape: „Es ist verhältnismäßig nicht tief. Stell dich nicht so an, Potter!“ „Das hatte ich nicht vor“, knurrte Harry und setzte sich auf. „Ich beschwere mich nur über Ihre Einschätzung und nicht über die Wunde selbst!“ „Hinlegen, Potter!“ „Und dann? Soll ich etwa hier liegen bleiben?“ „Dann könntest du mich vielleicht endlich mal die Wunden heilen lassen!“, erwiderte der Slytherin laut werdend und endlich verkniff Harry sich seinen nächsten Kommentar. Murrend legte er sich wieder hin und ließ den anderen machen. Als Snape sicher war, dass Harry endlich Ruhe gab, nahm er wieder seinen Zauberstab und murmelte einige Sprüche. Harry konnte dabei zusehen, wie die Wunden sich schlossen und anschließend der Pullover wieder sauber wurde. „Alleine würdest du hier wohl nicht lange überleben“, meinte Snape noch und erhob sich dann. Protestierend stand Harry auf. „Ich bin nur auf das Vieh heraufgeklettert, weil Sie fast zertrampelt wurden.“ „Ich hatte alles im Griff.“ „Achja? Sah mir nicht danach aus.“ Wütend und mit zusammengebissenen Zähnen zischte Snape: „Willst du auch noch das nächste Biest anlocken?“ „Das ganze Blut wird eh alle anlocken“, murrte Harry trotzig. Genervt ging Snape weiter in die Richtung aus der der Cerberus gekommen war. Sauer folgte Harry ihm und schwieg vor sich hin. Wenn sie sich dauernd an die Gurgel gingen, würden sie hier wohl nicht mehr lange durchhalten. Schon bald kamen sie an eine Gabelung und die Blutspur des Cerberus führte nach links. „So, wir haben jetzt die Wahl“, überlegte der Slytherin. „Der Cerberus wird sich einen Ort suchen wo er meint sicher zu sein. Womöglich geht er sogar zu einer Quelle. Außerdem könnten wir sein Fleisch gut gebrauchen. Andererseits wird er schon jede Menge seiner Kollegen angelockt haben.“ „Wird er sich nicht weiter ins Labyrinth hinein verziehen?“ „Wir werden sicherlich so oder so durch die Mitte hindurch müssen. So sind Labyrinths in der Regel aufgebaut.“ Harry seufzte. Verstehen konnte er die Argumente zwar schon, aber er war nicht sonderlich wild darauf dem Tier zu folgen, nur um auf Wasser zu hoffen. Andererseits hatte er bereits mächtigen Durst, es mussten also inzwischen wieder mehrere Stunden vergangen sein. Müde war er auch. Erst jetzt bemerkte er, dass er von Snape gemustert wurde. Nun schauten sie sich an und warteten darauf, dass der andere eine Entscheidung traf. Offenbar war Snape auch nicht besonders scharf darauf nach links zu gehen, denn er ächzte auf und nahm schließlich den Weg geradezu und Harry folgte ihm etwas erleichtert. Sie liefen noch eine ganze Weile schweigend vor sich hin, bis Harry sicher war, dass sie langsam schlafen sollten. Doch konnten sie das hier überhaupt riskieren? Als ob der andere seine Gedanken gelesen hätte, blieb er stehen. „Wir sollten eine Pause machen“, murmelte er erschöpft. „Wir halten abwechselnd Wache und der andere kann schlafen.“ Harry nickte und Snape begann murmelnd mit seinem Zauberstab umherzulaufen. Stirnrunzelnd sah der Gryffindor ihm dabei zu. „Was machen Sie da?“ „Schutzzauber... protego korribils, protego...“, kam als knappe Antwort zurück. Da er scheinbar nicht helfen konnte, setzte Harry sich an die Wand und leuchtete umher. Sicherlich war es Absicht, dass alle Tunnel gleich aussahen. Wie sollten sie sich da orientieren? Wie sollten sie herausfinden, ob sie vielleicht im Kreis liefen? Es wunderte den Gryffindor, dass an den Wänden keinerlei Kennzeichnungen zu finden waren. Es waren so viele Menschen hier schon herumgeirrt, irgendeiner hätte doch auf die Idee kommen müssen die Kreuzungen zu markieren. Oder hatte keiner von ihnen was dabei gehabt, womit er die Wände hätte beschriften können? Als er fertig war, setzte sich der Tränkemeister neben Harry und riss diesen so aus seinen Überlegungen. „So Potter, leg dich als erstes hin.“ „Sie sind doch sicherlich auch müde“, widersprach der Gryffindor. Er fühlte sich ein wenig unnütz. Wie ein kleines Kind, dass am wenigsten belastet werden durfte. „Keine Diskussion, Potter“, maulte Snape genervt los. „Ich kann eh noch nicht schlafen.“ Harry zog die Augenbrauen hoch und musterte den anderen. Auf ihn wirkte er nicht sonderlich fit, doch eine gewisse Unruhe war ihm auch anzusehen. Zögerlich machte Harry sich an der Wand lang und versuchte eine bequeme Position zu finden. Besonders schön was es nicht auf dem kalten, feuchten Steinboden aber anders ging es eben nicht. Er konnte nur hoffen, dass er dadurch nicht krank wurde. Und dann kam ihm der Gedanke, ob er denn überhaupt schlafen konnte. Dieses Labyrinth... die Tatsache, dass sie völlig allein von Bestien umzingelt unter der Erde herumirrten und wahrscheinlich von allen bereits für tot gehalten wurden... Sie waren wahrscheinlich unter vielen Tonnen Gestein begraben, zusammen mit all ihren Vorgängern, die schon vor langer Zeit hier gestorben waren. Es erinnerte den Gryffindor an eine Grabkammer. Unauffällig musterte Harry seinen Lehrer erneut. Konnte er deswegen nicht schlafen? Hatte er vielleicht doch Angst? Vielleicht hatte er ja doch genau solche Panik wie Harry, konnte es nur besser verstecken. Natürlich hatte er Panik, nur ein Vollidiot hätte keine.   Es dauerte eine Weile, doch dann wurde Harry endlich ruhiger und war eingeschlafen. Wahrscheinlich nicht tief, aber immerhin etwas. Nur ganz schwach ließ Severus seinen Zauberstab leuchten, in der Angst es würde irgendetwas anlocken. Ganz im Dunkeln zu sitzen wagte er jedoch auch nicht. Er seufzte. Was hatte Potter da nur wieder angestellt? Sie saßen hier fest und es war dunkel, kalt... besonders das Unbekannte in der Dunkelheit machte den Tränkemeister wahnsinnig. Ihm war bereits der Gedanke gekommen, dass es für sie beide wohl das beste wäre sich einfach selbst umzubringen, bevor sie sich noch ernsthaft verletzten und qualvoll sterben mussten, doch das würde er nicht fertig bringen. Auch wenn sein Hirn sagte, dass es sinnlos war, saß da irgendwo noch ein kleiner Funke Hoffnung. Vielleicht war das auch nur der Überlebensinstinkt. Außerdem konnte er es Lily nicht antun Harry aufzugeben. Er musste wenigstens versuchen ihn zu retten, sonst würde er keine Ruhe finden. Wenn er hier alleine wäre, würde ihm die Entscheidung um einiges leichter fallen, aber so... Er konnte Harry nicht einfach in den Tod schicken. Plötzlich musste er an Syndia denken. Wie überstand sie das alles? Hatte sie ihn bereits abgeschrieben oder glaubte sie noch, dass er am Leben war? Schon komisch, er hatte sich in riskanten Situationen schon lange nicht mehr an Syndia geklammert. Wer hätte je gedacht, dass sie wieder in seinem Leben auftauchen würde? Ächzend fuhr Severus sich durchs Haar. Die Art von Gedanken gefiel ihm nicht. Das war ihm alles zu sehr mit Gefühlen getränkt. Er musste einen kühlen Kopf bewahren und vor allem dieses beklommene Gefühl in seiner Brust los werden, bevor es ihn drohte zu übermannen. Sein Blick wanderte zum schlafenden Harry. Ja, er musste versuchen sich zusammenzureißen und Potter hier herauszuholen. 'Für Lily.', dachte er sich. Dennoch hatte er das Gefühl, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach.   Nach einigen Stunden Halbschlaf stand Harry wieder auf. Wirklich erholsam war das Ganze nicht gewesen, aber eine andere Möglichkeit hatten sie nicht. Seine Kehle war staubtrocken und er konnte es kaum erwarten das sie weiterzogen, um Wasser zu suchen. Dennoch wollte er dem Tränkemeister ein wenig Ruhe gönnen, denn nach seiner Wache sah er völlig fertig aus. Er schien auch relativ schnell einzuschlafen, allerdings wühlte er sehr viel. Anscheinend fand er auch keine bequeme Schlafposition. Bisher hatte der Gryffindor sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wie ungewöhnlich die Situation zwischen ihnen war. Snape hatte sofort das Duzen angefangen sobald sie hier waren, sie stritten weniger, arbeiteten zusammen und jetzt sah Harry ihm sogar beim Schlafen zu. Es war alles so absurd... aber notwendig. Wenn sie überleben wollten, mussten sie aufeinander aufpassen. Ob die Verurteilten hier auch im Team gekämpft hatten? Oder mussten sie sich alle allein durchschlagen? Vielleicht war es ja wirklich möglich zu zweit hier durchzukommen. Erst jetzt sickerte die Botschaft, wo sie hier waren, wirklich durch. Erstmals dachte man sich man würde träumen oder man realisierte die Gefahr nicht, aber so langsam wachte er daraus auf. Sie waren auf sich gestellt. Sie mussten zusehen, dass sie irgendwo Nahrung fanden und dann schleunigst den Ausgang finden, möglichst ohne vorher von irgendwelchen Monstern aufgeschlitzt zu werden. Nach einigen Stunden, oder zumindest glaubte Harry, dass es Stunden waren, weckte er seinen Lehrer und sie machten sich wieder auf den Weg. Sie waren jetzt sicherlich schon über einen Tag hier, denn der Hunger ließ ihre Körper schwächeln und der Durst sorgte für Kopfschmerzen. Um Energie zu sparen, sprachen sie so gut wie gar nicht. Eigentlich positiv, denn so konnten sie sich wenigstens nicht streiten, aber für ein bisschen Wasser hätte Harry lieber den Streit vorgezogen. Plötzlich hörte Harry ein komisches Geräusch beim Auftreten. Er leuchtete zu seinen Füßen und seine Augen wurden groß. Der Boden war feucht. „Hier ist was“, verkündete er aufgeregt und folgte der nassen Spur bis hin zur Wand. Dort war ein kleines Rinnsal von der Decke zum Boden zu erkennen, dass sich bereits in den Stein gegraben hatte. Am Boden befand sich ein kleines Loch, worin das meiste Wasser verschwand. Snape beugte sich vor und hielt den Kelch an die Wand, um das Wasser hineinlaufen zu lassen. Er nahm den Zauberstab zu Hilfe, um nichts zu verschütten und so füllte sich der Behälter. Ungeduldig sah Harry dabei zu und wollte unbedingt einen Schluck nehmen. Endlich nahm der Slytherin den Kelch von der Wand, hielt Harry die Schüssel hin, damit er diese auch auffüllte und sprach einen Zauber über den Kelch. „Wollen Sie Wein draus machen?“, fragte Harry belustigt nach. „Blödsinn“, murrte der andere. „Ich habe es gereinigt.“ Damit nahm er einen kräftigen Schluck und Harry wollte schon protestieren, doch da hielt Snape ihm schon den Kelch hin. Gierig trank er und so teilten sie sich jede Füllung vom Kelch und der Schüssel. Nachdem Harry das Gefühl hatte bereits einen Liter getrunken zu haben, hatte er genug. „Hast du irgendetwas bei dir, was man als Wasserflasche verwenden könnte?“, fragte der Tränkemeister und durchsuchte seinen eigenen Mantel. „Ähm... nein, ich glaube nicht. Können wir nicht eine herbeizaubern?“ „Potter, denk mal nach“, murrte Snape wieder. „Wenn hier Substantivzauber funktionieren würden, könnten wir uns auch Wasser beschwören.“ „Vielleicht funktioniert es ja“, wagte Harry zu hoffen. „Versuch es doch.“ Tatsächlich versuchte Harry einen Wasserstrahl zu erzeugen, doch das wollte nicht funktionieren. „Wir könnten höchstens einen Gegenstand in eine Trinkflasche umwandeln“, kam Snape die Idee und nahm wieder den Kelch zur Hand. Noch während Harry seinen Mantel durchsuchte, begann Snape den Kelch und die Schüssel zu verzaubern. Ehe Harry sich versah waren sie zu Flaschen geworden und die beiden machten sich daran sie aufzufüllen, verstauten jeder jeweils eine bei sich und marschierten weiter. Jetzt, wo sie getrunken hatten, fühlten sie sich wesentlich besser, doch ihre Mägen protestierten immer mehr. Sie wären durchaus in der Lage eine Weile ohne Essen auszukommen, doch wirklich scharf darauf waren sie nicht. So langsam bereute Harry es, dass sie dem verletzten Cerberus nicht gefolgt waren. „Wir sollten auf Kleintiere achten“, durchbrach Snape die Stille. „Vielleicht gibt es irgendwelche Ratten hier die wir essen können.“ Der Gryffindor verzog das Gesicht, doch er wusste, dass er hier nicht sonderlich wählerisch sein konnte. Wahrscheinlich wären Ratten noch das leckerste, was zu finden war. „Und Sie wissen nicht, was für Geschöpfe hier leben?“, fragte Harry nach, in der Hoffnung, dass Snape ihm ein paar essbare Wesen aufzählte. „Nein, nur, dass viele davon schwarzmagisch sind und schwer zu transportieren waren.“ „Welche Wesen wären denn alt genug?“, fragte er weiter. „Potter, soll ich jetzt ernsthaft alle Wesen aufzählen die älter als 1000 Jahre sind?“, keifte der Slytherin genervt. „Einige existieren bereits länger als der Mensch.“ „Sie brauchen nicht immer so bissig reagieren“, beschwerte sich der Gryffindor. „Ich versuche nur Konversation zu...“ „Und warum bitteschön?“, unterbrach Snape ihn keifend, blieb stehen und funkelte den anderen finster an. „Ich will die letzten Stunden meines Lebens nicht damit verbringen mit Ihnen zu diskutieren.“ Harry kniff die Augen feindselig zusammen. „Schonmal daran gedacht, dass vielleicht Sie das Problem sind und nicht ich?“ „Kommen Sie jetzt nicht damit, Potter“, fiel Snape wieder ins Siezen. „Halten Sie einfach mal die Klappe!“ „Wozu? Damit wir in Ruhe in Depressionen verfallen können?“, hielt Harry wütend gegen. „Das hatte ich eigentlich nicht vor.“ „Mag sein, dass Sie dafür quatschen müssen. Ich jedoch kann auch schweigen ohne depressiv zu werden“, knurrte der Ältere zurück. Harry gab ein abfälliges Schnauben von sich. Hatte der Kerl sich mal angesehen? Jeder würde ihn auf den ersten Blick für einen Emo halten. „So wie Sie reden haben Sie doch schon längst aufgegeben.“ Genervt ächzte Snape auf. „Wenn ich aufgegeben hätte, würde ich dann mit Ihnen hier herumirren?“ Noch immer mit herausforderndem Blick sah Harry zurück. Dieses Gespräch wurde langsam albern. Snape drehte sich wieder um, lief weiter und rief zurück: „Gib es zu, Potter, du hast Schiss. Durch reden willst du dich nur beruhigen.“ Empört blieb dem Gryffindor der Mund offen stehen. „Das... nein!“ „Doch!“, gab Snape trocken zurück. „Du bist derjenige, der dagegen ankämpft depressiv zu werden.“ Okay, jetzt wurde die Diskussion wirklich lächerlich. Mit einem gemurmelten „So ein Blödsinn“ folgte Harry seinem Lehrer und sagte nichts mehr, sondern schmollte. Was reimte sich dieser Kerl da nur zusammen? Es ging ihm gut. Wie auf Kommando wurde dem Gryffindor plötzlich kalt und eine seltsame Leere machte sich in ihm breit. Murrend verschränkte er die Arme und fragte sich, was denn nun schon wieder mit ihm los war. Irgendwas stimmte da doch nicht. Als ob Snape auch was spüren würde, drehte er sich zu Harry um und erstarrte kurz. Dann riss er den Jüngeren zu sich, der völlig irritiert vorwärts stolperte. Doch dann sah er, was Snape dazu getrieben hatte. Ein Dementor hatte hinter Harry geschwebt und kam jetzt drohend näher. Reflexartig richtete der Grünäugige seinen Zauberstab auf das Wesen und rief gleichzeitig mit Snape Expecto Patronum. Im Tunnel wurde es so hell, dass die beiden ihre Augen schützen mussten. Ein Hirsch und eine Rehkuh erschienen und galoppierten zusammen den Gang entlang, den Dementor vor sich hertreibend, der mit gleich zwei Patroni vollkommen überfordert war. Harry hingegen bekam große Augen, als er die Gestalt von Snapes Patronus erkannte. Nun kamen die beiden Huftiere gemütlich zurückgestapft, nebeneinander her, und wirkten so, als würden sie schon immer zusammengehören. Während Harry sich langsam etwas peinlich berührt fühlte, schluckte Snape trocken und ließ seinen Patronus mit einem Wink verschwinden. Harrys Hirsch neigte den Kopf zu der Stelle, wo die Kuh verschwunden war, ehe auch er sich langsam auflöste. Jetzt wieder in völliger Dunkelheit, blieben die beiden Zauberer noch in ihrer Starre. Harry wusste nicht, was er denken sollte. War es Zufall, dass Snapes Patronus zu seinem passte? Oder eher zu seinem Vater... oder... hä? Der Gryffindor wusste, dass jede Gestalt eines Patronus für den Besitzer eine besondere Bedeutung hatte. Die Gestalt vom Hirsch hatte Harry von seinem Vater... aber was hatte dann die Rehkuh bei Snape zu suchen? Der Tränkemeister löste sich als erstes aus der Starre, ließ seinen Zauberstab wieder aufleuchten und lief kommentarlos weiter. Völlig perplex sah Harry ihm nach. „Ähm... Professor...?“, lief er ihm nach. Warum ging Snape eigentlich immer voran?! „Was?“, blaffte dieser abweisend. „Ist... ist es Zufall, dass...“ „Nein und das solltest du auch im Unterricht gelernt haben“, unterbrach er den Gryffindor sofort. Jetzt war Harry völlig verwirrt. Und da er seine Frage gar nicht beenden durfte, wusste er nicht einmal, ob Snapes Antwort Gültigkeit besaß. „Aber... warum?“, versuchte er es erneut. „Potter, weißt du eigentlich, dass du noch anstrengender bist als sonst, seit wir hier sind?“, rieb sich der Slytherin entnervt die Nasenwurzel. „Du warst noch nie ein Plappermaul, also warum fängst du jetzt damit an?“ „Ich will doch nur wissen, was der Patronus mit meinem Vater zu tun hat.“ „Was?“, blieb Snape stehen und sah den anderen völlig verständnislos an, was diesen nur zusätzlich verwirrte. „Der Patronus hat mit Lily zu tun, du verdammter Idiot.“ Ratter Ratter... „Aaaah“, begriff Harry endlich. Offensichtlich mit der Absicht Harry für vollkommen bekloppt zu erklären, schüttelte Snape den Kopf und ging weiter. „Wenn du schon auf verrückte Ideen kommst, dann überlege dir mal, wie wir an was Essbares kommen“, schlug der Tränkemeister vor. Der Gryffindor seufzte und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Seine Mutter, natürlich. Wieso war er nicht darauf gekommen? Das war jetzt nun mehr als ein wenig peinlich. Schweigend blieb Harry ein wenig hinter dem anderen und vermied jedes weitere Gespräch. Auch Snape schien es für besser zu halten, wenn sie sich für die nächste Zeit ignorierten. Nach einer weiteren Ewigkeit machten sie Rast. Ohne zu wissen wie viel Zeit verging, war es wirklich ätzend. Sie wussten nicht, wann ihr Körper wirklich Ruhe brauchte und wann das nur ein 'Mittagstief' war. Während es beim Laufen relativ einfach war zu schweigen, empfand Harry die jetzige Stille, wo sie so nebeneinander saßen, eher als bedrückend und konnte sich nicht länger zurückhalten. „Professor?“, fragte er also grübelnd und bekam ein Grummeln zur Antwort. „Seit wann wissen Sie von dem Kelch und Voldemorts Plan mich hierher zu schicken?“ Snape musterte den anderen, um herauszufinden, was dieser mit der Frage bezwecken könnte. „Ich habe es ein- zwei Wochen nach Schulbeginn erfahren.“ Der Gryffindor zeigte keine Reaktion, sondern grübelte weiter. So lange schon. Natürlich, Levin hatte es schon seit ungefähr einem Jahr gewusst, sonst wäre sie nicht als Lehrerin reingeschmuggelt worden. Und es war auch klar, dass sie Snape eingeweiht hatte. Aber was hatte sie überhaupt mit der ganzen Sache zu tun? Wer war sie wirklich? „Von wem wurde Professor Levin geschickt?“ „Das geht dich nichts an“, antwortete der Slytherin nur knapp und Harry zog verärgert die Augenbrauen zusammen. „Es geht mich nichts an?“, wurde Harry zunehmend lauter. „Es geht mich nichts an?! Wenn ich das richtig sehe, ging es die ganze Zeit um mich, also geht es mich sehr wohl was an! Warum werden so wichtige Dinge immer vor mir geheim gehalten? Warum erfahre ich immer als letzter von irgendwelchen Plänen, die mit mir gemacht wurden?!“ „Ich habe es schon einmal erklärt“, antwortete Snape genervt aber ruhig. „Du bist viel zu unreif und kindisch, um überhaupt die Berechtigung zu haben so etwas wichtiges...“ „Gerade weil es wichtig ist, hätte ich davon erfahren müssen!“, ließ Harry sich nicht bremsen. „Hätte man mir gesagt, dass Voldemort mich mit einem Kelch hierher schicken wollte, hätte ich dieses blöde Ding doch nie angerührt.“ „Als ob Warnungen dich jemals aufhalten würden“, wurde Snape nun doch etwas ungehaltener und funkelte den anderen wütend an. „Man kann einem Bengel wie dir, der auch noch eine Verbindung zum Dunklen Lord hat, kein Vertrauen schenken.“ „Das sagt ausgerechnet ein Todesser?!“, brüllte der Grünäugige zurück. Herausfordernd sah er den Tränkemeister an, auf eine Reaktion wartend. Dessen Augen wurden zu Schlitzen und funkelten feindselig, doch ansonsten blieb er ruhig, was Harry ein wenig enttäuschte. „Du weißt rein gar nichts, Potter“, wurde Snapes Stimme schneidend. „Also kannst du auch nicht über mich urteilen.“ „Und was gibt Ihnen die Berechtigung über mich zu urteilen?“, gab Harry zurück. Dieses Mal sagte Snape nichts mehr, sondern starrte nur finster zum anderen, bevor er sich erhob. „Die Pause war lange genug.“ Wenn Snape keine Antwort parat hatte, lenkte er also ab, wunderbar. Beleidigt erhob auch Harry sich und folgte dem Slytherin den Gang hinunter. Sich gegenseitig ignorierend gingen sie weiter, bis sie an die nächste Kreuzung stießen. Ohne groß zu überlegen, ging Snape nach links. Harry hätte jetzt gerne eingeworfen, dass er derjenige war, der schon einmal erfolgreich durch ein Labyrinth gelaufen war, doch da sein Orientierungssinn versagte, ließ er den Spruch stecken. Plötzlich fiel irgendetwas dunkles, großes von der Decke auf sie hinab. Völlig überrascht und irritiert, duckte Harry sich und versuchte etwas zu erkennen, doch da spürte er schon einen stechenden Schmerz im Bein. Und dann am Arm. Erst jetzt konnte Harry die große Masse als einen Schwarm fledermausähnlicher Tiere erkennen, die sich auf sie gestürzt hatten und ihre spitzen Zähne in ihre Körper bohrten. Sie waren überall und zerrten an Klamotten und Haaren. Harry schlug um sich, um sie zu vertreiben, doch zielsicher bissen sie immer wieder zu und einem Wesen gelang es sogar, seine Zähne in Harrys Hals zu bohren. Kapitel 32: Die Kraft der Hoffnung ---------------------------------- Unwirsch schlug Harry um sich, doch diese fledermausähnlichen Viecher ließen nicht locker. Plötzlich erschien ein gleißendes Licht und der Gryffindor verbarg seine Augen. Auch die Kreaturen ertrugen das Licht nicht, ließen von den beiden ab und versuchten eiligst zu fliehen. Harry sah auf, als Snapes Zauberstab kein Licht mehr von sich gab und leuchtete nun selbst wieder mit Lumos. Irritiert sah der Grünäugige, wie der Slytherin die letzten Wesen verfolgte. „Avada Kedavra“, rief er ohne Scheu und erwischte so drei Kreaturen, die leblos zu Boden fielen. Gelassen sammelte er die Tiere ein, begutachtete sie und kam zum Jüngeren zurück. „Ihnen kommt der Spruch ja leicht über die Lippen“, setzte Harry patzig die Diskussion fort, wofür er einen bösen Blick vom anderen kassierte. „Willst du was zu essen haben oder nicht?“, knurrte Snape. Sofort verstummte Harry und begutachtete nun auch diese Geschöpfe. Sie waren ungefähr Gnomgroß, hatten ledrige Flügel, spitze Stiftzähne, einen langen Pfeilschwanz und angedeutete Hörner auf dem Kopf. Einem Dämon sahen sie damit nicht unähnlich. Beim Anblick der gefährlich aussehenden Zähne, besah sich Harry behutsam seinen rechten Arm, der besonders viele Bisse abbekommen hatte. „Was sind das für Dinger?“, fragte er etwas ängstlich nach. Hoffentlich hatten sie keine Giftzähne. „Ich weiß es nicht“, antwortete der Tränkemeister schlicht und kassierte damit einen ungläubigen Blick. „Ich dachte Sie sind so gut in Verteidigung“, beschwerte sich der Gryffindor. Verärgert zog Snape die Augenbrauen zusammen. „Potter, ich bin nicht allwissend! Diese Biester sind wahrscheinlich schon vor langer Zeit ausgestorben.“ Harry wollte gerade etwas erwidern, als Snapes Blick sich plötzlich änderte und er die Wesen auf den Boden legte. „Nicht so viel bewegen“, murmelte er plötzlich wieder ganz ruhig und pfriemelte an seinem Umhang herum. Irritiert sah Harry ihm zu, bis der Slytherin sich ein Tuch zurecht gerissen hatte und dieses seitlich an Harrys Hals drückte. Völlig perplex wusste der Gryffindor nicht, wie er reagieren sollte. So dicht war der andere noch nie an ihn herangetreten, geschweige denn dass er seine Hand an seinen Hals gelegt hatte. Der Biss, ja, Harry hatte schon mitbekommen, wie er am Hals gebissen worden war, doch der tat nicht mehr weh als die anderen auch. Zudem sah Snape ebenso übel zugerichtet aus. Der Tränkemeister tupfte mit dem Tuch ein wenig herum und besah sich die Wunde genauer. „Das war knapp. Das Biest hat auf deine Halsschlagader gezielt“, murmelte er weiterhin ruhig. „Naja“, wusste Harry immer noch nicht weiter. „Scheint ja nicht getroffen zu haben.“ „Es fehlte aber nicht mehr viel.“ Snape hob seinen Zauberstab und begann den Biss zu behandeln, während Harry nichts tun konnte, als stillzuhalten. Verstohlen sah er sich Snapes Wunden genauer an. Genauso wie bei ihm selbst, hatten sich die Stoffe mit Blut vollgesogen. Snapes rechtes Ohr hatte ebenfalls was abbekommen und das Blut lief daran herunter und tropfte auf den Kragen. Wie konnte ein Ohr denn so stark bluten? „Hoffen wir, dass das keine Giftzähne waren“, überlegte Snape, während er sich nun die anderen Wunden bei Harry ansah. „Ich glaube aber, dass sie nur eine betäubende Wirkung haben.“ Betäubend? Harry besah sich die Anzahl seiner Wunden. Da war wohl was dran, denn für die Schwere seiner Verletzungen, hatte er erstaunlich wenig Schmerzen. „Zieh den Pullover hoch“, befahl Snape ihm ruhig und Harry sah auf. „Ich soll was?“, fragte er perplex. „Jetzt stell dich nicht so an, Potter“, grummelte Snape augenverdrehend. „Wie soll ich die Bisse sonst heilen?“ „Ähm“, machte Harry nur unsicher und zog dann langsam den Pullover hoch, um die Wunden an seiner Seite freizugeben. Snape hatte Recht, was stellte er sich so an? Es war doch nichts anderes, als wenn Madam Pomfrey ihn behandelte. „Wie gut bist du in Heilzaubern?“, fragte der Slytherin, während er den anderen behandelte. „Was?“, fragte Harry. „Ähm... ich weiß nicht... ich kenne nicht sonderlich viele.“ „War ja klar“, murmelte Snape kaum hörbar. „Kennst du wenigstens Tergeo?“ „Ähm... schon gesehen, aber noch nicht ausprobiert.“ „Dann wirst du es jetzt lernen müssen“, murrte der Slytherin. „Man kann Heilzauber nicht auf sich selbst anwenden.“ Er sollte also Snape heilen. Okay. Oder zumindest die Wunden reinigen, wenn er nach Tergeo fragte. Trotzdem würde er dann nicht drumherum kommen, genau das gleiche zu tun, was der andere gerade tat. Und ob Harry die Wunden wirklich komplett heilen konnte, wagte er zu bezweifeln. Nachdem Snape ihm also gezeigt hatte, wie man die Bisse behandelte, zog Snape seinen rechten Ärmel hoch, da er einen Biss kurz unter dem Ellenbogen hatte. Harry war erfolgreicher, als er es sich zugetraut hätte, allerdings konnte er die Wunde nur so weit behandeln, dass sie nicht mehr blutete, während Snape seine fast hatte verschwinden lassen. Für die nächsten Wunden musste Snape seine Robe öffnen und Harry schluckte. Das war gerade etwas seltsam. Er versuchte, sich so normal wie immer zu verhalten und tat dann so, als wäre er zu hundert Prozent mit den Gedanken bei der Behandlung der Wunden. Auch diese konnte er nicht ganz verschwinden lassen, aber besser als nichts. Zuletzt nahm Harry sich das Ohr des Tränkemeisters vor, während dieser einfach nur ausdruckslos nach vorne sah. Eine Haarsträhne war blutgetränkt und klebte hinterm Ohr, sodass Harry nichts anderes übrig blieb, als sie wegzustreichen. Oh hoffentlich musste er das nie wieder machen. Endlich war der Gryffindor fertig und Snape tastete nach der Wunde. „Besser als nichts“, murmelte der Tränkemeister und machte sich dann an die Kreaturen. Etwas unschlüssig besah er sich diese, während Harry versuchte die letzten Minuten zu vergessen und dann überlegte, wie sie die Fledermäuse nun überhaupt zubereiten sollten. Mussten sie die Haut abziehen? Und was war mit den Organen? Besonders glücklich waren beide nicht über die kommende Aufgabe, doch Snape schnappte sich Harrys Messer und tat, was getan werden musste. Konzentriert saß er da, strich sich die Haare hinters Ohr, damit sie ihn nicht störten und zerlegte ohne Mitleid die Kreatur. Durch seine Vorerfahrung als Tränkemeister, hatte er bei den Organen keine großen Hemmungen, während Harry zeitweise so tat, als würde er Wache halten. Schneller als gedacht konnten sie die Tiere mit Hilfe des Zauberstabs garen. Vollkommen ausgehungert machten sie sich über das Essen her und Harry fand, dass es nicht so schlimm schmeckte wie angenommen. Lecker war zwar was anderes, aber es war auch nicht ungenießbar. Mit vollem Magen hatte sich ihre Laune ein wenig gebessert. Zum Rasten gingen sie ein Stück weiter den Tunnel entlang, da sie befürchteten, dass der Blutgeruch irgendetwas anlocken könnte. Dieses Mal übernahm Harry die erste Wache, während Snape sich schlafen legte. Bisher hatten sie sich doch gut geschlagen. Sie hatten es geschafft sich Wasser und Essen zu besorgen und hatten die ersten Angriffe von Kreaturen überstanden. Naja, halbwegs überstanden, denn langsam spürte Harry doch Schmerzen an den Stellen, wo er gebissen worden war. Anscheinend ließ die Betäubung nach und obwohl die Wunden geheilt waren, meldete sich der Schmerz wie ein Echo, das hoffentlich nicht lange anhalten würde. Doch dann trat ein neuer Schmerz auf, den Harry nur allzu gut kannte. Seine Hand schnellte zur Narbe hoch und er versuchte leise zu sein, während er Voldemorts Lachen in seinem Kopf hörte. Dann befand er sich im großen Saal, den er schon einmal gesehen hatte und vor ihm kniete ein Todesser. Voldemorts kaltes Lachen hallte durch den ganzen Raum. „Zwei Fliegen mit einer Klappe“, sprach er. „So müssen wir nur noch Jagd auf die kleine Levin machen. Jetzt, wo sie noch ein Familienmitglied verloren hat, kommt sie vielleicht sogar freiwillig zu mir.“ Wie durch einen Nebel drang Snapes verärgerte Stimme zu ihm durch: „Hast du denn wirklich gar nichts in Okklumentik gelernt?“ Harry war wieder bewusst im Labyrinth. Anscheinend war er doch nicht leise gewesen, denn Snape war erwacht, hatte sich leicht aufgerichtet und funkelte ihn verärgert an. „Wenn Voldemort sich so über etwas freut, ist es unmöglich abzuschalten“, verteidigte sich der Gryffindor. Während Harry seinen Gegenüber ansah, musste er an Levin denken und er bekam ein ungutes Gefühl. Er hatte bisher noch nicht daran gedacht, was ihr Verschwinden bei ihr ausgelöst hatte. Bei dem Gedanken daran, wie sie durchgedreht war, als ihr Sohn verletzt wurde... „Hat es wenigstens was gebracht?“, murrte der Slytherin. „Was?“, wurde Harry aus seinen Gedanken gerissen. Augenverdrehend antwortete Snape: „Irgendetwas informatives dabei?“ „Oh, ähm...“, zögerte Harry. „Er... er will sich nun... Professor Levin vornehmen. Beziehungsweise, er glaubt, dass sie von selbst zu ihm kommt.“ Eine kurze Stille trat ein, in der der Gryffindor den Blick des anderen nicht deuten konnte. Schließlich legte Snape sich wieder hin und sagte nur abschließend: „So dumm ist sie nicht.“ Harry runzelte die Stirn. Machte er sich denn gar keine Sorgen? Selbst Harry wusste, dass sie sehr emotional werden konnte. Nach einigen Minuten jedoch, wo Harry dachte, dass Snape schon schlief, setzte sich der Slytherin auf. „Ich übernehme erstmal die Wache“, murrte er und kommentarlos machte Harry sich lang. Also ließ es den Tränkemeister doch nicht kalt, wenn er schon nicht schlafen konnte. Nach einer Weile sah Harry nochmal auf. Snape sah Gedankenversunken auf einen Gegenstand, den er in seinen Händen drehte. „Ist das das Medaillon, das in der großen Halle gelandet war?“ „Nein“, murmelte Snape abwesend. „Es gibt zwei davon.“ Da der Slytherin keine Anstalten machte ausführlicher zu werden, fragte Harry weiter: „Was bedeutet es?“ „Das ist nur ein Familienerbstück“, wehrte Snape ab und steckte das Medaillon weg. „Du solltest endlich schlafen.“ Harry merkte, dass Snape sich wieder verschloss und gab auf. Es war sowieso erstaunlich wie offen er geworden war. Oder wirkte es nur so, weil sie rund um die Uhr zusammen waren?   Syndia stapfte durch die Gänge von Hogwarts Richtung Dumbledores Büro. Die Schüler, denen sie unterwegs begegnete, wichen ihr aus und trauten sich erst sie anzusehen, wenn sie an ihnen vorbei war. Seit offiziell verkündet worden war, dass Harry Potter und Severus Snape in einem alten Labyrinth gelandet waren und wohl nie wieder auftauchen würden, kassierten Syndia, Ron und Hermine ständig diese Blicke. Während die Gryffindors jedoch gemeinsam leiden konnten (und Neville und Ginny ihnen zur Seite standen), war Syndia nun mit ihrem Schmerz allein. Sie hatte schon überlegt ihren Sohn zurück nach Amerika zu schicken, damit er nicht zu viel mitbekam, doch Luca schlief noch viel zu unruhig, als das sie ihn hätte alleine lassen können. Als Lehrerin war sie nun nicht mehr eingesetzt, auch wenn Dumbledore sie darum bat den Unterricht zu übernehmen, wenn sie konnte, denn es war schon schwer genug für Severus' Stunden eine Vertretung zu organisieren. Beim Büro des Direktors angekommen, klopfte die Hexe und wurde hereingebeten. „Hallo Syndia“, begrüßte Dumbledore sie mit forschendem, aber freundlichem Blick. „Wie geht es Ihnen?“ „Könnten wir die Frage überspringen?“, antwortete Syndia emotionslos. Der freudige Ausdruck, der in ihren Augen in den letzten Wochen immer größer geworden war, war wieder vollkommen verschwunden und sie wirkte bald noch kühler als ihr Bruder. „Natürlich“, nickte der Direktor und kam zur Sache. „Was sind Ihre nächsten Anweisungen? Sollen Sie noch hier in Hogwarts verbleiben oder werden Sie woanders gebraucht?“ „Ich soll mich weiterhin an Voldemort heften“, erklärte sie ruhig. „Es ist mir überlassen, ob ich meine Nachforschungen in Amerika oder hier weiterführen möchte.“ „Und?“ „Ich halte es für besser, wenn ich hier direkt vor Ort mit meinem Team arbeite. Vielleicht finde ich sogar eine Möglichkeit Voldemort aufzuspüren.“ „Das Aufspüren wird nicht das Problem sein...“, murmelte Dumbledore und sah analytisch über seine Brille hinweg. „Es steht eher die Frage im Raum, was Sie tun wollen, wenn Sie ihn gefunden haben.“ Kurze Zeit rang Syndia mit sich, ehe sie antwortete: „Ich finde einen Weg ihn aufzuhalten.“ „Das wäre natürlich erfreulich, ich selbst suche schon seit 20 Jahren nach einem Weg. Aber ich habe die Befürchtung, dass Sie etwas zu kopflos an die Sache herangehen. Syndia, ich verstehe, warum Sie ihn unbedingt finden wollen. Doch wenn Sie ihm gegenüberstehen ohne einen handfesten Plan zu haben, setzen Sie damit nur unnötig Ihr Leben aufs Spiel.“ Nun konnte Syndia doch nicht mehr an sich halten und sagte mit unterdrückter Wut: „Sir, dieser Mann hat meinen Mann ins Koma versetzt, meinen Sohn gefoltert und meinen Bruder in ein unterirdisches Labyrinth gesteckt, wo er einen qualvollen Tod erleidet! Ich. Werde. Ihn. Suchen. Egal was das kostet.“ „Sie haben also die Hoffnung schon aufgegeben?“, fragte Dumbledore ruhig. Das brachte die Hexe aus dem Konzept. Ihre Augen weiteten sich und sie musste trocken schlucken. Der Schulleiter fuhr fort: „Sie glauben nicht, dass Severus und Harry das durchstehen? Wie sollen die beiden denn um ihr Leben kämpfen können, wenn es niemanden gibt, der an sie glaubt?“ „Ich glaube schon daran, dass die beiden sich gut schlagen werden“, murmelte Syndia mit belegter Stimme. „Aber ich bin auch realistisch. Keiner weiß, was sie dort erwartet und selbst wenn sie es durchstehen, ist nicht einmal sicher, ob sie den Ausgang finden und öffnen können.“ „Hoffnung ist etwas, ohne das die Menschen nicht leben können und ohne sie hätten sie viele dunkle Zeiten nicht überstanden“, sprach Dumbledore sanft und ging zum Fenster. „Es...“, sagte Syndia mit einem Kloß im Hals. „Es i-ist nicht so, dass ich Severus schon aufgegeben hätte. Das werde ich nie. Aber... ich wage es nicht... mir Hoffnungen zu machen ihn je wiederzusehen.“ „Selbst wenn er die Grotten nie verlassen sollte, denke ich nicht, dass Sie ihn nie wiedersehen werden“, sagte Dumledore und drehte sich sanft lächelnd zu Syndia um. „Der Tod bedeutet noch nicht das Ende von allem.“ Syndia schluckte und nickte leicht. „Nicht einmal Scrimgeour hat Harry und Severus für Tod erklärt. Sie sind erst drei Tage fort, also denke ich, dass es ihnen noch weitestgehend gut gehen wird“, erklärte der Direktor und ging zurück zu seinem Schreibtisch. „Doch um zum Thema zurückzukommen: Severus wird es nicht wollen, dass Sie auf diese Art und Weise Jagd auf Voldemort machen. Rache ist kein guter Antrieb.“ „Und was soll mich dann dazu bringen weiterzumachen?“, beschwerte die Hexe sich. „Die Familie ist mir sehr wichtig.“ „Und gerade deshalb sollten Sie auf sich aufpassen, damit Sie Ihren Sohn nicht alleine zurücklassen.“ Syndia öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch sie brachte keinen Ton heraus. Seufzend senkte sie den Blick. Lächelnd fuhr Dumbledore fort: „Sie haben noch nicht alles verloren. Bleiben Sie vorsichtig.“ „Ich habe nie behauptet alles verloren zu haben“, erwiderte Syndia leise und kühl. „Aber Sie erwarten von mir, dass ich tatenlos dabei zusehe, wie Voldemort Menschen quält, die ich liebe.“ „Ich sage nicht, dass Sie tatenlos bleiben sollen“, korrigierte Dumbledore sie ruhig. „Ich bitte Sie nur dabei nicht den Kopf zu verlieren.“ Nun erwiderte die Schwarzhaarige nichts mehr, sondern hatte den Blick abgewandt. „Vielleicht sollten Sie sich ein wenig ausruhen.“ Stumm nickte die Angesprochene, drehte sich um und verließ, ohne noch einmal zurückzublicken oder etwas zu sagen, das Büro.   Der Magen knurrte. Warum knurrte er, verdammt nochmal?! Er hatte nicht zu knurren. Harry wusste, dass ihre Mahlzeit schon wieder eine ganze Weile her war, aber dennoch dachte er sich, dass sein Körper zu verwöhnt war. Bei den Dursleys hatte er auch mal eine Woche lang nichts bekommen und er ist nicht dran gestorben. Ein Mensch konnte theoretisch sogar viel länger ohne Essen auskommen. Ächzend ließ Snape sich an der Wand nieder, offenbar mit der Absicht eine Pause zu machen und Harry gesellte sich nach kurzem Zögern zu ihm. Der Tränkemeister untersuchte einige Bisse, die Harry notdürftig geheilt hatte. „Schmerzt es noch?“, fragte der Gryffindor. „Schlechtes Gewissen, Potter?“ Einen kurzen Moment wurde der Grünäugige verärgert, doch dann murmelte er: „Ich könnte es nochmal versuchen.“ „Ich habe mich schon mit schlimmerem rumgeschlagen, ich überlebe das schon“, murrte Snape. Stumm nickend dachte Harry nach. Als Todesser hatte Snape sicherlich einiges wegstecken müssen. Doch... wann war er selbst eigentlich zu dem Schluss gekommen, dass Snape kein Todesser mehr war? Er hatte den Slytherin schon immer verdächtigt für die andere Seite zu kämpfen. Was also hatte seine Meinung geändert? Lag es an Levin? Musste es ja, anders konnte sich Harry das nicht erklären. Hatte sie ihm unbewusst weiß gemacht, wer Snape wirklich war? Vielleicht lag es auch daran, dass er von der Freundschaft zu seiner Mutter erfahren hatte. Oder an der Entführung von Luca, denn dort hätte Snape Levin verraten können. Verärgert schüttelte Harry den Kopf. Was hatte er schon wieder für komische Gedanken? Er hatte doch jetzt deutlich wichtigeres zu tun, als über so etwas nachzudenken. Schon bald zogen die beiden weiter, denn der Hunger trieb sie an. Nur ein kleines Stück weiter hörten sie plötzlich Getrappel. Vollkommen erstarrt blieben sie an der Wand stehen und starrten in die Dunkelheit vor sich. Es klang nach vielen Beinen, die sich sehr schnell bewegten... und sie waren groß. Offenbar wurden sie nun entdeckt, denn die Schritte verschnellerten sich und hinzu kam ein merkwürdiges Geklacker. Unter Strom stehend hielten Snape und Harry ihre Zauberstäbe bereit und warteten auf den Angriff. Als erstes erschienen lange, haarige Beine im Lichtkegel und schon bald waren große Zangen zu sehen. „Spinne!“, rief Harry und tatsächlich kam eine Acromantula zum Vorschein, die auf die beiden losging. Noch bevor Harry reagieren konnte, wurde er von einem der Beine an die Wand geknallt und schon hatte er die Zangen und Augen vor sich. Das Vieh war schneller als gedacht. Sein Denken schaltete aus. Er saß in der Falle und jeden Moment würden die Zangen nach ihm greifen. Während die Spinne auf ihn zuschoss, hob er instinktiv die Arme, doch dann schob sich etwas vor ihn. Was tat Snape denn da?! Schützend hatte er sich vor Harry gestellt und hielt die Spinne nun mit den bloßen Händen von sich fern. Das würde nicht ewig gut gehen. Da ihm nichts besseres einfiel, ließ Harry seinen Arm nach vorne schnellen und stach der Acromantula mit seinem Zauberstab ins Auge. Diese gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und wich zurück, so dass die beiden sich von der Wand lösen konnten. „Von unten schocken! Zusammen!“, rief Snape Harry zu. „Das weiß ich!“, antwortete dieser verärgert. Beide bückten sich und schickten einen Stupor los und trafen die Acromantula am Bauch. Sofort kugelte die riesige Spinne sich ein und kippte zur Seite. Das war leicht gewesen, zumal Harry bereits beim Trimagischen Turnier eine solche Spinne zusammen mit Cedric besiegt hatte. „Potter, wenn ich Anweisungen gebe, dann nicht nur um zu klugscheißern!“, rief Snape verärgert und kam dichter zum Jüngeren. „Ach nein?“, zog Harry die Augenbrauen hoch und erhielt einen zornigen Blick. „Ich wusste das aber schon! Eine Acromantula habe ich schon mit Cedric besiegt. Sie brauchen nicht immer so zu tun als sei ich dumm!“ „Woher soll ich wissen, was Sie schon können und was nicht?!“, giftete Snape weiter. „Wir können uns schlecht während des Kampfes austauschen. Da ist ein kurzer Befehl doch wohl um einiges effektiver.“ Grimmig biss Harry sich auf die Zunge und starrte seinen Professor an, der ebenso zurück sah. Wie gerne hätte Harry ihm jetzt Beschimpfungen um die Ohren geschlagen, doch ihre Lage hier war zu heikel, als das sie sich streiten durften. „Können wir jetzt weiter?“, grummelte Snape und wandte sich wieder der Spinne zu, um sie nachdenklich zu mustern. Der Blick des Gryffindors ging zwischen dem Schwarzhaarigen und der Spinne hin und her. „Sie denken doch nicht etwa darüber nach das Ding zu essen?“, fragte Harry geschockt. „Wahrscheinlich ist der Panzer dafür zu dick“, murmelte der Slytherin, während er die Spinne weiter musterte und bekam so nicht mit, wie Harry der Mund aufklappte. „Also ich werde die garantiert nicht essen!“ Snape seufzte auf und sah zum anderen. „Also gut“, murmelte er und sie gingen weiter, die Acromantula zurücklassend. Erleichtert atmete Harry aus. „Links oder rechts?“, fragte der Tränkemeister sogleich, als sie nur wenige Meter später auf eine Kreuzung stießen. „Ähm... links?“ „Dann laufen wir Gefahr im Kreis zu laufen.“ „Warum fragen Sie mich erst, wenn Sie eh schon entschieden haben?“, beschwerte sich der Gryffindor. „Um dir die Illusion zu geben Mitspracherecht zu haben“, kam nur zurück. Langsam reichte es. Wütend holte Harry auf und funkelte den anderen an. „Wer hat gesagt, dass Sie immer Recht hätten? Niemand hat Sie hier zum Leader ernannt!“ Snape zischte zurück: „Ich lege mein Leben einfach nicht gerne in deine Hände.“ „Das kann ich genauso zurückgeben“, rief Harry. „Was haben wir denn hier?“, hörte Harry jemand zischend hinter sich sagen und verjagte sich tierisch. Sofort wirbelte er herum und stellte sich neben den Slytherin, ihren Streit nun vollkommen vergessend. „Was war das?“, murmelte Snape nun auch wieder konzentriert und lauschte. Zu sehen war noch nichts. „Naja, es gibt nicht viele Möglichkeiten, oder? Nicht alle Kreaturen können sprechen“, überlegte Harry und sah in die Dunkelheit. „Sprechen?“, sah ihn Snape verwirrt an. „Ich denke nicht, dass mein Gehör schon so gelitten hat, Potter. Das war eindeutig ein Zisch...“ Der Tränkemeister hielt inne, als ihm klar wurde, was das zu bedeuten hatte und auch Harry ging ein Licht auf. Wenn Snape nichts verstanden hatte, musste es eine Schlange sein. Wieder sah Harry in die Dunkelheit und bemühte sich, in Parsel zu rufen: „Wer ist da?“ „Sieh an, sieh an“, kam die Antwort und etwas sehr großes kam auf sie zugeglitten. Panisch riss Harry die Augen auf, als ihm bewusst wurde, was für eine Schlange er vor sich haben könnte. Sofort senkte er den Blick und packte Snape hektisch am Mantel. „Basilisk!“, rief er schnell und Snape wandte den Blick ab. In dem Moment war die Schlange zu sehen und Harry betrachtete den Boden knapp vor der Schlange, damit er wenigstens wusste wo sie war. „Es ist lange her, dass ich einen Menschen getroffen habe, der diese Sprache beherrscht“, berichtete die Schlange und schien vorerst nicht angreifen zu wollen. Allerdings klang sie auch nicht besonders freundlich und so zermarterte Harry sich das Hirn, was er sagen sollte, damit sie kein Schlangenfutter wurden. „Es gab also schon vorher Gefangene, die Parsel sprachen?“, versuchte er eine Unterhaltung in Gang zu bringen. „Nur selten. Bevor ich hierher gebracht wurde, habe ich allerdings mit einigen dieser Zauberer zu tun gehabt. Meine Rasse wurde gerne von der Familie Slytherin als Haustier gehalten, um Feinde abzuschrecken“, berichtete der Basilisk weiter, klang jedoch verärgert, was Harry gar nicht gefiel. 'Denk nach Harry', ermahnte sich der Gryffindor fieberhaft. „Du... Du lebst also schon länger als das Labyrinth existiert... Dann weißt du doch sicherlich... wo sich der Ausgang befindet.“ Die Schlange begann sich zu bewegen, was Harry nervös machte. Nicht so nervös jedoch wie Snape war. Immerhin lag ja nun, wie er es vorhin genannt hatte, 'sein Leben in Harrys Hand'. „Warum sollte ich es dir sagen?“, fragte die Schlange. „Ihr seid doch ohnehin ein gefundenes Fressen für mich. Ich habe so lange schon kein Menschenfleisch mehr gekostet.“ Der Gryffindor schluckte. 'Denk nach!' Kapitel 33: Beschützerinstinkt ------------------------------ „Aber magst du... magst du Acromantulas nicht noch lieber?“, gab Harry sein bestes, um nicht als Schlangenfutter zu enden. Leise grummelnd sprach Snape neben ihm: „Ich hoffe doch sehr, dass du nicht gerade mit ihr verhandelst dich zu verschonen, wenn sie mich haben darf.“ „Klappe!“, zischte Harry ihm nur zu. So viel also zu 'kurze Befehle erteilen'. „Warum sollte das jetzt zur Debatte stehen?“, fragte der Basilisk und schlängelte sich ein wenig weiter um die beiden herum. Harry versuchte sich nicht nervös mit herumzudrehen, sondern so stehen zu bleiben, wie er war. Wobei... die Nervosität konnte der Basilisk wahrscheinlich eh wittern. „Ein seltsames Team gebt ihr ab“, kommentierte die Schlange und schien die beiden zu mustern. „Ich habe noch nie Menschen hier getroffen, denen so sehr das Wohl des anderen am Herzen lag. Alles Egoisten, die sich nur zusammentaten, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen, aber bei euch ist es genau umgekehrt. Ihr arbeitet zusammen, um den anderen schützen zu können.“ Harry blieben die Worte im Halse stecken. Wie hatte sie das denn jetzt bitte geschlussfolgert?! „Das... Was... Nein, das...“, stotterte Harry wohl zum ersten Mal in seinem Leben auf Parsel. „Oh sicher, ihr Menschen mögt es ja lieber kompliziert“, kam die Schlange wieder zur anderen Seite. „Ihr würdet wohl niemals zugeben, dass ihr den anderen um jeden Preis beschützen wollen würdet. Muss an den niederen Instinkten der Menschen liegen, ihr seid nicht in der Lage so etwas zu wittern.“ Jetzt war Harry völlig verwirrt. Um jeden Preis? War das nicht ein bisschen übertrieben? Das klang ja fast so, als würden sie sich nahe stehen. „Was ich sagen wollte...“, versuchte Harry wieder den Faden aufzunehmen. „Wir haben eben eine Acromantula geschockt. Sie müsste eigentlich noch dort liegen, wo wir sie zurückgelassen haben.“ „Du bietest mir eine Acromantula gegen euer Leben?“, fragte die Schlange, schien jedoch interessiert zu sein. „Sie würde sicherlich besser schmecken“, sagte Harry nervös. „Wenn du dem Gang hier folgst und die nächste Links gehst, dann solltest du bald auf sie stoßen. Ausgewachsen.“ „Hm...“, überlegte der Basilisk sich das Angebot. 'Bitte bitte...', dachte Harry bei sich. „Dieses Mal könnte ich das annehmen“, glitt sie wieder auf die andere Seite und Snape wurde immer nervöser. Er hielt seinen Zauberstab bereit, doch sofort versetzte Harry ihm einen Schlag in die Seite. Harry hatte sie fast so weit, das durfte er jetzt nicht kaputt machen. Die Schlange schien das aber zum Glück nicht zu beachten. „Ich lasse euch laufen. Aber wenn wir uns wiedersehen sollten, seid ihr meine nächste Mahlzeit.“ Schluckend nickte Harry. „Sicher.“ Damit glitt der Basilisk davon. Erleichtert atmete Harry durch und entspannte sich wieder. Snape hingegen gab den Schlag von vorhin doppelt so stark zurück. „Aua!“, beschwerte der Gryffindor sich und rieb sich den Oberarm. „Selbst Schuld, wenn du so mit mir umgehst“, knurrte der Slytherin. „Ich habe Sie nur davon abgehalten mir irgendwie die Nummer zu versauen.“ Schnaubend setzte Snape sich in Bewegung und Harry verdrehte entnervt die Augen. „Wie wäre es mit einem Danke?“, beschwerte er sich. „Ich habe uns gerade den Hals gerettet.“ „Erwartest du das bei jedem Vieh?“, kam es nur knurrend zurück. Beleidigt ignorierte Harry den anderen. Um jeden Preis beschützen, von wegen! Komisch, so etwas ähnliches hatte Luca auch schonmal gesagt. Wobei... eigentlich war da doch auch nichts bei, oder? Wenn man in Not war, beschützte man die Mitmenschen. Allerdings... wie Snape sich bei der Acromantula vor ihn geworfen hatte, war nicht normal, oder? Warum hatte er das gemacht? Das war mehr als riskant gewesen. Harry zuckte die Achseln. Jedenfalls schien Snape wirklich eine Art Beschützerinstinkt ihm gegenüber zu haben, wenn er an die letzten Jahre zurückdachte. „Was hast du eigentlich mit der Schlange so lange besprochen?“, gab Snape seiner Neugierde nach. „Oh ähm... ich habe ihr die Acromantula angeboten, damit sie uns in Ruhe lässt“, erklärte der Gryffindor. „Allerdings wird sie uns beim nächsten Mal töten.“ Eine Augenbraue hochziehend fragte der Tränkemeister ungläubig: „Und das hat so lange gedauert?“ „Ja“, versuchte Harry unschuldig zu klingen. Snape schien ihm nicht so recht zu glauben, da er noch immer skeptisch zum anderen sah, fragte jedoch nicht weiter nach. Nachdem sie sicher waren, dass der Basilisk weit genug weg sein müsste, machten sie eine Pause. Snape schien sogar fast einzuschlafen und so sorgte Harry kommentarlos für Schutzzauber und schlug vor die erste Wache zu übernehmen. Zur Wache hatten sie immer sehr viel Zeit zum Nachdenken und das hasste Harry. Man durfte nicht darüber nachdenken was hier geschah, sonst würden sie nie die Kraft finden weiterzulaufen. Dieses Mal erschien der Tunnel sogar noch bedrückender als sonst. Diese dauerhafte Dunkelheit und Kälte machten ihn fast wahnsinnig. Er dachte daran, dass er wahrscheinlich nie wieder das Sonnenlicht sehen würde. Hielten die anderen ihn schon für tot? War vielleicht gerade normaler Unterricht in Hogwarts, als sei nie etwas geschehen? Klar, für die anderen ging das Leben normal weiter. Als Harry es nicht mehr aushielt, weckte er Snape, um sich selbst schlafen zu legen. Vielleicht konnte er so die dunklen Gedanken für eine Weile verdrängen.   Severus ging es bei dieser Wache nicht besser als Harry. Die Gedanken drehten sich immer mehr im Kreis und zogen den Tränkemeister herunter. Sie würden hier in diesem ewigen Dunkel elendig verrecken, so viel stand für ihn fest. Was hatte er auch anderes verdient? Sein ganzes Leben über hatte er nur Scheiße gebaut. Und er hatte Menschen gefoltert und getötet, da war dieses Labyrinth die gerechte Strafe. Allein schon Lilys Tod rechtfertigte das alles hier. Aber warum dann Harry? Er hatte nichts getan, er musste überleben. Severus konnte nichts anderes tun, als dem Jüngeren so viel Last wie möglich abzunehmen. Vielleicht war das hier ja die ultimative Prüfung vom Schicksal. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht ihn für Lily zu beschützen, also musste er Harrys Wohlergehen über seines stellen. Aber konnte er ihn denn wirklich retten? Er wusste nicht wie das gehen sollte. Als Harry vom Tränkemeister geweckt wurde, waren sie beide sehr schlechter Laune. Beim Laufen schwiegen sie vor sich hin und versanken in ihren eigenen depressiven Gedanken. Der Gryffindor blieb schließlich stehen, um sich kurz an der Wand abzustützen und durchzuatmen. Warum war das gerade so anstrengend? Er beobachtete den anderen und folgte nervös seinem Blick nach hinten, weil Snape so irritiert aussah. Hinter ihnen war jedoch nichts zu sehen. „Was ist?“, fragte der Grünäugige also. Langsam schüttelte Snape den Kopf. „Nichts. Bilde ich mir wohl nur ein.“ Und so liefen sie weiter. Harry musste wieder an Ron und Hermine denken. Hatten sie sein Verschwinden gut verarbeitet? Und wie hatte die restliche Bevölkerung reagiert? Sicherlich waren viele darunter, die sich sogar darüber gefreut hatten. Was sollte auch so besonders an ihm sein? Er war doch nur ein normaler Junge, der als Baby von seiner Mutter gerettet worden war. Alle hielten ihn für was besonderes, dabei hatte er keine Fähigkeiten. Hinzu kam, dass alle Menschen in seiner Umgebung starben. Er war berühmt geworden, weil seine Mutter für ihn gestorben war, sich für ihn geopfert hatte. Vielleicht war es ganz gut, dass er hier gelandet war, dann konnte er niemandem mehr schaden. Sirius, Cedric, seine Eltern... das waren mehr als genug unschuldige Opfer, die er in den Tod geschickt hatte. Und er konnte sich sogar aussuchen, wie er sterben sollte. Ob Snape ihm den Gefallen tun würde ihn zu erlösen? Alternative wäre verdursten, verhungern oder gefressen werden. Oh oder zu verbluten. Da war ein schneller Avada sicherlich das angenehmste. Mit solchen Gedanken fiel es Harry immer schwerer weiterzulaufen, da er keinen Sinn mehr darin sah. Wozu laufen, wenn sie eh bald starben? Auch Snape war langsamer geworden und hatte mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen. Schreckliche Bilder verfolgten ihn. Bilder aus seiner Vergangenheit, seiner Kindheit, Jungend und die Gesichter der Menschen für dessen Tod und Folter er verantwortlich war... das Gesicht kleiner Kinder, Bekannten... Lilys Gesicht. Er hatte es nicht verdient weiter zu leben. Man sollte ihn Foltern bis sein Körper jegliche Energie verloren hätte. Am besten überließ man diese Aufgabe seinem Vater, dann wäre das noch einmal eine Spur grausamer. Schließlich ließ er sich an einer Mauer herabsinken und blieb dort sitzen. Harry sah ihn kurz so an, als wolle er ihn auffordern wieder aufzustehen, doch dann setzte er sich an die gegenüberliegende Wand. „Alles in Ordnung, Professor?“, fragte Harry nach. „Sie wirken nicht so gleichgültig wie sonst.“ „Tse gleichgültig...“, murrte Snape und sah an die Decke. „Das nennt man jahrelanges Training.“ „Also haben sie doch Schiss“, stellte der Gryffindor fest. „Natürlich“, gab der Slytherin zurück. „Wer hätte an so einem Ort keine Angst?“ Mit zitternden Händen strich Snape sich übers Gesicht. „Wir werden hier nie wieder rauskommen. Am einfachsten wäre es, wenn wir uns gegenseitig umbringen würden.“ Harry schluckte. Also hatte Snape den gleichen Gedanken gehabt wie er. Doch wenn er ihn so betrachtete, schien der Tränkemeister noch mehr unter Selbstzweifel zu leiden als er. „Was zieht Sie so runter?“, fragte Harry, in der Hoffnung dass ein ehrliches Gespräch ihnen beiden wieder helfen würde. Freudlos lachte der andere auf. „Im Ernst, Potter? Du hast doch schon immer Vorwürfe gegen mich in der Hand gehabt. Auch wenn du nicht meine gesamte Lebensgeschichte kennst.“ Mit der Ehrlichkeit schien es wirklich zu klappen, was wohl an ihrem Zustand lag. Wenn er das Gespräch am Laufen hielt, konnten sie sich damit vielleicht über Wasser halten. Also sprach Harry weiter: „Ich kann mir denken, dass Sie als Todesser einiges tun mussten... dann hatte mir ihre Schwester erzählt, dass sie schon so früh das Land verlassen hatte. Und... was Ihr Vater Ihnen angetan hat... weiß ich auch...“ „Einen Scheißdreck weißt du“, murrte Snape, wobei seine Stimme zum Schluss versagte, und er vergrub das Gesicht wieder in den Händen, verharrte dieses Mal aber in dieser Position. Nun musste der Gryffindor doch schlucken. Ja es ging ihm selbst gerade elend, doch Snape schien es wirklich noch viel schlechter zu gehen. Niemals hätte Harry erwartet, Snape mal in so einem Zustand zu sehen und dementsprechend überfordert fühlte er sich. Er musste doch irgendwas tun können. Halb kriechend schleppte Harry sich zur anderen Seite und setzte sich dicht neben den Slytherin, sodass sie sich berührten, um ihm wenigstens irgendwie zu helfen. Reagieren tat der andere jedoch nicht, außer vielleicht, dass sich der Atem etwas beruhigte. Seinen Kopf ließ er weiter gesenkt, Stirn an den Knien und Hände vor dem Gesicht, das ohnehin von seinen Haaren verdeckt wurde. Das war es dann wohl. Sie würden einfach hier sitzen bleiben bis der Tod sie holte. Harry hatte nichts dagegen nun von einem Monster getötet zu werden. Wahrscheinlich würde er sich nicht mehr dagegen wehren. Es fiel ihm sogar schwer den Zauberstab weiterhin erhoben zu lassen, damit sie ein wenig Licht hatten. Erst jetzt kam Harry der Gedanke, dass ein Patronus ihnen gegen diese Dunkelheit in ihren Herzen geholfen hätte, doch nun war es zu spät. In dem Zustand würde er keinen mehr zustande bringen können. Irgendwann legte Harry den Kopf auf den Knien ab und starrte auf den Boden, während er Snape neben sich zittern spürte, wohl eher aus Schwäche als aus Kälte. Der Gryffindor sah zu ihm und überlegte, ob er nicht irgendwie diese Last vom anderen nehmen könnte, doch mehr als ihm das bisschen Wärme zu geben, wenn sie hier so dicht beieinander saßen, fiel ihm nicht ein. Mehr würde Snape wahrscheinlich eh nicht zulassen. Da fiel Harry etwas ins Auge. Neben Snape kam etwas kleines aus der Dunkelheit herbeigekrochen. Gut, jetzt konnten sie endlich sterben. Beim genaueren Betrachten erkannte der Grünäugige, dass dieses Wesen kleiner als ein Elf war und einen riesigen Kopf besaß. Langsam schlich es auf sie zu und Harry wollte es schon zu sich locken, als er erkannte, dass dieses Ding es auf Snape abgesehen hatte. Lange Finger streckten sich nach dem Slytherin aus und aus dem Maul kamen scharfe Zähne zum Vorschein. Plötzlich durchfloss Harrys Körper wieder Energie. Mit einem Satz war er nach vorne gerückt und trat dieses Monster von Snape weg. Es gab ein lautes Quietschen von sich und nun sah auch Snape auf. Eiligst stand der Gryffindor auf und trat erneut nach dem Wesen, welches panisch vor ihm her kroch. Schließlich schockte Harry es und dann passierte etwas seltsames. Als ob ein großer, schwerer, dunkler Mantel von ihm genommen wurde, waren Harrys Gedanken wieder klar, sein Herz wieder leicht und die dunklen Gedanken verschwunden. Bei Snape schien es die gleiche Wirkung zu geben, denn auch er stand auf und kam zum anderen, um sich das Wesen anzusehen. Seine Hände zitterten zwar, als er die Kreatur umdrehte, doch er sah wieder um einiges gefasster aus. „Das ist ein Pogrebin“, stellte der Tränkemeister fest und stand mit finsterem Blick wieder auf. „Das erklärt einiges.“ „Ein was?“, fragte Harry verdutzt. „Ein Pogrebin!“, wurde Snape wütend, anscheinend auf das Wesen. „Diesem Biest haben wir unsere dunklen Gedanken zu verdanken! Es verfolgt Menschen und schickt ihnen negative Gefühle bis sie zusammenbrechen. Danach frisst es die Opfer. Dann hatte ich es mir also doch nicht eingebildet, dieser Stein hinter uns war dieses Vieh!“ Stirnrunzelnd besah Harry sich das Wesen. So hinterhältig sah es gar nicht aus. Und konnte es ernsthaft einen ganzen Menschen verspeisen? Wütend richtete Snape seinen Zauberstab auf das Wesen und sprach ohne zu zögern den Avada aus. „Wir sollten weiter“, sagte er anschließend, wischte sich übers Gesicht und ging los. Etwas perplex folgte der Gryffindor ihm schweigend und warf einen letzten Blick auf den Pogrebin hinter sich. Harry behielt Snape die nächste Zeit genau im Auge. Ihm selbst lag diese ganze Sache noch etwas in den Knochen, belastete ihn jedoch nicht mehr. Das schien bei Snape anders zu sein, denn noch immer war er zittrig und wirkte völlig entkräftet. So war es nicht verwunderlich, dass er schon bald eine Pause einlegte. Einen Schluck aus der Wasserflasche nehmend, setzte Harry sich neben ihn. „Wie hast du das schon wieder gemacht, Potter?“ „Was?“, fragte Angesprochener irritiert. „Wenn ein Pogrebin zum Angriff übergeht, sind seine Opfer eigentlich schon zu schwach, um sich zu wehren“, erklärte Snape ungeduldig. „Warum also hattest du noch die Kraft es anzugreifen?“ „Äh... Ähm...“, stotterte Harry wild los. Was sollte er denn jetzt sagen, verdammt? Wenn er darüber nachdachte, stellte er fest, dass er die Kraft bekommen hatte, weil Snape in Gefahr war. Hätte das Vieh zuerst Harry angegriffen, hätte er sich nicht gewehrt. „Ähm das... das... weiß ich nicht.“ Snape zog eine Augenbraue hoch, fragte jedoch nicht weiter. Als er wieder anfing vor sich hinzustarren, beschloss Harry etwas zu unternehmen. Es fiel ihm zwar noch schwer, doch er dachte an etwas schönes und beschwor seinen Patronus. Überrascht sah der Slytherin auf und betrachtete den Hirsch, der sich quer vor die beiden stellte und ihnen eine Wärme von innen bescherte. Es senkte sogar den Kopf zu Snape, der gedankenversunken die Hand zu den Nüstern erhob, als wolle er das Tier streicheln. Noch immer grübelnd betrachtete Harry ihn. Sein Blick war so abwesend, so leer und er wirkte irgendwie verloren in dieser Welt. Was auch immer dem Tränkemeister eben durch den Kopf gegangen war, es muss schrecklich gewesen sein. „Einen Scheißdreck weißt du.“ Der Tonfall ging Harry nicht mehr aus dem Kopf, ähnlich wie das Flehen und Schreien aus Snapes Erinnerungen. Der Gryffindor wusste zwar mehr als dem anderen lieb war, doch schien es immer noch nicht alles zu sein. So viel Pech konnte man in seinem Leben doch gar nicht haben, oder? „Meine Mutter muss für Sie... sehr wichtig gewesen sein, wenn Sie ihren Patronus haben“, murmelte Harry ruhig, um wenigstens irgendwie von den Geschehnissen abzulenken. Zuerst kam keine Reaktion, stattdessen betrachtete Snape noch immer abwesend den Hirsch vor sich. Schließlich antwortete er ebenso ruhig: „Sie war das einzig Gute in meinem Leben, natürlich orientiert sich der Patronus dann an ihr.“ Skeptisch beobachtete Harry den anderen, der noch immer nichts an seiner Haltung änderte. Waren seine Worte gerade einfach die Folge das Pogrebin, oder meinte Snape das wirklich ernst? Verdammt, er machte es Harry wirklich nicht leicht bei seinem Versuch ihn aufzumuntern. „Ich glaube, ich habe Ihnen noch gar nicht für die Erinnerungen gedankt. Das ist irgendwie bei dem ganzen Chaos untergegangen.“ „Bei unserem ganzen Zoff, meinst du“, grummelte Snape leise. „Keine Sorge, ich habe nichts anderes von einem Potter erwartet.“ Augenverdrehend seufzte Harry auf. Langsam schien es dem Tränkemeister ja besser zu gehen. „Sie brauchen mich nicht gleich wieder anzugreifen. Ich versuche hier nur Sie aufzumuntern.“ „Dann hast du dir aber mit meinem Patronus ein schlechtes Thema ausgesucht“, ächzte der Slytherin und stand auf. Irritiert stand Harry ebenfalls auf und sah fragend zum anderen, der diesen Blick mit einem weiteren Ächzen kommentierte. „Denk mal nach, Potter. Seit ich den Todessern beigetreten war, musste ich meinen Patronus verheimlichen. Er bot mir all die Jahre mehr Gefahr als Schutz.“ Während Snape sich langsam wieder auf den Weg machte, bemühte Harry sich seinen Patronus aufrecht zu erhalten, während er grübelte. „Heißt das die Todesser wissen, welchen Patronus meine Mutter hatte?“ Zu Harrys Verwunderung blieb Snape erneut stehen und sah ihn mit einem seltsamen Blick an, so als ob er am Verstand des Gryffindors zweifeln würde. „Langsam frage ich mich, wie du in deinem angeblichen Lieblingsfach so grottenschlecht sein kannst“, murrte der Slytherin nun schon fast wieder im alten Tonfall. Harry setzte zu einer Antwort an, hatte jedoch keine Ahnung, wovon der andere sprach. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Auf die gedanklich gestellte Frage antwortete der Tränkemeister: „Todesser haben keinen Patronus, aus dem einfachen Grund heraus, weil sie keinen brauchen. Sie stehen auf der Seite der dunklen Kreaturen, warum sollten sie diese also bekämpfen? Warum sollten sie in ihrer Umgebung Glück und Wärme verbreiten wollen? Abgesehen davon, dass die meisten Todesser ohnehin kein sonderlich großes Talent für weiße Magie haben, verständlicherweise.“ Harry biss sich auf die Lippe. So betrachtet ergab das sogar Sinn. Todesser verbreiteten Angst und Schrecken, das genaue Gegenteil von Patroni. Vermutlich waren sie nicht einmal in der Lage positive Energie zu sammeln, um einen Patronus zu erzeugen. „Darüber habe ich eben noch nie nachgedacht“, versuchte Harry sich irgendwie noch zu rechtfertigen. „Denken ist nicht deine Stärke, ich weiß schon“, knurrte Snape und ging weiter. Sofort wollte Harry aufbrausen und den nächsten Streit einleiten, doch er stockte, als er im Blick des anderen sah, dass dieser noch immer nicht ganz bei Kräften war. Na, auf eine gewisse Weise schien sein Aufmunterungsversuch aber geglückt zu sein. Gib einem Severus Snape etwas zum Meckern und schon bessert sich sein Zustand. Typisch. Der Patronus schien dem Tränkemeister ebenfalls zu helfen, daher hielt Harry es für das beste, ihn noch eine Weile aufrechtzuerhalten. Ein bisschen Licht und Wärme konnte ihnen beiden nicht schaden. Bei der Helligkeit fanden sie sogar wieder Wasser, das die Wand herunterlief. Sie füllten ihre Flaschen neu auf, tranken so viel sie konnten und gingen dann weiter. Doch plötzlich machte der Hirsch kehrt und rannte mit gesenktem Geweih den Weg zurück. Verwundert blieben Harry und Snape stehen und sahen ihm nach. Nach einigen Metern war plötzlich ein riesiges Tier zu sehen, das das Ziel des Hirsches war. Er stürmte auf einen Leoparden zu, der den ganzen Tunnel ausfüllte, löste sich jedoch auf, als er gegen ihn stieß und schien dieses Ungetüm nicht im mindesten gekratzt zu haben. Da der Patronus die einzige Lichtquelle gewesen war, wurde es stockdunkel. „Oh bei Merlins...“, war Snape fassungslos, entzündete seinen Zauberstab und schubste Harry voraus. „LAUF!!“ Völlig irritiert gehorchte der Gryffindor und sie beide rannten den Tunnel entlang. Dabei horchte Harry immer wieder hinter sich, doch nichts war zu hören. „Ich glaube es folgt uns gar nicht“, sagte er also. „Ein Nundu bewegt sich lautlos!“, rief Snape nur. Ein Nundu? Davon hatte Harry noch nie gehört. Plötzlich stockten sie, denn vor ihnen war eine weitere Kreatur erschienen. Es sah auf den ersten Blick menschlich aus, doch hatte es dann mehr Ähnlichkeit mit einer Veela. Das konnte nur ein Windgeist sein. Bevor der Grünäugige reagieren konnte, schnappte Snape ihn am Ärmel und zog ihn an die Seite, damit sie an diesem Windgeist vorbeischlüpfen konnten. Damit hatte das Wesen nicht gerechnet und auch Harry nicht. War dieser Nundu so schlimm, dass sie so etwas hier riskieren mussten? Doch da hörten sie schon hinter sich, wie der Windgeist aufschrie und ein Brüllen gesellte sich dazu. Rechts kam eine Abbiegung und Snape zog ihn um die Ecke. Dort lugte er vorsichtig zurück. Auch Harry erkannte nun, dass dieser Nundu das andere Wesen fertig machte und dieses nicht einmal fliehen konnte. „Was ist ein Nundu?“, flüsterte Harry. „Ein Feind gegen den wir nicht die geringste Chance haben“, murrte Snape und lief weiter. „Falls er uns einholt, halte die Luft an, sein Atem verbreitet Krankheiten.“ Harry verzog das Gesicht. „Wieso sind Sie so sicher, dass wir es nicht besiegen können?“ „Hast du nicht gerade gesehen, was das Biest mit dem Windgeist gemacht hat?“, keuchte der Tränkemeister. „Als 100 Zauberer es geschafft haben einen Nundu nur zu schocken, sind sie in die Geschichte eingegangen.“ Nun musste der Gryffindor doch schlucken. So langsam waren die beiden außer Atem, doch sie dachten gar nicht daran stehenzubleiben. Nur einmal kurz drehte Snape sich um und ein lautes Scharren war zu hören. Er hatte mit einer dünnen Steinwand den Gang versperrt, doch bereits nach viel zu kurzer Zeit war ein ohrenbetäubendes Krachen zu hören, da der Nundu durch die Mauer brach. Er war sehr dicht hinter ihnen. Adrenalin durchströmte Harrys Körper und er lief so schnell er konnte um eine Kurve, nur um direkt dahinter erschrocken stehenzubleiben, sodass der Slytherin fast in ihn reingerannt wäre. Er wollte schon protestieren, als er sah, weshalb der andere stehen geblieben war. Eine Sackgasse. „Verdammt!“, schimpfte Snape, zog Harry hinter sich und stellte sich dem Nundu entgegen, der triumphierend auf sie zustapfte. Der Tränkemeister zog den Mantel über seine Nase und der Grünäugige tat es ihm nach. Was nun? Es gab keine Fluchtmöglichkeit mehr und das Biest kam knurrend näher. Hektisch leuchtete Snape den Tunnel ab und dann fasste er einen Entschluss. „Deprimo“, rief er und es gab einen weiteren lauten Knall. Erschrocken sah Harry, wie der Boden unter ihm zerbröckelte und zusammen mit Snape stürzte er hinab. Der Nundu versuchte noch, sie aus der Luft zu schnappen, doch er verfehlte sie. Danach sah Harry nichts mehr, sondern spürte nur noch, wie er in die Dunkelheit fiel. Kapitel 34: Die Hütte --------------------- Ächzend hielt Harry sich den Kopf. Wo war er? Warum war alles so dunkel? Er tastete nach seinem Zauberstab und es dauerte eine Weile, bis er ihn unter einem Stein hervorzog. Er sprach Lumos und sah zuerst nur Steinbrocken. Er lag auf einem großen Haufen Geröll und auch auf ihm lagen einige Steine. Ächzend zog er sein Bein unter einem besonders großen hervor, aber verletzt war er anscheinend nicht. Er klopfte sich den Staub ab, als ihm einfiel, dass er ja nicht alleine war. „Professor?“, rief Harry und kletterte auf den Steinen herum, um den anderen zu suchen. Dort lag er, halb begraben und bewusstlos. Schnell befreite Harry den Slytherin und schüttelte ihn, damit er erwachte, doch es kam keine Reaktion. An seiner Schläfe lief Blut herunter, doch besonders schlimm schien die Wunde nicht zu sein. Die Gliedmaßen waren wohl auch nicht gebrochen, zumindest lagen sie so, wie sie gehörten. Was sollte er jetzt mit ihm machen? Harry stand auf und leuchtete den Gang entlang. Er war größer als die Tunnel, in denen sie vorher waren. Und da vorne war eine Holzverkleidung... Holz? Harry lief skeptisch darauf zu, um es genauer zu betrachten und stellte überrascht fest, dass das eine Tür war. Was hatte eine Tür hier unten zu suchen? Unsicher sah Harry zu Snape hin und wieder zurück zur Tür. Sollte er sie öffnen? Es könnte auch eine Falle sein. Mit erhobenem Zauberstab atmete Harry einmal tief durch, wappnete sich für das schlimmste und öffnete schnell die Tür, doch dahinter verbarg sich kein Monster und es wurde auch kein Zauber ausgelöst. Sein Zauberstab erhellte einen Raum in dem sogar Möbel standen. Konnte er es wagen da reinzugehen? Ganz vorsichtig ging er näher heran und leuchtete den Raum aus. Es schien eine richtige kleine Wohnung zu sein. Ihm gegenüber war ein Regal mit... „Essen!“, rief er aus. Doch das roch doch erst recht nach einer Falle, oder? Testweise nahm Harry einen Stein und warf ihn in den Raum. Nichts geschah. Ganz ganz langsam ging er näher heran und wagte es einen Fuß über die Schwelle zu strecken. Noch immer passierte nichts. Dann sprang er mit einem Satz hinein. Immer noch nichts. Schien sicher zu sein. Neugierig sah Harry sich um und ging weiter hinein. Viel Ausstattung gab es hier nicht, aber es gab noch zwei weitere Räume. Alle hatten kahle Steinwände und -böden, doch besser als diese Tunnel war es allemal. Im größten Raum lag sogar eine Art Pritsche und in der Ecke... Der Gryffindor musste schlucken. Da lag ein menschliches Skelett. War diese Wohnung hier doch tödlich? Oder hatte diese Person hier nur so lange ausgeharrt bis sie von alleine gestorben war? Sonderlich verdächtig erschien es dem Grünäugigen eigentlich nicht. Er entdeckte einige Öllampen, entfachte sie und verteilte sie im Raum. Wirkte wirklich ganz harmlos hier und vor allem sicher vor den Biestern da draußen. Schnell lief Harry zurück zum Slytherin, der noch immer bewusstlos dalag. Zuerst versuchte er ihn hochzuheben, doch das war leichter gesagt als getan, also probierte er den Schwebezauber und bemühte sich Snape nirgendwo anstoßen zu lassen. So manövrierte er ihn langsam in die Wohnung und legte ihn auf die Pritsche. Zuerst zögerte Harry die Tür zuzumachen, wer weiß, ob dann nicht irgendetwas ausgelöst wurde oder sie vielleicht nie wieder herauskamen, doch dann hielt er es doch für das beste. Und tatsächlich geschah nichts. Erleichtert durchatmend wandte er sich wieder dem älteren zu. Warum erwachte der nicht? War er vielleicht doch verletzt? Vorsichtig tastete Harry seine Arme ab, doch die Knochen schienen wirklich in Ordnung zu sein. Dann knüpfte er nach einigem Zögern die Robe und das Hemd auf und erschrak. Die gesamte rechte Hälfte der Brust war ein einziger riesiger blauer Fleck, ein ziemlich übler noch dazu. Er hatte doch nicht etwa innere Blutungen? Langsam wurde der Gryffindor panisch und überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Es konnten auch die Rippen sein. Waren die Rippen gebrochen? Wenn ja stellte sich dann noch die Frage, ob die Rippen die Organe verletzt hatten, vielleicht die Lunge. Na super, wo Snape sich doch nicht selbst heilen konnte und Harry beherrschte die nötigen Zauber nicht. Seufzend strich Harry sich übers Gesicht und versuchte herunterzukommen. Er konnte Snape nicht helfen, wenn er keinen kühlen Kopf bewahrte. Der Slytherin atmete ruhig und es hörte sich nicht so an, als habe er dabei Schwierigkeiten, also ging es den Lungen vermutlich gut. Wenn er Episkey verwendete, würde er doch erfahren, ob die Rippen gebrochen waren, oder? „Komm schon“, murmelte Harry und versuchte sich zu konzentrieren. „Episkey.“ „Ah!“, erwachte da sogleich der Tränkemeister wegen dem Schmerz. Harry hatte es knacken hören, doch bezweifelte er, dass die Knochen geheilt waren. „Nicht so stark atmen“, warnte er den Erwachten. „Was...“, begann Snape und wollte sich erheben, doch schon bei der kleinsten Bewegung schoss ihm erneut Schmerz durch die Brust. „Ruhiger atmen“, wiederholte Harry. „Ich glaube Ihre Rippen sind gebrochen.“ „Das merke ich“, ächzte Snape und versuchte so flach wie möglich zu atmen. Dann sah er sich irritiert um. „Wo sind wir?“ „Immer noch im Labyrinth aber diese Tür war in die Wand eingelassen“, deutete Harry hinter sich. „Und dann spazierst du hier einfach so rein?“, murrte der Tränkemeister immer noch mit schmerzverzerrtem Gesicht. Offenbar war das Reden doch zu viel für ihn, denn er legte den Kopf nach hinten, schloss die Augen und versuchte sich so wenig wie möglich zu bewegen. „Ich war vorsichtig“, grummelte Harry, wollte jedoch keinen Streit anfangen. Schließlich hatte er doch ein wenig Mitleid mit dem anderen. „Es gibt hier was zu essen, auch wenn ich es noch nicht gewagt habe es anzufassen.“ „Wie zum Teufel soll hier so lange Essen gelagert haben?“, flüsterte Snape mit geschlossenen Augen. „Ich hatte gehofft Sie könnten mir das sagen.“ „Dazu müsste ich es erst sehen.“ „Sie können so doch unmöglich aufstehen.“ „Wenn wir nicht sterben wollen, muss ich es eh“, murrte Snape weiter. „Verwende Episkey.“ „Habe ich schon versucht“, murmelte Harry leicht frustriert. „Nochmal“, meinte der Tränkemeister. „Mit einem ausholenden Schlenker wie beim Aufrufezauber.“ Zuerst zögerte Harry, doch dann hob er erneut den Zauberstab und konzentrierte sich. Mit dem Zauberstab ausholend, rief er: „Episkey.“ Wieder gab Snape Schmerzenslaute von sich, doch dieses Mal versuchte er sich zurückzuhalten, um den Brustkorb nicht zu sehr zu bewegen. „Es hat nicht geklappt, oder?“, fragte Harry. „Wenigstens scheinen sie jetzt richtig zu liegen“, murmelte Snape und versuchte aufzustehen. Nach kurzem Zögern half Harry ihm und sehr umständlich schaffte Snape es tatsächlich auf die Beine zu kommen. Langsam und steif lief er in den vorherigen Raum, wo das Regal stand. Brot, Äpfel, Käse und Huhn lagen darauf. „Wo ist mein Zauberstab?“, fragte der Tränkemeister, während er das Regal nicht aus den Augen ließ. Harry wühlte in seinem Umhang, zog den Zauberstab heraus und reichte ihn dem anderen. Vorsichtig nahm dieser das Brot vom Regal, musterte es und ließ es dann mit einem Zauber zu Staub zerfallen. „Sie können doch nicht...!“, protestierte Harry sofort. Doch dann sah er, was der Slytherin bezweckt hatte. Auf dem Regal war ein neues Laib Brot erschienen. „Deshalb ist es noch frisch“, erklärte der Tränkemeister. „Es erneuert sich immer wieder. Eine unerschöpfliche Nahrungsquelle.“ Die Augen des Gryffindor wurden groß. Unerschöpflich? Das waren endlich mal gute Neuigkeiten! Kein Hungern mehr, keine widerlichen Biester mehr! „Aber... Essen aus dem Nichts zu beschwören...“ „Das funktioniert natürlich nicht“, warf Snape sofort ein. „Selbst du solltest Gamps Gesetz kennen. Irgendwie hat man es geschafft, dass es nach so langer Zeit immernoch eine Quelle für die Nahrungsmittel gibt.“ Völlig unbeeindruckt von Snapes Argument starrte Harry die Lebensmittel weiterhin wie das achte Weltwunder an, weshalb der Slytherin ihn skeptisch musterte. „Jetzt sag mir nicht, dass du darüber nachdenkst, bis ans Ende deiner Tage hier zu bleiben, nur wegen dem Essen?“, maulte Snape sogleich wieder. Sich leicht ertappt fühlend wurde Harry verärgert. „Nein! Blödsinn.“ Eine Augenbraue hebend, sah Snape ihn tadelnd an. Um dem zu entgehen, ging Harry mürrisch zurück in den anderen Raum und wollte nun den letzten erkunden, wo er sich noch nicht umgesehen hatte. Mit einer der Öllampen leuchtete er den Raum aus und als erstes entdeckte er ein steinernes Becken und darüber... „Ich fasse es nicht!“, machte er seiner Freude Luft. Das war ein Waschbecken! Ein ziemlich schäbiges aber es war ein Waschbecken. Und daneben ein Plumpsklo (immerhin etwas)... Harry sah sich im ganzen Raum um. Das hier war ein komplettes Bad. Eilig lief der Gryffindor zum Wasserhahn und drehte ihn auf und tatsächlich floss Wasser daraus. „Hier gibt es fließend Wasser!“, rief er Snape aufgeregt zu und hielt fasziniert seine Hand unter den Wasserstrahl, als hätte er noch nie so etwas gesehen. „Blödsinn“, rief der andere zurück und kam herüber. „Das Labyrinth ist zu alt, um Wasserleitungen zu...“ Mitten im Satz brach er ab als er den Raum sah und vor allem Harry am Waschbecken. „Wie ist das möglich?“, murmelte er und sah sich das Becken genauer an. „Es scheint sogar Medizin zu geben“, meinte Harry noch aufgeregter und besah sich die Gegenstände im offenen Hängeschrank. Zaubertränke gab es zwar nicht, aber einige Salben. „Dann könntest du dich ja endlich mal um deinen Rücken kümmern“, sagte Snape und besah sich ebenfalls die Salben. „Was?“, fragte Harry irritiert nach. Seinen Rücken? Was war damit? Irritiert sah Snape ihn an. „Jetzt sag nicht du merkst davon nichts.“ Noch immer sah der Grünäugige ihn verwirrt an. „Dein ganzer Rücken ist voller Blut.“ Harry runzelte die Stirn und griff sich so gut es ging an den Rücken. Hatte er sich doch verletzt? Und tatsächlich merkte er, dass sein Pullover nass war und jetzt, wo er ihn gegen den Rücken drückte, brannte es auch ein wenig. Augenverdrehend kam Snape zu ihm. „Zeig her.“ Der Gryffindor drehte sich um und Snape zog den Pullover hoch, um sich die Verletzung anzusehen. Seit wann fiel es ihnen beiden eigentlich so leicht dem anderen mal eben das Oberteil auszuziehen? War es schon so sehr zur Gewohnheit geworden? Der Blick des anderen auf sich zu spüren, fand Harry nun doch etwas merkwürdig. „Die geht einmal über den ganzen Rücken“, murmelte der Tränkemeister. „Von hier...“, damit legte er Harry einen Finger mittig auf sein linkes Schulterblatt, „bis hier“, und berührte Harry nun rechts an der Taille. Harry schluckte. Irgendetwas stimmte gerade nicht mit ihm. Dieses seltsame Kribbeln musste von der Verletzung kommen, anders konnte er es sich nicht erklären. „W-Was“, begann der Grünäugige und hätte sich dafür ohrfeigen können das er stotterte, „sind denn da für Salben? Sind die noch haltbar?“ „Ich denke schon“, ging Snape zum Glück drauf ein und wandte sich wieder dem Regal zu. „Alles hier scheint unter einem besonderen Zauber zu stehen, der alles aktuell hält. Deshalb gibt es auch fließend Wasser.“ Er nahm eine Salbe nach der anderen in die Hand. „Halten“, hielt er Harry eine hin, der sie ihm murrend abnahm. „Die hier müsste helfen“, sagte Snape letztendlich, öffnete eine der Tuben und forderte Harry auf den Pullover hochzuhalten. Wieder musste Harry schlucken, doch der Tränkemeister schien nichts zu bemerken. Ohne weiteren Kommentar, zog der Grünäugige seinen Pullover hoch und wartete. Sogleich spürte er Snapes Finger auf seinem Rücken, die die Salbe verteilten. Nun brannte es doch ein wenig, doch viel mehr störten Harry seine Nackenhaare, die sich aufgestellt hatten. Was zum Teufel war mit ihm los?! Dieses Labyrinth musste seinem Hirn deutlich geschadet haben! „Die Formel für die Substanz ist leider veraltet“, murrte der Slytherin. „Also wird es nicht sofort verheilen.“ Stumm nickte der Gryffindor. War der Kerl endlich mal fertig? Er wanderte gerade mit der Hand Richtung Wirbelsäule und hielt dann inne. Hatte er etwas bemerkt? Hatte er vielleicht Gänsehaut am Rücken bekommen? Snape machte Anstalten etwas zu sagen und Harry überlegte sich schon fieberhaft Ausreden, doch dann blieb der Slytherin stumm und verteilte weiter die Salbe. Hatte er nun etwas bemerkt oder nicht? Als Snape ihn aufforderte, den Pullover wieder runterzumachen und Harry sich zu ihm umdrehte, deutete jedenfalls nichts darauf hin. Aber was hatte er dann sagen wollen? „Steck die am besten ein“, hielt Snape ihm die Tube hin. Dafür verlangte der Slytherin nun nach der anderen Salbe, die Harry noch immer in der Hand hielt und verließ dann damit den Raum. Der Grünäugige nutzte die Gelegenheit, um sich kurz zu sammeln. Okay, das gerade war einfach nie passiert, er hatte da sicherlich nur was durcheinander gebracht. Ihm war nur nicht wohl bei dem Gedanken, Snape den Rücken zu kehren und hatte dieses Gefühl fälschlicherweise positiv gedeutet. Ja, das muss es gewesen sein. Langsam seufzend folgte er dem anderen. Snape hatte sich auf die Pritsche gesetzt und verteilte die Creme nun auf seinem Brustkorb. Den Blick abwendend, ging Harry hinüber ins vorderste Zimmer. „Heißt das jetzt ich kann diesen Kram hier ohne Sorge essen?“, rief er dem anderen zu und sah hungrig zum Regal. „Vermutlich schon“, kam die Antwort. „Vermutlich“, murmelte Harry leise vor sich hin, nahm den Apfel und musterte ihn kritisch. Ein Apfel war vielleicht die schlechteste Wahl, um zu testen, ob das Essen vergiftet war oder nicht. Mit einem komischen Gefühl im Magen, legte Harry den Apfel zurück und nahm stattdessen den Käse. Snape war wieder hinter ihm aufgetaucht und sagte: „Du traust dem Apfel nicht?“ „Erinnert mich zu sehr an Schneewittchen“, antwortete der Gryffindor und biss vom Käse ab. „Das ist eine Märchenfigur von den...“ „Ich weiß wer das ist“, unterbrach Snape ihn knurrend. „Falls du es vergessen haben solltest, hatte ich als Kind eine Freundin, die muggelstämmig war.“ „Woher soll ich wissen was Sie wissen?“, zitierte Harry den anderen leicht bissig. Dem Slytherin schien es ja schon wesentlich besser zu gehen, wenn er wieder blöde Sprüche bringen konnte. „Wir werden wieder frech, was?“, knurrte Snape zurück. „Pff“, gab Harry nur von sich und ignorierte den anderen. Das er auch immer so tun musste, als sei er ihm überlegen. Wer hatte denn gerade noch mit Höllenschmerzen auf der Pritsche gelegen? Allerdings musste der Gryffindor zugeben, dass sich Snape mit Wehklagen ziemlich zurückhielt. Gebrochene Rippen waren sicherlich nicht das angenehmste, doch statt sich auf der Pritsche auszuruhen, versuchte er sich ganz normal zu verhalten. Als Harry sich satt gegessen hatte, wanderte er wieder in den hinteren Raum, um sich mit dem Wasser im 'Bad' zu waschen. Herrlich, dieses wunderbare Nass in seinem Gesicht zu spüren und sich nicht mit Reinigungszaubern zufrieden geben zu müssen. Und das alles ohne den Zauberstab nebenbei halten zu müssen, um Licht zu haben. Diese Öllampen waren schon ein Luxus, die mussten sie unbedingt mitnehmen. Bei dem Gedanken stockte Harry. Mitnehmen, wohin denn? Sie waren noch immer im Labyrinth und nur weil er dieses Versteck hier gefunden hatte, hatten sie noch lange keinen Ausweg gefunden. Sich am Beckenrand abstützend, dachte er an die Kreaturen, denen sie bereits begegnet waren. Es gab hier noch viel mehr von denen und einige waren vielleicht sogar genauso gefährlich wie der Basilisk oder der Nundu. Oder so hinterhältig wie der Pogrebin... er konnte es diesem verstorbenen Zauberer nicht verdenken, der den Rest seines Lebens hier in der Hütte verbracht hatte. Für einige Zeit ließen es sich die beiden gut gehen. Sie hatten alles was sie brauchten, um wieder Energie zu tanken, dennoch wussten sie, dass sie nicht ewig dort bleiben konnten. Sie sprachen es zwar nicht offen an, doch beide waren sich bewusst, dass sie bald wieder in diesen Tunnel hinaus mussten. Da die Salbe für Harrys Rücken nicht so wirkungsvoll war, wie modernere Salben, musste Snape Harrys Rücken ein zweites Mal eincremen. Wieder hielt er kurz bei der Wirbelsäule inne und rang mit sich. Schließlich fragte er zögerlich: „Wo hast du diese Narbe her?“ Dabei strich er neben der Wirbelsäule ein Stück auf und ab, was Harry wieder Gänsehaut bereitete. „Ähm...“, dachte der Gryffindor schnell nach. „Kommt vom Trimagischen Turnier.“ „Hör auf zu lügen, die Narbe ist viel älter“, murrte der Slytherin. „Sie hat sich durch den Wachstum völlig verzerrt.“ „Warum sollte ich es Ihnen erzählen?“, knurrte Harry plötzlich abwehrend. „Schön“, meinte Snape nur knapp, rieb die Wunde fertig ein und wandte sich dann ab. Was denn, er bohrte nicht weiter nach? Er respektierte ihn? Nun doch zögernd, gab der Gryffindor seine verkrampfte Haltung auf. „Sie kennen die Situation bereits, in der sie entstanden ist“, murmelte er also. Fragend hob Snape eine Augenbraue, während Harry sich zu ihm umdrehte. „Sie haben es im Okklumentikunterricht gesehen. Oder den Anfang zumindest.“ „Das reicht nicht ganz, um darauf zu kommen, Potter“, wusste Snape noch immer nicht, wovon der andere sprach. „Sie hatten damals gefragt, ob so etwas öfter vorkam“, zuckte Harry mit den Achseln. Der Slytherin schien nun zu begreifen, dass Harry die Szene meinte, in der Onkel Vernon ihn geschlagen hatte. Die Augen analytisch verengend, sagte der Tränkemeister: „Du hast gesagt es sei nicht mehr viel passiert.“ „Ist es auch nicht“, wischte Harry das ganze mit der Hand weg. „Ich bin gegen einen Stuhl gekracht und da ist ein Stuhlbein abgebrochen. Das hat die Narbe verursacht.“ Schweigend beobachtete Snape den anderen, als ob er nicht glauben würde, dass das alles war. Also beteuerte der Gryffindor nochmals: „So etwas ist nie wieder passiert. Und so schlimm wie es klingt war es auch nicht.“ Wirklich überzeugt schien der Tränkemeister nicht zu sein, doch er wandte den Blick ab und schien das Thema abzuschließen. Harry wusste inzwischen, warum Snape so empfindlich bei solchen Themen reagierte. Damals hatte er sich noch gefragt, warum es ihm so wichtig war, wie er von Onkel Vernon behandelt wurde, doch nachdem er das von Snapes Vater erfahren hatte, leuchtete ihm das alles ein. So kalt Snape auch wirkte, Gewalt gegen Kinder verabscheute er. „Wir sollten nicht mehr lange hier bleiben“, wechselte der Slytherin das Thema. „Meinen Sie denn das geht mit Ihren Rippen?“, zweifelte Harry ein wenig. Der Schmerz schien wirklich abgeklungen zu sein, vermutlich wegen der Salbe, doch dafür lief der Tränkemeister extrem steif und wäre bei einem Kampf völlig unbeweglich. „Willst du ernsthaft hier bleiben bis die Knochen verheilt sind?“, zog Snape ungläubig eine Augenbraue hoch. Harry musste zugeben, dass das hauptsächlich eine Ausrede war. Er wollte nicht zurück in die dunklen Tunnel, wo sie jederzeit getötet werden konnten. „Du hast doch die großen Reden geschwungen, dass du den Ausgang finden willst“, murrte Snape weiter. „Schon...“, zögerte der Gryffindor. „Du hast Angst“, stellte Snape fest. „Nein!“, brauste Harry sofort auf. „Meinetwegen können wir weiter.“ Damit schnappte er sich seinen Mantel und kontrollierte, ob er das Messer eingesteckt hatte. Snape musterte ihn skeptisch mit hochgezogener Augenbraue. „Es wäre schlauer vorher nochmal auszuschlafen und zu essen. Wir können nur einmal Essen mitnehmen, danach müssen wir uns wieder was fangen.“ Murrend legte Harry seinen Mantel wieder weg. „Wer will jetzt länger hier bleiben?“ Also ruhten sie sich aus und schlugen sich die Bäuche voll. Nach vielen Stunden machten sie sich tatsächlich zum Aufbruch bereit. Sie räumten das Regal leer, füllten ihre Flaschen mit Wasser und nahmen die Salben mit, die Snape für nützlich hielt. Im letzten Moment fiel Harry noch ein, dass er eine Lampe mitnehmen wollte. Fertig gerüstet atmeten sie tief durch, ehe sie die Tür öffneten, durch die sie vor einigen Tagen gekommen waren, und blickten in die unerbittliche Dunkelheit. Harry schluckte und folgte dann Snape, der als erstes seinen Mut zusammennahm. Da waren sie wieder, im dunklen, kalten, unendlichen Tunnel. Harry wurde das Herz schwer. Das bisschen Luxus, das sie genossen hatten, war nun wieder fort. Nur die Lampe machte das Ganze ein bisschen besser, denn ihr Licht war nicht so kalt wie das des Zauberstabs. Allerdings würde ihnen bald das Öl ausgehen. Sie waren noch gar nicht weit gegangen, da hörten sie hinter sich ein merkwürdiges Geräusch. Irgendetwas schien über den Boden zu fleuchen. Mit erhobenen Zauberstäben drehten sich die beiden Zauberer um... und erstarrten vor Schreck. Eine junge Frau kroch auf sie zu, von oben bis unten mit üblen Wunden übersät. Sie erinnerte mehr an eine Leiche als an einen lebendigen Menschen. Sie keuchte und ächzte und ihr langes, rotes Haar verdeckte größtenteils ihr Gesicht. Doch als sie dichter kam, hob sie den Blick und streckte ihren halb verwesten Arm Snape entgegen. Seine schwarzen Augen trafen auf grüne. Mit aufgerissenen Augen machte der Slytherin einen Schritt zurück und jetzt erkannte auch Harry, wer diese Frau war. Übelkeit überkam ihn, der Schock wanderte wie Strom durch seinen Körper und beinahe hätte er die Lampe fallen lassen. Die Frau kam näher und nun wich auch Harry panisch zurück. Nach langem Zögern schaffte der Tränkemeister es endlich sich zu einem Zauber zu überwinden, den er gegen die kriechende Person verwendete. Augenblicklich veränderte sich die Gestalt. Leichter Rauch stieg auf und die Frau stand schlagartig auf. Überrumpelt stolperte Snape nach hinten, stürzte und ließ seinen Zauberstab fallen. Dann veränderte sich die Frau und wurde zu einem hochgewachsenen Mann mit kurzen, dunkelbraunen Haaren und einer Hakennase. Grimmig sah er auf Snape hinab und ging auf ihn zu. Langsam schaltete sich wieder Harrys Verstand ein und er begriff, was sie da vor sich hatten: Einen Irrwicht. Eilig kroch Snape vor, um sich seinen Zauberstab zu schnappen, doch da packte der Mann ihn am Bein und zog ihn wieder zurück. Mit Entsetzen starrte der Slytherin in die Augen des Mannes, der zum Angriff überging. Doch endlich löste sich Harry aus seiner Starre. Er musste Snape helfen. Er musste den Irrwicht auf sich lenken, aber wie wenn er nun schon fast über Snape gebeugt war? Ohne groß nachzudenken, machte der Gryffindor einen Satz nach vorne, hockte sich neben den Slytherin und brachte sich zwischen Snape und Irrwicht. Sofort veränderte dieser wieder seine Gestalt und schon hatte Harry einen Dementor vor sich. „Ridikkulus“, rief Harry schnell und ein Windstoß ließ den Umhang des Dementors hochfliegen, sodass eine rot-weiße Ringelhose zum Vorschein kam. Schnell versuchte der Dementor den Umhang wieder runter zu schieben, doch das gelang ihm nicht und so schwebte er nervös rückwärts, ehe er die Flucht ergriff. Keuchend und zitternd hockte Harry da und brauchte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass er nicht mehr schützend über dem anderen kauern musste. Fahrig erhob er sich und sah zum anderen hinunter. Snape schien noch nicht wieder im Hier und Jetzt angekommen zu sein, sondern starrte weiterhin ins Leere. Sein Atem war zittrig und er nahm keine Notiz von Harry. Seine erste Bewegung ging zum Zauberstab, den er eilig aufhob und versuchte sich dann gerade hinzusetzen. Dabei strich er sich ächzend über den Brustkorb und verzog das Gesicht. Der Gryffindor war ein wenig mit der Situation überfordert. „Ähm... ich... kann die Rippen nochmal richten.“ Erst jetzt schien der Slytherin Harry wieder wahrzunehmen. Er sah kurz auf, senkte den Blick jedoch schnell wieder und rutschte dann zur Wand, um sich anzulehnen. Dann strich er sich durchs Haar und versuchte sich wieder zu fangen. „Ist wohl notwendig“, presste er hervor und begann sein Hemd aufzuknüpfen. Sich neben Snape hockend, versuchte Harry den anderen nicht anzusehen und wartete. Ein Irrwicht nahm die Gestalt von dem an, wovor man am meisten Angst hatte. Beide Gestalten waren an Snape gerichtet gewesen. Der Tod von Lily schien den Slytherin mehr zu verfolgen, als Harry gedacht hatte. Auch für ihn war es ein riesiger Schock sie so zu sehen, dieses Bild würde er bestimmt nicht mehr so schnell los werden. Und die zweite Person war Snapes Vater gewesen. Dem Tränkemeister war sicherlich bewusst gewesen, dass er einen Irrwicht vor sich hatte, sonst hätte er keinen Zauber angewendet, doch trotzdem hatte er es nicht geschafft sich gegen ihn zu wehren. Nun riskierte der Gryffindor doch einen Blick zum anderen. Snape gab sein bestes, um sich nichts mehr anmerken zu lassen, doch man sah ihm noch an, dass der Schock ziemlich tief saß. Verdammt, er war ein Todesser und dennoch war es sein Vater, vor dem er am meisten Angst hatte? Anscheinend hatte er Snape damals wirklich übel zugerichtet. Und wieder hatte der Grünäugige das Gefühl mehr zu wissen, als es Snape lieb war. Das Hemd war offen und der Gryffindor konzentrierte sich auf den Zauber. Er hatte ihn nun schon einige Male angewendet, doch geheilt bekam er die Knochen einfach nicht, sondern nur zurechtgerückt. Aber wenigstens hatte die Salbe die blauen Flecken minimieren können. „Achtung... Episkey“, warnte Harry Snape vor und dennoch konnte der einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken. Er konzentrierte sich darauf möglichst flach zu atmen und beruhigte sich langsam wieder. Noch immer unsicher saß Harry da und beobachtete ihn. Sein Blick fiel auf die zwei Ketten, die Snape um den Hals trug und die Harry schon mehrmals aufgefallen waren. Er hielt Snape nicht für jemanden, der gerne Schmuck trug, aber bei genauerem Hinsehen erkannte Harry einen der Anhänger. Das Medaillon. Ein Familienerbstück, wie Snape selbst gesagt hatte. Und was hatte es mit dem Wolfsanhänger auf sich, der neben dem Medaillon baumelte? Während das Medaillon noch irgendwie magisch wirkte, schien die Wolfsfigur einfach nur ein normaler Anhänger zu sein. „Tu mir den Gefallen und erwähne diesen Vorfall nicht. Nie“, sagte der Tränkemeister und zögerlich nickte der Gryffindor. Kurz wurde er vom Slytherin scharf gemustert, ehe sich dieser erhob und auch Harry kam hastig auf die Beine. „Wir sollten möglichst weit laufen solange wir noch ausgeruht sind“, murmelte Snape und schickte Harry voran. Verärgert dachte der Gryffindor, Snape wolle ihn als Schutzschild missbrauchen, doch dann kam ihm der Einfall, dass der Slytherin vielleicht nicht von ihm beobachtet werden wollte.   „Ernsthaft, Ritter Luckless?“ runzelte Harry die Stirn. „Ging es nicht ein bisschen einfallsreicher?“ „Potter, das ist ein Märchen für Kinder“, murrte Snape. „Natürlich ist da alles unrealistisch und rosarot. Zum Schluss finden die auch ohne den Brunnen ihr Glück, weil sie an ihre eigenen Stärken geglaubt haben.“ „Dumm ist das aber nicht. Die Moral von Märchen ist eigentlich nie verkehrt.“ „Trotzdem wäre mir so ein Brunnen jetzt recht“, knurrte der Slytherin zurück. Zum ersten mal seit sie in Necrandolas waren, waren die beiden Zauberer in Smalltalk gefallen und das nur, weil Snape meinte, sie könnten den Brunnen des Glücks aus einem Märchen gebrauchen. Da Harry keine Märchen aus der Zaubererwelt kannte, hatte er Snape dazu genötigt, ihm dieses zu erzählen. „Manchmal ist Glück auch von der Betrachtungsweise abhängig. Wie bei Hans im Glück“, erklärte Harry. Snape schüttelte leicht den Kopf. „Das kenne ich wiederum nicht. Ich war gezwungen mir ständig Dornröschen anzusehen, weil das Lilys Lieblingsmärchen war...“ Bei dem Gedanken an Lily verstummte der Tränkemeister sofort und verstohlen betrachtete Harry ihn aus dem Augenwinkel. Sie hatten zum ersten mal in ihrem Leben ein simples Gespräch geführt, da musste der Slytherin doch nicht gleich wieder abbrechen. „Zu Hause wurde selten über Märchen gesprochen, weil Dudley mit so etwas nichts anfangen konnte. Aber in der Schule wurden uns andauernd welche erzählt“, versuchte Harry die Unterhaltung etwas unbekümmerter weiterzuführen. „Ich schätze bei Dudley sind einfach bestimmte Hirnareale zu verkümmert, um hinter solche Geschichten zu steigen. Er hat nie gemerkt, was für einen Zauber sie doch haben.“ Zum Schluss hin wurde Harry immer nachdenklicher. Schon seltsam auf diese Zeit zurückzublicken, jetzt wo er wusste, dass es so etwas wie Magie wirklich gab. „Das waren einfach nur Geschichten, größtenteils gruselige noch dazu. Was für ein Zauber sollte bitte auf so etwas liegen?“, murrte der Slytherin skeptisch, was Harry belustigt zum Schmunzeln brachte. Das war so typisch Zauberer. „Ich glaube das verstehen nur diejenigen, die bei Muggeln aufgewachsen sind.“ Plötzlich hielt Harry inne und lauschte. Auch der Slytherin hatte etwas gehört und sah in die Dunkelheit. Da war es wieder, ein Grunzen. Und es kam näher, immer näher, aber es war absolut nichts zu sehen. Der Gryffindor hatte das Gefühl, dass dieses Etwas bereits direkt vor ihnen war, doch im Lichtschein war absolut nichts zu sehen. Ratlos sah er zum anderen, der überlegend die Augen zusammengekniffen hatte. Dann hörte Harry es wieder, ein Grunzen und Schnauben direkt vor ihm. Erschrocken machte er einen Satz nach hinten und hob seinen Zauberstab und auch Snape zückte seinen. „Was ist das?“, fragte Harry irritiert. Ahnungslos schüttelte der andere langsam den Kopf ohne den Blick vom Ort zu nehmen, wo er das Geräusch her vermutete. Wieder ein Schnauben, dann Getrappel und dann... „Autsch!“, rief Harry aus, während er zu Boden segelte. Kapitel 35: Erste Schritte -------------------------- „Autsch!“ Irgendetwas hatte Harrys Bein erwischt und es ihm entrissen, so dass er das Gleichgewicht verloren hatte. Das Grunzen war nun hinter ihm. „Das Vieh ist unsichtbar!“, rief der Gryffindor aufgeregt aus. „Ach wirklich, Potter? Gut erkannt“, kam sofort die bissige Antwort des Slytherins. Das wars dann wohl mit dem normalen Umgangston. Nun sprang Snape zur Seite, da dieses Wesen ihn offenbar auch angriff. Schnell rappelte sich Harry wieder auf und sah ratlos in der Gegend herum. Dann schickte er testweise einen Schockzauber ins Nichts, doch entweder hatte der keine Wirkung oder er hatte nicht getroffen. Der einzige Effekt war, dass das Wesen offenbar wütend wurde. Wieder wurde Harry gerammt und beim Stürzen glitten seine Hände über ein borstiges Fell. Das Wesen musste ihm ungefähr bis zur Mitte des Oberschenkels gehen. „Ein Schwein?!“, fragte Harry verwundert. Wurden sie gerade ernsthaft von einem unsichtbarem Schwein angegriffen?! „Das muss ein Tebo sein“, rief Snape aus, bevor auch er getroffen wurde und auf den Knien landete. „Verdammt, Potter, tu doch endlich mal was!“ „Ich? Wieso ich? Sie sind hier der erfahrenere“, rief Harry mit hoher Stimme zurück. Sie konnten sich doch nicht von so einem Tier an der Nase herumführen lassen! Harry nahm eine stabile Stellung ein und wartete darauf, dass das Tier ihn erneut angriff. Als er es direkt vor sich hörte, schmiss er sich dort hin und versuchte das Schwein zu packen. Tatsächlich landete er auch auf diesem, doch es gab ein verärgertes Quietschen von sich und rannte los, den Gryffindor mit sich schleifend. „Uah!“, rief dieser aus und fiel nach zwei Metern zu Boden. „Potter, du sollst nicht mit dem Tierchen spielen“, knurrte der Slytherin erneut und versuchte dem Tebo einen Zauber entgegenzuschicken. „Tu ich doch gar nicht!“, antwortete Harry verärgert. „Ich versuche wenigstens irgendwas zu unternehmen.“ „Glaubst du ernsthaft du könntest einen ausgewachsenen Tebo halten?“ „Ich weiß doch nicht einmal, wie das Vieh aussieht!“ „Es ist...“, begann Snape, bekam jedoch vom Tebo einen frontalen Schlag und fiel keuchend hin. „...ein Warzenschwein.“ „Also gefährlich oder nicht?“ „Nicht wirklich. Kommt drauf an.“ „Wodrauf?“ „Wie wütend es ist.“ „Na wunder...“, wurde nun auch Harry unterbrochen, als das Quietschen wieder vor ihm war. Hektisch warf er sich an die Wand. „Wuahh!“ Kopfschnüttelnd beobachtete Snape das, während er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die Beine kam. „Was?!“, rief Harry ärgerlich. „Du könntest das hier ruhig mal ernst nehmen.“ „Nehme ich doch!“ „Und warum sieht es so aus als wolltest du mit dem Vieh tanzen?“ „Bitte wa... AH!“ Harry kniete sich hin und hielt sich sein rechtes Bein. Vorsichtig betrachtete er die blutende Wade. „Es hat mich gebissen!“ „Bist deinem Tanzpartner wohl zu oft auf die Füße gelatscht.“ Nun fiel dem Gryffindor wirklich nichts mehr ein. Völlig sprachlos sah er Snape mit offenem Mund an. Was zum Teufel...? Das alles musste ein Traum sein. Es war so... irrsinnig und... zugegeben ein wenig lustig, aber das tat jetzt nichts zur Sache! „Wenn Sie so schlau sind, dann fangen Sie doch diesen Tebo“, murrte Harry. „Was glaubst du was ich hier versuche!“ „Tanzen?“ Mit verengten Augen warf der Slytherin Harry fiese Blicke zu. „Hey, sagen Sie mir lieber, was ein Verteidigungslehrer gegen einen Tebo empfehlen würde.“ Schnaubend unterbrach Snape den Blickkontakt und suchte wieder das Tier. „Man müsste mit Farbe um sich sprühen, aber die können wir hier nicht heraufbeschwören.“ „Kann man das Tier nicht besänftigen? AU!“, fiel Harry wieder zu Boden. „Ich meine, sind die von Natur aus bösartig?“ „Eigentlich nicht, aber sie sind schnell beleidigt, wenn man sie 'übersieht'. Wahrscheinlich hast du ihm eben den Weg versperrt und deshalb ist es eingeschnappt.“ „Na wunderbar“, knurrte der Gryffindor und rieb sich den Ellenbogen. Hatte es überhaupt noch Sinn immer wieder aufzustehen? Dann kam dem Gryffindor eine Idee. „Geben Sie mir was von dem Käse“, streckte er Snape auffordernd die Hand entgegen. „Potter, ich lasse nicht zu, dass du unser Essen an dieses Biest verfütterst!“ In dem Moment stürzte Snape wieder zu Boden. Ächzend hielt er sich die Rippen und machte auch keine Anstalten mehr wieder aufzustehen. Grummelnd kam Harry zu ihm herüber, griff in die Tasche und zog den Käse heraus noch bevor der andere reagieren konnte. „Potter!“, rief Snape verärgert aus und griff nach dem Käse, doch Harry zog seine Hand weg und schnitt mit dem Zauberstab ein Stück ab. Den Rest reichte er wieder Snape, während er das andere Stück auf seine flache Hand legte. Tief durchatmend versuchte er sich zu beruhigen und Ruhe auszustrahlen und suchte weiterhin mit den Augen nach Hinweisen, wo der Tebo steckte. Tatsächlich wurde das wütende Quietschen wieder zu einem Grunzen und wenige Augenblicke später spürte Harry eine warme Schnauze und sah den Käse auf seiner Hand verschwinden. Vorsichtig streckte er die andere Hand aus und tastete nach dem Tier, um es zu streicheln. Als er das borstige Fell spürte, strich er vorsichtig darüber und versuchte so zu tun, als würde er den Tebo sehen. „Wenn der Tebo wirklich so empfindlich ist was Aufmerksamkeit angeht, dann sollten wir vielleicht so tun als könnten wir ihn sehen“, erklärte Harry ruhig, während Snape ihn skeptisch beobachtete. „Du hast zu viel mit Hagrid zu tun gehabt“, murrte der Tränkemeister und setzte sich ächzend auf. Dann entzog sich der Tebo Harrys Hand und sie hörten, wie das leise Grunzen den Gang hinunter verschwand. „Ich fasse es nicht“, murmelte Snape leise vor sich hin und rieb sich die Nasenwurzel. Ohne einen weiteren Kommentar drehte der Gryffindor sich zum Slytherin, um seine Rippen zu richten. Schweigend sah Snape ihn dabei an, was Harry irgendwie nervös werden ließ. Unsicher sah er kurz auf in die schwarzen Augen, die ihn ausnahmsweise mal nicht böse anfunkelten, senkte den Blick jedoch sehr schnell wieder. „Episkey“, murmelte er und ärgerte sich über seine schwitzigen Hände, während Snape leise aufkeuchte und seine Hand zu seinen Rippen schnellen ließ. „Dann... mal weiter“, sprach Harry leise und stand nervös auf. Was war denn nur mit ihm los? Seit wann brachte Snape ihn so aus der Fassung? War es einfach nur, weil dieser Umgang miteinander für sie so ungewohnt war? Bereits nach den ersten paar Schritten wurde Harry unsanft aus seinen Gedanken gerissen, da er ein Stechen in seiner Wade spürte. Achja, da war ja was. „Komm her“, grummelte Snape und Harry kam wieder zu ihm gehumpelt. Der Slytherin sah sich die Wunde kurz an, sprach zwei Zauber und schon war die Verletzung verschwunden. Dieses gegenseitige Helfen war irgendwie schon selbstverständlich geworden. Umso seltsamer war es, dass Harry so nervös wurde, wenn er Snapes Rippen richten sollte. Es war gar nicht mal die Behandlung an sich, sondern viel mehr der Blick des Slytherins, der ihn so verunsicherte, denn wo er sonst immer nur Ablehnung oder gar Hass gesehen hatte, war nun etwas viel neutraleres in den schwarzen Augen aufgetaucht und Harry wusste es partout nicht einzuordnen. Er kannte diesen Blick einfach nicht, also woher sollte er auch wissen, wie er damit umgehen sollte? Während der nächsten Stunden hatte Harry jede Menge Zeit, um sich den Kopf darüber zu zerbrechen, denn gesprochen wurde nur sehr wenig. Harry glaubte zu erkennen, dass Snape stärker als sonst in einer Schonhaltung lief, also schwieg er vielleicht nur deswegen so viel, weil reden zu sehr schmerzte. Darüber hinaus ließ der Slytherin sich den Schmerz aber nicht anmerken. Nach weiteren Stunden beschlossen sie eine Runde zu schlafen. Harry legte sich als erstes hin, lag aber lange Zeit noch wach. Irgendwann fiel er in einen Halbschlaf, da ihm viel zu kalt war, um besser schlafen zu können. Anscheinend ist es in der Hütte doch ein wenig wärmer gewesen, als in diesen zügigen Tunneln. Dieser kalte Steinboden, der leichte Luftzug, die feuchten Wände, da spürte er regelrecht, wie sich die Kälte bis in seine Knochen fraß. Das sorgte gleichzeitig für merkwürdige Träume, die sich mit der Realität vermischten, doch irgendwann konnte er sich endlich etwas entspannen. Es wurde warm und er hatte einen angenehmen Geruch in der Nase. Da schreckte Harry aus dem Schlaf auf. Ihm war warm, weil ein weiterer Mantel über ihm lag. Verstohlen schielte Harry zum Slytherin. Snape hatte ihm seinen Mantel übergelegt und ihn offensichtlich mit einen Wärmezauber belegt. Mit dieser Geste wusste Harry nichts anzufangen. Snape konnte nett sein? Aber jetzt fror er doch selbst, oder nicht? Zu müde, um weiter darüber nachzudenken, machte der Gryffindor es sich wieder gemütlich und genoss die Wärme, bis er seelenruhig einschlief.   Endlich hatte Potter sich beruhigt und schlief tief und fest. Severus hatte es nicht mehr mit ansehen können, wie der Gryffindor sich zitternd zusammengerollt hatte. Zwar war es ohne den Mantel ziemlich kühl, aber das musste er jetzt eben aushalten. Gedankenversunken beobachtete er Harry beim Schlafen. Den Mantel hatte er bis zu seiner Nase hochgezogen und schien sich schon wesentlich wohler zu fühlen. Das schwarze Haar war wie immer völlig zerzaust und erinnerte an James Potter. Doch bevor Severus' Wut auf diesen Kerl aufkochen konnte, verschwand der Gedanke wieder. Eigentlich war Potter seinem Vater gar nicht so ähnlich. Er hatte nicht einmal versucht das Kommando zu übernehmen als sie hier herkamen, was James sofort getan hätte. Außerdem arbeiteten sie zusammen viel besser als erwartet. Hatte Syndia vielleicht doch Recht gehabt? Sein Blick hatte sich auch verändert, war nicht mehr so stur und aufmüpfig, sondern eher neutral, auf eine seltsame Art und Weise offen und aufmerksam... Vorsichtig streckte der Slytherin seine Hand aus, strich über das Haar des Gryffindors und nahm einige Strähnen in die Hand. Als er den Pony zur Seite strich, fiel sein Blick auf die Narbe und er hielt inne. Sie erinnerte ihn daran, dass Harry ein Horkrux war und er sterben musste, wenn der Dunkle Lord besiegt werden sollte. Doch es musste einen anderen Weg geben, Harry durfte nicht sterben. Hastig zog er die Hand zurück und tadelte sich in Gedanken. Was bitte tat er denn gerade da?! Wurde Potter ihm jetzt etwa sympathisch? Lächerlich! Dieses verdammte Labyrinth, es vernebelte ihm noch die Sinne!   Mit ausdrucksloser Miene betrat Syndia das Krankenzimmer. Es gab dort nur ein Bett, in dem ihr Mann David lag und um ihn herum waren so mancherlei Geräte aufgebaut und summten vor sich hin. Langsam ging sie zu ihm und setzte sich neben das Bett auf einen Stuhl. David war noch immer so blass und seine Aura schwach. Er schien sich nach all den Monaten nicht zu erholen. Die Hexe schluckte schwer und griff nach der Hand ihres Mannes. Zittrig begann sie zu sprechen: „Hallo mein Schatz.“ Zuerst wusste sie nicht, was sie sagen sollte und geriet ins Stocken, ehe sie schließlich aufseufzte und die Schultern fallen ließ. „Ich will ehrlich zu dir sein, ich brauche dich gerade so dringend. Ich... ich schaffe das alles nicht ohne dich.“ Die Tränen wegblinzelnd sah Syndia zur Decke. „Severus ist nun seit 11 Tagen in Necrandolas... und... und der Minister hat... ihn und Harry gestern für tot erklärt...“ Nun liefen ihr doch stumm Tränen über das Gesicht. „Ich... ich will ja glauben, dass er noch lebt, aber ich...“ Ihre Stimme versagte. Sie senkte den Kopf, legte das Gesicht in die Hände und sackte am Bett völlig zusammen, ehe sie laut schluchzend weinte. „Bitte David, ich brauche dich“, war zwischen den Schluchzern herauszuhören.   Irgendwie sah Snape anders aus. Noch etwas verschlafen musterte Harry den anderen. Ja genau, er hatte sich rasiert, zumindest so gut wie es hier ohne Spiegel ging. Anscheinend hatte der den Zauberstab dafür genutzt und Stoppeln waren dennoch übrig geblieben. Der Gryffindor strich sich selbst übers Kinn. Bei ihm war es noch nicht so schlimm. Das brachte Harry wieder zu der Überlegung, wie lange sie wohl schon hier waren. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor aber andererseits hatte er die Vermutung, dass sie früher Schlafen gingen, als bei einem normalen Tagesablauf. Oder täuschte das? „Was glauben Sie wie lange wir schon hier sind?“ Untypisch zuckte Snape mit den Achseln. „Eine Woche? Wobei... wahrscheinlich länger. Wir waren ziemlich lange in der Hütte.“ „Wenn wir nach den Schlafpausen gehen... 9 Tage“, überlegte der Gryffindor. „Unsere Tage werden länger gewesen sein als normal“, überlegte Snape weiter. Ächzend strich Harry sich durchs Haar. Es war ein Wunder, dass sie noch lebten. „Es gab bestimmt schon eine pompöse Trauerfeier für dich“, murrte der Slytherin. „'Unser großer Held ist auf tragische Weise von uns gegangen.' Und dann bringt die Presse Bücherweise deine Biografie auf den Markt.“ „Ja ja“, knurrte der Gryffindor zurück. „Das sollte dir doch gefallen.“ Verärgert zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Kapieren Sie doch endlich, dass ich dieses Theater um mich hasse. Außerdem machen die mir ständig das Leben in Hogwarts schwer. Dauernd soll ich irgendein Verrückter sein.“ „Die Theorie mit dem Slytherinerbe war gar nicht so weit hergeholt.“ „Sie haben das auch geglaubt?“, sah Harry Snape ungläubig an. „Können wir jetzt weiter?“, zog Snape eine Augenbraue hoch. „Wir müssen was zu essen finden. Und Wasser.“ Murrend erhob sich der Gryffindor und folgte Snape. „Dumbledore hat mir geglaubt.“ „Er hatte selber keinen Verdächtigen, Potter“, kam nur die schlichte Antwort. So diskutierten sie noch eine ganze Weile weiter. Da sie jedoch beide wieder trockene Kehlen bekamen, stellten sie das Sprechen irgendwann ein. Seit der vorletzten Rast hatten sie kein Wasser mehr, also wurde es langsam dringend welches zu finden. An den Hunger konnte man sich irgendwann gewöhnen aber nicht an den Durst. Er zerrte an den Nerven, brachte Kopfschmerzen, Benommenheit und machte die Schritte immer unsicherer. „Warte“, hielt Snape plötzlich an und beleuchtete den Boden mit der Lampe. Vor ihnen tat sich ein Abgrund auf. Harry hielt seinen Zauberstab hoch, um möglichst weit zu leuchten und erkannte, dass der Weg auf der anderen Seite weiterging. „Und jetzt? Schweben?“ „Ist mir zu riskant“, murrte der Tränkemeister und trat dichter an die Schlucht heran. Genervt streckte Harry dem anderen die Zunge hinterm Rücken aus. Natürlich war es ihm zu riskant, immerhin müsste er ihm dann sein Leben anvertrauen. „Da vorne ist ein Absatz“, deutete Snape an die linke Wand. Dieser Absatz war gerade groß genug für eine Person, aber es sollte nicht sonderlich schwer sein da raufzuspringen. Und da entdeckten die beiden auf der anderen Seite einen weiteren Felsvorsprung, der so angeordnet war, dass sie vom ersten Absatz draufspringen könnten. „Meinen Sie wir schaffen es von dort rüber auf die andere Seite?“, deutete Harry auf den zweiten Absatz. „Wollen wir doch hoffen“, murmelte der andere, trat zur Seite und hielt dem Gryffindor die Lampe hin. „Hier, Ladys First.“ Empört öffnete Harry den Mund. „Sie sind doch nur zu feige! Was ist, wenn es Fallen gibt?“ „Du kannst weiter springen als ich“, sagte Snape nur scharf und hielt noch immer die Lampe dem anderen entgegen. „Das sind doch nur Ausreden“, knurrte Harry und schnappte sich grob die Lampe aus Snapes Hand. Vorsichtig ging Harry an die linke Wand und schätzte den Abstand zum Vorsprung ab. „Als ob ich ein Versuchskaninchen wäre“, murmelte er noch genervt vor sich hin und nahm dann Anlauf. So weit, wie es zuerst aussah, war es gar nicht. Mit Leichtigkeit sprang der Gryffindor auf den Absatz und suchte vorsichtshalber an der Wand halt, obwohl genug Platz war, um gemütlich zu stehen. Unter ihm erstreckte sich das unendlich erscheinende Schwarz. Harry schluckte kurz, machte sich dann aber doch bereit für den nächsten Sprung. Dieses Mal war es ein wenig weiter weg, aber auch auf dem Vorsprung landete Harry ohne Probleme. „Gut...“, murrte Snape und sprang nun auf den ersten Absatz. Harry wollte sich gerade bereit machen auf die andere Seite zu springen, als er ein Knarzen hörte. Panisch sah er zu seinen Füßen, doch er stand stabil. Dann wanderte sein Blick zu Snape, dessen Absatz bröckelte und jeden Moment abstürzen würde. Sie hatten keine Zeit groß nachzudenken. Schnell sprang Snape ab und gelangte zu Harry. Dieser hatte sich blitzschnell an die Wand gedrückt, um dem anderen Platz zu machen, denn groß war der Absatz nicht. Die Füße des Tränkemeisters landeten sicher, doch war es unmöglich das Gleichgewicht zu halten. Harry erkannte, dass er gleich nach hinten kippen würde und so griff er nach ihm und zog ihn zu sich an die Wand. Dabei ließ er die Lampe fallen und auch Snape gab ein „Nein!“ von sich, da er seinen Zauberstab fallen ließ. „Verdammt!“, rief Snape wütend und sie konnten sehen, wie beides in die Tiefe stürzte. „Accio Zauberstab“, rief Harry schnell, doch Snapes Stab kam nicht zurück. Das beunruhigende jedoch war, dass sie nicht hören konnten, wie beides auf dem Boden aufschlug. Der Zauberstab wäre vielleicht zu leise gewesen, doch die Lampe hätte eigentlich ein Scheppern von sich geben müssen. Nach einem Moment fiel Harry ein, dass er jetzt mit seinem Zauberstab für Licht sorgen musste. Mit der anderen Hand drückte er immer noch Snape an sich, der mit den Händen verzweifelt versuchte sich an der Wand festzuhalten. Um das Gleichgewicht zu halten, musste Snape sich so weit vorbeugen, dass er den Kopf neben Harrys an die Wand lehnte und der Gryffindor spürte seinen Atem im Nacken. Sofort bekam er eine Gänsehaut und auch die Wärme des anderen Körpers wurde ihm bewusst. Möglichst unauffällig sog er den Duft das anderen ein, ehe er sich in die Realität zurückholte. Was machte er denn da? Sie standen hier auf einem Felsvorsprung und waren in Lebensgefahr und er dachte an sowas?! 'Reiß dich zusammen!', dachte Harry bei sich. „Verdammt, Verdammt, Verdammt!“, fluchte Snape vor sich hin und Harry konnte es nachvollziehen. Es wäre für ihn eine Katastrophe, wenn er seinen Zauberstab verlieren würde. „Meinen Sie...“, versuchte der Gryffindor mit fester Stimme zu sprechen, „Sie schaffen es so auf die andere Seite zu springen?“ „Mir bleibt ja gar nichts anderes übrig“, murrte der andere und drehte den Kopf, um an Harry vorbei zum Weg zu schauen. Schluckend hielt Harry den Atem an, als dadurch Snapes Gesicht so dicht bei seinem war. Auch dem Tränkemeister schien das aufzufallen und ihm stockte der Atem, während er Harry musterte. Der Gryffindor war sich unsicher, ob er den Blick erwidern sollte, doch als er sich traute, sah Snape schon wieder weg und konzentrierte sich auf den Sprung. „Lass den Arm an der Wand, damit ich vorbeikomme“, flüsterte Snape schon fast und Harry hielt seinen erleuchteten Zauberstab ausgestreckt Richtung Weg dicht an der Wand. Ohne groß Schwung holen zu können, sprang der Slytherin und Harrys Herz machte einen Satz, als der andere nicht mit den Füßen auf dem Steinboden landete. Er erreichte den Felsen nur mit dem Oberkörper, keuchte auf wegen seinen Rippen und zog sich mühevoll hoch. Als er ein Knie aufsetzen konnte, ließ er sich sogleich auf den Weg rollen und blieb ächzend auf dem Rücken liegen. „Alles in Ordnung?“, rief Harry ihm zu, doch er erhielt nur einen schmerzerfüllten Laut als Antwort. Kurzerhand holte der Gryffindor Schwung und landete neben dem Slytherin. Sofort beugte er sich zu diesem herunter und knüpfte dessen Hemd auf. Snape schien nicht richtig atmen zu können und ließ den jüngeren einfach machen. Harry hatte das Gefühl sich beeilen zu müssen und wurde fahrig. „Episkey“, rief er schnell und Snape hielt die Luft an, ächzte und holte dann vorsichtig Luft. Erleichtert atmete auch der Grünäugige auf und betrachtete den Tränkemeister, der mit geschlossenen Augen durchatmete und versuchte herunterzukommen. Der Schmerz jagte ihm noch immer durch den Brustkorb, aber jetzt konnte er wenigstens versuchen diesen wegzuatmen, ohne Angst haben zu müssen sich die Lunge bei jedem Atemzug aufzureißen. Eines seiner Haarsträhnen hing an seinem Mundwinkel und ohne darüber nachzudenken, strich Harry ihm die aus dem Gesicht. Verwundert öffnete der Slytherin die Augen und traf auf die des Gryffindors. Nervös schluckte Harry, als sich ein ungewohntes Gefühl in seinem Bauch breit machte. Snape atmete inzwischen wieder ruhiger, doch trotzdem konnte Harry seinen Atem spüren. Der Zauberstab leuchtete seine schwarzen Augen nur leicht von der Seite an, sodass sie halb im Schatten lagen und zur anderen Hälfte einen blau-silbernen Schimmer aufwiesen. Obwohl solch ein Licht für mehr Kälte sorgen müsste, wirkten die Augen dadurch eher wärmer. „Was glaubst du was du da tust, Potter?“, unterbrach Snape plötzlich die Stille und riss Harry aus seinen Gedanken. Ohne es zu merken, war er Snapes Gesicht näher gekommen und setzte sich nun peinlich berührt wieder gerade hin. „Ähm... ich...“, kratzte er sich nervös am Hinterkopf. „Hilf mir lieber hoch und lass uns weitergehen“, unterbrach der Tränkemeister das Gestottere kühl und eiligst erhob sich der Gryffindor, um den anderen hochzuziehen. Mit einem letzten feindseligen Blick wandte Snape sich ab, trat an die Schlucht heran und sah in die Tiefe. „Da muss ein Zauber drauf liegen, sonst hätte der Accio funktioniert“, knurrte er und schien sich nicht von der Schlucht lösen zu können. „Wir müssen jetzt wohl mit einem Zauberstab klar kommen.“ „Sieht so aus“, murrte Snape und wandte sich zum Gehen. „Jetzt bin ich vollkommen auf dich angewiesen. Das ist mein Untergang.“ „Hey, ich hab Sie schon mehrmals gerettet“, reagierte Harry sofort verärgert. „Plus minus Null, Potter“, drehte der andere sich nicht einmal um. „Darum geht es doch gar nicht!“ „Sagst du. Aber der große Potter hat natürlich immer Recht.“ Knurrend folgte Harry Snape. Was sollte dieses Verhalten schon wieder? Sie hatten sich die letzten Tage doch so gut verstanden, wieso musste dieser Idiot jetzt wieder zur unausstehlichen Fledermaus werden? War es, weil Harry ihm zu nahe getreten war? Selbst wenn, das machte es nicht weniger kindisch. Sich gegenseitig ignorierend, stapften Snape und Harry weiter durch die Dunkelheit. Viele Gedanken konnte sich der Gryffindor bald nicht mehr um das Verhalten des Slytherins machen, denn der Durst vernebelte ihm die Sinne. Irgendwann stolperten sie nur noch die Gänge entlang und Harry konzentrierte sich voll darauf, den Zauberstab erleuchtet zu lassen. Sein Kopf drohte zu platzen und selbst auf seinen Augen lag ein enormer Druck. Wenn jetzt ein Monster auftauchen würde, wären beide nicht in der Lage sich groß zu verteidigen. 'Weiterlaufen.', dachte Harry nur noch. 'Immer weiterlaufen.' Nach vielen Stunden des Wanderns fiel Snape plötzlich vor ihm auf die Knie, obwohl er sich an der Wand die ganze Zeit über abgestützt hatte. Beinahe hätte Harry das nicht einmal registriert und wäre über ihn rübergeflogen. Benommen blieb er neben dem anderen stehen und sah ihn einige Momente lang einfach nur an, nicht fähig irgendwie zu reagieren. 'Nein, weiterlaufen.', dachte er schließlich lahm, schnappte sich Snapes Arm, zog ihn wieder auf die Beine und stützte ihn eine Weile. Für einige Zeit blieb Snape so stehen, ohne eine Reaktion zu zeigen, doch dann funkelte er Harry böse an, löste sich von ihm und ging auf wackeligen Beinen weiter. So schleppten sie sich Stunde um Stunde und es hätte inzwischen nur eine kleine Unebenheit gereicht, um einen von ihnen zu Boden stürzen zu lassen und dieses Mal wäre nicht einmal Harry wieder aufgestanden. Nach einem weiteren Kilometer gab Harry auf und ließ sich auf den Boden sinken. 'Das wars.', dachte er. Seine Beine trugen ihn nicht mehr, seine Zunge war trocken wie Pergament und war mit Sicherheit auch nicht mehr in der Lage Worte zu formen. Bei jedem Versuch zu schlucken breitete sich ein schrecklich reißender Schmerz in Harrys Kehle aus. Snape ging weiter, ohne auf ihn zu achten und verschwand in der Dunkelheit. Kurz darauf hörte Harry, wie auch er zu Boden sank. Hilflos schloss der Gryffindor die Augen. Das war also ihr Ende. Nicht nur, dass sie einem so elendigen Tod ausgesetzt waren, sie starben sogar beide für sich, ganz allein. Seltsam, auf einmal spürte Harry den starken Wunsch Snape neben sich sitzen zu haben. Ihren Tod konnte er nicht mehr verhindern, aber er wollte beim anderen sein, wenn er seinen letzten Atemzug machen würde. „Z-Zauberstab“, wollte Snape rufen, doch seine Stimme war so krächzend, dass Harry interpretieren musste, was er gesagt hatte. Mit letzter Kraft krabbelte Harry ein Stück weiter, bis Snape wieder im Schein des Zauberstabes auftauchte. Er hockte vor der Wand und hielt seine Hände daran. „Wasser“, krächzte auch Harry genauso schwach und schaffte es nun doch bis zum Tränkemeister. Dieser griff nach dem Zauberstab, hielt eine der Flaschen an die Wand und beförderte das Wasser in die Flasche. Am liebsten hätte Harry ihm diese entrissen, doch die wurde eh so langsam gefüllt, dass der Gryffindor aggressiv wurde. 'Schneller du blödes Wasser!!' Als die Flasche halb voll war, hielt auch Snape es nicht mehr aus, legte den Zauber über das Wasser und stürzte es dann hinunter. Harry bemerkte, dass er komplett austrinken wollte und wollte ihm die Flasche entreißen. Es gab ein kleines Handgemenge, ehe Snape wohl wieder zu Verstand kam und losließ. Während der Gryffindor das letzte bisschen austrank, hielt der Tränkemeister schon die nächste Flasche an die Wand. Dieses Mal hielt er sie Harry als erstes hin und sie waren wieder so vernünftig sich das Wasser zu teilen. Sie tranken und tranken und schienen nicht mehr aufhören zu wollen. Sie rasteten neben dem Wasserlauf für mehrere Stunden und tranken zwischendurch immer mal wieder was. Dabei fiel kein einziges Wort, denn zum einen waren ihre Kehlen noch viel zu trocken und zum anderen waren ihre Köpfe so benebelt, dass das Formen von sinnvollen Sätzen zu anstrengend gewesen wäre. Harry warf dem Slytherin einen langen Seitenblick zu, der das nicht einmal zu merken schien. Es war unglaublich, aber sie hatten Wasser gefunden. Sie durften noch weiterleben, und vor allem war Harry nicht alleine. Langsam rückte der Gryffindor näher an den anderen heran, der ihm nur einen müden Blick zuwarf. Als Harry sich dicht neben ihn gesetzt hatte, wandte der Slytherin seine Augen wieder ab und akzeptierte einfach, dass Harry gerade etwas Nähe brauchte. Kapitel 36: Nichts mehr zu verlieren ------------------------------------ Ganz langsam wurde Harry wieder klar im Kopf, fühlte sich dennoch unglaublich schwach. Irgendwann schlief Snape sogar ein und so sprach Harry die Schutzzauber und hielt die erste Wache. Wenn sie jedes mal so knapp erst Wasser finden würden, wäre das verdammt gefährlich. Die Wahrscheinlichkeit wegen Durst hier zu sterben, war wohl am höchsten. Von der Seite musterte Harry den Slytherin und bekam ein seltsames Gefühl dabei. Warum drehte er momentan so am Rad, wenn er so dicht beim anderen war? Hatte er sie nicht mehr alle? Er konnte doch nicht ernsthaft Interesse an Snape zeigen. Außerdem konnte der Gryffindor sich nicht entsinnen schwul zu sein. Gut, viel Erfahrung mit Frauen hatte er zwar auch nicht, aber er hatte wenigstens Interesse an ihnen gezeigt und noch nie an einem Typen. Was würden Ron und Hermine sagen, wenn er ihnen erzählte er hätte sich in Snape verknallt? Wenn er es ihnen denn jemals erzählen könnte. Snape hatte schon recht, wahrscheinlich hielten sie alle für tot.   Severus war verwundert, als er feststellte, dass er eingeschlafen war. Im Sitzen war das noch unbequemer gewesen als sonst und er musste sich erstmal strecken. Gleich darauf machte sich Potter bereits lang, um ebenfalls ein bisschen Schlaf abzubekommen. Der Tränkemeister schnappte sich den Zauberstab und übernahm die Wache. Noch immer ärgerte er sich darüber, dass er so blöd gewesen war seinen Zauberstab loszulassen. Nach all der Zeit als Todesser hätte ihm das nicht passieren dürfen. Mit Harrys kam er zwar auch klar, aber er gehorchte ihm nicht zu hundert Prozent, allein schon weil er nicht der richtige Besitzer war. Dieser Zauberstab war viel biegsamer und leichter und wirkte auf den Tränkemeister dadurch zerbrechlich. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als mit diesem klarzukommen, wenn er sich nicht ständig hinter Potter verstecken wollte. Und diesem konnte er wohl auch nicht mehr über den Weg trauen. War diese Aktion von Potter an der Schlucht jetzt einmalig oder würde er sich die ganze Zeit an ihn heranschmeißen? Was dachte der sich dabei? Fand er das lustig? Als ob ein Potter ernsthaftes Interesse an ihm zeigen würde. Pah! Plötzlich wurde Severus aufmerksam. Die Barriere, sie hatte sich aufgelöst. So etwas passierte nicht einfach so, also stand er auf und erhob verteidigend den Zauberstab. Abschätzend sah er sich um, konnte jedoch nichts verdächtiges hören oder sehen. Leise schlich Severus umher. Als sein Blick auf Harry fiel, stockte ihm der Atem und er kam im nächsten Moment zu ihm geeilt. Ein großer, dunkler Schleier lag über dem Gryffindor, der friedlich weiterschlief. Er schien nicht zu merken, dass dieses Tuch ihn gerade zu ersticken versuchte. Der Tränkemeister riss an dem Tuch, bekam es jedoch nicht los, so eng hatte es sich um den Jüngeren gewickelt. Zögerlich hob er den für ihn so fremden Zauberstab und wusste sofort, dass er auf Anhieb keinen Patronus beschwören könnte. Also schickte er stattdessen einen anderen Zauber los. Zum Glück traf er wirklich nicht den Gryffindor und das Tuch ließ locker. Eilig zog er es vom Grünäugigen ab, der sogleich erwachte und keuchend hustete. Auch wenn er den Lethifold nun überrascht hatte, wusste Severus, dass es noch nicht vorbei war. Sogleich richtete das Tuch sich senkrecht auf und schwebte dann mit hoher Geschwindigkeit auf den Slytherin zu, der den Zauberstab fallen ließ und sein Körper eingewickelt wurde. „Potter!“, keuchte er solange sein Mund noch nicht verdeckt werden würde. „Einen Patronus!“ Langsam hatte sich der Gryffindor erholt, schien jedoch nicht zu begreifen was los war. Er griff nach dem Zauberstab und eilte dann zum Tränkemeister, dem der Hals zugeschnürte wurde. „Nein, Patronus!“, rief Severus noch, bevor ihm der Mund verschlossen wurde. Endlich schien Potter zu begreifen, beschwor den Hirsch herauf und sofort ließ das Tuch Severus los, um vor dem Patronus zu fliehen. Keuchend rieb der Slytherin sich den Hals und auch Harry war noch außer Atem. „Was war denn das?“, fragte er verwirrt. „Ein Lethifold“, keuchte der Tränkemeister. „Ein lebendiges Leichentuch. Es hätte dich fast im Schlaf erstickt. Aber war ja klar, dass du mal wieder keine Ahnung hast.“ „Mich...“, begann Potter, beendete den Satz jedoch nicht. Noch gar nicht richtig wach, sah er auf den Zauberstab in seiner Hand und schien die Situation im Kopf noch einmal nachzustellen. „Wissen Sie“, begann der Gryffindor und sah dann herausfordernd auf. „Jedes Mal wenn Sie mich darauf hinweisen, wie wenig ich doch weiß, kann ich Ihnen ja die Strichliste aufführen, wie oft Sie bereits den Zauberstab haben fallen lassen.“ Sofort verengten sich Snapes Augen feindselig zu Schlitzen. „Das ist alles andere als witzig, Potter“, knurrte er und entriss dem anderen grob den Zauberstab, um die Führung zu übernehmen. Harry wusste, dass seine Andeutung mehr als gemein war, aber irgendwie musste er es dem Tränkemeister ja heimzahlen, wenn der ständig auf seinem mangelnden Wissen herumhackte. Schweigend liefen sie weiter, wobei das Schweigen von Snape ausging. Augenverdrehend tat Harry das eine Zeit lang als schnippisches Beleidigtsein ab, doch bald hatte er das Gefühl, den anderen würde noch irgendetwas anderes stören. Harry überlegte, ob es am Hunger lag, denn es mussten schon wieder mehrere Tage vergangen sein, seit sie was gegessen hatten. Oder trauerte er doch noch seinem Zauberstab hinterher? Wie kam es überhaupt, dass sie noch nie an so eine Schlucht oder ähnlichem baulichen Hindernis gekommen waren? Oder gab es nur die eine? Das konnte sich der Gryffindor nicht vorstellen. Vielleicht waren sie jetzt in der Mitte des Labyrinths angekommen und nur da gab es solche Hindernisse. Das würde auch bedeuten, dass sie bald auf weitere stoßen müssten. Doch wenigstens konnte so etwas ihnen große Kreaturen vom Hals halten. „Ach das hat doch keinen Sinn!“, rief Snape auf einmal verärgert aus, sodass Harry sich erschreckte. Mürrisch ließ der Slytherin sich an der Wand nieder und verschränkte die Arme über seinen Knien. „Was hat keinen Sinn?“, fragte Harry irritiert nach. „Das alles hier!“, machte der andere eine allumfassende Geste. „Wie lange sollen wir noch hier herumirren und krampfhaft nach Wasser und Essen suchen, wenn wir dadurch eh nur wieder ein paar Tage durch die dunklen Gänge wandern, bis das ganze wieder von vorne losgeht?“ „Und was sollen wir stattdessen tun?“, verdrehte der Gryffindor leicht genervt die Augen. „Wir zögern unseren Tod nur hinaus“, murmelte Snape nun doch leiser. „Es ist besser einfach hier zu bleiben und schnell zu sterben.“ 'Nicht die Nummer schon wieder.', ächzte Harry und überlegte, was er tun sollte. „Ich habe Ihnen gesagt, dass ich den Ausgang finden will und das werde ich auch. Wir kommen hier schon wieder heraus.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein?“, sagte Snape leise und sah Harry nun doch etwas unsicher an, was diesen beinahe zum Schmunzeln gebracht hätte. „Sie müssten doch schon in genauso aussichtslosen Situationen gewesen sein wie ich. Und es gab immer einen Ausweg, auch wenn man ihn nicht sah.“ Eine kurze Stille trat ein, in der Snape den anderen musterte, schien jedoch nicht überzeugt. „Nun kommen Sie schon hoch“, streckte Harry seine Hand aus und lächelte leicht. „Wir können nur wissen, ob wir hier rauskommen, wenn wir es versuchen.“ Ohne auf die Hand des Gryffindors zu achten, sah Snape ihn verständnislos an. Es war seit der Schneeballschlacht das erste Mal, dass Harry ihn anlächelte. „Wie schaffst du es in so einer Situation noch zu lächeln?“ Achselzuckend antwortete der Grünäugige: „Würde es helfen, wenn ich deprimiert durch die Gegend laufen würde?“ Es kam keine Antwort und nach einer kurzen Pause ergänzte Harry: „Sie haben mir mal gesagt, dass ich für Sirius weiterleben soll. Das hilft mir nicht aufzugeben.“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Außerdem würde ich ein schlechtes Gewissen kriegen, wenn ich Sie das hier alleine durchstehen lassen würde.“ Der Tränkemeister seufzte auf und griff nach der Hand des anderen. Harry zog ihn hoch und stand plötzlich ganz dicht vor dem Slytherin, was ihn aus der Fassung brachte. Sein Herz begann zu rasen und er wurde nervös. Beide erstarrten für einen Moment und bevor Harry überhaupt drüber nachdachte, beugte er sich vor und legte seine Lippen auf die des anderen. Als ob Strom durch seinen Körper fließen würde, ging ein Kribbeln von der Brust abwärts in seinen Bauch. Bevor der Slytherin überhaupt die Chance hatte zu reagieren, hatte Harry sich schon wieder zurückgezogen und wusste nun nicht, wo er hinsehen sollte. Verdammt! Was zum Teufel war in ihn gefahren?! Er hatte SNAPE geküsst!! Und dass er Snapes Blick nicht deuten konnte, machte das ganze nicht gerade einfacher. Verlegen drehte Harry sich weg, räusperte sich kurz und wollte dann einfach peinlich berührt den Gang hinuntergehen. Jetzt brauchte er ganz dringend einen See, in dem er sich ersaufen konnte. Doch der Slytherin packte seinen Arm und hielt ihn auf. Harry schluckte, bevor er es wagte sich umzudrehen und den anderen wieder anzusehen. Sein Blick war noch immer schwer zu deuten, doch offenbar kämpfte er mit sich und dachte scharf nach. „Was ist das für ein Spielchen?“, fragte der Tränkemeister ruhig, mit einer gewissen Kälte. Verwirrt zog Harry die Augenbrauen zusammen und drehte sich wieder komplett dem anderen zu. „Spielchen? Das ist kein Spiel.“ „Verarschen kann ich mich alleine, Potter!“ „Ich sage aber die Wahrheit!“, erwiderte Harry entschlossen, ging wieder ein Stück auf den anderen zu und versuchte aus dessen Augen zu erkennen, was dieser für einen Blödsinn dachte. Aus einem Gefühl heraus trat er dabei viel näher an den anderen heran als nötig. Dann flüsterte er: „Was sollte das auch für ein Spiel sein?“ Severus' Gedanken rasten. Es wirkte nicht so, als würde der andere irgendeine böse Absicht haben und das verwirrte ihn zutiefst. Andererseits... sie würden nicht mehr lange zu leben haben, war es dann nicht egal, ob es ein Spiel war oder nicht? Konnte ihnen jetzt nicht alles egal sein? Selbst die moralischen Vorschriften waren hier in diesem Labyrinth völlig nebensächlich. Was also sprach dagegen das zu tun, wonach ihnen war? Bevor Severus zu einem endgültigen Entschluss kommen konnte, kam der Gryffindor diesmal langsamer näher und sah dabei unsicher in seine Augen, auf der Suche nach einem Anzeichen, ob der Slytherin das wollte oder nicht. Harry vergaß zu atmen und wo sie waren und eine Sekunde später küsste er ihn wieder, dieses Mal viel sanfter und länger. Im ersten Reflex griff Severus nach den Schultern des anderen, um ihn wegzuschieben, doch warum eigentlich? Sie hatten nichts zu verlieren und es fühlte sich eigentlich ganz gut an. Harry war vollkommen überwältigt. In seinem Bauch gab es ein Feuerwerk und als Snape seinen Griff an seinen Schultern lockerte, konnte er nicht anders, als den Kuss zu intensivieren. Jetzt wurde er sogar erwidert und Harry glaubte, sein Herz würde aus seiner Brust springen. Snapes Geruch, das Gefühl seiner Lippen... Harry wollte, dass das niemals aufhört, wollte sich an den anderen klammern, seine Umgebung vergessen, einfach in diesem wunderbaren Gefühl ertrinken, um wenigstens für einen Moment ihrem grausamen Schicksal zu entfliehen. Doch bald beendete der Slytherin den Kuss und der Gryffindor hielt noch kurz die Augen geschlossen, um die Nachwirkungen zu genießen. Er spürte den unruhigen Atem des anderen auf seiner Haut und sah ihn dann wieder an. Snape sah ihn leicht fragend und unsicher an und Harry wusste nicht, was nun zu tun war. Als sie sich einfach nur eine Weile gemustert hatten, löste sich der Slytherin und wollte stumm weitergehen. Nach wenigen Schritten fiel ihm auf, dass Harry den Zauberstab hatte, kam zurück und nahm ihn dem Gryffindor ab, der keine Einwände hatte und den anderen nur musterte. Nur ganz langsam schaltete sich wieder Harrys Gehirn ein. Was... war... denn das gerade gewesen? Was... was sollte er jetzt tun? Wie ging es weiter? Snape schien es auch nicht zu wissen, denn er vermied es den anderen anzusehen und ging stur weiter. Langsam folgte der Grünäugige ihm.   Selbst als sie die nächste Rast machten, sprachen sie nicht miteinander und versuchten sich nicht anzusehen. Offensichtlich waren sie beide vollkommen überfordert und Harry wünschte sich schon, Snape würde ihn wenigstens anpflaumen und so tun, als sei nie etwas gewesen. Doch die Taktik des Slytherins wahr wohl wie immer Ignoranz und das ließ den Gryffindor wütend werden. Snape war so ein Feigling! Immer wenn ihm eine Situation nicht passte, stellte er auf stur. Die Gedanken des Gryffindors wurden unterbrochen, als im Lichtkegel plötzlich ein Wesen stand, welches ihm einen höllischen Schreck einjagte. Das... Tier war etwa so groß wie ein Schäferhund, bleckte seine fies aussehenden Zähne und funkelte sie aus seinen gelben Augen wütend an. Es hatte einen struppigen, rot-braunen Pelz, Stacheln oben auf dem Rücken und... fünf Beine. „Was zum...!“, rief Harry aus und wich zurück. Auch Snape war geschockt und schickte sofort einen Zauber los. Blitzschnell wich das Wesen aus und setzte zum Angriff über. Schnell zog Harry sein Messer, da Snape nun den Zauberstab hatte, und stach blindlings zu, bevor das Vieh Snape erreichen konnte. Er erwischte es an der Schulter, doch statt zurückzuweichen, schnappte es nach Harrys Arm. „AH!“, rief der Gryffindor aus und hätte beinahe das Messer fallen lassen. Das Wesen konnte besser zubeißen als gedacht. Snape schickte einen weiteren Zauber und das Vieh ließ los. Geschockt sah Harry auf seinen Arm, der eine riesige Fleischwunde aufwies. „Pass besser auf, das Vieh ist auf Menschenfleisch spezialisiert!“, rief der Slytherin, während er weitere Zauber schickte, um das Tier zurückzudrängen. „Die Warnung hätte ruhig früher kommen können“, ächzte Harry und ließ zitternd das Messer fallen, damit er es mit der linken Hand wieder aufheben konnte. So gut es ging versuchte Harry den Schmerz zu ignorieren und sich auf seine Verteidigung zu konzentrieren. „Avada Kedavra“, rief Snape aus, doch das Wesen stockte nur, schüttelte den Kopf als wolle es den Zauber abschütteln und stürzte dann auf Harry zu. Perplex wurde dieser umgeschmissen und verzweifelt hielt er das Biest von seinem Gesicht fern. Es stand nun über ihm, das Maul direkt vor Harrys Gesicht und schnappte wild entschlossen. Noch einmal rammte der Gryffindor das Messer in den Körper, direkt in die Brust. Dieses Mal war dem Untier eine Reaktion abzulesen und dunkles Blut lief Harry übers Handgelenk. Im gleichen Moment schickte Snape wieder einen Avada los. Als wäre es von einem Stromschlag getroffen, erzitterte das Wesen über Harry und erschlaffte dann. Angewidert hievte der Gryffindor das Biest beiseite und zog das Messer heraus. Sofort war der Slytherin neben ihm und kontrollierte, ob das Tier wirklich tot war. Harry war das gerade völlig egal, denn sein Arm schmerzte fürchterlich und er wagte es nicht einmal ihn zu berühren, so zerfleischt wie er war. Japsend setzte er sich auf, hielt sich den Oberarm und versuchte den Schmerz wegzuatmen. „Es wäre schön... wenn Sie... mir helfen würden“, presste Harry wütend heraus und endlich bekam er Snapes Aufmerksamkeit. Dieser zog die Augenbrauen zusammen und besah sich den Arm. Konzentriert strich er sich die Haare hinters Ohr und sprach dann einige Zauber und endlich war zu erkennen, wie das Gewebe wieder zusammenwuchs. Ganz verschwinden tat die Wunde jedoch nicht und nur eine dünne Hautschicht bedeckte die Oberfläche. Als ob er alle Zeit der Welt hätte, suchte Snape eine der Salben heraus, die sie aus der Hütte mitgenommen hatten, und rieb damit den Arm ein. „Nicht so fest!“, zischte Harry auf. „Sei kein Weichei“, murrte der Slytherin nur und der Grünäugige warf ihm einen wütenden Blick zu. „Weichei?! Das Vieh hat auf meinem Arm rumgekaut! Was ist das überhaupt für ein Ding?“ Misstrauisch sah Harry zu dem leblosen Körper rüber. „Ein Quintaped.“ „Ein was?“ Augenverdrehend erklärte der Tränkemeister: „Ein menschenfressendes Monster. Müsste Syndia das nicht schon erwähnt haben?“ „N-Nein, ich glaube nicht“, versuchte Harry sich zu erinnern, doch ihm sagte das nichts. Menschenfressend, na herrlich. Das hatte er ja nun am eigenen Leib zu spüren bekommen. „Ich glaube eher, dass du nicht aufgepasst hast“, murmelte der Slytherin und wandte sich wieder ab. „Das wäre dann wohl ein weiterer Punkt auf unserer Strichliste.“ Auch wenn Harry überrascht war, dass der andere seinen blöden Kommentar zu der Strichliste tatsächlich akzeptiert hatte, fing er an mürrisch zu knurren. „Hey, es ist unwahrscheinlich, dass ich das verpasst hätte. Wenn wir das Thema gehabt hätten, dann wüsste ich das auch.“ „Unwahrscheinlich. Nur weil du das Fach magst, heißt es nicht gleich, dass du darin gut bist, Potter“, sagte Snape desinteressiert und besah sich wieder den Quintaped. Schnaubend vor Zorn stand Harry auf. „Das sagen Sie noch nachdem ich Ihnen jetzt schon so oft den Arsch gerettet hab?“ „Plus minus Null, Potter“, leierte der Tränkemeister wieder runter und der Gryffindor grummelte vor sich hin. „Sag mir lieber was du als erstes essen willst.“ „Was?“, fragte Harry verdutzt und vergaß bei seinem Hunger glatt wütend zu sein. „Wir können das Tier essen“, verdrehte Snape ungeduldig die Augen. „Also?“ „Ähm... weiß nicht. Wie genießbar ist es denn?“ „Keine Ahnung, niemand kommt auf die Idee die auf den Speiseplan zu setzen.“ „Warum?“ „Das willst du nicht wissen.“ Das sprach ja nicht gerade dafür, aber was anderes blieb ihnen wohl nicht übrig. Sie hatten seit Tagen nichts gegessen. Snape schnappte sich das Messer des jüngeren und kümmerte sich wieder um die Drecksarbeit. Schon bald konnten sie das Fleisch 'braten' und schafften mehr zu essen als gedacht, doch für ein paar Tage würde der Rest noch reichen. Endlich hob sich auch ihre Laune wieder, obwohl der Gryffindor immer noch mucksch war. Nach der Rast nahm Harry wieder den Zauberstab an sich und ging vor. Nach wenigen Stunden bereute er das, denn er spürte die ganze Zeit Snapes Blick in seinem Nacken und war mehrmals drauf und dran den anderen anzufahren. Allerdings würde das ein wenig kindisch und albern rüberkommen, da der Slytherin ja eigentlich nichts anderes tat als gucken und Harry hatte ihn schon oft genug gemustert, wenn er hinter ihm gelaufen war. Er versuchte sich abzulenken, doch wirklich schöne Gedanken hatte er nicht zur Auswahl. Alles, was hinter diesen Mauern geschah, war unwichtig geworden und auch der Gedanke an seine Freunde betrübte ihn. Hatten die Dursleys eigentlich schon Bescheid bekommen? Wie hatten die reagiert und wer hatte ihnen diese Nachricht überbracht? Vielleicht sogar Dumbledore oder der Minister? Egal wer, die Person wäre auf jeden Fall irritiert, wie die Dursleys reagieren würden. So viel anstand Trauer vorzutäuschen hatten sie vielleicht noch, aber heimlich würden sie einfach nur erleichtert sein. Sicherlich hatte Onkel Vernon daraufhin eine Party veranstaltet. Endlich war er seinen nervigen Neffen los und musste ihn nicht mehr verstecken. Für die Nachbarn würde er sich eine Ausrede ausdenken, die ihn wie einen Trottel dastehen lassen würde. Nur bei Dudley wusste er nicht ganz, wie der reagieren würde. „Potter, gib mir den Zauberstab“, riss der Slytherin ihn aus seinen Gedanken. „Ich fühle mich nicht wohl ohne eine Waffe.“ „Und was ist mit mir?“, wurde Harry wieder verärgert. „Immerhin ist das mein Zauberstab.“ „Du hast noch das Messer“, streckte Snape auffordernd die Hand aus. „Das hätten Sie wohl...“, begann Harry und lief weiter, wurde jedoch unterbrochen, als er plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. Der Boden hatte sich auf einmal stark geneigt und nun rollten beide völlig überrumpelt den Weg hinunter. Durch die starke Bewegung hatten sich größere Gesteinsbrocken gelöst und rollten nun mit ihnen zusammen herunter. Harry konzentrierte sich darauf seinen Zauberstab nicht loszulassen und versuchte bei all den Drehungen zu erkennen, wohin sie rollten. „Abgrund!“, rief Snape plötzlich und da sah Harry es auch. Sie rollten auf einen Spalt zu, wo bereits einige Steine hineinfielen. Verzweifelt versuchte der Gryffindor kontrolliert zu rollen, schlitterte bald nur noch den Weg hinunter und schaffte es kurz vor dem Abgrund seine Füße aufzusetzen. Er nutzte den Schwung, um über die Schlucht zu springen, die nicht sonderlich breit war. Auch Snape schaffte es neben ihm und so rollten die das letzte Stück weiter. Es folgte ein Absatz, den sie hinunterstürzten, und plötzlich durchzuckte Harrys gesamten Körper ein Blitz, der ihm den Atem raubte. Es kam eine weitere Stufe, die auf den weiteren Weg führte und unsanft landeten die beiden übereinander. Ächzend strich der Tränkemeister sich die Haarsträhnen aus dem Gesicht und versuchte bei dem ganzen Staub etwas zu sehen. Das Atmen fiel ihm schwer, da seine Rippen wieder etwas abbekommen hatten. Außerdem lag Harry auf ihm und keuchte schmerzerfüllt. „Potter...“, japste der Slytherin. „Runter.“ „Ich...“, begann der Gryffindor, kam aber nicht weiter. Snape tastete nach dem Zauberstab, der neben ihnen lag und leuchtete den anderen an. „Runter sagte ich“, krächzte er atemlos. „Ich... ich...“, atmete Harry nun sehr schnell und schrie dann panisch: „ICH KANN NICHT!“ „Schhh, nicht so laut!“, zischte der Slytherin, bemerkte jedoch verwundert, dass Potter wohl in Panik verfiel und bereits hyperventilierte. „Wie meinst du das?“ „Ich...“, japste Harry und bekam vor Aufregung fast kein Wort heraus. „Meine Beine! Ich... kann nicht...“ „Potter, komm runter“, zischte Snape erneut und brauchte seinen gesamten Atem, um überhaupt mit dem anderen sprechen zu können. „Was ist los?“ „Ich... kann... MEINE BEINE REAGIEREN NICHT!!“ Kapitel 37: Schwarze Magie -------------------------- „MEINE BEINE REAGIEREN NICHT!!“ Severus brauchte einen Moment, bevor er auf diese Aussage reagieren konnte. Harry lag auf ihm, nicht in der Lage seine Beine zu bewegen und er selbst hatte Probleme den anderen von sich zu schieben, ohne dass seine Rippen sich in seine Lunge bohrten. „Okay, ganz ruhig“, versuchte der Tränkemeister den anderen zu beruhigen, da er viel zu laut schrie und damit womöglich etwas anlocken konnte. In ihrer jetzigen Situation wäre das Auftauchen eines Monsters sehr problematisch. Es war schon riskant genug, dass Severus in seiner Position so viel reden musste. „Potter, wir kriegen das hin. Nur erst muss ich aufstehen. Hey, hörst du?!“ Es war schwer zu sagen, wie viel der Gryffindor von dem aufnahm, was Severus sagte. „Potter... runter“, versuchte der Slytherin es atemlos weiter und tatsächlich hob Harry sich mit den Armen soweit an wie er konnte. Vorsichtig versuchte Severus unter dem anderen herauszuschlüpfen, doch das war leichter gesagt als getan. Mit viel Schieben und Zerren schaffte er es endlich, doch Aufstehen war mit diesen Rippen unmöglich. „Episkey, Potter. Potter! HEY!“ Er griff nach den Schultern den jüngeren und sah ihn streng an. „Beruhige dich! Ich kann nicht helfen, wenn...“, konnte Snape seinen Satz nicht beenden, zu sehr schoss ihm der Schmerz durch die Brust. Endlich schien diese Botschaft bei Harry anzukommen. Sein Atem beruhigte sich, er schluckte und nickte dann. Erleichtert knüpfte der Tränkemeister sein Hemd auf und gab dem Grünäugigen den Zauberstab. Dieser brauchte einen Moment, bevor er ruhig genug war, um sich auf den Zauber zu konzentrieren. „Episkey“, sprach er zittrig und Severus spürte, wie seine Rippen an ihre Position rutschten. Ächzend hielt er sich den Brustkorb und erhob sich dann langsam und vorsichtig. Harry hatte den Kopf auf dem Boden abgelegt, biss sich auf die Unterlippe, schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. „So“, murmelte der Slytherin, ging um den anderen herum und hob dessen Mantel und Pullover an. „Hast du denn ein Gefühl in den Beinen?“ „Weißt nicht...“, murmelte Harry ohne den Kopf anzuheben. Severus strich über das Bein des anderen: „Spürst du das?“ „N-Nein“, klang der Gryffindor wieder verzweifelt. „Okay, kein Grund zur Panik.“ Ob Harry bewusst war, dass Severus ihn nur beruhigen wollte und selbst nicht wusste, ob er ihn heilen konnte? Immerhin war er Querschnittsgelähmt, dazu waren schon bessere Zauber verlangt, als die, die der Tränkemeister kannte. Vorsichtig besah Severus sich die Wirbelsäule des anderen und wurde knapp über dem Steißbein fündig. „Mach den Gürtel los“, murmelte der Slytherin ruhig, während er sich die Haare aus dem Gesicht strich und ohne irgendeinen Kommentar gehorchte Harry. Nun konnte Severus den Bruch erkennen, der zudem auch noch offen war. Das Blut lief am Becken des Gryffindors herunter und tropfte auf den Boden und die Wirbelsäule war deutlich verrutscht. „Kriegen Sie das hin?“, fragte Harry leise. „Ich versuch es“, murmelte Severus noch immer. „Brüche sind kein Problem, aber die Wirbelsäule ist kein normaler Knochen. Da sind noch die Bandscheiben und Nerven.“ Konzentriert versuchte der Slytherin die Wunde zu heilen und machte einige Fortschritte. Die Wirbelsäule rückte wieder an die richtige Position, wuchs wieder zusammen und auch die Nervenbahnen schienen sich zu erholen. Als Severus sich sicher war, dass das wenigstens das Problem des Laufens lösen müsste, schloss er die Wunde. „Gleich müsste es wieder gehen... Es dauert einen Moment, bis du wieder was spürst.“ Stumm nickte der Gryffindor und beruhigte sich nun vollends. Plötzlich hörten sie ein Gemurmel und beide sahen den Gang hinunter. In der Ferne erschien ein warmes Licht. Menschen?! „Was ist das?“, flüsterte Harry alarmiert und versuchte etwas zu erkennen. „Ich weiß nicht...“, sprach Severus ebenso leise und sah sich hektisch um. Zurück konnten sie nicht, da sie den Abgrund hinter sich hatten und auf den Besitzer des Lichtes zu warten gefiel ihm auch nicht besonders. Da entdeckte er einen Spalt in der Wand, der relativ breit war, zumindest breit genug, um sich darin zu verstecken. „Vorsicht“, warnte Severus den Gryffindor vor, bevor er unter dessen Arme griff und ihn hochzog. Zwar konnte Harry nicht selbst stehen, doch so zog Severus ihn zum Spalt und rutschte so weit wie möglich dort hinein. Am Ende war es gerade so breit wie die Schultern des Slytherins und er hockte sich dort hin, Harry vor sich. Eilig sprach der Tränkemeister einen Muffliato und weitere Schutzzauber, jedoch nicht zu viele, da diese Wesen eventuell Magie aufspüren konnten. Nun konnten sie weder gesehen, noch gehört werden, doch riskant war ihr Versteck dennoch. Der Gryffindor lehnte mit dem Rücken an Snapes Brust und versuchte so leise wie möglich zu atmen. Der Lichtschein wurde immer heller und schließlich konnten sie zwei Stimmen hören. Sie unterhielten sich, doch konnten beide nicht verstehen, was gesagt wurde, da ihnen diese Sprache völlig fremd war. Sie hatte keine Ähnlichkeit mit irgendwelchen bekannten Sprachen und war zudem sehr rau und grob. Sowohl Harry als auch Snape hielten die Luft an, als zwei Gestalten erschienen, die ein wenig Kreacher ähnelten, nur in viel größer. Sie müssten ungefähr einen Kopf kleiner sein als sie, hatten lederne, braune Haut, große Glubschaugen, schiefe, spitze Zähne aber kleine Ohren, die als einziges nicht an den Hauself erinnerten. Ihre Bekleidung war so schmutzig und unscheinbar, dass man von weitem denken könnte, die Wesen hätten nichts an. Einer der beiden hielt eine Laterne in der Hand und zusammen besahen sie sich den Abhang. Hatten sie mitbekommen, dass diese Falle zugeschnappt war? Suchten sie jetzt nach irgendwelchen Leichen? Einer der Wesen deutete plötzlich auf den Boden und sie beugten sich über etwas. Fieberhaft überlegte der Slytherin, ob sie etwas hatten liegen lassen, doch eigentlich hatte er darauf geachtet alles mitzunehmen. „Gaaath“, sagte einer der beiden laut und deutlich und auf einmal spannte Harry sich an. Reflexartig hielt Severus ihm die Hand vor den Mund, doch das war völlig zwecklos. Ganz plötzlich fühlte Harry sich, als würde sein Herz in Flammen stehen und dieses Feuer breitete sich rasend schnell durch seinen gesamten Körper aus. Jede einzelne Ader in ihm hatte Feuer gefangen und auch die vorher gefühllosen Beine brannten höllisch. Harry sah nichts mehr, hörte nichts mehr und schrie aus Leibeskräften. Es waren unglaubliche Schmerzen. Vor seinen Augen sah er seine Äderchen, die ihm komplett die Sicht versperrten, während sein Körper verbrannte. Er wollte, dass es aufhörte. Er wollte sterben, Hauptsache es hörte auf. Warum tötete Snape ihn nicht einfach?! Völlig hilflos sah Snape zu, wie der Gryffindor den Kopf zurück auf seine Schulter legte, die Augen aufriss, jeden Muskel des Körpers anspannte und sich die Seele aus dem Leib schrie. Irritiert sah er zu den Orks, die sich umsahen und vielleicht gerade darauf lauschten, ob irgendwo jemand zu hören war. Merlin sei Dank hatte er den Muffliato verwendet. Wie auch immer diese Biester es angestellt hatten, sie bereiteten Harry Höllenqualen. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde Potter endlich still, erschlaffte vollkommen und sein Kopf sackte zur Seite, so dass seine Stirn an Severus' Hals lag und er den kalten Schweiß auf dessen Stirn fühlen konnte. Der Gryffindor zitterte am ganzen Leib vor Überanstrengung und atmete ebenso zittrig. Auf dem linken Ohr konnte der Slytherin nur noch ein Piepen hören. „Potter“, flüsterte Severus dem anderen zu, doch dieser zeigte keine Reaktion. Die Orks rührten sich wieder. Sie hatten nichts bemerkt und gingen nun wieder schwatzend den Gang zurück. Als sie im Stockdunklen saßen und Severus sich absolut sicher war, dass sie außer Hörweite waren, löste er die Zauber auf und versuchte aufzustehen. Mehr schlecht als Recht. „Potter. Kannst du die Beine bewegen? Potter!“ Ein schwaches Murmeln war die Antwort, doch bewegen tat sich der andere nicht. Grummelnd hievte der Slytherin sich und Harry hoch und ignorierte dabei die Stiche in seiner Seite, während er Harry aus dem Spalt herauszog. Vorsichtig legte er ihn auf die Seite. Noch immer zitterte der Grünäugige und schien halb ohnmächtig zu sein. Was hatten die mit ihm gemacht? Severus schlich zu der Stelle, wo die Orks sich hingekniet hatten. Dort hatte Harry gelegen, also muss da eine Blutlache gewesen sein, doch jetzt war kein Blut mehr zu sehen. Hatten die es geschafft es aufzusammeln? Und was hatten sie damit vor? Der Slytherin schluckte. Mit Pech war Potters Ausbruch erst ein Vorgeschmack von dem, was sie noch mit ihm anstellen konnten. Einige Orkarten waren durchaus mit der schwarzen Magie vertraut. Etwas beunruhigt ging er zurück zu Potter, der ihn nun wieder ansah, jedoch immer noch schwach wirkte. „Ich spüre meine Beine wieder“, krächzte er leise, nachdem er vorhin seine Stimme so verausgabt hatte. Beinahe wäre dem Slytherin ein Schmunzeln übers Gesicht gehuscht. „Na wenigstens etwas.“ „Trotzdem... tut alles weh“, ächzte der Gryffindor, wollte sich auf den Rücken drehen, ließ es jedoch bleiben, als er den Schmerz am Steißbein merkte. „Haben Sie... alles geheilt bekommen?“ „Das werden wir sehen, wenn du versuchst du laufen.“ „Was ist eben mit mir passiert?“, fragte Harry weiter. Überlegend fragte der Tränkemeister: „Wie hat es sich angefühlt?“ „Meine... mein Blut hat Feuer gefangen... im ganzen Körper“, erzählte Harry schwach. Severus nickte leicht und sah seine Vermutung bestätigt. „Diese Orks beherrschen schwarze Magie. Sie haben dein Blut mitgenommen, das da vorne auf den Boden getropft ist.“ Unsicher sah Harry den anderen an. „Heißt das, sie können damit jetzt anstellen was sie wollen? Was werden die mit mir machen?“ „Ich weiß es nicht“, schüttelte Snape den Kopf. „Glaubst du du kannst weiter?“ Harry seufzte, stützte sich mit den Armen ab und versuchte aufzustehen. Allerdings waren seine Muskeln sehr schwach und schmerzten, sodass er sich gleich wieder sinken ließ. „Nein, ich schätze nicht. Aber was ist, wenn sie wiederkommen?“ „Das müssen wir eben jetzt riskieren“, sagte der Slytherin und begann die Schutzzauber auszuführen. „Ruh dich aus, wir rasten hier.“ Es dauerte nicht lange, da war der Gryffindor eingeschlafen. Severus musste zugeben, dass er sich ein wenig Sorgen machte. Erst einmal wusste er nicht, ob er die Verletzung wirklich geheilt hatte und zum anderen gab es hier Orks, die sich gar nicht weit weg befanden. Wenn diese Wesen so lange überlebt hatten, dann musste es ein ganzes Volk davon geben und dem wollte der Slytherin nicht unbedingt begegnen. Außerdem konnten sie mit Harrys Blut anstellen was sie wollten. Sie hatten keine andere Wahl als den Weg zu nehmen, woher die Orks gekommen waren, doch das erhöhte auch ihre Chancen in deren Lager zu stolpern. Harry war nach dem Nickerchen fit genug die nächste Wache zu übernehmen, auch wenn er nicht wusste, wie er sich hinsetzen sollte. Bewegen konnte er die Beine, doch er hatte es noch nicht gewagt aufzustehen. Schmerzfrei war er zudem auch nicht, aber man konnte nicht alles haben. Nachdem Snape ausgeruht war, aßen sie etwas und wollten dann aufbrechen. Wie zu erwarten war, tat der Gryffindor sich schwer. Sein Körper war unglaublich steif, auch ohne den Muskelkater, und er zog sich an der Wand hoch, um überhaupt aufstehen zu können. Auf der Rückseite seiner Oberschenkel zog ein widerlicher Schmerz hindurch und er konnte nicht gerade stehen, geschweige denn laufen. „Verdammt“, murmelte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Geht nicht?“, kam der Slytherin zu ihm und schob Harrys Mantel zur Seite, um sich das anzusehen. Der Grünäugige schluckte, weil Snape dabei auch am Hosenbund beigehen musste, doch momentan lenkte ihn der Schmerz zu genüge ab. „So kann ich unmöglich laufen“, japste er. „Vielleicht ist ein Nerv eingeklemmt“, überlegte der Slytherin, nahm den Zauberstab und drückte mit den Fingern auf der Stelle herum. Dabei ging Harry sofort an die Decke. „AH! Hey, nicht so grob!“ „Soll ich dir nun helfen oder nicht?“, murrte der andere nur und Harry knurrte vor sich hin. Warum musste ihm das auch passieren? Alles nur nicht die Wirbelsäule. Na gut, vielleicht doch nicht alles. „Besser?“, fragte Snape schließlich und Harry richtete sich vorsichtig weiter auf. „Ja, denke schon“, sagte er und machte testweise ein paar Schritte. Schön war es zwar nicht, aber es war definitiv besser als vorher. Und so gingen sie los, wenn auch ziemlich langsam und Harry stützte sich vorsichtshalber immer mit einer Hand an der Wand ab. Er wusste nicht so ganz, in welcher Position er besser laufen sollte, gebeugt oder gerade. Bei seinen verschiedenen Versuchen gab er ein Ächzen von sich, was den Slytherin auf die Palme brachte. „Potter, jetzt reiß dich ein bisschen zusammen. Ich jammer doch auch nicht herum.“ Wütend wollte Harry was erwidern, doch ihm fiel nichts schlagkräftiges ein. Irgendwo hatte er ja schon Recht, Snape lief seit Tagen mit gebrochenen Rippen herum und beschwerte sich nicht, obwohl sie regelmäßig was abbekamen. Durch das ständige Belasten und Verschieben hatten sie auch keine Chance wieder zu verheilen. Trotzdem kam der Gryffindor nicht drumherum, nach schon kurzer Zeit eine Pause zu verlangen. Er legte sich der Länge nach hin und seufzte erleichtert auf. In dem Tempo würden sie hier nie herauskommen. Das dachte Snape sich wohl auch, denn der setzte sich knurrend neben den anderen. Einige Minuten rang er mit sich, doch dann sagte er: „Zeig mal her.“ Harry drehte sich auf die Seite und Snape besah sich das nochmal. Es war blau und gelb geworden, was wohl bedeutete, dass er es doch nicht geschafft hatte das Gewebe komplett zu heilen. Leicht angeschwollen war es auch. Eigentlich hatte er vorgehabt das ein bisschen zu massieren, doch wenn es so aussah, war er sich unsicher, ob das nicht alles verschlimmern würde. Wenigstens die Muskeln wollte er ein wenig lockern und so begann er großzügig um die Stelle herum zu massieren. Es überraschte den Gryffindor ein wenig, doch es fühlte sich nicht schlecht an und so ließ er es kommentarlos geschehen, genoss es sogar. Es war erstaunlich wie sanft Snape sein konnte. Wie seine feingliedrigen Finger genau den richtigen Druck ausübten, damit es für Harry am angenehmsten war. Erschöpft schloss Harry die Augen, genoss die Behandlung und vergaß völlig darüber nachzudenken, ob diese Situation gerade nicht ein wenig merkwürdig war. „Wie fürsorglich ein Todesser doch sein kann“, murmelte er schon halb im Dämmerschlaf. „Wie angenehm ruhig doch mal ein Potter sein kann“, kam als Antwort zurück, was Harry ein belustigtes Schnauben entlockte. „Wie Sie sehen muss man dafür nur lieb zu mir sein“, schnurrte Harry frech. „Das fällt einem schwer, wenn in deinen Augen ständig dieses herausfordernde Glitzern zu sehen ist“, argumentierte Snape. „Die schreien geradezu 'Na los, egal was Sie sagen, mir fällt schon eine neue Frechheit ein'.“ „Komisch, das Gefühl habe ich eher bei Ihnen. Geben Sie es zu, Sie denken pausenlos darüber nach, welche Gemeinheit Sie mir als nächstes an den Kopf werfen können.“ „Natürlich, weil ich in meiner Freizeit nichts lieber tu, als ständig über dich nachzudenken“, antwortete der Slytherin so sarkastisch, dass es Harry erneut ein Grinsen aufzwang. „Da, genau dieses Glitzern meine ich“, ergänzte Snape ein wenig schnippisch. „Hey, ich hatte gar nicht vor was fieses zu sagen“, beschwerte sich der Gryffindor. „Das kann jeder behaupten.“ „Schonmal daran gedacht, dass Sie da einfach etwas falsch interpretieren?“ „Niemals.“ „Natürlich nicht.“ Mit dieser trockenen Antwort hatte der Slytherin nicht gerechnet und beobachtete den anderen skeptisch. Schelmisch grinste Harry zurück und wusste nun selbst, dass dieses besagte Glitzern wohl erneut in seinen Augen auftauchen musste. Murrend setzte Snape seine Hand in Harrys Nacken an und begann dort zu massieren, sodass dem Gryffindor nichts anderes blieb, als entspannt den Kopf und damit auch den Blick sinken zu lassen. Das war ja mal eine ganz neue Methode von Snape, um eine Diskussion zu beenden. Nach der Pause ging es dem Gryffindor schon besser und sie konnten ein wenig schneller laufen. Zwischen den beiden war die Stimmung wahrscheinlich so gut wie noch nie. Zwar waren sie nicht fröhlich am Plaudern, aber sie konnten miteinander umgehen wie völlig normale Menschen auch. „Werden diese Wesen nicht nach uns suchen? Immerhin wissen sie, dass wir hier irgendwo sind“, überlegte Harry laut. Der Slytherin dachte nach. „Vielleicht wissen sie auch, dass du zu ihnen kommen wirst. Ob nun freiwillig oder nicht.“ Das brachte den Gryffindor zum Schlucken. Würden sie nur wegen seinem Blut dazu in der Lage sein? „Nur mal so zur Info...“, fragte er mit leicht erhöhter Stimme. „Was machen Orks mit Menschen?“ „Ich denke nicht, dass hier die gleichen Bedingungen herrschen, wie bei Orks in den Bergen aber sie werden uns zum fressen gerne haben. Schätze ich.“ Prüfend warf Snape einen Blick zum anderen. „Das würden die anderen Biester doch auch tun, also sind sie nicht schlimmer als die.“ Skeptisch sah Harry zurück. So ganz konnte er das nicht nachvollziehen, aber Snape konnte von denen auch nicht verhext werden. Mit einem mal wurde der Slytherin langsamer und Harry erkannte auch warum. Um sie herum wurde es seltsam dunstig, wie bei Nebel. Der Zauberstab hatte keinen blauen Schein mehr sondern einen gelben. Je weiter sie gingen, desto dichter wurde der Nebel und Harry blieb dicht beim Tränkemeister. Was war das? „Atme das nicht ein“, murmelte Snape und zog sich den Mantel über Mund und Nase, was Harry ihm gleichtat. Das Licht des Zauberstabes brachte kaum noch etwas und durch den dichten Nebel war nichts zu sehen. Bald wurde Harry bewusst, wie dicht diese Substanz war und dass es unmöglich war sie nicht einzuatmen. 'Das ist unser Ende.', dachte Harry. Er spürte wie seine Sinne schwanden. So gut es ging versuchte er sich an Snape zu orientieren, doch das war leichter gesagt als getan. Es war schwer das Gleichgewicht zu halten, weil der Nebel nicht erkennen ließ, wo oben und unten war. Der Schmerz im Rücken verschwand und dem Gryffindor wurde ganz leicht ums Herz. Alle Sorgen waren weg, ähnlich wie bei einem Imperio. Er vergaß wo er war, was er wollte, er schwebte nur noch in diesem wundervollen Nebel, der wie flauschige Watte auf ihn wirkte. Sein Körper fühlte sich taub und gleichzeitig intensiv an. Zwar wusste er nicht einmal mehr, ob er die Beine zum laufen bewegte, ob er stand, saß oder lag, doch einige Empfindungen waren dann doch da, auch wenn er nicht erklären konnte was es war. Ein leichter Druck an seinem Arm, an seiner Taille und ein wunderbar warmes Gefühl im Bauch. Genüsslich schloss Harry die Augen und konzentrierte sich auf diese Wärme, die bald zu einer erregenden Hitze wurde. Ihm entkam ein Seufzen und als er die Augen wieder öffnete, sah er in die schwarzen Tiefen des anderen. Ihre Lippen trafen sich wieder und die Hitze in Harrys Bauch breitete sich weiter aus, wich einer ungebändigten Lust. Harry presste seinen Körper an den anderen, wollte ihn spüren, so intensiv wie möglich. Ihre Küsse wurden wilder, Snape drückte den anderen an die Wand und küsste sich gierig an seinem Hals hinunter. Immer mehr die Kontrolle verlierend, rieben sie sich aneinander, seufzten und stöhnten, rissen an den Klamotten und strichen über die Haut des anderen. Harry strich mit der Zunge über Snapes Hals zu dessen Schlüsselbein, genoss das Seufzen des anderen und sog dessen Duft ein. Ungeduldig zerrte der Slytherin an Harrys Gürtel, während Harry sich an seinem Hals wieder hoch küsste. Endlich war die Hose des Gryffindors offen und dieser stöhnte dem anderen ins Ohr, als seine Hand hineinglitt. Sie waren nicht mehr in der Lage zu denken, so sehr waren sie von ihrer Lust eingenommen. Sie wollten mehr, viel mehr, sie wollten alles vom anderen haben.   Es drehte sich alles. Warum war es stockdunkel, obwohl er sich sicher war die Augen offen zu haben? Irritiert strich Harry sich über seine Augen. Wo war er? Der Boden war hart und kalt, doch sein Kopf lag doch auf etwas... Sofort schreckte er auf. Er hatte auf nackter Haut gelegen, da war er sich sicher. Er hatte sogar einen Herzschlag gehört. Warum war es nur so dunkel und kalt? Bibbernd rieb er sich über die Arme und erschrak. Er hatte kein Oberteil an. Hastig strich er sich über die Beine, doch die Hose war noch da wo sie hingehörte. Erst jetzt wurde ihm wieder klar, dass er sich in Necrandolas befand. Wo war denn nur sein Zauberstab? Er brauchte Licht. Vorsichtig tastete er auf dem Boden herum, bis er Stoff zu fassen hatte und darunter das Stück Holz fand. „Lumos“, flüsterte er und sofort kam ein Knurren von seiner Seite. Neben ihm lag Snape. Offensichtlich hatte er geschlafen und wurde nun mit dem Zauberstab von Harry geblendet. Jetzt war Harry völlig verwirrt. Snapes Hemd war aufgeknöpft und Harry hatte wohl auf seinem Bauch geschlafen. Sein Gürtel war geöffnet und schnell sah Harry an sich selbst herab. Seine Hose war offen. Was zum Teufel war passiert? Und warum lagen sie hier völlig schutzlos und schliefen? Nach einigem Umsehen fand Harry seinen Mantel und Pullover und zog sich hastig an, noch immer bibbernd vor Kälte. Langsam kam der Slytherin auch zu sich und beobachtete den anderen sprachlos. „Was...“, begann er, sah an sich selbst herab und richtete sich auf. „Was ist passiert?“ Snape bewegte sich als hätte er einen schlimmen Kater und zog sich langsam wieder an. „Ich... hatte gehofft, Sie könnten mir das sagen“, erwiderte Harry. Während der Gryffindor seinen Mantel zuknöpfte, sah er den Weg zurück und stockte. Da war eine Nebelwand. Dieser Hinweis brachte ihm seine Erinnerungen zurück. Sie waren in den Nebel gegangen und da drin hatte er die Orientierung verloren. Der Rest erschien ihm nur noch schemenhaft. Hatte er das geträumt, oder...? Das musste ein Traum gewesen sein. Aber warum waren sie dann beide nur halb angezogen? „Der Nebel...“, begann Harry und Snape folgte seinem Blick. Anscheinend erinnerte er sich nun auch, denn seine Augen wurden groß vor Entsetzen. Etwas hilflos öffnete er den Mund, um zu sprechen, brachte jedoch keinen Ton heraus. „War das... ein Traum?“, fragte Harry zögerlich. „O-Oder haben wir....?“ Er wagte es nicht es weiter auszusprechen. Snape rührte sich nicht und es war schwer zu sagen was er dachte. „Das...“, begann er zögerlich. „Das... ergibt keinen Sinn. Ich meine... was...“ Wäre die Situation gerade nicht so verrückt, hätte Harry über den anderen gelacht. Ein Tränkemeister, der sprachlos wegen der Wirkung einer gasförmigen Substanz war, unglaublich. „Das...“, versuchte er es erneut. „Das hätte doch nichts... tödliches an sich. Es sei denn...“ „Es sei denn was?“ „Es sei denn diese Wirkung... dieser Nebel soll als Ablenkung dienen.“ „Und warum leben wir dann noch?“, fragte Harry stirnrunzelnd. Eine kurze Stille trat ein, in der Snape langsam den Kopf schüttelte. „Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern wie wir da wieder herausgekommen sind.“ „Ich... weiß auch nicht mehr viel“, erwiderte Harry und zermarterte sich das Hirn. Doch das einzige, woran er sich erinnerte, war seine ungebändigte Lust, Snapes verlangenden Küsse und ihre... Laute. Peinlich berührt setzte er hinzu: „Haben wir... also... sind wir... ich meine...“ Obwohl der Gryffindor nichts vernünftiges zu Stande brachte, verstand Snape ihn. „Tut dir irgendwas anderes weh als der Rücken?“, presste er heraus und Harry spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Er schluckte, schüttelte dann jedoch den Kopf. Langsam stand der Slytherin auf, überlegte noch kurz und sagte dann: „Dann haben wir nicht.“ Kurzerhand schnappte er sich den Zauberstab aus Harrys Hand und ging den Gang hinunter. Mehr wollte er nicht dazu sagen? Das war alles?! Sie hatten beinahe miteinander geschlafen, oder hatten es vielleicht sogar, und der Kerl ging einfach weiter?! Na toll, da hatte er seine ersten richtigen sexuellen Erfahrungen gemacht und die waren erstens manipuliert worden und zweitens erinnerte er sich kaum daran. Zudem waren sie mit einem Mann. Und nicht nur mit irgendeinem, sondern mit SNAPE. „Hey, wer sagt überhaupt, dass ich unten gelegen hätte?“, beschwerte Harry sich und rappelte sich endlich auf, um Snape zu folgen. Nach einigen Schritten spürte er, dass es seinem Rücken wohl doch nicht so gut ging, wie zuerst angenommen, aber es war besser als zuvor. „Über so etwas diskutiere ich nicht mit dir, Potter“, antwortete Snape. Die Wut des Gryffindors kochte wieder hoch. „Warum? Sind Sie etwa zu stolz für sowas? Tun Sie nicht so, als seien Sie immer der Überlegene!“ „Potter, es reicht“, knurrte der Tränkemeister gefährlich leise. „Sie haben doch nur Schiss, dass es doch anders herum gewesen sein...“ Blitzschnell griff Snape nach dem Kragen des anderen und drückte ihn an die Wand. Völlig überrascht sah Harry in die schwarzen Augen, die ihn wütend anfunkelten. „Ich sagte es reicht!“ Warum tickte er denn wegen so etwas so aus? War Harry zu weit gegangen? Sie hatten sich schon oft genug gestritten, aber Snape wurde nicht einfach so handgreiflich. „Was ist Ihr Problem?“, fragte der Gryffindor verständnislos. „Du bist mein Problem!“, keifte Snape zurück, schubste Harry zur Seite und ging dann den Gang weiter. Das versetzte dem Gryffindor einen leichten Stich, worüber er sich sofort ärgerte und beschloss diese Wut am anderen auszulassen. „Geht das vielleicht auch etwas präziser?“, rief Harry genervt. „Hör einfach auf mich zu nerven!“ Wütend schnaubte der Grünäugige. Er fühlte sich ungerecht behandelt. „Zieh das Messer“ Was? Was dachte er denn gerade für einen Blödsinn? Doch sein Arm schien ihm nicht zu gehorchen und er griff in die Manteltasche. Was war hier los?! Wie von selbst setzte er sich in Bewegung und folgte Snape, während er das Messer herausholte. „Stich zu“ Vor Entsetzen riss Harry die Augen auf. Was ging hier vor sich?! Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr! Er lief jetzt dicht hinter dem Slytherin und seine Hand hob sich, um mit dem Messer auszuholen. Verzweifelt kämpfte er dagegen an, doch es brachte nichts. „Töte ihn“ Kapitel 38: Kontrolle --------------------- „Töte ihn“ Mit aller Macht kämpfte Harry gegen sich selbst, doch er hatte keine Chance. Er musste doch irgendwas tun! Er versuchte zu rufen, Snape irgendwie zu warnen, doch auch seine Zunge wollte nicht gehorchen. Mit aller Kraft versuchte er seine Stimme wiederzufinden und tatsächlich entkam ihm ein Laut, auch wenn es eher nach einem Kampfschrei klang, aber hauptsache er machte sich irgendwie bemerkbar. Verwundert drehte Snape sich um und im gleichen Moment stieß Harry zu. 'Nein!' Erschrocken sah der Tränkemeister, was Harry vorhatte und griff nach dem Arm, der auf ihn zusauste. Die Klinge stoppte knapp vor seiner Brust und der Gryffindor drückte mit aller Kraft gegen den Arm des Slytherins, der deutlich schwächer war als Harrys, obwohl er verzweifelt versuchte sich unter Kontrolle zu bringen. „Potter, was...“ „Töte ihn endlich“ Harry warf sich gegen den anderen und sie stürzten zu Boden. Dabei verlor Snape den Zauberstab, der, weiterhin erleuchtet, klappernd von ihnen wegrollte. Schmerzerfüllt verzog sich das Gesicht des Slytherins, als er unsanft auf dem Rücken landete und Harry zusätzlich den Druck auf seine Rippen vergrößerte. Noch immer hatte Harry das Messer im Anschlag und Snape musste sich komplett darauf konzentrieren die Klinge von sich fernzuhalten, da Harry ihm in körperlicher Kraft überlegen war. In der Hoffnung irgendwie mit ihm kommunizieren zu können, sah Harry dem Slytherin in die Augen, doch der schien seinen Blick nicht zu verstehen. Verdammt! „Meinst... du nicht...“, presste Snape heraus. „dass du... ein wenig... überreagierst?“ 'Das bin nicht ich!', wollte Harry schreien, doch es kam kein Ton über seine Lippen. Um Harry von sich zu stoßen, gebrauchte der Tränkemeister nochmals seine ganze Kraft und versuchte so die Überhand zu gewinnen. Während Harry neben ihm stürzte, suchte der Slytherin mit einer Hand nach dem Zauberstab. Schnell wechselte Harry das Messer in die andere Hand und holte aus. Snape erkannte, dass er seine Deckung vernachlässigt hatte und griff schnell nach dem Handgelenk des Gryffindors. Er versuchte genügend Druck auszuüben, damit er das Messer fallen ließ, doch das funktionierte nicht. So sehr er sich auch anstrengte, er kam nicht gegen Harry an. Mit einem Ruck ließ Snape vom anderen ab und krabbelte ein Stück von ihm weg. Das Messer noch immer in der Hand, stand Harry schon auf, um erneut auf Snape loszugehen, doch dieser bekam endlich den Zauberstab zu fassen und richtete ihn gegen Harry. „Expelliarmus“, keuchte Snape und Harry flog das Messer aus der Hand. „Bleib wo du bist.“ „Du kannst ihn auch ohne Messer töten“ Wieder gehorchten ihm seine Beine nicht und er ging drohend auf Snape zu. „Impedimenta.“ Harrys Körper wurde schlaff und er stürzte unsanft zu Boden. Mit dem Aufprall hatte er gleichzeitig das Gefühl nicht mehr gesteuert zu werden. Er bewegte testweise den Mund und er schien tatsächlich wieder sprechen zu können. „Ich... ich war das nicht“, fiel ihm als erstes ein. „Woher soll ich wissen, ob du wieder du selbst bist?“, murmelte Snape kühl und japste wegen seinen Rippen. „Ich weiß nicht... ob ich wieder rückfällig werde, aber vorhin konnte ich nichtmal sprechen.“ Er verstand schon, warum Snape ihm nicht traute, doch dessen Rippen mussten gerichtet werden. „Fesseln Sie mir einfach nur die Hände... und dann gehen wir so weiter... nachdem ich Ihre Rippen geheilt habe.“ Der Slytherin zögerte, doch dann machte er einen Schlenker mit dem Zauberstab und Harry war frei. Langsam, um zu zeigen, dass er nicht wieder angreifen wollte, kam der Gryffindor zum Schwarzäugigen. „Es tut mir leid“, murmelte Harry niedergeschlagen, während Snape ihm den Zauberstab hinhielt. „Mach einfach“, krächzte der Slytherin ungeduldig. Der Gryffindor griff sachte nach dem Zauberstab und versuchte sich dann zu konzentrieren. Ganz bei der Sache war er jedoch nicht. Hätte er Snape tatsächlich getötet, wenn dieser sich nicht gewehrt hätte? Warum schrie Snape ihn nicht an? Dann würde er sich besser fühlen. Zögerlich sah Harry auf und begegnete wie so häufig dem ruhigen Blick des anderen. Nicht nur, dass dem Gryffindor dieser Blick nun umso unangenehmer war, er verstand ihn auch nicht. Der Tränkemeister nutzte jede Gelegenheit, um auf ihm herumzuhacken, aber wenn Harry versuchte ihn zu töten, kam keine Reaktion? Was war denn das für eine Logik? Als Harry fertig war, griff Snape wieder kommentarlos nach dem Zauberstab. „Ich hätte dich töten können“, flüsterte Harry kaum hörbar und wagte es nicht den Blick erneut zu heben, doch der Slytherin hatte ihn trotzdem verstanden. „Hast du aber nicht“, sagte der Slytherin ruhig. Betreten sah Harry zur Seite, was Snape ächzen ließ. „Potter, du wurdest mit schwarzer Magie dazu gezwungen. Überlege dir lieber, was wir dagegen machen können, statt Trübsal zu blasen.“ Harry wurde still und überlegte, während der Slytherin aufstand und das Messer aufhob. „Das behalte ich erstmal“, sagte er knapp und forderte Harry auf weiterzugehen. „Geh lieber vor, dann kann ich dich im Auge behalten.“ Zögerlich stand der Gryffindor auf und setzte sich in Bewegung. Die Rauferei hatte seinem Rücken nicht gut getan und er gab ein Ächzen von sich. Hoffentlich würde das irgendwann von alleine besser werden. „Haben Sie irgendeine Idee, was wir gegen diese Orks tun können?“, fragte der Gryffindor nach einiger Zeit. Seufzend antwortete Snape: „Wir können es wohl nicht riskieren nichts zu unternehmen. Die einzige Möglichkeit das zu beenden ist, ihre Quelle zu zerstören.“ Ruckartig drehte Harry sich zum anderen um. „Heißt das wir müssen in ihr Lager?!“ „Ich fürchte ja.“ Der Tränkemeister sah genauso wenig begeistert aus, wie Harry sich fühlte. Er musste schlucken. „Wie... Was glauben Sie, wie viele werden das sein?“ Kopfschüttelnd antwortete der Tränkemeister: „Keine Ahnung.“ Schwer seufzend sah Harry den Gang hinunter und strich sich erschöpft übers Gesicht. Für so eine Aktion fühlte er sich nicht fit genug und Kopfschmerzen hatte er auch. Diese Geste ließ den Slytherin stutzen und er kam näher. Prüfend legte er seine Hand auf Harrys Stirn, was diesen erschrecken ließ. Snapes Hand war eiskalt. „Du hast Fieber“, stellte Snape fest und ihm war anzusehen, dass er sich sorgte. „Wie geht es deinem Rücken?“ „Naja...“, zuckte Harry die Achseln. Dass Snape ihn berührte, ihm so nah stand und dann auch noch besorgt um ihn war, verstärkte Harrys flatterndes Gefühl im Bauch, welches er rasch wieder vertreiben wollte. Für seinen Geschmack wirkte Snape sogar zu besorgt, immerhin war ein bisschen Fieber nicht schlimm. Doch der Tränkemeister schob Harrys Mantel beiseite und untersuchte sogleich die Wirbelsäule. Mit einem Seufzer gab der Gryffindor sich geschlagen und hob seinen Pullover hoch. Snape fand genau das vor, was er befürchtet hatte: Offensichtlich hatte sich die Verletzung entzündet. Leise fluchend ließ er von Harry ab und überprüfte, was für Salben er dabei hatte, doch natürlich hatte er keine da, die helfen könnte. Skeptisch zog Harry die Augenbrauen hoch. „Was ist?“ „Die Wunde hat sich entzündet.“ „...Und?“, verstand Harry die Problematik nicht. Genervt wandte Snape sich wieder an den anderen: „Wenn wir das nicht behandeln, wird es dir immer schlechter gehen.“ „Ich schaffe das schon.“ „Potter, das ist der falsche Zeitpunkt, um den Helden zu spielen!“ Nun wurde auch Harry lauter: „Sie wissen doch selber, dass wir das nicht behandeln können, also bringt es auch nichts, wenn ich jetzt herumjammere. Da muss ich eben durch.“ Für einige Augenblicke musterte Snape den jüngeren, der ihm entschlossen in die Augen sah. So hatte er Harry nie eingeschätzt und das irritierte ihn. Er hatte ihn immer für eine verzogene Göre gehalten, die sich wegen jedem Wehwehchen beschwerte. „Also, wie finden wir jetzt dieses Lager?“, wechselte der Gryffindor entschlossen das Thema. Noch immer überrumpelt sah Snape ihn an und ließ auf eine Antwort warten, bis Harry keine Geduld mehr hatte und sich ächzend umdrehte, um weiterzulaufen. „Sie müssen ja aus der Richtung gekommen sein, oder? Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass sie durch den Nebel gelaufen sind“, überlegte der Grünäugige und hörte endlich, wie Snape ihm folgte. „Das Lager zu finden wird nicht das Problem sein. Viel problematischer ist, wie wir uns da reinschleichen, denn ein offener Kampf ist mit nur einem Zauberstab vollkommen zwecklos“, beteiligte Snape sich endlich an den Überlegungen. „Wissen Sie, wie genau die mich kontrollieren?“ „Es gibt viele verschiedene Methoden, wie sie das machen könnten. Aber irgendwo müssen sie dein Blut aufbewahren und das müssen wir ihnen wegnehmen.“ „Klingt eigentlich ganz simpel.“ „Hoffen wir mal, dass es das auch ist“, knurrte der Slytherin. Das Lager war wohl doch nicht so nah, wie beide gedacht hatten, denn sie liefen stundenlang ohne einen Hinweis auf die Orks zu finden. Harry befürchtete schon, dass sie in die falsche Richtung liefen und sich immer weiter entfernten. Erschöpft setzte sich der Gryffindor auf seine Beine, um das Steißbein zu schonen. Inzwischen hatte er sich daran gewöhnt nicht mehr anders sitzen zu können, obwohl seine Beine jedes mal dabei einschliefen. Snape ließ sich neben ihm nieder und trank aus einer der Flaschen, die bald schon wieder leer sein würden. Den Kopf zurücklehnend, schloss Harry die Augen und spürte schon bald Snapes Hand auf seiner Stirn. „Es steigt ziemlich schnell“, murmelte der Tränkemeister und der Gryffindor öffnete die Augen, um den anderen anzusehen, der die Hand wieder weggezogen hatte. „Ich muss mich nur kurz ausruhen, dann geht es mir besser“, erwiderte Harry leise und schloss dabei schon wieder die Augen. So gut, wie er es vorgab, ging es ihm nur leider nicht. Sein Kopf dröhnte und seine Glieder waren schwach. Ohne nachzudenken senkte er seinen Kopf und lehnte die Stirn an Snapes Schulter, der skeptisch eine Augenbraue hochzog. Ansonsten zeigte er jedoch keine Reaktion und so verweilte Harry in der Position, bis er wegdöste. Damit der Grünäugige zu Kräften kam, ließ der Slytherin ihn schlafen und legte die Schutzzauber über sie. Es war ihm ein Rätsel, warum Harry schon wieder seine Nähe suchte. Wahrscheinlich lag es an diesem Ort, Potter fühlte sich einsam und suchte Schutz. Das war die einzige Erklärung, die dem Slytherin einfallen wollte. Schon nach kurzer Zeit weckte Snape den Gryffindor wieder, da er selbst müde wurde und sich bewegen musste, um wach zu bleiben. Harry die Wache übernehmen zu lassen war ihm zu riskant, solange er von den Orks kontrolliert werden konnte, also musste er erst einmal ohne Schlaf auskommen. Wirklich geholfen hatte das Nickerchen nicht und Harry schleppte sich schwankend voran, während Snape ihn mit wachsamen Augen beobachtete. Schon nach kurzer Zeit war Harry wieder vollkommen erschöpft, aber er erlaubte sich keine weitere Pause. Snape behielt ihn die ganze Zeit skeptisch im Auge, doch das ignorierte Harry gekonnt. „Potter, so kann das nicht weitergehen“, murrte Snape, als der Gryffindor beinahe hinfiel. „Dann schlagen Sie was vor“, murmelte Harry nur und lief stur weiter. „Wir können nicht immer...“, setzte Snape verärgert an, unterbrach sich aber, als er nach vorne blickte. Sie waren um die Ecke gebogen und direkt vor ihnen stand ein großes Wesen. Es sah aus wie ein riesiger, fellloser Ochse, der an die 2 Meter hoch war. Harrys Hand zuckte zu seiner Umhangtasche, doch da fiel ihm wieder ein, dass Snape ihm Messer und Zauberstab weggenommen hatte. „Ist das...“, überlegte der Tränkemeister laut und schien sich nicht bedroht zu fühlen. Irritiert sah Harry zum anderen, der langsam auf das Tier zuging, das schnaubend vor dem Licht zurückwich. Eilig senkte der Slytherin den Zauberstab, um den Ochsen nicht zu blenden. „Das ist ein Re'em“, stellte er fest. „Er muss sein Fell verloren haben. Vermutlich weil er sein ganzes Leben lang noch keinen Lichtstrahl zu sehen bekommen hat.“ „Ein Re'em? Aber die sind doch gar nicht gefährlich.“ Langsam schüttelte Snape den Kopf. „Im Gegenteil, er kann uns helfen.“ Sachte ging er auf das Tier zu, damit er es nicht verjagte und der Gryffindor folgte ihm vorsichtig. Der Re'em wirkte scheu und gab ein jämmerliches Bild ab. Wie konnte man einem Wesen so etwas nur antun? Es war ganz offensichtlich nicht dafür geschaffen unter Tage zu leben. „Wovon ernährt es sich hier überhaupt?“, murmelte Harry und wagte es das Tier zu berühren. „Normalerweise von Pflanzen und Wurzeln. Es muss hier seine Ernährung ein wenig umgestellt haben“, flüsterte Snape fast und strich über den Hals des Ochsen, der noch immer leicht nervös war, jedoch nicht mehr weglaufen wollte. „Warum ist er hier, wenn er nicht gefährlich ist?“ „Wegen seinem Blut“, erklärte Snape ruhig und zückte den Zauberstab. Mit großen Augen sah Harry zum anderen. Der Gryffindor wusste, dass das Blut eines Re'em als Stärkungstrank dienen konnte. „Sie wollen ihn doch nicht etwa umbringen?“, fragte er empört nach. „Was? Nein“, antwortete der Slytherin ungeduldig. „Er wird es ohne Schaden überstehen, wenn wir ihm ein wenig Blut abzwacken.“ Snape holte eine der Flaschen hervor und beobachtete den Re'em genau, während er den Zauberstab an dessen Hals ansetzte. Schnell sprach er einen Zauber und es entstand eine kleine Wunde, aus der Blut herausschoss. Der Ochse zuckte zusammen und machte einen Satz zur Seite. Konzentriert hielt Snape die Flasche an die Wunde, während er versuchte das Tier mit Worten zu beruhigen. Eine Weile funktionierte das sogar, doch irgendwann war dem Tier die Situation doch zu unheimlich und es senkte den Kopf, stieß Snape unsanft zur Seite und rannte an ihm vorbei davon. Ächzend lehnte der Slytherin an der Wand und hielt sich die Rippen. „Er wird verbluten“, rief Harry als erstes, doch Snape schüttelte den Kopf. „Die Wunde schließt sich nach kurzer Zeit von selbst. Könntest... du...?“ Zügig kam Harry zum anderen herüber, nahm ihm den Zauberstab ab und richtete dessen Rippen. Der Slytherin begutachtete die Flasche, die zur Hälfte mit Blut gefüllt war. „Das ist doch schonmal etwas. Hier, nimm einen Schluck“, hielt er dem Gryffindor die Flasche hin, der sie skeptisch entgegennahm. Er sollte ernsthaft Blut trinken? „Stell dich nicht so an, Potter. Runter damit“, knurrte sogleich der Tränkemeister und Harry warf ihm einen bösen Blick zu. Er setzte die Flasche an und überwand sich einen Schluck zu nehmen. Er hatte den starken Geschmack von Eisen im Mund, doch der verschwand zum Glück schnell wieder. Kurz darauf spürte er, wie die Kraft wieder in seine Glieder wanderte. Als ob er vollkommen von seinem Fieber geheilt werden würde, verschwanden die Schmerzen und sein Kopf wurde klarer. „Besser?“, fragte der Slytherin beiläufig und nahm dem Gryffindor die Flasche ab. „Viel besser.“ „Gut, dann weiter.“ Während er loslief, nahm Snape ebenfalls einen kleinen Schluck aus der Flasche und schickte Harry dann wieder voraus. Sie liefen eine ganze Weile schweigend hintereinander, bis der Tränkemeister den Gryffindor plötzlich an der Schulter packte und ihm damit deutlich machte, stehen zu bleiben. „Was ist?“ „Pscht!“ Fragend sah Harry zum Slytherin. Er konnte nichts hören, doch Snape lauschte angespannt. „Hörst du das nicht?“, fragte Snape also verständnislos nach und erhielt ein Kopfschütteln. „Hier lang.“ Snape dirigierte den anderen durch die Gänge, ohne ihm zu sagen, was er denn da hörte. Harry fragte mehrmals nach, doch der Slytherin ignorierte ihn gekonnt, weshalb der Gryffindor irgendwann grummelnd beleidigt spielte. Doch dann hörte auch er plötzlich etwas. Eine Art Summen und Trommeln. Sie bogen um eine weitere Ecke und konnten schließlich am Ende des Ganges ein warmes Licht ausmachen. Mit gezücktem Zauberstab schlichen sie den Weg hinunter, dicht beieinander. Der Lärm wurde immer lauter und das Licht machte Lumos bald überflüssig. Der Tunnel endete abrupt in einer Halle, viele Meter über dem Boden, sodass man den großen Raum wunderbar überblicken konnte, ohne selbst sofort gesehen zu werden. Vorsichtig gingen die beiden an die Klippe heran und spähten hinunter. Die Halle war komplett mit kleinen Hütten ausgestattet, zwischen denen sich jede Menge Orks herumtrieben und ihren Alltagsgeschäften nachgingen. Der meiste Krach wurde von wütenden Orks verursacht, die sich gegenseitig anbrüllten, bevor sie aufeinander losgingen und versuchten sich gegenseitig umzubringen. Der Sieger ließ seinen Gegner danach einfach achtlos liegen und ging weiter seiner Beschäftigung nach. Harrys Blick blieb wie gebannt an einem Ork hängen, der die Leichen zusammensammelte, nur um sie dann auseinander zu nehmen und in einen Topf zu schmeißen. Offenbar ein Kochtopf. Der Gryffindor schluckte und trat näher an den Slytherin heran, was ihn ein wenig beruhigte. Wie um alles in der Welt sollten sie sich da hineinschleichen? Das war unmöglich. „Wir müssen herausfinden, wo sie dein Blut aufbewahren“, flüsterte Snape ruhig und suchte mit den Augen alles ab. Stumm beobachteten sie das Treiben unter sich und nach einer Weile glaubte Harry etwas gefunden zu haben. „Was ist das?“, deutete er auf etwas. Auf einem kleinen Platz relativ in der Mitte stand ein dreibeiniges Metallgerüst mit einer Steinschale darauf. Einer der Orks hatte die Schale gerade über ein Feuer gehalten und stellte sie nun zurück auf den Dreibein. Es sah für Harry nicht danach aus, als würde der Ork sich etwas kochen, denn für eine Mahlzeit war die Schale viel zu klein. „Das könnte es sein...“, murmelte Snape. Zugleich machte der Ork einige seltsame Handbewegungen über der Schüssel und Harry erstarrte. „Töte ihn“ Noch bevor Snape verstand was der Ork da tat, hatte Harry ihm den Zauberstabarm verdreht, griff blitzschnell in seine Manteltasche und fischte das Messer heraus. Grob presste er den Tränkemeister an die Wand und hielt ihm bereits das Messer an die Kehle. Der Slytherin wollte den freien Arm zum Hals anheben, doch da drückte Harry ihm das Messer kräftiger an die Kehle, so dass er die Haut ritzte. Langsam ließ Snape den Arm wieder sinken und sah ruhig zum Gryffindor. Er wollte etwas sagen, wagte es jedoch nicht auch nur die kleinste Bewegung im Hals hervorzurufen. Und so sah er Harry einfach nur an, nicht wütend, nicht ängstlich sondern abwartend, als sei er bereit für das Kommende. „Fast geschafft. Nur noch den Arm zur Seite bewegen und es ist vorbei. Töten ist so einfach. Nur eine kleine Bewegung“ 'NEIN! Ich will ihn nicht töten!' „Es ist ganz leicht. Nur noch ein bisschen mehr.“ 'NEIN!!' Harrys Atmung wurde zittrig. Dem Gryffindor war sein Kampf anzusehen und Snape musterte ihn nur weiterhin ruhig. Harry empfand den Blick des Tränkemeisters als so durchdringend, dass er den Blickkontakt nicht brechen konnte. Es war als würde Snape ihm sagen, dass er ihm vertraute. Er schluckte. Wie konnten Snapes Augen ihn ausgerechnet jetzt so fesseln? Du könntest ihm niemals weh tun, nicht wahr? schossen Harry plötzlich Lucas Worte durch den Kopf und er riss erschrocken die Augen auf. Ihm niemals weh tun...? Als Harry die schwarzen Augen des anderen weiter betrachtete, wusste er, dass Luca Recht hatte. Er konnte ihn gar nicht töten, das würde er nicht fertig bringen. Denn sie waren miteinander verbunden, auf eine seltsame Art und Weise. Ist zu kompliziert es zu erklären hatte Luca ebenfalls gesagt und endlich verstand er, was der Junge ihm damals sagen wollte. Er könnte Snape niemals töten, schließlich brauchte er ihn. Auch wenn sie sich ständig an die Gurgel gingen und nichts anderes konnten als streiten, so würde doch etwas fehlen, wenn Snape nicht mehr da wäre. Harry würde einfach... der Gegenpol fehlen. Es würde ihn aus dem Gleichgewicht bringen. Noch immer stand Harry unter dem Bann dieser schwarzen Augen, die so unergründlich und doch irgendwie vertraut waren, jetzt wo er zu dieser großen Erkenntnis gelangt war. Diese Augen versprachen Schutz, Fürsorge und irgendwie... erinnerten sie an Zuhause. Warum hatte er das nicht schon viel früher erkannt? 'Ich werde ihn nicht töten.', dachte Harry nun vollkommen entschlossen und spürte tatsächlich, dass er langsam seinen Körper unter Kontrolle bekam. Angestrengt bewegte er das Messer millimeterweise von Snapes Kehle weg, bis dieser sogar wieder wagte zu schlucken. Mit aller Kraft zwang der Grünäugige seine Finger auseinander und das Messer fiel scheppernd zu Boden. Mit geschlossenen Augen lehnte Harry seine Stirn an die von Snape und versuchte sich voll und ganz auf den anderen zu konzentrieren. Er nahm seinen Geruch wahr, hörte seinen Atem... und spürte gleichzeitig, wie sein Körper sich entspannte. Tief durchatmend seufzte er auf. Es war vorbei, er hatte gesiegt. „Wie hast du das denn schon wieder angestellt?“, flüsterte der Slytherin leise und Harry huschte ein Schmunzeln übers Gesicht. „Ich bin eben ein Sturkopf.“ „Du bist wohl der erste Mensch, der sich gegen schwarze Magie auflehnen konnte und bist gleichzeitig so miserabel in Okklumentik?“ Leicht empört wich Harry wieder zurück und sah den anderen beleidigt an. „Das ist etwas völlig anderes.“ „Achja?“, zog Snape eine Augenbraue hoch. „Seinen Geist vor anderen verschließen, die Kontrolle über sich behalten. Klingt verdammt nach den selben Fertigkeiten, die man auch für Okklumentik braucht, oder?“ Harry setzte an zu antworten, doch ihm wollte nichts einfallen und so bückte er sich grummelnd, um das Messer aufzuheben und vor allem, um Snapes Blick nicht mehr erwidern zu müssen. Warum musterte er ihn auch immer so intensiv? Das machte ihn nervös. Vor allem jetzt, nachdem er diese seltsamen Gedanken gehabt hatte. Snape schien von alldem nichts gespürt zu haben, was Harry irgendwie frustrierte. Warum wusste er selber nicht. „Kannst du mir dann wenigstens sagen, ob das jetzt Glück war oder wirst du dich in Zukunft auch im Griff haben?“, wechselte Snape netterweise zurück zum Thema. Überlegend besah Harry sich das Messer in seiner Hand und drehte es hin und her. „Ich denke, dass ich mich kontrollieren kann.“ Prüfend sah Snape den anderen an und dann wieder zum Lager hinunter. An dem Dreibein stand nun kein Ork mehr. „Gut, dann würde ich mich gerne etwas ausruhen, bevor wir uns in die Höhle des Löwen wagen.“ Zustimmend nickte der Gryffindor und beobachtete die Orks. Wie sollten sie da nur zur Schüssel gelangen? Es erschien ihm unmöglich. Aber wenn sie ohnehin erst einmal rasteten, hatte er genug Zeit sich etwas zu überlegen. Sie entfernten sich weiter vom Lager, damit sie von den Orks nicht überrascht werden konnten und schon bald beleuchtete wieder nur der Zauberstab den Tunnel. „Das sollte reichen“, murmelte der Tränkemeister und wollte sich gerade setzen, als sie ein Geräusch hörten. Etwas kam aus dem Tunnel auf sie zu und kampfbereit hob Harry das Messer an und Snape den Zauberstab. „Das ist ja interessant“, sprach eine tiefe, melodische Stimme. „Ich hätte nicht gedacht, dass hier irgendwann mal wieder Menschen auftauchen würden. Ich dachte schon ihr hättet uns vergessen.“ Angespannt umklammerte Harry das Messer und wollte schon laut rufen wer da sei, als ein riesiger menschlicher Kopf vom Licht getroffen wurde. Die braunen Haare gingen schnell in eine Mähne über und diese in den Körper eines großen Löwen. Der Stachel eines Skorpions schimmerte in dem schwachen Licht und blitzte bedrohlich auf. Es war ein Mantikor. Fieberhaft nachdenkend schluckte Harry und auch Snape war angespannt. Der Gryffindor wusste, dass es sinnlos war Zauber gegen dieses Wesen zu richten, denn man konnte weder dessen Attacken abwehren, noch kratzten den Mantikor irgendwelche Flüche. Mit einem siegessicheren Schmunzeln kam das Wesen immer näher. „Bestens... so einen kleinen Happen für zwischendurch kann ich jetzt gut gebrauchen.“ Damit erhob der Mantikor eine seiner großen Pranken und schlug nach Snape aus, der aus Reflex einen Protego ausführte, der jedoch scheiterte und unsanft wurde er nach hinten gestoßen. Das Grinsen des Wesens wurde breiter, während er immer wieder mit seinen Klauen den Tränkemeister angriff und mit dem Stachel nach ihm schlug. Snape jedoch konzentrierte sich auf den Blickkontakt, um Legilimentik anzuwenden, und wich jedem Angriff geschickt aus, doch den Mantikor schien das nicht zu verunsichern. „Du bist gut, das muss ich zugeben. Aber du hast einen gewaltigen Schwachpunkt.“ Damit stürzte sich das Wesen auf den Gryffindor, der schnell der riesigen Pfote auswich. Snape erkannte sofort, dass Harry das nicht lange durchhalten würde. Schnell duckte der Grünäugige sich unter dem Stachel weg, der ihn nur knapp verfehlte und die Mauer hinter ihm bröckeln ließ. Im gleichen Moment erhob der Mantikor bereits seine Pfote und da wusste Harry, dass er dieser nicht mehr ausweichen konnte. Er sah die Klauen aufblitzen, als sie auf ihn zuschnellten... und dann hatte sich Snape schützend vor ihn gestellt. Mit Entsetzen spürte Harry, wie Snape durch die Kraft des Angriffs gegen ihn gedrückt und dem Slytherin die Luft aus den Lungen gepresst wurde. So konnte er auch nicht aufschreien, als die Krallen ihm den Rücken zerfetzten. Keuchend senkte Snape den Kopf neben Harrys, nahm jedoch sofort wieder eine stabile Position ein, bereit den nächsten Angriff abzufangen. Als Harry begriff, dass Snape vor hatte einfach jeden Schlag zu ertragen, murmelte er: „Nein, hör auf!“ „Wusste ich es doch“, lachte der Mantikor und griff mit seinem Skorpionsstachel an. Es gab ein widerliches Geräusch, als der Stachel Snape durchbohrte und dem Tränkemeister entkam ein schwaches Ächzen, das schnell zu einem rasselnden Husten wurde, als sich seine Lungen sofort mit Blut füllten. Harry konnte die Spitze des Stachels an seinem Bauch spüren und riss vor Entsetzen die Augen auf. „NEIN!!!!“ Kapitel 39: Der Schock des Lebens --------------------------------- „NEIIIN!!“ Lachend zog der Mantikor seinen Stachel zurück und Snape hustete Blut auf Harrys Schulter. Sein Atem ging rasselnd und gurgelnd. „Nein, nein, nein... NEIN!“, murmelte Harry immer wieder völlig fassungslos. Für einen kurzen Moment traf sich sein Blick mit dem des Slytherins. Er bereute seine Tat nicht, das war ihm anzusehen. So unglaublich die Schmerzen auch sein mussten, die Snape zu erleiden hatte, sein Blick blieb fest. Er würde Harry bis aufs äußerste beschützen. Vor Entsetzen stellten sich Harrys Nackenhaare auf, während er weiterhin fassungslos den Kopf schüttelte. Sogleich schloss Snape die Augen und seine Knie gaben nach. Hastig schlang Harry einen Arm um Snapes Hüfte, um ihn zu stützen und bemerkte dabei, dass sein Mantel vor Blut triefte. „Nein...“, murmelte Harry verzweifelt weiter, „sieh mich an... SIEH MICH AN!“ Doch der Tränkemeister reagierte nicht mehr, sondern atmete nur noch gurgelnd und lehnte seine Stirn auf Harrys Schulter, die Haare das Gesicht verhüllend. Harrys Augen wurden immer größer, während seine Panik anschwoll. Mit jedem kläglichen Atemzug vom anderen wuchs sein Entsetzen darüber und Angstschweiß lief an Harrys Rücken herunter. „Ihr Menschen seid so berechenbar“, freute sich der Mantikor weiter und stieß erneut mit dem Stachel zu. Der Gryffindor nahm nochmal das letzte bisschen Verstand zusammen und schmiss sich zur Seite, um auszuweichen und landete mit Snape unsanft auf dem Boden. Hastig griff Harry nach dem erleuchteten Zauberstab, der in Reichweite lag und sah dann wieder zu Snape, der das Bewusstsein verloren hatte. Blut lief ihm aus dem Mundwinkel übers Kinn und er war durch den Blutverlust bereits leichenblass. Zwei zittrige Finger an Snapes Hals legend, überprüfte Harry seinen Puls, doch auf die Schnelle fand er keinen und der Slytherin atmete auch nicht mehr. „Nein...“, flüsterte Harry, „Hey! Snape! Wach auf! WACH AUF VERDAMMT!“ Harry schüttelte ihn, doch es kam keine Reaktion. Immer wieder schrie er den Slytherin an, rüttelte panisch an dessen Schulter, doch es half alles nichts. Snape rührte sich nicht mehr. Den Kopf unablässig fassungslos schüttelnd, nahm Harry das Gesicht des anderen in die Hände, während er immer wieder „Nein“ murmelte, als könnte er die Realität ändern, wenn er sie nur genügend leugnen würde. Schließlich beugte sich Harry zu Snape herunter und legte seine Stirn an dessen Schläfe, während er schmerzerfüllt die Augen schloss. Das durfte nicht wahr sein. Das war nicht passiert! Snape war nicht tot!! Dem Gryffindor lief eine Träne aus dem Augenwinkel, die auf die Wange des Tränkemeisters tropfte. Das konnte nicht wahr sein! Das war nicht passiert! Harrys Gedanken drehten sich im Kreis, während der Schmerz in seiner Brust unerträglich wurde, seine Organe sich zusammenkramften und ihm die Luft zum Atmen raubten. Er hatte ihn verloren. Er hatte Snape verloren!! Während er über dem Slytherin gebeugt hockte, fiel der Mantikor in höhnisches Lachen. „Dass ihr Menschen immer so aneinander hängen müsst“, gluckste das Wesen abfällig. „Das macht euch zu so schwachen Wesen. Ich habe gleich erkannt, dass er sich für dich aufopfern würde. Wäre er schlau gewesen, hätte er sich retten können, aber nein. Er muss ja unbedingt so ein schwaches Wesen wie dich beschützen und damit seinen eigenen Untergang wählen.“ Der Kopf des Gryffindors ruckte hoch und wären Blicke tödlich, wäre der Mantikor umgefallen. Der Mantikor verstummte verwundert, denn so einen ruhigen und berechnenden Blick hatte er bei dem Jungen nicht erwartet. Harry durchströmte Wut und Trauer zugleich und gab ihm wieder Kraft. Dieses verdammte Vieh hatte Snape getötet und machte sich auch noch über ihn lustig! Statt vor Wut blind zu werden, konnte er umso klarer denken. Die Magie, die er durch seinen Körper fließen spürte, drängte immer mehr ausbrechen zu dürfen. Sie war wie seine Wut in ihm eingeschlossen und er drohte zu platzen, wenn er dieser nicht bald Luft machen würde. Mit kaltem Blick fixierte Harry das Wesen und verspürte blanken Hass. Er hasste dieses Monster, er wollte es leiden sehen, es den Tag bereuen lassen an dem es geboren wurde, es quälen bis es um den Tod bettelte. Eine unglaubliche Kraft durchströmte den Gryffindor und ruhig griff er zur Flasche mit dem Blut des Re'em. Noch immer völlig verwundert sah der Mantikor ihm dabei zu, wie er fast die Hälfte des Inhalts hinunterstürzte. Harrys Kraft wurde so unkontrollierbar wie sein Hass. Er wollte töten, er wollte foltern. Er wollte Severus rächen! Verdattert stellte der Mantikor fest, dass sich die Ausstrahlung des Gryffindors vollkommen veränderte und schwarzer Nebel kam auf. Die Augen des Jungen wurden rot und nun stand er entschlossen auf, ohne den Blickkontakt zu brechen. So eine Kraft wie diese hatte der Mantikor zuvor noch nie bei einem Zauberer gesehen und er wurde unsicher. „Hast du etwa Angst?“, sprach Harry mit einer völlig anderen Stimme und grinste diabolisch. Der Mantikor machte einen Schritt zurück und wusste nicht, was er tun sollte. Das war nicht mehr der selbe Junge. Jemand anderes war in seinen Körper geschlüpft oder hatte darin geschlummert. Jemand unglaublich mächtiges. Mit langsamen Schritten kam Harry auf den Mantikor zu. Mit einem Schwenk des Zauberstabs stürzte sich der Nebel auf das Wesen und hüllte es ein. Eine Weile tänzelte es herum, als würde es sich die Pfoten verbrennen und schrie dann auf. Eine weitere Bewegung mit der bloßen Hand und Blut spritzte an die Wand. Da der Mantikor keinen anderen Ausweg wusste, stürzte er nach vorne und rannte geradewegs an dem Gryffindor vorbei, um in den Tunnel zu entkommen. Harry holte mit dem Zauberstab weit aus und eine Druckwelle ließ den Mantikor gegen die Wand stürzen, sodass der Staub von der Decke rieselte. Eilig rappelte er sich wieder auf, doch da sorgte der Schwarzhaarige dafür, dass seine Beine aufgeschlitzt wurden und der Mantikor ging wieder kreischend zu Boden. Langsam trat Harry auf das Wesen zu, dem nun die Angst in den Augen abzulesen war. Grinsend genoss Harry diesen Anblick. „Es heißt ihr summt vor euch hin, wenn ihr einen Menschen verspeist. Soll ich auch summen, während ich dich zerstückle?“ Ein weitere Schwenk mit dem Zauberstab und der Skorpionsstachel wurde abgetrennt. Der Mantikor schrie. Fröhlich vor sich hinsummend ließ Harry den Zauberstab tanzen und fügte dem Wesen einen Schnitt nach dem anderen zu. „Es reicht, bitte!“, jammerte der Mantikor schließlich vor Qualen. „Bitte.“ „Jetzt reißt du nicht mehr so das Maul auf, was?“, sagte Harry nur kühl und fuhr mit der Prozedur fort. Der Tunnel war erfüllt mit den Schreien des Wesens, bis Harrys Blick irgendwann zu Snapes reglosem Körper wanderte. Seine Gesichtszüge wurden etwas weicher, während seine roten Augen kurz grün aufflackerten und er betrachtete den Mantikor, der bereits halbtot dalag. „Ich will nicht meine gesamte Zeit mit dir verschwenden“, erläuterte der Gryffindor schließlich und schlitzte dem Mantikor den Rumpf auf. Literweise kam das Blut herausgeschossen und das Wesen gab nur noch ein Röcheln von sich, während es vor sich hin zuckte. Dann wurde es still. Zielsicher ging Harry zum Slytherin zurück, der reglos in seinem eigenen Blut lag. Der Gryffindor kniete sich hin und strich das, was vom Mantel noch übrig war, zur Seite. Der gesamte Rücken war eine einzige Fleischwunde, die bereits aufhörte zu bluten. Eine Hand auf Snapes Rücken legend, murmelte der Gryffindor eine alte Formel vor sich hin. Als würde die Zeit zurückgedreht werden, floss das Blut zurück in den Körper und als erstes heilte das Loch in Snapes Bauch wieder zu. Die Organe reparierten sich und die Wunde wurde geschlossen. Zurück blieben nur Narben. Sogleich machte der Slytherin einen röchelnden Atemzug. Harry griff wieder nach der Flasche mit dem Blut und flößte Snape welches ein. Das alles tat Harry wie in Trance. Er wusste was er zu tun hatte und empfand keinerlei Emotionen. Doch als er erneut seine Finger an Snapes Hals legte und dessen Herzschlag spürte, regte sich etwas in ihm und seine Augen wurden wieder grün. Die Welt verschwamm und sogleich sackte der Gryffindor bewusstlos zu Boden.   Es lag ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Harry verzog die Nase und öffnete die Augen. Was war passiert? Nach einigem Tasten fand Harry direkt neben sich seinen Zauberstab und sorgte für Licht. Als er Snape regungslos neben sich liegen sah, kamen die Erinnerungen wieder hoch und er sprang sofort auf. Panisch tastete er nach Snapes Puls. Vorhanden. Atmung auch normal. Erleichtert seufzte der Gryffindor auf und als wäre sein gesamtes Inneres gefroren gewesen, verteilte sich nun eine angenehme Wärme in seinem Brustkorb, während er ein Schmunzeln und erleichtertes Auflachen nicht zurückhalten konnte. Er atmete, er lebte. Aber wie war das möglich? Vorsichtig strich er dem Slytherin die Strähnen aus dem Gesicht und bemerkte das Rinnsal von getrocknetem Blut an seinem Mundwinkel. Völlig fasziniert betrachtete Harry ihn. Er hätte das unmöglich überleben können. Wie waren die Wunden verheilt? Stirnrunzelnd besah Harry sich seine Hände, die voller dunklem Blut waren. Dieser widerliche Geruch ging von seinen Händen aus und er schwebte im ganzen Tunnel. Bei genauerer Betrachtung erkannte er, dass auch sein Mantel vollkommen mit Blut verschmiert war. Es war, als hätte er in Blut gebadet. Harrys Atemzüge wurden unruhig, während er immer wieder seine Hände am Stoff abzuwischen versuchte, doch da dieser ebenfalls verdreckt war, hatte es keinen Sinn. Es dauerte einige Minuten, bis Harry auf die Idee kam den Umhang abzunehmen und mit einem Zauber zu reinigen. Auch sein Pullover und seine Hose hatten etwas abbekommen. Blut, Blut, überall Blut. Hektisch zauberte Harry alles sauber, genauso wie seine Hände und sein Gesicht. Als er den Blick hob, erstarrte er mitten in seiner Putzaktion. Da lag der Mantikor, völlig zerstückelt. Langsam stand Harry auf und ging auf ihn zu. Vor der Leiche hatte sich ein See aus Blut gebildet, der an den Rändern begann einzutrocknen. Ein ungutes Gefühl beschlich den Gryffindor. Hatte er das getan? Harrys Gedanken waren wirr und langsam. Natürlich war er es gewesen, das ganze Blut war doch der absolute Beweis. Nein, das war nicht das Blut des Mantikors, sondern das von Severus. Er erinnerte sich daran, wie der Syltherin zusammengebrochen war, wie sein Mantel sich vollgesogen und Severus ihm Blut auf die Schulter gehustet hatte. Bei dem Gedanken wurde Harry schlagartig übel und ein heftiger Schauer erfasste ihn. Um sich zu fangen, strich er sich übers Gesicht und sah dann wieder zum Slytherin herüber. Hatte Harry Snape geheilt? Bei dieser Frage stockten seine Gedanken. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass der andere lebte. Als müsse er sich immer wieder aufs Neue versichern, ging Harry zum Slytherin zurück und lauschte dessen ruhigem Atem, der ihn selbst ungemein beruhigte. Er hatte so eine Angst um ihn gehabt. Eine ganze Weile hockte der Grünäugige einfach nur da und sah dem anderen wie gebannt beim Schlafen zu, staunte bei jedem ruhigen Atemzug des anderen über dieses Wunder. Zwischendrin überwand er sich, mit einem weiteren Reinungszauber auch das Blut vom Mantel des anderen zu entfernen und auch das, was Severus an Händen und Hals klebte. Seine Gefühle überforderten ihn. Er dachte, Snape wäre vor seinen Augen gestorben. Nein, nicht nur das, er war für ihn gestorben, in seinen Armen. Ein kalter Schauer überzog den Gryffindor, als er an das ganze Blut und Severus' gurgelnden Atem dachte. Das war das schlimmste, was er je erlebt hatte. Nach mehreren Stunden bewegte Snape sich endlich und Harry war gleich zur Stelle. „Hey“, flüsterte er sanft. „Bist du wach?“ Tatsächlich öffnete Snape langsam die Augen und blickte in die grünen seines Gegenübers. Er brauchte einen Moment, um sich zu sammeln und drehte sich dann auf den Rücken. „Was ist...?“, begann er irritiert und tastete dann verwundert seine Bauchgegend ab. „War das ein Traum?“ „Nein“, schüttelte Harry den Kopf und deutete zittrig zum Mantikor. Völlig verdattert setzte Snape sich auf und sah zum Leichnam. „Wie ist das...?“, murmelte er und sah dann mit zusammengezogenen Augenbrauen zum Gryffindor. „Warst du das?“ „Ich weiß nicht genau was passiert ist“, schüttelte Harry den Kopf und merkte, dass seine Stimme zittrig wurde. „Ich... erinnere mich noch daran wie du...“ Harry brach ab. Da saß er, Severus, und sah ihn völlig irritiert an, als sei nie etwas geschehen. Das war alles zu viel für Harrys Verstand. „Ich muss ehrlich sagen...“, begann der Tränkemeister, um die Stille zu brechen, die drohte sich breitzumachen. „Ich habe nicht damit gerechnet, je wieder aufzuwachen. Aber du bist in Ordnung?“ Bei Snapes Blick musste der Gryffindor wieder schlucken. Aus irgendeinem Grund bildete sich gerade ein Kloß in seinem Hals und er nickte nur stumm, da er keinen Ton herausbrachte. „Wie hast du das gemacht?“, fragte der Tränkemeister weiter ohne etwas zu bemerken. „Und wie hast du dieses Biest so zugerichtet?“ Er musterte den anderen genau, welcher auf seine zitternden Hände hinabsah, um sich nicht anmerken zu lassen, wie aufgewühlt er war. „I-Ich weiß nicht genau. Ich habe... d-du warst... ich bin so wütend geworden. Ich habe nur noch Hass in mir gespürt. Ich wollte diesen Mantikor töten, foltern... ich war... vollkommen durchgedreht. Ich dachte... d-d-du warst...“ Stille trat ein und nun merkte auch Snape, dass mit dem anderen etwas nicht stimmte. Mit der Situation überfordert, überlegte er fieberhaft was er sagen sollte, doch als ihm nichts einfiel, stand er auf und besah sich den Mantikor. Ohne nachzudenken hatte er Harry beschützt, das hatte er als selbstverständlich angesehen. Doch waren dessen Schuldgefühle dabei so groß gewesen, dass er zur regelrechten Bestie geworden war? Er war sich nicht einmal sicher, ob Dumbledore zu so einem Werk fähig wäre. Irgendwas stimmte da nicht. Harry war unterdessen ebenfalls aufgestanden, sah jedoch in die andere Richtung, um sich zu fangen. „Du brauchst dir keine Schuld zu geben“, sagte Snape sachlich und ging wieder auf Harry zu. „Das war allein meine Entscheidung und ich bereue es nicht.“ Mit einem seltsamen Blick sah Harry zurück. Dachte Snape wirklich es ging ihm nur um Schuldgefühle? Kam er nicht auf den Gedanken, dass er Angst um ihn gehabt hatte? Wütend zog er die Augenbrauen zusammen und boxte dem Slytherin auf die Brust, womit dieser überhaupt nicht gerechnet hatte. Außerdem bemerkte er dadurch, dass seine Rippen leider nicht geheilt waren. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein!“, rief Harry wütend aus und Snape verstand gar nichts mehr. „Was hätte ich sonst tun sollen? Zusehen, wie dieses Biest dich umbringt?“ „Sich gegenseitig helfen ist ja noch okay, aber nicht auf diese Weise!“ „Wovon redest du bitte?“ „Dass du mir in meinen Armen VERRECKT BIST!!“ Stille trat ein. „IDIOT!“, rief Harry noch wütend aus, schnappte sich den Zauberstab und wäre am liebsten abgehauen. Doch erstens wäre das unklug und zweitens wollte er eher vor sich selbst weglaufen, als vor Snape. So sehr Harry auch gegen ankämpfte, er konnte nicht verhindern, dass er trocken aufschluchzte und sich ein paar Tränen lösten. Beschämt strich Harry sich sofort übers Gesicht und war froh, dass er dem anderen den Rücken zugewandt hatte. Er wollte nicht weinen, erst Recht nicht vorm Slytherin. Überrascht zuckte Harry zusammen, als der Tränkemeister plötzlich dicht hinter ihm stand und ihm ins Ohr flüsterte: „Warum habe ich das Gefühl, dass das nicht alles ist?“ Harry schluckte und bekam eine Gänsehaut, während er so unauffällig wie möglich Luft holte, um sich zu fangen und wieder eine feste Stimme zu bekommen. „Ach, das reicht noch nicht als Grund, um sich aufzuregen?“ „Es reicht nicht aus, um solche Kräfte zu entwickeln, die einen Mantikor in Stücke reißen. Und wie es aussieht, hast du mich sogar zurückgeholt.“ Noch einmal sog der Gryffindor Snapes Duft ein und sammelte sich, ehe er es wagte sich umzudrehen und ihm in die Augen zu sehen. „Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe.“ „Aber du müsstest den Auslöser kennen.“ „Ist der nicht offensichtlich?“ „Für mich nicht.“ Tat Snape nur so dumm oder hatte er wirklich keine Ahnung? Bestimmt wollte er Harry nur in die peinliche Lage bringen es aussprechen zu müssen. Der Gryffindor sah auf das getrocknete Blut, das Snape noch immer am Kinn klebte und schluckte. Er wurde das Bild des regungslosen und blutüberströmten Snapes nicht los. Fieserweise gesellte sich dazu auch noch sein schreckliches Röcheln, als er aufgespießt worden war. „Ich hatte dich verloren. Reicht das nicht?“, flüsterte Harry kraftlos und wagte es nicht in die Augen des anderen zu blicken, da er Angst hatte, dass dieser seine nächsten Tränen kommen sehen könnte. Severus konnte es noch immer nicht begreifen. Warum sollte er für Harry so wichtig sein? Hatte der Gryffindor solche Angst davor, alleine durch das Labyrinth wandern zu müssen? „Soll ich mit Legilimentik versuchen herauszufinden, was mit dir geschehen ist?“ Unsicher sah der Grünäugige auf. „Ich soll das alles noch einmal sehen?“ „Das ist die einzige Chance herauszufinden, was wirklich passiert ist.“ „Du glaubst mir nicht?“, zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Das habe ich nie gesagt.“ „Es ist aber so, oder?“ Bei dem Blick des Gryffindors, wagte Snape es nicht nein zu sagen. Er hatte ihn schon längst durchschaut und eine Lüge würde ihn nur wütend machen. Harry schien irgendetwas in seinen Augen zu suchen und das verunsicherte den Tränkemeister. Dann, ohne Vorwarnung, überwand Harry den letzten Abstand und legte seine Lippen auf die des anderen. Schon bald ließ Harry seine ganze Verzweiflung in den Kuss einfließen. Severus war etwas überfordert, doch sein Gefühl sagte ihm, dass es ein fataler Fehler wäre, Harry jetzt von sich zu stoßen. Dieser Kuss war so fordernd und Severus war nicht sicher, was genau Harry eigentlich forderte. Er schmiegte sich an ihn, verkrallte seine Finger in seinem Haaransatz im Nacken und vermittelte den Eindruck, dass er ihn nie wieder loslassen wollte. Als Harry den Kuss beendete, fühlte er sich, als hätte sich ein Knoten in seiner Brust gelöst und er musste schlucken, um erneut den Kloß im Hals loszuwerden. Um sich zu entspannen, atmete er mit geschlossenen Augen tief durch. Es war alles gut. Snape war am Leben, der Mantikor fort. Er sollte diese Ereignisse am besten so schnell wie möglich vergessen. Und trotzdem konnte er nicht verhindern das er zitterte. „Ich hatte so eine Angst um dich“, überwand Harry sich zu erzählen, ließ die Augen jedoch gesenkt. Er spürte die Hitze in sein Gesicht steigen und peinlich berührt wollte er sich wegdrehen, dem Gang weiter folgen, völlig egal, hauptsache weg von hier. Doch eine Hand an seiner Schulter hielt ihn auf. Der Gryffindor rechnete wieder mit irgendeinem Vorwurf und drehte sich nicht um, sondern blieb einfach nur stehen. Er würde es nicht schaffen seine Gefühle zu verbergen, wenn Snape ihm jetzt wieder etwas unterstellen würde. Doch zu seiner Verblüffung murmelte Snape sanft „Harry“ und drehte ihn behutsam an seiner Schulter zu sich um. Irritiert sah der Gryffindor zum anderen, dem er nichts im Gesicht ablesen konnte. Der Slytherin seufzte auf, als er Harrys aufgewühlten Blick endlich bemerkte und zog ihn an sich. Verblüfft ließ Harry es zu, dass Snape ihn in seine Arme zog. Nur langsam konnte er reagieren, legte seine Arme um den anderen und sein Kinn auf Snapes Schulter. Für einen Moment erlaubte er es sich, den Duft des anderen einzuatmen und schloss dabei die Augen. Das tat verdammt gut. Er spürte richtig, wie sich die gesamte Anspannung in ihm löste. Auch Severus musst zugeben, dass die Umarmung gut tat. Er spürte, wie der andere sich entspannte und aufhörte zu zittern. Er muss wirklich einen ziemlichen Schock erlitten haben. „Es tut mir leid“, flüsterte der Slytherin ruhig. Der Gryffindor antwortete nicht, ließ sich aber noch mehr fallen und seufzte auf. „Lass mich nachsehen, was passiert ist“, murmelte Snape weiterhin ruhig und nach einigem Zögern erhielt er ein Nicken als Antwort. Sie lösten die Umarmung und Harry gab dem anderen den Zauberstab, ohne dabei den Blick zu heben. Severus ging einen Schritt zurück, um besser zaubern zu können und wartete darauf, dass Harry den Blickkontakt aufnahm. Dieser seufzte noch einmal schwer und sah dann entschlossen auf. „Legilimens.“ Die gesamte Szenerie spielte sich in Zeitraffer und Sprüngen vor Harrys Augen ab. Wie Snape getötet wurde, wie verzweifelt er gewesen war, wie er rote Augen bekam... wie er den Mantikor aufs grausamste zerlegte und wie er Severus ins Leben zurückgeholt hatte. Ächzend hielt Harry sich den schmerzenden Kopf. Er war zu Boden gesunken und rappelte sich zitternd wieder auf, während Snape bereits grübelte. Für ihn war der Fall klar: Harrys Gefühlsausbruch war so gewaltig gewesen, dass er die Kräfte von Voldemorts Seelenteil freigesetzt hatte. Nicht er hatte das alles getan, sondern er war von Voldemorts Seelenteil geführt worden. Er hätte niemals gedacht, dass Harry so instabil werden könnte. „Was... ich begreife immer noch nicht“, sagte Harry keuchend, „was da mit mir passiert ist.“ Fragend sah er zum anderen, der schnell nach einer Ausrede suchte. Er durfte ihm nicht erzählen, dass er ein Horkrux war, doch dem Gryffindor waren seine roten Augen sicherlich auch aufgefallen. „Du hast es irgendwie geschafft dir über deine Verbindung zum Dunklen Lord seine Kräfte zu leihen... wie es mir scheint“, erklärte Snape ruhig und überzeugend. Harry kam gar nicht der Gedanke, dass Snape vielleicht gelogen hatte und nickte in Gedanken versunken. „Aber... ich wusste gar nicht, dass das geht“, murmelte er. „Das war sicherlich auch ein Ausnahmezustand.“ „Heißt das...“, überlegte der Gryffindor weiter, „Voldemort ist in der Lage... Menschen in der Form zu heilen?“ „Das weiß ich nicht“, strich Severus sich überlegend über die Unterlippe. „Ich schätze es wäre durchaus möglich, dass er das kann, aber er hat es noch nie in seinem Leben angewendet. Er will Leben nehmen und nicht geben.“ Das klang für Harry logisch und er nickte nur stumm. Dann sah er wieder unsicher zum anderen. Eine seltsame Stimmung lag in der Luft und er wusste nicht so ganz, wie er damit umgehen sollte. Sie waren sich auf eine seltsame Art und Weise näher gekommen, doch erklären oder greifen konnte Harry es nicht. Würde das nur vorübergehend so sein? Würden sie sich in einer Stunde wieder ankeifen und so tun, als sei nichts geschehen? „Wir sollten noch etwas weitergehen und ausruhen“, schlug Harry ruhig vor, denn man sah dem Slytherin an, dass er noch nicht wieder fit war. Dieser sah skeptisch zurück. „Viel wichtiger ist es Wasser zu finden.“ „Die Orks haben sicherlich welches.“ „Aber wir werden wahrscheinlich keine Zeit haben ihnen welches abzuzapfen.“ „Wir haben aber auch keine Zeit vorher welches zu suchen.“ Schnaubend schob Snape sich am Gryffindor vorbei und ging den Gang wieder zurück. „Dann muss unser Angriff eben noch ein paar Tage warten.“ Nun war es Harry, der schnaubte, während er dem Slytherin folgte. „Du bekommst doch viel zu wenig Schlaf, solange die Orks mein Blut haben.“ Der Tränkemeister sah finster zum anderen und lief dann ungerührt weiter. Eine ganze Weile liefen sie stumm weiter, sodass Harry endlich Zeit fand herunterzufahren. Verstohlen sah er immer wieder zum anderen herüber, der sich so benahm wie immer. Es war absolut grotesk. Harry fühlte sich überfordert, denn er wusste weder wie er sich verhalten, noch was er denken sollte. Am liebsten hätte er die Bilder vom gefolterten Mantikor wieder aus seinem Gedächtnis gelöscht, denn sie quälten ihn nun genauso wie Snapes Tod. Nach einer Weile ließ Snape sich etwas steif wegen den Rippen an der Mauer hinuntersinken. „Ich wüsste im übrigen nicht, dass ich dir das Du angeboten hätte, Potter“, gab er knurrend von sich und Harry zog verärgert die Augenbrauen zusammen. Das war es dann wohl mit dem netten Snape. Er hatte wieder dicht gemacht. „Und ich habe dir auch nie erlaubt mich zu duzen“, erwiderte der Grünäugige Arme verschränkend. „Dafür brauche ich deine Erlaubnis nicht. Ich stehe in der Rangordnung über dir.“ „In der...“, begann Harry und schnappte empört nach Luft. „Du plusterst dich doch jetzt nur so auf, weil du dich mir gegenüber zu sehr geöffnet hast und jetzt Schiss bekommst.“ Böse funkelnd zischte Snape zwischen den Zähnen hindurch: „Ich habe keine Angst.“ „Das sieht für mich aber anders aus“, giftete der Gryffindor zurück. „Nicht alles, was der große Potter glaubt zu sehen, ist Realität. Das hast du nun schon oft genug bewiesen.“ „Wie oft willst du noch darauf herumreiten?!“, wurde Harry wütend und erhob die Stimme. Er hatte es so satt! Immer, wenn Snape eine Sache zu persönlich wurde, stieg er auf dieses Thema um. „So lange, bis du endlich daraus lernst, also bis in alle Ewigkeit“, antwortete der Tränkemeister immer noch ruhig. „Als ob du noch nie irgendwelche Fehler in deinem Leben gemacht hättest!“ „Als ob du das überhaupt beurteilen könntest“, konterte Snape nun auch wütender. „Ach, Todesser zu werden ist also kein Fehler? Wie hat meine Mutter reagiert, als du ihr stolz dein Dunkles Mal gezeigt hast?“ Das hatte gesessen. Sofort war der Slytherin auf den Beinen und packte Harry am Kragen. Dieser starrte weiterhin wütend in die zornigen, schwarzen Augen des anderen, dessen Gesicht ganz dicht vor dem seinen war. Plötzlich schossen dem Gryffindor Bilder durch den Kopf. Bruchstücke des Geschehens im Nebel traten wieder in sein Gedächtnis. Er erinnerte sich, wie er seine Hose hastig herunter- und ausgezogen hatte, ohne den Kuss des Slytherins zu unterbrechen. Unwirsch hatte er die Hose weggetreten und sich gierig an den anderen Körper gepresst. Damit war die Erinnerung vorbei und er sah wieder den wütenden Snape vor sich. Verdammt, warum erinnerte er sich ausgerechnet jetzt daran?! Er war wütend auf Snape und wollte es auch bleiben. „Du solltest vorsichtig sein, Potter“, raunte Snape mit eisiger Stimme. „Einige der Kreaturen hier mögen hochgefährlich sein, aber mich als Feind zu haben, ist viel ungemütlicher.“ „Oh, das wäre ja etwas völlig Neues“, hauchte Harry ohne Furcht. „Du warst bisher immer so freundlich zu mir, dass ich mir gar nicht ausmalen kann, wie es ist von dir schikaniert zu werden.“ Bei dem deutlichen Sarkasmus verengten sich die Augen des Tränkemeisters feindselig. „In der Tat, du weißt nicht, wie grausam ich sein kann.“ Harry lag wieder ein Kommentar auf der Zunge, doch er war sich sicher, dass Snape damit die Beherrschung verlieren würde. Also begnügte er sich damit stumm zurückzustarren, bis Snape ihn langsam wieder losließ. „Du bist unausstehlich“, knurrte der Slytherin mit einem angeekelten Blick, eher er sich umwandte, um sich wieder zu setzen. Dabei entging ihm Harrys Reaktion, denn dieser Satz zusammen mit dem Blick des anderen hatte dem Gryffindor einen Schlag in die Magengrube versetzt. Er schluckte, um sich zu fangen und hauchte dann: „Ebenso.“ Eine Reaktion des anderen blieb aus, der bereits wieder saß und seine Zauberstabhand über das Knie baumeln ließ. „Leg dich als erstes hin, Potter“, knurrte er leise, jedoch ohne Hass in der Stimme. Harry war übel und da er seiner Stimme nicht traute, setzte er sich einfach mit einem deutlichen Abstand neben den Slytherin. Was war denn nur mit ihm los, verdammt?! Solche Äußerungen waren doch normal für den Tränkemeister und Harry hatte es bisher nie gekratzt. Warum also jetzt? Es konnte ihm doch egal sein. Snape konnte ihm egal sein... aber er war es nicht. Harry wollte einen Blick zum anderen riskieren, doch dieser betrachtete ihn finster und so wandte der Gryffindor seinen Blick schnell wieder ab. Um das ganze zu überspielen, legte er sich hin, mit dem Gesicht so, dass Snape es nicht sehen konnte. Er hatte doch selber Schuld, also was war er jetzt so geknickt? Lag es immer noch an dem Vorfall beim Mantikor, dass ihm nach heulen zu Mute war? Aber es war doch alles wieder gut, alles wie immer. Und dennoch fühlte er sich elend. Er hatte vermutlich den größten Schock seines Lebens durchlitten, hatte die Leiche vom Slytherin im Arm gehalten und hatte geglaubt deswegen den Verstand zu verlieren... und nun zeigte Snape ihm wieder die kalte Schulter. Da würde es doch jedem schlecht gehen, oder? Hatte der Slytherin denn nicht begriffen, was Harry bei seinem Tod erlitten hatte? Nein, wie sollte er auch, wenn Harry selbst geschockt darüber war, wie sehr ihm das geschmerzt hatte. Nach all dem, was er schon erleiden musste, war das das schlimmste gewesen und das brachte den Gryffindor zum Grübeln. Wie wichtig war ihm der andere eigentlich, wenn jetzt jede Ablehnung so weh tat? Er hatte Snape weh getan, dann war mit so einem Tiefschlag zu rechnen gewesen. Allerdings hatte die Fledermaus auch angefangen, so wie er es immer tat. Was versuchte Harry sich vorzumachen? Snape war ein Arschloch und er würde auch immer eines bleiben. Kapitel 40: Komplimente ----------------------- „Lass all deinen Hass gegen ihn frei. Töte ihn“ Seine Beine bewegten sich von selbst und er erhob das Messer, während er auf Snape zuschritt, der an der Mauer lehnend eingenickt war. Als Harry direkt über ihm stand, holte er aus. In dem Moment schreckte der Slytherin hoch und sah erschrocken den Gryffindor über sich stehen. Harry stach zu und Snape warf sich ihm entgegen, um ihn aufzuhalten. Mit beiden Armen hielt er Harrys Hand mit dem Messer von sich fern und sah in die Augen des Gryffindors. Endlich versuchte dieser sich gegen den Fluch zu wehren, aber es zeigte keine Wirkung. Snape schwang sich nach vorne und griff mit einem Arm nach den Beinen des anderen, so dass dieser stürzte. Auf dem Rücken landend hatte Harry sofort den Tränkemeister über sich, der mit aller Kraft versuchte ihn unten zu halten und ihm das Messer wegzunehmen. Harry schaffte es seine leere Hand zu befreien und nahm das Messer blitzschnell aus seiner anderen. Verzweifelt versuchte er sich in den Griff zu bekommen, doch er schaffte es nicht einmal die Kraft in seinem Arm zu mindern. Für den Bruchteil einer Sekunde war Snape zu langsam und Harry stach zu. 'NEIN!!' Entsetzt riss Harry die Augen auf, als Snape nur noch schützend seinen Arm hochschnellen ließ. Ein kurzer Aufschrei und Blut tropfte auf Harrys Gesicht. Er spürte, wie leicht er mit dem Messer Snapes Unterarm durchbohrte, wie er den Knochen geschabt hatte. 'Nein! Severus!', wollte Harry schreien, aber ihm entfuhr kein einziger Laut. Harry hielt das Messer noch immer fest und zog es aus dem Arm des anderen. Keuchend ließ Snape ihn los und wich zurück. Den Arm an den Körper angewinkelt, krabbelte er vom Grünäugigen weg, doch dieser setzte sich schon wieder auf. „Quäle. Töte“ 'Nein!' Sofort war Harry auf den Beinen und hielt das Messer fest umklammert, von dem das Blut heruntertropfte. Langsam ging er auf Snape zu, der nervös weiter zur Wand rutschte und versuchte sich daran hochzuziehen. Seine Augen huschten immer wieder zum Zauberstab, der außer Reichweite lag. „Potter, reiß dich zusammen!“, versuchte er Harry zur Vernunft zu bringen, doch so sehr dieser sich auch anstrengte, er konnte nichts tun. Der Blick des Slytherins lähmte ihn innerlich, denn er ertrug es nicht in diesen schwarzen Augen so viel Schmerz und auch Angst zu lesen. Angst vor ihm. Schließlich wagte der Tränkemeister einen Hechtsprung zum Zauberstab, doch Harry war bereits dicht genug, um nach ihm zu greifen. Nun hockte er über dem Slytherin und holte erneut aus. „Harry!“, rief der Tränkemeister noch entsetzt, bevor sich die Klinge zwischen seine Rippen bohrte. „NEIN!!“ „Pst, nicht so laut!“ Keuchend und völlig verschwitzt saß Harry im Halbdunkeln auf dem Steinboden, neben ihm Snape, der ihn verärgert anfunkelte. Völlig verwirrt strich der Gryffindor sich durch das Haar. Kein Blut, kein Messer. Das war alles nur ein Traum gewesen. Erleichtert lehnte er sich an die Wand und versuchte sich zu beruhigen. „Tut mir Leid“, keuchte er. „Ein Albtraum.“ „Offensichtlich“, knurrte der Slytherin. „Wäre schön, wenn das leiser ginge.“ „Warum hast du mich dann nicht geweckt?“, fragte Harry wieder verärgert. „Du warst erst zum Schluss so laut. Worum ging es denn?“ Zuerst schüttelte der Grünäugige den Kopf, da er nicht antworten wollte. Er sah auf seine Hände, an denen nun kein Blut mehr klebte. „Ich h-hab dich getötet“, murmelte er zittrig. Der Slytherin hob unbeeindruckt eine Augenbraue. „Ich wusste schon immer, dass das dein Herzenswunsch ist.“ Verständnislos zog Harry die Augenbrauen zusammen und sah verärgert zum anderen. „Das ist nicht lustig!“ „Als ob du noch nie einen Gedanken daran verschwendet hättest, Potter“, meinte Snape schlicht und legte sich vorsichtig hin. „Jetzt bist du zumindest wach. Hier.“ Damit hielt er ihm den Zauberstab hin und knurrend nahm Harry ihn entgegen, während Snape es sich gemütlich machte. Natürlich nahm Snape seinen Albtraum nicht für voll, immerhin wünschten sie sich ständig die Pest an den Hals, aber es war eben etwas anderes, jetzt wo er Snape schon einmal hatte sterben sehen. Ob er jemals verstehen wird, was das in dem Gryffindor ausgelöst hatte? Verstohlen betrachtete Harry den anderen, der nach einigem Murren und Herumwälzen langsam wegdöste. Harry fiel auf, dass man anhand der Falte zwischen Severus' Augenbrauen erkennen konnte, wie tief er bereits schlief. Im wachen Zustand sah der Tränkemeister immer grimmig drein, aber je tiefer er in den Schlaf sank, umso mehr glättete sich diese Falte. Also konnte nicht einmal ein Severus Snape böse beim Schlafen gucken. Ein leichtes Schmunzeln huschte über Harrys Züge, ehe er seinen Blick murrend abwandte. Warum konnte Snape nicht immer so friedlich sein?   Nicht nur, dass Potter so unruhig geschlafen hatte, er hatte auch noch „Severus“ dabei gemurmelt. Zuerst dachte der Slytherin, er hätte sich verhört und sah verwundert von seinem Umhang auf, den er notdürftig flickte, doch dann hatte der Gryffindor es noch einmal deutlich gesagt, bevor er schreiend aufgewacht war. Knurrend versuchte der Tränkemeister eine gemütlichere Schlafposition zu finden. Nicht nur, dass Potter ihn jetzt duzte, im Traum nannte er ihn sogar beim Vornamen als sei das völlig normal. Dieser Kerl nahm sich allmählich zu viel heraus. Der Slytherin ärgerte sich, dass er nicht schon den ersten Kuss von Harry verhindert hatte, denn damit hatte alles angefangen. Wie hatte er das nur zulassen können? Er hatte sich eindeutig gehen lassen, sonst hätte er Harry nicht auch noch umarmt. Das musste er künftig unterlassen, auch wenn Severus zugeben musste, dass es verlockend war. Wen kümmerten noch die moralischen Richtlinien, wenn sie hier nie wieder herauskamen? Nein, irgendwo musste er trotzdem eine Grenze ziehen, bevor er später irgendwas bereuen würde. Zugegeben, Potter war anziehend, aber der Tränkemeister wollte seine Würde nicht fortwerfen, indem er die letzten Tage seines Lebens zum Spielzeug des Bengels wurde. Ächzend schüttelte Severus die Gedanken beiseite. Ihr Streit vorhin sollte genügen, um ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zu holen, denn er hatte wieder James in Harry erkannt und das war wie eine eiskalte Dusche gewesen. Wie hatte er sich einreden können, dass Harry anders war? Und wie hatte er nur denken können, dass Harry vielleicht doch ein wenig an ihm hing? Der Gefühlsausbruch beim Mantikor muss wohl doch nur deswegen gewesen sein, weil Harry nicht alleine durch Necrandolas wandern wollte.   Wie lange hatte Snape nun geschlafen? Genug um weiterzugehen? Harry war so durstig. Es muss wieder zwei oder drei Tage her gewesen sein, seit sie was getrunken hatten, denn sein Schädel drohte zu platzen. Zusätzlich fand er keine Sitzposition mehr, in der die Rückenschmerzen erträglich waren und so wanderte er auf und ab und legte sich ab und zu hin, hatte dabei jedoch Angst einzuschlafen. Komischerweise schossen Harry ausgerechnet jetzt immer mehr Erinnerungen aus dem Nebel durch den Kopf. Er erinnerte sich nicht nur daran, wie er seine Hose losgeworden war, sondern auch, wie Snape ihm den Pullover ausgezogen und Harry dafür dessen Robe heruntergerissen hatte. Sie hatten sich laut stöhnend aneinander gerieben, bis sie fast kamen. Bei dieser Erinnerung schoss dem Gryffindor die Röte ins Gesicht. Sie waren wie die Tiere übereinander hergefallen, wie hoch war da noch die Chance, dass sie das Ganze irgendwann abgebrochen hatten? Denn an das Ende konnte Harry sich immer noch nicht erinnern. Ächzend versuchte der Grünäugige, sich wieder hinzusetzen und sah zum Slytherin herüber, der sehr unruhig schlief. Immer wieder zuckte er mit dem Kopf hin und her und bewegte stumm die Lippen. Traurig seufzend beobachtete Harry ihn. Wie hatten sie es nur wieder geschafft, sich so zu zerstreiten? Vor allem so kurz nach dem Geschehen beim Mantikor? Harry war sich sicher, dass Snape über sein eigenes Verhalten erschrocken war und deshalb diesen Rückzieher gemacht hatte. Aber warum war es ihm so wichtig, Harry von sich fernzuhalten? Fiel es ihm etwa so schwer, andere an sich heranzulassen? Und ja, der Gryffindor musste zugeben, dass er ziemlich fies zum Slytherin gewesen war. Den Kommentar mit dem Dunklen Mal hätte er sich wirklich sparen sollen. Vielleicht konnten sie ja bald darüber hinwegsehen, denn entschuldigen wollte Harry sich trotzdem nicht, dafür war er zu stolz. Sie hatten beide einen Fehler gemacht und Snape würde sich niemals entschuldigen, also tat Harry es auch nicht. Snape wälzte sich nun hin und her und der Gryffindor streckte seine Hand aus, um ihn zu beruhigen. Sobald er jedoch seine Schulter berührte, schreckte der Tränkemeister hoch. „Was... Was machst du?“ „Nichts. Du hast nur so unruhig geschlafen.“ Seufzend setzte Snape sich auf und rieb sich erschöpft die Nasenwurzel. „Albtraum?“, fragte Harry ruhig nach. „Als ob es dich wirklich interessieren würde“, murmelte der Slytherin als Antwort, was Harry dazu brachte die Augen zu verdrehen. „Und als ob du wüsstest, was mich interessiert.“ Skeptisch und noch halb verschlafen sah Snape zum anderen und musterte ihn sehr lange, bis dieser unsicher die Schultern hob. „Was?“ „Was macht dein Fieber?“ Völlig überrascht über diese Frage zuckte Harry mit den Schultern. „Ist normal würde ich sagen.“ Mit der Antwort war Snape nicht zufrieden und rutschte näher zum anderen, ehe er ihm die Hand auf die Stirn legte. „Du bist glühend heiß. Kopfschmerzen?“, fragte er nach. „Ja schon, aber das kommt von der Dehydrierung.“ „Rückenschmerzen?“ „Ja gut, das... schon“, sagte Harry kleinlaut und sofort deutete Severus ihm, sich umzudrehen. Laut aufseufzend drehte Harry dem anderen den Rücken zu, schob seinen Mantel beiseite und hob seinen Pullover hoch. Der Slytherin gab ein Zischen von sich, was den Gryffindor nun doch verunsicherte. „Was... Was ist denn?“ „Das wird immer schlimmer. Ein Wunder, dass du noch laufen kannst“, murmelte der Tränkemeister und strich vorsichtig über den Rücken des anderen. Der wohlbekannte Schauer überzog Harry, doch dieses Mal schien Snape das bemerkt zu haben, denn er zögerte und stand dann auf. „Wir sollten wirklich ein Stück weiterlaufen. Als du geschlafen hast, konnte ich von dort vorne Wasser plätschern hören“, erklärte Snape und deutete den Gang weiter hinunter. Verwundert stand Harry ebenfalls auf und lauschte. „Ich höre nichts.“ „In dem Alter schon so taub?“, murmelte der Slytherin, ging voran und ignorierte gekonnt Harrys mürrischen Blick. Stumm liefen sie eine Weile nebeneinander her und nach einigen Minuten hörte Harry ebenfalls ein Plätschern. Snape ging zielstrebig auf den Wasserlauf zu und hatte sofort Zauberstab und Trinkflasche griffbereit. An die Wand gelehnt beobachtete Harry ihn dabei, wie er die Trinkflasche füllte. Der Tränkemeister hatte wieder seine Haare hinters Ohr gestrichen, wie jedes Mal, wenn er sich auf etwas konzentrierte. Es war seltsam, dass Harry das anscheinend jedes mal unbewusst beobachtet hatte, aber irgendwie gefiel ihm diese Geste auch. Es stand dem Slytherin ziemlich gut und Harry hatte das Bedürfnis, ihm die Haare selbst aus dem Gesicht zu streichen. „So schlecht kann mein Gehör unmöglich sein“, überlegte er laut, um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken. „Sicher, dass du nicht einfach besser hörst, als normale Menschen?“ „Und wie genau meinst du das?“, zog Severus skeptisch eine Augenbraue hoch. „Das Gehör eines Vampirs“, warf Harry in den Raum und der Tränkemeister sah verwundert auf. „Da brauchst du aber mehr Begründungen für.“ „Es ist nicht das erste Mal, dass du etwas vor mir hörst“, wurde Harry sich seiner Sache immer sicherer. „Du hast die Monster immer als erstes bemerkt und das Lager der Orks hast du viel früher als ich gehört.“ Noch immer leicht zweifelnd zog Snape eine Augenbraue hoch. „Nicht nur, dass es mir unwahrscheinlich erscheint, es kommt zudem aus deinem Mund und wirkt dadurch umso grotesker.“ „Warum?“ „Weil man das schon fast als Kompliment ansehen könnte.“ Das brachte den Grünäugigen zum Schmunzeln. Irgendwo hatte er schon Recht, sie haben sich noch nie gegenseitig Komplimente gemacht, dann hörte sich das schon komisch an. Doch darin sah Harry eine Chance, sich mit dem anderen wieder zu versöhnen, ohne sich entschuldigen zu müssen. „Vielleicht bekommen wir das mit den Komplimenten genauso gut hin, wie mit dem Beleidigen“, murmelte er überlegend. Aufschnaubend antwortete Snape: „Wie lange willst du denn überlegen, bis du ein Kompliment gef...“ „Du hast schöne Augen“, platzte es aus Harry heraus, bevor er groß darüber nachgedacht hatte. Völlig aus dem Konzept gebracht sah der Slytherin zum anderen und vergaß dabei den Zauber aufrechtzuerhalten, der das Wasser in die Flasche beförderte. Dem Gryffindor stieg die Hitze ins Gesicht und zu seinem Glück brachte das Plätschern des Wassers den anderen dazu, sich wieder dem Zauber zu widmen. Hatte er das gerade wirklich laut ausgesprochen? War er denn vollkommen verrückt geworden?? Das musste das Fieber sein! Sich wieder fangend schluckte Severus einmal, ehe er schnarrend antwortete: „Versuch ja nicht, dich bei mir einzuschleimen, Potter, das funktioniert nicht. Außerdem sind meine Augen als Lamia nicht gerade einzigartig.“ „Aber ich kenne nur drei Agitot und unter Verwandten lasse ich das nicht gelten, weil auch unter 'normalen' Familien die gleichen Augen auftreten können“, widerlegte Harry dieses Argument sofort. Redete Snape gerade wirklich ein Kompliment an sich schlecht? Warum? Wollte er es nicht hören oder war sein Selbstvertrauen so gering, dass er ihm nicht glaubte? Ihm war jedoch auch nicht bewusst, wie sehr er Severus aus dem Konzept gebracht hatte, dessen Gedanken nun rasten. War das wieder nur ein Spielchen von Potter? Hatte er gehofft ihn so wieder herumzukriegen? Oder meinte er das wirklich ernst? Verdammt, warum wurde er jetzt so unsicher?! Zudem hatte Potter sich auch noch eine der wenigen Dinge herausgepickt, die Severus von seiner Mutter hatte, gegen die er selbst also auch nichts einzuwenden hatte. Hätte er etwas genannt, was er von seinem Vater geerbt hatte, hätte er einfach wütend reagiert und fertig wäre er damit gewesen, aber so war er völlig überfordert. „Du glaubst mir nicht, oder?“, riss Harry ihn aus seinen Gedanken, obwohl er fast nur geflüstert hatte. Überrascht sah er auf und nun war Harry davon überzeugt, einen Funken Unsicherheit beim anderen zu erkennen. Was sollte er jetzt tun? Wie konnte er Severus überzeugen? „Was soll ich machen, damit du mir endlich mal etwas glaubst?“, fragte der Gryffindor ratlos nach. Eine lange Pause entstand, in der der Tränkemeister so tat, als bräuchte das Wasser seine volle Aufmerksamkeit. Dann murmelte er leise: „Du kannst nichts tun.“ „Bist du bei jedem Menschen so misstrauisch oder nur bei mir?“ Als der Slytherin ihn wieder ansah, war sein Blick wieder verschlossener und Harry seufzte auf. Das war es wohl. Für einen kurzen Moment hatte er tatsächlich hinter Snapes Maske blicken können. „Schon gut“, murmelte Harry und wandte sich ab. Gleichzeitig nahm Snape die Flasche von der Wand, reinigte das Wasser und nahm einen großen Schluck. Danach reichte er die Flasche weiter und Harry nahm sie entgegen, ohne den anderen weiter mit Blicken zu nerven. Das Wasser tat so unglaublich gut, als würde es ihn aus einem Dämmerzustand herausholen. „Du würdest nichts finden, oder?“, überlegte Harry und Snape zog fragend eine Augenbraue hoch. „Ich bin meinem Vater zu ähnlich, nicht wahr? Alles an mir muss dich an ihn erinnern.“ Warum redete er so einen Müll?! Konnte er das Thema nicht einfach fallen lassen? Beschissenes Fieber! Snape schien das gleiche zu denken. Am liebsten hätte Harry seine Worte zurückgenommen und hielt wieder die Flasche an die Wand. Der Tränkemeister nahm sie ihm ab und setzte wieder den Zauberstab ein. Nach einer Weile murmelte der Slytherin kaum hörbar: „Nicht alles.“ Sofort musste der Gryffindor daran denken, was ihm Levin einst gesagt hatte. „Ja gut, meine Augen, aber...“, beendete er seinen Satz nicht. 'Halt doch endlich mal deine blöde Klappe!', schallte Harry sich selbst. Es wunderte ihn, dass Snape überhaupt darauf einging. „Nein, die hatte ich nicht im Sinn“, sprach der Slytherin immer noch leise und Harry sah ihn verwundert an. „S-Sondern...?“ „Hier“, fiel Snape ihm ins Wort und hielt ihm die Flasche erneut hin. „Das hilft besser gegen das Fieber als solche Therapiegespräche.“ Zum Schluss hatte der Slytherin den guten alten Spott in die Stimme gelegt und zog dabei eine Augenbraue hoch. Harry glaubte schon wieder rot zu werden und griff nach der Flasche. „Ich entschuldige mich jetzt schon für all den Blödsinn, den ich künftig brabbeln werde“, sagte er noch, bevor er das Wasser herunterstürzte. „Und was ist mit dem in der Vergangenheit?“, sagte Snape. „Da hatte ich doch kein Fieber.“ „Das hat dich nicht davon abgehalten Blödsinn zu reden.“ „Vielen Dank.“ „Gern geschehen.“ „Kann ich mir denken.“ Verstohlen sah Harry zum anderen, der herausfordernd eine Augenbraue hob und dann konnte der Gryffindor nicht mehr anders. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht.   Als sie beide genug getrunken hatten und die Flaschen wieder aufgefüllt waren, machten sie sich auf den Rückweg. Sie hielten sich die Mäntel vor die Nasen, als sie am Mantikor vorbeikamen, und blickten wenig später zum Lager der Orks hinunter. Die Schale stand noch unverändert mitten auf dem Platz. „Wir müssen nur dicht genug herankommen, um sie mit einem Zauber zu erreichen“, flüsterte der Slytherin überlegend. „Einer von uns könnte sie ablenken.“ Kopfschüttelnd lehnte Severus ab. „Mit nur einem Zauberstab? Keine gute Idee.“ „Aber irgendwie müssen wir sie...“, überlegte Harry und da kam ihm der Einfall. Snape sah ihn verwundert an, da er nicht weitersprach, während Harry seine Taschen durchwühlte. „Jetzt sag mir nicht, dass du noch mehr Sachen dabei hast, die uns schon lange das Leben erleichtert hätten.“ „Bisher wusste ich nicht, wie man es hätte einsetzen können“, antwortete der Gryffindor ungeduldig und zog etwas kleines, schwarzes aus seiner Tasche. „Finsternispulver.“ „Hast also nicht alles an Luca verschenkt, was?“, grummelte der Slytherin. „Ich hab Luca keine...“ „Spar dir das. Also, wie gehen wir vor?“ „Wir könnten es nutzen, um darin zu verschwinden oder lassen es woanders losgehen, um sie abzulenken.“ „Und was machen wir, wenn wir zu langsam sind oder sie den Trick durchschauen?“ „Dann dürfen wir eben nicht zu langsam sein“, zuckte Harry mit den Schultern. „Nehmen wir dann den erstbesten Ausgang oder müssen wir in eine bestimmte Richtung?“ „Theoretisch müssten wir da längs“, deutete Snape nach links. „Aber so stümperhaft, wie du das planst, wird das eh nie was.“ „Hey, wer hat sich jahrelang beschwert, dass ich aus jeder Lage wieder herauskomme? Gib es zu, du hast dich totgeärgert, dass du mich nie erwischt hast.“ Der Tränkemeister gab nur ein verächtliches Schnauben von sich und Harry fühlte sich siegessicher. „Je mehr wir das durchplanen, umso mehr kann schief gehen“, erläuterte der Gryffindor weiter. Seufzend gab sich der Slytherin geschlagen und murmelte: „Das geht niemals gut aus.“ Kapitel 41: Ängste ------------------ „Ich zuerst oder du?“, fragte Harry und sah an der Klippe hinunter. Direkt unter ihnen konnten sie sich gut hinter einem Felsen verbergen. Snape deutete ihm vorzugehen und so kletterte der Gryffindor langsam über die Kante und ließ sich herunterhängen. Ein kurzes Nicken vom anderen und er ließ sich fallen. Kurz bevor er den Boden erreichte, wurde er durch einen Zauber von Snape gebremst und landete katzenartig auf allen Vieren. Kurz darauf war der Tränkemeister bereits neben ihm. Niemand schien sie entdeckt zu haben, denn die Stimmen und Geräusche veränderten sich nicht. Vorsichtig spähte Harry um die Ecke. Ein Stück vor ihnen war eine Hütte, hinter der die beiden sich schnell versteckten. Überall waren Hütten, Bretter oder große Tische, so dass sie ein ganzes Stück vorankamen, ohne entdeckt zu werden. Nach einigen Metern wurde es jedoch unmöglich. Stumm nahm Harry dem anderen den Zauberstab aus der Hand und ließ das Finsternispulver schweben. Er spähte so gut es ging über das Lager und ließ das Pulver so weit wie möglich fortgleiten. Dann beendete er den Zauber und das Pulver fiel zu Boden. Sofort tat sich eine riesige, schwarze Rauchwolke auf, die immer größer wurde. Die Orks hielten in ihren Aktivitäten inne und gerieten in helle Aufregung. Sie rannten durcheinander, brüllten die anderen an und suchten den Übeltäter im Nebel. Snape reagierte schneller als Harry und huschte bereits zum nächsten Versteck. Eilig lief der Grünäugige ihm hinterher und so kamen sie gut voran... bis ein großer Ork wütend aufbrüllend auf sie deutete. „Sintha! SINTHA!!“, brüllte er und machte andere auf die beiden aufmerksam. Harry nahm die Beine in die Hand und Snape folgte ihm. Sie waren schon dicht beim Platz, mussten sich aber hinter einem Verkaufsstand verstecken, da Speere und anscheinend auch Flüche auf sie gehetzt wurden. „Kannst du es sehen?“, fragte Snape und Harry sah zum Platz herüber. „Ja“, nickte er und stockte. Ein Ork stand an der Schüssel und sprach hektisch Beschwörungen und sofort spürte Harry wieder, wie sein Körper übernommen wurde. Der Slytherin wollte ebenfalls nachsehen, doch da packte Harry ihn grob am Kragen, warf ihn gegen die Plane und drückte ihm die Kehle zu. Wütend sah Snape zum Gryffindor auf und versuchte vergeblich nach Luft zu schnappen. Er wusste, dass Potter es schaffen würde, sich wieder in den Griff zu bekommen, aber dafür hatten sie jetzt wirklich keine Zeit. Er musste etwas unternehmen, um Harry zu überrumpeln. Also griff er auch nach Harrys Kragen und statt ihn weg zu schubsen, zog er ihn an sich heran... und küsste ihn. Der Fluch war für Harry wie weggeblasen. Snape küsste ihn. Er küsste ihn wirklich, ohne dass Harry ihn bedrängt hatte. Sofort ließ er den Slytherin los und intensivierte den Kuss, lehnte sich sogar mit dem Körper weiter vor, sodass sie sich berührten. Es zeigte sich nicht die Spur von Gegenwehr beim Tränkemeister und so wagte Harry es, seine Zunge zum Einsatz zu bringen. Doch Severus ließ sich nicht von ihm überreden und ließ den Mund geschlossen, sodass Harry den Kuss bald beendete. Er entfernte sich nur eine Nasenlänge von ihm und konnte es nicht verhindern, dass ein Lächeln über sein Gesicht huschte. „Bilde dir da jetzt bloß nichts drauf ein“, murmelte der Slytherin. „Das war nur, um den Fluch zu brechen.“ Das Lächeln des Gryffindors verschwand jedoch nicht und er beugte sich erneut vor, um den anderen zu küssen. Snape kam ihm ein kleines Stück entgegen, genau das, war Harry erreichen wollte. Wenige Millimeter vor Snapes Lippen hielt Harry inne und grinste siegessicher. „Natürlich“, flüsterte er sarkastisch. In dem Moment krachte knapp neben ihren Köpfen eine Axt gegen die Plane und sie mussten sich schnell wegducken. Snape schickte sofort Flüche zurück, aber die Orks waren zu zahlreich. Die beiden huschten um die Plane herum und standen nun am Rande des Platzes. Ein alter Ork stand vor der Steinschale und wühlte unwirsch in einem Lederbeutel herum. Der Tränkemeister schickte ihm einen Fluch entgegen, aber er wich aus und zog dann etwas aus dem Beutel. Duckend zog er sich zurück und ließ dabei das Etwas in die Schale fallen. Von allen Seiten wurden die beiden angegriffen und Snape hatte alle Hände voll zu tun sie beide zu schützen. Gerade als Severus einen Feuerring um sie beide zog, um die Orks auf Abstand zu halten, verschwamm Harrys Sicht und er schüttelte verwirrt den Kopf. Dann schmerzten seine Gliedmaßen und ein Brennen breitete sich im Magen aus. Er versuchte sich verkrampft auf das Geschehen zu konzentrieren, doch die Schmerzen wurden immer größer. Harry sackte keuchend zu Boden und verwirrt sah Snape zu ihm hinunter. Am ganzen Leib zitternd, schnappte der Gryffindor nach Luft. „Potter“, rief Snape ihm zu, doch er reagierte nicht. Dann fiel sein Blick auf die Steinschale, in der das Blut zu kochen begonnen hatte. Mitten im Kampf schaffte Severus es, einen Zauber zur Schale zu schicken. Sie stürzte um und das Blut verteilte sich auf dem Boden. Sofort hörte Harry auf zu zittern, verlor aber das Bewusstsein. Der Tränkemeister war heillos überfordert. „Potter!“ Er duckte sich, um einigen Speeren zu entgehen, die er zu spät gesehen hatte. Dabei schickte er wieder einen Zauber und das Blut auf dem Boden verschwand. Und was nun? Sie waren umzingelt und Potter rührte sich nicht.   „Ron, wir müssen zum Quidditch-Training“, erinnerte Ginny ihren Bruder, der sich noch nicht einmal die Trainingsklamotten herausgesucht hatte und nur auf dem Sofa saß. „Das geht sicherlich auch mal ohne mich“, zuckte er lustlos mit den Achseln. „Wir müssen aber den neuen Jäger trainieren. Das nächste Spiel ist schon in zwei Wochen“, blieb die Rothaarige energisch. Doch wieder erhielt sie nur ein Zucken der Schultern als Antwort und sie setzte sich seufzend neben Ron. „Das ist doch eine gute Ablenkung, meinst du nicht?“, sagte sie leise. „Hermine lenkt sich genug für uns beide ab“, antwortete Ron und zeigte über die Schulter zu seiner Freundin, die bereits seit zwei Wochen nichts anderes tat, als Bücher in der Ecke des Gemeinschaftsraumes zu wälzen. Ihr Haar war struppiger denn je und sie hatte große, dunkle Schatten unter den Augen. Allerdings sahen Ron und Ginny nicht viel besser aus. Ron hatte sogar einiges an Gewicht verloren, sodass sein Gesicht hohlwangig geworden war. Besorgt seufzend sah Ginny wieder von Hermine zu Ron. „Ich kann nicht immer euch beiden hinterherrennen. Denkst du für mich ist das leichter, als für euch?“, fragte sie mit leichter Verzweiflung in der Stimme. „Das ist jetzt 17 Tage her...“ „19“, verbesserte Ron seine Schwester. „Dann eben 19“, seufzte sie auf. „Umso mehr solltet ihr euch endlich fangen. Harry ist fort, ja. Aber derzeit sterben jeden Tag Menschen. Wenn alle sich so hängen lassen würden wie ihr, hätte Voldemort schon längst gewonnen.“ „Was glaubst du denn, was Hermine da liest?“, fragte der Rothaarige gereizt. „Sie hat bereits sämtliche Wälzer tausend mal durch, in denen auch nur das Wort Necrandolas erwähnt wird. Sie versucht einen Weg hineinzufinden.“ „Selbst wenn ihr das schafft, was dann?“, fragte Ginny ebenfalls lauter werdend. „Das ist ein Labyrinth voller Monster. Selbst wenn ihr ihn dort findet, willst du es dir wirklich antun ihn... möglicherweise... in Stücke gerissen vorzufinden?“ „Du willst mir also sagen, dass er tot ist?“, grummelte Ron düster. „19 Tage, Ron. Ihr müsst lernen damit umzugehen und weiterzuleben, weiter gegen Voldemort zu kämpfen.“ „Ginny hat Recht, Ron“, sagte auf einmal eine heisere Stimme hinter ihnen und sie drehten sich um. Hermine war zu ihnen gekommen, mit Tränen in den Augen. „Wir dürfen uns daran nicht festbeißen. Es herrscht Krieg, wir können uns das nicht leisten.“ „Du willst ihn also aufgeben?“, stand Ron nun auf. Kopfschüttelnd schluchzte Hermine auf. „Nein... aber mir fällt absolut nichts ein, wie wir ihm helfen können. Wir sind... absolut... m-machtlos.“ Der Rothaarige kam auf die Hexe zu und sie schmiss sich in seine Arme, um dann ihr Gesicht in seinen Klamotten zu vergraben und laut loszuschluchzen.   Der Nebel verschleierte ihm die Sinne. Lautes Stöhnen und Seufzen erfüllte die Luft. Severus' Lippen waren überall und er konnte nicht genug von ihm bekommen. Es reichte ihm nicht mehr, sich am anderen zu reiben, er wollte mehr. Er küsste sich an Snapes Hals entlang, ließ die Hände an seinem Rücken heruntergleiten und wanderte am Hosenbund nach vorne zum Gürtel. Mit fahrigen Bewegungen öffnete er ihn, während Snape seine nackten Schultern küsste. Doch als Harry den Knopf der Hose öffnen wollte, griffen Snapes Hände nach seinen. Er lehnte keuchend seine Stirn gegen Harrys, der langsam ungeduldig wurde. Wenn sie nicht endlich weiter gehen würden, drohte er vor Lust zu platzen. „Nein... Harry“, flüsterte der Slytherin angestrengt. „Das ist eine Falle... wir müssen weg.“ Aber der Gryffindor verstand ihn nicht, zu sehr war sein Gehirn vernebelt. Statt aufzuhören, knabberte er am Ohr des anderen. „Harry...“, versuchte Severus es weiter und keuchte unwillkürlich auf, als der Gryffindor nicht aufhörte. „Komm, nimm deine Sachen mit.“ Und so wich er vor dem Grünäugigen zurück, der nicht von ihm ablassen wollte. Verwundert öffnete Harry die Augen. Sein Kopf pochte tierisch und er fühlte sich elend. Ganz langsam drehte er sich zur Seite und ächzte auf. Sein Körper war unglaublich steif. „Endlich wach?“, sagte Snape neben ihm und Harry sah zu ihm auf. Er saß an die Wand gelehnt, mit dem Zauberstab in der einen und einem Stück geröstetem Fleisch in der anderen Hand. „Was...“, war der Gryffindor irritiert. „Wie sind wir... die Orks!“ „Wir sind weit genug weg... hoffe ich“, beruhigte Snape den anderen und biss von seinem Essen ab. Vorsichtig setzte Harry sich auf. Sein Rücken wollte sich kaum biegen und so fiel es ihm schwer sich auch nur hinzusetzen. Außerdem war er vor Hunger am Zittern und seine Kehle schmerzte vor Durst. Kommentarlos hielt Snape ihm die Wasserflasche hin und eilig stürzte dieser alles hinunter. Erst dann konnte er seine Gedanken langsam sammeln. „Wie hast du uns da weggebracht?“ Der Tränkemeister neigte leicht den Kopf, was die einzige Bewegung zu sein schien, die ihm keine Schmerzen bereitete. Verwundert betrachtete Harry ihn. An mehreren Stellen hatte der Slytherin Schürfwunden, die zum Teil wieder verheilten, wahrscheinlich wegen der Salbe. „Alles in Ordnung?“ „Es ginge mir um einiges besser, wenn du erst einmal...“, keuchte Severus und hielt dem anderen den Zauberstab hin, der endlich begriff. So schnell es sein Zustand erlaubte, hockte er sich vor den Tränkemeister, nahm den Zauberstab und knüpfte das Hemd des anderen auf. „Episkey.“ Laut aufkeuchend lehnte Snape sich zurück und entspannte sich dann endlich. „Merlin, tut das gut“, murmelte er leise vor sich hin. „Wie lange war ich bewusstlos? Wie lange bist du damit schon herumgelaufen?“, fragte Harry etwas schockiert nach. „Ich schätze mal so um die zwei Tage... ungefähr“, murmelte Snape weiterhin ruhig. „Ich musste dich irgendwie aus dem Lager herausschaffen und das war alles andere als einfach. Hast du schonmal versucht, eine Person schweben zu lassen und gleichzeitig zu kämpfen? Ich habe nur zugesehen, dass wir so viel Abstand wie möglich zu den Orks bekommen.“ Harry musste zugeben, dass er den anderen bewunderte. Gleichzeitig stockten seine Gedanken, als er den anderen musterte. Wie er so da saß, den Kopf zurückgelegt, mit geschlossenen Augen... Harry schluckte und schüttelte seine Gedanken fort. Das mussten Folgen des Traumes sein. „Wie hast du uns da rausbekommen?“ „Ich musste auf die Unverzeihlichen zurückgreifen. Und ich habe das halbe Lager abgefackelt. Eigentlich hatte ich alles zerstören wollen, aber ein so großes Feuer in einer geschlossenen Höhle zu entfachen, ohne selbst zu ersticken, ist nicht gerade einfach.“ Ein Schmunzeln huschte über Harrys Gesicht. Man durfte den Slytherin wohl nicht unterschätzen. Doch so sehr er ihn auch bewunderte, wollte sein Magen erst einmal mehr Aufmerksamkeit. Begierig sah er auf das Stück Fleisch in Snapes Hand. „Hast du davon noch mehr?“ Kommentarlos holte Severus ein Bündel aus der Tasche und reichte es dem ausgehungerten Gryffindor, der sich sofort darauf stürzte. Währenddessen befühlte Snape seine Stirn. „Wie fühlst du dich?“ „Hoffentlich besser, wenn ich gegessen hab“, antwortete Harry schnell, eher er kräftig zulangte. „Ich habe versucht die Entzündung zu mildern, aber es wollte nicht klappen“, erläuterte der Tränkemeister knurrend. „Wo hast du das Fleisch her?“, ignorierte Harry Snapes Erklärungen. Verärgert zog Snape die Augenbrauen zusammen. „Wie wäre es, wenn du das Problem mit deinem Rücken endlich mal ernst nehmen würdest? Wenn es so weiter geht, hast du nicht mehr lange zu leben.“ „Wir können sowieso nichts dran ändern, hast du doch gerade selber gesagt“, konterte Harry mit vollem Mund. „Ich will dich aber auch nicht halbtot mit mir herumschleppen“, wurde Snape zornig. „Ich habe seit unserer Rast vor dem Orklager kein Auge mehr zugemacht, ich bekomme schon Halluzinationen!“ Harry hielt beim Essen inne. „Dann lass mich einfach irgendwann zurück.“ „Nein.“ „Aber das hast du doch gerade indirekt gesagt.“ „Nein, so war das nicht gemeint!“ „Sondern?“ „Dass...“, kam der Slytherin ins Stocken und begann dann untypisch mit den Händen wild herumzugestikulieren. „Dass du dir irgendwas... ausdenken sollst. Was weiß ich... Du kannst doch sonst immer alles.“ Verwundert musterte Harry den anderen. Snape verhielt sich gerade extrem komisch, was ihm selbst wohl jetzt auch auffiel, denn er streckte Harry den Zauberstab entgegen und legte sich hin, mit dem Gesicht zur Wand. „Gute Nacht“, knurrte er noch abschließend. Der Gryffindor grinste. „Wirst du etwas hysterisch, wenn du übermüdet bist?“ „Gute Nacht!“ Kopfschüttelnd aß Harry grinsend weiter. Hier in Necrandolas sah er Seiten an Snape, die womöglich noch niemand kannte. Und dennoch bleib er ihm ein Rätsel. Jetzt, wo Harry sich an alles im Nebel erinnern konnte, fragte er sich, warum Snape es geschafft hatte abzubrechen. Sein Verstand hatte wieder funktioniert, obwohl dieser Nebel wahrscheinlich irgendeine Droge war. Und wieder stellte der Gryffindor fest, dass er den Slytherin bewunderte. Er hatte sich und Harry aus dem Lager befreit und mehrere Tage für sie gesorgt, ohne groß zu rasten oder zu schlafen. Er hatte es sogar geschafft Nahrung aufzutreiben und diesen Wasserlauf zu finden, der neben Harry an der Wand verlief. Dann war es das mindeste, dass der Gryffindor seine Schmerzen erst einmal ignorierte und Snape eine Pause gönnte.   Viele Stunden vergingen, vielleicht sogar ein ganzer Tag, bevor Severus wieder fit war und die beiden sich auf den Weg machten. Alle halbe Stunde kontrollierte der Slytherin Harrys Fieber, was diesem langsam auf den Zeiger ging. Ja, ihm ging es dreckig und seine Glieder schmerzten, aber was konnten sie schon dagegen tun? Sie mussten weiter, das war alles was zählte. Nervig fand er es nur, dass er immer noch leicht zitterte, obwohl er genug gegessen hatte. „Das muss noch von dem Fluch kommen“, erläuterte der Slytherin beiläufig. „Fluch? Der von den Orks?“ „Ja?“, zog Snape verwundert eine Augenbraue hoch. „Der alte Ork hätte dich beinahe umgebracht. Schon vergessen?“ Verwundert runzelte der Gryffindor die Stirn. „Ich dachte, das sei nur so etwas ähnliches wie ganz zu Anfang gewesen, wo meine Adern gebrannt haben.“ „So harmlos war es nicht, nein.“ Eine kurze Stille entstand, in der die beiden stumm nebenher gingen. Dann sagte Severus leise: „Ich dachte schon, ich hätte zu spät eingegriffen.“ Überlegend musterte Harry ihn. Snape konnte ihm erzählen was er wollte, Harry war nicht mehr der einzige, dem der andere wichtig geworden war. „Ähm... kommen deine Erinnerungen an den... Nebel auch zurück?“, versuchte er möglichst beiläufig zu fragen, doch Snapes Kopf ruckte sofort herum. „Du erinnerst dich wieder?“ „Ähm, j-ja... du nicht?“, fragte Harry kleinlaut, doch der Blick des anderen war Antwort genug. „Hättest du die Güte mir zu sagen, wie wir da rausgekommen sind und wie weit wir...“, brach Severus dann doch ab und sah wieder in den Tunnel. „D-Du hast irgendwann abgebrochen und... hast gesagt wir müssten dort weg“, erklärte Harry knapp. „Das weißt du wirklich nicht mehr? Du wirktest da so klar bei Verstand.“ „Kann ich mir denken“, murmelte der Slytherin etwas bitter, ohne den anderen anzusehen, was Harry verwirrte. „Wieso...“, begann der Gryffindor. „Selbst unter Drogen bloggst du mich irgendwann ab. Ist der Gedanke so schrecklich für dich?“ Kurz sah der Slytherin ihn mit einem Blick an, den Harry nicht deuten konnte, ehe er wieder nach vorne sah. „Ich werde nicht mit dir darüber diskutieren.“ Scharf nachdenkend beobachtete Harry den anderen. Fand er ihn so abstoßend? Oder allgemein den Gedanken mit einem Mann? „Liegt es speziell an mir oder...?“ „Ich sagte, ich diskutiere das nicht mit dir aus.“ Eine kurze Pause entstand. „Hast du schon Erfahrungen mit...?“ „Verdammt, Potter!“, rief Snape genervt aus und blieb stehen. „Ich habe einfach keine Lust auf deine Spielchen, klar?“ „Spielchen? Du glaubst immer noch ich spiele mit dir?“, kam dem Gryffindor nun die Erkenntnis. „Wie kommst du nur wieder auf solch einen Blödsinn?“ „Warum solltest du dich sonst mit mir abgeben?“ „Aus dem gleichen Grund, warum du meine Küsse zugelassen hast“, konterte Harry. „Es fühlte sich gut an.“ Ungläubig sah Severus zurück und Harry seufzte auf. War das jetzt wirklich sein ernst? Für wie hinterhältig hielt er ihn eigentlich? Wie sollte er so einem Dickschädel klar machen, dass es ihm wirklich gefiel ihn zu küssen? Kurzerhand beugte Harry sich vor und gab dem anderen einen kleinen Kuss, wofür er verdattert angesehen wurde. „Und das tut es immer noch“, flüsterte Harry fast und sah abwartend in die Augen von Snape. Dieser war nun restlos verwirrt. Wollte Harry ihm wirklich klar machen, dass er ihn wollte? Ausgerechnet ihn? Harry erkannte, dass der Slytherin ihm noch immer nicht glauben wollte. Also gut, dann musste er eben deutlicher werden. Der Gryffindor nutzte den Moment und beugte sich erneut vor, abwartend, wie Snape reagierte. Dieser schluckte schwer, wich aber nicht zurück. Ganz vorsichtig legte Harry seine Lippen auf Severus'. Er ließ sich fallen und hoffte, den anderen ebenfalls dazu bringen zu können sich zu entspannen. Dann erwiderte er tatsächlich den Kuss. In Harrys Bauch wurde ein Salto geschlagen und er trat näher an Severus heran, konnte dem Drang nicht widerstehen ihm nah sein zu wollen, seine Wärme spüren zu wollen. Als er den Kuss sanft beendete, nahm er gar nicht erst wieder groß Abstand, sondern sah dem anderen in die Augen. „Gib es zu, du hast doch nur Druck, weil wir hier schon so lange festsitzen“, grummelte Snape, was Harry zum Grinsen brachte. „Mag sein, dass das noch hinzu spielt“, murmelte er mit einem Glitzern in den Augen. „Aber bei dir dürfte es auch nicht besser sein.“ Und schon verschloss Harry seine Lippen wieder mit den eigenen, dieses mal intensiver. Nach kurzem Zögern ließ Severus sich darauf ein, war aber immer noch etwas verkrampft. Sanft lehnte Harry sich an ihn und legte seine Hände an Snapes Seiten. Ein Prickeln breitete sich in ihm aus und er wurde gieriger. Nun legte auch Severus seine Arme um den anderen, hielt sich aber dennoch zurück. „Entspanne dich“, flüsterte Harry zwischen zwei Küssen und strich mit seinen Händen an Snapes Seiten entlang. Dieser schien tatsächlich etwas lockerer zu werden und wanderte nun auch mit seiner Hand über Harrys Körper, während die andere mit dem Zauberstab an seinem Rücken verharrte. Harry wollte mehr, legte eine Hand an die Hüfte des anderen und glitt mit der anderen zu den Knöpfen der Robe hoch. Zuerst schien Severus protestieren zu wollen, doch nachdem sie den Kuss kurz unterbrachen und sich ansahen, ließ er es zu. Harry konnte sich gerade nichts schöneres vorstellen und intensivierte den Kuss nochmals. Snapes Hand glitt in seinen Nacken, während er Harry dichter an sich zog und den Kuss endlich ebenso leidenschaftlich erwiderte. Langsam knöpfte Harry die letzten Knöpfe der Robe auf und glitt dann mit der Hand unter das Hemd. Ganz sanft strich er mit den Fingerspitzen über Severus' Seiten, woraufhin auch dessen Hand unter Harrys Pullover glitt und über seinen Rücken strich. Harrys Haut schien an den Stellen Feuer zu fangen, an denen Severus ihn berührte, kribbelte erregend. Sanft strich Harry mit seiner Zunge über die Lippen des Slytherins und tatsächlich öffnete dieser den Mund. Das Prickeln wurde übermächtig und Harry blieb die Luft weg. Instinktiv presste er sich an den Körper des anderen, der mit den Händen seinen Körper erkundete. Auch Harry war mit seinen Fingerspitzen weiter über die zarte Haut gewandert und strich nun über Severus' Bauch knapp über dem Gürtel Richtung Rücken, woraufhin dieser den Bauch einzog und erschauderte. Grinsend unterbrach der Gryffindor den Kuss und sah dem anderen in die Augen. Hatte er da etwa eine empfindliche Stelle gefunden? Nun wagte er sich weiter vor und küsste sich unterhalb von Severus' Ohr an seinem Hals hinunter. Genussvoll leckte er über diese zarte Haut, inhalierte ihren Duft. Er spürte den Atem des Slytherins heiß an seinem Ohr, der genießerisch die Augen schloss. Sein Atem verpasste Harry wohlige Schauer und er zitterte sogar kurz, als Severus ihm einen leichten Kuss auf sein Ohr setzte. Langsam wanderte Harry wieder nach oben, küsste sich am Kiefer längs wieder zu Severus' Mund, was den anderen aufseufzen und damit Harry ein Ziehen in seinen Lenden verspüren ließ. Als ein erneuter Zungenkuss entbrannte, ließ Harry seine Hand wieder nach vorne wandern zu Snapes Gürtelschnalle. Offenbar ein Fehler. Reflexartig griff Severus nach Harrys Händen, die sofort innehielten. Den Kuss beendend wandte der Slyhterin den Blick ab, was Harry verwirrte. Für einen kurzen Moment hatte der Gryffindor ihm in die Augen sehen können und dieser Moment hatte gereicht, um zu sehen, dass irgendwas nicht stimmte. Er beugte sich vor und hauchte Severus sanft einen Kuss an die Schläfe. Dort verharrend flüsterte er: „Was ist denn?“ Zuerst kam keine Antwort, doch dann schüttelte Severus leicht den Kopf. War es ihm doch zu schnell gegangen? Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Harry wusste nicht, was er tun sollte. Vorsichtig ließ er seine Hände wieder zu Severus' Rücken wandern, die der andere frei gab und seine eigenen nun an Harrys Hüfte legte. Der Gryffindor wagte eine leichte Umarmung und seufzte leise auf. Er verstand nicht, was hier los war, wollte aber auch nicht weiter nachfragen. Schon nach kurzer Zeit atmete Severus tief durch und schob Harry sanft von sich, sodass dieser ihm ins Gesicht sehen konnte, dessen Blick aber nicht erwidert wurde. „Lass uns weitergehen“, flüsterte der Slytherin und wandte sich zum Gehen, während er sich dabei die Robe zuknöpfte. Etwas hilflos stand der Grünäugige da und betrachtete den anderen, der tatsächlich Anstalten machte weiterzugehen. Und nun? Schnell hatte der Gryffindor aufgeholt und lief stumm neben dem anderen her. Was war nur mit ihm los? So kannte er Snape gar nicht und er hätte auch niemals gedacht, dass dieser so werden konnte. Stundenlang liefen sie so weiter, bis Harry sich erschöpft hinsetzte. Er war völlig entkräftet und ihm tat alles weh. Zum ersten Mal sah Snape ihn wieder an und kam nach einigem Zögern zu ihm, um seine Stirn zu fühlen. Leise fluchend holte er eine der Trinkflaschen heraus und kippte sich Wasser auf die Hand, um es dann über Harrys Stirn zu verteilen. „Was machst du da?“, protestierte der Gryffindor. „Wir dürfen kein Wasser verschwenden.“ „Das ist alles, was wir noch gegen das Fieber tun können!“, schimpfte der Slytherin zurück. „Warte“, murrte Harry und riss ein Stück von seinem Umhang ab. Snape tränkte es mit Wasser und hielt den Stoff an Harrys Stirn, der zugeben musste, dass sich das verdammt gut anfühlte. Er nahm Severus den Lappen ab und hielt ihn sich selbst an die Stirn, während der andere sich seufzend neben ihn setzte. Harry schielte ihn von der Seite her an. „Alles in Ordnung?“, fragte er vorsichtig nach. „Das sollte ich eher dich fragen“, murrte Snape in alter Manier zurück. „Wir müssen mehr Pausen machen. Du musst dich so viel wie möglich hinlegen.“ „Aber so kommen wir hier nie raus.“ „Und wenn wir zu schnell machen, bist du in zwei Tagen tot!“, fauchte der Slytherin. Seufzend lehnte Harry sich zurück. „Lass mich eine halbe Stunde Pause machen und dann können wir weiter.“ „Wer es glaubt...“, grummelte Severus vor sich hin. „Wirst du schon sehen“, murmelte der Gryffindor und schloss die Augen. Kurz darauf war er eingeschlafen, was Snape mit einem Schnauben quittierte. Er zog seinen Mantel aus und warf ihn über Harry. Dass ihm keine Lösung einfallen wollte, wie er Harry helfen konnte, ließ ihn über sich selbst fluchen. Und genauso ärgerte er sich darüber, dass er vor einigen Stunden schon wieder schwach geworden war, dass er Harry nicht widerstanden hatte. Er wusste doch wie es ausgehen würde, warum hatte er sich dann auf Harry eingelassen? Warum war Harry so unwiderstehlich für ihn? Verdammt, er brauchte nur an Harrys Blick zurückdenken, an das Gefühl seines Körpers an seinem eigenen und schon fühlte er sich wieder vollkommen machtlos. Warum tat es so verdammt gut ihn zu küssen, ihm nahe zu sein? Warum wurde der Drang, Harry selbst zu küssen, wenn er mal wieder sein schiefes Grinsen aufsetzte, immer stärker? Er war so ein Idiot! Er hatte immer stolz darauf sein können, wie gut er sich unter Kontrolle hatte, aber bei einem verdammten Kuss wurde er schwach? Und das schlimmste daran war: Er wusste, dass er beim nächsten mal wieder nicht widerstehen können würde. Das war absolut erbärmlich! So gingen Severus' Gedanken immer weiter, bis ihm keine Beleidigungen mehr für sich selbst einfielen und seine Laune im Keller war. Irgendwann schreckte Harry überrascht hoch. „Ich glaube, die halbe Stunde ist schon eine ganze Weile rum“, grüßte Snape den Gryffindor murrend, der zuerst verwirrt und dann genauso mürrisch dreinsah. Er war jedoch überrascht, als er den Mantel über sich bemerkte und gab ihn mit einem gemurmelten „Danke“ wieder zurück. Ohne noch weiter zu diskutieren, machten sie sich wieder auf den Weg. Harry fühlte sich alles andere als ausgeruht, er schwankte sogar, weil ihm so schwindelig war, aber er hatte keine andere Wahl. Severus konnte er dennoch nichts vormachen, der ihn genau im Auge behielt. Jetzt glaubte Harry sogar, dass kurz der Boden gebebt hatte und leise fluchend stützte er sich an der Wand ab. Als er jedoch zum Slytherin sah, sah dieser angespannt und mit gezücktem Zauberstab nach vorne. Hatte er sich das also doch nicht eingebildet? „Was hörst du?“, fragte er leise. „Ein ziemliches Getrampel. Muss ein wuchtiges Wesen sein“, antwortete Severus ruhig und trat ein Stück näher an Harry heran. Beide sahen angespannt in die Dunkelheit und dann hörte Harry ein Schnauben. Als erstes war ein langes, weißes Horn zu sehen, dann eine Schnauze. „Oh verdammt“, murmelte der Slytherin und Harry konnte ihm nur beipflichten. Ein Erumpent. Das Licht störte das Wesen, weshalb es ungeduldig mit den Füßen schabte. Schnell hielt Severus den Zauberstab tiefer, wagte es allerdings nicht ihn zu löschen. „Die sind doch nur gefährlich, wenn man sie reizt“, flüsterte der Gryffindor angespannt. „Das Tier hat in seinem ganzen Leben noch nie das Tageslicht gesehen. Glaubst du wirklich, dass man es dann noch groß reizen muss?“ Vorsichtig lief der Tränkemeister ein Stück an der Wand entlang, in der Hoffnung, einfach an dem Tier vorbeischlüpfen zu können, doch der Erumpent schnaubte nervös und versperrte ihm den Weg. „Harry, du hast keinen Zauberstab. Versuche du es mal“, sagte er ruhig und Harry kam zögerlich zu ihm. Langsam schob er sich weiter und sah dabei nervös zum Tier. Dieses senkte das Horn zur Verteidigung und Harry schluckte, lief aber dennoch weiter. Und tatsächlich schaffte er es vorbeizukommen. Auffordernd sah er zum Slytherin. Was nun? Langsam bückte Snape sich und deutete Harry das auch zu tun. Der Gryffindor verstand erst, als das Licht gelöscht wurde und er das Stück Holz auf sich zurollen hörte. Nach dem Klang wusste er ungefähr, wo der Zauberstab gelandet war und ertastete ihn. Gleichzeitig jedoch schnaubte der Erumpent lauter und bewegte sich. Harry murmelte Lumos und konnte so sehen, wie Severus sich bereits vorgeschoben hatte, der Erumpent ihn aber als Bedrohung betrachtete. Er senkte sein Horn und schnellte zum Slytherin, der sich zu Boden warf. Es gab einen fürchterlichen Knall. Die Mauer bröckelte, der Boden bebte und Harry landete auf den Knien. Hustend versuchte er etwas zu sehen, doch der Staub war dazu zu dicht und Gestein flog ihm um die Ohren. „Severus!“ Kapitel 42: Angriff der Toten ----------------------------- Langsam legte sich der Staub und Harry versuchte hustend etwas zu erkennen. Der gesamte Tunnel war von Geröll versperrt. „Severus!“, rief er in die Stille hinein, aber er erhielt keine Antwort. Plötzlich krachte es wieder und auf der anderen Seite des Tunnels schien das Geröll wieder in Bewegung zu kommen. Das musste der Erumpent sein. Ein lautes Schnauben und röhrendes Gebrüll war zu hören und dann wurde es wieder still. Ganz leise konnte man die dumpfen Schritte des Tieres hören. „Severus!“, rief Harry erneut und wurde langsam panisch. Und dann hörte er ein Husten. Eilig stolperte der Gryffindor in die Richtung, von wo das Geräusch kam und leuchtete die Steine ab. Er schob einen großen Stein zur Seite und erkannte dann den Slytherin, der mit dem freien Arm seine Augen vor dem grellen Licht schützte. Er war bis zur Brust begraben und bekam schlecht Luft. „Moment“, sagte der Grünäugige und begann damit die Steine von weit oben herunterzuräumen, damit kein Steinrutsch entstand. Als ihm das zu langsam ging, benutzte er den Zauberstab. Er hatte den Slytherin bereits bis zur Hüfte befreit und kümmerte sich erst einmal um die Rippen. Endlich atmete Severus ruhiger und sah zum anderen auf. „Alles in Ordnung?“, fragte der Gryffindor ruhig. „Bezweifle ich“, zischte der Tränkemeister schmerzhaft auf und Harry beeilte sich, ihn weiter auszugraben. Als er die letzten Steine beiseite räumte, bewegte Severus probeweise das rechte Bein, dann das linke, hielt aber mit einem Ächzen sofort wieder still. „Verdammt!“ „Warte, ich hole dich hier erstmal raus“, sagte Harry so ruhig wie möglich, packte den anderen unter den Armen und zog ihn vorsichtig von den Steinen weg. „Warte, warte!“, rief der Slytherin nach wenigen Metern aus und Harry ließ ihn los. Ächzend stemmte Severus sich auf seine Unterarme und sah zu seinen Beinen herunter. „Oh verdammte Scheiße!“, flüsterte er und ließ sich wieder zu Boden sinken, um sich über das Gesicht zu streichen. „Das Bein ist durch.“ „Das kriegen wir schon hin“, versuchte Harry ihn zu beruhigen. „Du bekommst die Rippen nicht geheilt. Wie willst du dann das Bein richten?“, schimpfte der Slytherin. „Hey, komm mal wieder runter“, beschwerte sich der Gryffindor. Völlig entnervt schloss Severus die Augen und versuchte den Schmerz wegzuatmen. „Ist der Bruch offen?“, fragte er dann leise nach. Etwas zögerlich schnitt Harry das Hosenbein mit dem Zauberstab auf und besah sich den Unterschenkel, der ab dem ersten Drittel komisch versetzt war. „Nein“, gab Harry die Auskunft und war erleichtert. „Ich könnte es erstmal richten.“ Noch immer keuchte Severus vor Schmerz, biss sich dann aber auf die Lippe und nickte. „Episkey.“ „Ah!“ Severus atmete so tief durch, wie es seine Rippen erlaubten. Harry kroch wieder hoch, um den anderen anzusehen, der die Augen geschlossen hielt. Sein Atem ging schwer, da er so viel Staub eingeatmet hatte, wagte es aber gleichzeitig nicht so viel zu husten, da seine Rippen ihn sonst umbringen würden. Der Slytherin war für Harrys Geschmack etwas zu blass und er zitterte leicht, kurzum: Er sah elend aus. Am Kiefer hatte er eine Schürfwunde und von seiner Lippe lief das Blut herunter. Geistesabwesend wischte Harry es weg, woraufhin Snape ihn wieder ansah. Ohne ihn groß zu beachten, reinigte Harry die Schürfwunde und durchsuchte dann Snapes Taschen nach der Salbe. Die Tube war schon bald leer. Vorsichtig verteilte Harry etwas davon am Kiefer des Tränkemeisters, der ihn weiterhin stumm ansah. „Und was machen wir jetzt?“, fragte er leise, als Harry fertig war. „Ich werde dein Bein schienen.“ „Womit? Substantivzauber funktionieren nicht.“ „Versuchen kann man es“, zuckte Harry mit den Schultern und widmete sich bereits wieder dem Bein. Snape setzte sich vorsichtig auf. „Potter, das hat keinen Sinn, das wird nicht...“ „Ferula.“ „...funktionieren“, endete der Slytherin und sah verwundert, wie sich tatsächlich eine Schiene um sein Bein legte. „Was zum...?“ Mit einem leichten Grinsen zuckte Harry die Schultern. „Anscheinend hielten die es für notwendig diesen Zauber hier zuzulassen.“ Leicht den Kopf schüttelnd sah Snape ihn an. „Für einen Potter ist nichts unmöglich, was?“ „Dann ist es ja gut, dass du mich dabei hast“, grinste Harry weiter, wurde dann aber wieder ernst. „Sonst tut dir nichts weh?“ „Danach kannst du nicht gehen“, murrte Severus und schlurfte zur Wand, um sich anzulehnen. „Aber es scheint noch alles andere heil zu sein.“ Seufzend setzte Harry sich neben ihn. „Und dann sagst du ich hätte Glück?“ „Bei mir hat das nichts mit Glück zu tun. Das hängt mit dem Medaillon zusammen, dass ich dabei habe. Der Schaden ist trotzdem groß genug“, verdunkelte sich Snapes Blick. „So kann ich unmöglich weiterlaufen. Lass mich einfach hier.“ Entsetzt riss Harry die Augen auf. „Bist du verrückt?! Vergiss es!“ „Ich kann nicht mehr laufen, Potter. Wie zum Teufel sollen wir dann vorankommen?“, rief der Slytherin ebenso laut zurück. „Ich stütze dich.“ „Mit einer verletzten Wirbelsäule?“ „Das ist mir egal.“ „Was ist das denn für eine Aussage? Ich kann auch nicht einfach sagen 'Ist mir egal, dass das Bein gebrochen ist. Ich laufe trotzdem weiter'.“ Im Kampf darum, wer als erster nachgab, starrten sich die beiden Dickköpfe an. „Komm, ruh' dich eine Weile aus und dann gehen wir weiter“, sagte Harry schließlich und lehnte sich wieder an die Wand. „Ich muss mich nicht ausruhen.“ „Dann können wir ja gleich weiter“, sagte der Gryffindor und stand auf. Mit hochgezogener Augenbraue sah Snape zu ihm hoch. „Du kannst dich doch kaum selbst auf den Beinen halten. Wie willst du mich dann noch mitschleppen?“ „Hör auf zu jammern und komm hoch“, verdrehte Harry die Augen und versuchte Snape auf die Beine zu helfen. Etwas sehr umständlich hievten sie sich hoch und letztendlich stand der Slytherin auf seinem gesunden Bein, eine Hand an der Wand und den anderen Arm um Harrys Schultern. „Potter, das kann nicht dein Ernst sein“, knurrte Severus weiter. „Wenn du dich bei dem Fieber anstrengst, stirbst du noch früher, das kann ich nicht zulassen.“ „Mir passt aber die Alternative nicht!“, wurde Harry langsam wütend. „Wenn ich die Wahl habe, dich hier zu lassen und alleine noch etwas länger zu leben oder dich mitzunehmen und dein Leben zum Preis von meiner Lebensdauer zu verlängern, dann brauche ich nicht lange nachdenken!“ Stille trat ein. Völlig verständnislos sah Severus ihn an und suchte irgendetwas in seinen Augen. Zuerst wusste Harry nicht, ob es nach den letzten Ereignissen eine gute Idee war, aber dann beugte er sich vor und küsste den anderen. „Kapierst du es endlich?“, sah er Snape ernst in die Augen. „Ich lasse dich hier auf keinen Fall zurück. Ich habe dich einmal sterben sehen und ich lasse nicht zu, dass das nochmal passiert.“ Severus schluckte und war nun völlig verwirrt. Harry wusste allerdings nicht, wie er noch deutlicher werden konnte und so seufzte er auf und machte vorsichtig die ersten Schritte. Mithilfe der Wand auf der anderen Seite hielt sich der Slytherin sogar recht gut, auch wenn er schmerzhaft aufzischte und Harry wurde sofort klar, dass er zu viel Druck auf seine Rippen ausübte. Der Gryffindor musste außerdem zugeben, dass die Stelle, wo die Entzündung war, nach wenigen Metern anfing zu pochen, aber das war ihm egal. Er probierte einige Griffe aus, bis er feststellte, dass er Severus wohl am wenigsten Schmerzen bereitete, wenn er versuchte, sein Gewicht auf Höhe der Hüfte zu tragen. Langsam kamen sie voran. „Wenn hier wenigstens Stöcker oder so etwas herumliegen würden“, murmelte der Slytherin. „Dann könnte ich mir daraus was zurechtbasteln. Wir sind lange nicht mehr auf menschliche Skelette gestoßen. Entweder wird man in dem Teil des Labyrinths mit Haut und Haaren gefressen, oder keiner hat es bis hierher geschafft.“ „Vielleicht treffen wir noch auf irgendwelche Wesen, die wir erledigen können. Dann kann man ihre Knochen benutzen“, überlegte der Gryffindor. „Einem Wesen mit so großen Knochen will ich nicht begegnen“, entgegnete der Tränkemeister. Augen verdrehend antwortete Harry: „Man kann die doch größer zaubern.“ „Nachdem sie tot sind versteht sich.“ „Natürlich“, seufzte der Grünäugige auf. Wie konnte die Situation nur wieder so grotesk werden? Harry erkannte sich nicht einmal selbst wieder. Schon verrückt, was so eine aussichtslose Situation aus einem Menschen machte. Langsam fragte der Gryffindor sich, warum sie überhaupt noch weiterliefen. Snape hatte Recht, er würde nicht mehr lange leben und inzwischen glaubte er nicht mehr daran, dass sie den Ausgang fanden. Und dennoch brachte er es nicht über sich einfach stehenzubleiben. Vielleicht weil er wollte, dass der andere überlebte. Nach einer Weile blieben sie stehen, um kurz Luft zu schnappen. Das Ganze war anstrengender, als Harry es sich vorgestellt hatte. Snape reichte ihm die Wasserflasche und gierig stürzte der Gryffindor das kühle Nass hinunter. Wirklich helfen tat das jedoch nicht. Ihm war immer noch schwindelig. Wieder einmal spürte er Severus' Hand auf seiner Stirn. „Du musst dich ausruhen“, legte dieser fest, doch Harry schüttelte den Kopf. „Ich kann noch ein Stückchen.“ „Potter, sieh mich an.“ Er sah auf zum Slytherin und blinzelte mehrmals, doch seine Sicht blieb weiterhin verschwommen. „Setz dich hin. Nur für eine Weile.“ Zögerlich gab Harry nach, half dem anderen sich hinzusetzen und setzte sich daneben. Erschöpft lehnte er den Kopf an die Wand. „Was glaubst du, wie lange sind wir jetzt hier?“ Überlegend schüttelte Severus den Kopf. „Keine Ahnung. Wochen? Monate? Ich weiß nicht einmal mehr, wie lange du das Fieber jetzt schon hast.“ „Nach dem Nebel...“, überlegte auch Harry. „Oder?“ „Und wie lange ist der Nebel her?“, zog Snape fragend eine Augenbraue hoch. Die Achseln zuckend gab Harry es auf. Hermine würde einen Weg finden, wie man sich zeitlich orientieren könnte. Sie hatte ihm auch alle Tricks beigebracht, die er im Labyrinth gebraucht hatte. Was sie jetzt wohl gerade machte? Harrys Gedanken schweiften zu Hogwarts ab und bald war er eingeschlafen. Vorsichtig nahm Snape ihm den Zauberstab ab und legte wieder seinen Mantel über den anderen. Potter war so ein Sturkopf. Wie hatte er es sich vorgestellt, wenn sie wieder auf Feinde trafen? Wobei, vielleicht war das gar keine so schlechte Idee. Besser zerfleischt werden, als herumzusitzen und zu verdursten. Warum hatte Harry ihn nicht zurücklassen wollen? Es ergab einfach alles keinen Sinn. Und dennoch, er musste zugeben, dass ihm das ein warmes Gefühl in der Brust bescherte.   Nach extrem verwirrenden Träumen und einer langen Halbschlafphase, erwachte Harry endlich. Er streckte und bewegte sich ein wenig, in der Hoffnung so die Steifheit aus seinen Gliedern zu vertreiben. Severus sah ihm dabei mit einem undefinierbarem Blick zu. „Warum hast du mich nicht geweckt?“, beschwerte der Gryffindor sich, erhielt aber nur eine hochgezogene Augenbraue als Antwort. „Leg du dich jetzt eine Runde hin.“ „Nicht nötig“, winkte der Slytherin ab und machte Anstalten aufzustehen. Fast hätte er es sogar geschafft, doch auf dem letzten Stück brauchte er Harrys Hilfe. Den einen Arm um Severus' Hüfte schlingend, marschierte Harry wieder los. Sofort zog es unangenehm den Rücken runter in die Oberschenkel, aber der Gryffindor biss einfach die Zähne zusammen. Immer wieder mussten sie stehen bleiben, doch Harry weigerte sich längere Pausen zu machen, aus Angst, er würde wieder einschlafen. Irgendwann jedoch blieb Severus stehen und Harry sah ihn verwundert an. Sein Blick war nach vorne gerichtet, als wäre er ein Fuchs, der etwas gewittert hatte. „Was ist?“, fragte der Gryffindor leise. „Ein merkwürdiges Geräusch“, murmelte der Slytherin. Nach einigen Sekunden fragte Harry wieder: „Kommt es näher?“ Abwesend schüttelte Severus den Kopf. „Das ist kein Tier...“ Langsam und so leise wie möglich gingen sie weiter. Dann, nach einer Weile, hörte Harry ein Tropfen. Sie gingen noch ein Stück weiter und blieben dann stehen. Vor ihnen lag eine Höhle mit einem unterirdischen See. Die schwarze Wasseroberfläche war ganz ruhig und das Licht des Zauberstabes spiegelte sich darauf. Am Rand des Sees war nur ein ganz schmaler Pfad, der an der Wand längs zur anderen Seite führte, wo der Tunnel weiter verlief. Vorsichtig ließ Harry den anderen los. „Ich fülle eben die Wasserflaschen auf.“ „Nein“, zischte Snape und packte Harry am Arm. „Das Wasser gurgelt.“ Angestrengt lauschte der Gryffindor, konnte aber nichts als das Tropfen hören. „Ich höre nichts.“ „Ganz tief unten im Wasser“, flüsterte der Tränkemeister. „Irgendetwas ist dort unten. Berühre auf keinen Fall die Oberfläche.“ Mit einem seltsamen Gefühl sah Harry zu dem Pfad. Wenn in dem See wirklich etwas lauerte, dann konnten sie nicht einfach gefahrlos am Rand entlanggehen. So einfach hätten es ihnen die Gründer nicht gemacht. „Was schlägst du vor was wir tun sollen?“, flüsterte Harry Severus zu. Dieser ließ seinen Blick durch die Höhle schweifen. „Wir könnten es mit einem Schwebezauber versuchen, aber der ist mit Sicherheit genauso riskant, wie wenn wir an der Kante entlanglaufen.“ „Aber geht das überhaupt mit deinem Bein? Der Weg ist so schmal.“ „Du kannst mich immer noch hier lassen.“ „Vergiss es!“ Stur ging Harry auf den Pfad zu und setzte vorsichtig einen Fuß darauf. Das Wasser blieb ruhig und vielleicht reichte der Pfad doch aus. Er holte Severus zu sich. „Mit dem linken Bein voran“, erklärte Harry ruhig. „Stütz dich an meiner Schulter ab.“ Mit dem einen Arm um Severus' Hüfte, lief Harry seitlich los. Der Pfad wäre gerade noch breit genug gewesen, um gerade zu laufen, aber dann hätte er den Tränkemeister nicht mit herüber bekommen. Es war nicht leicht für den Slytherin, aber sie kamen voran. Als sie bereits die Hälfte hinter sich hatten, fühlte Harry sich sicherer, doch nach dreiviertel der Strecke hörte auch er ein Gurgeln. Nervös sah er zum Wasser, das weiterhin ruhig wirkte. Was war das nur? Irgendetwas schwarzes hatte sich unter der Oberfläche bewegt. Der Grünäugige schluckte und versuchte unbeirrt weiterzulaufen. „So langsam glaube ich zu wissen, was da drin ist“, flüsterte Severus. „Und was?“ „Willst du das wirklich wissen?“ Wieder schluckte der Gryffindor und versuchte nicht weiter nachzudenken. Plötzlich schoss eine knochige Hand aus dem Wasser und packte Harrys Bein. Bevor er reagieren konnte, zog die Hand ihn nach vorne und er verlor das Gleichgewicht. Das Wasser war eiskalt. Um ihn erschienen Hände, die im Dunkeln nach ihm griffen und ihn in Panik versetzten. Das Licht des Zauberstabs brach nur schwach durch die Wasseroberfläche und Harry brauchte eine Weile, um die Kreaturen zu erkennen. Menschenartige Gestalten, halb skelettiert, halb verfault. Inferi. Panisch schlug Harry um sich, doch da waren so viele. Neben ihm wirbelte das Wasser auf und er erkannte, dass Severus ebenfalls im Wasser gelandet war. Nein, das durfte er nicht zulassen! Er kämpfte sich an die Wasseroberfläche und schnappte hektisch nach Luft, trat nach den Inferi unter sich und versuchte so zu verhindern, dass sie ihn wieder hinunterzogen. „Harry!“, rief Severus neben ihm, der sich an der Kante festklammerte und nach Harry leuchtete. Er streckte einen Arm aus und zog den Gryffindor zu sich. Einige Inferi kamen an die Oberfläche und griffen wieder nach ihnen. Severus hetzte ihnen Flüche auf den Hals, hatte aber hauptsächlich mit denen unter der Oberfläche zu kämpfen. „Zieh dich hoch! Los!“, brüllte er Harry Anweisungen zu. Dieser stemmte sich hoch und setzte sich auf den Pfad. Sogleich griff er nach dem Slytherin, damit er nicht in die Tiefe gezogen wurde. Der Tränkemeister schwenkte den Zauberstab und auf dem Wasser bildete sich eine Feuerwand. Harry musste die Augen kurz zukneifen, da er ein solch helles Licht nicht mehr gewohnt war. Sofort tauchten die Inferi wieder unter und Severus hievte sich ebenfalls schnell auf den Pfad. Er schoss weitere Zauber ins Wasser. „Schnell, hoch!“ Harry beeilte sich aufzustehen und zog den anderen mit sich. Als sie beide wieder standen, ließ Severus die Feuerwand breiter werden und kleinere Flammen krochen bis zum Ufer, so dass die Hände, die noch eben nach ihnen gegriffen hatten, wieder untertauchten. „Ich halte sie in Schach“, erklärte Snape konzentriert und Harry bemühte sich, sie beide Richtung Ausgang zu schaffen. Den freien Arm hielt Harry sich dabei ans Gesicht, da das Feuer eine unglaubliche Hitze ausstrahlte. Die Inferi waren wütend, dass sie nicht durch die Feuerwand kamen und versuchten auch über den Pfad an die beiden Zauberer zu gelangen, doch Severus zwang sie mit den züngelnden Flammen immer wieder ins Wasser zurück. Inzwischen tummelten sich auf der gesamten Wasseroberfläche lauter Gestalten, dessen scheußliches Geröchel das Prasseln des Feuers übertönte. Verbissen lief Harry immer weiter, obwohl er kaum etwas sehen konnte und konzentrierte sich am meisten darauf, den anderen nicht loszulassen. Endlich hatten sie den Tunnel erreicht und der Slytherin schirmte ihn mit den Flammen komplett vom See ab. Dann zuckte er mehrmals mit dem Zauberstab und die Wände bröckelten. Ein lautes Krachen war zu hören und Gestein versperrte den gesamten Tunnel. Dann war Ruhe. Keuchend standen die beiden kurz in der Dunkelheit, ehe Severus Lumos verwendete. Harry war fassungslos. Sie hatten es geschafft. Sie waren ernsthaft einer ganzen Meute Inferi entkommen. Das Adrenalin strömte durch Harrys Adern und ließ ihn für kurze Zeit seine Schmerzen vergessen. Langsam sah er zu Severus, der ihn ebenso musterte. „Alles noch dran?“, fragte dieser außer Atem und erhielt ein Nicken vom Gryffindor. Dieser allerdings schlotterte am ganzen Körper und sofort zauberte Severus seine Klamotten trocken. Er strich dem Grünäugigen durch die Haare, während er auch diese trocknen ließ und hielt dann inne. Eine Weile sahen sie sich nur an. Harry sah, dass es dem Slytherin gerade genauso ging wie ihm und seine Mundwinkel zuckten kurz. Fasziniert ließ Severus seine Hand zu Harrys Kinn herunterwandern, beugte sich dann vor und küsste den Gryffindor leidenschaftlich. Genießerisch schloss Harry die Augen und gab sich dem Kuss hin, auch wenn er überrascht war. Das Adrenalin machte das ganze noch viel intensiver und Harry spürte, dass dem Slytherin ebenso die Luft weg blieb wie ihm. Das Kribbeln im Bauch wurde übermächtig und Harry zog den anderen dichter an sich heran. Sein Herz überschlug sich regelrecht, verlangte nach mehr und kurzerhand brachte er seine Zunge zum Einsatz. Bereitwillig öffnete Severus seinen Mund und empfing Harry mit seiner eigenen Zunge. Ein erregendes Ziehen schoss von Harrys Bauch hinunter in die Leistengegend, sodass er unwillkürlich aufkeuchen musste. Unglaublich. Severus war einfach nur unglaublich. Dieser Moment sollte am liebsten niemals vergehen. Ganz langsam beendete Severus den Kuss, ließ aber die Augen geschlossen und lehnte seine Stirn an die von Harry. Noch immer schnappten sie nach Luft und genossen für einen Moment die Ruhe und die Nähe des anderen. Ein ungläubiges Lächeln huschte Harry über das Gesicht, als ihm klar wurde, was gerade passiert war. Dieses mal hatte Severus keine Ausrede für den Kuss und schien auch keine zu suchen. „Dein Schutzengel ist wirklich unglaublich“, keuchte der Slytherin atemlos auf und Harry grinste. „Und er beschützt dich noch sogar mit.“ Der Tränkemeister lehnte sich wieder zurück und musterte den jüngeren. „Trotzdem solltest du dir eine Pause gönnen.“ „Nein, ich will diesen Energieschub noch ausnutzen“, schüttelte Harry entschieden den Kopf. Kurz überlegend willigte Severus ein. „Aber sobald du müde wirst, machen wir Pause.“ „Seit wann packst du mich so in Watte?“, runzelte Harry grummelnd die Stirn. „Ich schaffe das schon.“ „Du bist gerade mit hohem Fieber im eiskalten Wasser baden gegangen.“ „Schlimmer kann es doch eh nicht mehr werden. Aber du solltest dich auch noch trocknen, bevor du krank wirst.“ Etwas unverständliches murmelnd, trocknete Severus seine Sachen und die Haare, ehe er den Zauberstab an Harry weiterreichte und so machten sie sich wieder auf den Weg. „Zumindest weiß ich jetzt, warum es hieß, dass die Gründer die Reinheit ihrer Seele aufs Spiel gesetzt hatten“, sagte der Slytherin. „Hm?“ „Man muss sehr tief in die schwarze Magie eintauchen, um Inferi zu erschaffen. Abgesehen davon, dass es moralisch absolut verwerflich ist.“ „Wo sie wohl die ganzen Leichen her haben...“, überlegte Harry leise. „Es gab damals sicherlich genug Krankheiten, die die Menschen scharenweise dahingerafft haben.“ Der Gryffindor erschauderte bei seinen Gedanken und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Der Energieschub war schneller vorbei, als Harry sich erhofft hatte und sein gesamter Körper war wieder von Schmerzen und Erschöpfung durchzogen. Er schleppte sich und den Tränkemeister so gut weiter, wie es ging, bis dieser sich irgendwann beschwerte. „Verdammt Potter, so fliegen wir beide noch auf die Schnauze!“, keifte er, als der Gryffindor stolperte und Severus ihn auffangen musste, während er sich an die Wand klammerte. „Setz dich hin und mache endlich eine Pause!“ Großen Widerstand leistete Harry nicht, denn er bekam eh nicht mehr viel mit. Er setzte sich an die Wand und sah den Tunnel entlang. Besorgt hockte der Slytherin neben ihm und zog seinen Mantel aus. Während er den Mantel über den Gryffindor warf, fragte dieser: „Sind die gefährlich?“ „Wer?“, hob Severus eine Augenbraue. „Na die“, deutete Harry nach vorne, doch da war nichts zu sehen. Sanft drehte der Tränkemeister Harrys Gesicht zu sich, um ihn anzusehen. Dieser sah mit glasigen Augen und verschwommenem Blick zurück. Halluzinierte er jetzt schon? „Leg dich hin“, murmelte Severus und nach einigem Zögern machte Harry sich lang. Er zog den Mantel bis zum Kinn hoch und legte dann seinen Kopf auf Severus' gesundes Bein. Völlig perplex und erstarrt sah der zum Gryffindor hinunter, der nun unter Schüttelfrost die Beine anzog und die Augen schloss. Severus schluckte. Das konnte doch jetzt nicht sein ernst sein! Dennoch wollte er ihn nicht fortjagen, denn es ging ihm eindeutig dreckig. Zögerlich legte er seine Hand auf Harrys Stirn, welcher bei der angenehm kühlen Hand aufseufzte. Also wollte er jetzt wirklich so liegen bleiben? Resigniert seufzend lehnte Severus sich zurück und ergab sich seinem Schicksal. Harry zitterte immer wieder mal zeitweise und schlief sehr unruhig. Sanft strich der Slytherin ihm die Haare aus der Stirn und da das zu helfen schien, streichelte er so den Gryffindor eine Weile, während er ihn beobachtete. Wenn Harry wirklich schon halluzinierte, dann mussten sie schleunigst den Ausgang finden.   „Komm Potter, hoch mit dir.“ „Jaja“, kam die schwache Antwort vom Gryffindor, der dennoch sitzen blieb und die Augen nur halb offen hielt. Severus hatte es indes geschafft aufzustehen und sah nun zu Harry hinab. Nachdem Harry geschlafen hatte, hatte er es sogar geschafft noch einmal Wache zu halten, da Snape wieder kaum Schlaf abbekam. Dennoch fühlte sich der Grünäugige unglaublich schwach. „Lass mich hier“, grummelte er schließlich. „Erstens: Nein! Und zweitens kann ich ohne deine Hilfe sowieso nicht laufen. Jetzt komm!“ Der Tränkemeister konnte verstehen, dass Harry zu leiden hatte, aber so schlecht wie es dem Gryffindor ging, hatte er Angst um ihn. Sie mussten so schnell wie möglich weiter. „Du kannst meinen Mantel nehmen. Daraus kriegst du bestimmt irgendeine Stütze gezaubert“, schlug Harry matt vor und wollte sich tatsächlich den Mantel ausziehen. „Vergiss es!“, zischte der Slytherin. „Jetzt komm, steh auf.“ Wollte oder konnte Harry nicht mehr aufstehen? Er hielt dem Gryffindor seine Hand hin, um ihm aufzuhelfen, woraufhin dieser ihn grübelnd ansah. Dann fragte Harry: „Wie kannst du jetzt noch so motiviert sein?“ „Würde es helfen, wenn ich mich grummelnd neben dich setzen würde?“, zog Severus belustigt eine Augenbraue hoch und betonte dann: „Außerdem bekomme ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich dich hier zurücklasse.“ Harry verstand den Wink zu seinen eigenen Worten und musste schmunzeln. Dann griff er nach Severus' Hand und stand wackelig auf. Einen Moment stützte er sich an der Wand ab, um den Schwindel loszuwerden und dann gingen sie los. Severus versuchte so wenig wie möglich eine Last zu sein, doch wirklich viel ändern konnte er nicht. Harry versuchte so gut wie möglich seine Rippen zu schonen, dennoch schmerzte ihr Vorankommen mit jedem weiteren Schritt, doch Severus verbat sich jetzt schwach zu werden. Immer wieder hielt er mal an, stützte sich an der Wand ab und gab Harry dann ein wenig Halt, welcher schon nach einigen Metern angefangen hatte zu keuchen. War das also ihr Ende? Würden sie sich noch einen halben Tag herumschleppen und dann zusammenbrechen? Immerhin hatten sie sich sehr lange halten können... ein schwacher Trost. „Severus?“, murmelte Harry gerade bei einem erneuten Stopp an die Brust des anderen gelehnt. „Hm?“ „Wir haben nichts mehr zu essen, oder?“ „Nein. Das ist durch den See verdorben worden“, schüttelte der Slytherin den Kopf. „Aber hier. Trink mal was.“ Zitternd griff Harry nach der Flasche und trank einen Schluck. Viel war da allerdings auch nicht mehr drin. „Wir müssen Wasser finden“, stellte der Gryffindor fest und sah den Tunnel hinunter. „Du kannst nichts hören?“ Wieder schüttelte Severus den Kopf. „Wir werden schon auf etwas stoßen.“ „Seit wann bist du so positiv eingestellt?“ „Irgendwie muss ich deine Einstellung doch ersetzen.“ Ein Schmunzeln huschte über Harrys Gesicht und er sammelte seine Kräfte noch einmal. „Wir können weiter.“ Und so schleppten sie sich Stunde um Stunde voran. Langsam schwand auch Severus' letzte Hoffnung, doch er wollte nicht stehen bleiben, obwohl seine gebrochenen Knochen ihn langsam in den Wahnsinn trieben. Er wollte einfach nicht, dass Harry ihm unter den Händen wegstarb. Sie machten ihre nächste Rast und Harry hatte es sich wieder auf Snapes Oberschenkel bequem gemacht. Dieses Mal half es jedoch nicht mehr, ihm durch die Haare zu streichen, um ihn ruhig zu halten. Ständig lag der Gryffindor im Halbschlaf, fror und schwitzte abwechselnd und redete wirres Zeug, während er scheinbar irgendetwas im Tunnel zu sehen glaubte. Einmal war er sogar hochgeschreckt und dachte etwas würde sie angreifen. Der Slytherin hatte große Mühe damit, den anderen wieder zu beruhigen und war erleichtert, als er endlich weiterschlief. Nach dieser sehr unruhigen Pause wollte Harry den anderen schlafen lassen, doch Severus dachte gar nicht daran. Er war zwar hundemüde, aber er verzichtete auf seine Ruhe und versuchte dafür lieber mit Harry voranzukommen. Dieser allerdings stand schon eine Weile an die Wand gelehnt und wurde den Schwindel einfach nicht los. „Harry, sieh mich an“, sagte Severus schließlich und die grünen Augen waren zu ihm gewandt. „Renervate.“ Kurz blinzelte der Gryffindor, ehe er verwundert zum anderen sah. „War das...?“ „Ein Stärkungszauber. Geht es dir besser?“ Ein Nicken kam als Antwort und Harry wollte weiter. Das Fieber war damit zwar nicht gesenkt, aber der Gryffindor fühlte sich klarer im Kopf. So hielt er sogar eine ganze Weile durch und bot dem Slytherin auch wieder einen Gesprächspartner. Gleichzeitig sah er nun auch, wofür ihn das Fieber vorher blind gemacht hatte: Severus ging es alles andere als gut. Bei weitem nicht jeder Zwischenstopp war nur wegen Harry nötig, denn auch der Slytherin lehnte sich immer häufiger an die Wand, um zu verschnaufen. Dabei verzog er jedes Mal das Gesicht vor Schmerz und er unterdrückte tapfer jegliches Husten. Harry wusste, dass er dem anderen beim Laufen Schmerzen bereitete und verfluchte sich dafür innerlich selbst. Am liebsten würde er Severus mit einem Schwebezauber belegen, aber das traute sich der Gryffindor in seinem Zustand nicht mehr zu. Schließlich quälte auch er sich irgendwann wieder nur voran und sie waren gezwungen die nächste Pause einzulegen. Erschöpft lehnte Harry seinen Kopf an Severus' Schulter, der erneut versuchte, einen Hustanfall möglichst gering zu halten. Trotz verschleiertem Blick entging Harry nicht das Blut, dass Severus sich unauffällig von der Lippe wischte. Alarmiert sah Harry auf. Viel schwächer, als er es eigentlich hatte sagen wollen, stellte er fest: „Deine Lunge ist verletzt, nicht wahr?“ Severus sah überrascht zu ihm. Offenbar hatte er Harry so eine Auffassungsgabe nicht mehr zugetraut. „Ich atme noch, also ist alles in Ordnung.“ Zu schwach, um sich über diese gelassene Antwort aufregen zu können, lehnte Harry seinen Kopf wieder an, schloss die Augen und murmelte: „Idiot. Da hustest du Blut und willst mir immer noch weiß machen, dass es dir gut geht. Für wie blöd hältst du mich eigentlich?“ „Ich halte dich für schlau genug, um zu wissen, dass du nichts daran ändern kannst“, antwortete Severus schlicht. „Mit einem Kompliment ausweichen, sehr schlau“, erwiderte Harry leise und kurz zeigte sich sogar ein Schmunzeln auf seinen Lippen, ehe er wieder ernst wurde. „Es tut mir Leid. Das ist alles meine Schuld.“ „Wie gesagt, du kannst es nicht ändern.“ „Leider“, seufzte Harry, öffnete wieder die Augen und ließ seinen Blick gedankenverloren umherwandern. „Würdest du mir von Mum erzählen? Etwas, was du mir noch nicht gezeigt hast?“ Skeptisch warf Severus dem anderen einen kurzen Blick zu, welcher mit großen, glasigen Augen zurücksah. „Bitte“, hauchte Harry und klang dabei, als ob er bereits im Sterben liegen würde. Severus schluckte. Er wusste, dass jede Rast nun die letzte für Harry sein könnte. Wie sollte er ihm dann so einen Wunsch ausschlagen? Zögerlich sah er auf seine Hände und dachte nach, ehe er mit vor Durst geschwächter Stimme erzählte: „Ich hatte Lily erzählt, dass ich es leid war, dass zu meinem Geburtstag immer Schnee lag. An sich habe ich nichts gegen den Winter, aber ich habe die, die im Sommer feiern konnten, immer beneidet. Im dritten Schuljahr dann hat mich Lily an meinem Geburtstag nach draußen gelotst, zu einer versteckten Ecke am See. Sie hatte dort einen ziemlich komplizierten Zauber ausgeführt, der den Schnee geschmolzen und die Blumen hatte blühen lassen. Sogar Schmetterlinge hatte sie heraufbeschworen. Auf dem Gras lag eine Picknickdecke voller Köstlichkeiten, die sie auch noch alle reich verziert hatte.“ So in Erinnerungen vertieft, schmunzelte Severus. „Sie hatte den Schmetterlingen sogar meine Lieblingsfarbe verpasst, was letztendlich ein bisschen komisch aussah.“ „Welche Farbe ist es denn?“, fragte Harry schwach. „Grün.“ Harry schmunzelte. „Typisch Slytherin.“ „Hm“, brummte Severus nur als Antwort und schien tief in Gedanken zu sein. „Lily hat sich immer ausgefallene Geburtstagsgeschenke ausgedacht. Sie wollte, dass jedes Geschenk eine persönliche Note hat. Meistens waren sie mit schweren Zaubern verbunden, für die selbst sie, wo sie doch so begabt war, Monate für üben musste.“ Eine kurze Stille entstand, in der jeder in seine eigenen Gedanken vertieft war. Schließlich murmelte Harry: „Ich habe mich oft gefragt, wie meine Geburtstage ausgesehen hätten, wenn meine Eltern noch leben würden. Besonders weil die Dursleys jedes Jahr so gut wie möglich versucht haben, ihn zu ignorieren.“ „Hätte, würde, könnte“, erwiderte Severus, ruderte dann jedoch zurück, als er merkte, dass er nicht so schroff reagieren sollte. „Glaube mir, Geburtstagsfeiern sind nicht immer so toll wie man denkt. Ich für meinen Teil verzichte gerne auf sowas.“ Der Gryffindor verdrehte kurz die Augen, ehe er den anderen leicht anschmunzelte. „Diese Antwort ist so typisch für dich“, amüsierte Harry sich leise. Eine Augenbraue hebend, sah Severus zurück und sagte trocken: „Ach, ist sie?“ „Hmh“, nickte Harry, ehe sein Blick liebevoller wurde. Sanft strich er Severus die Haare hinters Ohr, ehe er sein Gesicht am Kinn weiter zu sich drehte. Der Slytherin wusste nicht so ganz, was er von der Geste halten sollte, doch das ignorierte Harry vollkommen und gab dem anderen schließlich einen langsamen, sanften Kuss. Fragend wurde er danach von Severus angesehen, doch Harry wusste, dass er dem anderen nur einen Moment Zeit geben musste, um seine Bedenken beiseite räumen zu können. Also verharrte Harry nur wenige Zentimeter von Severus' Gesicht entfernt und als er den anderen schlucken hörte, beugte er sich erneut für einen Kuss vor. Zögerlich ließ Severus sich darauf ein, ehe er endlich das Grübeln einstellte und sich in den Kuss fallen ließ. Kapitel 43: Das Licht am Ende des Tunnels ----------------------------------------- Zwei weitere Tage vergingen und Severus wunderte sich, dass Harry noch lebte. Er war bereits mehrere Male zusammengeklappt, sodass Severus ihn hatte auffangen müssen und nach jeder Rast fiel es Harry schwerer wieder aufzustehen. Nicht mehr lange und er würde einfach liegen bleiben. Jedes Mal, wenn Harry im Schlaf ruhiger wurde, bekam der Tränkemeister einen Schreck und kontrollierte den Puls, der sowieso viel zu schnell ging. Gerade strich der Slytherin dem anderen beruhigend durchs Haar, damit dieser etwas Schlaf fand, als Harry mit schwacher Stimme fragte: „Severus?“ „Hm?“, antwortete dieser ebenso leise. „Hast du... Denkst du auch so oft an Hogwarts wie ich?“, flüsterte Harry ohne seinen Blick zu heben und klang dabei, als wäre er weit weg mit seinen Gedanken. Ohne die Streicheleinheiten zu beenden, seufzte Severus auf und auch sein Blick wirkte, als würde er vor seinem inneren Auge das Schloss betrachten. „Schon möglich.“ „Der Gryffindor-, Eulen- und der Astronomieturm, wie sie sich dem Himmel entgegen strecken“, murmelte Harry sehnsuchtsvoll. „Das warme Licht hinter den Fenstern, das nachts dem gesamten Schloss einen magischen Glanz verleiht. Die Geborgenheit und Wärme, die dieses Licht verspricht. Der See, der bei Mondschein so geheimnisvoll glitzert. Der Wald, der vor sich hin flüstert und einen magisch anzieht und zugleich einen Schauer über den Rücken wandern lässt. Die schier endlos hohe Decke der Großen Halle, ihr Glanz, wenn zu Halloween die Kürbisse ihr Licht spenden und die Fledermäuse ihre Schatten werfen. Und der Duft von Tanne und Zimt, wenn es auf Weihnachten zugeht.“ Stumm lauschte Severus Harrys Erzählungen und tauchte so sehr in sie ein, dass er gar nicht bemerkte, wie seine Hand immer langsamer über Harrys Haar strich. Er konnte es sehen, es spüren. Er wusste ganz genau, wovon Harry da sprach und verspürte dabei die gleiche Sehnsucht wie der Gryffindor. Sanft hauchte Harry: „Wie gerne würde ich es noch einmal sehen. Hogwarts ist mein Zuhause.“ Seufzend schloss Severus kurz die Augen und schluckte dann den Kloß in seinem Hals hinunter. „Meines auch“, flüsterte er kraftlos. „Du wirst es wiedersehen“, bestimmte Harry und schloss erschöpft die Augen. „Das verspreche ich dir.“ „Dann wirst du es auch wiedersehen“, antwortete der Slytherin und ein sanftes Lächeln huschte auf Harrys Lippen. Langsam drehte er seinen Kopf und sah zu Severus hoch. Seine Augen verrieten, wie schwach er inzwischen war. Doch trotz der Kraftlosigkeit, lag in ihnen ein letzter Funken von Leben, den Severus sich nicht erklären konnte. Mit absoluter Überzeugung sprach Harry: „Ich bezweifle, dass ich es noch einmal betreten werde. Aber keine Sorge, ich werde dafür sorgen, dass du dorthin zurückkehren kannst. Dafür bringe ich noch genug Kraft auf.“ Severus' Augen weiteten sich, während er in diese unglaublich grünen Augen sah, dessen letzter Funken nur ihm galt. Nur für ihn machte Harry weiter. Nur weil er Severus retten wollte, kämpfte er weiterhin gegen den nahenden Tod. Fassungslos schüttelte Severus den Kopf und brauste auf: „Das lässt du schön bleiben. Du hältst das hier gefälligst genauso durch wie ich!“ Weiterhin seelenruhig lächelnd erwiderte der Gryffindor: „Wir wissen doch beide ganz genau, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Es ist okay, solange ich mit der Gewissheit gehe, dass du in Sicherheit bist.“ Erneut musste der Slytherin schwer schlucken, während er in Harrys Augen sah. Da war kein Zweifel, keine Angst. Harry hatte sein Schicksal bereits akzeptiert. Severus' Eingeweide zogen sich zusammen und Harry griff beruhigend nach seiner zittrigen Hand. „Es ist okay, wirklich“, hauchte er erneut, bevor ihn die Kraftlosigkeit wieder übermannte und er langsam die Augen schloss, um ein wenig zu schlafen. Verzweifelt lehnte Severus sich zurück und sah zur Decke. Das konnte doch nicht Harrys Ernst sein! Wie konnte er einfach so akzeptieren, dass er sterben würde? Er durfte nicht sterben! Sie brauchten jetzt dringend ein Wunder, aber Harrys Schutzengel schien schon damit beschäftigt zu sein, ihnen alle Kreaturen aus dem Weg zu räumen. Severus presste die Lippen aufeinander und begann gedanklich zu beten. Das letzte mal hatte er das getan, als Lily gestorben war.   Severus hatte so einen Durst, aber die letzten Tropfen aus der Flasche hatte er Harry überlassen. Und obwohl es ihm wichtig war voranzukommen, grauste es ihm davor, Harry wieder zum Aufstehen bewegen zu müssen. Er hatte Angst vor dem Moment, an dem Harry einfach nicht mehr reagieren würde. Was sollte er dann tun? Das konnte jederzeit passieren und er könnte den Gryffindor niemals zurücklassen. Er würde hier sitzen bleiben, bei ihm bleiben, bis Harry seinen letzten Atemzug machen würde... und so geschwächt wie Severus war, würde er ihm sicherlich bald folgen. Der Blutgeschmack in seinem Mund verschwand inzwischen gar nicht mehr und bei jedem Hustanfall zerriss es ihm die Lunge. Eines stand also fest, er hatte auch nicht mehr lange zu leben. Sie würden gemeinsam sterben. Ein schwaches, witzloses Auflachen entwich Severus' Kehle. Er hatte sich geschworen Harry mit seinem Leben zu beschützen und nun sollte dieser ihm in seinen Armen sterben, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Damit hatte er auf ganzer Linie versagt. Da war es das mindeste, dass er ebenfalls sein Leben aushauchte. Ja, sein Entschluss stand fest. Wenn Harry ging, dann ging er mit ihm. Bald quälten sie sich weiter und Severus musste erneut Renervate benutzen, um Harry bei Verstand zu halten. Ewig würde er diesen Zauber jedoch nicht anwenden können. Zusätzlich legte er Harry sein Medaillon um, in der Hoffnung, dass ihm das ein wenig helfen würde. Er spürte sofort, wie seine eigenen Schmerzen sich rapide verstärkten, aber das war ihm egal. Wenn es Harry dabei half zu überleben, nahm er jeden Schmerz in Kauf. Dennoch konnte er nicht verhindern, sich nach dem Ablegen der Kette ächzend an die Wand zu lehnen und vor sich hinzufluchen. Das sorgte wiederum für einen Hustanfall, der ihn fast in die Knie zwang. Obwohl Harry sich selbst kaum noch auf den Beinen halten konnte, legte er Severus sofort den Arm um die Hüfte und stützte ihn so gut er konnte. Zittrig lehnte Severus seine Stirn gegen seine Hand an der Wand und versuchte, so ruhig wie möglich Luft zu bekommen, während der Schmerz sein Denken für einen Moment vollkommen lahmlegte. Etwas benommen nahm er wahr, wie Harry ihm mit einem Stück Stoff das Blut wegwischte. „Es tut mir Leid.“ „Lass das, das hilft uns auch nicht weiter“, erwiderte Severus erneut kratzig und wollte sich Harry zuwenden, damit sie weitergehen konnten. Doch statt sich ebenfalls wieder dem Weg zuzuwenden, trat Harry dichter an den Slytherin heran, strich ihm durchs Haar und zog ihn sanft an sich. Noch immer etwas betäubt von der ungewohnten Schmerzwelle, ließ Severus es zu und lehnte seine Stirn an Harrys Schulter, ließ zu, dass Harry ihm einen Moment lang Halt gab. „Halte noch ein bisschen länger durch, bitte“, hauchte Harry leise und setzte dem Slytherin einen federleichten Kuss aufs Haar. „Keine Sorge“, antwortete Severus atemlos. „So schnell sterbe ich nicht.“ Damit sammelte er sich wieder und richtete sich auf. Er hätte sich dafür schelten können, dass er einen Moment der Schwäche zugelassen hatte, aber zum einen wurde ihm durch die Schmerzen so einiges völlig egal und zum anderen wusste er eh nicht, wie viel Harry wirklich noch bewusst wahrnahm. Nachdem sie eine weitere Abbiegung ein paar Meter hinter sich gelassen hatten, glühte auf einmal der Fels unter Severus' Hand auf. Erschrocken zog er sie zurück und das Glühen erstarb. Auch Harry merkte, dass etwas nicht stimmte und sah fragend zum Slytherin. „Was ist?“ „Sieh dir mal diese Wand an“, sagte der Tränkemeister und leuchtete nun die Wand neben ihnen ab. Da war eine Vertiefung. Ein großer Bogen, der an die zweieinhalb Meter hoch war. „Könnte das...“, begann Harry und bekam große Augen. Da entdeckte Severus eine Schrift über dem Bogen. „Ich glaube, das ist der Ausgang“, keuchte er fassungslos. Auch dem Gryffindor stand vor Erstaunen der Mund offen. Sie konnten es einfach nicht fassen, es war so unwahrscheinlich. Eine Wunschvorstellung. Severus ließ sich von Harry noch ein Stück vorschleppen, damit er die Schrift ableuchten konnte. Überlegend kniff Harry die Augen zusammen. „Ich kann das nicht lesen. Meine Sicht ist zu verschwommen.“ „Das ist Altenglisch. Alte Zaubertränke wurden noch damit geschrieben. Zum Glück ist das bereits die Form in lateinischen Buchstaben, denn um die Runen zu entziffern, würde ich deutlich länger brauchen“, erklärte der Slytherin ruhig und versuchte etwas zu entziffern. „Aber das sind nur einzelne Worte. Da steckt kein Sinn hinter.“ Ohne ein Wort ließ Harry den Slytherin los, der schon Angst hatte, dass Harry wieder zusammenbrach, doch stattdessen ging dieser wieder ein Stück zurück und tastete die Wand ab. Plötzlich glühte eine kleine Fläche in einem hellen Blau auf und bildete die Form einer Hand. Zögerlich legte Harry seine darauf und da erglühte eine Schrift über der Hand. Zusätzlich fingen einige Wörter über dem Bogen an zu glühen. „Mut... Treue... Ehrlichkeit“, las der Slytherin vor. „Hier steht auch noch etwas“, berichtete Harry. Wenige Wörter glaubte er zu erkennen, doch es gab zusätzlich merkwürdige Buchstaben. Sollte das eine vielleicht 'rein' bedeuten? Und das andere 'Herz'? Danach stand da irgendetwas von einem Tor. Severus leuchtete zu ihm und las sich das durch. „Wer reinen Herzens ist, wird das Tor öffnen können.“ „Wie ist das gemeint?“ „Davon hat Syndia mir erzählt“, berichtete Severus. „Die Erbauer hatten gesagt, dass nur Menschen mit reinem Herzen Necrandolas wieder verlassen können. Wahrscheinlich öffnet sich das Tor, wenn ein Mensch über all diese Eigenschaften hier verfügt.“ Fragend zog Harry die Augenbrauen hoch. Anscheinend war er momentan nicht in der Lage Severus' Worte zu verstehen. Also drehte sich der Slytherin wieder zu den Worten über dem Tor und versuchte die zu erkennen, die noch nicht leuchteten. „Freundschaft.“ Auffordernd sah er zum Gryffindor, der nur fragend zurücksah. „Komm, Potter, denk mal nach. Versuche an deine Freunde zu denken. Lass dich von dem Gefühl durchströmen“, knurrte Severus ungeduldig. Grummelnd sah Harry auf seine Hand an der Wand und versuchte sich zu konzentrieren. Er sah Hermine vor sich und Ron, Neville, Ginny... Und schon erleuchtete das Wort über dem Bogen. „Jetzt Trauer“, wies Severus ihn an. Harrys Gedanken wanderten zu Sirius und das Wort sowie ein weiteres leuchtete auf. „Reue hast du damit auch geschafft“, berichtete der Slytherin und warf einen flüchtigen Blick zum Gryffindor. „Hilfsbereitschaft.“ Das war schon schwieriger. Wie sollte man das denn nachweisen? Harry spulte einige Erinnerungen durch, in der Hoffnung irgendwo so eine Situation zu finden. Zu seiner Überraschung glühte damit schon bald das Wort, ohne dass er an etwas spezielles gedacht hatte. „Mitleid.“ Wieder musste Harry überlegen. Er versuchte es mit seinen Erinnerungen an Dobby, als er noch den Malfoys gedient hatte. Und tatsächlich funktionierte es. Nun war nur noch ein Wort übrig. Eines, das direkt auf Harrys Seite stand und der Slytherin kämpfte sich zu ihm, um das Wort entziffern zu können. „Das ist so verwittert“, murmelte er und hatte Schwierigkeiten es zu erkennen. Er stützte sich bei Harry ab, um besser zu stehen. Sogleich erglühte das Wort. „Liebe“, las Severus vor und Harry sah ihn erschrocken an. Ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch schnell auf das Tor gelenkt, welches ein lautes Krachen von sich gab. Dann schob sich der Fels knirschend zur Seite und ein frischer Luftzug drang zu ihnen durch. Beide starrten fassungslos zur Wand und Harrys Hand krallte sich in den Umhang des Slytherins. Doch fast im gleichen Moment kniffen sie die Augen zusammen und hielten ihren Arm davor. Das Licht tat so unglaublich in den Augen weh, dass Harry glaubte sein Augenlicht zu verlieren. Selbst mit dem Arm davor war es noch unerträglich hell. „Wir müssen ein Stück vor“, rief Severus dem anderen zu und obwohl Harry nicht verstand warum, schlang er seinen Arm um Severus und ging blind nach vorne. Nach einigen Schritten spürte er, dass er durch etwas hindurch lief, eine Barriere. Sogleich setzte sich etwas auf seine Augen und es wurde wieder dunkel. Verwundert sah Harry auf und bemerkte, dass er eine Brille auf hatte, die an allen Seiten zu war, so dass kein Licht hindurchdrang. Die Gläser waren fast schwarz getönt, doch für Harry war es damit noch so hell, dass er zwar geblendet war, es aber nicht in den Augen wehtat. Mit einem Seitenblick zu Severus bemerkte er, dass er auch so eine Brille aufhatte und nun den Zauberstab sinken ließ. Erst jetzt verstand es Harry. Severus wollte durch die Barriere, um die Brillen heraufbeschwören zu können. Sie befanden sich ganz tief in einer Höhle, an deren Ende Licht hereinfiel und Vögel zwitscherten. Sprachlos sah Harry zum Slytherin, welcher zurücksah. Dann drehten sie sich langsam um und sahen in den dunklen Tunnel zurück. „Sag mir, dass ich nicht halluziniere“, brach Harry die Stille nach einer Weile. „Wenn, dann halluzinieren wir beide“, kam die Antwort. „Das würdest du mir auch sagen, wenn du nur eine Halluzination wärst, oder?“ Ein Schmunzeln huschte über Severus' Gesicht. „Wahrscheinlich.“ Wieder Stille. Diese wurde unterbrochen, als der Felsen sich wieder zurück an seine Position schob und den Tunnel verschloss. Jetzt standen sie nur noch vor der Steinwand. „Wir haben es wirklich geschafft?“, fragte Harry unter Schock. „Sieht so aus.“ Plötzlich schmiss Harry sich nach vorne und umarmte den verdatterten Slytherin. Dieser schloss den anderen ebenfalls fest in seine Arme. Sie hatten es geschafft, sie waren gerettet. Und was Severus am wichtigsten war: Harry lebte noch. Sie klammerten sich aneinander wie Ertrinkende, völlig überwältigt von ihren Gefühlen. Dem Gryffindor entwich ein seltsames, hohles Lachen und auch Severus begann ungläubig zu schmunzeln. Harry musste blinzeln, damit ihm keine Träne herunterlief. Dennoch ging sein Atem stockend und er legte seinen Kopf auf Severus' Schulter ab, um genussvoll seinen Duft einzuatmen, der ungemein beruhigend war. Sie hatten überlebt, zusammen. Ausgerechnet mit Snape hatte er diese Hölle durchgestanden. Er spürte den warmen Atem des anderen in seinem Nacken, merkte wie auch der diese Umarmung genoss, sich an ihn klammerte und glaubte sogar kurz seine Lippen auf der Haut zu spüren. Vollkommen entspannt schloss Harry die Augen. Dieser Moment war so unglaublich, wirkte endlos und kurz zugleich, sowohl unwirklich als auch intensiv. Irgendwann jedoch hob Severus wieder den Kopf und strich dem anderen durch die Haare, weshalb dieser aufsah. Es war nervig die Augen des anderen nicht sehen zu können. „Wir müssen Hilfe holen“, flüsterte der Slytherin und strich dabei über Harrys heiße Stirn. Sie waren zwar diesem Labyrinth entkommen, aber Harry schwebte immer noch in Lebensgefahr. Da der Gryffindor wusste, dass er dem anderen nichts vormachen konnte und er sich nicht weniger Sorgen um den Slytherin machte, nickte er resigniert und Severus löste die Umarmung. Er zauberte sich zwei Gehhilfen herbei, ließ eine aber wieder verschwinden, als er bemerkte, dass Harry ohne ihn noch viel mehr schwankte und so gaben sie sich gegenseitig Halt. Langsam gingen sie auf den Ausgang zu und die Brille wurde immer dunkler. Der hinterste Winkel der Höhle, wo sie herausgekommen waren, musste für das normale Auge fast ohne Licht gewesen sein. Sicherlich mit Absicht von den Gründern. Wären sie Nachts herausgekommen, hätten ihre Augen wahrscheinlich nicht so gelitten. Mit großer Spannung gingen sie weiter und hielten dann den Atem an. Vor ihnen lag ein kleiner Wald mit einem plätscherndem Bach auf der linken Seite. Direkt vor ihnen war eine kleine Lichtung, auf der das Gras so saftig grün aussah. Überall zwitscherten Vögel und flogen zwischen den Bäumen umher. Eine warme Brise kam zu den beiden Zauberern herübergeweht und brachte den Duft des Waldes mit sich. Völlig perplex ließ Harry den Slytherin los und ging mit langsamen Schritten auf die Wiese zu. Severus zauberte sich die zweite Gehhilfe herbei und folgte ihm. Dann kniete Harry sich hin und starrte auf den Boden. Schon an den Knien merkte er, wie unglaublich weich der Boden war. Fasziniert, als würde er so etwas zum ersten Mal in seinem Leben sehen, strich Harry sanft mit den Händen über das Gras. So weich. Dann schmiss er sich der Länge nach auf den Boden, drehte sich auf den Rücken und sah in den blauen Himmel hinauf. Dabei strich er immer wieder mit den Händen über das Gras. Völlig überwältigt von dieser Farbenpracht um ihn herum, ließ Harry seinen Blick wandern. Nach der ständigen Dunkelheit und den grauen Wänden, schienen die Bäume, die Büsche, das Wasser und auch das Gras nahezu zu leuchten, als wären sie mit den Farben eines Regenbogens gemalt worden. Und auch die anderen Sinneseindrücke waren so intensiv, dass es den Gryffindor beinahe überforderte. Ja er hätte sogar schwören können, dass die Luft nach Wald schmeckte. „Das ist himmlisch. Versuche es auch mal, Severus“, rief er dem anderen zu, der amüsiert eine Augenbraue hob. „Komm schon, das ist wie in einem Himmelbett.“ Dann hörten sie plötzlich von rechts ein Keuchen. „Bei Merlins Bart...“ Beide sahen erschrocken zur Seite und ein Stück weiter an der Felswand entdeckten sie einen Mann. Er saß auf einem Stuhl und hatte einen Korb mit allerlei Sachen daneben stehen. Völlig fassungslos war er aufgesprungen und starrte die beiden Zauberer mit offenem Mund an. „Kingsley“, rief Severus erleichtert aus. „Was machen Sie hier?“ „Ich halte Wache, was sonst?“, kam Kingsley nun auf die beiden zugeeilt, sah aber immer noch so aus, als habe er soeben ein Wunder gesehen. „Wir... Wir haben Schichten eingeteilt, damit immer jemand am Tor ist, aber... niemand hätte gedacht... Wir wollten die Wache schon vor einer Woche einstellen, aber Dumbledore hat gesagt... Das ist wirklich unglaublich.“ Matt lächelnd ließ Harry wieder den Kopf sinken und schloss die Augen. Er spürte, dass Severus' Stärkungszauber wieder nachließ. „Hast du was zu Essen oder zu trinken dabei?“, fragte Severus als erstes das Ordensmitglied. „Essen? Trinken? Ja natürlich“, sagte dieser immer noch ein wenig zerstreut und schwang seinen Zauberstab. Aus dem Korb neben dem Stuhl kamen eine Dose und eine Trinkflasche herbeigeflogen. Sofort griff Severus nach der Flasche und stürzte den Inhalt hinunter. Gerade als Kingsley ihm sagen wollte, dass er Harry etwas abgeben sollte, setzte Severus die Flasche ab, schloss sie und wollte sie zu Harry schmeißen, doch dieser hatte von dem ganzen gar nichts mitbekommen. Mit einem mulmigen Gefühl ging der Slytherin auf Harry zu, der mit geschlossenen Augen im Gras lag. „Harry?“, murmelte Severus, als er sich neben den Grünäugigen hockte, doch als Antwort kam nur ein stark verzögertes „Hm?“. „Ich hab hier Wasser. Sieh mich an“, sagte der Tränkemeister ruhig, drehte Harrys Gesicht zu sich und hoffte einfach, dass der Gryffindor seine Augen unter der Brille öffnete. „Hier, trink“, zeigte Severus die Flasche und öffnete sie. Harry wollte bereits nach ihr greifen, doch lieber half Severus ihm zuerst, sich ein wenig aufzurichten, bevor er ihm die Flasche hinhielt. Gierig trank der Gryffindor ohne abzusetzen den gesamten Inhalt und sackte danach nach Luft ringend wieder zu Boden. „Wehe du gibst jetzt noch auf dem letzten Stück auf“, knurrte der Slytherin, was bei Harry für ein leichtes Schmunzeln sorgte. „Keine Sorge“, antwortete dieser wieder etwas wacher. „Wer sollte dich denn sonst weiter zur Weißglut treiben?“ Nun musste auch Severus schmunzeln, das sogleich erstarb, als er erneut zu husten begann. Sofort setzte Harry sich besorgt auf, konnte aber nur hilflos dabei zusehen, wie Severus sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Brustkorb hielt und sich vor Husten krümmte. „Das gleiche gilt aber auch für dich, klar?“, murmelte Harry düster, legte seine Hand auf Severus' Schulter und lehnte behutsam seinen Kopf gegen Severus', ohne seinen analytischen Blick vom Gesicht des anderen zu lösen. Der Slytherin gab sich die größte Mühe den Husten zu unterdrücken und wischte sich schließlich mit dem Handrücken über die Lippen. Etwas atemlos krächzte er: „Gib mir dein Versprechen, dann gebe ich dir meins.“ Ein tapferes Lächeln huschte auf Harrys Lippen. „Abgemacht.“ „Ich würde euch gerne überhäufen mit Fragen, aber erst müsst ihr medizinisch versorgt werden“, schaltete sich Kingsley wieder ein und beobachtete die beiden anderen mit größter Sorge. „Ich habe die Anweisung euch sofort nach Hogwarts zu bringen. Im St. Mungo würdet ihr zu viel Aufmerksamkeit auf euch ziehen.“ Verstehend nickte Severus und war froh, dass Dumbledore sich so entschieden hatte. Im Krankenhaus hätten sie nach einer halben Stunde die Presse auf dem Hals gehabt. „Wie lange waren wir weg?“, fragte Severus, während Kingsley ihm ein Sandwich aus der Dose reichte. „24 Tage“, antwortete Kingsley sofort. Harry und Snape sahen sich an. 24 Tage. Auch wenn diese Zahl sie umhaute, war es ihnen wie zwei Monate vorgekommen, mindestens. Die Sandwiches waren schnell leer, denn beide verputzten sie, als seien sie wilde Tiere. Dann stand der Gryffindor wackelig auf, gestützt von Severus. „Es geht schon“, nuschelte Harry und wollte bereits loslaufen, doch Severus hielt ihn zurück. „Rede keinen Blödsinn! Kingsley, könntest du Harry...“ „Natürlich“, kam Kingsley zu Hilfe und nahm dem Slytherin Harry ab. Dieser schickte Severus einen bösen Blick zu, den man aber durch die Brille nicht sehen konnte. „Bereit zum Apparieren?“, fragte Kingsley, während er Harry auf der einen Seite stützte und mit dem anderen Arm nach Severus griff. Die beiden nickten und sofort spürten sie den bekannten Sog. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ging Harry auf die Knie und erbrach sich. Sofort hatte Severus nach ihm gegriffen, sodass er nicht ganz stürzte. „Wir sollten schnell nach oben zum Schloss“, sagte Kingsley besorgt. Keuchend und zitternd stand Harry auf und so stützte Kingsley ihn, oder trug ihn schon fast, während Snape nebenher auf seinen Gehhilfen ging. Kingsley schickte seinen Patronus vor, bevor er sich voll auf den Gryffindor konzentrierte, der vollkommen entkräftet an seiner Schulter hing und nun unmöglich alleine hätte laufen können. Es war gerade Unterricht und so waren die Gänge leer. Sie hatten gerade die Eingangshalle durchquert, als Syndia von oben angerannt kam. Kurz blieb sie oben am Geländer stehen und sah sie mit großen Augen an. Dem Slytherin blieb das Herz stehen und ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Oh Merlin...“, flüsterte Syndia und rannte auf sie zu. Mitten auf der Treppe schmiss sie sich ihrem Bruder an den Hals, der schmerzvoll ächzte. „Vorsicht, Vorsicht“, krächzte dieser, ehe Syndia erschrocken zu ihm aufsah. „Severus, Merlin sei Dank“, flüsterte sie mit belegter Stimme und umarmte ihn nun vorsichtiger. Mit einem Schmunzeln erwiderte der Tränkemeister die Umarmung und entspannte sich wieder. Syndia begann zu schluchzen und er strich ihr beruhigend übers Haar. Erst jetzt wurde Severus richtig bewusst, wie sehr er seine Schwester vermisst hatte. Er verstärkte die Umarmung und setzte ihr einen Kuss ins Haar, während er eine Träne wegblinzelte. Die Hexe konnte es einfach nicht fassen. Als der Patronus zu ihr gekommen war, dachte sie zuerst, sie würde träumen und war dann sofort losgerannt. Severus dort auf der Treppe stehen zu sehen... Völlig übermannt schluchzte sie an der Brust ihres Bruders: „Ich kann es nicht glauben... Severus...“ Der Slytherin hätte gerne etwas gesagt, um sie zu beruhigen, doch er brachte keinen Ton heraus. „Geht es dir gut?“, sah Syndia nun mit verheulten Gesicht besorgt auf. „Es geht schon irgendwie.“ Sie setzte ihm einen Kuss an die Schläfe und wandte sich dann an den Gryffindor. „Harry!“ „Hey“, lächelte dieser schwach. Sofort nahm Syndia Kingsley den Gryffindor ab und setzte diesem ebenfalls einen Kuss aufs Haar. „Wir müssen schnell in den Krankenflügel“, beschloss sie, als sie spürte, wie heiß Harrys Stirn war. Während sich die drei auf dem Weg zur Krankenstation machten, eilte Kingsley zum Büro des Direktors. Immer wieder wischte Syndia sich fahrig die Tränen aus dem Gesicht und versuchte einen kühlen Kopf zu bewahren. „Wie... Wie seid ihr...? Wie schlimm sind die Verletzungen?“, fragte sie schließlich und sah besorgt zwischen Harry und Severus hin und her. „Nur ein paar Knochen gebrochen“, murrte der Slytherin. „Aber Potter muss dringend als erstes behandelt werden. Er hat eine Entzündung an der Wirbelsäule.“ Wieder sah Syndia zum Gryffindor und befühlte nochmals seine Stirn, welcher verärgert diese runzelte. „Hey, so schlimm ist es nicht“, protestierte er mit so schwacher Stimme, dass ihm niemand diese Worte abgekauft hätte. „Doch ist es“, gab der Tränkemeister kühl zurück. „Und bei dir sind auch nicht nur ein paar Knochen gebrochen.“ Sofort huschte Syndias Blick wieder besorgt zu ihrem Bruder, der auf Harrys Einwände gar nicht erst einging. An der Krankenstation angekommen, lief ihnen die völlig fassungslose Poppy entgegen. Sofort rief sie zwei der Betten herbei und bestand darauf, dass sich die beiden bereits am Eingang hinlegten. Schnell verschaffte sie sich einen Überblick über die Verletzungen, indem sie beide kurz untersuchte. „Ich werde Hilfe aus dem St. Mungo brauchen“, sagte sie, nachdem sie sich besonders Harry angesehen hatte. „Syndia, ich muss Sie bitten erst einmal draußen zu warten. Severus, Potter, trinkt das hier.“ Sie hielt jedem einen Becher hin, an dem Severus skeptisch roch. „Ein Schlaftrunk“, sagte Poppy ungeduldig. „Los, runter damit oder ich werde euch im wachen Zustand behandeln müssen. Ich sage euch, das wird nicht angenehm.“ Nachgiebig trank Harry das Gebräu und nach einem kurzen Zögern tat Severus es ihm nach. Syndia kam kurz zum Bett ihres Bruders, strich ihm sanft übers Gesicht und lächelte warm. Dann trat sie unsicher zurück und Poppy ließ die Betten vor sich her fahren. Sie brachte sie in den hinteren Teil des Krankenflügels und sperrte einen Bereich mit Vorhängen ab. Eilig schob sie die Betten dort hinein, verdunkelte die Fenster und auch die Decke und ließ die Brillen verschwinden. Der Bereich mit den Vorhängen war nun genügend abgedunkelt. Damit verschwand die Medihexe eilig, um Kontakt zum St. Mungo aufzunehmen. Harry und Severus sahen sich an. Ein schwaches Lächeln huschte über Harrys Gesicht und der Tränkemeister schmunzelte zurück. Sie hatten es geschafft, sie waren zu Hause. Oder war das alles nur ein Traum? Das Lächeln gefror und verschwand dann langsam von Harrys Gesicht. Auch Severus war nun die Unsicherheit in den Augen abzulesen. Die Müdigkeit kroch in ihnen hoch und sie bekamen Angst in Necrandolas wieder aufzuwachen. Der Gryffindor streckte die Hand aus und Severus verschränkte seine Finger mit Harrys. Dann umfing sie Dunkelheit. Als Poppy wieder durch den Vorhang trat, um alles für ihre Kollegen vorzubereiten, blieb sie verwirrt stehen. Die beiden Schlafenden hatten jeweils einen Arm ausgestreckt und ihre Hände lagen verdächtig nah beieinander. Sie blinzelte einige Male nervös und schob die Betten dann an ihre richtige Position. Kapitel 44: Schatten -------------------- Das war ein Traum. Ein Traum, der hoffentlich nie endete. Noch immer sickerte die Nachricht nicht ganz zu Syndia durch. Sie saß im Halbdunkeln an Severus' Bett und betrachtete ihn sorgenvoll. Ihr Bruder war so abgemagert, hatte dunkle Schatten unter den Augen und war leichenblass. Wenn Syndia es nicht besser wüsste, würde sie sagen er sei tot. Besonders nervös machte es sie, dass Poppy ihr eine Narbe auf Severus' Bauch gezeigt hatte, von der sie meinte, sie wisse nicht, was solch eine Wunde verursacht, die man auch noch überlebt. Nicht einmal wie sie geheilt wurde konnte sie ihr sagen. Aber sie machte sich nicht nur Sorgen um die physischen Probleme des Slytherins. Er war 24 Tage zusammen mit Harry im grauenvollsten Labyrinth der Welt eingesperrt und hatte dort wer weiß was erleben müssen. Wovon hatten sie sich ernährt? Was hatten sie getrunken? Woher hatte er sich diese Knochenbrüche geholt? Poppy hatte bereits den Vorschlag genannt einen Psychologen zu den beiden zu schicken, doch davon hatte Syndia abgeraten. Severus würde durchdrehen, das wusste sie jetzt schon. Auch Ron und Hermine saßen wieder an Harrys Bett. Sie und ein paar andere Freunde waren sofort in den Krankenflügel gestürmt, als sie erfahren hatten, dass Harry zurück war. Madame Pomfrey hatte sie allerdings alle wieder fortgescheucht und erlaubte bisher nur zwei Besucher, da der Gryffindor Ruhe brauchte. Hermine hatte sich die größte Mühe gegeben so leise wie möglich zu weinen, als sie ihren Freund erblickte. Auch jetzt noch schniefte sie leise vor sich hin, während Ron ihr beruhigend über den Arm strich. Syndia und die beiden Gryffindors schwiegen hauptsächlich und wachten über die beiden Verletzten, die bereits mehrere Tage komatös schliefen. Beide hatten mit schweren Verletzungen zu kämpfen, ganz zu schweigen von der Unterernährung. Poppy musste ihnen regelmäßig Nährstoffe und Flüssigkeit zuführen. Besonders mulmig war Syndia, als sie erfuhr, dass Harry ohne das Medaillon von Severus nicht mehr gelebt hätte und auch Severus selbst hätte nur noch wenige Tage durchgehalten. An sich wären seine Verletzungen nicht zwingend tödlich gewesen, doch offenbar war er alles andere als schonend mit sich umgegangen und hatte sich mit den gebrochenen Knochen etliche, weitaus gefährlichere Wunden selbst zugefügt. Langsam begann Severus unruhig zu werden und Syndia strich ihm mit dem Daumen über den Handrücken. Seine Atmung wurde hektischer und besorgt strich die Hexe ihm die Haare aus dem Gesicht. Kurz darauf blickten ihr schwarze Augen entgegen und sie lächelte. „Hey Sev“, flüsterte sie und bekämpfte erneut die Tränen. Der Tränkemeister brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Dann wurden seine Augen panisch. „Harry“, flüsterte er mit schwacher Stimme. „Er wird wieder gesund“, beruhigte Syndia ihren Bruder sofort. „Noch schläft er.“ Sofort huschte sein Blick zum anderen Bett herüber. Er wollte aufstehen, zu Harry gehen und überprüfen, ob es ihm wirklich gut ging, doch Syndia drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück in die Kissen. „Sev, es ist alles gut. Sein Fieber ist verschwunden und die Entzündung bekämpft.“ Als würde Severus ihr gar nicht zuhören, versuchte er ihre Hände unwirsch zur Seite zu schieben, doch Syndia ließ nicht locker. Das gefiel dem Tränkemeister ganz und gar nicht. „Verdammt, lass mich in Ruhe!“, knurrte er und wurde immer lauter und unruhiger. „Lass mich nachsehen! Du weißt ja nicht...!“ „Sev!“, rief Syndia halblaut, aber energisch. „So weckst du ihn nur auf. Er braucht Ruhe. Es geht ihm gut, vertrau mir.“ Endlich hörte der Slytherin auf herumzukeifen, doch als er seiner Schwester einen langen Blick zuwarf, erkannte diese, dass Severus alles andere als ruhig war. Dieser Blick, er hatte etwas wahnsinniges an sich, etwas hektisches, panisches. Syndia musste schlucken. Wie betäubt ließ sie ihn langsam los und sofort setzte der Slytherin sich auf. Syndia konnte ihm gerade noch die Gehhilfen in die Hand drücken, bevor er ohne losgestürmt wäre. Schnell standen Ron und Hermine auf und machten Platz, doch auch ihre Blicke sagten deutlich, dass ihnen die Situation nicht geheuer war. Mit nur wenigen Schritten war Severus am Bett des anderen und strich Harry über die Stirn. Tatsächlich, kein Fieber. Harry lag da und schlief friedlich, ohne Schmerzen, ohne Schüttelfrost, ohne Todeskampf. Langsam trat Syndia neben ihren Bruder und strich ihm vorsichtig über den Rücken, bevor sie ihm einen leichten Kuss auf die Schulter gab. „Siehst du, es ist alles gut“, flüsterte sie sanft. Ein stummes Nicken war die Antwort, ohne dass Severus den Blick vom Gryffindor abwenden konnte. „Du solltest dich ein wenig ausruhen“, flüsterte Syndia weiter. „Eigentlich darfst du noch gar nicht aufstehen mit deinem Bein.“ Tief durchatmend nickte der Slytherin erneut und griff sich dann verwundert an die Brust. Erst jetzt bemerkte er den Schmerz. Er trug Bandagen um den Brustkorb und sein Bein war eingegipst. „Was...?“, begann er verwirrt, doch Syndia schob ihn bereits vorsichtig zurück Richtung Bett. „Eins nach dem anderen. Leg dich erstmal wieder hin, ich erkläre dir schon alles.“ Severus warf Harry einen letzten prüfenden Blick zu und drehte sich dann um, um sich zurück auf sein Bett zu legen. Dieser kleine Ausbruch hatte ihn eine Menge Energie gekostet und so war er letztendlich doch froh wieder zu liegen. Vorsichtig atmete er durch und schloss die Augen, um herunterzukommen. Es war alles gut, Harry war in Sicherheit. Dennoch... diese ganze Situation hier kam dem Slytherin so unwirklich vor, so... falsch. Als würde sich das alles hier nur in seinem Kopf abspielen, während sie in Wirklichkeit noch in den dunklen Tunneln lagen. Vielleicht wurde er ja von irgendeiner Kreatur vergiftet, die sich nun über ihn hermachte, während er träumte. Langsam öffnete Severus wieder die Augen und sah zu Syndia. Dieser entging der unverwandte Blick ihres Bruders nicht. Sie wusste, dass er sich fragte, ob sie nur eine Sinnestäuschung war und so wurde ihr Lächeln wärmer. „Es ist alles gut. Ihr seid in Sicherheit.“ Erneut sah sich der Slytherin um, schluckte dann und sagte nickend: „Sieht so aus.“ Sein Blick beunruhigte die Hexe. Er wirkte wie ein scheues Reh, das nicht wusste, was es von dem Ganzen halten sollte. Überhaupt nicht so, wie sich Severus sonst gab. Hermine hingegen machte sich leise räuspernd bemerkbar. „Wir können nachher nochmal nach Harry sehen. Es gibt noch eine Menge zu tun.“ „Was? Die Hausaufgaben haben wir doch fertig. Es ist nicht einmal 5“, begriff der Rothaarige nicht und erhielt einen viel bedeutenden Blick von Hermine. „Wir sollten gehen“, zischte sie zwischen den Zähnen hindurch und zog an Rons Ärmel. Völlig planlos sah er zu den Snapes herüber und verstand endlich. Langsam ließ er sich von Hermine hinauszerren, die Syndia noch einmal zunickte. Dann sah die Schwarzhaarige wieder zum anderen. Severus versuchte indes erneut sich aufzurichten, allerdings gelang ihm das nicht ohne Schmerzen. „Sachte“, schaltete sich Syndia ein. „Warum laufe ich in Gips und Bandagen herum?“, fragte Severus leise und hielt sich den schmerzenden Brustkorb. „Ihr seid zu lange mit euren Wunden herumgelaufen, als das Madame Pomfrey sie einfach so heilen konnte. Die Schwellungen und Quetschungen sind dafür zu gravierend gewesen. Wenn du also nicht aufpasst, verletzt du dir nur wieder die Lunge.“ „Heißt das, das muss natürlich heilen?“, ächzte der Slytherin und schaffte es sich hinzusetzen. „Nein, nur solange die Schwellungen nicht zurückgehen. Das wird allerdings ein paar Tage dauern.“ Der Tränkemeister gab ein Nicken von sich, zeigte aber keine weitere Reaktion. Dann suchte er unruhig den Nachttisch mit den Augen ab. „Zauberstab, ich brauche einen Zauberstab“, murmelte er und Syndia setzte sich zu ihm aufs Bett, da er begann erneut hektisch zu atmen. „Ich kann dir einen neuen besorgen, wenn du magst“, sagte sie ruhig und legte ihre Hände auf die Oberarme ihres Bruders, doch beruhigen wollte sich dieser nicht. „Das dauert zu lange“, murmelte er weiter und sah dann zu Syndia. „Kannst du mir deinen erst einmal hier lassen?“ „Außerhalb der Unterrichtszeiten ja“, nickte sie. „Das reicht nicht. Ich muss mir was einfallen lassen“, sagte der Slytherin schnell und strich sich mit einer Hand über das Gesicht. „Sev, du bist hier sicher“, versuchte es Syndia sanft und wurde langsam immer verzweifelter. „Wir sind in Hogwarts, hier kann dir nichts mehr passieren...“ „Ich brauche aber einen Zauberstab!“, rief der Tränkemeister aufgebracht aus und stieß Syndia von sich. „Kapierst du das denn nicht?!! Ich brauche einen, ich muss... ich kann...“ „Severus, beruhige dich“, versuchte Syndia ihn zu besänftigen, aber ihre Worte zeigten keine Wirkung. „Es geht nicht ohne Zauberstab!!“, schrie er sie aufgebracht an. Syndia sah ihn ruhig an und nach einigen Momenten der Stille erkannte Severus, wie er sich schon wieder aufführte. Er brach den Blickkontakt und atmete tief durch. Näher rutschend zog die Schwarzhaarige ihn in eine Umarmung und Severus schloss die Augen. Er legte die Arme um seine Schwester, welche spürte, dass er zitterte. Beruhigend strich sie ihm über den Rücken und gab ihm ein wenig Halt. „Es ist vorbei“, flüsterte sie mit Tränen in den Augen. „Du hast es hinter dir. Du bist wieder zu Hause.“ Mehrere Minuten blieben sie in der Umarmung und Syndia dachte gar nicht daran, sie als erste zu lösen. Sie konnte verstehen, dass Severus sich ohne Zauberstab schutzlos fühlte. Dennoch beunruhigte sie Severus' Verhalten. Er war vollkommen durch den Wind und wie eine tickende Zeitbombe, die vollkommen unerwartet hochgehen konnte. Syndia hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Severus' Stimmung so instabil sein könnte. Er war kaum wiederzuerkennen. Schließlich löste sich der Slytherin wieder und legte sich hin. Er verzog jedoch das Gesicht, da das Kissen ihm viel zu weich war und legte es auf das Fensterbrett. Das Bett war auch ohne das Kissen schon schlimm genug. Ein sanftes, trauriges Lächeln umspielte Syndias Lippen und sie strich über Severus' Arm, während sie ihn musterte. Dieser deutete ihren Blick sofort richtig. „Dir liegen tausend Fragen auf der Zunge, was?“, sagte er nun zum ersten Mal wieder in seinem gewohnten Tonfall, was Syndia ein wenig durchatmen ließ. Kurz den Blick senkend antwortete die Hexe: „Es eilt nicht. Ruh dich erst einmal aus.“ „Lass uns einfach so tun, als sei das nie passiert“, grummelte der Slytherin. Mit einer dunklen Vorahnung zog Syndia die Augenbrauen zusammen. „Sev, fang bloß nicht an alles zu verdrängen. Irgendwann solltest du dich damit auseinandersetzen.“ „Das kann ich auch ohne darüber zu reden“, zischte Severus zurück. „Es ist nicht das erste schreckliche Erlebnis in meinem Leben und ich bin bisher ganz gut klar gekommen, ohne mich mit irgendjemandem darüber zu unterhalten.“ 'Offensichtlich nicht.', dachte Syndia bei sich, die daran dachte, wie grantig ihr Bruder nach all den Jahren geworden war. „Du willst also niemals darüber reden?“ „Richtig erkannt.“ „Aber Sev...“ „Nein, Syndia“, sah der Slytherin sie entschlossen aber entkräftet an. „Ich habe im allgemeinen gerade keine große Lust mich zu unterhalten, also tu mir den Gefallen und sei ruhig, bitte.“ Erschöpft lag er da, legte den Arm über die Stirn, sah an die Decke und murmelte: „Nicht reden. Lass mich einfach in Ruhe.“ Resigniert seufzte Syndia auf, blieb aber stumm. Ihr Bruder sah so erschöpft aus, vielleicht brauchte er wirklich einfach nur etwas Ruhe. Langsam erhob sie sich, um ihrem Bruder ein wenig Zeit für sich zu geben, doch als sie sich gerade wegdrehen wollte, sah sie, wie Severus' Hand zuckte, als hätte er nach ihr greifen wollen. Skeptisch sah sie Severus an, der den Blick angewandt hielt und die Situation zu überspielen versuchte. Doch auch, wenn er seine Gedanken abschirmen konnte, konnte Syndia genau sehen, was Severus zu dieser Reaktion verleitet hatte: Er wollte nicht alleine sein. Traurig aufseufzend setzte Syndia sich wieder zurück aufs Bett. Mehrere Stunden lang lag Severus nur da und schien gedanklich ganz weit weg zu sein. Besorgt betrachtete Syndia ihn. Sein Blick war so leer und er machte wirklich keine Anstalten mehr auch nur einen Ton von sich zu geben. An was dachte er nur gerade? Dachte er überhaupt etwas? Es wirkte wie eine Art Schockzustand, als hätte ihm jemand einen Ganzkörperklammerfluch aufgehalst. Der Tag zog sich dahin und Severus blieb stumm. Irgendwann drehte er sich auf die Seite, nur um in der Position weiter geradeaus zu starren. Besorgt saß Syndia da und strich ihm immer wieder über den Rücken, auch wenn keine Reaktion darauf kam. Zuerst war er so explosiv und nun das hier? Diese starken Schwankungen beunruhigten Syndia mehr als sie zugeben würde. Sie konnte ja nicht einmal mehr mit Gewissheit sagen, ob Severus ihre Anwesenheit wahrnahm. Am späten Abend wagte Syndia es, das Wort wieder an ihn zu richten. Flüsternd und unglaublich sanft fragte sie: „Soll ich noch bei dir bleiben oder ist es okay, wenn ich gehe?“ Es kam keine Reaktion. Severus lag auf der Seite und sah einfach nur geradeaus, ohne zu zeigen, ob er seine Schwester gehört hatte. Er schien nicht einmal zu blinzeln. Syndia strich ihm sanft durch die Haare, woraufhin er endlich reagierte. Er atmete tief ein, legte den Kopf ein wenig zur Seite und senkte dann den Blick. Ihren Bruder so zu sehen, brach Syndia das Herz. Er war ein Mensch, der sich gerne in sich kehrte, aber das hier war nun ein absoluter Rückzug. „Kommst du alleine klar?“, versuchte Syndia es nochmal und erhielt tatsächlich ein leichtes Nicken. Langsam beugte sie sich zu ihrem Bruder herunter und gab ihm einen sanften Kuss an die Schläfe. „Versuch ein wenig zu schlafen“, flüsterte sie. „Ich komme Morgen wieder.“ Wieder nickte der Slytherin, ohne Syndia anzusehen und seufzend erhob sie sich. Sie fühlte sich nicht ganz wohl bei dem Gedanken, Severus so zurückzulassen, aber vielleicht ging es ihm besser, wenn er erst einmal alleine sein konnte.   Inzwischen war die Nachricht in Hogwarts herumgekommen, dass die beiden Totgeglaubten die Höhlen lebend verlassen hatten und im Krankenflügel lagen. Somit tummelten sich viele neugierige Schüler vor dem Eingang, in der Hoffnung, sich zu Harry schleichen oder wenigstens einen Blick auf ihn werfen zu können. Zum Glück hatte Poppy den Bereich der beiden abgesperrt, so dass die Schüler keine Chance hatten etwas mitzubekommen. Immer wieder gaben sich welche als Harrys Freunde aus, doch die Heilerin hatte sich inzwischen eine Liste von Ron und Hermine geben lassen, auf der die Namen der engeren Bekannten von Harry standen. So sah Poppy sehr abgekämpft aus, als Syndia am nächsten Tag mit einer Tasche für Severus den Krankenflügel betrat. „Schließen Sie die Tür magisch hinter sich“, wies sie die Verteidigungslehrerin an, die verwundert am Eingang stehen blieb. „Kann ich leider nicht“, entgegnete sie. „Severus hat meinen Zauberstab über Nacht bei sich behalten.“ „Achja, ich vergaß“, eilte Poppy zu ihr und verriegelte die Tür selbst. „Er hat das Ding die ganze Zeit über nicht mehr losgelassen.“ Besorgte seufzte sie auf und murmelte Syndia dann zu: „Vielleicht schaffen Sie es, dass er sich ein wenig sicherer fühlt. Seit er gestern aufgewacht ist, hat er kein Auge mehr zugemacht. Ich habe ihm Traumlostränke angeboten, aber er weigert sich die zu nehmen.“ „In Ordnung“, nickte Syndia ernst. „Ich sehe mal was ich tun kann. Hat er... sich wieder ein wenig gefangen?“ „Sie meinen, weil er gestern nicht mehr gesprochen hat?“, fragte die Heilerin. „Das war nur der Schock, kein Grund zur Sorge. Er hat ein wenig Zeit gebraucht, um alles zu realisieren. Viele, die so etwas durchleben, glauben in den ersten Tagen gar nicht, dass sie wirklich wieder zu Hause sind, also von daher hat er sich gut geschlagen. Es geht ihm schon viel besser und er grummelt wieder freudig vor sich hin. Trotzdem sollten Sie ihn lieber noch nicht ausfragen.“ Erleichtert nickte Syndia. „Ist gut.“ Damit ging sie auf den Vorhang in der hintersten Ecke zu. Tatsächlich saß dort ihr Bruder wach im Bett und blätterte einige Unterlagen durch. Der Gryffindor schlief weiterhin tief und fest. „Hey“, begrüßte Syndia den Slytherin und setzte sich auf die Bettkante. „Was guckst du da durch?“ „Die Unterrichtsprotokolle“, murmelte er abwesend ohne aufzublicken. „Immerhin muss ich wissen, was die Gören in den drei Wochen gemacht haben.“ „Aber das hat doch noch Zeit“, seufzte Syndia auf. „Werde erst einmal wieder gesund.“ „Dann bringe mir irgendwas anderes, womit ich mich beschäftigen kann“, grummelte der Slytherin weiter. „Ich dreh hier sonst durch.“ „Ich kann dir gerne nachher was aus deinen Räumen bringen“, sagte die Hexe weiterhin unbeirrt ruhig. „Erst einmal habe ich nur das wichtigste mitgebracht.“ Damit zog sie die Tasche zu sich und erhielt endlich die volle Aufmerksamkeit des Tränkemeisters. „Hast du an die Zahnbürste gedacht?“, fragte er nach. „Ja“, zog Syndia eine Kulturtasche aus der Tasche und ließ sie mit der Schlaufe an ihrem Finger baumeln. „Gut“, legte Severus die Unterlagen beiseite und zog sich die Gehhilfen heran. „Duschen darf ich von Poppy noch nicht. Als ob der Gips das wichtigste wäre.“ Grummelnd stand er auf und griff nach der Tasche. „Rede doch einfach nochmal mit ihr“, zog Syndia mitfühlend eine Augenbraue hoch. „Als ob das bei der was bringen würde.“ Damit verschwand der Tränkemeister hinter dem Vorhang. Sanft lächelnd sah Syndia ihm nach. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Severus hatte sich wirklich wieder erholt, redete wieder, sah nicht panisch durch den Raum und benahm sich fast wieder normal. Doch sie wusste auch, dass das jederzeit wieder umkippen konnte. Nach einer dreiviertel Stunde kam Severus zurück und fühlte sich deutlich wohler. Eine komplette Dusche wäre ihm noch lieber gewesen, aber wie es aussah musste er immer noch mit Reinigungszaubern auskommen. Das gleiche war es jedoch nicht. „Vielleicht solltest du versuchen ein wenig zu schlafen“, schlug Syndia sanft vor, während der Slytherin es sich wieder bequem machte, ohne Kissen. Ohne von seinem Tun abzulassen oder Syndia überhaupt anzusehen, sagte er entschieden: „Kann ich nicht.“ „Wieso nicht? Ich kann Madam Pomfrey nach einem Traumlostrank fragen, wenn du möchtest“, deutete Syndia hinter sich. Kopfschüttelnd lehnte Severus ab. „An den Träumen liegt es nicht.“ „Sondern?“ „Das ist doch egal.“ „Nein, Sev, ist es nicht. Du brauchst Ruhe“, sagte Syndia entschieden und sah wieder besorgt aus. Genervt warf der Tränkemeister ihr einen Blick zu. „Im Vergleich zu den letzten Tagen geht es mir bestens. Also mach dir nicht so viele Sorgen.“ „Die mache ich mir aber“, entgegnete die Hexe. „Du brauchst mich nicht so in Watte zu packen!“, regte sich der Slytherin auf. Syndia stieß enttäuscht die Luft aus. „Du siehst wirklich kaputt aus. Schlaf würde dir helfen...“ „Syndia!“, knurrte Severus. „Wenn du nicht endlich damit aufhörst mich zu verhätscheln und zu bemitleiden, sage ich Poppy sie soll dich rauswerfen.“ Resigniert seufzte Syndia auf. Es war zwecklos.   Nach zwei Stunden kamen Ron und Hermine und saßen stumm an Harrys Bett. Irgendwann trauten sie sich, sich flüsternd zu unterhalten, warfen Snape dabei aber immer wieder Blicke zu. Am späten Nachmittag wurde die Aufmerksamkeit auf Harry gezogen, der anfing herumzuwühlen und unruhig seinen Kopf hin und her zu bewegen, während er etwas murmelte. „Anscheinend ein Albtraum“, stand Hermine auf und wollte Harry gerade beruhigen, als Syndia sich einmischte. „Das ist kein Traum“, sagte sie und beobachtete den Gryffindor genau, ebenso wie ihr Bruder. Verwundert wurde die Lehrerin von den beiden Gryffindors angesehen. Dann ergänzte sie: „Es ist eine Vision.“   Er versetzte mehreren seiner Gefolgsleute einen Crucio, doch so viel sie auch schrien, so viele er auch folterte, es reichte nicht, um seine Wut loszuwerden. Er sah zu den Todessern herüber, die den niedrigsten Rang hatten und von denen er nicht einmal die Namen kannte. „Avada Kedavra!“, streckte er einen von ihnen nieder. Wie konnte das nur passieren? Wie konnte dieser verdammte Junge das überlebt haben?! Und Snape noch dazu! „Hattest du nicht gesagt, es sei noch nie jemand lebend aus diesem Labyrinth herausgekommen?!“, fragte er schneidend einen der Untergebenen, der vor ihm kniete und sein Zittern nicht verbergen konnte. „J-Ja Herr... D-Das w-war bisher auch so.“ Ein Cruciatus erfasste den Todesser und er krümmte sich schreiend auf dem Boden. „Dieser verdammte Bengel hätte tot sein müssen!“, rief er wütend in die verstummte Halle. Verwirrt schlug Harry die Augen auf. Warum war es so hell? Und vor allem warm? Als erstes sah er in Hermines Gesicht und stutzte erneut. Er sah sich um und erkannte den Krankenflügel. Stimmt, sie hatten das Tor gefunden... sie waren gerettet. Sofort schnellte sein Blick zum Nachbarbett, von wo aus Severus ihn verärgert ansah. „Wieder keine Kontrolle über den Geist gehabt, Potter?“ Harry wollte antworten, doch seine Stimme gehorchte ihm nicht und er räusperte sich. Hermine hielt ihm ein Glas Wasser hin und er stürzte es eilig herunter. Sogleich griff er nach der Wasserflasche auf dem Nachttisch und leerte sie in schnellen Zügen. Mit einem besorgten Blick sahen sich seine Freunde an. „Wie geht es dir?“, fragte Hermine leise, als Harry die Flasche leer hatte. Dieser wusste nicht so ganz, was er antworten sollte. „Das ist kein Traum, oder?“, fragte er in die Runde und sah als erstes Syndia an, die lächelnd den Kopf schüttelte. Hermine stiegen die Tränen in die Augen und sogleich umarmte sie ihn. Irgendwie war es seltsam und schön zugleich. Als wäre diese Umarmung der Beweis für seinen Verstand dafür, dass er wirklich zurück war. „Oh Harry“, schluchzte sie sogleich los und Harry verstärkte die Umarmung. Nach einer Weile gab die Hexe ihn frei, wischte sich die Tränen weg und machte Platz für Ron, der ebenfalls seinen Freund umarmte. Es war so unglaublich schön die beiden wiederzusehen. Wie oft hatte er an sie gedacht und sich so sehr gewünscht, sie noch ein letztes Mal sehen zu dürfen. Nach einer Weile hatten sich alle beruhigt und Harry sah noch immer ungläubig umher. Er entdeckte seinen Zauberstab auf dem Nachttisch und man sah ihm deutlich an, dass er gegen den Drang ankämpfte, nach ihm zu greifen. Um sich nicht lächerlich zu machen, ließ er das jedoch bleiben. Beim Aufsetzen bemerkte Harry, dass er eine Art steife Weste um die Taille hatte und sah verdutzt drein. „Madame Pomfrey sagt, du darfst deine Wirbelsäule nicht zu sehr krümmen“, erklärte Hermine ruhig. „Es braucht ein paar Tage, bis die Verletzung verheilt ist.“ „Aber ich darf aufstehen, oder?“ Zögerlich nickte die junge Hexe und sogleich kletterte Harry umständlich aus dem Bett. In der Schublade des Nachttisches lagen seine Sachen und er schnappte sich als erstes die Zahnbürste. Als er auch Duschsachen heraussuchte, schaltete sich der Tränkemeister ein. „Das ist sinnlos, Potter. Madam Pomfrey lässt uns nicht duschen.“ Verständnislos zog Harry die Augenbrauen zusammen. „Was? Aber...“ „Meinetwegen versuchen Sie noch einmal sie zu überreden. Ihnen kann sie sicherlich nichts ausschlagen.“ Jetzt war der Gryffindor völlig verwirrt. Snape siezte ihn wieder? Das klang in seinen Ohren ziemlich komisch. Doch Severus sah ihn eindringlich an und gab ihm so zu verstehen, dass er kein Wort darüber verlieren sollte. Zögerlich wandte er sich um und ging Richtung Bad, um sich die Zähne zu putzen. Im Bad putzte er sich gefühlte tausend Mal die Zähne, bis er sich endlich wieder ein wenig besser fühlte. Das klare, kühle Wasser, welches er sich ins Gesicht klatschte, tat sein übriges. Gedankenversunken betrachtete er sich im Spiegel. Es war, als würde er einen völlig anderen Menschen dort sehen. Er erkannte sich einfach nicht wieder. Und nicht nur sich. Es war seltsam wieder hier zu sein, als wäre das alles nur eine Illusion, nur Wunschdenken, ein Traum, ein hinterhältiges Trugbild. Und dass Severus ihn wieder so distanziert ansprach, wirkte dem nicht gerade entgegen. Langsam strich er über den Rand des Waschbeckens. Es fühlte sich real an, aber war es das auch? Tief Luft holend strich er sich übers Gesicht und versuchte sich zu fangen. Er griff nach dem Medaillon, das um seinen Hals hing. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich das umgehängt hatte, aber er wusste, dass es Severus gehörte. Was hatte es damit auf sich? In der Vergangenheit hatte es besonders für Levin eine große Rolle gespielt, aber er hatte nie verstanden warum. Was war so besonders daran und warum in Merlins Namen trug er es jetzt auf einmal? Er musste das bei der nächsten Gelegenheit Severus fragen. Aufseufzend suchte Harry seinen Kram zusammen und machte sich auf den Weg zu Madam Pomfrey, um sie wegen dem Duschverbot zu fragen. Eine halbe Stunde später kam er mit Poppy im Schlepptau zurück, die seufzend zu Severus kam. „Na schön, ihr könnt duschen gehen. Aber keine großen Bewegungen, verstanden?“, sagte sie streng, während sie Verband und Gips abnahm. „Nicht zu weit herunterbeugen, sondern mit dem Bein entgegenkommen. Es stehen Hocker bei den Duschen, Severus. Am besten setzen Sie sich hin, wenn Sie die Beine einseifen wollen.“ Damit trippelte sie zu Harry herüber, um ihm die Weste abzunehmen. „Für Sie gilt das gleiche. Keine großen Krümmungen.“ Der Gryffindor nickte nur ergeben und dann machten sich beide auf den Weg ins Bad. Kaum war die Tür hinter ihnen geschlossen, sagte Severus: „Es war klar, dass du sie überredet kriegst. Der große Held bekommt immer was er haben will.“ 'Ach, jetzt sind wir wieder beim Du?', dachte Harry bei sich. „Ich weiß nicht, warum du dich beschwerst. Es hat dir doch auch was eingebracht.“ Sie waren vor den Duschkabinen angekommen. Harry ging in die hintere und Severus eine davor. Es wurde genug Platz geboten, um sich im vorderen Teil in Ruhe umzuziehen und im hinteren gab es die offene Dusche. Der Gryffindor konnte es kaum erwarten und zog sich eilig aus, bemerkte aber dabei, dass er seinen Rücken wirklich schonen sollte. Das Gefühl des Wassers war unbeschreiblich. Harry seufzte genießerisch auf und entspannte sich das erste mal seit drei Wochen wieder. Warmes, klares Wasser. Das schönste was es auf der Welt gab. Zudem fiel ihm das erste mal in seinem Leben auf, dass Wasser weich war. Das hier musste einfach echt sein. Kein Traum konnte so intensiv wirken. Eine ganze Weile stand Harry einfach nur da und ließ das Wasser an sich herunterlaufen. Erst jetzt sickerte langsam hindurch, dass er Necrandolas endgültig verlassen hatte. Er würde in seinem warmen Himmelbett schlafen, sich dreimal am Tag den Bauch in der Großen Halle vollschlagen können und so oft duschen können wie er wollte. Wie hatte er nur übersehen können, wie gut es ihm doch ging? Das war der Himmel auf Erden. Der Gryffindor griff nach Shampoo und Duschgel und schäumte sich so lange ein, bis die Seife cremig wurde. Nach dem Abbrausen fühlte er sich allerdings nicht viel besser. Er seifte sich nochmal ein... und nochmal... und nochmal. Auch wenn er augenscheinlich sauber war, hatte Harry immer noch das Gefühl Necrandolas würde an ihm kleben. Noch immer war da diese Kälte, dieser Dreck, Staub, die kalten feuchten Wände, das Blut. Vor allem das Blut. Severus' Blut und auch das des Mantikors. Er musste es loswerden. Eilig griff er nach der Nagelbürste, die auf dem Duschregal lag und schrubbte seine Arme... dann den Rumpf... sein Gesicht. Es wurde nicht besser. Er musste es endlich loswerden! Immer wieder schrubbte er über seine Arme, doch es half nicht. Langsam wurde er panisch und wendete immer mehr Druck an, wurde immer schneller und grober. Aber er wurde es einfach nicht los.   Severus hatte nach einer Stunde die Dusche abgestellt und trocknete sich ab. Von nebenan konnte er noch das Rauschen von Harrys Dusche hören. Er fühlte sich wie neu geboren, 24 Tage endlich fortgewaschen. Während Severus mit dem Handtuch durch seine Haare rubbelte, hörte er, wie Harrys Atem hektisch wurde. Zuerst dachte er, der Gryffindor würde sich ein wenig Entspannung gönnen, doch dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. Potter klang alles andere als entspannt. Und dann bekam Severus eine Ahnung davon, was da gerade vor sich ging. Der Gryffindor hatte viel zu stabil gewirkt, als er aufgewacht war. Die Botschaft, was eigentlich passiert war, sickerte wohl jetzt erst bei ihm durch. Knurrend wickelte Severus sich das Handtuch um die Hüfte, schnappte sich die Gehhilfen und verließ seine Kabine, um an die des Grünäugigen zu klopfen. „Potter, lass den Scheiß!“, polterte er sogleich los, doch vom anderen kam keine Reaktion. Nach mehrmaligem Klopfen und Rufen antwortete Harry noch immer nicht. „Zwing mich nicht hereinzukommen“, rief Severus und als wieder nichts kam, stieß er knurrend die Tür auf. Wie er erwartet hatte, stand Harry unter dem Wasserstrahl und schürfte sich mit einer Nagelbürste die Arme auf. Seine gesamte Haut war bereits feuerrot und an einigen Stellen bildeten sich Blutstropfen, die vom Wasser gleich wieder fortgespült wurden. Der Gryffindor war so in seiner Panik gefangen, dass er den anderen nicht bemerkte. Hektisch fuhr er grob mit der Bürste über seine Arme und riss sie immer weiter auf. So schnell es mit den Gehhilfen ging, kam Severus zu ihm herüber und packte die Handgelenke des Gryffindors. „Hör endlich auf!“ Völlig verdattert sah Harry zu ihm auf und fragte sich, wo Severus auf einmal herkam. Sein Atem beruhigte sich jedoch nicht und er versuchte seine Hände zu befreien. Knurrend wurde der Griff des Slytherins fester. „Verdammt, Potter! Reiß dich zusammen! Das bringt überhaupt nichts!“ „Lass mich los!“, schrie Harry ihm nur entgegen und bei seinem Blick war Severus kurz versucht tatsächlich nachzugeben. Doch er wusste, dass er das jetzt nicht durfte. Harry war gerade dabei eine Panikattacke zu bekommen und er musste ihn irgendwie bändigen. „Da ist kein Blut, Harry!!“, schrie er ebenso zurück und der Gryffindor stutzte. Er hörte auf sich zu wehren, sah auf seine Hände und dann zum anderen. Etwas ruhiger sagte Severus: „Du kannst das nicht wegwaschen, weil es in dir drin sitzt. Erst wenn du gelernt hast damit umzugehen, wird dieses Gefühl verschwinden und bis dahin musst du dich eben zusammennehmen.“ Harrys Blick wurde verzweifelt und er sah zur Seite. Wie sollte er denn mit diesem Gefühl zurechtkommen? Es war unerträglich. Der Slytherin seufzte auf, ließ Harrys Handgelenke los und nahm ihn in den Arm. Der Gryffindor legte sein Kinn auf der Schulter des anderen ab und schaffte es endlich ein wenig herunterzukommen. Er hatte sich da in etwas hineingesteigert. Severus hatte Recht, er würde diese Erinnerungen nicht so einfach loswerden. Was geschehen ist, ist geschehen und er musste lernen damit zu leben. Sie lösten die Umarmung und als Harry in die schwarzen Augen des anderen sah, wurde ihm erst bewusst, dass er nackt war und Severus nur ein Handtuch um die Hüften trug. Das Wasser tropfte von Severus' Haaren und an seinem Arm und seiner Brust lief es in Rinnsalen herunter. Wie gerne hätte Harry die nachgezeichnet. Das Handtuch war bereits triefend nass. Zwar hatte er den anderen schon oft ohne Oberteil gesehen, aber das hier war nun doch etwas anderes. Der Gryffindor spürte, wie er rot wurde und sah beschämt zur Seite. Severus schien die Situation jedoch nicht zu kratzen und benahm sich, als wäre das alles völlig normal. Er musterte den anderen nicht einmal, sondern sah ihm nur ins Gesicht. Den Blick des Jüngeren ignorierend, nahm er Harry die Bürste aus der Hand. „Die nehme ich mit“, legte er fest und sah zum Duschregal, auf dem noch Schwämme und Badeknäuel lagen. „Und die vorsichtshalber auch. Wenn ich sehe, dass die Verletzungen schlimmer werden, gibt es Ärger, verstanden?“ Der Gryffindor nickte ergeben ohne aufzusehen und so schnappte Severus sich die Gehhilfen und verließ ohne ein weiteres Wort die Kabine. Kapitel 45: Die Vorteile einer Maske ------------------------------------ Als Harry seine Kabine verließ, stand Severus vor dem Waschbecken und sah in den Spiegel, während er sich die Haare kämmte. Er trug nur ein Hemd und eine Jogginghose, da Poppy ihm sowieso gleich wieder den Gips und Verband anlegen würde. Ihre Blicke trafen sich kurz über den Spiegel, ehe Severus sich wieder seiner Arbeit widmete. Etwas unsicher trat Harry neben ihn und fuhr noch einmal mit dem Handtuch durch seine Haare, bevor er es ablegte und seine Bürste heraussuchte. „Deine Haare stehen doch in 10 Minuten sowieso wieder in alle Richtungen ab“, kommentierte der Slytherin das sogleich. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, gab Harry zurück. Er war erleichtert, dass Severus das Gespräch suchte, aber dennoch war die Stimmung seltsam. Der Slytherin sprang ständig hin und her. Im Krankensaal siezte er ihn und wirkte unnahbar, jetzt redete er normal mit ihm und vorhin stand er sogar mit ihm unter der Dusche. Konnte der Kerl sich mal entscheiden? Und dann war da noch das Medaillon. Als Harry fertig mit Kämmen war, nahm er die Kette zur Hand und betrachtete sie. „Was ist so besonders an dem Medaillon?“, fragte er geradeheraus. Ohne von seiner Tätigkeit abzulassen, erklärte Severus: „Es beschützt seinen Träger. Ohne dieses Medaillon hätte ich mehr als nur Knochenbrüche abbekommen, wäre vielleicht sogar vom Erumpent getötet worden. Es hemmt Schmerzen und schränkt den Grad der Verletzungen ein.“ Verstehend nickte Harry abwesend. „Du hast es mir gegeben, damit wir weiterlaufen konnten, nicht wahr?“ „Ich habe es dir gegeben, weil du fast gestorben wärst“, korrigierte Severus ihn und packte seine Bürste weg. Harry warf ihm einen Seitenblick zu, sah noch einmal auf das Medaillon und schob es dann dem anderen zu. „Danke.“ „Wenn du mir jedes Mal einen Knut geben würdest, wenn ich dir den Arsch rette, wäre ich jetzt reich“, antwortete der Slytherin nur trocken und steckte die Kette ein. Grübelnd betrachtete Harry ihn. Wenn er wieder anfangen konnte zu maulen, ging es ihm wohl wieder gut. Während Harry als erstes eine Panikattacke unter der Dusche bekam. „Da ist kein Blut, Harry!“ Woher hatte er gewusst, was er da versucht hatte fortzuwaschen? Hatte er Legilimentik benutzt? „Wieso...“, begann Harry zögernd. „Du hast gesagt... da wäre kein Blut. Woher wusstest du...?“ Er ließ die Frage offen und sah zum anderen, der nur ruhig zurücksah. Leise antwortete dieser: „Ich habe eben viel erlebt.“ Damit brach er den Blickkontakt und packte seine Tasche zusammen, während Harry ihn grübelnd musterte. Hieß das Severus hatte soetwas schon einmal selbst durchlitten? Er hatte auch versucht Blut von seinen Händen zu waschen? Naja, als ehemaliger Todesser, der seine Taten bereute, vielleicht gar nicht so unwahrscheinlich. Schon erstaunlich wie offen Severus das inzwischen zugab. Sie kannten sich mittlerweile sehr gut, vertrauten sich. Aber nun waren sie wieder in Hogwarts. Wie sollte es jetzt weitergehen? Wie sollten sie miteinander umgehen? „Severus... Was... Wie..?“, nahm Harry all seinen Mut zusammen und versuchte seiner Verwirrtheit Ausdruck zu verleihen, doch er wusste nicht wie. „Potter, du weißt schon, dass wir in der Öffentlichkeit so tun müssen, als sei nie etwas gewesen, oder?“, antwortete der Slytherin trotzdem ruhig. Harry warf ihm einen Blick zu und Severus fuhr fort: „Wir sind wieder Schüler und Lehrer. Alle müssen glauben, dass wir immer auf Distanz geblieben sind. Wir siezen uns wieder und ich werde dich im Unterricht behandeln wie immer.“ Schluckend nickte der Gryffindor. So tun, als sei nie etwas gewesen? Klar, damit Severus keine Probleme bekam, mussten sie das wohl tun. „Aber würde es für die anderen nicht auch logisch klingen, dass wir uns in Necrandolas aus der Not heraus vertragen haben?“ „Potter, ich will keine schwammigen Grenzen“, warf der Slytherin ein. „Was in Necrandolas zwischen uns passiert ist, ist Vergangenheit. Wir waren in Lebensgefahr und vollkommen Instinktgesteuert.“ Völlig verdattert starrte Harry den anderen an. Meinte er das jetzt ernst? Wollte er ihm gerade tatsächlich weiß machen, dass ihm das alles nichts bedeutet hatte? Er schob das alles auf die Instinkte? Harry ignorierte den Stich in der Brust und biss sich auf die Lippe. „Du willst dich doch jetzt nicht ernsthaft mit sowas wie Instinkten herausreden“, konnte Harry sich nicht verkneifen. Er wollte, konnte das nicht so hinnehmen. „Potter, führe dich bitte nicht wie ein kleines Mädchen auf“, knurrte der Tränkemeister. „Wir waren wochenlang in Lebensgefahr und hatten nicht geglaubt, dort jemals lebend herauszukommen. Da kommt der Instinkt durch und drängt den Menschen sich fortzupflanzen, bevor er verreckt. Wäre noch eine Frau bei uns gewesen, hätten wir uns wahrscheinlich gegenseitig umgebracht, um sie zu bekommen.“ 'Ausrede.', schoss Harry durch den Kopf. „Glaubst du das tatsächlich selbst, oder...“ „Verdammt, Potter, es ist vorbei! Verstanden? Da war nie was und da wird auch nie etwas sein“, unterbrach Severus den anderen entschlossen und Harry schnürte sich die Brust zu. Severus' Blick wirkte so ernst, dass Harry sich fragte, ob er tatsächlich nicht log. Hatte ihm das zwischen ihnen denn wirklich nichts bedeutet? Der Gryffindor ballte seine Hand zur Faust und versuchte irgendwie diesen Schmerz wegzuatmen. Er durfte Severus nicht sehen lassen, was seine Worte gerade in ihm auslösten. Er musste mit kühlem Kopf an diese Sache herangehen. Also... so tun, als sei nie etwas gewesen, in dem Punkt wären sie sich wohl sogar einig. Immerhin durfte niemand erfahren, was in Necrandolas passiert war... ob es ihnen nun etwas bedeutet hatte oder nicht. Aber wie sollte er das anstellen? In Necrandolas hatte er von Severus eine vollkommen andere Seite kennengelernt. Vielleicht sogar den echten Snape, der hinter der Maske. Wie sollte Harry ihn jemals wieder wie damals behandeln? Ihn jemals wieder so sehen wie früher? Das war doch vollkommen undenkbar. Wie sollte man so tun, als würde man jemanden hassen, den man inzwischen als Freund ansah? Harry schielte zum anderen. Ein Severus Snape bekam sowas hin. Aber der konnte doch nicht einfach davon ausgehen, dass Harry das auch konnte. Während Harry so ins Grübeln fiel, musterte Severus ihn und wartete auf eine Reaktion. „Ist also alles geklärt?“, fragte er abschließend. Langsam nickte der Gryffindor ohne aufzusehen und murmelte dann kühl: „Sicher.“ „Gut.“ Damit packte Severus seine Sachen zusammen und verließ das Bad. Harry rührte sich keinen Zentimeter und starrte finster ins Leere. Das war es jetzt also? Hatte Severus ihm gerade die... 'Freundschaft' gekündigt? Harry sollte alles vergessen? Da sagte Severus ihm, dass ihm die ganzen Küsse nichts bedeutet hatten und er durfte sich seinen Schmerz nicht einmal anmerken lassen? Er sollte Severus wie einen Fremden behandeln? Aber wenn Harry bedachte, was nun auf sie zukam... Sie waren in Hogwarts. Severus war Lehrer und Harry sein Schüler. Alle glaubten, sie würden sich bis aufs Blut hassen. Und vielleicht hatte Severus ja doch Recht. Vielleicht war diese Anziehungskraft nur so extrem gewesen, weil sie sich bei all der Gefahr nach menschlicher Nähe gesehnt hatten. Aber warum tat es dann jetzt so weh? Seine Gefühle loswerdend, schüttelte Harry den Kopf und seufzte schwer. Was erwartete er denn? Dass Snape ihm glücklich um den Hals fiel? Nein, das war vollkommen unrealistisch und kindisch. Der Slytherin hatte Recht, es blieb ihnen nichts anderes übrig, als alles zu vergessen. Mit diesem Entschluss atmete Harry tief ein und straffte sich. Sein Spiegelbild sah ihm entschlossen entgegen... oder sollte es zumindest. Verdammt, er konnte nicht einmal sich selbst täuschen. Genervt seufzte Harry auf, schnappte sich seine Sachen und ging zu seinen Freunden zurück.   Zu seiner Überraschung war auch Luca im Krankenflügel und wippte fröhlich auf dem Stuhl hin und her. Freudestrahlend begrüßte er Harry und fing sogleich an zu erzählen, was der Gryffindor alles verpasst hatte. Lächelnd lauschte Syndia Lucas Erzählungen, während sie an Severus' Bett saß, der endlich eingeschlafen war. Dann stockte Luca und sah verwundert Richtung Tür, die durch die Vorhänge nicht zu sehen war. Fragend sahen die Gryffindors ihn an, bis der Vorhang geteilt wurde und Dumbledore hindurch schritt. Während sich die Mienen von Ron und Hermine aufhellten, wurde Harry mulmig zumute. Das letzte, was er jetzt wollte, war, über Necrandolas zu reden. „Harry, wie geht es dir?“, fragte Dumbledore munter. Harry schluckte, bevor er mit kratziger Stimme sagte: „Gut.“ Der Direktor sah ihn über seine Brille hinweg an und schien ihm nicht ganz zu glauben. „Ich will dir keine Fragen stellen, Harry. Ich wollte nur sehen, wie es euch beiden geht.“ Erleichtert nickte der Gryffindor und Dumbledore drehte sich zu Syndia. „Der neue Zauberstab für Severus ist angekommen.“ „Ah, gut“, seufzte die Hexe erleichtert auf. Sie hätte gerne noch mehr gesagt, aber ihr Blick fiel auf ihre Schüler. Vor Harry war es egal, aber andere Gryffindors mussten nicht unbedingt mitbekommen, wie es um ihren Lehrer stand. Luca hingegen schien so einiges auch ohne Worte zu verstehen und sah von Severus wieder zu Harry, ohne dass man seinen Blick dabei deuten konnte. Irgendwie machte Harry das nervös, so als hätte Luca ihn bei irgendetwas ertappt. Naja, hatte er vielleicht auch. Wie viel konnte Luca wohl allein durch einen Blick auf seine Aura herausfinden? Wenn es denn wirklich nur die Aura war, die der Junge sehen konnte. So ganz glaubte er das nicht. Da war mehr. Das Gespräch zwischen Dumbledore und Syndia nahm der Gryffindor gar nicht mehr wahr, sondern war voll auf Lucas Augen fixiert. Las der Junge ihn etwa gerade? Schließlich seufzte Luca mitleidig auf und Harry runzelte die Stirn. Dann wurde ihm erst bewusst, was das für ein Blick von ihm war. Luca wusste ganz genau, wie es ihm ging. Natürlich wusste er das, er hatte vor einigen Monaten noch selbst hier gelegen, ausgehungert und schwer verletzt. Wie hatte Harry das vergessen können? Bei der Erkenntnis schluckte Harry und seine Augen weiteten sich. Er erinnerte sich plötzlich wieder daran, was Luca für eine Angst gehabt hatte, als er hier im Krankenflügel gelegen hatte. Dass er sich nicht getraut hatte, die Augen zu schließen, da er glaubte, dann wieder im Kerker zu sitzen. Ohne den erschrockenen Blick von Harry zu beachten, sah Luca wieder zu den Professoren. Inzwischen war Madam Pomfrey hinzugekommen und sortierte die Tränke für Severus neu. „Vielleicht funktionieren die ja besser“, sagte sie leise zu Syndia gewandt. „Ich weiß nicht warum sein Körper die anderen nicht annimmt, also muss ich ins Blaue raten.“ „Nährungstränke werden oft von Lamia abgestoßen“, überlegte Syndia laut. „Aber der hier nur, wenn das Gen des Vampirs wirklich durchkommt“, erwiderte Madam Pomfrey. „Dazu müsste er schon Fähigkeiten aufweisen.“ „Er hat das Gehör geerbt“, schaltete sich Harry dazu und wurde verdutzt von der Heilerin und seinen Freunden angesehen. Eine kurze Stille trat ein. Syndia und Dumbledore schienen weniger überrascht zu sein. Die Hexe nickte bestätigend und Dumbledore musterte ihn warm lächelnd. Zögerlich erzählte Harry weiter: „E-Er hat Feinde immer viel früher gehört als ich... und Wasserläufe auch. Er konnte sogar Inferi tief unten in einem See hören.“ Sofort wurde Syndias Blick erschrocken und Dumbledore senkte den seinen. Auch Hermine und Ron wurden blass und rissen die Augen auf. Die Lamia fand als erstes ihre Sprache wieder und fragte schwach: „Ihr musstet gegen Inferi kämpfen?“ „Nun ähm... ja“, zuckte Harry verlegen mit den Schultern. „Aber es... wir hatten schon schlimmere Kreaturen überstanden. Die Inferi haben wir ganz gut weggesteckt.“ Auch wenn das eigentlich beruhigend wirken sollte, bemerkte Harry schnell, dass er genau das Gegenteil erreicht hatte. Hermine sog die Luft ein und Syndia schluckte. Sogar Dumbledore sah wieder auf. Der einzige, der ihn weiterhin bohrend beobachtete, war Luca. Mit ruhiger und gefasster Stimme sagte Poppy: „Harry, vielleicht könnten Sie mir ein paar Auskünfte geben, die Severus mir nicht geben wollte. Ich muss wissen, mit welchen Giften ihr in Berührung kamt und was ihr gegessen habt.“ Alle hingen gebannt an Harrys Lippen, welcher nun zögerte. Gifte? Also auch die Droge? Nein, von der konnte er doch nicht erzählen. Er würde Poppy nicht einmal im Vertrauen erzählen können, was die für Wirkungen hatte. Sein Blick fiel auf Syndia, die daraufhin eine Augenbraue hob. Schnell unterbrach der Gryffindor wieder den Blickkontakt. Verdammt! Bei ihr und Luca musste er doch aufpassen, dass die seine Gedanken nicht hörten! „I-Ich... ich weiß nicht...“, wich Harry aus, ohne jemanden anzusehen. Er versuchte sich auf die anderen Dinge zu konzentrieren, die Madame Pomfrey wissen wollte. Doch sofort schoss ihm der Stachel des Mantikors in den Sinn und es bildete sich ein Knoten in seiner Brust und machte ihm das Atmen schwer. Abwesend sah er auf seine Hände, an denen Severus' Blut noch immer zu kleben schien. „Harry“, murmelte Hermine sanft, setzte sich auf sein Bett und nahm seine Hände in ihre. Damit riss sie den Grünäugigen aus seinen Gedanken und er sah erschrocken auf. Wieder sah er zu Luca herüber, dessen Blick ihn nahezu magisch anzog. Er war der einzige hier, der verstand, was von ihm abverlangt wurde und was für Ängste in ihm tobten. Weiterhin mit sanfter Stimme sagte die Heilerin: „Vielleicht erzählen Sie mir erst einmal, was Sie gegessen haben.“ Harry versuchte all die Blicke auf sich zu ignorieren. Warum starrten sie ihn alle so gierig an? Sie sollten verschwinden! Er wollte seine Ruhe haben! Aber sie würden ihn erst in Ruhe lassen, wenn er eine Antwort geben würde. Doch es fiel ihm schwer, sich an die einzelnen Mahlzeiten zu erinnern. Es war so bedeutungslos gewesen was es war, hauptsache sie hatten überhaupt etwas. „Das letzte Tier weiß ich nicht“, murmelte er vor sich hin. „Das hat Se- Snape alleine getötet. Und bei einem anderen wussten wir nicht, was es ist. Irgendetwas Fledermausartiges, wahrscheinlich schon ausgestorben. Und ein... Quin... irgendwas.“ „Ein Quintaped?“, fragte Syndia verdutzt nach. „Ja genau“, sagte Harry monoton, bemerkte allerdings die Reaktionen der anderen. War das so schlimm? Waren sie angewidert, weil sie Zauberwesen gegessen hatten? Verärgert zog er die Augenbrauen zusammen und sah auf. „Wir konnten froh sein, überhaupt etwas zu Essen zu haben“, knurrte er aufgebracht. „Was habt ihr erwartet? Dass wir uns jeden Tag gemütlich etwas kochen konnten? Wir hätten auch Insekten gegessen, wenn nichts anderes da gewesen wäre!“ „Das wissen wir, Harry“, versuchte Hermine ihn zu besänftigen, doch er fuhr ihr sofort dazwischen. „Gar nichts wisst ihr!“, schrie er sie an. „Ihr wisst einen Scheißdreck wie das ist, fast einen Monat lang in dunklen Tunneln herumzuirren! Jeden Tag dem Verdursten nah zu sein und dabei von Kreaturen gejagt zu werden! Jede Sekunde in Lebensgefahr zu sein, sich mit schweren Verletzungen herumzuschleppen und zu wissen, dass man nicht mehr lange zu leben hat! Zu denken, dass man nie wieder das Tageslicht sehen wird!“ Harry geriet immer mehr in Rage. Inzwischen kam Madam Pomfrey auf ihn zugeeilt und versuchte ihn wieder hinzulegen, doch er dachte gar nicht daran. Wie konnten sie sich einbilden zu glauben ihn zu verstehen?! Doch dann verschwamm seine Sicht und sein Körper wurde taub. Madam Pomfrey hatte ihm einen Zauber auf den Hals gehetzt und völlig benommen sackte er in die Kissen zurück, weder wach noch schlafend, gefangen in einem weißen Nebel, der alles Denken auslöschte. Hermine begann wieder zu weinen und sackte auf ihrem Stuhl zusammen, während sich eine unangenehme Stille ausbreitete. Madam Pomfrey seufzte schwer und sah zum Direktor, der ernst zurücksah. Luca stand betreten neben seiner Mutter, die nachdenklich den Gryffindor musterte. „Er braucht jetzt dringend Ruhe“, legte die Heilerin schließlich fest. „Besucher sind erst Morgen wieder erlaubt.“   Schon nach kurzer Zeit erwachte Harry wieder und fand den Raum leer vor. Nur Severus schlief friedlich in seinem Bett. Das erste, was Harry machte, war nach seinem Zauberstab zu greifen und ihn mit unter die Decke zu nehmen. So fühlte er sich wesentlich sicherer. Die Augen hatten sich inzwischen an die Helligkeit gewöhnt und so waren keine Vorhänge vor den Fenstern, so dass Harry den blauen Himmel bewundern konnte. So wunderschön. Leise stand er auf und ging zum Fenster, um es zu öffnen. Leider konnte man es nur klappen und so musste er sich damit zufrieden geben, sein Gesicht an den Rahmen zu lehnen und so einen frischen Luftzug abzubekommen. Genießerisch schloss er die Augen. Es wurde bereits Abend und der Himmel war am Horizont orange. Auch die Vögel stimmten langsam ihre Abendmelodie an. So blieb der Gryffindor eine ganze Weile stehen und fiel ins Grübeln. Er hatte noch nicht einmal den Krankenflügel verlassen und trotzdem wirkte auf ihn bereits alles verändert. Seltsam fremd. Es war nichts mehr so wie es vor Necrandolas gewesen war. Oder hatte er sich einfach nur verändert? Madam Pomfrey kam durch den Vorhang herein und hatte ein Tablett dabei. Mit einem kurzen Blick zu Harry stellte sie ihm und Severus das Abendessen auf den Nachttisch und verschwand wieder kommentarlos. Also hatte sie jetzt auch beschlossen ihn in Ruhe zu lassen? Hatte sie Angst, dass er bei dem kleinsten Piep in die Luft ging? Seufzend ging Harry zu seinem Bett zurück und schlang das Essen hinunter. Ihm hatte das Essen im Krankenflügel noch nie so gut geschmeckt, auch wenn es seiner Meinung nach unnötig viel gewürzt war. Als es dunkel wurde, erwachte auch der Tränkemeister, was Harry zum Glucksen brachte. Der Vampir erhob sich aus seinem Grab. Als erstes kontrollierte Severus, ob er den Zauberstab bei sich hatte. Dann bemerkte auch er das Essen auf dem Nachttisch und machte sich ein wenig gesitteter darüber her als Harry. Dabei warf er immer wieder skeptische Blicke zum Gryffindor, der versuchte sie zu ignorieren. Schließlich sagte der Tränkemeister: „Keine Lust mehr auf Gesellschaft gehabt?“ Er deutete auf die leeren Stühle neben dem Bett des Gryffindors. Zugleich wunderte er sich, dass auch Syndia fort war. „Ähm...“, rutschte Harry ein wenig peinlich berührt hin und her. „Die haben... mich ruhiggestellt.“ Eine hochgezogene Augenbraue war die einzige Reaktion des anderen, während er ungestört weiteraß. „Was war der Auslöser?“ Harry gab ein Schnauben von sich und wandte den Blick ab. „Es war eigentlich ziemlich banal. Ich glaube der Hauptgrund war, dass sie meinten, sie würden mich verstehen.“ „Das wird keiner je verstehen können“, kam die schlichte Antwort des Slytherins, ohne dass in seiner Stimme irgendeine Emotion hindurchklang. Verstohlen sah Harry zu ihm rüber. Es gab sehr wohl jemanden, der es verstand. „Sie brennen alle darauf zu erfahren, was passiert ist“, flüsterte der Gryffindor schon fast. „Da werden sie nicht die einzigen sein. Die Presse belagert Dumbledore sicherlich schon und der Minister wird sich auch nicht mehr lange hinhalten lassen.“ Angewidert verzog Harry das Gesicht. Der letzte, mit dem er über Necrandolas sprechen wollte, war Scrimgeour. „Als ob du es noch nicht gewohnt seist, ständig in der Zeitung zu landen“, murmelte Snape knurrend, als er den Gesichtsausdruck des anderen sah. „Eine Heldentat mehr oder weniger, was macht das schon für einen Unterschied?“ Verärgert zog der Gryffindor die Augenbrauen zusammen. „Heldentat? Obwohl du dabei warst, reitest du schon wieder auf diesem Bockmist herum? Ohne dich wäre ich da gar nicht herausgekommen. Außerdem werden sie dich auch ausfragen.“ „Für mich werden die sich weniger interessieren“, stellte Severus schlicht fest. „Der große Held muss wieder im Mittelpunkt stehen.“ „Hör auf mit dem Blödsinn!“, beschwerte sich der Grünäugige lauter werdend und konnte es nicht fassen, dass Severus tatsächlich wieder zu alten Gewohnheiten überging. „Lass mich endlich mit deinem blöden Heldengelaber in Ruhe! Du weißt doch inzwischen ganz genau, dass ich nicht so bin, also was soll der Scheiß?!“ Plötzlich kam Madam Pomfrey herbeigeeilt und sah als erstes zu Harry. Offenbar hatte sie ihn gehört und dachte, sie müsse ihn wieder ruhigstellen. „Ist hier alles in Ordnung? Was soll das Geschreie?“ „Es ist alles Bestens!“, antwortete Harry ein wenig zu bissig. „Nur die guten alten Meinungsverschiedenheiten.“ Knurrend sah er zum Slytherin, der Poppy keines Blickes würdigte und noch immer ruhig sagte: „Es geht nicht darum, ob Sie ein Held sind oder nicht, Potter. Die Presse wird Sie so darstellen.“ „Aber da kann ich doch nichts für.“ „Harry, Sie sollten versuchen zu schlafen. Sie waren bereits den ganzen Tag wach und Ihr Körper braucht Ruhe“, schaltete sich wieder die Heilerin ein. „Wenn Sie wollen, gebe ich Ihnen einen Traumlostrank.“ „Das geht auch ohne“, murrte der Gryffindor schlecht gelaunt, schmiss das Kissen vom Bett, das ihn nur zu ersticken drohte, und legte sich hin. Als Madam Pomfrey sich sicher war, dass jetzt Ruhe einkehren würde, verschwand sie wieder hinter dem Vorhang. Sofort warf Harry dem anderen einen beleidigten Blick zu. Er konnte es nicht fassen. Reichte es nicht, dass Severus ihm bereits mit seinen Worten im Bad so einen Tiefschlag verpasst hatte? Musste er ihn jetzt auch noch mit seinen herablassenden Bemerkungen quälen? „Gar nicht müde?“, fragte Snape nach einiger Zeit, ohne von dem leeren Teller aufzusehen, den er zurück auf den Nachttisch stellte. Ohne zu antworten sah Harry ihn an, was Severus dazu brachte eine Augenbraue hochzuziehen. Er sah tatsächlich ziemlich unschuldig drein. Hatte er Harry denn nicht bewusst verbal angegriffen? War das vielleicht gar nicht seine Absicht gewesen und hatte er vielleicht auch gar nicht gemerkt, dass er Harry damit getroffen hatte? Sein Blick jedenfalls zeigte nichts von einem Triumph, tatsächlich schien er ihre Auseinandersetzung gerade sogar schon abgehakt zu haben. Das sorgte dafür, dass auch Harrys Blick wieder milder wurde. „Können wir wirklich einfach so zurück?“, murmelte der Gryffindor. „Als ob wir nie dort gewesen wären?“ „Zumindest müssen wir vor anderen so tun.“ „Die Meinung der anderen ist mir völlig egal.“ „Ach wirklich?“, zog der Slytherin skeptisch die Augenbraue hoch. „Dir ist es egal, wenn sie merken, dass Necrandolas dir den Schlaf raubt? Dass du diese... Austicker hast? Dir ist es egal, wenn sie dich deswegen für verrückt erklären?“ „Das wäre nicht das erste Mal“, konterte Harry schlicht, doch irgendwo musste er Severus Recht geben. Er war nicht besonders scharf darauf, die anderen merken zu lassen, dass er in Zukunft wahrscheinlich Angst im Dunkeln bekommen wird wie ein Fünfjähriger.   Immer wieder warf Severus Harry Seitenblicke zu, der sich unruhig im Bett wälzte. Es war früher Morgen und der Tränkemeister hatte sich ans Fenster gestellt, doch wirklich genießen konnte er den Ausblick nicht, wenn der Gryffindor sich mit Albträumen quälte. Jetzt begann Harry sogar wirres Zeug zu reden und wurde immer lauter. Resigniert seufzend kam Severus zu seinem Bett, keinen Moment zu spät, denn der Gryffindor fing an zu schreien. Sofort griff der Slytherin nach den Armen des anderen, mit denen er wild um sich schlug. „Hey, wach auf! Potter, wach auf!“ Der Vorhang wurde zur Seite gezogen und Mandam Pomfrey sowie ein junger, schlaksiger Mann mit braunen Haaren kamen zum Vorschein. Alarmiert sahen sie zum Gryffindor und eilten herbei. In dem Moment öffnete Harry die Augen und sah zur Heilerin hoch, beruhigte sich dadurch jedoch nicht. „Es ist alles gut...“, begann sie, doch Harry unterbrach sie schreiend. „Nein! Lasst mich!“ „Es ist vorbei, Sie sind in...“ „Nein!“ Immer wieder schlug Harry die Hände der Hexe weg, bis Severus sich das nicht mehr mit ansehen konnte. Vielleicht ein wenig grob schob er die Heilerin zur Seite und griff erneut nach den Handgelenken des Gryffindors. „Jetzt komm endlich wieder runter!“ Wieder versuchte der Grünäugige sich zu befreien, doch Severus ließ nicht locker. „Harry!“, rief er und endlich zeigte der andere eine Reaktion. Er hörte auf zu schreien und sah völlig außer Atem zum anderen hoch. Ganz langsam sah man, wie er realisierte, wo er war. Vorsichtig ließ Severus ihn los und atmete durch. Langsam senkte der Gryffindor den Blick, sah auf seine zitternden Hände und stotterte: „S-Sev... i-ich...“ „Schon gut“, unterbrach der Slytherin ihn. Fahrig strich Harry sich über das Gesicht, teilweise auch, um es zu verbergen. Dann begannen seine Schultern zu beben. Seufzend setzte der Tränkemeister sich auf die Bettkante und nahm den jüngeren in den Arm. Sich versteckend, vergrub Harry sein Gesicht in Severus' Hemd und schluchzte leise, während Severus ihm übers Haar strich. Völlig verdattert und hilflos stand die Medihexe daneben und sah zum jungen Mann neben ihr, von dessen Gesicht man jedoch nichts ablesen konnte. „Ich werde einen Trank zur Beruhigung holen“, sagte sie schließlich und wandte sich bereits ab, doch Severus hielt sie auf. „Nicht nötig“, murrte er. „Er braucht nur Ruhe.“ Auch wenn er die Heilerin nicht anpampen wollte, machte er mit seiner Aussage deutlich, dass sie störte. Poppys Gesichtsausdruck wurde für einen Moment kalt, doch der Fremde drehte sich zu ihr, nickte ihr zu und verschwand wieder hinter dem Vorhang und etwas unsicher folgte Poppy ihm. Severus fragte sich zwar, wer dieser Mann war, zumal er mehr Verständnis zu haben schien, als die Heilerin, doch zur Zeit war Harry wichtiger. Dieser beruhigte sich langsam wieder, genoss es von Severus gehalten zu werden und richtete sich dann wieder auf. Ohne den anderen anzusehen, wischte er sich unwirsch die Tränen weg. Er hatte sich ernsthaft heulend an Snapes Brust geschmissen und das auch noch in Anwesenheit anderer. Wie erbärmlich. „Tut... mir leid“, murmelte er beschämt zur Seite schauend. „Hoffe einfach, dass es irgendwann besser wird“, erwiderte Severus nur, schnappte sich die Gehhilfen und trat wieder ans Fenster heran. Stirnrunzelnd sah Harry zu ihm herüber. „Meinst du etwa, es könnte sein, dass ich diese Träume nie loswerde?“ Den Kopf leicht neigend antwortete der Slytherin: „Manches wird man einfach nicht los.“ Er hatte fast geflüstert und sah dabei so abwesend auf die Ländereien, dass Harry ihn fragend musterte. An was dachte der Tränkemeister, während er das sagte? Spontan fielen Harry mehrere Ereignisse aus Snapes Leben ein, was den Gryffindor traurig werden ließ. Der Gryffindor schälte sich aus der Decke und krabbelte aus dem Bett. Erst jetzt fiel sein Blick auf Severus' Hände, die verbunden waren. Stirnrunzelnd trat er näher und fragte: „Was hast du denn damit angestellt?“ Nur kurz senkte der Slytherin den Blick zu seinen Händen, ehe er wieder nach draußen sah. „Das ist in ein-zwei Stunden wieder verheilt“, versuchte er die Sache abzutun. „Danach habe ich nicht gefragt“, erwiderte Harry mürrisch. Knurrend wandte Severus sich ihm zu und funkelte ihn böse an. „Verdammt, Potter, ich bin eben auch nicht perfekt! Du bist nicht der einzige hier, der...“ Severus brach ab, biss sich auf die Zunge und wandte den Blick wieder ab. Harry spürte, dass es Severus unangenehm war es auszusprechen und so ergänzte er für ihn: „ein bisschen am Rad dreht?“ Die einzige Reaktion war, dass Severus den Kiefer anspannte, was Harry als ja deutete. Stumm trat er dichter neben den anderen, sodass sie sich fast berührten. Harry konnte nicht sagen warum, aber er wusste, dass es ihnen beiden Trost spendete. Und jetzt wusste er auch, warum Severus nach draußen sah: Der Sonnenaufgang. Harry hatte noch nie so etwas wunderschönes gesehen. Nach der unendlichen Dunkelheit von Necrandolas, wirkten diese Farben nun schon fast überirdisch. Und obwohl der Gryffindor wusste, dass die Sonne so früh und um die Jahreszeit noch keine spürbare Kraft entwickelte, glaubte er die Wärme der einzelnen Strahlen zu fühlen. Es war unglaublich, dass sich dieses Ereignis jeden Tag abspielte und er die meisten davon auch noch verschlief. Aber etwas stimmte dennoch nicht. Er spürte die Sonnenstrahlen und sie taten seinem Körper unglaublich gut, als wäre er eine Pflanze. Aber tief in seinem Inneren war es schwarz und die Sonne schaffte es nicht, diese Dunkelheit zu durchdringen. Als würde dort ein Käfig existieren, in dem etwas dunkles, grauenvolles eingesperrt war. Und Harry hatte Angst davor, dass sich der Käfig jemals öffnen könnte. Als ob Severus seine Gedanken gelesen hätte, sagte er: „Der Schatten wird nie ganz verschwinden.“ Harry erlaubte sich einen Seitenblick und seufzte dann: „Mit anderen Worten, wir werden immer einen Dachschaden haben.“ Der Slytherin schnaubte auf, nicht ganz sicher, ob er sich darüber lustig machen oder es für traurig halten sollte. „Die Kunst ist es, die anderen das nicht merken zu lassen.“ Wieder musterte Harry ihn. Sollte er seine Gedanken laut aussprechen oder es sein lassen? Zögerlich fragte er: „Warum klingt es immer so, als hättest du da schon Erfahrung?“ Zuerst kam keine Antwort und der Gryffindor rechnete auch nicht mit einer, doch dann zog der Slytherin eine Augenbraue hoch und wandte sich schließlich dem anderen zu. „Nie gemerkt, dass ich mich anders gebe?“ Seine Maske? Natürlich hatte Harry die bemerkt, wahrscheinlich sogar jeder Schüler. Aber von Syndia wusste Harry, dass Severus diese Maske nicht immer getragen hatte. War sein Vater Schuld? Oder hatte es was mit Lily zu tun? Die Vorfälle mit dem Irrwicht und dem Pogrebin hatte er nicht vergessen. „Natürlich habe ich das gemerkt“, antwortete Harry fast flüsternd und suchte etwas in den Augen des anderen, doch Severus zeigte keine Regung. „Warum musst du dann noch fragen?“, murmelte der Slytherin und wandte sich ab, um zum Bett zurückzugehen. „Ich habe viel gesehen.“ Grübelnd sah Harry aus dem Fenster. Wahrscheinlich war er der erste Mensch, dem Severus gegenüber zugegeben hatte, dass er überhaupt eine Maske trug. Konnte es wirklich sein, dass der Tränkemeister ihm nun endlich vollkommen vertraute? Ein Schmunzeln huschte über Harrys Gesicht. Zusätzlich war er auch noch einer der wenigen Menschen, die hinter die Maske geblickt hatten. Bei dem Gedanken, was Severus ihm aber eigentlich damit sagen wollte, wurde der Gryffindor wieder ernst. Er sollte sich auch eine Maske anschaffen? „Ich werde mich nie verstecken können“, gestand er, ohne sich umzudrehen. „Das weiß ich“, kam die murrende Antwort. „Ich habe dir oft genug gesagt, dass du dein Herz zu sehr auf der Zunge trägst.“ Kapitel 46: Der Beobachter -------------------------- „Hier sind sie“, legte Hermine die Tagespropheten der letzten Wochen auf Harrys Bett, die der Gryffindor angefordert hatte. „Bist du sicher, dass du dir das antun willst?“ „Ich will wissen, was sie über Severus geschrieben haben“, erklärte Harry ungeduldig und schnappte sich sogleich die erste Zeitung. „Severus?“, rümpfte Ron die Nase und sah seinen Freund verwundert an. Der Schwarzhaarige sah auf und suchte nach Worten, um sich zu erklären. Doch für so etwas hatte er jetzt keine Geduld und winkte unwirsch ab, nur um dann wieder hinter der Zeitung zu verschwinden. Bereits der erste Prophet nach ihrem Verschwinden trug die Schlagzeile „Harry Potter verschwunden! Ministerium hält ihn für todgeweiht“. Natürlich hielten sie es nicht für wichtig auch Severus in den Titel einzubauen. Ächzend blätterte Harry die genannte Seite auf.   „Gestern Abend verkündete das Ministerium, Harry Potter und Severus Snape seien durch einen Unfall im geheimnisvollen Necrandolas gelandet. Necrandolas ist ein unterirdisches Labyrinth, das vor Jahrhunderten erbaut wurde, um Verbrecher dort ihre Strafe verrichten zu lassen. Den Sagen zufolge hat noch nie ein Mensch diese Tunnel lebend verlassen. Harry Potter gelangte durch einen Portschlüssel in dieses Labyrinth, der versehentlich in seine Hände gelangte. Augenzeugen berichten, dass Severus Snape zu unserem Helden geeilt war und mit dem Portschlüssel mitgezogen wurde. „Es passierte auf einem Trödelmarkt“, erzählt uns eine nette, alte Dame aus Hogsmeade. „Da stand allerhand Gerümpel herum und plötzlich entstand ein fürchterliches Geschrei. Ich konnte nicht viel sehen, weil auf einmal tierisch herumgeschubst wurde, doch dann sah ich, wie Harry Potter und dieser Mann plötzlich verschwanden. Eine Frau kam angerannt, aber die war nicht bereit uns zu sagen, was passiert war. Sah völlig fertig aus die Arme.“ Bei der beschriebenen Frau handelt es sich um Syndia Levin, geborene Snape und Severus Snapes Schwester. Auch nach mehrmaligen Anfragen war sie nicht bereit mit uns zu kooperieren und Informationen preiszugeben. Auch das Ministerium hält sich bisher bedeckt. Auf die Frage hin, warum sich solch ein Portschlüssel zwischen Trödel befand, erhielten wir keine aussagekräftige Antwort. Auch als wir erfahren wollen, was das Ministerium unternehmen wird, um Harry Potter zu retten, wird uns ausgewichen. Wir kommen also zu der Erkenntnis, dass Zaubereiminister Scrimgeour keine Möglichkeit findet, unserem Helden zu helfen. Mochten die Tage bisher düster gewesen sein, so werden sie jetzt noch dunkler ohne unseren Hoffnungsschimmer Harry Potter.“   Harry war erstaunt. Der Bericht legte keine verrückten Theorien auf den Tisch, sondern blieb mal bei der Wahrheit. Oder hatte das Ministerium Druck gemacht? Durchaus wahrscheinlich, allein schon weil Voldemort mit keinem Wort erwähnt wurde. Der positive Eindruck wurde jedoch mit dem nächsten Propheten wieder zerstört. Auf dem Titelblatt war Rita Kimmkorn zu sehen und darüber stand „Der Fall Harry Potter. Unfall oder Absicht? Kimmkorn äußert ihre Vermutungen“. Mit einem genervten Augenverdrehen blätterte Harry um und machte sich auf das schlimmste gefasst.   „Drei Tage ist es her, dass unser großer Held Harry Potter von der Bildfläche verschwunden ist. Zaubereiminister Scrimgeour liefert keine neuen Informationen und langsam kommen Zweifel an der Geschichte auf. „Es gibt viele Ungereimtheiten in der Geschichte, die das ganze unglaubwürdig erscheinen lassen“, berichtet uns Rita Kimmkorn. Als wir nachfragen, weiß sie gar nicht wo sie anfangen soll. „Zunächst einmal frage ich mich, warum plötzlich ein Portschlüssel zu einem Labyrinth in Harry Potters Hände gelangen sollte, welches seit vielen vielen Jahren nicht mehr genutzt wurde. Tatsächlich ist das alles schon so lange her, dass der Großteil der Bevölkerung dieses Necrandolas überhaupt nicht mehr kennt. Da ist es schon seltsam, dass ausgerechnet Potter einen Zugang dazu finden soll.“ Als wir fragen, was sie glaubt, was wahrscheinlich passiert ist, erzählt sie geheimnisvoll: „Findet ihr es nicht auch merkwürdig, dass ausgerechnet Severus Snape mit verschwunden ist? Das Ministerium behauptet, er habe Potter retten wollen, doch warum sollte er das tun? Es ist ein offenes Geheimnis, dass die beiden sich auf den Tod nicht ausstehen können und apropos Tod: Wir sollten nicht vergessen, dass Severus Snape ein Todesser war, der freigesprochen wurde. Ich war damals persönlich bei seiner Anhörung dabei. Severus Snape hat offen zugegeben ein Todesser zu sein und nur durch Dumbledores Schutz hatte er das Glück, nicht in Askaban zu landen.“ Bei unserer Frage, ob sie meint, dass Severus Snape Schuld an Potters Verschwinden sei, lacht Rita erheitert auf. „Aber natürlich steckt er dahinter. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Severus Snape den Jungen entführt hat. Mit ziemlicher Sicherheit hat er ihn zu seinem Herren gebracht und ist jetzt selbst bei ihm oder auf der Flucht. Das Ministerium verkauft uns diese Geschichte mit dem Labyrinth nur, weil Dumbledore Snape mal wieder in Schutz nimmt und die Sache vertuschen will.“...“   Mit einem Knurren legte Harry die Zeitung beiseite. Dass Severus keine Beachtung geschenkt wird, hatte er schon vermutet, aber dass er jetzt der Täter gewesen sein soll? Und dass sie nie in Necrandolas gewesen sein sollen? So etwas schaffte wirklich nur Kimmkorn zu vermarkten. Seine beiden Freunde hatten Harry die ganze Zeit beim Lesen beobachtet und befürchteten offensichtlich einen Gefühlsausbruch. Besonders bei Hermines Blick versuchte Harry sich zu beruhigen. Er wollte nicht jeden Tag austicken und die Leute um sich herum verschrecken. Wenn er so weitermachte, würde man ihn noch ans Bett ketten. Also schloss er die Augen und atmete tief durch. Doch jetzt, wo sie beide wieder aufgetaucht waren, hatten sie doch den Beweis, dass Severus unschuldig war, oder? Um das herauszufinden, schnappte der Gryffindor sich auch die neueren Zeitungen. Als nächstes hatte er eine Ausgabe in der Hand, wo seine Todesanzeige auf dem Titelblatt prangte. Auf dem Bild dazu waren zwei Grabsteine zu sehen: Ein besonders prunkvoller, der mehr einem Denkmal als einem Grabstein ähnelte und einem kleinen, kaum auffallenden Stein. Harry fiel es nicht schwer zu erraten, welcher Stein für wen errichtet worden war. Zusätzlich gab es in dieser Ausgabe noch ein Sonderblatt, was wohl eine Kurzbiographie von Harry darstellen sollte. Ohne diese weiter zu beachten, blätterte er die nächsten Zeitungen durch. Dass sie Necrandolas wieder verlassen hatten, stand auch schon in der Zeitung, allerdings merkte man, wie gut Dumbledore bisher dichtgehalten hatte. Weder der Prophet noch das Ministerium schien irgendwelche Informationen zu haben. Das bedeutete allerdings auch, dass die Presse alles daran setzen wird, ein Interview mit Harry führen zu können und allein bei dem Gedanken wurde ihm schlecht. Wie lange wird Dumbledore ihn noch schützen können? Zwei, drei Tage? „Harry?“, riss Hermines unsichere Stimme den anderen aus seinen Gedanken. Seufzend legte er die Zeitungen beiseite und fragte: „Was sagen die Hogwarts-Schüler dazu? Haben die Kimmkorn geglaubt?“ „Du kennst das doch“, zuckte Ron mit den Schultern. „Einige ja, einige nein aber großes Getuschel gibt es auf beiden Seiten.“ „Man könnte eigentlich denken, sie hätten aus der Vertuschungsaktion von Fudge gelernt“, zischte Hermine bissig. „Na so lange sie mich in Ruhe lassen...“, stockte Harry, als dieser junge Mann mit einem Tablett hereinkam und dieses auf Harrys Nachttisch stellte. „...kann mir das fast egal sein.“ Der Mann war ihm inzwischen als Mr Jones vorgestellt worden, der bei Madam Pomfrey ein Praktikum absolvierte. Bis auf die regelmäßigen Untersuchungen, versorgte er ihn und Severus alleine. „Lasst euch von mir nicht stören“, sagte Jones sofort, als er bemerkte, wie das Gespräch erstarb. „Ich möchte nur, dass Sie ein wenig was zu sich nehmen.“ Mit einem Lächeln verschwand er wieder, mit den Blicken von drei Gryffindors im Rücken. „Er ist wirklich ziemlich häufig hier, was?“, überlegte Ron laut. „Vielleicht freut er sich nur eine große 'Berühmtheit' betreuen zu dürfen“, grummelte Harry und besah sich das Tablett. Wie zu erwarten war, war es Brot, aber er war froh nicht nur mehr Suppe und Zwieback zu bekommen. „Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen“, schloss sich Hermine den Überlegungen an. „Dafür tritt er zu selbstsicher auf.“ „Oder er kommt aus dem St. Mungo aus irgendeiner Verrücktenabteilung und ist nur hier, um uns im Notfall in eine Zwangsjacke zu stecken“, setzte Harry seine düsteren Überlegungen fort. „Sag doch nicht so etwas“, keuchte Hermine auf. „Harry, niemand wird dich hier in eine Zwangsjacke stecken.“ „Aber ihr haltet mich für labil. Pomfrey hält mich für labil, selbst Severus behält sie im Auge. Erinnert ihr euch an die Verbände an Severus' Händen?“ Zögerlich nickten die beiden Gryffindors. „Madam Pomfrey sagte, dass er den Spiegel im Bad zerschlagen hat. So wie sie es gesagt hat klingt es, als würde sie uns beide am liebsten ans Bett fesseln. Was ich ihr nicht ganz verübeln kann, immerhin drehen wir hier beide regelmäßig am Rad.“ „Ihr habt ein Trauma durchlitten, das ist alles“, schaltete sich jetzt auch Ron dazu. „Keiner hier hält dich für verrückt. Erst Recht wir nicht.“ Ron klang dabei vorwurfsvoll und Harry senkte seufzend den Blick. Langsam und ruhig setzte Hermine mit sanfter Stimme an: „Harry, wir wissen, dass du Dinge durchleiden musstest, die wir uns wahrscheinlich niemals vorstellen können. Da ist es völlig normal etwas Zeit zu brauchen, bis man sich wieder an den Alltag gewöhnt hat.“ Zögerlich und etwas ängstlich setzte sie hinzu: „Und es ist auch normal Albträume zu haben. Und... Ängste.“ Ohne aufzusehen biss Harry sich auf die Unterlippe und starrte ins Leere. „Es ist alles anders, Hermine. Das Essen, Madam Pomfrey, der Krankenflügel...“, und dann sah er aus dem Fenster, durch das einzelne Sonnenstrahlen fielen, „sogar das Licht hat sich verändert. Wie wird das erst, wenn ich diesen Raum hier wieder verlassen darf? Wie ist der Gemeinschaftsraum? Die anderen Schüler? Hogwarts allgemein?“ Seufzend sah er wieder weg und strich sich erschöpft über sein Gesicht. „Und wie wird erst die Presse sein?“ „Da musst du dir erstmal keine Sorgen drum machen“, versuchte Ron ihn aufzuheitern. „Dumbledore wird die so lange von dir fernhalten, bis du dich ihnen stellen kannst.“ „Und was ist mit Scrimgeour? Der wird sich nicht mehr bitten lassen, wenn ich sogar den Trubel des Unterrichts wieder mitmachen darf.“ „Keine Sorge, wir lassen dich nicht alleine mit ihm“, versprach Hermine. „So hoch seine Position auch sein mag, irgendwo hat er auch mal Grenzen zu akzeptieren.“ Harry sah seine Freundin mit einem schwachen Schmunzeln an. So toll das auch klang, er bezweifelte, dass Scrimgeour sich vordiktieren ließ, wie er sich zu verhalten hatte. Dennoch tat es gut zu hören, wie sehr seine Freunde ihn unterstützen wollten. Das gab ihm ein wenig Sicherheit.   Die nächsten Tage nahmen die Schwellungen an Harrys Rücken und auch Severus' Bein und Rippen ab und Poppy konnte ihre Knochen in Sekundenschnelle heilen, während ihr Mr Jones über die Schulter interessiert zusah. Endlich konnte ihnen dieser lästige Gips abgenommen werden und Harry atmete wieder frei durch. Es war viel angenehmer, sich frei bewegen zu können und nicht immer das Gefühl zu haben ein Korsett zu tragen. An diesem Abend gab es noch eine freudige Nachricht, als Poppy zu den beiden sagte: „Inzwischen müsste sich der Magen wieder eingewöhnt haben. Gibt es irgendwas bestimmtes, was Sie heute Abend essen möchten?“ Sofort drehte Harry sich mit glitzernden Augen um, da er aus dem Fenster den Sonnenuntergang beobachtet hatte und sagte aufgeregt: „Spaghetti, nein, Pizza. Moment, Schnitzel... Hähnchen...“ Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht der Heilerin. „Sie sollten mit der Menge noch ein wenig vorsichtig sein. Es nützt Ihnen gar nichts, wenn der Magen gleich wieder alles loswerden will. Severus, wissen Sie was bestimmtes?“ Besagter Slytherin stellte gerade erste Versuche an, sich ohne Gehhilfen hinzustellen. „Spaghetti klingen gut“, murmelte er und ging zaghaft zum Fenster hinüber. Zwar waren die Knochen geheilt, doch seine Muskeln waren noch ein wenig schwach. Dennoch schaffte er es neben Harry bis zum Fensterbrett, wo er sich an der Kante festhielt. „Ist gut“, nickte Poppy. „Ich werde für Sie mal sehen, ob ich was zusammenstellen kann, Mr Potter.“ Damit verschwand sie wieder hinter dem Vorhang. Harry hingegen beobachtete den Slytherin am Fensterbrett lehnend bei seinen weiteren Gehversuchen. Er hatte wieder einmal seine Haare hinters Ohr gestrichen. Schließlich knurrte der Slytherin auf. „Guck nicht so, als müsstest du auf mich aufpassen. Ich flieg schon nicht hin“, grummelte er. Eine unschuldige Miene aufsetzend beteuerte der Gryffindor: „Ich mache doch gar nichts und ich habe nie behauptet, dass du das nicht alleine schaffst. Im Gegenteil, das sieht schon ziemlich gut aus.“ „Danke, jetzt fühle ich mich wie ein Kleinkind“, kam die murrende Antwort zurück, was Harry schmunzeln ließ. „Egal was ich sage oder tu, es ist falsch. Hab schon verstanden.“ „Wenn du das weißt“, sagte Severus ächzend, als er sich wieder auf sein Bett setzte, „warum hast du es dann nicht in den letzten Jahren versucht zu ändern?“ „Pfe“, schnaufte Harry auf, ohne jedoch verärgert zu sein. „Weißt du eigentlich, dass du der Einzige bist, der das behauptet? Dann liegt der Fehler wohl eher bei dir.“ „Ich mache keine...“, begann der Slytherin, brach jedoch mittendrin ab, sah zur Seite und verzog die Lippen, sodass es wirkte, als würde er sich auf die Zunge beißen. Das entging dem Gryffindor nicht, der den anderen ernst musterte. Er hätte gerne etwas erwidert, aber diese Phrasen von wegen „Fehler sind zum Lernen da“ oder „Jeder macht Fehler“ erschienen ihm selbst hohl und heuchlerisch. Mag sein, dass das bei kleinen Fehlern durchaus angebracht war, aber nicht für die ganz großen im Leben, an die der Slytherin mit Sicherheit gerade dachte. An Fehler, die in Zeiten wie diesen sogar über Leben und Tod entscheiden konnten. „Wie konntest du dich so schnell für ein Essen entscheiden?“, versuchte Harry irgendwie das Thema zu wechseln. „Ich würde mich am liebsten einmal durch die gesamte Palette fressen.“ Severus fasste sich sofort und antwortete: „Mir ist schon einiges eingefallen, aber im Gegensatz zu dir denke ich erst nach, bevor ich den Mund aufmache.“ Unauffällig verdrehte der Gryffindor seine Augen.   Am nächsten Tag kam Luca wieder, um Harry Gesellschaft zu leisten. Sie spielten Kartenspiele, Schach und sogar Snape explodiert, da der Slytherin ohnehin tief und fest schlief. Es war schon verrückt, dass Luca nun genau das tat, was Harry damals nach seiner Gefangenschaft für ihn getan hatte, aber irgendwie tat es auch gut. Es war beruhigend zu wissen, dass es da jemanden gab, der Verständnis für sein Verhalten hatte und ihm keine Fragen stellen würde. Am Nachmittag gesellten sich Ron und Hermine zu ihnen. Während Hermine versuchte, Harry grob auf den aktuellen Stand im Verteidigungsunterricht zu bringen, spielten Ron und Luca gegeneinander Schach. Der Rotschopf musste zugeben, dass der Junge kein leichter Gegner war und musste zum ersten mal seit langem wieder auf ausgeklügelte Strategien zurückgreifen. Als es dämmerte, erschien sogar Syndia und sah stumm beim Schachspiel zu, das sich immer mehr in die Länge zog. Auch Harry hatte sich auf die beiden konzentriert, statt auf das Buch in seiner Hand und musste zugeben, dass er auf einige Schachzüge nie gekommen wäre und einige auch nicht sofort verstand. Ron gab gerade seinem Turm den Befehl sich zu bewegen, als eine knurrende Stimme sagte: „Es wäre besser den Springer umzusetzen.“ Vor lauter Schreck zuckte der Weasley zusammen und sah zu Snape auf, der sich unauffällig in seinem Bett aufgesetzt hatte. Ron öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, doch dann verließ ihn wieder sein Mut und er machte einfach nur stumm seinen geplanten Zug. Syndia wandte sich zu ihrem Bruder um. „Wenn du meinst es besser zu können, können wir auch mal eine Runde spielen“, schlug sie vor. Noch etwas verschlafen schüttelte der Tränkemeister den Kopf. „Irgendwann vielleicht mal, aber nicht hier.“ Ron war gerade dabei seinen triumphalen Zug zu machen, als Dumbledore durch den Vorhang trat. Er schob ihn besonders weit auseinander, sodass alle verwundert aufblickten. Leicht lächelnd trat er ein und blickte dann zurück auf den Vorhang. „Oh, den sollte ich wohl wieder zumachen, nicht wahr?“, meinte er und zog den Vorhang wieder schwungvoll zu. Harry wurde ein wenig mulmig. Wenn Dumbledore hier war, wurde irgendwas von ihnen verlangt. Er sah zu Severus herüber, doch der sah auf einen Fleck neben dem Vorhang, was Harry die Stirn runzeln ließ. „Ich muss euch beide leider um etwas bitten“, begann der Schulleiter langsam und erhielt die Aufmerksamkeit aller. „Severus, Harry, ich fürchte, wenn ich euch eine Begegnung mit dem Minister noch länger ersparen möchte, müsst ihr mir ein wenig von Necrandolas erzählen, was ich an ihn weiterleiten kann.“ Hermine und Ron sahen unsicher zu Harry, der seinen Blick zögerlich an Severus wandte. Dieser sah skeptisch zurück und deutete ihm dann kaum merklich auf die Stelle, auf die er vorhin gesehen hatte. Grübelnd sah Harry dort hinüber, aber da war nichts zu sehen. Aber offensichtlich hörte Severus dort irgendetwas. Sein Blick ging weiter zu Syndia und dann zu Luca. Der Hexe war anscheinend nichts aufgefallen, obwohl sie unsichtbare Dinge sehen konnte und Luca sah ein wenig verkniffen aufs Schachbrett. Bildete sich der Slytherin das also nur ein oder was war hier los? Er sah wieder zum Tränkemeister und erkannte, dass der sich auch über seine Schwester und Luca wunderte. Das war wohl das einzige, was ihn davon abhielt etwas zu sagen. Überraschend riss die Stimme des Direktors die beiden aus ihren Gedanken: „Vielleicht fällt es euch leichter, wenn ihr weniger Zuhörer habt?“ Schluckend sah Harry in all die Gesichter um sich herum, zuletzt in Hermines und nickte dann. Diese nickte ebenfalls und stand auf, ebenso wie Ron und Luca. Syndia warf ihrem Bruder einen fragenden Blick zu, der sich nicht entscheiden konnte, ob sie bleiben durfte oder nicht. Sein Zögern ging lange genug, dass die Hexe sich dazu entschied ebenfalls zu gehen. Nun waren sie mit Dumbledore allein, oder zumindest fast, wenn man Severus' Instinkt vertrauen konnte. „Nun“, begann der Direktor ruhig, „der Minister interessiert sich dafür, mehr über das Labyrinth zu erfahren, da ihm kaum Informationen vorliegen. Wenn ihr mir etwas über den Ausgang erzählen könntet, würde ihn das sicherlich für eine Weile ruhigstellen.“ „Da sind Sie aber optimistisch“, knurrte Severus düster. „Es ist ein Anfang. Ich will euch nicht zu viel ausfragen und ich dachte, diese Information würde euch vielleicht am wenigsten ausmachen.“ Seufzend ergab sich der Gryffindor seinem Schicksal. Es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig. Ein weiterer Blick zum Slytherin zeigte ihm, dass dieser genauso unruhig wurde. Es war schon seltsam, wie sehr sich Harry an den anderen klammerte, um Sicherheit zu bekommen. Vielleicht fiel es ihm ja leichter, wenn er es mehr zu Severus sagte, als zu Dumbledore. Zögerlich befeuchtete er seine Lippen und sagte dann mit trockener Kehle: „Da war eine Einlassung. Ein großer Kreis... ein Fels, vielleicht zwei-drei Meter hoch.“ Dumbledore nickte verstehend und gab keinen Ton von sich, um Harry nicht zu unterbrechen. Der Blick des Gryffindors war nun fest auf die schwarzen Augen von Severus gerichtet, die ihn seine Umgebung vergessen ließen. „Da... da leuchtete etwas an der Wand... in Form einer Hand. Ich hab meine daraufgelegt und eine Schrift leuchtete auf... über meiner Hand und über dem Tor...“ Mit zittrigem Atem stockte Harry. Es war, als würde es auf einmal kälter und dunkler im Raum werden, als würde er wieder diesen muffigen Geruch in der Nase haben, den kalten Luftzug im Gesicht spüren. Er brach den Blickkontakt und sah auf seine Hände, die unruhig miteinander spielten. Plötzlich durchbrach die Stimme des Tränkemeisters die Stille. Leise und etwas schwach sprach er: „Es waren einzelne Worte, auf Altenglisch geschrieben.“ Der Grünäugige sah wieder auf und begegnete den dunklen Augen erneut. Nun waren sie es, die bei ihm Halt suchten. „Es waren Eigenschaften... die man haben muss, um zu beweisen, dass man reinen Herzens ist.“ Stumm sah Severus den Gryffindor eine Zeit lang an, ehe er flüsterte: „Harry hat es geöffnet. Er besaß all diese Eigenschaften.“ Nun war er derjenige, der den Blick senkte. Harry erkannte, dass er beklommen war. Teilweise wegen den Erinnerungen, aber auch, wie der Gryffindor wusste, weil er der Meinung war, dass er nicht reinen Herzens gewesen wäre. Er war viel zu hart zu sich selbst. „Treue, Liebe, Trauer, Mitgefühl... Severus hat die Wörter einzeln vorgelesen und ich habe dann versucht, jedes Gefühl in mir zu erwecken. Eines nach dem anderen.“ Eine kurze Pause entstand, in der Harry hoffte, Severus würde den Blickkontakt wieder aufnehmen, doch dieser ließ den Blick gesenkt. „Ich danke euch“, durchschnitt Dumbledores Stimme die Stille und riss damit beide aus ihren Erinnerungen zurück in den Krankenflügel. „Ich denke das reicht erst einmal. Nun will ich euch nicht weiter belästigen.“ Damit drehte Dumbledore sich um und zog wieder den Vorhang unnötig weit auf. Schließlich drehte er sich noch einmal um und sagte: „Lasst es mich wissen, wenn ich etwas für euch tun kann.“ Und damit verschwand er, den Vorhang wieder zuziehend. Harry sah fragend zum anderen, der den Vorhang betrachtete. Offenbar war dieses etwas zusammen mit Dumbledore verschwunden. Hatte sich da wirklich jemand mit hineingeschlichen, ohne dass Syndia oder Dumbledore es bemerkt hatten?   Das Abendessen war gerade vorbei und Syndia machte sich auf den Weg zum Krankenflügel. Sie wusste inzwischen, dass es sinnlos war, Severus vor dem Abend zu besuchen, da er den Tag über immer schlief. Als sie den Krankenflügel betrat, sah sie gleich zu Madam Pomfrey und Dumbledore hinüber, die vor dem Büro der Heilerin standen. Ihr Anwesenheit wurde sofort bemerkt und der Direktor winkte sie stumm zu sich herüber. Eine Augenbraue hebend, ging die Hexe zu den anderen, die nun das Büro betraten. Dort in der Ecke saß Mr Jones in einem Sessel und schien nachzudenken. Es war, als würde er die Anwesenheit der anderen gar nicht bemerken. „Nun“, seufzte Poppy auf, nachdem sie ihre Bürotür geschlossen hatte. „Wir sollten uns langsam Gedanken darüber machen, wie es weitergehen soll. Körperlich sind die beiden wieder gesund, sie könnten also theoretisch wieder am Schulalltag teilnehmen.“ „Das ist noch zu früh“, schüttelte Syndia ihren Kopf. „Aber wann sollen sie bereit sein?“, entgegnete die Heilerin. „Sie können nicht monatelang hier bleiben. Das würde es für sie nur umso schwerer machen, wieder in ihr altes Leben zu treten.“ „Schon, aber noch wäre dieser ganze Trubel zu viel für sie.“ „Das ist mir bewusst“, seufzte Poppy. „Das größte Problem ist, dass sie Probleme haben werden, all diese Hektik und Unruhe zu ertragen. Aber das wird mit der Zeit leider nicht besser werden.“ „Ja, das stimmt schon...“, murmelte Syndia und verschränkte überlegend die Arme. Wohl war ihr bei dem Gedanken jedoch nicht. Zwar war Harrys letzter Gefühlsausbruch schon wieder ein paar Tage her, aber wenn erst einmal alle auf sie einstürmten, würde sicherlich sogar ihr Bruder einen bekommen. Dumbledore schaltete sich dazu und fragte: „Was denken Sie, Mr Jones?“ Angesprochener wurde nun von allen dreien angesehen. Er verschränkte die Hände, stützte die Ellenbogen auf seinen Knien ab und strich überlegend mit seiner Lippe über seinen Handrücken. Syndia schluckte kaum merklich und war ein wenig angespannt. Sie hatte an Harrys und Severus' Ausstrahlung sofort erkannt, was sich alles verändert hatte. Aber wie viel hatte dieser Mann gesehen? Und was davon würde er dem Direktor gegenüber aussprechen? Kapitel 47: Der erste Tag ------------------------- Gespannt sahen Dumbledore, Madam Pomfrey und Syndia zu Mr Jones hinüber. Dieser ließ sich Zeit mit seiner Antwort und strich weiterhin mit der Lippe über seinen Handrücken. „Ich denke“, begann er ruhig, „die Eingewöhnung in die Gesellschaft ist nicht einmal das größte Problem.“ Sein Blick traf auf den von Syndia und sie wusste, dass auch er die beiden durchschaut hatte. Als Psychologe auch sicherlich nicht schwer. Aber wenn er Dumbledore erzählen würde, wie die beiden zueinander standen, hätten sie ein großes Problem. Doch die Hexe konnte nicht mehr tun, als angespannt darauf zu warten, was Jones sagen würde. „Viel problematischer ist es, die beiden voneinander zu trennen“, berichtete Jones und Syndia verspannte sich weiter. Dumbledore gab ein leichtes Nicken von sich, während Poppy die Stirn runzelte. „Sie spielen auf das abwechselnde Schlafen an“, vermutete sie. „Nicht nur das. Ja, sie schlafen abwechselnd, das sollte man natürlich nicht außer Acht lassen. Das tun sie mehr aus Instinkt als bewusst. Sie halten praktisch Wache, so wie sie es im Labyrinth getan haben. Und aus diesem Grund werden sie auch kein Auge mehr zu tun, wenn wir sie jetzt trennen. Sie haben nicht mehr die Sicherheit, dass der andere aufpasst.“ Syndia senkte den Blick, während Poppy nachdenklich wurde. Dumbledore ließ sich nicht anmerken was er dachte. „Aber das ist nur das Offensichtlichste“, er wandte sich an Syndia. „Ich denke, Sie haben auch bemerkt, was die beiden miteinander verbindet?“ Nun wurde die Lamia doch nervös. Eine Verneinung würde Jones ihr nicht abkaufen, genauso wie mangelnde Informationen. „Ihre Schwingungen haben sich verändert“, begann sie vorsichtig. „Sie sind... in gewisser Weise voneinander abhängig.“ Hoffentlich reichte ihm diese Halbwahrheit. Nickend stimmte ihr Jones zu. „Sie haben sich aufeinander eingespielt. Sie gehen sehr vertraut miteinander um, verstehen sich ohne Worte und geben einander Halt. Nur durch die Anwesenheit des anderen können sie ihre Erinnerungen in Zaum halten. Das sieht man bei Professor Snape noch besser als bei Mr Potter, denn er hatte sich bisher immer gut im Griff und wenn er unsicher wird, hält er Blickkontakt zu Mr Potter. Sie haben ihr Denken aufeinander eingespielt, instinktiv, weil sie durch die Ausnahmesituation dazu gezwungen worden sind. Sie haben gelernt den anderen zu lesen.“ Jones vertiefte sich immer weiter in seine Beschreibungen, gestikulierte dabei immer mehr und man merkte, dass er versuchte etwas zu beschreiben, das man kaum greifen konnte. „Am besten hat man das gesehen, als sie von dem Ausgang sprechen sollten“, er hob den Blick zu Dumbledore. „Haben Sie mitbekommen, dass Professor Snape meine Anwesenheit sofort bemerkt und es an Mr Potter weitergegeben hat?“ „Ich wusste, dass Severus etwas gespürt hatte, aber dass er sich mit Harry verständigt hat, war mir nicht aufgefallen“, antwortete der Direktor ruhig. „Und dann, als sie erzählen mussten“, fuhr Jones fort, als hätte er seinen Monolog nicht unterbrochen. „Sie haben sich dabei angesehen und gegenseitig unterstützt nicht in ihren Erinnerungen zu ertrinken. Hätten Sie die beiden einzeln befragt, hätten sie entweder nicht antworten können oder eine Panikattacke bekommen. Und ich fürchte, das wird auch passieren, wenn sie getrennt zurück in den Schulalltag geworfen werden. Die ersten Tage werden jede Menge Gefühlsausbrüche auftreten, weil der andere nicht da ist, um zu helfen.“ „Und was schlagen Sie vor sollen wir tun?“, fragte der Direktor und Syndia entspannte sich wieder. Jones hatte nichts erzählt was Severus Probleme bereitet hätte. Dann hatte er vielleicht doch nicht gesehen, wie anziehend sich die beiden fanden, auch wenn sie dagegen angingen. „Am besten wäre es, sie langsam einzugewöhnen“, schlug Jones vor. „Ich weiß nicht inwieweit das möglich ist, aber sie sollten die Möglichkeit bekommen, sich jederzeit zurückzuziehen. Und ich würde vorschlagen sie erst einmal nur zu Ereignissen zu verpflichten, wo sie beide gleichzeitig anwesend sind.“ „Also soll Severus nur die Slytherins und Gryffindors aus dem 6. Jahrgang unterrichten?“, fragte Poppy stirnrunzelnd und bezweifelte, dass man das so durchsetzen könnte. „Zumindest am Anfang“, nickte Jones. „Wenn das möglich ist. Ich weiß nicht, wie die Kapazitäten im Kollegium aussehen.“ „Dass Severus nicht von einem Tag auf den anderen wieder voll arbeiten soll, ist selbstverständlich“, schaltete sich der Direktor dazu. „Wir können das zwar nicht in allzu kleinen Schritten angehen, aber ich denke, Severus wäre sowieso beleidigt, wenn wir ihm so wenig zutrauen würden. Ich würde sagen, fürs erste werde ich sie nur bitten an den Mahlzeiten in der großen Halle teilzunehmen.“ Zweifelnd zog Syndia eine Augenbraue hoch. Dumbledore wollte die beiden der gesamten Schülerschaft aussetzen? Andererseits hatte er Recht. Wenn Severus auch nur dieses Gespräch hier gerade mitbekommen hätte, wäre er an die Decke gegangen. Sie sollten die beiden nicht zu sehr versuchen zu schonen. Aber sie beide erst einmal vom Unterricht zu befreien, klang ganz vernünftig.   Harry atmete tief durch und versuchte sich seinem Schicksal zu ergeben. Mitfühlend strich Hermine ihm über den Arm und wartete ab. Sie standen vor dem Tor zur großen Halle, aus der das gewohnte Stimmengewirr zur Essenszeit schallte. Es wäre das erste Mal, dass Harry sich seinen Mitschülern stellte, obwohl er bereits heute Morgen aus dem Krankenflügel entlassen worden war. Er hatte die Zeit der ersten Unterrichtsstunde genutzt, um unauffällig auf das Schlossgelände zu flüchten und war dort den gesamten Vormittag geblieben. Von Severus wusste er, dass dieser sich sofort im Keller verbarrikadiert hatte. Doch Dumbledore hatte von ihnen verlangt zum Mittagessen zu erscheinen und so blieb Harry nichts anderes übrig, als sein Versteck am See zu verlassen. „Dumbledore hat den Schülern verboten dir oder Snape Fragen zu stellen“, versuchte Hermine ihren Freund zu ermutigen. „Gehen wir einfach rein als sei nichts gewesen und ignorieren die anderen, okay?“ „So war eigentlich auch mein Plan“, murmelte der Schwarzhaarige, doch ein wenig zweifelte er daran, dass es funktionieren würde. Er raffte seinen Mut zusammen und ging durch das Tor. Es dauerte einige Sekunden, bis seine Anwesenheit bemerkt wurde. Immer mehr Blicke wandten sich ihm zu und in der Halle wurde es zunehmend ruhiger. Ron und Hermine gingen jeweils zu einer Seite von Harry und warfen besonders stark gaffenden Schülern böse Blicke zu. Als sie die Hälfte des Weges hinter sich hatten, begann das Getuschel. Ohne seinen Blick schweifen zu lassen, ging Harry zum Gryffindortisch und setzte sich neben Neville, der ihm bereits Platz gemacht hatte. Erst als er saß, wagte er es, die Halle zu betrachten. Die Lampen an den hohen Wänden gaben so ein warmes Licht ab und die verzauberte Decke sah atemberaubend aus. Es war, als würde Harry sie zum ersten Mal sehen. Als sein Blick zum Lehrertisch wanderte, begegnete er dem des Direktors, der warm lächelte. Die Plätze von Severus und Syndia waren noch leer. Inzwischen war es wieder unglaublich laut in der Halle und der Gryffindor wusste genau, dass gerade alle über das gleiche sprachen. Sein Blick hellte sich jedoch auf, als er die Speisen auf dem Tisch sah. Alles sah so unglaublich köstlich aus und er konnte nicht fassen, dass ihm nie aufgefallen war, wie unglaublich viel das alles war. Davon hätten sich die Schüler hier eine Woche lang ernähren können und es wurde ihnen nur als eine von drei Mahlzeiten am Tag aufgetischt. Was geschah denn mit dem restlichen Essen? Das wurde doch nicht weggeschmissen, oder? Harry war so damit beschäftigt das Essen zu bewundern, dass er gar nicht mitbekam, wie seine Freunde versuchten, sich so unbeschwert wie möglich zu unterhalten. Er füllte sich schließlich den halben Teller mit Gemüse voll, in der Absicht, so wenig Essen wie möglich übrig zu lassen. Man sah zwar, dass Dean ein Kommentar auf der Zunge lag, er sich aber nicht traute diesen auch wirklich auszusprechen. Nachdem der Grünäugige seine ersten Bissen genommen hatte, sah er erneut zum Lehrertisch, wo gerade die beiden Snapes erschienen waren. Erneut veränderte sich das Raunen in der Halle, doch verstummen taten kaum welche. Dennoch wurde der Tränkemeister nicht von Blicken verschont. Er sah nur giftig wie immer zurück und füllte sich dann etwas auf. Unglaublich. 'Er benimmt sich wie immer.', stellte Harry anerkennend fest. Im gleichen Moment jedoch stockte er schockiert über seinen Gedanken. Er kannte den anderen inzwischen gut genug, um zu sehen, dass diese kühle Art eine reine Abwehrreaktion war, aber erst jetzt, wo Harry bemerkte, dass er diese Abwehrreaktion schon seit Jahren zeigte, wurde ihm bewusst, was das über den anderen aussagte. Er versteckte seine wahren Emotionen schon seit er ihn kannte. Warum hatte Harry all die Jahre nicht erkannt, wie es Severus wirklich ging? Das war doch so offensichtlich, so blind konnte doch keiner sein! Der Blick des Gryffindors glitt zu den Schülern, die ebenfalls Severus musterten. Schulterzuckend taten sie ihre Beobachtungen ab und aßen weiter. Doch, offenbar konnte man so blind sein. Harrys Blick traf sich mit dem von Severus und der Gryffindor nickte leicht auf die Aussage hin, die hinter dem Blick des Slytherins steckte. Sie würden es schaffen so zu tun, als würde für sie wieder der normale Alltag eintreten. Und je besser sie sich verkauften, desto schneller würde das Getuschel verstummen. Doch das bedeutete gleichzeitig, dass sie auf Abstand gehen mussten und das verunsicherte den Gryffindor. Er würde Severus nur noch im Unterricht sehen und musste dort so tun, als sei ihm der andere völlig egal. Den Blick des Slytherins hatte er nicht vergessen, als sie gemeinsam den Krankenflügel verlassen hatten. Von nun an trennten sich ihre Wege wieder. Und Harry hatte den starken Drang, den anderen an sich zu ziehen, niederkämpfen müssen. Ihn ein letztes Mal zu spüren, seinen Duft einzuatmen... Doch dann schossen ihn wieder Severus' harte Worte durch den Kopf und ihm wurde bewusst, dass der andere das nicht gewollt hätte. Kopfschüttelnd hatte Harry dieses Gefühl daher verdrängt. Doch warum hatte in Severus' Augen kurz etwas anderes aufgeblitzt? Warum hatte er ihn so angesehen, als würde er selbst gegen diesen Drang ankämpfen? Sie hatten stumm in der Eingangshalle gestanden und sich einfach nur angesehen, wissend, dass das der letzte Zeitpunkt war, zu dem sie sich der Nähe des anderen sicher sein konnten. Ein stummer Abschied. Harry hatte gerade etwas sagen wollen, als Severus flüsterte: „Zeige den anderen keine Schwäche, dann werden sie dich irgendwann in Ruhe lassen.“ Zögerlich hatte Harry sich auf die Lippe gebissen und kaum merklich genickt. Damit hatte sich der Slytherin umgedreht und war in Richtung Kerker davongegangen, während Harry ihm hinterher gesehen hatte. Mit so vielen Worten auf der Zunge, die er hatte aussprechen wollen und es doch nicht konnte. Nun glaubte Harry wieder etwas in Severus' Blick zu sehen, während die Mitschüler sie ausnahmsweise mal nicht beachteten. Aber gleichzeitig wusste Harry, dass Severus einen Schlussstrich gezogen hatte. Mit der Entlassung aus dem Krankenflügel war das Thema Necrandolas und alles, was damit zu tun hatte, abgehakt. Oder zumindest versuchte er es, versuchte es zu verdrängen. Warum war er so gut darin? Zur Zeit konnte Harry dieses Talent durchaus gebrauchen. Seufzend wandte Harry sich wieder seinem Teller zu und schaufelte sich die nächste Portion darauf. So viel er auch aß, es wurde nicht weniger, auch wenn er wusste, dass die Schüsseln nur erneuert wurden, wenn sie leer waren. Er hatte vorgehabt nur einen kleinen Rest übrigzulassen, damit so wenig wie möglich weggeschmissen werden würde. Als das Mittagessen vorbei war, drängten die Schüler zu ihren Unterrichtsstunden. Harry verabschiedete sich von seinen besorgten Freunden und marschierte in Richtung Gryffindorturm. Zögerlich nannte er das Passwort und betrat den Aufenthaltsraum. Es waren kaum Schüler da, doch diese wandten sofort ihrem Blick Harry zu, blieben jedoch stumm. Sie schienen Dumbledores Anweisung wirklich ernstzunehmen und Harry war dankbar dafür. Ohne irgendwen weiter zu beachten, ging der Schwarzhaarige die Treppe hinauf zu den Schlafsälen. Mit einem seltsamen Gefühl öffnete er die Tür. Die Betten von Dean und Ron waren zerwühlt, während Nevilles und seines frisch gemacht aussahen. Langsam trat er auf sein Bett zu. Es sah aus, als wäre er niemals einen Monat fort gewesen. Als hätte er erst letzte Nacht noch darin geschlafen. Nicht einmal auf seinem Nachttisch war Staub zu finden. Offenbar hatten die Hauselfen jeden Tag alles geputzt. Mit zittrigen Händen griff Harry nach dem Bilderrahmen, den er neben seinem Bett aufgestellt hatte und strich sanft über das Foto seiner Eltern, während sich seine Brust schmerzhaft zusammenzog. Wie oft hatte er sich gewünscht, es noch einmal betrachten zu können, ein letztes Mal. Es hatte auf ihn wie ein Rettungsanker gewirkt, den er nicht haben konnte, aber dringend gebraucht hätte. So gerne hätte er das Foto bei sich gehabt, während er sterben würde. Ein Kratzen ließ ihn aufsehen und zum Fenster blicken. Dort auf dem Fenstersims saß eine wohlbekannte, weiße Eule und bat um Einlass. Schnell lief Harry zum Fenster und öffnete es, woraufhin Hedwig in den Raum flatterte und sich schuhuend auf Harrys Schulter niederließ. Ein breites Lächeln schlich über Harrys Lippen und er strich sanft über das Gefieder seiner treuen Gefährtin, die fröhlich an seinem Ohr knabberte und ein erneutes Schuhuen von sich gab. Ihre Federn waren so unglaublich weich. „Na meine Schöne“, flüsterte Harry mit kratziger Stimme, da er einen Kloß im Hals bekam. „Hast du mich vermisst?“ Hedwig ließ ihre Flügel kurz aufflattern und Harry lachte auf. Dann schmiegte er seinen Kopf an das unglaublich weiche Gefieder und schloss die Augen. „Ich dich auch“, sagte er, ehe seine Stimme versagte und er gegen die Tränen ankämpfte. Hedwig wiederzusehen schmiss ihn stärker aus der Bahn als alles andere. Wo Hedwig war, da war sein Zuhause. Sie strahlte die Ruhe und Wärme aus, nach der er sich die ganze Zeit gesehnt hatte. Eine ganze Weile war nur Harrys stoßweise gehender Atem und das gleichmäßige Klackern von Hedwigs Schnabel zu hören. Dieses Geräusch beruhigte den Grünäugigen ungemein und er sah lächelnd auf. Die Eule wandte ihm das Gesicht zu und begann wieder mit dem Klackern, wofür Harry ihr durchs Gefieder streichelte. „Jetzt ist alles wieder gut“, flüsterte er. „Ich bin wieder hier und ich lass dich auch nicht mehr im Stich. Versprochen.“ Ein Gurgeln kam aus der Kehle der Eule und Harry setzte sich mit ihr aufs Bett, wobei sie auf seinen Schoß flatterte. Während er Hedwig streichelte, wanderte Harrys Blick durchs Zimmer. Es war alles so vertraut. Der Geruch, die Atmosphäre, die Wärme... und dennoch war irgendwas anders. Es war, als würde er in die Vergangenheit geschickt werden. Wie, wenn man nach Jahren sein altes Kinderzimmer betrat und an all die wunderbaren Erinnerungen und Gefühle zurückdachte, man jedoch wusste, dass das gute alte Zeiten waren, die man nie wiederbekommen würde. Würde das Gefühl die ganze Zeit bleiben? Seufzend machte Harry sich lang, entschied sich dann aber, das Kissen beiseitezuschieben. Mal sehen, wie gut er heute Nacht schlafen würde.   „Harry, du musst die Bohnen nicht essen, wenn du sie nicht magst“, wandte Ginny sich an den Gryffindor, als er sich beim Abendessen unermüdlich den Teller mit Bohnen vollfüllte, obwohl er sichtlich mit denen zu kämpfen hatte. „Aber sonst isst die ja keiner“, erwiderte er und begann wieder damit, seinen Teller zu leeren. „Na und? Man kann nicht alles mögen“, entgegnete Dean stirnrunzelnd. „Wir müssen das nicht alles essen.“ Mit giftigem Blick sah Harry zu ihm auf. „Aber wenn das keiner isst, wird es weggeschmissen.“ „Na und?“, fragte Dean erneut unverständlich. So langsam ahnte Hermine, worauf Harry hinauswollte und warf Dean einen warnenden Blick zu. Doch der ignorierte sie. „Dann wird es eben weggeschmissen. Die Hauselfen hätten sonst eh Angst, dass wir nicht satt geworden wären...“ „Es gibt so viele Menschen auf der Welt, die hungern müssen und wir sollen absichtlich etwas wegschmeißen, um zu zeigen, dass wir satt sind?!“, unterbrach Harry ihn unwirsch und wurde langsam wütend. „Harry, Dean meinte nicht...“, versuchte Hermine zu schlichten, doch es war zu spät. Harry war bereits in Fahrt gekommen. „Nahrung ist überlebenswichtig und nur weil man meint so krütsch sein zu müssen etwas nicht zu mögen, muss man es nicht gleich wegschmeißen. Dann muss man sich eben zusammenreißen und sollte lieber dankbar dafür sein, dass man überhaupt etwas hat!“ „Harry, bitte“, versuchte Hermine es erneut und berührte seinen Arm. Doch damit machte sie nur alles schlimmer. Aufgebracht schlug Harry ihren Arm weg und stand auf. Inzwischen hatten sich die anderen Mitschüler ebenfalls zu ihm umgedreht und lauschten gebannt. „Nein, Hermine! Ihr habt doch gar keine Ahnung was Hunger bedeutet! Ihr habt noch nie in eurem Leben gehungert!“ Inzwischen schrie er so laut, dass alle mithören konnten und Harry war das sogar recht. Denn jeder einzelne hier im Raum wusste sein Essen nicht zu schätzen, da war er sich sicher. „Ihr jammert schon herum, wenn ihr eure drei Mahlzeiten am Tag nicht bekommen könnt und behauptet dann Hunger zu haben! So ein Bullshit!! Esst mal eine Woche lang nichts, vielleicht lernt ihr dann euer Essen mal zu schätzen!!“ „Potter, es reicht!“, rief ihm auf einmal eine tiefe Stimme entgegen. Er wurde an den Schultern gepackt und umgedreht, nur um dann in diese vertrauten, schwarzen Augen zu blicken. „Es ist gut, kommen Sie wieder runter“, knurrte Severus. Seine Stimme mochte wütend klingen, doch seine Augen verrieten, dass er es nicht war. „Aber wenn sie...“, begann Harry erneut. „Nein, Potter!“, unterbrach der Tränkemeister ihn bestimmt. „Aber... ich... Die haben doch KEINE Ahnung!!!“ Wollte ihn denn keiner verstehen? Musste er sich dafür die Seele aus dem Leib schreien? „Komm mit“, murmelte Severus und schob Harry bestimmt Richtung Ausgang. „Nein, lass... LASS MICH!“ Der Grünäugige wollte Widerstand leisten, doch der Slytherin ließ nicht locker. Wie gebannt sahen die Schüler zu, wie Snape den völlig hysterischen Harry aus der Halle schob, der immer noch herumschrie. Keiner wagte zu sprechen und auch Harrys Freunde waren geschockt. Als die beiden den Raum verlassen hatten, entstand eine bedrückende Stille, in der sich alle gegenseitig ansahen. Dean sah verwirrt aus, während Ron und Hermine bedrückt ratlose Blicke austauschten. Dann begann das Getuschel laut zu werden. Man konnte heraushören, dass es von negativer Art war und Neville warf seinen Mitschülern vorwurfsvoll Blicke zu. „Wie ich bereits sagte“, durchschnitt auf einmal Dumbledores Stimme die Gespräche und es wurde wieder still, „haben die beiden Dinge durchmachen müssen, die sich vermutlich niemand von euch auch nur vorstellen kann. Deshalb bitte ich um Nachsicht. Fragt sie bitte nicht über das aus, was ihnen widerfahren ist und habt bitte Verständnis dafür, wenn sie sich seltsam benehmen sollten. Es wird einige Zeit dauern, bis sie sich wieder eingewöhnt haben.“   Severus bog mit Harry hinter dem Tor zur großen Halle um die Ecke, um ein wenig Abseits zu stehen. Noch immer wehrte sich der Gryffindor. „Lass... warum verstehst du nicht...“ „Harry, reiß dich zusammen!“, schüttelte Severus ihn leicht und hielt ihn an den Schultern fest, damit er aufhörte sich zu wehren. „Sie verstehen nicht, was sie...“ „Ich weiß, Harry, aber dagegen kannst du nichts tun. Jetzt sieh mich endlich an!“ Völlig abgekämpft sah Harry auf und ließ sich von den schwarzen Augen in den Bann ziehen. Aus irgendeinem Grund wirkten sie beruhigend auf ihn und er hörte auf sich zu wehren. Erst jetzt, wo sein Atem sich langsam beruhigte, begriff er, was passiert war. Er hatte die Kontrolle verloren, war schon wieder ausgetickt. Und Severus war der einzige, der in der Lage war, ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Er gab ihm Halt, Sicherheit. Beschämt senkte Harry den Blick, während Severus seufzend seine Schultern losließ. Der Gryffindor schloss die Augen und entspannte sich. Er hatte versagt. Bereits am ersten Tag hatte er die Beherrschung verloren. „Ich bin so ein Idiot“, murmelte er leise und strich sich übers Gesicht. „Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung“, erwiderte der Slytherin. Vor ein paar Wochen wäre Harry bei diesem Kommentar noch ausgetickt, doch jetzt erkannte er, dass Severus ihn nur necken wollte. Er sah zum Slytherin auf und war wieder verblüfft darüber, wie viel Ruhe dieser ausstrahlte. Aber er erkannte noch etwas anderes. Severus würde nicht zulassen, dass Harry sich jetzt selbst bemitleiden und verkriechen würde. Nein, er verlangte genau das Gegenteil von ihm. „Ich muss wieder zurück in die Halle“, sprach Harry den Gedanken laut aus und und erhielt ein Nicken vom anderen. Seufzend sammelte Harry sich, während Severus wieder einen normalen Abstand zu ihm einnahm. War es Zufall, dass im gleichen Moment Schüler um die Ecke bogen? „Entschuldige“, murmelte der Grünäugige, ohne Blickkontakt mit dem anderen aufzunehmen. „Das solltest du eher zu deinen Freunden sagen. Sie sind diejenigen, die du jedes Mal angreifst.“ Seufzend nickte Harry. Er hatte ja Recht. Seine Freunde taten alles, um ihm das Leben zu erleichtern und er brüllte sie nur an. Das war nicht fair von ihm. Noch einmal tief durchatmend sah Harry auf und Severus ging einen Schritt zurück, um ihn vorbeizulassen. Dann ging Harry entschlossen zurück zur Halle und betrat sie ohne zu zögern. Sofort waren die Blicke wieder auf ihn gerichtet, die alle Unsicherheit oder Skepsis ausdrückten. Kurz hinter ihm betrat Severus die Halle und ließ sich nicht anmerken, dass etwas anders sei als sonst. Als Harry sich zögerlich zurück auf seinen Platz setzte, wagte er es kaum die anderen anzusehen. Als erstes sah er zu Dean, der skeptisch dreinsah, um dann den Blick nacheinander zu Neville, Ginny, Ron und Hermine schweifen zu lassen, die allesamt besorgt aussahen und vielleicht ein wenig abgeschreckt. Er senkte den Blick zu seinem Teller und nuschelte: „Tut mir leid.“ „Ist schon okay“, fand Hermine als erste ihre Sprache wieder und hob den Arm, um über Harrys Rücken zu streichen, zögerte jedoch, als sie an seine letzte Reaktion dachte. Schließlich wagte sie es dennoch und Harry zeigte ein trauriges Zucken der Mundwinkel. Jetzt hatten seine Freunde schon Angst vor ihm. Wie weit würde er noch gehen? Kapitel 48: Schlaflosigkeit --------------------------- Es war Abend. Zusammen mit Ron und Hermine saß Harry im Gemeinschaftsraum vor dem Kamin, den ihre Mitschüler freiwillig hergegeben hatten, als sie ihn hatten kommen sehen. Aus welchem Empfinden heraus sie das taten, wusste Harry nicht ganz einzuordnen. Aus Angst? Oder Mitgefühl? Vielleicht auch Ehrfurcht. Er wusste es nicht, aber egal was es war, es gefiel ihm nicht. Langsam leerte sich der Gemeinschaftsraum und Harry wusste, dass seine beiden Freunde nur noch wach waren, weil sie ihn nicht alleine lassen wollten. Aus schlechtem Gewissen schlug er ihnen schließlich vor, dass sie ruhig schon vorgehen konnten, was für Skepsis sorgte. „Meinst du denn du kannst heute Nacht schlafen?“, fragte Hermine behutsam nach. Harry wollte zu einer ermunternden Antwort ansetzen, doch bei ihrem Blick brachte er es nicht fertig zu lügen. „Wahrscheinlich nicht“, gab er seufzend zu. „Ich werde es versuchen.“ „Wir können uns oben ja noch ein wenig unterhalten“, schlug Ron vor. „Vielleicht schläfst du dann ja irgendwann dabei ein.“ Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht des Schwarzhaarigen. Er wusste ziemlich genau, wer bei so etwas immer als erstes einschlief. Alternative wäre allerdings, die beiden noch länger wach zu halten und so stimmte er zu. Nachdem sie sich in ihre Betten gelegt hatten, begann Ron tatsächlich mit der Unterhaltung. „Weißt du eigentlich, wann Snape wieder anfängt zu unterrichten?“ „Nur, dass er anfangs unseren Kurs übernehmen soll und dann Stück für Stück die anderen“, zuckte Harry mit den Achseln. „Hm“, machte Ron grübelnd. „Wir hatten bisher Professor Babbling als Vertretung. Besonders doll ist die aber auch nicht.“ „Wer?“, runzelte Harry die Stirn. „Professor Babbling. Die unterrichtet eigentlich Alte Runen... und ist genauso verstaubt wie ihr Fach.“ Ein Schmunzeln huschte über das Gesicht des Grünäugigen, ehe er wieder ernst wurde. Runen. Die brauchte man als Zaubertrankexperte sicherlich häufiger als man denkt. Wäre Severus nicht mit in den Höhlen gewesen, hätte Harry niemals herauskommen können, selbst wenn er den Ausgang gefunden hätte. Aus den alten Schriftzeichen wäre er niemals schlau geworden. „Es ist zu spät Alte Runen noch zu wählen, oder?“, schmiss Harry seine Gedanken in den Raum. „Du willst Alte Runen belegen?“, fragte Ron verwundert nach. „Seit wann interessierst du dich denn für sowas? Aber nein, glaube nicht. Man müsste auch viel zu viel nachholen, schätze ich. Wie kommst du auf so eine Idee?“ „Sie können einem das Leben retten“, antwortete Harry ruhig und wusste sofort, dass Ron aufmerksamer wurde. Eine angespannte Stille trat ein. „Gab es etwa welche... dort?“, kam die zögerliche Frage. „Nein“, seufzte Harry und seine Gedanken verdunkelten sich immer weiter, „aber Altenglisch in den alten lateinischen Buchstaben. Hätte Severus das nicht lesen können... wären wir nicht hier.“ Wieder entstand eine Pause. „Oh“, kam vom anderen Bett. „Aber sagte Hermine nicht auch mal etwas von Altenglisch? Dass sie das auch in Alte Runen gehabt hätte?“ „Severus sagte, dass Altenglisch sowohl in Runen als auch später in lateinischen Buchstaben geschrieben wurde“, erklärte Harry und war erstaunt darüber, dass er sich so genau erinnern konnte, wo er zu dem Zeitpunkt doch im Fieberwahn gewesen war. „Was sagt er eigentlich dazu, dass du ihn beim Vornamen nennst?“ Harry stockte kurz, ehe er sagte: „Am Anfang war er nicht sonderlich begeistert... aber eigentlich auch nur, weil er mich nicht an sich heranlassen wollte.“ War das vielleicht immer noch der Grund? Hatte Severus sich das mit dem Instinkt vielleicht doch nur ausgedacht, weil er Harry von sich stoßen wollte? Aber warum würde man so etwas tun? Warum sollte ein Mensch die Einsamkeit wählen wollen? „Schon ein komischer Kerl“, schloss Ron und Harry wusste, dass sein Freund nicht besonders scharf darauf war, weiter über Snape zu sprechen.   Natürlich hatte Harry in dieser Nacht kein Auge zugetan. Stundenlang hatte er wach auf seinem Bett gelegen und in der Gegend herumgestarrt, größtenteils aus dem Fenster. Als es dämmerte, setzte er sich auf das Fensterbrett und wartete auf die Sonne am Horizont. Doch irgendwie war ihm das nicht genug. Rasch und leise ging er zu seinem Koffer und holte die Karte des Rumtreibers heraus. Filch war inzwischen in seine Räume zurückgekehrt und die Lehrer patrouillierten auch nicht mehr. Nur Severus schlich durch die Gänge, auf dem Weg zu den höheren Stockwerken. Kurzum schnappte Harry sich seinen Mantel, zog seine Schuhe über und verließ den Schlafsaal. Die Stille im Schloss war für ihn sehr angenehm. Endlich konnte er wieder in Ruhe genießen in Hogwarts zu sein, ohne dass irgendwelche Schüler herumschwirrten. Diese Ruhe wäre ihm allerdings bei Tage lieber gewesen. Bereits in den ersten Gängen beschlich ihn eine Beklommenheit, die er nicht ganz verstand. Obwohl er eigentlich unauffällig bleiben wollte, entzündete er seinen Zauberstab und erkannte in dem Moment, warum ihm so unwohl war: Die dunklen Gänge erinnerten an Necrandolas. Verärgert biss Harry sich auf die Zunge und versuchte diesen lächerlichen Gedanken zu vertreiben. Das wäre ja noch schöner, wenn er jetzt nicht einmal mehr nachts umherwandern könnte. Er zwang sich ruhig zu bleiben und sich jede Einzelheit in den Gängen anzusehen, um sich besser ins Gedächtnis zu rufen, dass das hier Hogwarts war und somit ungefährlich. Dennoch nahm er den kürzesten Weg zu den äußeren Gängen, die mit großen Fenstern versehen waren und endlich atmete der Gryffindor auf. Hier war es schon viel besser. Als Harry in der Eingangshalle ankam, schob er vorsichtig das Tor ein Stück auf, um auf die Ländereien zu gelangen. Sofort begrüßte ihn das Vogelgezwitscher und eine frische Brise, bei der er genussvoll die frische Luft tief einatmete. Langsam schlenderte er über das Gras hin zu einem Baum, unter den er sich setzte und Richtung verbotenen Wald schaute, hinter dessen Wipfeln ein oranger Streifen den Sonnenaufgang ankündigte. Sein Blick wanderte weiter zum Schloss, welches von den ersten Sonnenstrahlen angestrahlt wurde und dadurch noch imposanter und geheimnisvoller wirkte, als es eh schon war. Als Harrys Blick auf den Astronomieturm fiel, war er sich sicher, dort oben eine Gestalt gesehen zu haben. War das Severus? Sah er sich von dort oben ebenfalls den Sonnenaufgang an? Von dort musste der Ausblick um einiges besser sein. Erst als die Sonne komplett über den Bäumen erschien, erhob sich der Gryffindor und machte sich auf den Rückweg. Die Schüler waren bereits in der großen Halle, um zu frühstücken, doch Harry hatte keine große Lust sich ihnen anzuschließen. Also lief er gegen den Strom zum Gryffindorturm und verzog sich unter die Dusche. Während er das warme Wasser über sich laufen ließ, fragte er sich, wann endlich die Müdigkeit groß genug sein würde, um den Körper zum Schlafen zu zwingen. Er hatte von Madam Pomfrey Traumlostrank mitbekommen, aber den konnte er schlecht nehmen, wenn er gar nicht erst einschlief. Im Krankenflügel hatte er doch auch schlafen können, dann dürfte das hier doch auch nicht so schwer sein! Vielleicht musste er sich nur erst einmal wieder an den Raum gewöhnen. Seufzend hob er den Kopf und streckte sich dem Wasserstrahl entgegen. Er kam sich vor wie ein Kleinkind. Schrecklich! Fehlte nur noch, dass er ein Nachtlicht bräuchte. Seine Freunde würden ihn spätestens dann für verrückt erklären.   Die nächsten Tage ließ der Schlaf weiterhin auf sich warten. Harry versuchte es zwar, indem er sich jeden Abend ins Bett legte und vor der Dämmerung auch nicht wieder aufstand, aber das brachte überhaupt nichts. Eines gutes hatte das ganze trotzdem: Er war zu müde, um weitere Wutausbrüche zu bekommen. Dafür sah Severus jedoch von Mahlzeit zu Mahlzeit zermürbter aus und Harry glaubte zu sehen, dass er seine Schwester jedes Mal anfauchte, wenn sie es wagte ihn anzusprechen. Also konnte er auch nicht schlafen. Irgendetwas müssten sie doch dagegen tun können. „Harry, wie wäre es, wenn ich gleich in der ersten Unterrichtsstunde mit in den Gemeinschaftsraum komme und du machst dich auf dem Sofa ein bisschen lang“, riss Hermines Stimme den Schwarzhaarigen aus seinem merkwürdig schwammigen Zustand. „Habt ihr da nicht Verteidigung gegen die dunklen Künste?“, runzelte Harry die Stirn und war verwundert, dass er den Stundenplan noch auswendig konnte, erst recht bei der Müdigkeit. „Ach, das wird schon kein Problem sein“, winkte die junge Hexe ab und wurde von Neville und Ron mit offenen Mündern angestarrt. „Was?“, zog sie die Schultern hoch. „Du... schwänzt?“, schaute Ron weiterhin ungläubig, während Milch und Cornflakes von seinem Löffel tropften. „Ich sehe das nicht als schwänzen. Professor Levin wird es sicher verstehen.“ „Ist nett gemeint, Hermine“, murmelte Harry erschöpft und strich sich über die Augen, „aber du solltest wegen mir den Unterricht nicht verpassen.“ „Harry, du kannst dich kaum noch auf den Beinen halten vor Müdigkeit. Außerdem muss ich eh noch die Hausaufgaben für Alte Runen fertig machen.“ Skeptisch sah Harry zu seiner Freundin herüber, die ihn eindringlich ansah, bis er seufzend klein bei gab. „In Ordnung. Vielleicht hilft das ja.“ Und so machten sie sich auf den Weg zum Gryffindorturm, während die anderen Schüler Richtung Klassen stürmten. Im Gemeinschaftsraum hetzten noch die letzten Gryffindors herum, die verschlafen oder eines ihrer Bücher verlegt hatten und zu spät zum Unterricht kamen. Nach einigen Minuten kehrte Ruhe ein und Harry und Hermine machten es sich vor dem Kamin gemütlich, Hermine auf dem Sessel, während Harry sich auf dem Sofa lang machte. Während Hermine eines ihrer Bücher hervorkramte, sah Harry geistesabwesend ins knisternde Feuer. Immer wieder spürte er Hermines Blick auf sich ruhen und er wusste genau, woran sie dachte. In den letzten Tagen hatte er bemerkt, dass seine beiden Freunde ihn immer häufiger neugierig ansahen und ihnen dabei etwas auf der Zunge lag. Es war nicht schwer zu erraten was es war: Sie wollten wissen, was in Necrandolas passiert war, so wie jeder Schüler in Hogwarts, doch trauten sie sich nicht zu fragen. Und eigentlich war es ganz gut so, denn bei dem Gedanken daran all die Erinnerungen wieder aufleben lassen zu müssen, schnürte sich ihm die Kehle zu. „Harry, kann es sein, dass...?“, begann Hermine leise, zögerte aber. Fragend zog Harry die Augenbrauen hoch und sah zu ihr herüber. „Dass was?“ Forschend sah Hermine zurück und suchte nach dem richtigen Ansatz. „Hast du mit Professor Snape mal über deine Schlafprobleme gesprochen?“ Nun zog der Gryffindor die Brauen wieder verwundert zusammen. „Warum sollte ich das tun? Denkst du etwa es interessiert ihn?“ Damit wandte er den Blick wieder dem Feuer zu, um Hermine nicht sehen zu lassen, dass dieses Fakt ihn nicht so kalt ließ, wie er es sich wünschte. Warum war da dieser Stich in der Brust?! Verärgert über sich selbst, versuchte Harry dieses Gefühl abzuschütteln. „Ich meine nur...“, sprach die Hexe weiter, „Professor Snape kann sicherlich auch nicht schlafen.“ „Und?“ So langsam fragte der Grünäugige sich, worauf Hermine überhaupt hinaus wollte. „Hast du es denn nicht bemerkt?“, wunderte sich die Braunhaarige und seufzend setzte Harry sich auf. „Hermine, rede nicht um den heißen Brei herum, sondern spucke endlich aus wovon du redest.“ Mit einer leichten Unsicherheit musterte Hermine ihren Freund, der immer ungeduldiger wurde. War sie gerade wirklich so erstaunt, dass er keine Ahnung hatte, wovon sie sprach? Wie sollte er das auch wissen, wenn sie sich immer nur so ungenau ausdrückte? Harry wollte sie gerade erneut auffordern, als Hermine ihr Buch zur Seite legte und sagte: „Du kannst nicht schlafen, weil Snape nicht bei dir ist. Und bei ihm ist es genauso mit dir.“ Völlig perplex öffnete Harry den Mund, um ihr zu widersprechen, ließ den Mund jedoch nur so offen stehen, ohne einen Ton herausbringen zu können. „Du hast das wirklich nicht gewusst?“, klang Hermine immer ungläubiger. „Harry, ihr habt auf der Krankenstation nie gleichzeitig geschlafen, sondern immer nur abwechselnd. Ihr habt Wache gehalten. Und ich bin mir sicher, dass Snape das aufgefallen ist.“ Wieder kam kein Ton aus Harrys Kehle. Konnte sie Recht haben? Ja, wenn er so darüber nachdachte, ergab es Sinn. Warum hatte er nicht daran gedacht? Aber jetzt, wo er das wusste, wusste er trotzdem nicht, wie ihm das weiterhelfen sollte. Sollte er etwa den Rest seines Lebens keine Nacht mehr durchschlafen, nur weil Severus nicht da war? Absurd! Dennoch machte er sich deswegen Sorgen. „Und was soll ich jetzt tun?“, murmelte er und erhielt einen mitleidigen Blick von seiner Freundin, die sich ein wenig vorbeugte. „Vielleicht solltest du Professor Snape darauf ansprechen.“ Sollte er? Aber wie erbärmlich würde das denn herüberkommen? 'Hey Severus, ich kann nicht einschlafen, wenn du nicht bei mir bist. Hältst du mir in Zukunft die Hand, wenn ich ins Bett gehe?' Ja, das würde sicherlich gut beim anderen ankommen. Seufzend raufte sich der Gryffindor die Haare. „Ich fürchte, ich muss damit alleine klarkommen“, murmelte er etwas verloren klingend. „Selbst wenn ich mit ihm darüber sprechen würde, was soll uns das bringen? Wir können nicht in einem Raum schlafen, also müssen wir lernen damit zurechtzukommen.“ Nun war es Hermine, die ratlos aufseufzte. Es war selten keine weiteren Ratschläge von ihr zu hören zu bekommen. Lange wurde er forschend von Hermine angesehen, was ihn irritierte. Schließlich murmelte sie sanft: „Und zwischen euch ist alles... okay?“ Stirnrunzelnd sah Harry seine Freundin an. Was meinte sie denn jetzt damit? Oder hatte sie etwa gesehen, wie Harry versucht hatte, sein Gefühlschaos zu verbergen? Aber wie, wenn vielleicht nicht einmal Syndia etwas gesehen hatte? Oder hatte sie doch? Hatten es alle gesehen und sich nur nichts anmerken lassen? Aber wie hatte er sich denn verraten? Er hatte doch selbst vor Severus versucht, alles zu verbergen und zu verdrängen. Jeden Drang den anderen anzusehen, zu berühren oder anzulächeln hatte er unterbunden. Harrys Gedanken rasten, während er versuchte nach außen hin ruhig und gelassen zu wirken. „Was...“, er räusperte sich, „wie meinst du das?“ „Es ist nur...“, begann die junge Hexe, zögerte dann aber und senkte den Blick zu ihren Händen. „Ich habe mich gefragt, ob ihr... als du und Snape, als ihr den Krankenflügel verlassen habt, ob ihr da alles zwischen euch geklärt hattet.“ „W-was denn geklärt?“, versuchte Harry unschuldig zu klingen und wusste nicht, wo er hinsehen sollte. „Ich weiß nicht genau... es wirkt einfach so, als würde dich noch etwas beschäftigen. Was ihn angeht.“ Sie hatte ihn also tatsächlich durchschaut. Aber zumindest war sie nicht in der Lage, das richtig zu interpretieren, was Harry beruhigte. Dennoch... wäre es denn so schlimm? Nachdem Severus dieses Gefühlschaos so abgetan hatte, war es vielleicht gar nicht schlecht jemanden um Rat zu fragen. Jemanden, der ihm helfen könnte sich selbst besser zu verstehen. Natürlich musste er dafür einige Dinge erzählen, die vorgefallen waren und Ron gegenüber würde er das nicht fertig bringen. Was, wenn sein Freund angewidert das Gesicht verziehen würde? Was, wenn er auf Abstand zu ihm gehen würde, weil Harry offensichtlich Interesse an Männern hatte? Vielleicht war Hermine da der bessere Ansprechpartner. „Naja. Da ist schon etwas...“, wurde Harry zum Schluss hin immer langsamer und leiser, während er nervös seine Handflächen aneinander rieb und ins Feuer sah. „Aber es ist... ein wenig... absurd.“ Interessiert sah Hermine ihn auffordernd an und Harry lehnte sich seufzend zurück. Wo sollte er anfangen? Was wäre er überhaupt bereit zu erzählen? „Es... in Necrandolas ist etwas merkwürdiges passiert“, sprach Harry leise zu seinen Händen. Er bemerkte, wie Hermine sich anspannte, da er das erste Mal dazu bereit war, über das Labyrinth zu sprechen. So gut wie möglich versuchte er das zu ignorieren und suchte nach Worten. „Ich weiß nicht warum, aber... irgendwann...“, seufzend schloss Harry die Augen und entschied sich dafür, es einfach auszusprechen. „Wir sind uns näher gekommen.“ „Was meinst du mit näher?“, fragte Hermine stirnrunzelnd, anscheinend in der Hoffnung seine Worte falsch interpretiert zu haben. Das machte Harry nervös. Was, wenn sie ihn verurteilte? Was, wenn sie sagen würde er sei krank und pervers? Aber sie war seine Freundin und würde ihm so etwas nie ins Gesicht sagen. Denken könnte sie das aber trotzdem. „Na... näher eben...“, murmelte Harry und begann mit den Händen zu gestikulieren. „Ich, also... wir haben uns... geküsst. Oder eher ich ihn. Mehrmals.“ Nervös strich er sich über das Gesicht, bevor er in das der Gryffindor sah. Sie hatte die Augen aufgerissen und er rechnete schon mit einer angeekelten Miene, doch diese kam nicht. Stattdessen schnappte sie nach Luft und suchte nach Worten, ehe sie es aufgab und sich baff nach hinten in den Sessel fallen ließ. „Wow“, brachte sie nur hervor. War das jetzt gut oder schlecht? Harry begann wieder seine Handflächen zu reiben und sah unsicher zu seiner Freundin, dessen Gesichtsausdruck noch immer Verblüffung zeigte. „Aber...“, begann sie und ihr Blick wurde etwas skeptischer, „Harry, er ist...“ „Was, zu alt? Mein Lehrer? Ein Mann? Ich weiß!“, fiel Harry ihr ins Wort, da er diese Anklagen von ihr nicht ertragen hätte. Hermine schloss erneut den Mund, da sie begriff, dass er genau das nicht von ihr hören wollte. „Aber wie... was...?“, stotterte sie, ehe sie sich ruckartig wieder nach vorne lehnte und damit Harry erschreckte. „Das musst du mir genauer erzählen.“ „Was?“, sah Harry verständnislos zurück. „Wieso, was soll man da denn genauer erzählen?“ Sofort begann die Braunhaarige Worte aus sich heraussprudeln zu lassen: „Na wie hat Snape reagiert? Was meinst du mit mehrmals? Wie seid ihr damit umgegangen? Habt ihr darüber gesprochen? Hat er die Küsse erwidert oder hat er dich vielleicht auch mal geküsst? Hat er es genossen oder dich weggestoßen? Was hast du dabei empfunden? Seid ihr weiter gegangen als küssen?...“ „Hermine“, unterbrach Harry ihren Redeschwall und sofort verstummte sie, sah ihn jedoch weiterhin eindringlich an. „Du... willst das wirklich wissen?“ Völlig irritiert sah der Schwarzhaarige zu Hermine, die aufseufzte und eine ernste Miene aufsetzte. „Nur so kann ich es vielleicht verstehen. Es ist... ungewöhnlich, ja, aber vielleicht gibt es da eine vernünftige Erklärung für.“ Harry ließ seinen Blick düster sinken. Also kam sie zu dem gleichen Schluss wie Severus? War es wirklich so unwahrscheinlich, dass die Gefühle echt waren? Skeptisch wurde er betrachtet. „Kannst du erklären, warum du das getan hattest?“ „Keine Ahnung“, hob Harry die Schultern an. „Ich hab einfach... es war... schön und... ich...“ Seufzend zog Hermine ihre Beine auf den Sessel und schlang ihre Arme darum. „Am besten erzählst du mir alles von Anfang an. Wann war der erste Kuss?“ Harry setzte an zu sprechen, doch es fiel ihm schwerer als gedacht und er presste heraus: „Als ich ihm half aufzustehen... als er aufgeben und... einfach sterben wollte.“ Wieder sog Hermine hörbar die Luft ein, fing sich dann aber schnell wieder. „Also... ähm, du wolltest ihn aufmuntern?“, klammerte sie sich offenbar an eine neue Hoffnung. Nachdenklich legte Harry den Kopf schief. „Vielleicht. Oder... eigentlich... nein, ich glaube das war es nicht.“ „Sondern?“ Wieder zuckte Harry mit den Schultern. „Ich... konnte nicht widerstehen. Er stand so dicht vor mir“, murmelte der Gryffindor, während er sich in seine Erinnerung vertiefte. „Ich habe... einfach nicht darüber nachgedacht, sondern es einfach getan.“ „Hattest du vorher schon einmal das Bedürfnis ihn zu küssen?“ Harry schluckte, ehe er nickte und dabei ins Feuer starrte. Eine kurze Stille trat ein. Er spürte, dass Hermine nicht ganz wohl bei diesen Fakten war, aber er rechnete es ihr an, dass sie dennoch versuchte ihm zu helfen. „Und wie ging es weiter? Wie hat er reagiert? Wie hat sich das weiterentwickelt?“ „Er hat sich schon darauf eingelassen... irgendwie. Je öfter das passiert ist, umso mehr. Und irgendwann hat er sogar mich geküsst. Aber meistens war er danach dann wieder distanziert und meckerte an mir herum, wahrscheinlich aus Selbstschutz.“ Geistesabwesend sah Harry in die Flammen. „Und habt ihr darüber gesprochen? Wie soll es weitergehen?“ „Gar nicht“, kam Harry wieder in die Gegenwart zurück und lehnte sich seufzend nach hinten. „Im Krankenflügel hat er mir zu verstehen gegeben, dass wir so weitermachen werden, als sei nie etwas passiert.“ „Aber“, begann Hermine verständnislos, „es ist schon verständlich, dass ihr nach außen hin so tun solltet, als sei nichts passiert, immerhin ist er dein Lehrer. Aber ihr müsst euch doch aussprechen, damit das ein für alle Mal geklärt ist.“ Harry erklärte so gelassen wie möglich: „Er sagte, in Necrandolas seien nur die Hormone mit uns durchgegangen, weil der Instinkt uns zur Fortpflanzung bringen wollte bevor wir sterben.“ Überlegend kaute Hermine auf ihrer Unterlippe und wandte den Blick ab. „Das könnte sein“, murmelte sie schließlich. „Meinst du?“, zog Harry die Augenbrauen hoch. Wenn Hermine das auch sagte, war da ja vielleicht doch etwas dran. Aber warum stach es gerade so in seiner Brust? War das einfach nur eine Nachwirkung, die bald vergehen würde? „Das kannst du am besten beurteilen, Harry“, sah Hermine nun wieder zum Gryffindor. „Wie fühlt es sich inzwischen an?“ Nachdenklich sah Harry auf seine Hände, ehe er murmelte: „Ich weiß es nicht. Irgendwas ist auf jeden Fall anders als sonst. Es tut weh. Aber vielleicht liegt das nur daran, dass wir so lange zusammen waren und es legt sich wieder.“ „Das ist gut möglich“, antwortete Hermine und musterte ihren Freund genau. „Ich kann verstehen, dass du verwirrt bist, aber ich denke etwas anderes als Abwarten kann man nicht tun. Bestimmt legt sich das bald, wenn du dich hier wieder eingewöhnt hast. Vielleicht ist es auch nur eine gewisse... Verbundenheit, weil ihr diese Hölle zusammen durchgestanden habt. Da ist es völlig normal sich nach der Anwesenheit des anderen zu sehnen, weil man es gewohnt war, ihn immer um sich zu haben. Deswegen kannst du auch nicht schlafen.“ Seufzend nickte Harry. Wahrscheinlich hatte sie Recht und seine Gefühle waren einfach völlig überdreht und mussten sich erst legen. Er musste das nur ein paar Wochen durchhalten und dann würde sicherlich alles wieder normal werden. Hoffte er zumindest. „Und du hast kein Problem damit, dass ich... naja“, suchte Harry nach Worten. „Dass du dich von einem Mann angezogen fühlst, zusätzlich noch von einem, der viel älter ist und dazu noch dein Lehrer?“ „Nun... ja.“ „Es könnte gut sein, dass es wirklich der Instinkt war, Harry. Also dass du speziell auf Snape angesprungen bist, meine ich. Aber es könnte doch sein, dass du bi bist. Gab es mal einen Schüler, den du attraktiv fandest?“ „Ähm“, überlegte Harry. „Ich glaube nicht, nein. Und du findest das nicht schlimm?“ „Bi zu sein? Nein, warum?“, sah Hermine ihn unschuldig an. „Da ist nichts schlimmes dran. Im Übrigen wärst du auch nicht der einzige hier. Ich habe zum Beispiel gehört, dass Wayne Hopkins, Stephen Cornfoot und Roger Malone schwul sein sollen. Also Wayne Hopkins ist es auf jeden Fall, denn Ginny hat ihn mal mit einem Jungen aus ihrem Jahrgang erwischt.“ Noch immer war Harry darüber verwundert, wie locker Hermine das sah. Unbeirrt sprach sie weiter: „Vielleicht solltest du dich mal bewusst nach Männern umschauen. Das könnte dir helfen herauszufinden worauf du stehst.“ „Ähm... ja. Vielleicht“, antwortete Harry verlegen. Wie konnte ihr das so wenig ausmachen? Sie schlug ihm das einfach vor, als würde sie ihm raten, Morgen Brötchen zu frühstücken statt Toast. Doch eigentlich sollte er froh darüber sein. Sie akzeptierte es. Er musste sich nicht vor ihr verstecken und das verringerte die Last auf seinen Schultern um einiges und dafür war er ihr dankbar. Kapitel 49: Ein hartnäckiger Zaubereiminister --------------------------------------------- Seufzend packte Harry sein Zaubertrankbuch zurück in seine Tasche, während seine Klassenkameraden noch damit beschäftigt waren, die Trankzutaten zurück in die Regale zu stellen. Das ist also die erste Zaubertrankstunde gewesen... und Severus hatte ihn komplett ignoriert. Es war zwar so geplant gewesen, aber trotzdem störte es Harry irgendwie, was ihn wiederum wütend auf sich selbst machte. Wann wurde er endlich diese lästigen Gedanken los? Er fühlte sich wie eine pubertierende Göre. Seine Mitschüler schienen auch ein wenig enttäuscht zu sein, was Harry nur noch wütender machte. Hatten die etwa auf einen Ausbruch von Severus gehofft, so wie Harry es in der Großen Halle getan hatte? Wie konnte man nur so geierig darauf sein Menschen leiden zu sehen? Die hatten doch keine Ahnung! Dennoch hatte Harry erkannt, dass Severus nicht ganz Herr der Lage gewesen war. Er hatte versucht das alles mit wütenden Kommentaren zu überspielen, die nicht ungewöhnlich auf die Schüler wirkten, aber Harry wusste, dass er wütend auf sich selbst war, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht spukten ihm ja auch Gedanken im Kopf herum, die ihm nicht gefielen? Oder war er einfach nur gereizt, weil er so müde war? Harry war nicht entgangen, wie er häufiger als sonst seine Nasenwurzel massiert hatte, was er nur tat, wenn er beinahe die Beherrschung verlor. Noch eine Eigenart, die Harry zu lesen gelernt hatte. Inzwischen konnte er nun auch beobachten, dass Severus seine Haare jedes Mal zurückstrich, wenn er sich Unterlagen durchlas und nicht nur beim Zubereiten von Trankzutaten. Allgemein machte er das sehr oft. Wieso war ihm das nie aufgefallen? Energisch schüttelte Harry den Kopf und versuchte diese Gedanken wieder loszuwerden. Trotzdem, der Slytherin hielt sich sehr wacker, worum der Grünäugige ihn beneidete. Wie machte er das? Warum bekam er ständig Wutausbrüche und Severus nicht? War Harry etwa einfach nur schwächer als der andere? Grummelnd schulterte Harry seine Tasche und verließ mit seinen Freunden den Raum. „Hat dir irgendwer was getan, oder warum guckst du so grimmig?“, riss Ron seinen Freund aus dessen Gedanken. Irritiert sah Harry möglichst unschuldig auf. „Was? Nein, alles bestens.“ Er begegnete Hermines skeptischem Blick. Sie wusste, dass seine Stimmung etwas mit Snape zu tun hatte und das machte Harry nervös. Er fühlte sich so durchschaubar und es reichte schon, das Gefühl Syndia und Luca gegenüber zu haben. Andererseits war es vielleicht gar nicht schlecht, dass Hermine Bescheid wusste, denn so konnte sie ihm den Rücken decken, wenn Ron etwas wissen wollte, was er ihm noch nicht bereit war zu erzählen. Ansonsten hätte sie sicherlich jetzt versucht, mehr aus ihm herauszuquetschen, statt den Mund zu halten.   Zügig betrat Severus das Büro des Schulleiters, nachdem er hineingebeten wurde, und schloss die Tür hinter sich. Dumbledore war überrascht über seinen Besuch, lehnte sich jedoch freundlich lächelnd in seinem großen Lehnstuhl zurück. „Severus, was kann ich für Sie tun?“ Leise aufseufzend trat Severus vor den Schreibtisch des Direktors. Ihm war nicht wohl bei seinem Anliegen, aber es musste leider besprochen werden. „Es geht um den Okklumentikunterricht mit Potter“, antwortete Severus knapp und erhielt ein Nicken. „Ah ja, da hatten wir noch gar nicht drüber gesprochen. Ich nehme an Sie wollen wissen, ob der weitergeführt wird“, sah der Direktor über seine Brille hinweg zum anderen, welcher deswegen ein Knurren unterdrückte. Was sah er ihn so komisch an? Er hasste das. Mit Sicherheit unterstellte er ihm gerade wieder irgendeine Absicht, die vollkommen falsch war. Was musste der alte Kauz auch immer so tun, als würde er ihn verstehen? „Nur damit wir uns richtig verstehen“, stellte Severus also sofort klar, „ich würde Potter am liebsten nicht mehr unterrichten. Es gab in Necrandolas aber einen Vorfall, über den ich Sie wahrscheinlich informieren sollte, bevor eine Entscheidung gefällt wird.“ Zum Schluss hin sprach der Tränkemeister immer langsamer und ihm war anzumerken, dass er nur ungern weitersprechen wollte. Dumbledore hingegen horchte auf und beugte sich wieder nach vorne, die Fingerkuppen aneinander gelegt, während sein Blick aufmerksamer wurde. Severus kämpfte mit sich selbst, zwang sich dann aber über das zu sprechen, was er nie jemandem hatte erzählen wollen. Zögerlich und angespannt sagte er: „Es gab eine Situation... in der ich schwer verwundet war. Wir waren einem Mantikor über den Weg gelaufen und er hatte mich... getötet.“ Dumbledore runzelte die Stirn, unterbrach den anderen jedoch nicht. „Was danach geschehen ist, weiß ich nur aus Potters Erinnerungen, denn damit er sich selbst wieder daran erinnern konnte, musste ich nachhelfen. Nachdem ich... starb... ist, wie es scheint, Potters Körper von dem Seelenteil des Dunklen Lords übernommen worden, der in ihm steckt.“ Die Augen des Direktors wurden nur unmerklich größer, doch seine blasse Gesichtsfarbe verriet ihn sofort. Er blieb aber weiterhin still und Severus fuhr fort: „Seine Augen glühten rot und er hat den Mantikor... auf die brutalste Art und Weise gefoltert... bis zum Tod. Danach kam er zu mir, hat meine Wunde geheilt... und mich zurück ins Leben geholt.“ Eine Pause entstand, als Severus geendet hatte. Tief einatmend richtete sich der Direktor weiter auf. Er zögerte kurz, ehe er nachdenklich aufstand und zum Fenster ging. „Das habe ich niemals erwartet“, sagte er schließlich nach einer Weile, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden. Obwohl die Lage so ernst war, entspannte sich Severus. Er hatte es hinter sich gebracht. Er hatte von Necrandolas erzählt und nun brauchte er das nie wieder zu tun. Jetzt konnte er alles endgültig verdrängen, ohne Gewissensbisse haben zu müssen und konnte vielleicht endlich besser schlafen. Denn Severus musste zugeben, dass er das Schlafproblem beim Verlassen des Krankenflügels um einiges unterschätzt hatte. Ihm war bewusst, dass es an Harry lag und so blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwarten und so lange weiterhin mit Schlaftränken auszukommen. „Ich fürchte, uns wird keine andere Wahl bleiben“, riss Dumbledore den Schwarzhaarigen aus seinen Gedanken. „Ich war noch unschlüssig, ob es schlauer wäre, euch beide zu trennen oder euch mehr Zeit für euch zu geben, aber unter den Umständen braucht Harry wohl den Okklumentikunterricht.“ Sie trennen oder ihnen mehr Zeit geben? Fragend zog Severus eine Augenbraue hoch, während langsam in ihm ein Verdacht hinaufkroch, der ihm nicht gefiel. Dennoch fragte er: „Sir?“ „Ich bin nicht blind, Severus. Es ist eindeutig, dass sich zwischen Ihnen und Harry eine gewisse Anziehungskraft entwickelt hat“, drehte sich der Direktor zum Tränkemeister um, der zur Eissäule erstarrte. Wie hatte der Direktor diese Schlüsse ziehen können? Und außerdem war das Vergangenheit, zudem noch außerhalb der Schule, in einer Ausnahmesituation. Würde der Direktor ihn dafür trotzdem beim Ministerium verraten? Allerdings sah Dumbledore nicht erzürnt aus, sondern schien sogar eher ein kaum sichtbares Lächeln aufgesetzt zu haben, während seine Augen ernst blieben. Severus schluckte und versuchte ruhig zu bleiben. „Sir“, begann er, „zwischen Potter und mir hat sich nichts geände-“ „Leugnen Sie es gerade vor mir oder sich selbst?“, fiel Dumbledore ihm ins Wort und machte damit deutlich, dass er genau solche Ausflüchte nicht hören wollte. Der Tränkemeister schloss den Mund und seufzte innerlich auf. Er musste also mit offenen Karten spielen, etwas anderes blieb ihm nicht übrig. „Was in Necrandolas passiert ist, ist Vergangenheit. Potter und ich haben alles zwischen uns geklärt und führen wieder ein normales Schüler-Lehrer Verhältnis.“ „Verstehen Sie mich nicht falsch, Severus“, begann Dumbledore und schritt wieder auf seinen Schreibtisch zu. „Sie und Harry, ihr seid meiner Meinung nach die beiden Menschen, die es am meisten verdient haben Glück und Liebe zu erhalten und ich will euch da auch ungern im Wege stehen.“ Dumbledore unterbrach sich kurz, während er sich hinsetzte und Severus ungläubig eine Augenbraue hob. „Aber als Schulleiter bin ich nun einmal leider an Gesetze gebunden“, seufzte der Direktor auf und sah Severus wieder über seine Brille hinweg an. „Wenn ihr euren Gefühlen nachgebt, besteht die Gefahr, dass irgendwann jemand dahinterkommt und sollte das passieren, dann werde ich euch nicht helfen können. Ich denke, Sie wissen genauso gut wie ich, dass Askaban Ihr Todesurteil wäre. Außerdem würde man es nicht gut aufnehmen, wenn in der Presse verbreitet werden würde, dass sich ein Ordenmitglied an Harry Potter vergriffen hätte. Die Situation würde sich rapide verschlechtern und es wäre schwieriger, als ohnehin schon Harry zu beschützen. Ich spreche mich also nicht gegen eure Gefühle aus, aber ich muss die Gewissheit haben, dass ihr beide, solange Harry noch Schüler dieser Schule ist, euch zusammennehmt und wartet.“ „Wie ich bereits sagte“, antwortete Severus langsam mit einem mitschwingendem Grummeln, „ist alles zwischen mir und Potter geklärt. Wir werden keinen engeren Kontakt miteinander haben und erst recht keine Freundschaft oder gar Partnerschaft aufbauen. Weder in Potters Schulzeit noch danach.“ Der Blick von Dumbledore änderte sich nicht und es war ihm anzusehen, dass er Severus' Worten keinen Glauben schenkte. Stattdessen sagte er: „Müssten Sie nicht inzwischen die Erfahrung gemacht haben, dass der Kopf nicht das Herz kontrollieren kann, Severus?“ Wieder unterdrückte der Tränkemeister ein Grummeln. Dumbledore ging langsam zu weit. Dieser schien zu merken, wie Severus' Laune sank. „Letztendlich ist es Ihre Entscheidung, wie Sie das handhaben wollen. Ich fürchte nur, Sie neigen in diesem Fall dazu, sich zu sehr selbst zu leugnen und Sie könnten es bereuen, wenn es zu spät ist. Harry ist ein wunderbarer Mensch, es wäre ein Fehler, ihn gleich wieder aus Ihrem Leben auszuschließen. Aber das ist wie gesagt Ihre Sache. Mir ist nur wichtig, dass Sie mir versichern, dass ich euch ruhigen Gewissens Okklumentik trainieren lassen kann.“ Severus wurde vom Direktor so eindringlich angesehen, dass dieser seine schlechte Stimmung zügelte und nur ernst nickte. „Dann ist ja gut“, lehnte Dumbledore sich wieder zurück und betrachtete den anderen mit leichter Sorge. „Vielleicht sollten Sie sich ein wenig mehr Syndia anvertrauen. Das könnte Ihnen helfen Ihre Gedanken zu sortieren.“ „Ich werde weder mit ihr noch mit sonst wem über Potter oder Necrandolas reden“, knurrte Severus erneut und wandte sich zum Gehen. Er hatte gewusst, dass ihm dieses Gespräch nicht gefallen würde, aber dass Dumbledore sich so aufdrängen würde, hatte er nicht erwartet und langsam reichte es ihm. Er musste hier raus. Während Severus hinausstürmte, entging ihm das sorgenvolle Seufzen des anderen.   Müde strich Harry sich über die Augen. Sich wieder an den Schulalltag zu gewöhnen, war schwerer als gedacht. Noch konnte er sich aussuchen, ob er am Unterricht teilnehmen wollte, aber er hatte ohnehin viel zu viel Freizeit und so begleitete er Ron und Hermine zum Verwandlungsklassenraum. „Am besten guckst du erst einmal nur zu“, redete Hermine, wie so häufig in letzter Zeit, auf ihn ein. „Du hast viel Stoff verpasst, da wird es eine Weile dauern, bis du da wieder reinkommst.“ „Mehr hatte ich ohnehin nicht vor“, murmelte Harry desinteressiert und wusste nicht, ob er von Hermines Fürsorge genervt oder dafür dankbar sein sollte. „Kannst ja gehen, wenn es dir zu langweilig wird“, zuckte Ron mit den Schultern. „Irgendwie beneidenswert.“ Harry wollte gerade antworten, als plötzlich jemand wie aus dem nichts vor ihm stand und er verwirrt stehen blieb. Auch Ron und Hermine sahen verwundert drein und starrten dann erschrocken zu Scrimgeour auf. Der Minister verzog keine Miene und sah ruhig zu Harry, welcher versuchte sich ebenso wenig anmerken zu lassen. „Herr Minister“, sagte der Schwarzhaarige gespielt freundlich aber mit Kälte im Unterton. „Mr Potter“, neigte Scrimgeour sich zu einer leichten Verbeugung vor. „Was für ein freudiger Zufall. Ich war gerade auf dem Weg zum Direktor, aber wenn ich Ihnen bereits hier begegne, lässt sich das Ganze natürlich abkürzen.“ „Sie wollten mich also sprechen?“, klang Harry so unschuldig wie möglich, doch der Minister kaufte ihm das nicht ab. „Vielleicht sollten wir uns in eine ruhigere Ecke zurückziehen“, überlegte Scrimgeour und suchte den von Schülern überfüllten Flur ab. Er trat auf die nächst gelegene Tür zu und sah in den Raum, welcher leer war. Sogleich hielt er Harry die Tür auf und bat ihm mit einer Geste einzutreten. Der Gryffindor holte tief Luft und setzte sich in Bewegung, genauso wie seine beiden Freunde, die sich bisher damit begnügten, den Minister finster zu beobachten. Es schien Scrimgeour nicht zu überraschen, dass alle drei den Raum betraten und so schloss er schnell die Tür, als würde er hoffen nicht gesehen worden zu sein. Der Lärm der Schüler hallte nur noch dumpf im Hintergrund. „Nun“, trat Scrimgeour auf die drei zu und verschränkte die Hände auf dem Rücken. „Wie ich höre, geht es Ihnen wieder besser, Mr Potter.“ „Ich liege nicht mehr im Krankenflügel, wie Sie sehen“, war die kühle Antwort. „Dann ist es mir sicherlich endlich gestattet, Ihnen ein paar Fragen...“ „Sie haben Dumbledores Erlaubnis noch nicht eingeholt“, unterbrach Hermine ihn unwirsch. Scrimgeours Blick verdüsterte sich kurz, doch er hatte sich schnell wieder im Griff. „Wie ich bereits sagte, war ich ohnehin auf dem Weg zum Direktor.“ „Er empfängt Sie nicht mehr, nicht wahr?“, konnte Hermine sich nicht zurückhalten. „Soweit ich weiß, darf der Zaubereiminister Dumbledores Kamin benutzen, um zu ihm zu gelangen, aber Sie sind zu Fuß gekommen.“ Harry wusste, dass Hermine sich weit aus dem Fenster lehnte, aber da seine eigene Wut genauso groß war, brachte er es nicht über sich, seine Freundin zu bremsen. Scrimgeour war nun sichtlich verärgert. „Sie ziehen schnell Schlüsse, Miss Granger. Zu schnell würde ich meinen. Mr Potter, Sie besitzen einige Informationen, die...“ Dieses Mal war es Ron, der ihn unterbrach: „Nur weil Harry nicht mehr im Krankenflügel liegt, heißt das noch lange nicht, dass er sich wieder erholt hat.“ Scrimgeour hielt kurz überrascht inne, nur um dann kläglich zu versuchen seine aufsteigende Wut zu verbergen. „Das ist mir natürlich bewusst, Mr Weasley. Ich würde jedoch meinen, dass Mr Potter nun, da er sich wieder unter hunderten von Schülern aufhalten kann, durchaus in der Lage sein sollte einem einzigen Mann einige wichtige Fragen zu beantworten, die nicht länger aufgeschoben werden sollten.“ „Warum ist Ihnen dieses Labyrinth so wichtig? Es wird doch eh nie wieder jemand Necrandolas betreten können“, warf Harry nun wieder selbst ein. „Diese Einrichtung steht unter der Aufsicht des Ministeriums und da sämtliche Unterlagen verloren gegangen sind...“ „Wenn ich das richtig verstanden habe, haben solche Unterlagen nie existiert“, unterbrach Harry ihn erneut und versuchte sich etwas zu zügeln, da er langsam zu unhöflich wurde. Auch wenn er wütend auf Scrimgeour war und hier nur weg wollte, war dieser Mann immernoch der Zaubereiminister. „Dieses Projekt unterlag der höchsten Geheimhaltung“, zischte Scrimgeour wütend zurück. „Nur wenige hatten Zugriff auf die Unterlagen, weshalb wohl der Anschein erweckt wurde, dass es sie nie gab. Aber sie sind hundertzwanzig Jahre nach der Erbauung Necrandolas' in einem Feuer verbrannt.“ Der Minister holte tief Luft, um sich zu zügeln und sagte dann ruhiger: „Also, Mr Potter, sagen Sie mir, was Sie wissen. Dumbledore berichtete mir bereits von einem Tor, das nur von Personen reinen Herzens geöffnet werden konnte. Was wurde dafür verlangt?“ Harry schluckte und merkte, wie Hermine neben ihm wieder protestieren wollte, doch so würden sie Scrimgeour nie los werden. Also riss er sich zusammen und murrte: „Die üblichen Eigenschaften eines guten Menschen.“ Er spürte die Blicke seiner Freunde auf sich, die jedoch stumm blieben. „Liebe, Freundschaft, Mitgefühl, so etwas eben“, ergänzte der Gryffindor schnell, als würde er damit das Gespräch schneller hinter sich haben. Ein seltsamer Ausdruck war auf Scrimgeours Gesicht geschlichen, etwas zwischen Heimtücke und Amüsement. „Werden diese Eigenschaften von jeder Person verlangt, die das Tor durchschreiten will?“ Finster blickte Harry zurück. „Man braucht sie nur, um das Tor zu öffnen“, knurrte Harry zwischen seinen Zähnen hindurch. „Und Sie haben das Tor geöffnet? Und man braucht auch nur eine Person dafür?“, zog der Minister seine Augenbrauen hoch und Harry ballte wütend seine Hände zu Fäusten. Wie konnte der Kerl es wagen Severus so anzugreifen?! „Wollen Sie sonst noch irgendetwas wissen, Sir?“, lenkte Harry ab, um nicht zu explodieren. „Ansonsten würde ich jetzt nämlich gerne zum Unterricht gehen.“ Er machte bereits einen Schritt Richtung Tür, doch der Minister hielt ihn hastig auf. „Was für Wesen leben in Necrandolas?“ Harry schluckte und dachte nach. Konnte er es sich leisten einfach die Antwort zu verweigern? Aber so würde Scrimgeour ihn nie gehen lassen. Sein Zögern fiel auch Hermine auf, die das Wort ergriff. „Sir, Harry ist noch nicht bereit darüber zu sprechen und da Madam Pomfrey jegliche Fragen verboten hat, sollten Sie sich auch daran...“ „Ist schon gut, Hermine“, murmelte Harry leise und sofort verstummte die Hexe erstaunt. Für einige Augenblicke sah Harry den Minister stur an und versuchte zu verschleiern, dass er gerade einen inneren Kampf führte. Er musste da jetzt durch. „Es gab Orks“, begann er und steckte seine Hände in die Hosentaschen, da sie leicht zitterten. Ron und Hermine sahen sich mit großen Augen an und schienen nonverbal zu kommunizieren. „Orks“, wiederholte Scrimgeour mit erhobenen Augenbrauen skeptisch. „Wie soll eine handvoll dieser Kreaturen...?“ „Es war ein ganzes Volk“, unterbrach Harry ihn, da er einen Dialog verhindern wollte. Es war leichter einfach die Informationen herunterzuleiern, statt Fragen zu beantworten. „Und sie beherrschten Magie“, sprach er abgehakt weiter. Sogleich legte sich Hermines Hand auf seine Schulter und erst da merkte er, wie steif er sich gemacht hatte. Dennoch musste er das jetzt durchziehen. „Und dann waren da Inferi. In einem unterirdischen See. Und ein Cerberus. Und ein Basilisk. Eine Acromantula, ein Erumpent...“ 'Bei dem Severus sich das Bein brach.', schoss dem Gryffindor durch den Kopf. „Ein Nundu...“ 'Und ein Mantikor.', dachte er und zuckte bei dem Gedanken zusammen. Um das zu überspielen, sah er zur Seite und strich sich nervös übers Gesicht. Sofort war Hermine bei ihm, strich ihm über den Rücken und sah ihn mitfühlend an. „Ich hoffe das reicht Ihnen fürs erste“, schaltete sich Ron finster ein. Der Minister war besonders beim Nundu hellhörig geworden, doch beim Blick auf den Gryffindor erkannte selbst er, dass Harry nervös wurde. Also versuchte er sich in einer mitfühlenderen Miene, fragte aber weiter: „Wie hat man es geschafft einen Nundu dort hineinzuschleusen...?“ „Keine Ahnung“, antwortete Harry knurrend und verlor die Beherrschung. „Wieso gehen Sie nicht zu ihm und FRAGEN IHN SELBER?!“ Sofort versuchte Hermine ihren Freund zu beruhigen, während Ron sich schützend vor die beiden stellte und dem Minister entschlossen entgegen sah. „Sie haben Ihre Antworten gekriegt. Geben Sie sich damit zufrieden.“ Obwohl Scrimgeour die Einmischung von Ron deutlich missfiel, warf er Harry einen weiteren Blick zu und sagte dann nickend: „Wir kommen sicherlich ein anderes Mal noch darauf zurück.“ Ron wollte erneut protestieren, doch Hermine hielt ihn mit einem warnenden Blick zurück. Sie hatten sich bereits zu viel erlaubt und konnten nur froh sein, wenn Scrimgeour endlich verschwand. „Vielleicht kommen Sie das nächste Mal ja sogar ohne Hausverbot hierher“, knurrte Harry mit blitzenden Augen und schaffte es, nicht wieder laut zu werden. Der Minister gab ein Schnauben von sich, raffte seinen Umhang und mit einem „Guten Tag, Mr Potter“ verließ er den Raum. Der Flur war bereits leer, da jeden Moment der Unterricht begann und so hinterließ Scrimgeour eine drückende Stille. Unsicher sahen sich Ron und Hermine an und überlegten, was sie sagen sollten. Schließlich kam Harry ihnen zuvor und sagte: „Geht schonmal vor. Ich komme in einer Minute nach.“ Besorgt betrachtete Hermine ihn. „Bist du dir sicher?“ „Ja klar, alles gut“, versuchte Harry einen munteren Ton aufzusetzen, doch irgendwie klang das eher sarkastisch. „Ich brauche nur kurz einen Moment Ruhe, das ist alles.“ Unsicher nickte die Hexe, konnte sich aber nur schwer von ihrem Freund lösen. Mit einem letzten aufmunterndem Nicken verließ Ron den Raum, Hermine vor sich herschiebend. Als die beiden um die Ecke waren, strich Harry sich laut aufseufzend durch die Haare. Er fühlte sich absolut lächerlich. Nicht einmal eine normale Aufzählung brachte er über die Lippen, das war absolut erbärmlich. Zum Glück war er Scrimgeour nicht alleine begegnet, denn dann wäre er mit Sicherheit noch mehr ausgerastet. Geistesabwesend sah der Gryffindor aus dem Fenster. Am liebsten würde er sich ein wenig zurückziehen, aber dann würden sich seine Freunde nur unnötig Sorgen machen. Es regnete ohnehin draußen und Ablenkung tat vielleicht ganz gut. Außerdem bekam er schon genug Sonderbehandlungen, dann musste er nicht auch noch unnötig viel im Unterricht fehlen. Also gab Harry sich einen Ruck und ging Richtung Verwandlungsraum.   „Potter, schlafen können Sie in Ihrer Freizeit!“, drang die kalte Stimme vom Tränkemeister an Harrys Ohr und sofort schreckte er hoch. Etwas ungläubig sah er zu seinem Lehrer auf, der ihn böse anfunkelte. Er war eingeschlafen. In Zaubertränke! Den Blicken seiner Mitschüler nach zu urteilen, waren sie mindestens genauso schockiert darüber wie Harry selbst. Noch nie hatte jemand die Dreistigkeit gezeigt bei Snape im Unterricht einzuschlafen... verständlicherweise. „40 Punkte Abzug von Gryffindor!“, knurrte Severus mit verschränkten Armen. „Und einen Aufsatz über die genaue Zusammensetzung und Zubereitung des Trankes, wenn Sie schon der Meinung sind, die Durchführung in der Praxis sei zu anspruchslos für Sie, Potter.“ „Ja, Sir“, seufzte Harry resigniert und strich sich über die Augen, um wach zu werden. Damit warf Severus ihm noch einen wütenden Blick zu, ehe er sich umwandte und die Schüler sofort wieder so taten, als widmeten sie ihre ganze Aufmerksamkeit ihren Tränken. Nicht wirklich wacher werdend, entleerte Harry seinen Kessel und begann mit dem Brauen von vorne, da der jetzige eh durch seine kleine Pause misslungen war. Ron warf ihm einen mitleidigen Blick zu, während Hermine ihn eher grübelnd betrachtete. Fragend zog der Gryffindor seine Schultern hoch. „Was ist?“, fragte er leise flüsternd. „Ach nichts“, schüttelte die Braunhaarige den Kopf und sah wieder zur Knolle, die sie gerade zerschnitt. Unzufrieden grummelnd, machte sich auch Harry wieder an die Arbeit. Den Blick immer wieder prüfend zu Snape werfend, um aufzupassen, dass dieser nichts mitbekam, beugte sich Ron weiter zu seinem Freund herüber. „Da bist du aber glimpflich davongekommen. Jeden anderen hätte er zur Sau gemacht und obendrein Nachsitzen für eine ganze Woche aufgebrummt.“ „Jaa er mag mich“, murrte Harry sarkastisch und zunehmend schlecht gelaunt. „Es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass er sich schlicht weigert mir Nachsitzen zu geben, weil er mich nicht in seiner Nähe haben will.“ Forschend sah Ron zu ihm. „Meinst du das ist der Grund?“ „Es ist offensichtlich“, grummelte Harry weiter und ließ seinen Frust an der muschelartigen Pflanze vor sich aus. „Aber warum sollte er dir aus dem Weg gehen?“, kräuselte Ron verwundert die Stirn. Harry hielt kurz inne und versuchte schnell eine passende Antwort zu finden, doch in den letzten Tagen ließ die Leistung seines Hirns einfach viel zu sehr nach. „Keine Ahnung“, zuckte er also so unschuldig wie möglich mit den Schultern, ohne den Blick zu heben. Ganz wohl fühlte er sich nicht dabei, Ron nicht alles erzählen zu können. Vielleicht sollte er ihm demnächst mal die Wahrheit sagen. Die, die Hermine bereits kannte und sein bester Freund nicht, was Harry ein schlechtes Gewissen machte. „Sollten Sie sich nicht besser darauf konzentrieren die verlorene Zeit aufzuholen, statt sich fröhlich zu unterhalten, Potter?!“, kam es wieder zornig vom Pult und einige Schüler sahen erneut auf. Mürrisch sah Harry zu Severus und begegnete seinem Blick. Severus spielte diese Rolle gerade nicht, so wie in den letzten Unterrichtsstunden, sondern er war wirklich wütend auf ihn. Aber warum? Er hatte ihm doch gar nichts getan. Um sich keine Schwäche anmerken zu lassen, versuchte Harry den Blick genauso finster zurückzuwerfen, bis Severus schließlich schnaufend den Blickkontakt abbrach. Was ging nur in seinem Kopf vor? Kapitel 50: Über den Schatten springen -------------------------------------- Grübelnd betrachtete Harry den kleinen Punkt auf der Karte des Rumtreibers. Severus lief unruhig in seiner Wohnung umher. Von Raum zu Raum, wobei Harry inzwischen vermuten konnte, welcher Raum welches Zimmer darstellen sollte. Das einzige Zimmer, dass der Tränkemeister immer ausließ, war das zweitgrößte und vermutlich das Schlafzimmer. Jeden Abend verbrachte Severus die Zeit damit, in seiner Wohnung oder in den oberen Stockwerken des Schlosses umherzuwandern. Doch heute war es besonders schlimm. Er schien sich nicht einmal für längere Zeit im Büro an den Schreibtisch oder in der Wohnstube aufs Sofa zu setzen. „Harry, meinst du wirklich, dass das so eine gute Idee ist?“, riss Hermines Stimme den Gryffindor aus seinen Gedanken. Überrascht sah er von der Karte auf. Er hatte sich, wie so häufig in letzter Zeit, auf dem Sofa vor dem Kamin lang gemacht, während Hermine neben ihm im Sessel und Ron vor ihm auf dem Teppich saß. Während Ron mit seinen Hausaufgaben beschäftigt war, hatte Hermine jedoch aufgeblickt und Harry beim Studieren der Karte beobachtet. „Was meinst du?“, versuchte der Schwarzhaarige unschuldig zu tun, doch Hermine wusste Bescheid. „Es ist schon etwas auffällig, wenn du dir geschlagene 15 Minuten lang ein und den selben Kartenabschnitt ansiehst.“ „Mach ich doch gar nicht.“ „Welchen Kartenabschnitt denn?“, drehte Ron sich interessiert um und bekam unsichere Blicke zurück. „Ähm“, räusperte Harry sich und begann damit, die Karte sorgfältig zusammenzufalten. „Die... die Kerker.“ „Wozu?“, runzelte Ron die Stirn. „Versuchst du wieder herauszufinden, was Malfoy plant?“ „Ähm“, überlegte Harry wieder. Sollte er diese perfekte Vorlage nicht als Ausrede benutzen? „Jaa... das heißt... nein.“ Verständnislos sah Ron zwischen seinen beiden Freunden hin und her, doch auch Hermine wollte ihn offenbar nicht aufklären. „Was ist hier los?“, fragte er also skeptisch. Sich geschlagen gebend, seufzte Harry auf und sah kurz nach, ob andere Mitschüler in Hörweite waren. Dann flüsterte er: „Ich habe Snape beobachtet.“ „Und... warum?“ „Weil...“, begann Harry, doch ihm wollte nichts einfallen, was er in einen Satz hätte packen können, „ich weiß es nicht genau.“ „...Aha“, kam es ungläubig vom Rothaarigen und Harry atmete erneut durch. Er wollte Ron ja die Wahrheit sagen, aber erstens wusste er selber nicht genau, was los war und zweitens wusste er nicht, wie er das ganze anfangen sollte. „Weißt du“, versuchte er es erneut, „ich war es seit Necrandolas gewöhnt... ihn immer um mich zu haben und es ist seltsam, dass er es jetzt... eben nicht mehr ist.“ „Also... vermisst du ihn?“, konnte Ron seine Ungläubigkeit immer noch nicht ablegen. „Nein... ja... ich weiß nicht“, antwortete Harry frustriert und drehte sich auf die Seite, um besser zu seinen Freunden sehen zu können. „Du bist in Zaubertränke heute eingeschlafen“, warf Hermine plötzlich ein und erhielt die volle Aufmerksamkeit. „Das war dann doch jetzt der ultimative Beweis, oder?“ „Der Beweis wofür?“, warf Ron wieder ein. Resigniert antwortete Harry: „Hermine hatte die Vermutung, dass ich nicht schlafen kann, weil Severus nicht bei mir ist und keine Wache halten kann.“ „Und der einzige Ort, an dem er in deiner Nähe ist, ist in Zaubertränke“, ergänzte Hermine. „Deshalb bist du dort auch eingeschlafen. Vielleicht ist das zur Zeit sogar der Ort, wo du am besten schlafen könntest.“ „Aber das ist doch bescheuert! Ich kann doch wohl schlecht den Zaubertränkeunterricht zum Schlafen nutzen. Abgesehen davon würde Severus durchdrehen... und die Slytherins auch“, murrte Harry und strich sich müde über die Augen. Nachdenklich biss Ron an seiner Unterlippe herum, während sein Blick weiterhin skeptisch blieb. Er schien in letzter Zeit nichts mitbekommen zu haben und was er jetzt erfuhr, gefiel ihm ganz und gar nicht. „Seid ihr jetzt eigentlich so etwas wie Freunde? Du und Snape?“, überlegte Ron. „Nein“, musste Harry seinen Frust verstecken. „Also, wir... in Necrandolas sind wir wahrscheinlich irgendsowas in die Richtung geworden, aber Severus hat mir im Krankenflügel gesagt, dass wir so tun müssen, als hätte sich nichts verändert.“ „Und das beschäftigt dich so sehr?“, runzelte Ron die Stirn. „Wenn er deine Freundschaft nicht will, dann kann er dir doch auch egal sein.“ „Aber es ist mir nicht egal, auch wenn ich es gerne so hätte“, murrte Harry verzweifelt. „Okaay“, sah Ron ihn unverständlich an. „Ist dir der Kerl so wichtig?“ Harry strich sich durch die Haare und seufzte: „Liegt wahrscheinlich daran, dass wir so viel zusammen durchgemacht haben.“ „Hm.“ Harry begegnete Rons Blick und bekam wieder ein schlechtes Gewissen. Ron konnte es nicht nachvollziehen, natürlich konnte er das nicht, denn er wusste nicht, was in Necrandolas passiert war. Seine Freunde hatten ihn in den letzten Tagen unterstützt, wo sie nur konnten und immer zu ihm gehalten. Hermine hatte sogar den Unterricht geschwänzt und obwohl sie selbst gerne mehr über Necrandolas wissen wollten, hatten sie Scrimgeour ausgebremst. Harry war ihnen etwas schuldig und es wäre nur fair, wenn er ihnen endlich mehr erzählen würde. „Hört mal“, begann er zögerlich und seine Freunde sahen ihn wieder an. Er wusste allerdings nicht, wo er anfangen sollte. „Was wollt ihr über Necrandolas wissen?“, stellte er also erst einmal offen. Ron und Hermine schienen einen Augenblick zu brauchen, bis sie verstanden. Sie warfen sich kurz einen Blick zu, ehe sie wieder zu Harry sahen. „Harry“, begann Hermine fürsorglich, „es geht doch gar nicht darum, dass wir etwas über Necrandolas wissen wollen. Wir... fragen uns manchmal einfach nur, was in dir vorgeht. Wir versuchen zu verstehen, wie du dich fühlst, was du denkst... aber das ist nicht so einfach, wenn wir nicht wissen, was passiert ist. Du bist jetzt seit zwei Wochen aus dem Krankenflügel raus und schläfst kaum bis gar nicht und das macht uns eben Sorgen. Es geht uns nur darum, dass es dir gut geht und wenn du über Necrandolas reden willst, dann hören wir dir zu, aber denke nicht, dass du dazu verpflichtet bist, uns etwas zu erzählen.“ Eifrig nickend stimmte Ron seiner Freundin zu. Grübelnd sah Harry ins Feuer. Sie wollten also nachvollziehen, wie es ihm ging. Dann müsste er ihnen also von den Dingen erzählen, die die meisten Spuren hinterlassen hatten. „Es... ich möchte euch ja davon erzählen, aber es ist nicht so einfach. Und ich weiß auch nicht, wo ich anfangen soll.“ Entschieden drehte Ron sich endgültig um, um seine Aufmerksamkeit von den Hausaufgaben zu Harry wandern zu lassen. „Vielleicht fängst du einfach mit etwas banalem an. Etwas, das dir leicht fällt.“ Nachdenklich betrachtete Harry die einzelnen Fasern des Teppichs. Etwas banales. „Wir haben Wasser an den Felswänden gefunden“, begann er und seine Freunde schienen den Atem vor Anspannung anzuhalten. „Es lief in Rinnsalen daran herunter. Aber nicht überall, manchmal haben wir tagelang keines gefunden und waren fast verdurstet.“ Ron und Hermine hingen gebannt an seinen Lippen und das war auch gut so, denn Harry wollte nicht unterbrochen werden. „Severus hatte zwei der Portschlüssel in Wasserflaschen verwandelt. In den Tunneln gab es kein Licht, wir hatten nur das unserer Zauberstäbe. Wir hatten kein Zeitgefühl, wussten nur, dass wir jederzeit sterben konnten. Ich hatte eine Art Hütte gefunden, die an einer Mauer angrenzte. Wir waren auf der Flucht vor einem Nundu, so ein riesiger, lautloser Gepard. Als wir in eine Sackgasse liefen, hat Severus den Boden unter uns einstürzen lassen, damit wir entkommen konnten. Ich habe keine Ahnung woher er wusste, dass das Labyrinth zwei Geschosse hatte. Jedenfalls war Severus bewusstlos und seine Rippen gebrochen und da habe ich diese Tür gefunden. In der Hütte gab es fließend Wasser, Heilsalben und etwas zu Essen. Nach ein paar Tagen mussten wir aber weiter, um den Ausgang zu suchen. An einer Schlucht verlor Severus seinen Zauberstab. Wir wären beinahe selbst dort hineingefallen, da die Felsbrocken nachgaben. Je weiter wir ins Zentrum kamen, desto mehr Fallen gab es dort... und die Orks lebten dort.“ Nun musste Harry doch schlucken, allerdings wollte er nicht stoppen. Vielleicht half es, wenn er den Redefluss gar nicht erst abbrach. „Bei einer der Fallen habe ich mir die Wirbelsäule gebrochen.“ Hermines Hände huschten vor ihren Mund, doch sie blieb stumm. „Die Orks hätten uns da fast gekriegt, wenn Severus uns nicht versteckt hätte. Er hatte meine Wirbelsäule zwar geheilt bekommen, aber sie entzündete sich, wie ihr wisst. Und die Orks konnten... zaubern.“ Er atmete tief durch und versuchte die Enge in der Brust zu vertreiben. „Sie hatten mein Blut aufgesammelt und verfluchten mich. Sie... sie schafften es, meinen Körper zu kontrollieren... sie waren in meinem Kopf... sie...“ Er schluckte und schloss kurz die Augen. Hermine unterdessen griff nach seinem Arm, um ihn zu beruhigen. „Sie wollten mich dazu zwingen Severus zu töten.“ Hermine keuchte auf und auch Ron bekam große Augen. „Ich habe ihn mehrmals angegriffen. Das zog sich mehrere Tage lang so hin und in der Zeit hat Severus nicht geschlafen. Irgendwann war ich... schneller als er.“ Nun hielten seine Freunde wirklich die Luft an. „Ich hätte ihn fast getötet, ich hätte nur noch...“ Geistesabwesend sah Harry auf seine Hände. Hermine ahnte, dass ihr Freund gerade dabei war, sich in seine Erinnerungen zu vertiefen und griff hastig nach seinen Händen, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen. Harry schreckte auf und sah zu Hermine. „Ich merkte dann, dass ich es schaffen konnte mich zu kontrollieren. Ich wollte Severus nichts tun und... deshalb habe ich mich gegen den Fluch gewehrt. Wir sind dann... zum Orklager. Es waren so viele. Ein ganzes Volk, in einer großen Halle lebend. Wir mussten uns durch das Camp schleichen, um ihnen mein Blut wieder wegzunehmen. Ich bin dabei zusammengebrochen, aber Severus hatte es irgendwie geschafft, uns da wieder rauszubringen.“ Überlegend starrte Harry vor sich hin. Severus hatte ihn immer wieder gerettet und was hatte er getan? Er hatte mehrmals versucht Severus zu töten... und hatte es irgendwann sogar geschafft. Mit zittriger Stimme presste er hervor: „Da war... ein Mantikor.“ Es bildete sich ein Kloß in seinem Hals und das Atmen fiel ihm schwer. Sanft strich Hermine ihm über den Handrücken und Harry versuchte sich zusammenzureißen. Vielleicht würde es ihm besser gehen, wenn er endlich jemandem erzählte, was für eine Last auf ihm lag. Was er zu verschulden hatte. Langsam richtete Harry sich auf und setzte sich hin, während Hermine sich sofort neben ihn setzte und vorsichtig einen Arm über seine Schultern legte. „Er... er griff Severus an, aber Severus war zu flink. Also...“ Erneut schluckte er und seine Freunde merkten, dass er anscheinend mit der schlimmsten Erinnerung von allen kämpfte. Unruhig spielte Harry mit seinen Fingern. „Er erkannte... dass ich mich kaum bewegen konnte. E-Es ging gar nicht mal um mich...“, wurde seine Stimme immer schwächer. „Er wollte nur... Severus d-damit erwischen... und es hat funktioniert.“ Harry hielt inne, schloss die Augen, legte den Kopf nach hinten und strich sich übers Gesicht, in der Hoffnung, dass er sich so wieder fangen würde. Ron saß stocksteif da und bekam immer größere Augen, während sich Hermine von Harry anstecken ließ und immer häufiger blinzelte. Harry senkte wieder den Kopf und sah zum Feuer. Mit wieder etwas kräftigerer Stimme, sah er in die Flammen und sagte: „Er griff mich an und Severus warf sich vor mich.“ Harry starrte nur noch ins Leere und schien sich tief in sich selbst zurückzuziehen und klang bei seinen weiteren Worten abwesend und distanziert. Gefühllos. „Der Mantikor durchbohrte ihn mit seinem Stachel. Mitten durch den Bauch.“ Wieder schlug Hermine ihre freie Hand vor ihren Mund, während Rons ungläubig aufging. Nun schon fast mechanisch fuhr Harry fort: „Severus brach zusammen und ich fing ihn auf. E-Er war...“, Harry schnappte nach Luft, da sich seine Kehle zuschnürte. Krächzend brachte er hervor: „Er war tot.“ Ron keuchte auf und Hermine entglitt ein Schluchzer. Kreidebleich stotterte der Rothaarige: „Aber... wie... er ist doch...“ Harry sah auf seine zitternden Hände hinab. All die Bilder kamen wieder hoch. Severus' Blick, sein Röcheln, das Lachen des Mantikors... seine eigenen Schreie, die tief aus seinem Herzen gekommen waren... Harry vergrub seine Fingernägel in den Knien, sodass es schmerzte und schluchzte kurz trocken auf, bevor er sagte: „Ich konnte mich an das nächste zuerst nicht erinnern. Als ich wieder wach wurde, lag Severus unverletzt neben mir... und der Mantikor war vollkommen zerfleischt.“ Hermine stieß einen kleinen Schrei aus, während sie ihre Hände offenbar nie wieder senken wollte. „Mit Legilimentik fanden wir heraus, dass ich das war.“ Harrys Hände zitterten stärker, während sie sich für ihn wieder mit Blut bedeckten. Seine Schutzmauer bröckelte immer weiter. Verdrängung... er hatte all das verdrängt, aus gutem Grund. Mit zitternder und immer weiter versagender Stimme sagte er: „Ich habe... Voldemorts Kräfte genutzt, um den Mantikor zu foltern.... und danach Severus wieder ins Leben zurückgeholt. Sein Tod hat das ausgelöst, ich... das... ich w-wurde... z-zum Monster w-weil Severus in meinen A-Armen gestorben war... wegen mir, es w-war m-meine Schuld. Wegen mir war er t-tot.“ „Oh Harry“, murmelte Hermine unter Tränen und umarmte ihn. Ron schienen diese Informationen zu überfordern, da er, vollkommen weiß im Gesicht, weder wusste was er sagen noch wo er hinsehen sollte. Harry hingegen versuchte sich mit aller Kraft an die Gegenwart zu klammern und die Bilder zu verscheuchen, aber es war zu spät. Er wollte Severus' Leiche nicht sehen, nicht das Blut, das an seinen Händen klebte. Er wollte nicht hören, wie Severus durchbohrt wurde, wollte seinen letzten Blick nicht sehen, aber diese Bilder spielten sich vor seinen Augen ab, als würde es noch einmal passieren. Harry realisierte nicht, wie er begann am ganzen Körper zu zittern, wie er geräuschvoll nach Luft schnappte, als würde ihm etwas die Kehle zuschnüren. Genauso wenig bekam er am Anfang Hermines Umarmung mit. Schließlich verkrallte er sich in ihren Pullover, begann zu hyperventilieren und versuchte gegen seine panische Angst anzukommen.   Es dauerte mehrere Stunden, bis Harry sich wieder beruhigt hatte. Er hatte zitternd und hyperventilierend auf dem Sofa gesessen, hatte irgendwann angefangen zu schreien, während er sich panisch wand. Hermine redete unermüdlich auf ihn ein und zog ihn immer wieder zu sich, um ihn irgendwie zu beruhigen und irgendwann verhallten seine Schreie endlich. Ron hatte dafür gesorgt, dass auch die letzten Schüler den Raum verließen, damit Harry seine Ruhe hatte und so saßen sie alleine vor dem Kamin und nur Hermines flüsternde Worte waren zu vernehmen, während sie Harry hin und her wiegte. Schließlich saß er stumm auf dem Sofa, die Beine angezogen, eine Decke über seine Schultern und eine Tasse Tee in der Hand und starrte abwesend ins Feuer. Ron atmete erleichtert durch, während Hermine weiterhin ein Auge auf Harry hatte. Sie waren schon kurz davor gewesen Snape zu holen, denn der Karte nach zu urteilen schlief dieser immernoch nicht, obwohl es bereits halb 2 war. Grübelnd betrachtete Hermine die Karte. „Ich hätte eigentlich gedacht, dass Snape eine Möglichkeit finden würde, sich mithilfe von Tränken schlafenzulegen“, überlegte sie laut. „Er schläft schon ein wenig“, antwortete Harry ganz unverhofft mit kratziger Stimme. „Manchmal schien er zu schlafen, wenn ich auf die Karte geguckt hab, teilweise auch tagsüber.“ Ron war anzusehen, dass er sich nie daran gewöhnen würde, so über Snape nachzudenken. Er lästerte viel lieber über ihn, statt sich Sorgen zu machen. Ohne das zu bemerken, sagte Hermine: „Ich war schon am überlegen, ob du nochmal zu Madam Pomfrey gehen solltest, Harry. Sie kann dir sicherlich einen Schlaftrank geben.“ Abwesend starrte Harry auf die Karte und ließ sich nicht anmerken, was er von dem Vorschlag hielt. Hermine glaubte bereits, dass Harry sie nicht gehört hatte und sogar die Anwesenheit seiner beiden Freunde nicht mehr mitbekam, doch dann nickte er langsam. „Ja... vielleicht.“   Harry nutzte am nächsten Tag eine Unterrichtsstunde, um sich zum Krankenflügel aufzumachen. Es war ihm zwar unangenehm nach Tränken fragen zu müssen, aber seine Nerven lagen inzwischen so blank, dass ihm das egal war. Er hatte gerade den ersten Stock erreicht, als er hörte, wie jemand von hinten angerannt kam. „Hey Harry“, rief Luca freudestrahlend und holte zum Gryffindor auf. „Hey“, begrüßte Harry ihn schmunzelnd und lief mit dem Jungen gemeinsam weiter. „Lange nicht gesehen.“ „Jaa, ich habe versucht mir die Gänge vom Schloss besser einzuprägen und bin in den letzten Tagen nur noch umhergelaufen.“ „Da hast du dir aber was vorgenommen“, erzählte Harry so munter wie möglich. „Es gibt sogar Viertklässler, die sich ab und zu noch verlaufen. Das ganze Schloss innerhalb eines Schuljahres auswendig zu lernen, ist nahezu unmöglich.“ „Für mich ist nichts unmöglich“, grinste Luca. „Wo gehen wir überhaupt hin?“ „Sag du es mir.“ „Hm...“, überlegte Luca. „Da kommen noch viel zu viele Gänge und Treppen, das kann ich noch nicht erraten.“ „Sag Bescheid, wenn du es weißt“, zuckte Harry mit den Schultern. „Hast du auch schon eine Begegnung mit der Maulenden Myrte gehabt?“ „Mit wem?“ „Mit der Maulenden Myrte. Sie ist ein Geist, der in einem Mädchenklo lebt.“ „Was soll ich auf einem Mädchenklo?“, verzog Luca das Gesicht. „Wegen der Myrte geht da keiner mehr rein, keine Sorge“, grinste Harry. „Im zweiten Schuljahr haben wir uns oft dort versteckt.“ „Ich glaube, alle Geister habe ich ohnehin noch nicht getroffen“, zuckte Luca mit den Schultern. „Und ich bin auch ganz froh darüber, einige sind echt unheimlich. Gehst du zum Krankenflügel?“ „Jop.“ „Für einen Schlaftrank?“ Überrascht öffnete Harry den Mund, wusste aber nicht, was er erwidern sollte. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen, so durchschaubar für Luca zu sein. „Hey, dafür braucht man kein Talent“, warf Luca ein. „Deine Augenringe sieht man auf 10 Meter Entfernung.“ „Oh, ähm. Ja, kann ich mir denken“, gab Harry klein bei und fühlte sich mal wieder so erbärmlich. Es stimmte also, jeder im Schloss wusste, dass er nicht schlafen konnte. „Hey, vor mir brauchst du dich da nun wirklich nicht zu verstecken“, zuckte Luca so lässig wie möglich die Schultern, doch sein Unterton blieb ernst. „Ich weiß schließlich wie das ist.“ Etwas beklommen nickte Harry. „Ja, stimmt. Tut mir Leid.“ „Und Entschuldigungen will ich von dir auch nicht hören“, murrte der Junge und bewies mit diesem Tonfall wieder, dass er voll und ganz ein Snape war. Harrys Mundwinkel zuckte bei dem Gedanken. Luca hatte ja Recht, nachdem, was er zu durchleiden hatte, konnte er ihn wohl noch am besten verstehen. Es war schon seltsam, so fröhlich wie Luca immer durch die Gegend hüpfte, konnte man glatt vergessen, dass er wochenlang von Todessern gefoltert worden war. Er wusste, was es bedeutete Albträume zu haben, nicht schlafen zu können und Angst im Dunkeln zu haben. „Du brauchst dich dafür nicht zu schämen. Schon schlimm genug, dass Onkel Sev sich so fertig macht“, grummelte Luca leise vor sich hin und erhielt sofort Harrys Aufmerksamkeit zurück. „Hast du ihn gesehen?“ „Ja klar, Mum versucht immer wieder mit ihm zu reden“, erzählte Luca etwas bedrückt. „Aber er will immer alleine sein. Mum macht sich große Sorgen... und ich auch.“ Harry überlegte kurz. Wäre es zu viel, wenn er Luca fragen würde, was er bei Severus sah? Andererseits wusste Luca wahrscheinlich ohnehin schon, dass er sich auch Gedanken machte. „Kannst du erkennen was mit ihm los ist?“, fragte er also ruhig und angespannt. „Es ist schwierig“, hob Luca die Schultern. „Er hat extreme Stimmungsschwankungen, da blickt man kaum durch. Aber größtenteils ist er... wütend. Warum auch immer, das verstehe ich nicht so ganz. Aber Mum scheint das besser zu verstehen, denn diese Wut macht ihr am meisten Sorgen.“ Nachdenklich nickte Harry. In der letzten Zaubertrankstunde war Severus auf ihn wütend gewesen. War er also der Grund? Aber warum? Was hatte er ihm denn getan? Er hatte sich an das gehalten, was Severus gesagt hatte: So tun, als sei nie etwas gewesen. Den Zaubertrankunterricht über konzentrierte er sich auf seinen Trank, so gut wie es eben ging, und außerhalb des Unterrichts nahm er keinen Kontakt zu Severus auf. Was also hatte er falsch gemacht? Er unterbrach seine Gedanken, als sie vor der Tür zum Krankenflügel ankamen. Mit Schwung stieß Harry die Tür auf und sah sich nach Madam Pomfrey um, die überrascht aufblickte. Als sie den Gryffindor erkannte, verschwand ihr Erstaunen jedoch. „Soll ich dir ein paar Schlaftränke mitgeben?“, fragte sie sogleich. „Ähm... das wäre gut.“ „Oder ist sonst noch etwas? Macht dein Rücken Probleme?“ „Nein nein, alles gut“, winkte Harry ab und die Medihexe wuselte zu ihrem Tränkeschrank. In der Zeit öffnete sich erneut die Tür und Syndia sah hinein. „Ach hier bist du“, trat sie ein, als sie ihren Sohn erblickte. „Ich habe dich schon überall gesucht. Hier hatte ich dich wirklich am wenigsten erwartet.“ „Ich habe Harry nur begleitet“, antwortete Luca fröhlich. Harry hingegen wich dem Blick der Hexe aus, die daraufhin eine Augenbraue hochzog. In der Zwischenzeit kam Madam Pomfrey mit drei Fläschchen zurück. „So, hier habe ich erst einmal zwei leichte und einen etwas stärkeren Schlaftrank. Sei bitte vorsichtig mit der Dosierung. Nimm heute Abend erst einmal nur eine viertel Phiole von dem leichten Trank, der sollte genügen. Falls das in der Nacht nicht ausreicht, bitte nicht gleich den nächsten hinterher, sondern erst wieder am nächsten Abend den nächsten nehmen. Auch wenn du dich nach dem Schlafen besser fühlst, darfst du nicht vergessen, dass es auf Dauer ungesund ist, nur mithilfe von Schlaftränken zu schlafen. Du fühlst dich zwar im ersten Moment ausgeruht, aber für deinen Körper reicht diese Art von Schlaf nicht aus. Versuche also bitte immer erst ohne Trank einzuschlafen.“ „In Ordnung“, nickte Harry und nahm die Phiolen entgegen. Den stärkeren Trank erkannte man daran, dass das Blau kräftiger war, als in den anderen Phiolen. „Ah, Syndia“, wandte sich Madam Pomfrey an die Hexe. „Du bringst nicht zufällig Tränke von Severus vorbei?“ „Nein, tut mir Leid“, schüttelte Syndia den Kopf. „Macht er denn zur Zeit gar keine?“ „Doch doch, aber es sind nicht besonders viele und ich glaube, er geht mir aus dem Weg“, seufzte Madam Pomfrey auf und auch Harrys Blick wanderte zu ihr. „Er schickt immer Hauselfen, um mir die Tränke zu bringen. Es wäre ja nicht sonderlich tragisch, wenn er nicht allzu viele Tränke braut, sondern sich etwas ausruht, aber einer der Elfen hat mir erzählt, dass er den Großteil der Tränke wegschüttet. Er braut genauso viele Tränke wie sonst, gibt aber nur einen kleinen Teil an mich weiter.“ Seufzend warf Syndia ihr Haar nach hinten, das sie ausnahmsweise mal offen trug. „Das muss an seiner Konzentration liegen. Er ist doch so ein Perfektionist was Tränke angeht. Wahrscheinlich ist er noch nicht wieder so fit, wie er es gerne wäre.“ „Ja natürlich ist er noch nicht wieder fit, so etwas dauert. Aber wenn er die Tränke noch nicht hinbekommt, sollte er lieber einen Gang zurückschalten, bevor er noch einen Fehler macht und sich verletzt.“ Harry sah abwechselnd in die besorgten Gesichter von Syndia und Madam Pomfrey, die offenbar ratlos waren. Severus schien es schlechter zu gehen, als er dachte. „Ich versuche immer wieder mit ihm zu reden, aber bisher hatte ich keinen Erfolg“, seufzte Syndia auf. „Ich werde mir aber das mit den Tränken nochmal genauer ansehen.“ Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. Wenn Syndia nicht mit ihm reden konnte, sollte er es vielleicht mal versuchen. Aber andererseits war er wahrscheinlich der letzte, den Severus momentan sehen wollte. Kapitel 51: Traute Zweisamkeit ------------------------------ Verschlafen blinzelte Harry, als er auf seinen Wecker sah. Es war halb 6 Uhr morgens. Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen. Er hatte also circa fünf Stunden geschlafen und das sogar ohne Träume. Leise schälte Harry sich aus seiner Bettdecke und ging zum Fenster. Noch war es dunkel draußen, aber er wusste, dass die Sonne bald aufgehen würde. Gut gelaunt und deutlich fitter als sonst, setzte Harry sich auf sein Bett und sah, wie jeden Morgen, auf der Karte des Rumtreibers nach, ob er sich gefahrlos durch die Gänge schleichen konnte. Gerade morgens war nicht viel los, da auch die Patrouillen nur bis spätestens 5 Uhr gingen. Harry wollte die Karte gerade wieder weglegen, als ihm auffiel, dass Severus nicht in seinen Räumen war. Sofort blätterte er zum Astronomieturm um und wurde fündig. Er dachte an seine Gespräche gestern mit Luca und Syndia und biss sich überlegend auf die Unterlippe. Sollte er die Chance nutzen, um mit Severus zu reden? Mehrere Minuten lang überlegte der Gryffindor hin und her. Schließlich gab er sich einen Ruck und zog sich leise an, um die anderen nicht zu wecken. Versteckt unter dem Tarnumhang, schlich er sich durch das Portraitloch und schlug als erstes den Weg zu den Gängen mit den Fenstern ein, da dort das Schloss um einiges weniger gruselig wirkte. Es war zwar absolut kindisch von ihm, aber zum Glück bekam das ja keiner mit. Er war schon am überlegen, ob er vielleicht sogar gezielt nachts durch die dunkelsten Gänge laufen sollte, um sich so seine Angst abzutrainieren. Der Weg zum Turm erschien dem Gryffindor endlos lang, doch als er endlich die Stufen zur Spitze erreicht hatte, zögerte er. Er ging die Möglichkeiten durch, wie Severus reagieren könnte und nicht eine davon war angenehm. Doch jetzt war er bereits so weit gelaufen und es wäre albern wieder umzudrehen. Also holte Harry tief Luft und wappnete sich für das Kommende. Obwohl er die Stufen so leise wie möglich hinaufstieg, wandte Severus dennoch den Blick zur Treppe um. Als er niemanden entdecken konnte, schien er zu begreifen und drehte sich wieder zu den Ländereien. „Ich habe mich schon gewundert, dass du nie hier anzutreffen bist“, begrüßte er Harry mit ruhiger Stimme, was den Gryffindor erleichterte. Er zog den Tarnumhang von sich, stopfte ihn in seinen Mantel und trat neben den Tränkemeister, um ebenfalls den verbotenen Wald zu betrachten. Eine Zeit lang standen sie nur stumm da und Harry spürte, wie er sich entspannte. Solch eine innere Ruhe hatte er ewig nicht mehr gespürt und merkte auch jetzt erst, wie sehr er dieses Gefühl vermisst hatte. Eine leichte Brise wehte ihnen entgegen und Harry schloss genüsslich die Augen. Für diese Jahreszeit war es zwar noch relativ kalt, aber nichts konnte so kalt sein wie Necrandolas. Seufzend stützte Harry sich auf der Mauer ab. Er hatte es geschafft seinen Freunden von Necrandolas zu erzählen und es hatte auch geholfen seine Gefühle besser zu beherrschen, aber er würde sich niemals so gut im Griff haben wie Severus. Wenn Syndias Befürchtungen stimmten, ging es Severus alles andere als gut und dennoch ließ er sich nichts anmerken. Er führte normal den Unterricht und er bekam auch keine Gefühlsausbrüche. „Wie machst du das?“, flüsterte Harry schon fast und Severus warf ihm einen Blick zu. „Wie mache ich was?“ „Wie schaffst du es, die anderen nichts merken zu lassen? Wie kommt es, dass du den Unterricht normal durchziehen kannst? Wie schaffst du es, deine Gefühle immer im Griff zu haben? Warum tickst du nicht auch mal aus?“ „Willst du etwa, dass ich das tu?“, zog Severus eine Augenbraue hoch. „Nein“, winkte Harry mit gerunzelter Stirn ab und setzte sich auf die niedrige Mauer. „Ich will das nur genauso gut hinkriegen.“ Severus' Blick wanderte wieder über die Bäume, als er murmelte: „Das ist einfach jahrelange Übung.“ Den Kopf fragend schief stellend, machte Harry es sich in dem Fenster bequemer und lehnte sich an die Mauer, die Beine angezogen. Severus entging der Blick des anderen nicht. „Es ist eben nicht das erste Mal, dass ich was zu verarbeiten habe. Damals hat das auch keiner mitbekommen“, murmelte er und Harry war sich nicht sicher, ob Severus das wirklich so gut fand, wie es klingen sollte. Es war wirklich erstaunlich, wie ruhig und ehrlich Severus mit ihm sprach, nachdem er doch eigentlich gesagt hatte, dass sie das in Zukunft lassen sollten. Es war fast, als hätte er schon seit Tagen darauf gewartet, dass Harry zu ihm kam. Dann konnte Harry ihn vielleicht wirklich auf Syndias Sorgen ansprechen. „Kannst du schlafen?“, fragte er also gerade heraus, sah den anderen dabei aber nicht an. Seufzend setzte sich auch Severus ins Fenster, lehnte sich gegenüber von Harry an die Mauer und zog die Beine hoch, sodass sich seine und Harrys Füße fast berührten. „Ich habe Zaubertränke studiert. Ich komme schon zu meinem Schlaf, wenn ich will“, murrte Severus. Skeptisch sah Harry zu ihm herüber, denn wirklich ausgeruht wirkte der Tränkemeister nicht. „Dumbledore will, dass wir den Okklumentikunterricht fortführen“, lenkte Severus vom Thema ab. Noch immer musterte Harry ihn prüfend, doch gleichzeitig merkte er, wie er bei dieser Neuigkeit innerlich unruhig wurde, seltsamer Weise auf positive Art. „Wann geht’s los?“, versuchte er so gelassen wie möglich zu fragen. „Weiß ich noch nicht genau“, murrte Severus überlegend und Harry kam wieder der Gedanke, dass Severus ihn wohl nicht in seiner Nähe haben wollte. Es war eindeutig, dass der Slytherin bei der Sache gemischte Gefühle hatte und Harrys anfängliche Freude wurde abgebremst. Ihm brannte diese eine Frage auf der Zunge, die ihn die ganze Zeit über beschäftigte, allerdings traute er sich nicht, sie auszusprechen. „Jetzt spuck' es endlich aus“, grummelte Severus schließlich ein wenig kraftlos und Harry holte unsicher Luft. „Habe ich dir irgendwas getan?“, fragte er leise, sah aber weiterhin über die Ländereien. „Du warst... im Unterricht sauer auf mich.“ „Ich weiß nicht was du meinst.“ „Doch, das weißt du“, entgegnete Harry sofort, da er keine Ausflüchte hören wollte. Sein sturer Blick traf auf den von Severus und sofort wurde Harry wieder unsicher. Er hatte erwartet, dass der Tränkemeister genauso stur zurückschauen würde, doch in seinem Blick lag etwas ganz anderes. Er versuchte sich zu verschließen, aber ganz gelang es ihm nicht, denn eine Spur der Unsicherheit war noch zu sehen. Offenbar war er einfach zu erschöpft, um seine Maske aufzusetzen. Seufzend brach Severus den Blickkontakt. „Ich war nicht sauer auf dich“, murmelte er erschöpft. „Sondern?“ „Es war nichts“, schüttelte Severus träge den Kopf. „Mich regt es nur auf, dass... es im Moment nicht alles so klappt, wie es sollte.“ Der Tonfall des Slytherins war weiterhin ruhig und erschöpft, was Harry langsam Sorgen machte. So wie Severus sich gerade gab, kannte er ihn nicht. Er war so unsagbar ehrlich, als hätte er keine Kraft sich irgendwelche Ausflüchte auszudenken und er wirkte wie jemand, der einen Kampf aufgegeben hatte. Hatte er gehofft, dass Harry hierher kam, weil er vielleicht jemanden brauchte, mit dem er sprechen konnte? So wie Harry mit seinen Freunden geredet hatte? Mit dieser Situation war Harry überfordert. Er wollte herausfinden was los war, wusste aber nicht, wie er danach fragen konnte. „Also... bist du wütend auf dich selbst?“ „Bist du es nicht?“, kam als Gegenfrage. Wenn Harry so darüber nachdachte, war da schon etwas. Er regte sich darüber auf, wenn er keine Kontrolle über sich hatte, wenn er nicht schlafen konnte und wenn er wie ein kleines Kind Angst im Dunkeln bekam. Aber damit zu sagen, dass er wütend auf sich war? Genervt, vielleicht auch gefrustet, aber richtig wütend? „Nein“, antwortete Harry und wurde wieder angesehen. „Es nervt alles, ja. Aber dann versuche ich mich besser zusammenzureißen. Ich versuche mich in den Griff zu kriegen, denn es bringt gar nichts, wenn man sich einfach in Hass...“ Erschrocken stockte er. War das Syndias Befürchtung, die Luca nicht ganz verstanden hatte? Hatte sie Angst, dass Severus in Selbsthass versank? Skeptisch zog Severus eine Augenbraue hoch. „Was für ein seltener Geistesblitz ist dir jetzt gekommen, Potter?“ Harry öffnete den Mund, um zu antworten, blieb jedoch stumm. Er sah Severus einfach nur an, während seine Gedanken rasten. In Necrandolas hatten sie eine Ausnahmesituation erlebt und selbst da war Severus nicht in solchen Gedanken versunken. Er war zwar depressiv geworden, verständlicherweise, aber er ließ nie durchblicken, dass er diesen Frust an sich selbst auslassen würde. Nein, für so etwas war Severus einfach nicht der Typ. Oder? „Nun?“, fragte der Slytherin ungeduldig und holte Harry aus seinen Gedanken. „Ähm“, begann dieser unsicher. „Es ist nur... Syndia macht sich Sorgen um dich.“ „Sie hat genug eigene Sorgen, da soll sie sich nicht auch noch für mich verantwortlich fühlen“, schnaubte Severus und wandte wieder den Blick ab. „Ich komme gut alleine klar.“ „Sicher?“, zog Harry die Augenbrauen hoch. „Es hilft mit jemandem zu reden. Ich hab es auch getan. Es ist zwar nicht leicht, aber es hilft dabei verstanden zu werden.“ Der Kopf des Tränkemeisters ruckte wieder zu Harry. „Mit wem hast du geredet? Über was?“ Harry erkannte sofort, was Severus befürchtete. „Ich habe Ron und Hermine von Necrandolas erzählt“, versuchte Harry ihn zu beruhigen. „Von den Fallen und den Orks... und dem Mantikor.“ Die Schultern des Slytherins entspannten sich wieder. „Es wäre vielleicht ganz gut, wenn du das auch machen würdest“, schlug Harry schulterzuckend vor. Als Antwort erhielt er ein verächtliches Schnauben. „Ich komme gut alleine zurecht.“ „Das sagtest du schon“, entgegnete Harry ruhig. „Aber du redest doch auch gerade mit mir, oder?“ Dieses mal dauerte es, bis eine Reaktion kam. Leise murmelte Severus: „Das ist was anderes.“ Aus unerklärlichen Gründen machte sich in Harry ein warmes Gefühl breit. „Weil ich weiß, was passiert ist“, stellte Harry fest. „Es nervt einfach alles wiederholen zu müssen“, ächzte der Slytherin und lehnte seinen Kopf nach hinten. Harry wusste genau was er meinte. Die anderen verstehen einen nicht, weil sie nicht wissen, was passiert war. Das war auch das, was Hermine gesagt hatte. Und um jemandem alles zu erzählen, hatte Severus anscheinend nicht die Kraft. In dem Punkt war Harry wohl ausnahmsweise mal stärker als er. Auch wenn Harrys Erzählungen in einer Panikattacke geendet hatten, so hatte er es doch geschafft seinen Freunden etwas zu erzählen. Aber wenn Severus sich niemandem anvertrauen konnte, blieb Harry doch als einzige Person über, mit der er reden konnte, oder? Und wenn Severus wirklich nicht wütend auf ihn war, konnte er es vielleicht wagen öfter mal nachzuhaken. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich verantwortlich für den anderen. Die ersten Sonnenstrahlen kämpften sich durch den Morgennebel zu ihnen herauf. Stumm saßen sie da und betrachteten den Sonnenaufgang. Severus streckte seine Beine ein wenig weiter aus und Harry positionierte sein linkes Bein zwischen Severus' Waden, um seine eigenen Beine nicht einziehen zu müssen. So saßen sie eine Weile da, als wäre diese Situation völlig selbstverständlich. Als sie bereits größtenteils in Licht getaucht waren, sah Harry zum anderen herüber. Erst jetzt konnte er erkennen, wie rot die Augen des Tränkemeisters waren. Er hatte zwar keine allzu starken Augenringe, aber die Äderchen in den Augen verrieten ihn. Wenn es schlimmer werden würde, könnte man auf den Gedanken kommen, dass er regelmäßig weinte. Mit einem beklommenem Gefühl seufzte Harry auf. Seine Gedanken wurden unterbrochen, als Severus langsam die Augen schloss. Er schien zu entspannen und Harry konnte sich denken wieso, denn ihm ging es genauso: Zu zweit hier zu sitzen war ungemein beruhigend. Seine Gedanken wanderten nicht mehr so unkontrolliert umher und er fand endlich ein wenig Ruhe. Das war wohl der endgültige Beweis von Hermines These: Es lag an Severus' Nähe.   So gut gelaunt und voller Energie wie schon lange nicht mehr, wanderte Harry durch das Schloss und überlegte, wie er die nächste Freistunde nutzen sollte. Draußen war herrliches Wetter und das würde er am liebsten ausnutzen. Da kam ihm eine Idee und ein Lächeln huschte auf seine Lippen. Sofort machte er sich auf den Weg zum Gryffindorturm, von dem ihm vereinzelte Schüler entgegen kamen. Jetzt, wo er wieder wacher im Kopf war, fielen ihm auch wieder die verschreckten Blicke der anderen auf, doch momentan war ihm das egal, denn er dachte nur an eines: Seinen Besen. Eilig kletterte er durch das Portraitloch, ignorierte Collins Begrüßung und rauschte zu den Schlafsälen hoch. Für einen Moment musste er überlegen, wo er den Feuerblitz hingetan hatte, da er ihn seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr in der Hand gehabt hatte. Nachdem er seinen Koffer unter dem Bett hervorgezogen hatte, entdeckte er endlich einen Büschel voll Reisigzweige. Der arme Besen war ein wenig eingestaubt und entschuldigend strich Harry über das glatte Holz. Er konnte sich wirklich nicht erinnern, wann er das letzte Mal geflogen war. Es musste ja das letzte Quidditchtrainung vor Necrandolas gewesen sein. Entschlossen, seine Flugstunden endlich wieder aufzunehmen, stand Harry auf und marschierte mit dem Besen nach unten. Ohne irgendwem seine Beachtung zu schenken, wanderte er durch das Schloss und atmete tief durch, als er das große Tor von Hogwarts durchquert hatte und er die Sonne im Gesicht spürte. Vor Aufregung bekam er schwitzige Hände und so beeilte er sich, schneller zum Quidditchfeld zu kommen. Je näher er dem Stadion kam, desto aufgeregter schlug sein Herz. Er würde endlich wieder fliegen und sich vielleicht auch endlich wieder vollkommen frei fühlen. Das Spielfeld lag still da und sah genauso aus, wie in Harrys Erinnerungen. Er grinste, als er an all die Spiele dachte, die er hier bereits gegen die anderen Häuser gespielt hatte. Wie er den Schnatz mit dem Mund gefangen hatte, wie Luna ihre seltsamen Kommentare zum Spielgeschehen abgab... Noch einmal tief Luft holend, betrat Harry das Spielfeld. Als er in der Mitte angekommen war, setzte er sich leicht zitternd auf seinen Besen. Auf dem Weg hierher hatte er sich Sorgen gemacht, ob er das Fliegen vielleicht verlernt hätte, aber jetzt war ihm bewusst, dass er es schon immer konnte und es nie hatte lernen müssen. Kräftig stieß er sich vom Boden ab und erhob sich in die Lüfte. Er stieg langsam immer höher und höher, über die Ringe hinaus. Der warme Wind strich über sein Gesicht und sein Grinsen wurde immer breiter. Sein Herz machte Freudensprünge und endlich traute er sich Gas zu geben. Er hatte völlig vergessen wie schnell der Feuerblitz war und ihm entwich ein freudiger Schrei. Er führte Schleifen um die Ringe aus, machte Saltos und flog immer höher. Es war, als würde er den Himmel berühren können und überlegte kurz, ob er bis zu den kleinen Wolken aufsteigen sollte. Doch dann kam ihm eine andere Idee. Auch wenn das in Hogwarts nicht erlaubt war, drehte er um und flog Richtung See. Es war ohnehin gerade niemand draußen, also war es egal, dass er das Stadion verließ. Im Moment konnte er sich wahrscheinlich ohnehin alles erlauben. Im gleichmäßigen Tempo flog er über die glatte Oberfläche des Sees und glitt immer näher heran. Als er nur noch wenige Meter über dem Wasser war, behielt er die Höhe bei und wurde schneller. Wie hatte er es nur so lange ohne Fliegen ausgehalten? Freudig zog er den Besen wieder hoch und drehte erneut Saltos, machte sich aber bald wieder auf den Weg zum Stadion, um sein Glück nicht allzu sehr herauszufordern. Das hieß jedoch nicht, dass er absteigen wollte. Nein, am liebsten würde er den Rest des Tages auf dem Besen bleiben.   Was der Gryffindor nicht bemerkte: Er wurde beobachtet. Syndia stand am Rande des Schulhofes an eine Mauer gelehnt und beobachtete mit einem sanften Lächeln den kleinen Fleck am Himmel, wie er freudig eine Schlaufe nach der anderen zog. „Wenigstens einer bekommt endlich seine Lebensfreude zurück“, gesellte sich mit einem Mal Dumbledore zu ihr, was Syndia jedoch nicht zu überraschen schien. „Ja, ich schätze die schlimmste Phase hat er überwunden. Vielleicht schläft er auch bald wieder mehr, auch ohne Tränke.“ „Ich fürchte, so schnell wird sich das nun doch wieder nicht legen“, zweifelte der Schulleiter. „Es ist noch ein weiter Weg, aber Harry hat eine gesunde Einstellung dazu und das beruhigt mich. Das habe ich schon immer an ihm bewundert. Dass er so ein Steh-auf-Männchen ist.“ „Ich denke, wir müssen uns keine allzu großen Sorgen mehr um Harry machen“, stimmte Syndia nickend zu. „Er ist einfach zu stur, um sich von Depressionen übermannen zu lassen.“ „Severus ist auch stur“, warf Dumbledore ein und sofort verschwand Syndias Lächeln. „Ja, aber diese Sturheit benutzt er an der falschen Stelle“, murmelte sie düster. „Vielleicht kann Harry ihm ja zeigen, wie man sie richtig einsetzt“, überlegte Dumbledore munter weiter und Syndia betrachtete ihn skeptisch. „Und wie soll er das machen?“, zog sie eine Augenbraue hoch. Dumbledores gute Laune schien noch immer nicht zu verschwinden. Geheimnisvoll sagte er: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Harry in der Lage wäre, ihm den richtigen Weg zu zeigen. Er muss es nur zulassen. Severus denkt leider oft, dass er im Recht ist, besonders Harry gegenüber, aber vielleicht schafft der Junge es ja sein Eis zu durchbrechen.“ So langsam fragte Syndia sich, was im Kopf des Schulleiters vor sich ging. Was genau meinte er mit seinen Worten? Irgendwie kam es Syndia so vor, als würde er von was ganz anderem sprechen. Es klang ja fast so, als hätte er die beiden durchschaut. Völlig irritiert sah sie Dumbledore an, der bei ihrem Blick schmunzeln musste. „Was ich damit meine ist, dass Harry wahrscheinlich derjenige ist, der momentan am besten an Severus herankommt und ihn vor allem am ehesten aus seinen Depressionen herausholen könnte. Denn so wie er in den letzten Tagen aussah, denke ich, dass wir bereits von Depressionen sprechen können.“ „Hm“, sagte Syndia zustimmend, behielt ihren Blick aber bei. Ihr Gefühl sagte ihr, dass das eben nicht das war, was der Direktor hatte sagen wollen. „Hat Severus Ihnen irgendetwas von Necrandolas anvertraut?“, lenkte Dumbledore wieder ernster werdend ab. Mit besorgtem Blick schüttelte Syndia den Kopf. „Er macht komplett dicht. Seine Methode ist die Verdrängung, aber manchmal hab ich das Gefühl, dass er bald platzt, wenn er nicht endlich mit jemandem reden kann.“ „Wo wir wieder bei Harry wären“, nickte Dumbledore. „Sie meinen, er würde sich ihm anvertrauen?“ „Ich glaube, er hat vielleicht sogar schon damit angefangen“, nickte der Schulleiter wieder geheimnisvoll. Fragend zog die Hexe eine Augenbraue hoch. „Wie kommen Sie darauf?“ „Sehen Sie sich doch nur Harry an“, nickte Dumbledore Richtung Quidditchfeld und irritiert sah Syndia von diesem zum Direktor hin und her. Was sollte denn Harrys Laune jetzt damit zu tun haben? Je länger sie mit dem Direktor sprach, desto weniger schien sie zu verstehen, obwohl sie bisher dachte, dass sie mehr wusste als dieser. Doch irgendetwas schien sie verpasst zu haben. Langsam, ganz behutsam wagte sie es, sich an die Gedanken des Direktors heranzutasten. Harry hatte letzte Nacht den Schlaftrank genommen und war deshalb heute wieder voller Energie. Aber Severus war heute Morgen auch wesentlich gelassener gewesen. Nicht mehr so reizbar, auch wenn er sich, wie immer, aus Gesprächen herausgehalten hatte. Und Dumbledore meinte, dass das zusammenhing? Wollte er damit sagen, dass Harrys gute Laune von einem Gespräch mit Severus kam? Überlegend legte sie den Kopf schief, während der Direktor Harrys Flugkünste bewunderte. „Ich werde dennoch versuchen mit ihm zu reden“, beschloss Syndia schließlich. „Seine roten Augen sind Ihnen sicherlich auch aufgefallen und er geht Madam Pomfrey vermutlich deswegen aus dem Weg.“ Verstehend nickte Dumbledore. „Ja, die sind mir aufgefallen“, sagte er ebenso ernst. „Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei.“ Damit drehte der Schulleiter sich um und ging wieder Richtung Schloss. Kapitel 52: Unterdrückte Gefühle -------------------------------- Entschlossen atmete Syndia tief durch, ehe sie an Severus' Bürotür klopfte. Wie zu erwarten war, kam keine Antwort und sie trat vorsichtig ein. Das Büro war leer und so ging sie zur nächsten Tür, die in die Privaträume des Slytherins führte. Ihr Bruder saß auf dem Sofa mit einem Stapel Pergamentrollen auf dem Schoß, die er sich gerade durchlas. „Du weißt schon was es bedeutet, wenn man nicht Herein sagt, oder?“, begrüßte Severus Syndia mürrisch, ohne aufzublicken. Diese schloss einfach die Tür hinter sich. „Du verkriechst dich viel zu sehr. Würde Dumbledore dich nicht zum Essen verpflichten, würde ich dich gar nicht mehr sehen.“ „Ich bin nicht so der gesellige Typ, das weißt du“, entgegnete Severus ungerührt und legte das obere Pergament neben sich auf einen anderen Stapel. Für einen Moment betrachtete Syndia ihn sorgenvoll. Man sah ihm seine Erschöpfung an. „Sev, ich mache mir Sorgen um dich“, sprach die Hexe sanft und trat näher heran. „Jaa, ich weiß“, veränderte Severus nichts an seinem Ton. „Und du weißt auch, dass du das nicht sollst. Mir geht es gut.“ „Du sollst mich nicht anlügen“, sagte Syndia weiterhin sanft. „Du bist momentan sehr schnell gereizt.“ Nun sah Severus doch auf. „Ich bin gereizt und die Noten der Schüler sind grottenschlecht“, hielt er den Stapel Pergament hoch. „Also ist alles wie immer.“ Für einen kurzen Moment konnte Syndia in die Augen ihres Bruders blicken, bevor er sich wieder den Hausaufgaben widmete. „Was ist mit deinen Augen?“, fragte sie nun energischer nach. „Das nennt man Übermüdung, Syndia“, seufzte der Slytherin genervt. „Nein, ich habe in Zaubertränke gut genug aufgepasst, Severus“, wurde die Hexe lauter. „Du nimmst schon viel zu lange Schlaftränke ein, nicht wahr?“ Entnervt legte Severus die Pergamente neben sich und rieb sich die Nasenwurzel. Dabei glitt Syndias Blick über den Wohnzimmertisch. Er war für Severus' Verhältnisse sehr unordentlich und zwischen den einzelnen Magazinen lagen etliche Phiolen, leer, aber eine mit einem dunklen Zaubertrank gefüllt. Stirnrunzelnd nahm sie die volle Phiole in die Hand, da sie nicht wusste, was für ein Trank das darstellen sollte. Hastig griff Severus danach, doch Syndia war schneller und machte mit der Flasche in der Hand einen Schritt zurück. Wütend stand Severus auf und streckte die Hand aus. „Gib mir das sofort wieder!“ „Was ist das?“, fragte sie kalt. Die Reaktion ihres Bruders gefiel ihr ganz und gar nicht. Wütend spie der Slytherin aus: „Ich dachte du hast in Zaubertränke aufgepasst? Und jetzt gib das her!“ „Du brauchst dich gar nicht so aufzuregen“, rief Syndia zurück und bekam langsam Angst. Eilig betrachtete sie die fast schwarze Flüssigkeit, doch allein die Färbung reichte nicht aus, um den Trank bestimmen zu können. Severus machte einen Schritt auf sie zu, doch sie wich weiter zurück und öffnete hastig das Fläschchen, ihren Bruder im Auge behaltend. Prüfend roch sie an der Phiole. Dann zog sie fragend eine Augenbraue hoch, und betrachtete erneut die Farbe der Flüssigkeit. Der Geruch passte eindeutig nicht zur Farbe, es sei denn... Vor Schreck riss sie die Augen auf. „Ist das Schlaftrank?“, sah sie fassungslos zu ihrem Bruder. „Du hast doch gerade selbst gesagt, dass ich welchen einnehme“, knurrte Severus und schnappte seiner Schwester die Phiole aus der Hand. Während er sie wieder verschloss, drehte er sich um und wollte sie wegräumen. Syndias Gesichtsausdruck verdüsterte sich. „Die Konzentration ist viel zu hoch. Das ist ja nichtmal mehr blau“, rief Syndia aus. „Eine normale Dosis reicht eben nicht mehr aus“, sagte Severus spitz und räumte die Phiole in seine Vitrine. Fassungslos sah Syndia zu ihrem Bruder. „Sev, du müsstest am allerbesten wissen, dass so eine hohe Konzentration tödlich enden kann! Und dass du noch nicht dran gestorben bist...“, sie stockte und Severus drehte sich wieder zu ihr um. Eine Augenbraue hebend, sagte der Slytherin: „Wie du schon sagtest, Syndia: Ich weiß am besten darüber Bescheid. Deshalb brauchst du dich da auch nicht einzumischen.“ Vollkommen verdattert betrachtete Syndia den anderen. Dass er so kalt reagierte, unterstützte ihre Vermutung nur weiter. „Du überlebst diese Dosis nur, weil du den Trank schon so lange nimmst, dass du die Konzentration langsam erhöhen konntest. Dein Körper braucht es inzwischen, nicht wahr?“ Entnervt seufzend setzte Severus sich wieder auf das Sofa und strich sich über die Augen. „Es ist traurig, dass du mir in Sachen Umgang mit Zaubertränken nichts zutraust.“ „Traurig?“, fragte Syndia fassungslos. „Ich finde es traurig, dass ein so großer Meister der Zaubertränke wie du es bist, ausgerechnet einem Zaubertrank verfällt, ja!“ Ruhig, als wäre Syndia einfach nur eine hysterische Frau, die maßlos übertrieb, sagte Severus: „Ich habe alles im Griff, Syndia.“ „Achja? Das sagst du mir, nachdem du gerade so reagiert hast, nur weil ich deinen Trank in der Hand hatte?!“ Wieder rieb Severus sich über die Augen, doch dieses Mal ließ er sein Gesicht in den Händen verborgen und er schien ein wenig in sich einzusinken. Syndia schluckte und trat langsam auf ihn zu. Noch immer rührte Severus sich nicht und sie schob vorsichtig die Pergamentrollen zur Seite, um sich neben ihn zu setzen. „Sev, so kann das nicht weitergehen“, flüsterte sie sanft. „Rede endlich mit mir. Oder mit Harry, das ist mir egal. Aber Hauptsache du tust was.“ Einige Augenblicke lang kam nichts, doch dann hob Severus wieder den Kopf, den Blick dabei geradeaus gerichtet. „Die nächste Ladung des Trankes habe ich bereits wieder schwächer gebraut“, murmelte er ruhig. „Mir ist klar, dass die Dosis nicht gesund ist und dass mein Körper da inzwischen nach verlangt. Deshalb versuche ich auch sie langsam wieder runterzusetzen. Keine Sorge, ich habe alles im Griff.“ Syndia nickte, obwohl sie skeptisch blieb. Sie würde auf jeden Fall die nächsten Tage diese Phiolen regelmäßig prüfen. „Wie konnte das passieren?“, fragte sie fast weinerlich. „Es wirkt einfach nicht“, seufzte Severus auf und wirkte wieder vollkommen erschöpft. „Aber dann kann eine erhöhte Dosis doch nicht die Lösung sein“, sagte Syndia mit kratziger Stimme. „Du weißt, warum du nicht schlafen kannst, oder?“ „Jaa“, sagte Severus genervt und stand auf, um wieder Abstand zu Syndia zu gewinnen. „Aber das macht das ganze nicht einfacher.“ „Harry bekommt auch keinen Schlaf ab“, stand Syndia ebenfalls auf. „Das weiß ich“, murrte der Slytherin. „Und was soll mir das jetzt nützen?“ „Hast du mit ihm mal darüber gesprochen?“ Entnervt knurrte Severus auf. „Syndia, was zum Teufel soll das bringen?! Sollen wir etwa den Rest unseres Lebens zusammen in einem Raum schlafen? Wie stellst du dir das vor? Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns das ganz schnell wieder abzugewöhnen, ganz einfach.“ Seufzend betrachtete Syndia ihren Bruder sorgenvoll. Sie wollte ihm so gerne helfen, doch hatte er auch Recht, es würde nichts bringen ihn und Harry in einen Raum zu sperren, damit sie ihren Schlaf bekamen. Abgesehen davon durfte der Schulleiter das auch gar nicht zulassen. Aber wenn das ganze ihren Bruder bereits zu solchen Maßnahmen trieb, war die Lage sehr ernst. Sie vermutete, dass er das nicht nur wegen dem mangelnden Schlaf tat. Wenn man unter Schlaftrank schlief, verarbeitete man keine Geschehnisse. „Du kannst das nur erreichen, wenn du dich endlich öffnest, Sev. Hör auf alles zu verdrängen. Wenn du es mir nicht erzählen willst, dann rede eben mit Harry.“ Langsam verlor Severus die Geduld. „Über was soll ich denn bitteschön reden?“ „Über das was dir im Kopf umherkreist“, konnte Syndia die Sturheit ihres Bruders nicht fassen. „Hör auf deine Gedanken zu betäuben, sondern stell dich ihnen. Auch wenn Harry öfter die Beherrschung verloren hat, hat er sich seinen Gefühlen wenigstens gestellt und kommt deshalb fast ohne Schlaftrank aus.“ „Was willst du von mir?“, wurde Severus immer lauter. „Dass ich einen Gefühlsausbruch bekomme?“ „Das wäre zumindest besser als das, was du zur Zeit treibst“, rief Syndia mit sprühenden Augen zurück. „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich die Dosis verringere! Wenn du mir nicht glaubst, kannst du es dir auch gerne ansehen. Ich habe die Phiolen in meinem Vorratsschrank!“, deutete Severus wütend zum Büro. „Diese Tränke sind deutlich schwächer und die Phiole, die du eben hattest, war die letzte von dieser Stärke!“ „Das glaube ich dir sogar. Du wärst wahrscheinlich der einzige Mensch, der von so einer Dosis gefahrlos und vor allem alleine wieder herunterkommen würde, aber das löst immer noch nicht das Hauptproblem!“ „Du willst also, dass ich mich öffne, ja?!“, spie Severus aus und trat ein Stück näher an Syndia heran. Seine Augen sprühten vor Wut. „Bist du so geierig darauf, dir grausame Geschichten reinzuziehen?! Dann ließ Horrorromane!“ „Du weißt genau, dass es nicht darum...!“ „ACH NEIN?!“, unterbrach Severus seine Schwester. „Bist du vielleicht auch mal auf den Gedanken gekommen, dass ich dir das einfach nicht zumuten will?! Nach alldem, was du bereits mit deiner Familie durchgemacht hast?!“ Nun kam Syndia doch ins Stocken und vergaß glatt, eine ebenso laute Antwort zu geben. Das sollte der Grund sein? Er wollte nicht, dass sie auch darunter litt? Syndias Zögern ging dem Tränkemeister zu lang, sodass er sich von ihr wegdrehte, um ins Schlafzimmer zu flüchten und rief: „Dachte ich mir schon!“ Als der Hexe bewusst wurde, dass ihr Bruder sich gerade wieder verkriechen wollte, fing sie sich sofort wieder. „Ich will dir helfen!“, rief sie und lief Severus hinterher, um ihn aufzuhalten, bevor er die Tür erreichen konnte. „Du bist mein Bruder. Egal was du erlebt hast, ich halte das aus.“ Sobald Syndias Hand Severus' Arm berührte, drehte er sich wütend um und schlug sie weg. „Du glaubst immer so viel auszuhalten, aber in Wirklichkeit bist du viel zu zart für deinen Job!“, schrie er weiter. „Du denkst, du kannst den Dunklen Lord besiegen, aber du würdest ihm niemals...“ „Ich würde allem standhalten, wenn ich dadurch meine Familie schützen kann und dazu gehörst auch du! Denkst du denn ich kann mir nicht vorstellen, was du unter Voldemort zu erleiden hattest?“, unterbrach Syndia ihren Bruder. „Ich bin deine Schwester und du kannst mir alles anvertrauen! Völlig egal was es ist!“ „Wie geschockt wärst du denn, wenn ich dir sage, dass wir einen Quintaped gegessen haben?!“, schrie Severus aus Leibeskräften, in der Hoffnung seine Schwester abzuschrecken, doch Syndia erkannte etwas völlig anderes: Er verlor die Kontrolle über sich. „Oder dass ich mir die Rippen bei der Flucht vor einem Nundu gebrochen habe!!“, schrie er sich weiter in Ekstase. „Oder dass Potter mich mehrmals fast umgebracht hat, weil er von Orks verflucht worden ist!! Oder dass ich tatsächlich TOT war, weil ein Mantikor mich durchbohrt hatte!!!“ Nun musste Syndia doch schlucken. Doch sie war ohnehin schon einen Schritt zurückgewichen, da Severus außer Rand und Band war. „Oder dass Potters Wirbelsäule gebrochen war und er beinahe nie mehr hätte laufen können!! Oder dass ein Pogrebin mich so weit in die Verzweiflung getrieben hatte, dass ich ohne Potter nicht mehr leben würde!! Oder dass ein Erumpent mir das Bein gebrochen hatte und Potter mich deshalb stützen musste, obwohl ich genau wusste, DASS ICH IHN DAMIT UMBRINGE!! Und darauf folgend einfach die BESCHISSENE Tatsache, dass ich tagelang dachte, Harry könne mir jeden Moment unter den Händen WEGSTERBEN!!!!“ So langsam wurde es Syndia doch zu brenzlig. Beruhigend hob sie die Hände und ging langsam auf ihren Bruder zu, damit er wieder herunterkam. Leise sagte sie dabei: „Es ist gut Severus, ihr seid jetzt beide wieder in Sicherheit.“ „GAR NICHTS IST GUT!!“, schrie Severus und stieß vor Wut die Vitrine um, die neben ihm stand. Syndia machte einen Satz zurück, um nicht getroffen zu werden und sah wieder zu Severus auf, den anscheinend der Zerstörungswahn gepackt hatte. „Es war noch nie alles gut und es wird auch NIE alles gut sein!!!!“ Er trat nach der umgestürzten Vitrine, dessen Türen zersplittert waren. Dann griff er zur anderen Seite nach dem Bücherregal. Syndia versuchte ihm zuvor zu kommen, sprang so gut es ging über die Vitrine und griff nach Severus' Handgelenken. „FASS MICH NICHT AN!!“, schrie er sie an und schlug um sich. Vor Schreck ließ Syndia ihn sofort los und wurde von ihm nach hinten gestoßen, sodass sie zu Boden fiel. Noch während sie sich aufrappelte, zerstörte Severus bereits den Wohnzimmertisch, dessen Splitter sich wild klirrend im Raum verteilten. Ratlos und außer Atem saß Syndia da und wusste nicht, wie sie ihren Bruder bändigen sollte. Als erstes fiel ihr Harry ein, doch den konnte sie unmöglich jetzt so schnell hierher holen. Oder sollte sie Severus einfach machen lassen? Sollte sie warten, bis er sich von selbst beruhigte? Aber dabei könnte er sich selbst verletzen. Sie entschied sich gerade einen Zauber zu benutzen, richtete sich auf und zielte bereits mit ihrem Zauberstab, als Severus ein letztes Mal den Sessel zur Seite stieß, dabei laut herumschrie und dann auf die Knie fiel. Erneut schrie er auf, raufte sich die Haare, sank dann zu einem Häufchen Elend zusammen und verstummte zitternd. Schwer schluckend trat Syndia leise auf Severus zu, der stark schlotternd nach Atem rang. Ganz langsam ging sie neben ihm in die Hocke und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, doch das hatte er gut genug verborgen. Vorsichtig tastete sie sich an seine Gedanken heran, da er gerade nicht in der Lage war, diese abzuschirmen. Viele der Bilderfluten konnte Syndia nicht deuten, doch ein Bild war oft präsent, offenbar ein Albtraum, der ihren Bruder quälte: Er selbst mit einem reglosen Harry im Arm, der gerade seine letzten Atemzüge machte. Und Severus' Entschluss dazu, dass er Harry so lange halten würde, bis er selbst sterben würde. Den Schock herunter schluckend, strich Syndia ihrem Bruder sanft über den Rücken und als keine abwehrende Reaktion kam, zog sie ihn an sich. Er lehnte sich ohne Gegenwehr gegen sie, ließ das Gesicht aber weiterhin verborgen. Syndia versuchte ihm Halt zu geben und setzte ihm einen Kuss aufs Haar. „Es ist vorbei. Ihr seid in Sicherheit“, flüsterte sie ruhig. So langsam erholte sie sich von dem Schrecken. Es war gut, dass Severus endlich den Damm hatte brechen lassen, aber dass er so ausrasten würde, hatte Syndia nicht erwartet. Andererseits, wer weiß wie weit Harry bei seinen Wutausbrüchen gegangen wäre, wenn Severus ihn nicht gestoppt hätte. Syndia hatte ihren Bruder noch nie so erlebt und langsam beschlich sie das Gefühl, dass er mit viel mehr inneren Dämonen zu kämpfen hatte, als sie für möglich gehalten hätte. Und noch etwas war ihr gerade klar geworden: Severus schienen die Erinnerungen an die Kreaturen des Labyrinths viel weniger zu quälen, als die Tatsache, dass er beinahe Harry auf dem Gewissen gehabt hätte.   Wieder einmal lag Harry auf seinem Bett und studierte die Karte des Rumtreibers. Er und Ron hatten sich frühzeitig in den Schlafsaal zurückgezogen, sodass sie alleine waren. Während Ron irgendetwas in den Tiefen seines Koffers zu suchen schien, beobachtete Harry, wie die kleinen Punkte von Severus und Syndia in der Wohnstube des Tränkemeisters umherwanderten. „Du guckst aber nicht schon wieder nach Snape, oder?“, fragte Ron beunruhigt. Sich ertappt fühlend, legte Harry die Karte beiseite und setzte sich auf. „Nein, ich... ich habe nur kurz nachgesehen.“ „Du machst das wirklich ziemlich oft“, kräuselte Ron die Nase. „Das ist irgendwie nicht normal, weißt du.“ „Jaaa“, seufzte Harry und wich dem Blick seines Freundes aus. „Ich habe irgendwie das Gefühl, dass ich noch nicht alles weiß“, vermutete der Rothaarige langsam. Schuldbewusst biss Harry sich auf die Lippe. Er hatte es ihm ohnehin sagen wollen, dann konnte er das auch jetzt schnell hinter sich bringen. „Weißt du auch nicht“, murmelte Harry und Ron ließ den Koffer Koffer sein und setzte sich auf sein Bett. „Und warum sagst du es mir nicht einfach?“ „Weil es...“, zögerte Harry. „Es wird dir nicht gefallen.“ „Mit deinem Herumgedruckse machst du es aber nicht besser“, murrte Ron missgelaunt. Tief durchatmend sammelte Harry seinen ganzen Mut zusammen. Seine folgenden Sätze zerstörten vielleicht seine beste Freundschaft, aber da musste er jetzt durch. „In Necrandolas habe ich Snape geküsst.“ Es schien einige Sekunden zu dauern, bis die Information bei Ron ankam. Schließlich sagte er: „Hä?“ „Na ich hab... ihn geküsst. Mehrmals sogar. Ich hab... ich glaube ich stehe vielleicht... auf Männer.“ Jetzt war es raus. Mit dem schlimmsten rechnend sah er zu seinem Freund, der stark mit diesen Neuigkeiten zu kämpfen hatte. „Ähm...“, begann er wieder, „du... bist schwul? Und stehst auf Snape?“ Harry schluckte schwer. „Ich denke eher, dass ich bi sein könnte. Schließlich... fand ich Cho nicht unattraktiv und... ich... ich muss das einfach noch herausfinden.“ Wieder entstand eine kurze Stille, in der Ron ihn nur fassungslos anstarrte. Unruhig rutschte Harry auf seinem Platz umher und wartete auf die nächste Reaktion. „Du stehst auf Snape?“, sagte Ron wieder im selben Tonfall. „Ich... ich weiß es nicht, ich bin vielleicht einfach nur... er war der einzige Mensch, den ich in Necrandolas um mich hatte. Vielleicht haben meine Hormone da einfach verrückt gespielt“, versuchte Harry hastig alles mit den Floskeln von Severus herunterzuspielen. „Ich weiß einfach noch nicht, was Sache ist.“ „Na dann solltest du das lieber schnell herausfinden“, sagte Ron schlicht mit einem etwas angewiderten Gesichtsausdruck, während er langsam grün um die Nase herum wurde. Da er offenbar nicht wusste, was er tun sollte und sich vielleicht sogar Harrys alleiniger Gegenwart bewusst war, rutschte Ron von seinem Bett herunter und stapfte ohne ein weiteres Wort zur Tür. Als diese sich hinter ihm schloss, atmete Harry aus und schlug wütend auf seine Decke. Na ganz klasse, jetzt hatte Ron Angst, Harry würde ihn anfallen. Das war ja wirklich super gelaufen! Ächzend ließ Harry sich zurückfallen und starrte an die Decke. Der beruhigte sich sicherlich bald wieder... hoffentlich. Was war er denn bitte für ein Freund? Wäre er wirklich sein bester Freund, wäre er nicht abgehauen! Harry traf überhaupt keine Schuld, denn er hatte sich nicht falsch verhalten! Seufzend schloss Harry die Augen. Ron war so ein Idiot! Aber in einem Punkt musste Harry ihm Recht geben: Er sollte langsam herausfinden, auf was er stand... und vor allem wollte er endlich Klarheit über seine Gefühle zu Severus haben. Denn es war wirklich nicht normal einen Menschen täglich mit der Karte zu stalken. Warum tat er das? Tief durchatmend legte Harry seinen Arm über die Augen. Er sah wieder Severus vor sich, wie er heute Morgen im Sonnenlicht gesessen hatte, mit geschlossenen Augen. Sie hatten eine ganze Weile so auf dem Turm gesessen und Harry hatte alle Zeit der Welt gehabt den anderen zu mustern. Severus war sogar weggedöst und in Harry hatte sich ein warmes Gefühl ausgebreitet, das nicht von den Sonnenstrahlen kam. Es war der Gedanke, dass Severus ihm mehr als irgendeinem anderen Menschen vertraute. Ausgerechnet ihm. Nur in seiner Gegenwart konnte er sich so entspannen und fallen lassen. Das war ein unglaublicher Schatz. Von sich selbst genervt, raufte Harry sich die Haare und öffnete die Augen. Das durfte doch nicht wahr sein! Wie kamen nur solch schnulzige Gedanken in seinen Kopf? Wer hatte ihm so einen Schwachsinn beigebracht?! Kopfschüttelnd sah er an die Decke. Was sollte er nur machen? Severus aus dem Weg gehen? Nein, das war ohnehin nicht möglich. Außerdem hatte er sich dazu entschlossen ein Auge auf ihn zu haben. Also was dann? Irgendwie musste er doch diese bescheuerten Gedanken abtöten. Und warum zum Teufel fiel ihm ausgerechnet jetzt ein, wie zart Severus' Halslinie war?! „Ahh“, rief Harry entnervt aus, drehte sich auf die Seite und drückte sich das Kissen auf den Kopf, als könne er so irgendwie seine Gedanken fernhalten. Das war ja nicht zum Aushalten! Aber war das jetzt der Beweis dafür, dass er etwas für den Slytherin empfand? Grübelnd ließ Harry das Kissen los, damit er durch einen Spalt wieder Luft bekam und etwas sehen konnte. Vielleicht steigerte er sich da gerade nur wieder in was hinein. Severus war in Necrandolas für ihn anziehend gewesen, ja, aber dafür hatten sie ja nun schon genug plausible Gründe gefunden. Und dass diese Anziehung nicht von jetzt auf gleich wieder verschwand, war auch klar. Aber wie lange würde das dauern? Wie lange musste Harry sich noch mit solchen Gedanken quälen, bis er sicher sein konnte, dass es eben nicht die Instinkte waren? 'Vielleicht bis ich wieder schlafen kann.', überlegte der Gryffindor. Das klang plausibel. Er konnte nicht schlafen, weil er Severus' Schutz dafür brauchte und solange er von diesem noch abhängig war, würden diese Gedanken wahrscheinlich auch nicht verschwinden. Vielleicht trickste ihn ja sein Hirn aus und schickte ihm absichtlich solche Gedanken, damit er Severus' Nähe suchte, um schlafen zu können. „Wie mies“, murrte Harry und drehte sich wieder schmollend auf den Rücken, das Kissen dabei wegstoßend. Dann wusste er ja was zu tun war: So schnell wie möglich wieder lernen ohne Schlaftrank zu schlafen, um diese lästigen Gedanken loszuwerden. Und ganz nebenbei würde er sich Ron vorknöpfen! Das klang ja endlich mal nach einem Plan. Kapitel 53: Ein Test -------------------- Kapitel 53: Ein Test   Die nächsten Tage ging es Harry immer besser. Er merkte zwar, was Madam Pomfrey damit meinte, dass der Schlaf unter Schlaftrank zwar erholsam für den Körper aber nicht für den Geist war, aber er hielt sich an die Dosis, die sie ihm verschrieben hatte und wollte den Trank ohnehin so schnell wie möglich wieder absetzen. Er war zwar durch den Trank wesentlich wacher im Kopf, aber irgendwie hatte er auch ein seltsames Gefühl, als wäre er unterzuckert oder so etwas ähnliches. Also ließ er es langsam angehen, vermied es, auch wenn er das bedauerte, auf den Besen zu steigen und versuchte nicht allzu viel herumzustreunen. Was allerdings wieder mit Severus los war, blieb ihm ein Rätsel. Er schien sich deutlich besser im Griff zu haben und führte den Unterricht wieder mit seiner üblichen Kälte durch. Das wäre an sich ein gutes Zeichen gewesen, wenn er Harry nicht so ausgewichen wäre. So sehr sich der Gryffindor auch bemühte, er schaffte es nicht den Blick des anderen aufzufangen. Es wirkte beinahe so, als wolle er sich vor ihm verstecken. Aber warum? Was ging ihm jetzt schon wieder durch seinen Dickschädel? Dieser Kerl war zum verrückt werden! Leider gab es aber jemanden, der Harry noch viel mehr auf die Palme brachte: Ron. Dieser lief dauerhaft mit einer mürrischen Miene umher und ging jedem Gespräch mit Harry aus dem Weg. Natürlich war auch Hermine aufgefallen, dass etwas nicht stimmte und so hatte Harry sie nach dem Frühstück aufgeklärt. Daraufhin hatte sie die Augen verdreht und gesellte sich nun immer zu Harry, wenn Ron der Meinung war, einen anderen Weg einschlagen zu müssen. „Der kriegt sich wieder ein“, murrte Hermine schnippisch, während sie sich durch die Flure voller Schüler quetschten. „Sein Denkapparat arbeitet nur nicht so schnell, da dauert es eine Weile, bis er genug nachgedacht hat.“ Stumm nickte Harry. Auch wenn er froh darüber war, wie gut Hermine zu ihm hielt, wollte er nicht schon wieder einen Keil zwischen seine beiden Freunde treiben. Sie hatten sich gerade erst wieder vertragen, da durfte das ganze nicht wieder von vorne losgehen. „Mal sehen was bei herauskommt, wenn ich ihn mir vorknöpfe“, überlegte der Gryffindor mürrisch. „Also wenn er sich nicht bald beruhigt, werde ich das auch tun“, nickte Hermine eifrig. „Dann werde ich ihm gehörig den Kopf waschen! Wie sieht es mit deinem Schlaf aus? Es ist besser geworden, oder?“ Überrascht über diesen Themenwechsel, nickte Harry erst nur. „Ähm... ja, es... geht schon ganz gut.“ Grübelnd sah Hermine ihren Freund an und fragte: „Bist du irgendwie sauer auf Snape?“ Warum zum Teufel sprang Hermine von Thema zu Thema? Da wurde einem fast schwindelig bei. „Was? Nein“, log Harry geradeheraus, doch Hermine schien bereits Bescheid zu wissen. „Er geht dir aus dem Weg. Ich dachte, das regt dich wahrscheinlich auf.“ Woher wusste sie denn das schon wieder? Konnte die Gedanken lesen? „Je nachdem wie seine Laune ist, meidet er mich im Unterricht mehr oder weniger“, murrte Harry. „Und wenn er wütend ist, lässt er alles an mir aus. Aber das müsste ich eigentlich schon kennen. Ich war schon immer sein Spielball.“ „Harry...“, begann die Hexe langsam und sah sich um, wie viele Schüler sie wohl belauschen konnten. „Was denkst du inzwischen was du für ihn fühlst?“ So lässig wie möglich zuckte der Gryffindor mit den Schultern. „Das werde ich sehen, wenn ich endlich wieder ruhig schlafen kann.“ „Meinst du das reicht aus?“, sah Hermine ihn zweifelnd an. „Was soll ich denn sonst tun?“ „Ich weiß nicht...“, überlegte Hermine. „Du müsstest das irgendwie austesten.“ „Inwiefern austesten?“ „Naja... keine Ahnung, alle Methoden, die mir einfallen würden, wären zu viel.“ „Und diese Methoden wären?“, murrte Harry, da er es nicht mochte ihr alles aus der Nase ziehen zu müssen. „Nun, ob du eifersüchtig wirst zum Beispiel. Oder ob du an ihn denkst, wenn du was mit jemand anderem hast. Aber wie ich schon sagte, das wäre alles nicht umsetzbar. Du solltest dich nicht einfach an irgendwelche Typen heranschmeißen.“ „Hm“, stimmte Harry ihr zu, doch irgendwie ließ ihn der Grundgedanke nicht los.   Selbst am nächsten Tag stand Ron frühzeitig auf und huschte so schnell wie möglich aus dem Jungenschlafsaal. Harry nahm das grummelnd zur Kenntnis, denn Ron wusste ganz genau, dass er um die Uhrzeit bereits schon lange wach war. Sollte dieser Idiot doch bleiben wo der Pfeffer wächst! Nach einiger Zeit erhob auch Harry sich und traf auf die peinlichen Fragen von Dean und Neville, warum Ron, als der ultimative Langschläfer, nun schon zweimal hintereinander so früh auf war. „Er trifft sich doch nicht wieder mit einem Mädchen, oder?“, fragte Dean verschmitzt nach. „Keine Ahnung, könnte sein“, zuckte Harry desinteressiert mit den Schultern. So schnell er konnte floh er aus dem Jungenschlafsaal und traf im Gemeinschaftsraum auf Hermine, die bereits wartete. Auch das Frühstück nahmen sie getrennt von Ron ein und als sie sich in der ersten Unterrichtsstunde Zaubertränke auf ihre Plätze setzten, rutschte Ron ernsthaft zu Dean mit auf die Bank, da neben ihm immer ein freier Platz war. „Na, dem werde ich was erzählen“, murrte Hermine vor sich hin, während sie ihre Sachen auspackte. „Wirst du nicht“, knurrte Harry wütend. „Das werde ich machen.“ „Dann warte aber lieber bis zur Mittagspause“, entgegnete Hermine. „Da hast du genug Zeit und er kann nicht mit irgendeiner lahmen Ausrede abhauen.“ Murrend nickte Harry und versuchte sich in Zaum zu halten. Er hatte oft genug die Erfahrung gemacht, dass er im wütenden Zustand keinen vernünftigen Zaubertrank zustande brachte. Für einen kurzen Moment war die Wut tatsächlich wie fortgefegt, genauso wie jeder Gedanke. Dieser Duft. Das warme Gefühl breitete sich bereits in ihm aus, noch bevor sein Gehirn verstand, was das war. Im gleichen Moment lief Severus an ihm vorbei und sah in die Kessel seiner Mitschüler, ohne den Blick des Gryffindors in seinem Rücken zu bemerken. Harry hielt in seinem Tun inne, doch dann wurde ihm bewusst, was er da gerade tat und schüttelte wütend den Kopf. Er hatte sich gerade wirklich von Severus' Geruch ablenken lassen! Gehörte das nicht zu seiner Tabuliste? Murrend schnippelte Harry weiter und hätte sich dabei fast den Daumen abgesäbelt. Was war denn nur los mit ihm? „Harry, du brauchst gar nicht so viel“, flüsterte Hermine ihm zu. „Die Hälfte davon reicht völlig.“ „Miss Granger“, fuhr ihr sofort diese schneidende Stimme dazwischen. „5 Punkte Abzug dafür, dass Sie Potters Trank manipulieren wollten.“ „Ich wollte ihm nur...“ „Und weitere 5 Punkte, weil Sie mit mir auch noch darüber diskutieren.“ Severus' ruhiger Blick wanderte weiter zu Harry, dessen Brust sich zuknotete. Er sah ihn an, er sah ihn endlich wieder an! Allerdings verriet sein Blick nichts, außer dass Severus den Blickkontakt anscheinend nicht lange halten konnte, denn er drehte sich im nächsten Moment wieder um und ging zum Pult zurück. Harry sah ihm nach und beobachtete ihn genau. Er sah etwas in seinem Buch nach und strich sich dabei die Haare hinters Ohr. Zudem hatte er seinen Mantel über dem Stuhl hängen, sodass Harry seine schmale Taille bewundern konnte. Obwohl Severus recht groß war, war er eigentlich zierlich gebaut, weshalb Harry auch stärker war als er. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, als ihm bewusst wurde, dass er Severus' Körper schon sehr gut kannte. Er wusste wie schmal er war, da er den anderen oft genug an sich herangezogen hatte. Er wusste, wie seine Haut sich unter seinen tastenden Fingern anfühlte und dass er an der Seite kitzelig war. Er wusste, wie seine Lippen schmeckten, seine Küsse... Harry spürte, wie ihm warm wurde und entschieden schüttelte er den Kopf, während er sich wieder innerlich schellte. Konnte er nicht endlich mal damit aufhören hier herumzugaffen?! „Alles in Ordnung mit dir?“, flüsterte Hermine ihm zu, ohne den Blick zu heben, um dieses Mal nicht aufzufallen. „Alles Bestens“, knurrte Harry durch seine Zähne hindurch. Die Stunde war fast vorbei und Harry sehnte sich nach dem Klingeln. Sein Trank war fertig und er brachte die Zutaten zurück in den Schrank, um danach eine Phiole zu holen, in die er seine Probe hineinfüllen wollte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es jeden Moment klingelte und so beeilte er sich zurück zu seinem Platz zu kommen. Er ging gerade um seinen Kessel herum, als sein Fuß an einem der Stützträger seines Kessels hängen blieb und er diesen mit wegzog. Bevor er reagieren konnte, brach das Gestell zusammen und sein Kessel verteilte den gesamten Inhalt auf dem Boden. Seine Klassenkameraden wichen aufschreiend aus, da sich der Trank in den Boden zu fressen begann. „Potter!“, rief Severus aus. „30 Punkte Abzug von Gryffindor. Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie das wieder aufwischen!“ Im gleichen Moment klingelte es zur Pause und seine Klassenkameraden quetschten sich hektisch am Trank vorbei nach draußen. Während Harry seinen Kessel wieder hinstellte, hatte Hermine bereits Lappen geholt und wollte sich gerade hinknien, als erneut die seidige Stimme zu vernehmen war. „Ich kann mich nicht daran erinnern, Sie aufgefordert zu haben das aufzuwischen, Miss Granger.“ Sie wollte sogleich protestieren, doch Harry hielt sie wohlweislich zurück. „Geh nur, wir haben schon genug Punkte heute verloren“, flüsterte er ihr zu und widerwillig nickte sie, schnappte sich ihre Tasche und verließ den Klassenraum. Sobald die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, veränderte sich Snapes Tonfall. „Jetzt hast du also auch noch vor so tollpatschig wie Longbottom zu werden?“, zog er eine seiner Augenbrauen hoch. Mürrisch sah Harry auf. Der Blick des Tränkemeisters war jetzt nicht mehr so unnahbar, aber dennoch blieb er auf Distanz. „Und willst du, dass ich mir die Finger verätze?“, gab er zurück und deutete auf das blubbernde und gefährlich aussehende Gebräu. „Es muss doch wenigstens noch so aussehen, als sei ich fies zu dir. Ich muss zugeben, es ist verlockend dich arbeiten zu lassen, aber wenn du es niemandem verrätst, darfst du Evanesco benutzen. Schließlich will ich auch noch was von meiner Pause haben“, erwiderte Severus. Ein Schmunzeln huschte auf Harrys Gesicht und während er den Zauberstab schwang und die Lappen zusammensammelte, hob Severus das Metallgestell des Kessels auf und lehnte es an den Tisch. Der Slytherin stand nun so dicht vor ihm, dass Harry seinen Duft wieder wahrnehmen konnte und abrupt hielt Harry sich an der Tischkante fest. Wieder hob Severus eine Augenbraue, doch Harry weigerte sich ihn anzusehen. Harry ging ein Gedanke durch den Kopf. Ein Gedanke, bei dem ihm bereits sein Herz bis zum Hals schlug und seine Knie zittrig wurden. Hermine hatte davon gesprochen, dass er austesten sollte, wie es inzwischen um seine Gefühle stand. Zwar hatte sie andere Methoden erwähnt, als die, die Harry nun gerade durch den Kopf ging, aber das war ja egal. Test war Test. „Darf ich... was testen?“, fragte er leise und war froh, dass seine Stimme nicht zitterte. Nun wusste Severus überhaupt nicht mehr, was los war. Skeptisch sah er zum Gryffindor, der endlich den Blick hob. In seinen grünen Augen lag Unsicherheit und das irritierte den Slytherin. „Was für eine wahnwitzige Idee spukt dir jetzt schon wieder...?“ Harry nahm all seinen Mut zusammen, sah in diese schwarzen Augen... und beugte sich vor. Er unterbrach Severus mitten im Satz, indem er seine Lippen mit den eigenen verschloss und ihm keine Zeit zum Reagieren gab. Tausend Ameisen schienen plötzlich in Harrys Bauch zu erwachen und wo sein Herz eben noch gerast hatte, setzte es jetzt aus. Auch wenn der Moment viel zu kurz war, löste Harry sich schnell wieder vom anderen und sah unsicher in Severus' Augen. Dieser sah völlig perplex zurück. Hatte Harry ihn gerade ernsthaft geküsst? „Bist du verrückt?“, platzte es aus dem Slytherin heraus und er sah hektisch zur Klassenzimmertür, obwohl sie beide wussten, dass sie alleine waren und sie niemand beobachten konnte. Harry hingegen schluckte, um den Stich zu ignorieren. „Ja, das bin ich wohl“, sagte er kratzig. Das war er mit Sicherheit, denn dieser Test war für ihn eindeutig ausgefallen. Severus sah ihn wieder an, mit gemischten Gefühlen, die auch Harry erkennen konnte. Doch vorher noch überrascht, wurde der Blick des Slytherins schnell ernst. „Du weißt, dass ich damit meinen Job verliere. Ich könnte in Askaban landen, wenn die auf die Idee kommen sollten, mich wegen Verführung Minderjähriger anzuzeigen.“ „Es ist doch kein Mensch hier“, versuchte Harry sich zu verteidigen, klang dabei aber nicht besonders selbstsicher. „Darum geht es doch gar nicht“, fauchte der Slytherin verärgert. „Egal ob jemand da ist oder nicht, es läuft nichts zwischen uns, Potter! Und es wird auch nie etwas laufen. Ich hatte eigentlich gedacht du hättest das verstanden.“ Harry schluckte schwer und senkte den Blick, da er Severus' nicht mehr standhielt. „Ich weiß, es tut mir Leid“, sagte Harry mürrisch, „das kommt nicht noch einmal vor. Ich wollte nur sichergehen.“ Noch immer änderte sich der Blick des Slytherins nicht. Ihm war deutlich anzusehen, dass er sich fragte, was in Harry vor sich ging. Diesen Blick hatte Harry schon einmal bei ihm gesehen und das ließ ihn aufseufzen. Das letzte Mal hatte er gefragt, ob er nur mit ihm spielte. „Ich sagte es kommt nicht wieder vor“, wiederholte Harry schnippisch und schnappte sich seine Tasche. Er wollte nur noch eines: Von hier verschwinden. „Harry“, sagte Severus ruhig und der Gryffindor hielt inne. „Ich dachte wir hätten das geklärt.“ Grummelnd drehte Harry sich wieder zum Tränkemeister um. „Ja, hatten wir.“ „Und warum machst du das dann? Denkst du nicht, dass wir momentan nicht schon genug Probleme haben?“ 'Mein größtes Problem bist du.', dachte Harry mürrisch. „Ja, haben wir“, leierte er weiterhin runter. „Und willst du jetzt weiter den eingeschnappten Teenager spielen, oder redest du auch mal normal mit mir?“, fragte Severus verärgert. Harry versuchte seinen Blick so kraftvoll wie möglich zu halten. Er wollte nicht, dass Severus erkannte, wie verletzt er gerade war. Severus betrachtete ihn prüfend, was das ganze nicht gerade einfacher machte. Warum hatte er das nur getan? Er hätte lieber diese Situation hier vermeiden sollen. Er hätte Severus' harte Worte verhindern sollen, die sich gerade wie Messerstiche in seine Brust rammten. „Ich denke, wir sollten die erste Okklumentikstunde noch ein wenig nach hinten verschieben“, murmelte Severus entschieden. „Wenn du meinst“, erwiderte Harry so ruhig wie möglich. Also ging Severus noch weiter auf Abstand? Langsam wurde Harry das zu blöd. Es wirkte auf ihn, als würde Severus diese 'Maßnahmen' nur ergreifen, um ihn zu quälen. „Kannst du auch noch was anderes antworten und nicht so eingeschnappt sein?“, knurrte der Slytherin. „Willst du etwa, dass ich protestiere?“, provozierte Harry weiter. „Ich will, dass du mir vernünftige Antworten gibst“, wurde auch Severus langsam wütend. „Es war ein Fehler, okay?“, erwiderte Harry verteidigend. „Es tut mir Leid, es kommt nicht wieder vor. Vergiss das ganze einfach.“ So entschlossen wie möglich, sah er in diese schwarzen Augen und hielt ihrem prüfendem Blick stand. „Darf ich jetzt gehen?“, konnte Harry sich nicht verkneifen. Er hielt es hier einfach nicht mehr aus. Er wollte sich nicht so bloßgestellt fühlen, er wollte Severus' Blick nicht mehr sehen... allgemein wollte er gerade ganz weit weg vom Tränkemeister sein. Nach einigen Augenblicken nickte Severus. Ohne ein weiteres Wort drehte Harry sich um und flüchtete aus dem Klassenraum. Sobald die Tür wieder zu war, rieb sich Severus entkräftet die Nasenwurzel, strich sein Haar zurück und atmete tief durch. Dieser verdammte Bengel machte ihn noch fertig. Draußen wartete bereits Hermine auf Harry und sah ihn forschend an. Als sie seinen Blick sah, fragte sie sofort: „Was ist passiert?“ „Nichts“, flüsterte Harry schon fast und lief den Gang hinunter, eine skeptische Hermine neben ihm. „Nach nichts sieht das aber nicht aus“, sagte sie mit prüfendem Blick. „Hattet ihr Streit?“ „Schon möglich.“ „Aber doch nicht wegen diesem blöden Zaubertrank, oder?“ Entnervt blieb Harry stehen. „Hermine, bitte! Lass es gut sein.“ „Ich will dir doch nur helfen.“ „Ja, aber gerade will ich einfach nicht reden, okay?“ Lange wurde er von seiner Freundin angesehen, bis sie schließlich nickte. „Okay.“ „Gut“, knurrte Harry, wandte sich ab und ging weiter. Er war so ein verdammter Idiot! Wieso hatte er das gemacht? Hatte er nicht gewusst, wie Severus reagieren würde? Jetzt war die Situation noch angespannter als vorher und Severus würde wahrscheinlich gar nicht mehr mit ihm reden. Hatte er wirklich super hinbekommen!   Sehnsüchtig wartete Harry auf die Mittagspause, denn dann konnte er all seine Wut an Ron auslassen. Er beobachtete den Rothaarigen im Augenwinkel beim Mittagessen und war jederzeit bereit aufzustehen, wenn der andere es auch tat. Hermine saß dem Schwarzhaarigen gegenüber und beobachtete ihn ruhig. „Hermine, das ist ein bisschen gruselig“, hielt Harry es irgendwann nicht mehr aus. „Ich mache doch gar nichts“, hob Hermine die Schultern an. „Du beobachtest mich die ganze Zeit.“ „Weil ich nachdenke.“ „Und worüber?“ „Ob ich dich gleich alleine auf Ron loslasse oder ich dich begleiten sollte.“ „Ich werde das doch wohl alleine hinbekommen“, beschwerte Harry sich. „Du brauchst mich nicht immer so in Schutz zu nehmen. Mir geht es wieder gut.“ „Es geht gar nicht darum, dich in Schutz zu nehmen“, schüttelte Hermine den Kopf. „Sondern?“ „Ich habe ein bisschen die Befürchtung, dass ihr nur alles schlimmer macht.“ Genervt ächzte Harry auf. Jetzt traute sie ihm nicht einmal mehr zu, sich vernünftig streiten zu können? Langsam wurde sie zu einer richtigen Glucke. „Ich regle das alleine“, sagte der Gryffindor entschieden. Zur gleichen Zeit erhob Ron sich vom Tisch und ging Richtung Ausgang. Harry wartete noch einen Moment, bevor er ebenfalls aufstand. „Viel Glück“, sagte Hermine noch, bevor Harry ebenfalls die Halle verließ. Ron bog Richtung Gryffindorturm ab und Harry beeilte sich aufzuholen. Nach einigen Abbiegungen erreichten sie einen Gang, in dem sie alleine waren. „Wie lange willst du mich noch ignorieren?“, rief Harry wütend und Ron drehte sich überrascht um. Mit einem merkwürdig angewiderten Gesichtsausdruck, fragte der Rothaarige: „Läufst du mir etwa hinterher?“ „Jaa, um in der nächsten dunklen Ecke über dich herzufallen“, knurrte Harry sarkastisch. „Pfe“, machte Ron verächtlich und wollte weitergehen. „Jetzt hau nicht ab!“, rief Harry verärgert. „Was willst du von mir?“, rief Ron genauso wütend zurück. „Dass du endlich mal dein Hirn einschaltest! Denkst du ernsthaft, nur weil ich vielleicht auf Männer stehe, dass ich gleich jeden anfalle?!“ „Offenbar schon“, verzog Ron wieder das Gesicht und Harry wusste, dass er an Snape dachte. „Ich bin genauso wie immer, Ron. Ich bin immer noch ich!“ Der Blick des Weasleys blieb weiterhin skeptisch, was Harry immer mehr auf die Palme brachte. „Hast du mich jemals dabei erwischt, wie ich Dean oder Neville begafft hab? Oder das Quidditch-Team in der Umkleide?“ „Du scheinst ja noch nicht allzu lange auf so etwas abzufahren“, murrte Ron. „Das ist keine Krankheit, Ron! Wenn ich wirklich bi bin, dann war ich es schon immer! Ich habe mich nicht verändert!“ „Doch, das hast du“, sagte Ron ernst. „Seit du aus Necrandolas zurück bist, bist du nicht mehr der selbe.“ Nun wusste Harry nicht mehr, was er sagen sollte. Völlig verdattert blieb ihm der Mund offen stehen. Wie konnte er es wagen? Harry fühlte sich, als hätte Ron ihm eine Ohrfeige verpasst. Ron nutzte die Stille, um sich wieder umzudrehen und in den nächsten Gang zu verschwinden. „Hey!“, rief Harry hinterher. „Ich war noch nicht fertig!“ „Aber ich!“, rief dieser nur ungerührt zurück. Grummelnd sah Harry seinem ehemals besten Freund hinterher. Der letzte Kommentar hatte wirklich gesessen. Stimmte es? Hatte er sich so stark verändert? „So ein Bullshit“, knurrte Harry und wandte sich zum Gehen. Wirklich los wurde er diese Frage jedoch nicht. Ohne den Blick zu heben, setzte Harry sich in der großen Halle wieder auf seinen Platz und wurde verwundert von Hermine angesehen. „Das ging aber schnell.“ „Jap“, murrte Harry und als er sah, wie viel noch vom Gemüse in den Schüsseln war, füllte er sich davon auf. Er kassierte einen Blick von seiner Freundin, doch niemand traute sich inzwischen mehr, etwas dazu zu sagen. „Ist also nicht besonders gut gelaufen?“, fragte sie vorsichtig nach. „Nein“, sagte Harry wieder nur knapp und begann zu essen. „Soll ich es nochmal versuchen?“ „Nicht nötig. Ich kriege das alleine hin.“ „Ich dachte nur, vielleicht wäre es sinnvoller, wenn jemand anderes mit ihm...“ „Hermine, pack mich nicht so in Watte!“, knurrte Harry und sah auf. „Wirke ich auf dich so unselbstständig?“ Verdattert brauchte Hermine einen Moment, um zu antworten. „Ähm, nein. Nein, es ist nur...“ „Nur was?“ Wieder stockte Hermine, ehe auch sie auf Verteidigung umschaltete. „Du brauchst deine Laune jetzt nicht auch noch an mir auszulassen. Ich habe dir nichts getan. Im Gegenteil, ich will dir nur helfen.“ Harry seufzte auf und seine Wut schien ein wenig abzuklingen. Ron war schon fort, er musste nicht auch noch Hermine vergraulen. „Ja, schon gut“, murmelte er und aß stumm weiter. Dennoch: Dass Hermine so vorsichtig mit ihm umging und ihm alles abnehmen wollte, unterstützte Rons Behauptung wohl nur. Kapitel 54: Sehnsucht --------------------- „Harry Potter, Sir?“ Verwundert wandte Harry sich um. Er saß im Jungenschlafsaal, mit dem Kräuterkundebuch in der Hand. Seine Klassenkameraden hatten noch die letzte Stunde Unterricht, weswegen er alleine war... hatte er zumindest gedacht. Doch neben seinem Bett stand auf einmal Dobby und sah ihn mit seinen großen Kulleraugen an. „Dobby“, erschreckte er sich und legte das Buch beiseite. „Wie kommt es, dass ich dich nicht habe kommen hören?“ „Dobby hat sich heraufgeschlichen, Sir. Wollte nicht auffallen“, erzählte Dobby stolz. „Dobby ist hier, um Bericht zu erstatten, Sir.“ Stirnrunzelnd fragte Harry: „Bericht erstatten?“ „Ja, Harry Potter, Sir. Darüber, was Malfoy im Schilde führt, Sir“, nickte Dobby, sodass ihm die Ohren schlackerten. Da ging Harry ein Licht auf. „Achja, richtig. Und? Hast du etwas herausgefunden?“ „Nicht viel, Sir“, spielte Dobby bedrückt an seinen Sachen herum. „Dobby weiß wo er hingeht, aber nicht, was er macht.“ Dennoch gespannt fragte Harry: „Und wo geht er hin?“ „In den Raum, der sich in alles verwandelt, was man will“, nickte Dobby eifrig. „Aber Dobby konnte den Raum nicht betreten und weiß deshalb nicht, was der junge Herr Malfoy dort macht, Harry Potter Sir.“ „Im Raum der Wünsche?“, murmelte Harry mehr zu sich selbst. Wieder nickte Dobby. „Ja, ja, so nennen ihn einige, Sir.“ „Aber was macht er da drin?“, überlegte Harry weiter. „Dobby weiß es nicht, Sir“, wiederholte der Hauself geknickt und wurde immer trauriger. „Dobby hat den jungen Malfoy wochenlang beobachtet, auch als Sie verschwunden waren, Harry Potter. Dobby wollte...“ Der Hauself klang immer weinerlicher, was Harry dazu brachte, seine Gedanken über Malfoy beiseite zu schieben und den Hauselfen wieder zu beachten. Erschrocken stellte er fest, dass der Elf Tränen in den Augen hatte. „Dobby konnte nicht glauben, dass Harry Potter... dass er nicht mehr wiederkommen sollte“, jammerte der Elf. „Er war an einem Ort, wo Dobby ihm nicht helfen konnte. Aber Dobby hatte sich doch vorgenommen... Harry Potter zu schützen.“ Gerührt sah Harry auf den Elfen hinab. Selbst der Hauself hatte um ihn getrauert. „Es ist alles gut, Dobby“, tröstete er ihn und versuchte aufmunternd zu lächeln. „Ich bin ja wieder da, mir ist nichts passiert. Außerdem hast du mir geholfen.“ Verwundert sah Dobby auf. „Sir?“ „Ja“, nickte Harry aufmunternd. „Mit deiner Hilfe habe ich das Tor öffnen können.“ Noch immer verstand der Hauself nicht. „Aber wie soll Dobby...? Sir, wie soll Dobby Ihnen da geholfen haben? Dobby war doch die ganze Zeit hier.“ „Aber ich habe mich an etwas erinnert und das hat mir geholfen“, erklärte Harry weiter. „Harry Potter hat sich an Dobby erinnert?“, bekam der Elf große Augen. „Ja. Das hat geholfen.“ Ein Strahlen war in Dobby Augen zu sehen, ehe er hemmungslos anfing zu weinen. Er machte einen Satz nach vorne, was Harry erneut erschreckte, und klammerte sich an Harrys Bein. „Harry Potter, Sir. Harry P-Potter... Ihr seid so g-gutherzig... S-Selbst wenn Ihr in G-Gefahr seid, d-denkt Ihr an... an Dobby. Ihr seid zu gutherzig, so gutherzig.“ „Ist ja gut, Dobby“, lächelte Harry verlegen und tätschelte Dobby unbeholfen. „Versuchen wir lieber zusammen herauszufinden, was Malfoy im Raum der Wünsche treibt, ja?“ Tapfer sah Dobby auf und versuchte sich zusammenzureißen. Mit Schluckauf nickte er und sagte: „I-Ist gut, Harry P-Potter, Sir.“   Es war so eine ruhige Nacht. Nicht einmal der Wind schien zu flüstern. Entspannt spazierte Harry im Dunkeln über die Ländereien und betrachtete den sternenklaren Himmel. Es war kein Mond zu sehen und so war die Nacht so dunkel, dass man das gesamte Sternenmeer wunderbar beobachten konnte. Schon unglaublich, wie unbedeutend man sich vorkam, wenn man so weit ins Weltall blicken konnte. Jeder Stern war ein anderes Sonnensystem, das womöglich größer war als das eigene... das war einfach unmöglich zu fassen. Diese Weite, diese Größe. Harry hatte den See einmal umrundet und überlegte nun, ob er nicht noch einmal versuchen sollte eine Runde zu schlafen. Langsam schlenderte er Richtung Schloss zurück und sah weiterhin hoch zum Himmel. Das Schloss war zudem so gewaltig, dass die höchsten Türme im Nachthimmel zu verschwinden schienen. Harrys Blick wanderte zum Astronomieturm, doch ob sich da oben jemand befand, konnte man von hier unten bei der Dunkelheit nicht sehen. Zögerlich griff er nach der Karte des Rumtreibers und blätterte zum Astronomieturm. Tatsächlich, Severus saß da oben. Sein Blick wanderte wieder zum Turm, doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte den Slytherin nicht sehen. Und wie war es andersherum? Konnte Severus ihn vielleicht sehen? Gedankenversunken sah der Gryffindor einfach nur zum Turm hinauf. Sollte er zu ihm gehen? Nach dem Kuss war das wahrscheinlich eher unklug, andererseits hatte der Slytherin sich den Platz doch nicht grundlos ausgesucht. Er wusste ganz genau, dass Harry dort jederzeit auftauchen könnte. Wenn er ihn also nicht sehen wollte, würde er gar nicht erst da oben sitzen, oder? Reglos stand Harry da und haderte mit sich selbst. Sollte er oder sollte er nicht? Vielleicht wollte Severus ja sogar mit ihm reden. Er hatte letztes Mal schon das Gespräch mit ihm gesucht und Harry hatte sich eigentlich vorgenommen, ihm öfter die Gelegenheit dazu zu geben. Er hatte ein Auge auf den Slytherin haben wollen und jetzt wäre die Chance dazu. Andererseits stach es immer noch in Harrys Brust, wenn er an den Kuss zurückdachte. Severus hatte nochmal deutlich gemacht, dass er kein Interesse an ihm hatte. Nein, für Harry wäre es gesünder, wenn er nicht zu ihm gehen würde... wahrscheinlich. Dennoch war da dieser Wunsch ihn zu sehen, mit ihm da oben zu sitzen, am einzigen Ort, an dem Severus seine Maske fallen ließ. Das war die einzige Gelegenheit, bei der sie unter sich sein konnten. Energisch schüttelte Harry den Kopf. Diese ganzen Vorteile dachte sein Hirn sich doch gerade nur aus, weil er bei Severus sein wollte. Es wäre aber das beste, es erst einmal sein zu lassen. Entschlossen ging Harry zum Schlosstor, checkte vorher einmal die Karte des Rumtreibers und betrat dann unter seinem Tarnumhang die Eingangshalle. Leise schlich er die erste Treppe hinauf und atmete tief durch, als er oben angekommen war. Links ging es zum Astronomie- und rechts zum Gryffindorturm. Nach einigem Zögern riss Harry sich zusammen und bog nach rechts ab, fest entschlossen nicht noch einmal umzudrehen.   Diese Nacht war absolut schwarz und still. Severus saß oben auf der Mauer des Astronomieturmes, wie so häufig in letzter Zeit. Da nicht einmal die Eulen die absolute Stille durchbrachen und der Wind günstig stand, bekam Severus mit, wie das Eichentor geöffnet wurde. Das konnte nur Potter sein. Niemand sonst schlich um die Uhrzeit auf dem Gelände herum. Es war schon erstaunlich, wie gut sein Gehör war. Warum war ihm das nie vor Necrandolas aufgefallen? Gedankenversunken beobachtete der Slytherin die Wiese vor dem Tor, aber bei der Dunkelheit konnte man nichts erkennen. Dennoch betrachtete er den See und den Waldrand, falls er den Gryffindor doch noch entdecken sollte. Ob er wusste, dass er hier war? Sicherlich, Potter bekam doch alles mit. Es verging eine ganze Weile, fast eine Stunde, bis... Tatsächlich, da war ein schwaches Licht, mitten auf der Wiese. Das musste von Potters Zauberstab stammen. So schnell, wie dieser kleine Lichtfleck gekommen war, verschwand er auch wieder, doch zumindest wusste Severus jetzt ungefähr, wo der andere sich befand. Es dauerte einige Minuten, dann war das Knarren des Eichentores wieder zu vernehmen. Mit geschlossenen Augen lehnte Severus den Kopf zurück. Würde Potter jetzt hierher kommen, oder ging er zurück ins Bett? Der Slytherin hielt die Augen weiter geschlossen und konzentrierte sich auf sein Gehör, während er mit sich haderte. Wollte er, dass Potter her kam oder sollte er fortbleiben? Wie lange brauchte man wohl vom Tor zum Astronomieturm? Wie lange musste er warten, um sicher zu sein, dass Potter nicht kam? Die Minuten verstrichen und Severus war sich sicher, dass, wenn Potter auf dem Weg hierher war, er bald ankommen müsste. Warum schlug sein Herz auf einmal so kräftig? Verstohlen biss er sich auf die Unterlippe. Warum hatte er sich nur so schlecht unter Kontrolle, verdammt nochmal?! Es konnte doch wohl nicht angehen, dass er allein bei dem Gedanken an Potter nervös wurde! Es reichte schon, dass er sich dem Bengel gegenüber überhaupt nicht so verhielt, wie er es eigentlich wollte. Er hatte für sich einen Schlussstrich gezogen, wollte Potter genauso niedermachen und von sich fernhalten, wie früher. Aber jedes verdammte mal, wenn sie alleine waren, gehorchte ihm sein blödes Mundwerk nicht mehr und er sagte Dinge, die Potter überhaupt nichts angingen. Es war wie verhext! Und ja, er hatte tatsächlich schon überprüft, ob ihm nicht jemand einen Verwechslungszauber aufgehalst hatte. Umso wichtiger war es, das Potter hier nicht aufkreuzte. Vor allem nach seiner letzten Aktion wäre es besser so. Severus bezweifelte zwar, dass der Gryffindor auf den Kuss zu sprechen kommen würde, aber es würde trotzdem unausgesprochen im Raum stehen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Machte es Potter Spaß ihn immer wieder aus der Bahn zu werfen? Er hatte gesagt, er hatte was testen wollen. Etwa ob er sich darauf einlassen würde? Ob er wieder schwach werden würde? Hatte Potter vielleicht auch gemerkt, dass er sich in seiner Gegenwart nicht unter Kontrolle hatte und wollte das ausnutzen? Severus schnaubte leise. Er hatte diese Spielchen satt. Wenn Potter sich austoben wollte, sollte er sich gefälligst jemand anderen dafür suchen! Es gab sicherlich irgendeinen Trottel, der auf seine grünen, unschuldigen Augen hereinfiel, der sein verschmitztes Lächeln für niedlich hielt, der ihm seine Lügen abkaufte, inklusive seinem Kompliment, dass man schöne Augen hätte... Die Gedanken des Slytherins hielten inne und er öffnete langsam die Augen. Dieses Kompliment war Potter damals so schnell über die Lippen gekommen, dass er selbst davon überrascht worden war. Das sprach nicht gerade dafür, dass es gelogen war, oder? Aber selbst wenn das ehrlich gemeint war, Potter war so jung. In dem Alter verknallte man sich doch alle paar Wochen neu, nichts hält da für die Ewigkeit. Es hätte also so oder so keine Bedeutung, ob nun gelogen oder nicht. Und ebenso wenig hatte der Kuss etwas zu bedeuten. Das waren alles reine pubertäre Spielchen. Wenn Severus sich darauf einlassen würde, würde Potter nach wenigen Wochen die Lust dran verlieren und ihn fallen lassen. Abserviert von Potter, nein, das tat er sich bestimmt nicht an. Weitere Minuten verstrichen und Severus atmete durch. Wie es aussah, hatte Harry sich für den Gryffindorturm entschieden. Der Herzschlag des Slytherins beruhigte sich wieder, während sich ein seltsames Gefühl in ihm breit machte. War das etwa Enttäuschung? Grummelnd setzte Severus sich anders hin. Jetzt drehte er wohl völlig durch! Er ließ seinen Blick über den Wald schweifen und versuchte seine Gedanken an Potter fortzuwischen. Er lauschte erneut der Ruhe der Nacht und beruhigte damit auch seine Gedanken. Absolute Stille. Einfach nur perfekt. Obwohl, nein, etwas fehlte. Es fehlte momentan immer etwas, um abschalten zu können. Entnervt seufzte Severus auf. Sollte er sich in Zukunft nicht mehr entspannen können? Kein Auge mehr zu machen, wenn er den Schlaftrank in fünf Tagen komplett absetzte? Das war doch lächerlich! Er hatte das Leben als Todesser überstanden, er hatte seinen Vater ertragen und jetzt sollte ihm so ein blödes Labyrinth das Genick brechen?! Das konnte er doch nicht zulassen, das wollte er nicht zulassen! Außerdem, was Potter konnte, konnte er schon lange!   Genervt seufzend rieb Harry sich über die Augen. Er saß zusammen mit Hermine in der Bibliothek und versuchte immer noch den versäumten Stoff nachzuholen, doch besonders in Verwandlung war das nicht so einfach. Merlin sei Dank hatten sie dieses Schuljahr keine entscheidenden Prüfungen, sonst hätte er ernste Schwierigkeiten bekommen. Und so langsam sollte er auch wieder an allen Unterrichtsstunden teilnehmen, egal wie müde er noch immer war. Es wurde ihm zwar freigestellt, aber sonst würde der Berg an Aufgaben nie enden. „Wie wäre es, wenn du erst einmal mit Verteidigung weitermachst“, lugte Hermine besorgt hinter ihrem Buch hervor zu Harry. „Das müsste dir doch wesentlich leichter fallen.“ „Ich schiebe gerade deswegen Verteidigung vor mir her“, erklärte Harry und strich sich durch die Haare. „Da werde ich auch als letztes wieder zum Unterricht gehen, weil ich da keine Probleme haben werde den Anschluss wieder zu finden. Aber in Verwandlung und Zauberkunst muss ich noch so viel nachholen und kann es mir nicht leisten das auf die lange Bank zu schieben.“ „Du kannst aber auch nicht von dir erwarten, dass du den Stoff behältst, wenn du ihn dir den ganzen Tag über hineinprügelst. Vor allem nicht, wenn du so wenig Schlaf abbekommst“, erwiderte Hermine nur und wurde stirnrunzelnd vom Schwarzhaarigen angesehen. Skeptisch sagte er: „Ausgerechnet du willst mir sagen, dass ich zu viel lerne?“ Die junge Hexe verdrehte nur die Augen und verschwand dann wieder hinter ihrem Buch. Nach einer weiteren Stunde räumten sie die Bücher zusammen, um rechtzeitig zum Abendessen in der Großen Halle zu sein, wo Harry inzwischen kaum noch schief gemustert wurde. Sein letzter Wutausbruch lag lange zurück und so schienen die anderen endlich zu glauben, dass nichts interessantes mehr passieren würde. Dennoch konnten sie es nicht lassen, die regelmäßigen Artikel des Tagespropheten zu verschlingen, in denen immer wieder neue Informationen zu Necrandolas wiedergegeben wurden. Harry hatte sich davon nur zwei angesehen und dabei festgestellt, dass die Reporter jede kleine Aussage von Ministeriumsangestellten druckten und sie dabei verkleideten, als seien es große, wichtige Neuigkeiten, aber letztendlich war das alles nur heiße Luft und die Presse wusste rein gar nichts. Hermine und Harry setzten sich nebeneinander an den Gryffindortisch und füllten sich auf, während die Braunhaarige versuchte die Wirkung von Plagentinen zu erklären. „Wichtig ist, dass man sie bei Mondschein pflückt, damit sie später...“ Abrupt hielt Hermine inne und auch Harry vergaß kurzzeitig sein Essen. Ihm gegenüber setzte sich gerade Ron zögerlich und deutlich verlegen hin, immer wieder einen scheuen Blick zu seinen Freunden werfend. „Ähm... Hi“, sagte er unsicher und wurde zur Antwort nur angestarrt. „Ich... ähm... Harry, was ich...“ So sehr sich der Rothaarige auch bemühte, er fand keine richtigen Worte, doch seine Absicht war klar: Offenbar wollte er sich mit Harry aussprechen. Dieser saß nur ruhig da und sah Ron an. Er würde ihm nicht helfen, indem er das Wort ergriff. Nein, Ron musste schon von selbst mit einer Entschuldigung kommen. Auch dem Rotschopf schien aufzufallen, dass Harry nur darauf wartete, was er zu sagen hatte, und so seufzte er einmal tief auf, um sich zu sammeln und von vorne anzufangen. „Ich wollte... es war nicht fair, wie ich mich verhalten habe. Weißt du, es war einfach... ein komischer Gedanke für mich, dass du... naja, du weißt schon. Daran muss ich mich erstmal gewöhnen.“ „Ich werde dir schon nichts abgucken, Ron“, erwiderte Harry noch immer kühl. Nickend und mit hängenden Schultern antwortete der Weasley: „Ich weiß. Tut mir Leid. Ich brauche einfach etwas Zeit, um mich daran zu gewöhnen, okay? Eigentlich fand ich es viel schlimmer, dass du meintest... dass ausgerechnet Snape... das hat mich umgehauen. Das ist einfach...“ „Nicht normal“, beendete Harry seinen Satz knapp. „Ich weiß schon.“ Ron sah ziemlich bedröppelt drein und sank in sich zusammen, während er Harry mit seinem Blick stumm um Vergebung bat. „Du musst verstehen, ich...“, setzte er erneut zu einer Erklärung an, „ich kann das einfach nicht nachvollziehen, ich könnte nie...“ Der Rotschopf erschauderte bei seinen Gedanken, weshalb Harrys Blick schärfer wurde. „Du könntest dir nie vorstellen etwas an Männern zu finden, schon klar“, half der Grünäugige trocken aus und widmete sich seinem Essen. Zwar fand er es gut, dass Ron sich entschuldigen wollte, aber seine Worte wirkten nicht besonders beschwichtigend auf ihn. Aus Rons Mund klang das ganze immer noch nach etwas Abartigem und das regte Harry auf. „Nur weil du das nicht könntest, heißt das noch lange nicht, dass das abnormal ist, Ron“, schaltete sich Hermine dazu. „Es ist doch völlig egal auf was man steht. Ich verstehe nicht, warum immer so getan wird, als wäre ein Homosexueller an allem interessiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Jemand der hetero ist, so wie du, fällt doch auch nicht jede Frau an, die ihm über den Weg läuft. Warum sollten homosexuelle Männer das also bei Männern tun?“ „Naja“, wurde Ron wieder mutiger. „Heteromänner teilen auch nicht ihr Bad mit Frauen. Bei Gemeinschaftsduschen zum Beispiel, da kann ein Homo sich was bei den anderen Männern...“ „Es würde dich wesentlich weniger stören, wenn wir hier von Lesben reden würden, nicht wahr?“, warf Hermine dazwischen und verdattert sah Ron sie an. „Im Gegenteil, ihr Männer findet den Gedanken sogar geil, wenn Lesben mit anderen Frauen in eine Gemeinschaftsdusche gehen. Aber beim eigenen Geschlecht, da zieht ihr Grenzen und weißt du warum? Weil ihr es einfach nicht nachvollziehen könnt. Ihr könnt eine Lesbe verstehen, wenn sie auf Frauen steht, aber auf Männer zu stehen, das eben nicht.“ Stirnrunzelnd widersprach Ron: „Ich habe nie gesagt, dass ich nur ein Problem mit den Schwulen habe...“ „Oh, du verurteilst auch Lesben?“, unterbrach Hermine ihn erneut spitz. „Wunderbar, Ronald. Das ist wirklich sehr fair von dir.“ „Nein, ich habe doch nicht... ich meinte doch nicht...“, geriet Ron ins Stottern und sah schließlich wieder flehentlich zu Harry. Dieser sah ihn nur kurz an und aß stumm seinen letzten Bissen. Er würde Ron sicher nicht in Schutz nehmen, aber er hatte genauso wenig Lust die Diskussion noch weiter zu vertiefen. Ron zeigte bereits, dass er keine Vorurteile haben wollte, da ging Hermine ein wenig zu aggressiv vor. Also erhob er sich langsam. „Ich muss Kräuterkunde zu Morgen fertig machen“, sagte er dabei ruhig, ohne einen seiner Freunde anzusehen. „Bis später.“ Und damit verließ er die Große Halle, die Blicke der beiden anderen im Rücken ignorierend.   Als Harry sich dann am Abend im Schlafsaal umzog, kam gerade Ron herein. Er schaffte es tatsächlich, sich normal zu benehmen und wartete geduldig auf dem Bett sitzend darauf, dass Harry fertig war. Dieser warf ihm immer wieder Blicke zu und fragte sich, was wohl nun kommen würde. „Hör mal“, begann Ron schließlich. „Können wir nicht einfach nochmal an der Stelle anfangen, wo du mir... davon erzählt hast?“ „Wovon Ron?“, fragte Harry absichtlich, da er bemerkte, dass Ron diese Worte vermied. Doch das konnte er nicht leiden. Wenn Ron meinte es zu akzeptieren, dann sollte er das auch aussprechen können. „Na...“, zögerte der Rothaarige, wurde dann aber sicherer, „dass du schwul bist. Und... dass du auf Snape... stehst, irgendwie so.“ Harry zog die Augenbrauen hoch und machte es sich auf seinem Bett gemütlich. Irgendwie so? „Ich glaube nicht, dass ich schwul bin“, korrigierte Harry ihn. „Vielleicht bi.“ „Ja, wie auch immer“, winkte Ron ab und nahm endlich eine lockerere Haltung ein. „Aber du musst zugeben: Snape... das ist schwer zu schlucken.“ „Jaa, kann sein“, sagte Harry und musterte die Decke, während er nachdachte. „Letztendlich kann das ja sowieso nie was werden. Ich muss mir das irgendwie aus dem Kopf schlagen.“ „Habt ihr denn... ich meine, du hattest gesagt, du hättest ihn geküsst.“ „Ja.“ „Und... was hat er gemacht?“ Harry sah auf und zu seinem Freund hinüber. Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Frage schwer fiel, aber anscheinend musste er das loswerden. „Naja“, zuckte Harry die Achseln. „Er hat... sich irgendwann darauf eingelassen.“ „Heißt das... Snape ist schwul?“, fragte Ron mit einem verständnislosen Blick nach, doch als er Harrys begegnete, versuchte er seinen Gesichtsausdruck zu ändern. „Anscheinend“, zuckte der Schwarzhaarige erneut die Schultern. „Jedenfalls wirkte es nicht so auf mich, als würde es ihn so schockieren, dass er einen Typen geküsst hat. Also, dass ich es war, hat ihm natürlich schon etwas... schlechte Laune verpasst... aber mein Gefühl sagt mir, dass das im Grunde nichts Neues für ihn war.“ 'Bis zu einem gewissen Grad zumindest.', überlegte Harry für sich weiter. Oder hatte Severus nur bei ihm eine Grenze gezogen, weil er speziell mit Harry nicht hatte weiter gehen wollen? Der Gryffindor verzog unmerklich das Gesicht, als es schmerzhaft in seiner Brust zog. „Und was nun?“, unterbrach Ron Harrys Gedanken, der nur mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Eigentlich habe ich ja keine andere Wahl, als alles zu vergessen.“ „Aber... er behandelt dich doch auch anders“, warf Ron stirnrunzelnd ein. „Er ist viel netter zu dir. Etwas amüsiert sagte Harry: „Netter? Wenn er mir nicht gerade Hauspunkte abzieht, ignoriert er mich doch.“ „Ja das meine ich ja“, erwiderte Ron und wippte leicht vor und zurück. „Er brüllt dich nicht an, stellt dir keine fiesen Fragen, stellt dich nicht bloß, gibt dir kein Nachsitzen...“ „Weil er mich nicht in seinem Büro haben will“, widerlegte Harry Rons Argument und stützte sich auf die Arme ab, um Ron besser sehen zu können. „Außerdem geht er jede Unterrichtsstunde anders mit mir um. Da werde ich einfach nicht schlau draus.“ „Geht er?“, stellte Ron verwundert den Kopf schief. „Besonders die letzten Tage habe ich das genau beobachtet und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich immer gleich behandelt.“ „Nein, seine Augen sagen jedes Mal was anderes“, argumentierte Harry weiter. „Mal ignoriert er mich einfach wegen unserer Abmachung, dann weil er mir ausweicht und dann wieder weil er wütend auf mich ist.“ Skeptisch kräuselte Ron die Stirn. „Du kannst ernsthaft seine verschiedenen Arten der Ignoranz unterscheiden? Seit wann kannst du denn sowas?“ Schulterzuckend antwortete der Schwarzhaarige: „Ich schätze, ich habe einfach gelernt ihn zu lesen.“ Eine kurz Stille entstand, in der Ron seinen Freund überlegend musterte. Schließlich fragte er: „Kommuniziert ihr auch nonverbal?“ Ratlos zog Harry erneut die Schultern hoch. „Tut das nicht eigentlich jeder bis zu einem gewissen Grad?“ „Ja schon. Aber seit du zurück bist... ich habe mich ab und zu gefragt, wieso ihr so selbstverständlich miteinander umgehen könnt“, erklärte sich der Rotschopf. „Vor allem im Krankenflügel. Es war, als wärt ihr... als wüsstet ihr, was der andere denkt.“ „Naja... wir haben zusammen ja auch einiges durchgemacht“, zog Harry seine Beine an den Körper. „Ich schätze, so etwas schweißt zusammen. Oder nicht?“ „Ja, schon“, nickte Ron und wieder entstand eine Stille, in der sie sich einfach nur ansahen. Harry war erstaunt darüber, wie locker Ron nun doch über Severus sprechen konnte, wo er vorher immer so abgeblockt hatte. Vielleicht hatte er sich das auch gezielt vorgenommen, um sich wieder mit ihm zu versöhnen. In dem Moment betrat Dean das Zimmer und schlenderte langsam zu seinem Bett herüber. „Nanu? Und ich dachte, ich geh schon früh ins Bett“, wunderte er sich darüber, dass die anderen beiden bereits bettfertig waren. „Im Gemeinschaftsraum ist uns zu viel Trubel“, erwiderte Ron nur und Harry rutschte zum Kopfende seines Bettes hoch. „Schon verrückt, oder?“, sagte Dean, während er in seinem Koffer wühlte. „Man würde ja meinen, im Turm würde es ruhiger zugehen, seit deine Brüder weg sind, aber irgendwie werden die neuen Erstklässler von Jahr zu Jahr bekloppter. Man fühlt sich ganz schön alt, wenn man die Kids von heute bereits jetzt nicht mehr versteht.“ „Sagt man heutzutage überhaupt noch Kids?“, warf Harry grinsend ein. „Keine Ahnung“, warf Dean die Arme theatralisch ratlos tuend nach oben. „Ich warte schon darauf, dass das Wort geil nicht mehr benutzt wird. Passt auf, noch ein-zwei Jahre und wir gehören zum alten Eisen. Dann kriegen die Gören bei unserer Sprache genau solche Gänsehaut, wie wir sie bekommen, wenn jemand knorke sagt.“ Dean hatte seine Worte so überspitzt betont und sich bei knorke dramatisch auf die Knie fallen lassen, sodass Ron und Harry ins Lachen fielen. Sofort taten Harry seine Bauchmuskeln weh, weshalb er erstaunt feststellte, dass er das erste Mal seit Necrandolas wieder richtig lachen konnte. Kapitel 55: Wut --------------- Dass das Trio wieder vereint war, hob Harrys Laune ungemein und was noch viel besser war: Er hatte endlich keine Geheimnisse mehr. Die beiden wussten von Necrandolas, zumindest im Groben, und er musste vor ihnen nicht verheimlichen, dass seine Gedanken ständig um eine bestimmte Person kreisten. Jetzt musste er nur noch seinen Schlaf in den Griff bekommen und alles war wieder gut... größtenteils. Die letzten Tage hatte er durch den Schlaftrank jede Nacht ein paar Stunden schlafen können, aber da er es mit dem Trank nicht übertreiben wollte, nahm er seit gestern keinen mehr. Aber nur, weil er letzte Nacht nicht schlafen konnte, hieß das noch lange nichts. Harry hoffte einfach, dass es die nächsten Tage klappen würde. „Irgendwie dreht Snape immer mehr durch, oder?“, beschwerte sich Ginny beim Mittagessen und sofort horchte Harry auf. „Heute hat er Samantha so zur Sau gemacht, dass sie angefangen hat zu heulen. Ich war kurz davor was zu sagen. Der kann sich schließlich auch nicht alles erlauben.“ „Guck dir seine Augen an“, antwortete Hermine beschwichtigend. „Wahrscheinlich hat er seit dem Krankenflügel kaum ein Auge zugemacht.“ „Das geht doch eigentlich gar nicht, oder?“, runzelte Ginny die Stirn. „Ich meine, wie lange seid ihr da jetzt raus, Harry? Drei Wochen?“ „Keine Ahnung“, winkte Harry ab, da ihm nachrechnen gerade zu anstrengend war. „Müsste ein Mensch nach so langer Zeit ohne Schlaf nicht schon tot umkippen?“, überlegte Ginny skeptisch weiter. „Ich kann mir ja nicht einmal vorstellen, auch nur vier Tage ohne Schlaf durchzustehen ohne zusammenzuklappen.“ „Naja, er schläft wahrscheinlich genauso wenig wie ich“, argumentierte Harry ruhig. „Und ich stehe ja auch noch.“ „Hm“, machte die junge Hexe überlegend und winkte dann ab. „Jedenfalls solltet ihr in Zaubertränke vorsichtig sein. Ein falscher Blick reicht schon, um ihn zum explodieren zu bringen.“ „Wir werden drauf achten“, nickte Ron und warf Harry einen kurzen Blick zu. Nicht nur er, auch Hermine wusste, dass der Schwarzhaarige sich Sorgen um den Slytherin machte.   Und tatsächlich: Als Harry, Ron und Hermine am Dienstagmorgen in Zaubertränke saßen, war am laufenden Band das Gekeife des Tränkeprofessors zu vernehmen. Harry versuchte immer wieder, ihm einen mahnenden Blick zuzuwerfen, doch das schien der andere gar nicht zu bemerken. Er war viel zu sehr damit beschäftigt von Schüler zu Schüler zu laufen, um ihnen zu sagen, wie schlecht sie doch waren. Natürlich sorgte diese Stimmung dafür, dass die Schüler wesentlich unkonzentrierter und nervöser arbeiteten, und so passierte das Unvermeidliche: Millicents Kessel begann tierisch zu qualmen und der Trank fraß sich zischend durch das Gefäß. Einige Slytherins versuchten das schlimmste zu verhindern, doch Millicent hatte sich bereits den Handrücken verätzt und drückte den Arm unter Tränen an ihren Körper. Sofort war die schwarze Fledermaus zur Stelle und ließ den Trank verschwinden. „Ich muss sagen, Miss Bulstrode, ich habe mehr von Ihnen erwartet“, knurrte er und dass sie ihn nicht ansah, schien ihn nur noch wütender zu machen. Während die Slytherins ihn völlig verdattert anstarrten, wichen die Gryffindors immer weiter vor ihm zurück. „20 Punkte Abzug von Slytherin. Sie sind wirklich eine Schande für Ihr Haus!“ Nun hob Millicent doch ihren Kopf und ihr tränennasses Gesicht kam zum Vorschein. Auf ihrer Hand schien sich die Haut langsam aufzulösen. Pansy Parkinson, die ihr beruhigend über den Rücken gestrichen hatte, wagte es, ihr Wort an Snape zu richten. „Professor, sie muss in den Krankenflügel.“ „Sie wollen MIR sagen, was ich anzuordnen habe?! Wo SIE ALLE nicht einmal in der Lage sind, ihre Zutaten richtig zu dosieren?! Und offenbar zu BLÖD sind“, wandte er sich jetzt wieder an Millicent, „zu zählen, wie oft Sie bereits umgerührt haben? Sie haben doch im Kindergarten gelernt bis 10 zu zählen, nicht wahr?!“ Millicent gab ein leises Wimmern von sich. Hermine warf Harry einen auffordernden Blick zu, der stirnrunzelnd zurück sah. Wollte sie ernsthaft, dass er dazwischen ging? Das würde doch mehr als merkwürdig wirken. „Professor, ihre Hand...“, versuchten es die Schüler erneut, doch der Tränkemeister schien den Ernst der Lage nicht erfassen zu können. „Stellen Sie sich nicht so an! Es gibt schlimmeres! Vielleicht konzentrieren Sie sich alle in Zukunft besser, wenn nicht gleich jedes Ihrer Wehwehchen behandelt wird! Sie haben die Verletzung Ihrer eigenen Dummheit zu verdanken, also leben sie damit!“ „Aber Professor“, versuchte Parkinson es nochmal, „wenn das nicht umgehend behandelt wird und die Säure in die Blutbahn gerät...“ „Sie meinen also genug Ahnung von Tränken zu haben, um mich belehren zu können, Miss Parkinson? MICH?!“, unterbrach Severus sie sofort keifend. Besorgt betrachtete Harry die Slytherins, deren Blicke immer feindseliger wurden. Was war nur mit Severus los? Bemerkte er das alles gar nicht? Begriff er nicht, dass er Bulstrode in Gefahr brachte? Außerdem war den Slytherins anzusehen, dass sie ihn am liebsten zu den Todessern schleifen würden. Dass er einfach so weitermachte, war ein Zeichen dafür, dass Severus nicht mehr bei Verstand war. Harry musste dringend etwas unternehmen. Konnte er es wagen dazwischenzugehen? Vor den Augen der Slytherins? „Professor!“, rief er also, doch sein Ruf ging in dem Chaos unter und Severus keifte fröhlich weiter. Einige der Gryffindors sahen zu Harry, doch ansonsten reagierte niemand. Entschlossen stand Harry auf und rief in einem Ton, den sich kein Schüler je erlauben würde: „Professor!!“ Plötzlich wurde es still. Harry hatte die gesamte Aufmerksamkeit seiner Mitschüler und endlich sah auch Severus auf und erstarrte. Er sah in diese grünen Augen. Grüne Augen, die ihn mahnend anblickten, fast vorwurfsvoll und die Gedanken des Tränkemeisters hielten inne. Dieser Blick, er kannte ihn nur zu gut. Als wäre er sich jetzt erst bewusst, wo er sich befand, sah Severus zu Millicent, die von ihren Mitschülern unterstützend umringt wurde und ihre verletzte Hand zitternd an sich drückte. „Miss Parkinson, bringen Sie Miss Bulstrode in den Krankenflügel“, orderte Severus leise an und die Klasse schien aufzuatmen. Alle bis auf Harry. Eilig verließen die beiden Mädchen die Klasse, in der es unangenehm still wurde. Der Tränkemeister warf Harry einen Blick zu und der sah seinen Verdacht bestätigt: Es war noch lange nicht vorbei. Zähneknirschend ging Severus zu seinem Pult und stützte sich auf diesen. Mucksmäuschenstill sahen die Schüler zu ihrem Lehrer und warteten darauf, dass er endlich etwas sagte, doch er stand nur regungslos hinter dem Schreibtisch und sah auf die Platte. Dann presste er heraus: „Geben Sie Ihre Proben ab und verschwinden Sie.“ Überrascht sahen die Schüler zur Uhr. Sie hatten noch 20 Minuten Unterricht. Das Zögern der Schüler ließ erneut Severus' Ader an der Schläfe pulsieren. „Sind Sie taub? RAUS!!“ Panisch begannen die Schüler ihre Taschen zu packen. Ron und Hermine warfen einen beunruhigten Blick zu Harry, der angespannt zurück sah. Langsam packte auch er seine Sachen, darum bemüht, der langsamste zu sein. Er musste mit Severus sprechen, dringend. Denn das hier war definitiv nicht mehr normal. Irgendjemand musste etwas tun, um den Slytherin wieder zu Verstand zu bringen. Hermine und Ron schienen zu ahnen, was Harry vorhatte und zögerten ebenfalls. Sie wussten nicht genau, ob sie ihm beistehen mussten oder ob es besser wäre zu gehen. Malfoy war einer der letzten, der hinausging und Harry hörte ihn bei der Tür murmeln: „Der Kerl gehört in die Klapse.“ Angespannt formte Harry seine Hände zu Fäusten, doch Malfoy sollte erst einmal sein geringstes Problem sein. Langsam ging er mit seinen Freunden Richtung Tür, die ihn unsicher ansahen. Schließlich schob er sie hinaus und flüsterte Hermine zu: „Ich regle das. Geht schon.“ Wirklich überzeugt war die Hexe nicht, doch sie verließ mit Ron den Raum und Harry schloss leise die Tür hinter ihnen. Nun war er mit Severus allein. Dieser legte sogleich wieder los: „Das galt auch für dich, Potter. Verschwinde!“ Davon ließ Harry sich nicht einschüchtern. Mit entschlossenem Blick drehte er sich zum Slytherin um. „Merkst du eigentlich, was du hier gerade abziehst? Wenn du einem Slytherin-Schüler deine Hilfe verweigerst, haben die einen Grund dich beim Schulrat anzuschwärzen! Die schmeißen dich raus, Severus, und Hogwarts ist für dich zur Zeit der sicherste Ort.“ „Das kann dir doch völlig egal sein! Kümmere dich gefälligst um deinen eigenen Kram!“ „Was ist denn nur los mit dir?“, rief Harry völlig verständnislos zurück und ging auf Severus zu. „Hat dein Verstand sich etwa ausgeschaltet? Bist du jetzt vollkommen durchgeknallt?“ Wütend trat auch Severus nach vorne. „DU kritisierst MICH?! Ausgerechnet du, Potter?!“ „Da siehst du mal, wie tief du gerade sinkst!“, rief Harry zurück. „Warum führst du dich hier auf wie ein Berserker? Komm endlich wieder runter!“ „Ich kann mich so viel aufregen wie ich will!! Da hast du mir nicht reinzureden, Potter!!“, schrie Severus ihn an, was Harry nur noch mehr die Stirn runzeln ließ. Was zum Teufel ging hier vor? Das war doch nicht mehr normal. „Vielleicht solltest du dir für heute frei nehmen“, versuchte Harry wieder etwas ruhiger zu sprechen. „Oder vielleicht sogar für die ganze Woche. Solange, bis du endlich runtergekommen bist und wieder klar denken kannst.“ „Ich kann immer klar denken!“ „Offensichtlich ja nicht! Sonst würdest du hier nicht so eine Scheiße abziehen!“ „Was glaubst du eigentlich wer du bist!“, rief Severus und packte Harry am Kragen, nur um ihn dann von sich zu stoßen. Der Gryffindor griff nach einen der Tische und konnte so verhindern, dass er stürzte, doch dieser Angriff schockierte ihn nicht einmal. Viel unheimlicher war es, dass er diese Augen nicht mehr kannte. In ihnen steckte so viel sinnlose, ungebändigte Wut, die sich gegen alles und nichts zu richten schien und den Verstand des Tränkemeisters völlig vernebelte. „Wer gibt dir das Recht MIR zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe, Potter?! Wie kommst du auf die Idee, dass es deine Aufgabe ist, dich in MEINE Angelegenheiten einzumischen?!“ „Du hast dich doch auch bei mir eingemischt! Du hast mich vor aller Augen aus der Halle geschliffen, als ich so am durchdrehen war!“ „Ach, also willst du mir helfen, ja? Das tust du, wenn du endlich verschwindest und mich in Ruhe lässt!“ Eine kurze Stille entstand und Harry sah völlig ratlos zum anderen. Was sollte er nur machen? Reden war offensichtlich vollkommen sinnlos. Aber was sollte er sonst tun? Wenn sie so weiter machten, endete das ganze noch in einem Duell. Leise begann Severus zu knurren. Dann ging der Slytherin erneut in den Angriff über. „Hör auf mich so anzustarren!! Ich kann es nicht mehr sehen! Verschwinde endlich und lass mich in Ruhe!“ Er schubste Harry erneut von sich weg, doch dieses Mal wirkte es eher verteidigend. Rückwärts gehend wich er vorm Gryffindor zurück und zu der Wut gesellte sich noch ein gequälter Ausdruck. Hilflos stand Harry da und versuchte zu begreifen. „Was habe ich denn jetzt schon wieder verbrochen?“, fragte er verständnislos nach. „Verbrochen? Dass du dich nicht endlich mal aus meinem Leben heraushältst, ist ein Verbrechen! Dass du überhaupt existierst, ist ein Verbrechen! Von Anfang an warst du ein einziger Fluch für jeden, der mit dir zu tun hatte und ich habe endgültig genug davon, mir mein Leben wegen dir zu versauen! Und jetzt VERSCHWINDE!!“ Autsch. Harry hätte gerne etwas erwidert, doch ihm blieb dafür die Luft weg. In ihm zog sich alles zusammen und ihm wurde übel. „HAU AB!!“ So viel Hass in diesen Augen, das raubte dem Gryffindor sämtliche Kraft zur Gegenwehr. Was sollte er da nur gegen ausrichten? Er schluckte schwer und versuchte seinen Körper wieder dazu zu bringen, ihm zu gehorchen. „Auf dem Niveau waren wir ja lange nicht mehr“, presste er kratzig hinaus. „Anscheinend ist es gerade unmöglich mit dir zu reden.“ Seine Beine trugen ihn langsam Richtung Ausgang. Er fühlte sich taub, von oben bis unten, komplett entrückt. Als er die Tür öffnete, wagte er noch einmal einen Blick zum anderen. Severus sah ihm mit stählernem Blick nach und verbarg jeden seiner Gedanken dahinter. Harrys Hände begannen zu zittern und er verließ eilig den Raum, um diese Augen nicht mehr ertragen zu müssen.   Harry erzählte seinen Freunden nicht, was passiert war, aber sie erkannten sofort, dass es nicht gut gelaufen war. Während Ron versuchte ein heiteres Thema anzuschneiden, fiel Hermine immer mehr ins Grübeln. Schließlich sagte sie nach der nächsten Unterrichtsstunde: „Meint ihr nicht, dass jemand Professor Levin Bescheid geben sollte? Irgendwas stimmt da nicht.“ „Bei dem Trubel wird sie das auch ohne uns herausfinden“, erwiderte Ron und warf Harry einen Blick zu. „Die ganze Schule spricht bestimmt schon darüber. Von Neville habe ich gehört, dass viele Gryffindors glauben, Necrandolas hätte ihm den Verstand geraubt.“ „Aber dann muss doch jemand reagieren und ihm helfen“, warf Hermine ein. „Und wenn wir das nicht können...“ „Er ist voller Wut“, begann Harry leise zu überlegen, ohne Hermine zu beachten. „Ich glaube, er weiß selbst nicht einmal warum. Was könnte die Ursache sein?“ „Da gibt es viele Möglichkeiten“, zuckte Hermine die Schultern. „Er könnte verhext worden sein, oder das sind Nebenwirkungen von einem Trank. Aber am wahrscheinlichsten ist es eher, dass das von zu wenig Schlaf kommt. Das führt zu Halluzinationen und extremen Stimmungen. Schlafentzug ist nicht ohne Grund eine Foltermethode.“ „Also verhext ist er bestimmt nicht. Wer sollte bitte Snape verhexen?“, nahm Ron die Information skeptisch auf. Ergänzend sagte Harry: „Er ist ein erstklassiger Duellant. Und ein Trank... ich kann mir nicht vorstellen, dass er Nebenwirkungen so sehr unterschätzen würde.“ „Dann bleibt ja nur Möglichkeit drei“, erwiderte Ron. „Und dagegen kann man wenig machen, oder?“ Ihre Gedanken drehten sich irgendwann nur noch im Kreis und so ließen sie das Thema fallen und machten sich auf den Weg zur Großen Halle, um Mittag zu essen. Harry gab sich die größte Mühe, Severus' Anschuldigungen zu vergessen und versuchte sie mit der Ausrede abzutun, dass der Slytherin einfach vollkommen sinnlos um sich geschlagen hatte. Dann hätte er sicherlich alles von sich gegeben, um Harry endlich loszuwerden... vermutlich. Ächzend schüttelte Harry seine düsteren Gedanken beiseite und füllte sich auf. Er fühlte sich etwas maddelig und war froh, in dem ganzen Trubel ein wenig abgelenkt zu werden. Während er aß, betrachtete er die einzelnen Schüler, die am Gryffindortisch vorbeiliefen. Erstaunt musste er feststellen, dass es ihm tatsächlich gefiel, nicht nur den Frauen auf den Arsch zu gucken, sondern auch einige Typen durchaus attraktiv auf ihn wirkten. Nach einigen Minuten fiel dem Gryffindor auf, dass Hermine ihn musterte und er sah fragend zu ihr. Sie setzte sofort ein wissendes Lächeln auf, weshalb Harry versuchte, so unschuldig wie möglich zurückzuschauen. Langsam beugte sich Hermine zu ihm herüber und sagte: „Hast du Cornfoot schon entdeckt?“ „Wen?“ „Stephen Cornfoot. Fünf Plätze neben Luna.“ Stirnrunzelnd zählte Harry die Plätze ab und blieb am besagten hängen. Dort saß ein Typ aus seinem Jahrgang, den er bisher nur vom Sehen her kannte. Ein Ravenclaw, groß, schlank, braune Haare und blaue Augen, was eine faszinierende Kombination war. Es war, als würde das Ravenclaw-Abzeichen nur dazu dienen, seine Augen zu betonen und zum Leuchten zu bringen. „Dein Typ?“, fragte Hermine verschmitzt grinsend nach. So beiläufig wie möglich zuckte Harry die Achseln, doch er musste zugeben, dass Cornfoot nicht schlecht aussah. „Vielleicht solltest du ihn mal ansprechen. Soweit ich weiß ist er single.“ Stirnrunzelnd sah Harry seine Freundin an. „Wieso weißt du eigentlich so viel darüber, was hier in Hogwarts abgeht?“ Schulterzuckend sagte die Hexe: „Naja. Frauen reden eben.“ „Du meinst ihr lästert“, warf Ron zum ersten mal ein, der bisher versucht hatte, das Gespräch zu ignorieren. „Wenn man positiv über jemanden redet, ist das kein Lästern, Ron.“ „Ihr findet es gut, dass ein Typ für euch Frauen nicht zu haben ist?“ „Na hör mal. Hältst du mich für so egoistisch?“ „Ich meine ja nur“, zuckte Ron die Schultern und lehnte sich zurück. „Wenn ihr Weiber euch im Schlafsaal unterhaltet, wer weiß worüber ihr da alles redet.“ Grinsend erwiderte Hermine: „Ich glaube, da dreht deine Fantasie ein bisschen zu sehr durch.“ Als das Trio sich nach dem Essen auf den Weg auf die Ländereien machte, führten Ron und Hermine ihre Diskussion fröhlich weiter und Harry glaubte bald, es sei besser einfach wegzuhören. Sie setzten sich auf dem Schulhof auf eine Mauer und genossen die warmen Sonnenstrahlen. So langsam konnte man vom Sommer träumen. Allerdings wussten alle drei, dass die nächsten Sommerferien anders ablaufen würden als sonst. Dass Harry das Labyrinth überlebt hatte, war nur der erste Schritt. Zur Zeit war es sehr ruhig um Voldemort geworden, doch sie wussten, dass er bereits etwas neues plante. „Hat Dumbledore schon gesagt, wann deine nächste Unterrichtsstunde sein wird?“, fragte Hermine schließlich nach, doch Harry schüttelte den Kopf. „Nein, ich schätze, er will damit warten, bis ich mich endgültig erholt habe. Deswegen sagt er wohl auch nichts dazu, dass wir immer noch nicht den Okklumentikunterricht angefangen haben.“ „Meinst du denn du brauchst den noch?“, fragte Ron skeptisch nach und Harrys Gedanken verdüsterten sich. Er wusste genau, wo das Problem lag. „Ich habe in Necrandolas komplett die Kontrolle verloren. Severus wird nicht zulassen, dass mir das nochmal passiert.“ Weiterhin skeptisch erwiderte Ron: „Aber es hat ihm doch das Leben gerettet, oder?“ „Es ist trotzdem nicht richtig, Ron“, warf Hermine ein, sofort wieder in ihrer Rolle aufgehend. „Wenn Harry sich nicht unter Kontrolle hat, ist da nichts Gutes dran. Dabei kann sonstwas passieren und niemand wäre in der Lage ihn zu stoppen.“ „Danke, das heitert mich wirklich auf“, murrte Harry sarkastisch. Mitfühlend warf Hermine ein: „Ich meinte doch nur...“ „Ja, ich weiß schon“, unterbrach Harry sie. „Ich weiß besser als jeder andere, dass ich zum Monster werde.“ Er schluckte und versuchte sämtliche Emotionen zu ersticken. Um sich abzulenken, sah er sich auf dem Schulhof um und war erstaunt, wie gut er sich bereits im Griff hatte, wenn sie dieses Thema anschnitten. Zwar fühlte er sich dabei immer noch nicht wohl, aber er blieb in der Gegenwart und das war schon ein riesiger Schritt nach vorne. „Wenigstens weiß ich jetzt, wie unglaublich mächtig Voldemort ist“, murmelte er gedankenversunken vor sich hin. Hermine musterte ihn genau und schien sich nicht entscheiden zu können, ob sie es gut fand, was er dachte oder nicht. „Jedenfalls scheint Dumbledore was zu planen. Immerhin ist er in letzter Zeit sehr häufig weg und keiner weiß wo er ist. Ich glaube, er erzählt das nicht einmal Professor McGonagall.“ Überlegend erwiderte Harry: „Ich habe manchmal das Gefühl Levin weiß es. Sie scheint allgemein viel zu wissen.“ „Naja“, zuckte Ron die Achseln. „Wenn man die Gedanken der anderen Menschen hören kann, ist es klar, dass man viel weiß, oder? Sie würde sich super als Spitzel machen.“ „Das hat sie ja auch schon getan“, grummelte Harry und wurde verwundert angesehen. „Na, sie hat versucht mich vor Necrandolas zu bewahren. Das habe ich aber auch erst von Severus erfahren. Er wollte mir aber nicht sagen, warum und woher sie überhaupt von Necrandolas wusste.“ „Das ist uns auch aufgefallen“, nickte Hermine. „Als ihr verschwunden seid, wusste sie sofort, was passiert war. Sie kannte den Kelch, aber Professor McGonagall anscheinend nicht.“ Ergänzend sagte Ron: „Dumbledore wusste wohl als einzige weitere Person Bescheid.“ „Nein, Severus war auch eingeweiht“, schüttelte Harry den Kopf. „Als wir in Necrandolas angekommen sind, konnte er mir genau sagen wo wir sind.“ „Also wussten sie es vielleicht, weil Snape es als Spion herausgefunden hatte?“, überlegte Hermine. „Hey Harry“, wurden die drei aus ihren Gedanken gerissen. Colin Creevey kam auf sie zugerannt, zusammen mit ein paar seiner Klassenkameraden, die allesamt einen Besen bei sich hatten. „Hey“, antwortete Harry nur und musterte fragend die Besen. „Auf was wollt ihr denn drauf los?“ „Wir wollen ein paar Runden drehen“, grinste der Junge breit. „Würdest du vielleicht mitkommen? Es wäre ziemlich cool, wenn du uns ein paar Tricks beibringen könntest.“ Der Schwarzhaarige grinste, schüttelte dann aber den Kopf. „Tut mir Leid, ich will gleich zum Unterricht.“ „Oh, Schade“, seufzte Colin, zuckte dann aber lässig mit den Schultern. „Hätte ja sein können.“ Er wollte sich gerade wieder auf den Weg machen, als Ron ihm zurief: „Hast du nicht gleich noch Unterricht? Ginny sagte, dass sie heute erst um halb 4 Schluss hat.“ „Ich denke, das hat sich erledigt“, antwortete Colin. „Eigentlich hätte ich gleich Zaubertränke, aber Dennis hat mir erzählt, dass Professor Snape in seiner Stunde vorhin zusammengeklappt ist. Ich glaube nicht, dass der heute noch unterrichtet.“ Ein Stromschlag durchzuckte Harrys Körper. „Zusammengeklappt?“, schoss er wie aus einer Pistole und spannte seinen ganzen Körper an. „Jaa“, sagte Colin weiterhin beiläufig. „Er musste in den Krankenflügel. Deshalb ist wohl davon auszugehen, dass der Unterricht ausfällt.“ Harry war nicht in der Lage zu reagieren. Er saß da, stocksteif, während seine Gedanken rasten. Severus war zusammengebrochen. Er lag im Krankenflügel. Hatte er sich jetzt so sehr in seine Wut gesteigert, dass sein Kreislauf einfach nicht mehr mitmachte? Aber vielleicht war es auch viel ernster, denn wer weiß, was die Ursache für sein Verhalten war. Als wären die anderen ganz weit weg, vernahm Harry nur noch stumpf, wie Ron den Jungs viel Spaß wünschte. Kaum waren diese außer Hörweite, fragte Hermine sanft: „Harry?“ Er sah auf, und seine Freunde sahen besorgt zurück. Erst jetzt merkte er, dass er seine Hände zu Fäusten geballt hatte, um sich davon abzuhalten sofort loszustürmen. Severus hatte ihm fiese Sachen an den Kopf geschmissen... aber dennoch konnte er hier nicht unwissend herumsitzen. „Ich muss zu ihm“, sagte er schließlich monoton und erhielt ein verstehendes Nicken von seiner Freundin. „Viel Glück.“ Damit sprang Harry auf. Besorgt sahen ihm seine Freunde nach. „Und schon existiert in seinem Universum wieder nur ein einziger Mann“, seufzte Hermine mitleidig. „Wie hattest du auch glauben können, ihm Cornfoot schmackhaft machen zu können“, erwiderte Ron ebenso bedauerlich. Kapitel 56: Eine lange Nacht ---------------------------- Weil er sich der vielen Schüler um sich bewusst war, versuchte Harry so langsam und locker wie möglich zu laufen. Doch als er das Schloss erreichte und die volle Eingangshalle hinter sich gebracht hatte, konnte er sich nicht mehr zurückhalten und stürmte los. Erst als er vor dem Krankenflügel ankam, hielt er inne und schaltete sein Hirn wieder ein. Was, wenn alles ganz harmlos war? Was, wenn Severus ihn wieder fortjagen würde wie heute morgen? Energisch schüttelte Harry den Kopf. Nein, egal was passiert war oder passieren könnte, er musste wissen, ob es ihm gut ging. Entschlossen öffnete er die Tür und vernahm sofort das wohlbekannte Gemecker. „... ist inzwischen so gravierend, da kann ich nicht tatenlos zusehen“, sagte Madam Pomfrey gerade. Sie stand vor einem der Betten, in dem gerade noch Severus gelegen hatte, nun aber Anstalten machte abzuhauen. Die Medihexe versperrte ihm jedoch den Weg. „Das ist ganz allein meine Sache und ich habe alles im Griff. Also gehen Sie mir aus dem Weg“, erwiderte Severus aufgebracht und schob die Hexe beiseite. „Severus, seien Sie doch vernünftig! Ihr Körper macht das einfach nicht mehr mit. Wenn Sie jetzt gehen...“, wehrte sich Poppy, doch sie hatte keine Chance. Severus hatte sich bereits an ihr vorbeigeschoben und marschierte entschlossen Richtung Ausgang. Empört rief die Hexe: „Severus!“ Kurz entschlossen ging Harry ihm entgegen und stellte sich genau in den Weg, sodass der Tränkemeister ihn knurrend ansah. „Potter, geh mir aus dem Weg“, zischte er bedrohlich, doch Harry spannte nur stur den Kiefer an. „Wenn Madam Pomfrey der Meinung ist, dass du hier bleiben sollst, solltest du dich daran halten“, erwiderte er nur ruhig. „Das geht dich einen feuchten Dreck an!“, wollte Severus auch ihn zur Seite schieben, doch Harry dachte gar nicht daran, den anderen gehenzulassen. Es entstand ein kleines Handgemenge und der Tränkemeister wurde immer wütender. „Verdammt, POTTER!!“, schrie Severus ihn an und befreite sich aus seinem Griff. „Hör auf mit dem Scheiß und lass mich vorbei!“ Poppy kam näher und versuchte sachlich zu erklären: „Severus, Ihr Körper stößt an seine Grenzen. Sie brauchen dringend...“ „Ich brauche überhaupt nichts!“, unterbrach Severus sie unwirsch. Zugleich wollte er erneut an Harry vorbei, doch der ließ nicht locker. Jetzt war er heilfroh, dass er stärker war als der andere. Allerdings wurde der Slytherin dadurch immer wütender und langsam genauso unwirsch, wie am Morgen im Unterricht. „Potter, VERPISS DICH!!“ „Ich werde nicht zusehen, wie du dich kaputt machst!“, erwiderte Harry nur stur und griff nach den Handgelenken des anderen. Sofort versuchte Severus sich zu befreien, doch Harry ließ nicht los. Severus zerrte immer mehr, atmete immer hektischer und wurde... panisch. „Verdammt lass... lass mich endlich... FASS MICH NICHT AN!!!“, schrie Severus panisch und wütend zugleich, sodass Harry vor Schreck erstarrte. Die Art, wie er die Worte schrie, die Angst dabei in seinen Augen, das war wie... „VERDAMMT DAD! DU TUST MIR WEH!!!“ Erschrocken ließ Harry Severus los, der ein paar Schritte vor ihm zurückwich. Allein sein Blick lähmte Harry bereits, denn es war... als hätte er Angst vor ihm. Sogleich zog Poppy ihren Zauberstab und richtete ihn auf den Slytherin, doch Harry reagierte sofort. „Nicht! Wir kriegen das auch anders gelöst.“ „Mr Potter“, versuchte Poppy ruhig aber eindringlich zu erklären, ohne den Zauberstab zu senken. „In seinem Zustand neigt er zu Halluzinationen und...“ „Ist mir egal“, warf Harry sofort ein. „Sie stellen ihn nicht ruhig. Ich kriege das hin.“ Ruhig sah er zum Slytherin, der sich offenbar wieder gefangen hatte und ihn feindselig musterte. „Du hältst dich für so schlau, was, Potter?“, knurrte er und ging erneut auf Harry zu, dieses Mal jedoch nicht, um vorbeizukommen, sondern um Harry zu drohen. Er blieb dicht vor ihm stehen und funkelte ihn wütend an. Was waren das für krasse Stimmungsschwankungen? „Hör einfach auf so stur zu sein und lass dir auch mal helfen“, erwiderte Harry ruhig. Sofort hatte er einen Zauberstab unter der Nase. „Ich brauche niemandes Hilfe!“ Poppy reagierte sofort. Bevor Severus auf die Idee kommen konnte Harry zu verfluchen, schickte sie einen Zauber los, doch niemand hatte mit Severus' Reflexen gerechnet. Blitzschnell drehte der Slytherin sich um und hatte bereits einen Protego ausgeführt, sodass der Zauber am Schild abprallte und knapp an Madam Pomfrey vorbeiflog. Erschrocken duckte sich die Hexe zur Seite... und Severus begann zu taumeln. Schnell griff Harry nach ihm, wofür er sofort einen scharfen Blick aus trüben Augen erhielt. „Lass mich...“, wollte Severus den anderen wegstoßen, doch im gleichen Moment gaben seine Knie nach. Harry war sofort zur Stelle und fing den Slytherin auf, bevor er den Boden erreichen konnte. Severus' Kopf sackte nach hinten und die Haare fielen ihm aus dem Gesicht. Er war bewusstlos. „Er braucht also keine Hilfe, ja?“, schüttelte Poppy seufzend den Kopf. „Ein Zauberspruch und seine Magiereserven sind wieder vollkommen aufgebraucht.“ Harry sah nur kurz zur Medihexe auf und dann wieder zu Severus in seinen Armen. Seine Magie war aufgebraucht, galt das nicht als totale Erschöpfung? Dann war der Grund für sein Verhalten wirklich der Schlafmangel? Dass er so vollkommen kopflos handelte und eben sogar so etwas wie eine Halluzination hatte? Bei dem Gedanken an Severus' Blick vorhin bekam Harry eine Gänsehaut. Hoffentlich würde er ihn nie wieder so ansehen. „Legen Sie ihn hier aufs Bett, Mr Potter“, unterbrach Poppy die Gedanken des Gryffindors. Vorsichtig nahm er Severus auf den Arm und trug ihn zum Bett hinüber. Sanft legte er ihn in die Kissen und sogleich nahm Poppy ihn mit ihren Untersuchungen in Beschlag, während Harry nur stumm zusehen konnte. Ihm entging nicht das sorgenvolle Seufzen, dass die Medihexe ausstieß, als sie sich die Augen des Tränkemeisters angesehen hatte. „Was ist mit ihm los?“, fragte Harry schließlich und die Hexe sah auf. Sie zögerte wegen ihrer Schweigepflicht und konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob sie bei Harry eine Ausnahme machen durfte. „Haben seine Aggressionen und Halluzinationen etwas mit seinen roten Augen zu tun?“, versuchte Harry es weiter. Die Hexe wandte den Blick ab und führte ihre Untersuchungen fort. Schließlich gab sie preis: „Es sind alles Nebenwirkungen.“ „Von was?“ „Drücken wir es mal so aus“, sah sie wieder auf, mit einer gewissen Wut, „wenn er nicht immer so tun würde, als hätte er keine Schwächen wie jeder normale Mensch, würde er jetzt nicht hier liegen.“ Harry schluckte und nickte leicht. Er wusste genau, was sie meinte. Severus glaubte immer alles alleine schaffen zu können, aber es war nur zu offensichtlich, dass das nicht immer der Fall war. „Ich habe Sie beide viel zu früh entlassen“, murmelte die Medihexe vor sich hin, während sie die Tränke durchsah, die sie neben dem Bett stehen hatte. „Severus wird eine Weile hier bleiben müssen. Und wenn Sie schon hier sind, behalte ich Sie auch bis Morgen früh hier.“ Protestierend schnappte Harry nach Luft. „Was, aber... mir geht es gut.“ „Das hat er auch gesagt“, deutete Madam Pomfrey auf Severus. „Ich gehe kein weiteres Risiko ein, Mr Potter. Nutzen Sie den Tag, um sich auszuruhen und schlafen Sie sich aus.“ Damit ließ Poppy ihn alleine. Grummelnd setzte Harry sich auf den Stuhl neben dem Bett und schmollte. Warum sollte er hierbleiben? Severus war der einzige, der sich eine Runde ausschlafen sollte. Klar, er war selber auch müde, aber damit kam er klar. Genervt strich Harry sich über die Augen. Naja, wenn er schonmal hier war, sollte er das auch nutzen. Severus war hier, was bedeutete, dass er vielleicht wirklich vernünftig schlafen können würde. Der Gryffindor hielt in seinen Gedanken inne. Severus brauchte Schlaf... und sie behielt Harry hier. War das vielleicht nur ein Vorwand, damit Severus besser schlief? Gedankenversunken musterte der Gryffindor den anderen. Was ging nur in diesem Dickschädel vor sich? Harry hätte öfter auf den Astronomieturm gehen müssen, dann hätte er das hier vielleicht verhindern können. Aber stattdessen war es ihm wichtiger gewesen, sich die Ablehnung des anderen zu ersparen. Das war egoistisch von ihm gewesen. Er hatte doch gewusst, dass Severus mit niemandem sprach, dann hätte er sich eben ein bisschen zusammengerissen und ihm geholfen. Nach einigen Minuten kam Madam Pomfrey mit neuen Tränken zurück, wovon sie einen Severus direkt einflößte. „Damit er uns nicht wieder durchdreht, sobald er aufwacht“, erklärte sie ruhig. „Was ist das?“, fragte Harry skeptisch nach. Seit die Hexe keine Skrupel gezeigt hatte, ihn selbst zu betäuben, war er skeptischer geworden. „Ein Beruhigungstrank“, antwortete sie beschwichtigend. „Keinen Grund zur Panik, das wird ihm nicht schaden. Es sorgt nur dafür, dass sein Kreislauf ein wenig runterfährt und er nicht wieder, im wahrsten Sinne des Wortes, auf 180 gehen kann. Auch wenn es mich beeindruckt hat, dass Sie ihn in Schach halten können, Mr Potter, so wollen wir ihn doch nicht ständig mit Gewalt hier halten, oder?“ Seufzend gab Harry sich geschlagen. Vermutlich gab es wirklich keine Alternative. Sobald Severus aufwacht, wird er wieder versuchen abzuhauen.   Es verging eine weitere halbe Stunde, bis wieder Leben in den Slytherin kam. Aufmerksam beobachtete Harry ihn, während er langsam den Kopf drehte, die Stirn runzelte und schließlich die Augen öffnete. Es dauerte einen Moment, bis er Harry neben sich erkannte, vor allem weil er die Augen offenbar nur halb offen halten konnte. „Wieder beruhigt?“, fragte Harry mit hochgezogenen Augenbrauen. Eine Weile sah Severus ihn nur an. Offenbar waren seine Gedanken extrem schwerfällig. Schließlich drehte er den Kopf von Harry weg und hauchte: „Lass mich.“ „Schon klar“, erwiderte der Gryffindor. Irgendwo konnte er ihn ja verstehen. Wenn er an Severus' Stelle gewesen wäre, wäre er auch sauer. „Was hätte ich denn sonst tun sollen?“, versuchte Harry sich zu erklären. „Ich werde bestimmt nicht dabei zusehen, wie du dich kaputt machst.“ Eine weitere Reaktion blieb aus. Schließlich stand Harry auf, um nachzusehen, ob der andere vielleicht eingeschlafen war, doch das war er nicht. Mit glasigen Augen sah er zurück und schien gar nicht in der Lage zu sein klar zu denken. Dennoch sah Harry das Misstrauen in den schwarzen Augen, das der Slytherin versuchte in den Vordergrund zu drängen, um zu verbergen, wie schwach er tatsächlich war... und wie einsam. Dieser Blick brach Harry fast das Herz und er seufzte schwer auf. „Lass dir doch wenigstens einmal helfen, bitte“, bat Harry im sanften und versöhnlichen Ton. Es dauerte einen Moment, doch dann antwortete Severus schwach: „Ich kann das alleine.“ Diese Worte, gepaart mit diesem einsamen Blick, waren unerträglich für den Gryffindor. Man musste wohl wirklich Severus Snape heißen, um solche Worte über die Lippen bringen zu können, während seine Augen bereits das Gegenteil schrien. Entschlossen schüttelte Harry den Kopf. „Mag sein, dass du bisher immer alles alleine durchgestanden hast, aber das musst du jetzt nicht mehr. Rede dir das bloß nicht ein.“ Sanft strich Harry dem anderen das Haar aus der Stirn und hinters Ohr, woraufhin der Slytherin die Augen schloss. Es war schon verrückt, wie selbstverständlich dem Gryffindor das gerade vorkam, aber offensichtlich störte das den anderen auch gar nicht. Im Gegenteil, es schien ihm gut zu tun. Ganz leise hauchte Harry: „Du bist nicht mehr alleine.“ Ohne die Augen zu öffnen, schluckte Severus schwer. Langsam ließ er seinen Kopf wieder zur Seite fallen und griff nach Harrys Hand, die noch immer sanft durch seine Haare strich. Er umschloss sie mit seiner eigenen und zog sie nur ein Stück bis zu seinem Kiefer hinunter, statt sie fortzuschieben. Ihm schienen die Augenlider schwer zu werden und kurzerhand zog Harry sich den Stuhl dichter ans Bett, damit er seine Hand nicht wegziehen musste. Er legte seinen eigenen Kopf auf seinen Arm auf die Bettkante und betrachtete das blasse Gesicht des Slytherins. Wirkte er gerade nur so schwach, weil er den Trank bekommen hatte oder war er wirklich komplett mit den Nerven am Ende? Sanft strich Harry mit dem Daumen über den Handrücken des anderen, der erneut die Augen öffnete und ihn ansah. Sie waren so seltsam leer und voller Emotionen zugleich. Lange hatte er sich abgekämpft und hatte dazu nun keine Kraft mehr. Harry legte ein aufmunterndes Lächeln auf seine Lippen und verstärkte seinen Griff um die Finger des anderen, um ihm irgendwie zu vermitteln, dass er bei ihm blieb, wenn er jetzt einschlafen sollte. Es war irgendwie traurig zu sehen, was der große, starke, kaltherzige Snape doch tief in seinem Inneren für Ängste vergrub. Doch gleichzeitig weckte das in Harry den Instinkt, ihn beschützen zu wollen. Severus hatte ihn in der Vergangenheit so oft gerettet, jetzt war er eben mal dran, auch wenn er ihn vor sich selbst retten musste. Nach nur wenigen Minuten war Severus eingeschlafen und Harry hatte alle Zeit der Welt, um ihn zu mustern. Die ganze Zeit über hatte er den Slytherin dafür bewundert, wie gut er sich im Griff hatte und nun lag er hier, als ein reines Nervenbündel. Schon seltsam, dass seine Methode der Verdrängung bei den Todessern und bei seinem Vater funktioniert hatte, aber nicht bei Necrandolas. Langsam fielen auch Harry die Augen zu und so schlief er auf dem Stuhl ein, den Kopf dicht bei Severus auf dem Bett abgelegt und die Hand in der des anderen. So bekam er auch nicht mit, dass Ron und Hermine in den Krankenflügel kamen, weil sie sehen wollten, wo Harry blieb. Sie hatten den Saal kaum betreten, da wurden sie schon wieder von Poppy abgewimmelt, da sie keine Besucher bei den beiden zuließ. Selbst Syndia war es nicht gestattet und so hatten Harry und Severus den ganzen Tag ihre Ruhe. Gegen Abend wachte Harry auf und ächzte schmerzerfüllt auf, da seinen Knochen diese Schlafposition nicht besonders gefallen hatte. Er streckte sich so gut es ging, ohne seine Hand wegzuziehen und machte sich auf dem Stuhl ein wenig lang. Eine ganze Weile musterte Harry den anderen nur. Stunden, Minuten, Harry wusste es nicht genau. Er betrachtete fasziniert jedes Detail, den Schwung von Severus' Augenbrauen, die langen Wimpern, die leicht zuckten, die Linie der schmalen Lippen... Wie gerne hätte Harry alles mit seinen Fingerspitzen nachgezogen, doch er wollte Severus nicht wecken und unterließ es. Besorgt betrachtete er die Schatten unter Severus' Augen. Er tat immer so stark, wollte nie zugeben, dass er auch nur ein Mensch war und seine Schwächen hatte. „Idiot“, flüsterte Harry kaum hörbar und schmunzelte dabei warm. Irgendwann regte Severus sich. Verschlafen blinzelte er und blickte als erstes in diese grünen Augen. Langsam drehte er sich auf den Rücken, ließ dabei Harrys Hand los und strich sich über die Augen, um wach zu werden. Der Slytherin wirkte dabei noch immer sehr schwerfällig und besorgt beobachtete Harry ihn. „Geht's dir besser?“ Severus sah ihn wieder an und ließ nicht erkennen, was er dachte. Schließlich grummelte er: „Ersetzt du etwa die Handfesseln am Bett?“ Harry schluckte und senkte den Blick. „Was hättest du denn an meiner Stelle getan? Ich hatte doch keine andere Wahl.“ „Du hättest mir einfach vertrauen können.“ Grummelnd sah Harry auf, doch bevor er antworten konnte, kam Madam Pomfrey herbeigeeilt. „Na, endlich wach?“, fragte sie munter, während Severus sich langsam aufsetzte. „Und wesentlich besser gelaunt, wenn man mich in meine Räume lassen würde“, grummelte er als Antwort und sah die Hexe auffordernd an. „Tut mir Leid, aber das kann ich nicht zulassen“, schüttelte die Hexe ihren Kopf. „So Severus, Sie haben die Wahl: Die harte Tour oder die ganz harte Tour.“ Beim letzten hielt sie ein Fläschchen mit einem Trank hoch, den Severus offenbar sofort zu erkennen schien. Harry folgte der Unterhaltung stumm und versuchte zu verstehen, worum es ging. „Mir wäre Möglichkeit drei lieber“, antwortete der Slytherin grantig. „Sie lassen mich gehen und ich setze das nach und nach ab.“ „Darauf kann ich mich nicht verlassen“, schüttelte Poppy erneut den Kopf. „Wie lange wollten Sie den Trank noch nehmen?“ „Nur zwei Tage“, knurrte Severus. „Also lassen Sie mich gehen. Ich kriege das alleine hin.“ „Das habe ich heute Mittag ja gesehen“, kam die schnippische Antwort. „Mag sein, dass Sie den Trank absetzen könnten, aber der Prozess dauert zu lange, das würde Ihr Körper nicht durchhalten. Also, wie wollen wir es nun angehen? Möglichkeit A oder B?“ „Bei welcher lassen Sie mich schneller gehen?“ „Bei dem Trank natürlich.“ „Dann her damit“, murrte Severus und nahm das Fläschchen entgegen. Prüfend roch er an dem Zaubertrank. „Der ist viel zu stark. Zwei Grade weniger reichen aus.“ „Severus, woher soll ich wissen...?“ „Es steht nicht so schlecht um mich, wie Sie denken“, unterbrach Severus sie unwirsch. „Zwei Grade weniger reichen.“ Mürrisch nahm Madam Pomfrey ihm den Trank ab und verschwand, um einen neuen zu holen. Fragend sah der Gryffindor zum anderen. „Sagst du mir was los ist?“ „Nein. Lass mich einfach in Ruhe“, kam nur die grummelnde Antwort. Seufzend erhob Harry sich. Was hatte er denn anderes erwartet? Er ging zu seinem eigenen Bett und machte sich darauf lang, was seinen Knochen unheimlich gut tat. Vielleicht sollte er einfach versuchen zu schlafen.   Draußen war es bereits dunkel, als Harry erneut erwachte. Ein seltsames Keuchen hatte ihn geweckt und verschlafen sah er sich um. Severus wühlte in seinem Bett hin und her, schien schlecht Luft zu kriegen und gab gequälte Laute von sich. Leise erhob der Gryffindor sich und ging zum anderen Bett. Severus schien wach zu sein... oder auch nicht? Seine Augen waren offen, aber stark verschleiert. Immer wieder warf er den Kopf hin und her und bemerkte Harry gar nicht. „Hey“, versuchte Harry den anderen zu beruhigen oder zu wecken oder was auch immer und berührte Severus an der Schulter. Sofort drehte der Slytherin sich wieder um, entzog ihm fast panisch seine Schulter und starrte Harry an, ohne ihn wirklich zu erkennen. Er rutschte ein Stück von ihm weg, schloss die Augen und senkte den Kopf, während er Anstalten machte sich einzukringeln. Harry schluckte. Er wusste nicht, was hier vor sich ging, aber das schien die 'ganz harte Tour' zu sein, von der Madam Pomfrey gesprochen hatte. Severus war total verschwitzt und Harry griff nach dem Lappen im Eiswasser, der sich neben dem Bett befand. Offenbar wusste Madam Pomfrey, dass sie heute Nacht so etwas gebrauchen konnten. Sanft strich er damit über die Stirn des anderen, der zuerst zusammenzuckte, sich dann aber ein wenig entspannte. Die Kälte schien ihm gut zu tun. Er griff nach dem Lappen, damit Harry ihn nicht wieder wegzog und atmete plötzlich viel ruhiger. Dann verkrallte er die andere Hand im Bettlaken und begann kaum merklich zu zittern. Seufzend legte Harry seine Hand auf Severus' Arm und strich sanft darüber. Er wollte ihm so gerne helfen, doch wie? „Wenn du mir nur sagen würdest, was mit dir los ist“, flüsterte Harry ratlos. Natürlich erhielt er keine Reaktion. Severus hatte mit der Medihexe über einen Trank gesprochen, den er absetzen sollte... auf die harte Tour. Das hier war doch jetzt kein Entzug, oder? Der Gryffindor saß eine gefühlte Ewigkeit einfach nur da und streichelte Severus, der immer wieder stark zuckte, als hätte er einen Albtraum. Nach zwei Stunden fing er wieder an herumzuwühlen. Er drehte sich von Harry weg und wieder hin und schien mit keiner Position seinen Frieden zu finden. Erschöpft rieb Harry sich über die Augen. Am liebsten hätte er sich einfach neben den Slytherin gelegt und versucht zu schlafen. Severus lag gerade mit dem Rücken zu ihm, als er wieder gequälte Laute von sich gab. Harry rutschte näher heran und versuchte in das Gesicht des anderen zu sehen, während er ihm über die Seite strich. Dabei bemerkte er, dass Severus krampfte. Leise fluchend drehte Harry ihn auf den Rücken und beugte sich über ihn. „Hey, jetzt beruhige dich mal“, murmelte er ruhig und strich dem Slytherin übers Gesicht. Tatsächlich holte dieser wieder tiefer Luft und gab ein Stück weit seine angespannte Haltung auf. Als er die Augen öffnete, sah er Harry direkt an, was diesen ein wenig wunderte. Diesen Blick hatte er noch nie bei Severus gesehen und wusste ihn nicht einzuordnen. Nahm er Harry nun wahr oder nicht? „Versuche dich zu entspannen. Ich bin hier und passe auf“, flüsterte Harry, obwohl er nicht wusste, ob seine Worte überhaupt hilfreich sein würden, aber etwas anderes wollte ihm einfach nicht einfallen. Severus sah ihn einfach nur an, während seine Atmung sich immer noch nicht beruhigen wollte. Schließlich nahm er wieder einen gequälten Gesichtsausdruck an, drehte sich ein Stück weiter zu Harry und senkte den Kopf. „Tut mir Leid“, hauchte er, während er die Augen schmerzerfüllt zukniff. Verwundert runzelte Harry die Stirn. „Was tut dir Leid?“ „Ich kann nicht... ich konnte nicht... ich wollte...“, faselte Severus vor sich hin, ohne einen der Sätze zu beenden. Seufzend strich Harry ihm über den Rücken. „Ist schon gut“, antwortete er, obwohl er keine Ahnung hatte, was Severus meinen könnte. Vielleicht ergab es ja auch wirklich keinen Sinn. Möglicherweise redete er gerade nur vor sich hin, fantasierte. „Versuch zu schlafen.“ Eine Hand krallte sich in Harrys T-Shirt und Severus begann erneut zu zittern. Der Gryffindor zog die Decke höher und strich dem anderen weiterhin über den Rücken. Der Slytherin begann immer mehr wirres Zeug zu faseln, während er sich hin und her warf und regelmäßig krampfte. Harry beschränkte sich darauf dem anderen mit dem kalten Lappen den Schweiß von der Stirn zu wischen, denn zu antworten hatte wohl wenig Sinn, zumal der Gryffindor nie erraten konnte, worum es ging. Er bezweifelte sogar, dass die Sätze zusammenhingen, doch nach gefühlt endlosen Stunden glaubte er langsam herauszuhören, dass Severus wohl alle schrecklichen Ereignisse seines Lebens noch einmal zu durchleben schien. Seine Zeit als Todesser, seine Kindheit und offensichtlich auch Necrandolas. Unaufhörlich brabbelte der Slytherin Dinge vor sich hin. „Er sieht mich, er sieht mich. Kann nicht sehen, er ist tot, tot. So tief, unendlich tief... nein, ein Zauber, nur ein Zauber. Sie kriegt ihn, die Harpye, sie wird ihn töten. Er sieht mich. Alle fort, für immer fort, wegen mir, es liegt an mir...“ Seufzend wrang Harry den Lappen aus und wischte dem anderen unaufhörlich über das verschwitzte Gesicht, in der Hoffnung ihm irgendeine Linderung verschaffen zu können. Ab und zu fielen Namen, wie Lupin, Dumbledore oder Lily. Irgendwann hörte Harry nicht mehr hin, zumal Severus inzwischen von Dingen sprach, von denen Harry gar nicht wissen wollte, was sie bedeuteten. „Worte im Fleisch“ und „wie eine gehäutete Katze“ klangen besonders verstörend. Verschlafen sah Harry aus dem Fenster. Die Nacht wollte einfach nicht vergehen. Mit einem mal setzte Severus sich mit gesenktem Kopf schwermütig auf und verharrte kurz, um besser Luft zu bekommen. Stirnrunzelnd betrachtete Harry ihn. Was hatte er denn jetzt auf einmal vor? „Severus?“ Natürlich kam keine Reaktion. Stattdessen ließ der Slytherin langsam seine Beine vom Bett gleiten und kam in eine sitzende Position. „Ich muss... ich muss hier raus“, murmelte er atemlos und stand auf. Alarmiert erhob sich auch Harry und stellte sich vor den anderen. „Das kannst du nicht. In deinem Zustand würdest du es niemals zu deinen Räumen schaffen.“ „Aber ich muss hier raus“, antwortete Severus und wollte sich an Harry vorbeischieben. Der Gryffindor legte seine Hände auf Severus' Schultern und hielt ihn zurück. „Das geht nicht.“ „Ich muss hier raus, bevor es zu spät ist“, wurde der Tränkemeister unruhiger und wehrte sich unwirsch. Während Harry seine Mühe hatte, Severus aufzuhalten, fragte er verwirrt: „Bevor es für was zu spät ist?“ „Bevor er aufwacht.“ „Bevor wer aufwacht?“ „Ich muss hier raus, was ist daran so schwer zu verstehen?!“, rief Severus immer lauter werdend, wehrte sich nun mit aller Kraft gegen Harry. Dieser sah irritiert in die schwarzen Augen, die noch immer verschleiert und glänzend waren. Da wurde es dem Gryffindor klar: Severus halluzinierte noch immer. „Severus, wir sind alleine. Hier ist niemand anderes, der aufwachen könnte“, versuchte Harry an den Verstand des anderen zu appellieren, doch ihm wurde sofort klar, dass das sinnlos war. „Ich muss gehen, also lass MICH ENDLICH LOS!!“ Zum zweiten mal an diesem Tag entstand zwischen den beiden ein Handgemenge, wobei Severus eher um sich schlug, statt taktisch vorzugehen, sodass Harry ihn schließlich an den Oberarmen packen und relativ gut halten konnte. „Severus, ich bin es doch nur“, versuchte Harry den anderen zu beruhigen, doch der hörte nicht auf zu schreien und sich zu winden. „LASS MICH GEHEN!! ICH MUSS... ICH KANN NICHT...“ „Severus!“, schüttelte Harry den anderen. „Sieh mich an! Bitte!“ „ICH MUSS HIER WEG!! ICH MUSS ZU IHR!“ „Zu wem musst du?“ „SIE WIRD STERBEN! ICH KANN NICHT... ICH BIN ZU... ICH HALTE DAS NICHT AUS! ICH MUSS HIER RAUS!!“ „Jetzt sieh mich doch endlich an!“ Es war zwecklos. Severus würde ihn nicht ansehen. Gerade als Harry am verzweifeln war, wurden Severus' Fluchtversuche schwächer. Er schlug nur noch halbherzig nach dem anderen und auch seine Stimme versagte immer mehr. „Ich kann das nicht mehr. Ich bin zu schwach. Alles meine Schuld. Meine Schuld.“ Zitternd verkrallte Severus sich in Harrys Shirt, ließ den Kopf hängen und schließlich gaben seine Beine nach. Harry schlang seine Arme um den Slytherin und sackte mit ihm zusammen zu Boden. Severus saß zitternd da, lehnte sich an Harry und flüsterte nur noch: „Meine Schuld. Ich konnte nicht anders. Ich muss weg. Muss zu Lily. Lily... ist weg. Meine Schuld.“ „Scht“, machte Harry sanft, hielt Severus weiterhin im Arm und erholte sich dabei selbst von seinem Schreck. „Du hast nichts falsch gemacht.“ Was zum Teufel war nur hier los? Was hatte Poppy dem Slytherin gegeben, dass er nun so durchdrehte? Dass er hier zitternd und hilflos in seinen Armen lag? Und wovon hatte Severus da überhaupt geredet? Oder ergab das ganze einfach keinen Sinn, war es nur sinnfreies Gebrabbel eines Halluzinierenden? Harry gab Severus einen sanften Kuss aufs Haar und versuchte ihn weiter zu beruhigen, ihm irgendwie Halt zu geben. Nach einigen Minuten schaffte Harry es sogar, den Slytherin wieder ins Bett zu verfrachten, wo er sich weiterhin umherwälzte, während der Gryffindor nur hilflos zusehen konnte. Was sollte er nur tun? Und warum war Poppy noch nicht gekommen, um ihm zu helfen? Sie kann das Geschreie doch unmöglich überhört haben. Sein Blick glitt zu der Schüssel mit Eiswasser. War ihr Plan etwa, Harry das ganze alleine machen zu lassen? Hatte sie ihn deshalb über Nacht hierbehalten wollen? Aber wie konnte sie einfach davon ausgehen, dass er das alleine schaffen würde? Der Gryffindor fühlte sich mit der Situation mehr als überfordert. Es begann bereits zu dämmern, als Severus sich erneut zu Harry drehte und plötzlich seinen Namen murmelte. „Ich bin hier“, flüsterte Harry ruhig und erschöpft. „Nicht sterben. Nicht sterben.“ Stirnrunzelnd nahm Harry den Lappen erneut aus dem kalten Wasser und tupfte Severus damit über Gesicht und Nacken. „Ich habe nicht vor zu sterben, keine Sorge“, antwortete er leise. „Nicht sterben“, wiederholte der andere, mal mit dem Blick klar auf Harry gerichtet und mal wieder verschwommen. „Versprich es.“ „Ich verspreche es“, erwiderte Harry. Mit einem Mal runzelte Severus die Stirn und sagte: „Geht nicht. Jeder stirbt.“ Ein wenig belustigt und erleichtert, dass der andere ihn wenigstens zu verstehen schien, sagte Harry: „Jaa gut. Dann verspreche ich dir eben friedlich im hohen Alter zu sterben.“ „Stirb nicht.“ Harry seufzte. Das hier war unglaublich anstrengend. Verschwommen sah der Slytherin zu ihm auf und zog dann an Harrys T-Shirt. Verwundert folgte Harry der Aufforderung und beugte sich weiter hinunter. Severus griff in Harrys Nacken und der Grünäugige legte seine Stirn an die des anderen. Etwas entspannter schloss Severus die Augen und sein Atem beruhigte sich ein wenig. Harry hingegen musste schlucken. So nah war er Severus schon lange nicht mehr gewesen und er konnte nicht verhindern, dass sein Herz ihm bis zum Hals pochte. „Ich höre es“, murmelte Severus und Harry hielt erschrocken den Atem an. „Was hörst du?“, fragte er unsicher nach und betete, dass Severus etwas anderes als sein Herz meinte. Diese Hoffnung zerschlug der Slytherin jedoch, als er seine Hand an Harrys Brust legte. War das sein Ernst?! Der Schock sorgte nur dafür, dass Harrys Herz noch schneller schlug, wofür er es verfluchte. Verräter! Moment mal... hieß das Severus hörte es jedes Mal, wenn Harry in seiner Nähe war? Auf den Gedanken war er nie gekommen. Verfluchte Scheiße! Als Severus die Augen öffnete, war sein Blick nicht zu deuten. Erneut schluckte der Gryffindor, versuchte sich aber innerlich zu beruhigen. Severus würde sich morgen sicherlich an nichts mehr erinnern, also kein Grund zur Panik. Aber warum sah er ihn so seltsam an? Was ging ihm jetzt schon wieder durch den Kopf? Ehe Harry sich versah, hatte er plötzlich Severus' Lippen auf seinen liegen. Erschrocken riss er die Augen auf, während sein Herz einen Satz machte. Was zum Teufel hatte er vor?! Der Kuss war sehr fordernd und Harrys Widerstand scheiterte daran, dass seine Knie weich wurden wie Wackelpudding. „Sev...“, versuchte er zwischen den Küssen zu protestieren, doch das interessierte den anderen kein Stück. So intensiv und fordernd war Harry noch nie geküsst worden und er keuchte auf, als Severus seine Zunge zum Einsatz brachte. Scheiße war das geil! Warum wirkte es so, als wolle er noch viel weiter gehen?! Was war auf einmal aus dem zurückhaltenden Severus Snape geworden? Dem Gryffindor fiel es schwer klar zu denken, da offenbar sämtliches Blut aus seinem Hirn verschwunden war und sich woanders herumtrieb. Auch wenn Harrys Kopf schrie, dass es falsch war, musste er zugeben, dass es sich verdammt gut anfühlte. Severus so intensiv zu schmecken und seinen Atem auf der Haut zu spüren war der Himmel auf Erden. Severus schlang seinen Arm um Harrys Hüfte und rutschte näher an ihn heran, wand sich regelrecht unter dem Gryffindor, streckte sich ihm willig entgegen. Heilige Scheiße!! Er musste das beenden, sofort! So bestimmt wie es ging, schob Harry Severus' Becken von sich fort, zurück auf die Matratze und schellte sich innerlich selbst, dass er ihn am liebsten sofort wieder an sich gezogen hätte. „Severus, du...“, versuchte er es erneut zwischen den Küssen, was gar nicht so einfach war. Er kratzte alles an Selbstbeherrschung zusammen, was noch übrig war und löste keuchend den Kuss. „Severus, du bringst mich morgen um, wenn ich deinen Zustand jetzt ausnutze.“ Als würde Harry auf taube Ohren stoßen, wollte der Slytherin ihn zu sich ziehen, doch dieses Mal hielt er stand. Merkwürdigerweise protestierte Severus nicht, doch sein Blick wurde anklagend. Keuchend betrachtete Harry ihn, sah in seine verschleierten Augen, die davon zeugten, dass Severus nicht wusste, was er da tat. Und endlich erkannte Harry auch, aus was für einem Gefühl heraus Severus wohl handelte: Verzweiflung. Harry strich ihm entschuldigend übers Haar. Severus sah so verloren aus, protestierte zwar nicht laut, aber sein Blick verriet, dass Harry ihm das entzogen hatte, was er gerade offensichtlich dringend brauchte, nämlich Nähe. Mit diesem Blick brach er dem Gryffindor fast das Herz. „Du bist ganz schön fies, weißt du das?“, murmelte Harry, beugte sich hinunter und nahm Severus schließlich seufzend in den Arm, da er dem Ausdruck in seinen Augen nicht mehr standhielt. Dabei versuchte er selbst wieder etwas herunterzukommen. Zum Glück versuchte Severus nicht noch einmal, den Gryffindor zu verführen und verkrallte sich nur zitternd in sein Shirt. Sanft strich Harry ihm über den Rücken, legte seinen Kopf an Severus' Hals und als sein eigener Puls sich auch endlich beruhigt hatte, schloss er erschöpft die Augen. Na das war ja gerade eine klasse Aktion gewesen! Konnte er Severus morgen überhaupt in die Augen sehen? Auch wenn er das ganze abgebrochen hatte, hatte er ein schlechtes Gewissen... oder vielleicht gerade deshalb? Severus war nicht bei Verstand, da konnte er doch nicht einfach mit ihm rummachen. Aber gleichzeitig hatte er den anderen gerade knallhart abgewiesen. So oder so, er konnte nur alles falsch machen. Hoffentlich erinnerte der andere sich morgen nicht mehr an das ganze, denn sonst würde er sich was anhören müssen. Kapitel 57: Außer Reichweite ---------------------------- Als wäre gar nichts vorgefallen, drehte Severus sich bald wieder im Bett hin und her, während Harry, im Sitzen fast einschlafend, versuchte ihn zu beruhigen. Aber immerhin murmelte er nicht mehr so viel Blödsinn, sondern schien langsam wieder klarer im Kopf zu werden. Schließlich blieb der Slytherin tatsächlich mal länger auf der Seite liegen, Harry zugewandt, sodass Harry seinen Kopf auf der Schulter des anderen ablegen und kurz entspannen konnte. Er sah auf Severus hinab, der starr geradeaus blickte. Seine Atmung hatte sich wieder normalisiert und der Schüttelfrost war auch vorbei, was Harry ein wenig beruhigte. Die ersten Sonnenstrahlen brachen herein und Severus blinzelte ihnen träge entgegen. Sanft strich Harry wieder über Severus' Rücken und die Augen des anderen wanderten zu ihm. Sie waren nicht mehr verschleiert, aber dafür wirkte der Slytherin abgekämpft und schwach. Und bildete er sich das nur ein, oder war er immer noch sauer auf ihn? Severus war inzwischen wieder so still, dass es fast unheimlich war. Er drehte sich auf den Rücken, sodass Harry sich wieder gerade hinsetzen musste, und legte seinen Arm über die Augen. So langsam schien er wieder er selbst zu werden. „Geht's dir besser?“, fragte Harry probeweise nach, in der Hoffnung eine Antwort zu bekommen oder wenigstens ein Anzeichen dafür, dass er verstanden wurde. „Was denkst du denn?“, antwortete Severus tatsächlich schwach, aber immerhin versuchte er dabei grantig zu klingen, was nur noch nicht ganz funktionieren wollte. „Naja, immerhin scheinst du nicht mehr zu fantasieren“, murmelte Harry und strich sich müde über die Augen. „Und man kann wieder mit dir reden.“ Als Antwort kam ein verächtliches Schnaufen, was wohl zeigte, dass er kein Interesse am Reden hatte. Aber vielleicht war Severus noch benebelt genug, dass er tatsächlich ein wenig offener mit ihm reden würde. Ein Versuch war es sicherlich wert. Also fragte Harry: „Verrätst du mir, was das für ein Trank war, dem du offenbar diese Nacht zu verdanken hattest?“ „Ich bin nicht in der Stimmung zu reden“, murmelte der Slytherin und drehte sich demonstrativ von Harry weg. Dabei war ihm anzusehen, dass ihm jede Bewegung schmerzte. Harry seufzte enttäuscht auf. Am liebsten hätte er noch weiter gebohrt, doch irgendetwas an Severus hielt ihn davon ab. In seiner Stimme hatte etwas mitgeschwungen, was der Gryffindor nicht verstand und auch aus dem Gesichtsausdruck des anderen konnte er das Rätsel nicht entschlüsseln. Er zeigte ihm gerade die kalte Schulter und Harry wusste nicht wieso. Ging es vielleicht um seine Kussattacke? Oder fühlte er sich immer noch von ihm verraten? Was es auch war, Harry hatte heute genug gegrübelt. Inzwischen war er einfach nur noch schrecklich müde. „Ich kann mich jetzt also ohne schlechtes Gewissen schlafen legen?“ „Woher soll ich wissen, ob du überhaupt ein Gewissen hast?“, knurrte Severus kratzig. Jetzt runzelte Harry doch verwundert die Stirn. „Hey, wenn du ein Problem hast, dann sag es mir.“ „Ich sagte, ich will nicht reden“, kam die sture Antwort. Genervt sagte Harry: „Aber es ist auch nicht fair von dir, wenn du jetzt einfach...“ „Lass es gut sein“, unterbrach Severus ihn schlecht gelaunt. Protestierend griff Harry nach ihm, um ihn umzudrehen, wobei der Slytherin ein leises Ächzen von sich gab, da ihm die Bewegung weh tat. „Nein, ich...“ Als Harry den Blick des anderen sah, blieben ihm seine Worte im Hals stecken. Severus versuchte, ihm einen grimmigen Blick zuzuwerfen... der nicht ganz so grimmig ausfiel, sondern eher verletzt. Nun verstand Harry gar nichts mehr. Verwirrt starrte er den anderen an. „Geh einfach zu deinem Bett rüber und lass mich schlafen, okay? Danke.“ Damit drehte Severus sich wieder weg und ignorierte den fragenden Blick des Gryffindors. Was zum... Hatte Harry irgendwas verpasst? Er schlug sich die ganze Nacht um die Ohren, um Severus zu helfen und jetzt pampte der ihn so an? Was hatte er ihm denn bitte getan? „Wenn ich mir deine Sprüche schon anhören muss, solltest du wenigstens die Güte haben, mir zu sagen, womit ich das verdient habe.“ „Du mischst dich doch immer in alles ein“, knurrte Severus. „Dann kannst du nicht erwarten, dass sich da alle drüber freuen.“ „Hättest du die Nacht etwa lieber alleine durchgestanden?“, beschwerte Harry sich. „Ich bin die ganze Zeit über hier sitzen geblieben, nur um dir zu helfen.“ Wütend drehte Severus sich auf den Rücken und funkelte den Gryffindor an. „Und ich hatte dir gesagt ich will deine Hilfe nicht!“ „Dann wärst du also lieber irgendwann in deiner Wohnung zusammengebrochen? Wo kein Schwein das mitbekommt?“, rief Harry aufgebracht aus. Ein Streit war etwas, was dem Slytherin noch zu anstrengend war. Genervt aufseufzend schloss er die Augen, strich sich übers Gesicht und verweilte eine Weile so daliegend. „Was erwartest du von mir, Potter?“, murmelte er. „Dass ich deine Heldentat würdige, so wie es alle anderen immer tun? Du müsstest mittlerweile wissen, dass ich nicht zu deiner Fangemeinde gehöre.“ „Nein, ist mir nie aufgefallen“, antwortete Harry ironisch. „Aber dir scheint es auch nicht aufzufallen, wenn sich jemand um dich sorgt.“ Hatte er das jetzt wirklich ausgesprochen? Severus öffnete wieder die Augen und schielte zum Gryffindor hinüber, welcher schluckte. Gut, dass er sich Sorgen machte, war wohl ohnehin offensichtlich, aber eigentlich hatte er nie vorgehabt, das dem anderen auch zu sagen. Es war ihm rausgerutscht, da musste er jetzt mit leben. „Wie soll ich denn deiner Meinung nach reagieren?“, fragte Severus ruhig und Harry stockte. Ja, was genau erwartete er eigentlich? Auch wenn er nun die Nacht bei ihm gewesen war, hatte sich nichts an der Abmachung geändert. Es war ein merkwürdiges Gefühl nach all der Nähe, die er Severus gegeben hatte, wieder auf Abstand zu gehen, als sei nichts gewesen. Dennoch war Severus' Blick seltsam, so als würde ihm das ganze hier auch schwer fallen. Eine gewisse Verzweiflung lag in seinen Augen und Harry war vollkommen überfordert. Vielleicht war das nur eine Folge der Nacht. Severus' Nerven müssten am Ende sein. „Siehst du“, beurteilte Severus das Schweigen des anderen und drehte sich wieder auf die Seite. „Ich will, dass du ehrlich bist“, platzte es aus Harry heraus. „Ich will, dass du mich nicht so angreifst, nachdem ich stundenlang Wache gehalten habe, sondern endlich mal mit mir redest. Seit gestern Nachmittag sitze ich hier, ohne dass du mir sagst, was hier überhaupt los ist. Ich will, dass du endlich...“ '...sagst, was in dir vorgeht.', wollte Harry sagen, doch die Worte blieben ihm im Halse stecken. Ohne sich umzudrehen, stellte Severus sarkastisch fest: „Und es liegt natürlich nicht an deiner krankhaften Neugierde, dass du alles wissen willst. Du versuchst mir vollkommen selbstlos zu helfen, ohne dabei den Hintergedanken zu haben, an Informationen heranzukommen.“ „Seit wann stellst du meine Selbstlosigkeit in Frage?“, runzelte Harry verwundert die Stirn und hörte den verletzten Unterton aus Severus' Stimme heraus. „Du beschwerst dich doch ständig über meinen Heldenkomplex.“ „Und darüber, dass du dich aus reiner Neugier überall einmischst und dabei deine Sturheit ohne Rücksicht auf Verluste einsetzt, bis du das bekommst, was du haben willst. Ein Beispiel: Wenn du mir wirklich helfen wollen würdest, würdest du mich jetzt in Ruhe lassen, statt mich mit Fragen zu quälen. Aber deine Neugierde ist dir gerade wichtiger.“ Verwirrt sah Harry zum anderen. War er hier etwa im falschen Film? Hatte er die letzten Stunden nicht bewiesen, dass es ihm um Severus ging und nicht um seine pure Neugier? Harry wollte gerade protestieren, als ihm Severus zuvorkam und sich erneut umdrehte. „Was verlangst du eigentlich von mir, Potter?“ Stirnrunzelnd antwortete dieser: „Das habe ich doch gerade gesagt. Du sollst endlich die Klappe aufmachen und...“ „Das meine ich nicht“, unterbrach Severus ihn mit einem seltsam angriffslustigen Blick. Irritiert sah Harry zurück. Bald müssten sie doch alle Emotionen durch haben, oder? Da er nicht verstanden wurde, setzte Severus nach: „Denkst du ich merke es nicht, wenn du mich im Unterricht anstarrst? Ständig scheinst du etwas von mir zu fordern, bist immer unzufrieden mit meinem Verhalten. Aber was zum Teufel soll ich deiner Meinung nach anders machen?“ Harry setzte an zu antworten, ohne zu wissen, was er eigentlich sagen sollte. Wie zum Teufel kam er denn jetzt plötzlich auf dieses Thema? Bei Severus' wütendem Blick fühlte Harry sich auf einmal seltsam bloßgestellt. War ihm sein innerer Kampf wirklich so stark anzusehen gewesen, sodass Severus es auch mitbekommen hatte? War er so durchschaubar für den anderen? Was sollte er denn jetzt bitte antworten? Er wusste die Antwort doch nicht einmal selbst. „So viel also zur Ehrlichkeit“, stellte Severus trocken fest und drehte sich wieder weg. „Gute Nacht.“ Wieder schluckte der Gryffindor und sah den anderen an. Wie hatte Severus es nur geschafft, dass Harry sich jetzt selbst schuldig fühlte? Wie hatte er es geschafft, das Thema so grandios umzulenken? Auf ihre mehr als schwierige Situation. Mit seiner Frage hatte er Harry komplett überfahren, sodass er vollkommen den Faden verloren hatte. In seinem Kopf schien nur noch Severus' Frage Platz zu finden. Was er von ihm verlangte? Harry wollte, dass Severus ihm endlich zeigte, was er wirklich dachte, statt sich immer zu verstecken... ihm zeigte, was er über ihn dachte. Was Harry selbst wollte, war spätestens seit seinem Test klar, nur durfte es niemals dazu kommen. Er durfte dem anderen nicht nah sein, durfte ihm nicht zeigen, was er fühlte. Und damit war auch klar, dass er nicht ehrlich sein durfte. Aber konnte er dann Ehrlichkeit vom anderen verlangen? Gedankenversunken betrachtete Harry ihn und spürte, wie sich sein Brustkorb seltsam zuschnürte. Severus lag hier direkt neben ihm, in greifbarer Nähe und dennoch durfte er ihm nicht zu nahe kommen, durfte nicht das sagen, was ihm so auf der Seele brannte. Wie grausam konnte die Welt nur sein, dass er sich jetzt so quälen musste? Er wollte ihn zu sich ziehen, seine Gesichtszüge nachzeichnen, in diese unergründlichen Augen blicken und ihm sagen, dass er es einfach nicht ertrug im Unterricht so zu tun, als wäre er ihm egal, denn das war er ihm ganz und gar nicht, verdammt nochmal! Er machte sich Sorgen um den anderen, er dachte am laufenden Band an den anderen, er wollte immerzu bei ihm sein und verachtete es, dass er sich verstecken musste. All das hätte er so gerne gesagt. Aber stattdessen saß er hier, stocksteif und versuchte seine Gefühle einzukerkern, niederzutrampeln, auszureißen wie Unkraut. „Du kannst nichts anders machen“, flüsterte Harry mit kratziger Stimme. „Ich wünschte du könntest es... aber ich muss eben mit leben, dass es nicht anders geht.“ „Dann hör auch auf mich ständig mit Blicken zu strafen“, kam die leise Antwort. Ein traurig belustigtes Schnaufen entwich dem Gryffindor. All die Zeit hatte er sich darüber aufgeregt, dass der andere ihn im Unterricht wütend ansah und jetzt stellte sich heraus, dass er das gleiche getan hatte. „Ich versuche es. Wenn du es auch tust.“ „Darüber hatten wir schon gesprochen.“ Kaum hörbar flüsternd ergänzte Severus: „Es liegt nicht an dir.“ Nickend senkte Harry den Blick. „Ist bei mir genauso.“ Nein, an Severus selbst lag es tatsächlich nicht. Harry war wütend, weil er nicht mit klar kam, dass Severus so abweisend sein musste. Doch auch Severus hatte schon durchsickern lassen, dass er auf sich selbst wütend war. Konnte es sein, dass es der selbe Grund war? Empfand Severus vielleicht doch etwas für ihn und verbat sich nur, es zu zeigen? Aber selbst wenn es so war, Harry würde das nie herausfinden. Oder hatte er es schon herausgefunden? Wie konnte er Severus' Küsse vorhin deuten? Hatten die überhaupt etwas zu bedeuten? Schließlich hatte er unter Fieberwahn gestanden. Aber selbst wenn da etwas war, es änderte nichts an den Umständen und der Gedanke schmerzte. Völlig egal, was er oder Severus fühlte, es gab Regeln in der Gesellschaft, denen sie sich beugen mussten und die besagten nun einmal, dass sie nicht zusammen sein durften. Zum ersten Mal sah Harry etwas positives in Necrandolas, denn dort hätte er sich einfach hinter Severus legen, seinen Arm um ihn schlingen und ihm ins Ohr flüstern können, was ihm durch den Kopf ging. Aber sie waren nunmal nicht in Necrandolas. Ruckartig stand der Gryffindor auf. Er musste hier weg, wenigstens kurz. Aber wie, wenn er den Krankenflügel nicht verlassen durfte? Kurzerhand lief er ins Bad. Vielleicht half eine Ladung kaltes Wasser ein wenig, um sich zu fangen. Severus hingegen lag mit offenen Augen da und lauschte den Schritten des Gryffindors. Als dieser im Bad verschwand, seufzte der Slytherin schwer auf. Warum nur musste es immer auf diese Art enden? Wollte das Schicksal ihn tatsächlich sein ganzes Leben lang dazu zwingen, jeden wegbeißen zu müssen, der sich ihm nähern wollte? Ächzend strich Severus sich über die Augen und verharrte mit dem Handballen an der schmerzhaft pochenden Stirn, um sich wieder zu fangen. Die letzte Nacht hatte zu viele Erinnerungen hochgeholt, zu sehr an den Nerven gezerrt und machte ihn damit viel zu emotional. Je schneller er einschlief und wieder normal wurde, desto besser.   Schnell huschte Harry durch die Tür zum Krankenflügel und lehnte sie hinter sich wieder an. Vor ihm standen Ron und Hermine, die ihn besorgt ansahen. „Madam Pomfrey hatte doch gesagt, dass sie dich nur zur Beobachtung über Nacht dabehalten wollte und jetzt bleibst du noch eine Nacht?“, fragte Hermine sogleich verwirrt nach. „Jaa, die Sache ist die“, strich Harry sich über die Haare, „Severus ist vollkommen erschöpft und er schläft besser, wenn ich hierbleibe. Vielleicht kann ich so auch ein wenig Schlaf nachholen.“ Ungläubig fragte Ron: „Heißt das, du sitzt den ganzen Tag da drin herum, nur damit Snape schlafen kann?“ „Ähm, ja.“ Ron warf seiner Freundin einen skeptischen Blick zu, die aber nur besorgt zu Harry sah. „Ist denn alles in Ordnung?“, fragte sie nach. „Ja, ein bisschen Schlaf und alles ist wieder bestens“, winkte Harry locker ab. „Ich meinte nicht Professor Snape“, erwiderte Hermine. „Du siehst abgekämpft aus. Ist wirklich alles gut?“ „Ja, sicher“, antwortete Harry eifrig und mit zu hoher Stimme, weshalb die anderen ihm kein Wort glaubten. Hermine brauchte einen Moment, um zu verstehen und sofort wechselte ihr Blick zu Mitleid. „Du kannst doch jederzeit gehen, Harry. Tu dir das nicht an.“ „Nein, ich will nicht, dass er in einer Woche wieder umkippt“, schüttelte Harry entschieden den Kopf. „Ich bleibe hier, bis er wieder fit ist. Das überlebe ich schon. Es wäre nur gut, wenn ihr mir die Hausaufgaben bringen könntet, damit ich mich beschäftigen kann, wenn ich gerade nicht schlafe.“ „Ist gut“, seufzte die Hexe auf. „Aber pass auf, dass du dich nicht selber kaputt machst.“ „Ich kann auf mich aufpassen, keine Sorge“, versuchte Harry sie zu beruhigen und schlüpfte dann wieder durch die Tür. Besorgt holte Hermine Luft und ging mit Ron Richtung Gryffindorturm, um Harrys Schulsachen zu holen. Verständnislos grübelte Ron noch immer vor sich hin. „Warum bleibt er, wenn er es da nicht aushält? Das ist doch vollkommen sinnlos“, fragte er schließlich. „Ach, Ron“, verdrehte Hermine die Augen. „War klar, dass du es nicht verstehst. Er verbringt den ganzen Tag bei Snape, für den er Gefühle hat, diese aber nicht zeigen darf. Er opfert sich auf, ganz einfach. Snapes Gesundheit ist ihm wichtiger, als seine eigenen Gefühle.“ „Das habe ich schon kapiert“, grummelte Ron etwas beleidigt. „Aber es ist so... so...“ Schließlich sagte Hermine: „Das Wort, das du suchst, heißt verliebt, Ron. Liebende Menschen tun nunmal solche Dinge. Auch wenn es uns nicht gefällt, Harry ist bis über beide Ohren in Snape verliebt.“ „Aber er hatte doch gesagt, dass das vielleicht nur eine Phase ist, wegen Necrandolas“, argumentierte Ron weiter dagegen. „Ja, das wollte er sich einreden. Zugegeben, das wollte ich auch glauben, aber wie es aussieht...“ „Aber das hat doch keine Zukunft“, warf Ron ein. „Ich meine, wir reden hier von Snape. Machst du dir da nicht auch Sorgen, dass das ein böses Ende nimmt? Wer weiß, was ein Slytherin sich alles ausdenken kann, um das auszunutzen.“ Ächzend erwiderte Hermine: „Jetzt übertreibst du aber, Ron. Wir konnten uns doch schon oft genug selbst davon überzeugen, dass Snape Harry vollkommen ignoriert und offenbar kein Interesse an ihm hat.“ „Ja, noch“, hielt Ron wacker gegen. „Vielleicht war ihm bisher nur noch nicht bewusst, wie groß sein Einfluss auf Harry ist.“ Energisch erwiderte Hermine: „Wir können sowieso nichts anderes tun, als Harry im Auge zu behalten und ihm beizustehen. Selbst ein Severus Snape kann sich nicht 24 Tage lang unter Lebensgefahr immer nur verstellen. Harry konnte in Necrandolas sicherlich einen Blick auf den wahren Snape werfen und wir müssen da einfach seinem Urteil vertrauen.“ Grummelnd gab Ron die Diskussion auf. Egal was Hermine sagte, er traute Snape nicht, zumindest nicht weit genug, um sorgenfrei dabei zuzusehen, wie sein bester Freund sich ihm hilflos auslieferte. „Und wie soll es jetzt weitergehen?“ „Ich habe keine Ahnung“, schüttelte Hermine bedrückt den Kopf. Wieder entstand eine Pause. „Wie kann man sich in dieses Arschloch verlieben?“ Auflachend wiederholte Hermine: „Ich habe keine Ahnung.“   Harry stand am Fenster des Krankenflügels und sah hinaus in die Nacht, als Severus erwachte und sich langsam aufsetzte. Er spürte den Blick des Slytherins auf sich, doch das ignorierte er. Allgemein sprachen sie nicht besonders viel miteinander. Zu Anfang hatte Harry noch versucht, an den Slytherin heranzukommen, wollte ihm helfen und vor allem darüber sprechen, dass Severus offenbar jede Menge Dämonen zu quälen schienen. Doch nicht einmal über seine Schlafprobleme oder Necrandolas hatte er sprechen wollen und war irgendwann ziemlich ungehalten geworden, sodass Harry seine Versuche resigniert eingestellt hatte. An den Kuss konnte Severus sich offenbar nicht erinnern, denn Harry hatte sich vorsichtig an das Thema herangetastet und festgestellt, dass Severus seine Andeutungen nicht verstand. An sich war das gut, aber es ließ Harry trotzdem nicht in Ruhe. Inzwischen wusste er, dass dieser Trank Severus' Körper entgiftet und er dadurch die ganze Nacht an Halluzinationen gelitten hatte, aber war das Ausrede genug für seine Aktion? Musste da nicht wenigstens ein Grundinteresse bestehen, wenn man sich so an jemanden heranschmiss? Harry kam mit der Frage nicht weiter und das verpasste ihm schlechte Laune. Da Severus jetzt wach war, konnte er sich selbst schlafen legen und kroch ins Bett, dem anderen den Rücken zudrehend. Er wachte bereits am frühen Morgen wieder auf, blieb aber noch liegen und döste vor sich hin. Man konnte hören, dass Severus wach war und nicht wusste, wie er sich beschäftigen sollte. Ständig lief er auf und ab, ging vom Fenster zum Bett, legte sich hin, stand wieder auf. Anscheinend war Harry nicht der einzige, der viel nachdachte. Aber was konnte er da schon gegen tun, wenn Severus ihn so von sich stieß? Schließlich knarrte die Tür zum Krankensaal leise und jemand schlich sich herein. Zwar war Harry neugierig, wer das sein könnte, doch er beschränkte sich darauf zu lauschen und tat weiterhin so, als würde er schlafen. Murrend hörte er Severus sagen: „Lass dich nicht von Poppy hier erwischen. Die schickt dich sofort wieder raus.“ „Ich wollte nur kurz schauen, wie es dir geht“, flüsterte eine sanfte Stimme, die Syndia gehörte. „Ich dachte eigentlich, du würdest schlafen.“ „Ich kann nicht 24 Stunden am Tag schlafen“, knurrte der Slytherin. „Aber das scheinen alle von mir zu erwarten.“ „Du musst ja auch wieder zu Kräften kommen.“ „Das kann ich auch in meinen Räumen.“ „Das kannst du eben nicht“, widersprach Syndia ernst. „Und das weißt du auch. Ich mache mir ehrlich gesagt Sorgen, wie es weiter gehen soll, wenn Poppy dich entlässt.“ „Ganz einfach: Es lassen mich endlich alle in Ruhe.“ „Sev, du kannst doch nicht einfach so weitermachen wie bisher“, erwiderte Syndia sanft. „Du musst dich doch irgendwie mit deinem Trauma...“ „Syndia, hör endlich damit auf!“, zischte Severus wütend und Harry runzelte die Stirn. „Merkst du denn gar nicht, dass du alles nur noch schlimmer machst?“ „Nur weil du dich stur stellst und...“, antwortete Syndia, doch sie wurde sofort wieder unterbrochen. „Ich will vergessen, verdammt noch mal! Und das kann ich nicht, wenn du mich ständig mit dem Thema nervst. Seit du meinen Wutausbruch provoziert hast, habe ich mich immer schlechter im Griff, nur weil du das unbedingt alles hochholen musstest! Lass es endlich sein!“ Eine kurze Stille entstand, in der Harry angespannt lauschte. Gleichzeitig bildete sich ein seltsam schwerer Klotz in seinem Bauch. Stimmte das? Hielt auch er Severus nur vom Vergessen ab, wenn er versuchte nachzuhaken? Aber all das, was Harry vorletzte Nacht gesehen hatte, verschwand doch nicht einfach, wenn man es totschwieg... oder? „Du behauptest also, dass du besser schläfst, wenn du versuchst, das alleine zu verarbeiten“, stellte die Hexe skeptisch fest. „Jaa“, erwiderte Severus knurrend, noch immer deutlich wütend. „Hat sich jemand dafür interessiert, was ich als Todesser alles tun musste? Nein. Habe ich das verarbeitet? Ja. Es hat kein Schwein interessiert und ich bin super klargekommen. Am allerwenigsten hat es dich interessiert, dich hat streng genommen mein ganzes Leben nicht interessiert. Also hör auf jetzt einen auf Glucke zu machen!“ Harry schluckte. Das war mit Sicherheit ein Schlag in die Magengrube gewesen. Ganz langsam und mit beherrschter, aber brüchiger Stimme fragte Syndia witzlos: „Was soll ich also dann tun? In die USA verschwinden?“ „Wenn das die einzige Möglichkeit ist, damit du mich in Ruhe lässt, dann ja“, murrte Severus ungeduldig. Autsch. Harry spannte sich an und hätte am liebsten nachgesehen, wie Syndia reagierte. Diese murmelte leise: „Schön.“ Dann rauschte sie aus dem Krankenflügel. Harry wollte weiterhin so tun, als würde er schlafen, aber er hielt es nicht aus. Syndia tat ihm einfach zu leid. „War das nicht ein bisschen hart?“, fragte der Gryffindor also, ohne sich umzudrehen. Severus schien es nicht zu wundern, dass der andere gelauscht hatte. Murrend antwortete er: „Anders kapiert sie es einfach nicht. Man kommt sonst gegen ihren Dickschädel nicht an.“ Harry schnaubte. Dieser Dickschädel war wohl die größte Gemeinsamkeit der Geschwister. Aber Severus schien bereits aus der Kindheit zu wissen, wie er sich durchsetzen musste. Hoffentlich erkannte Syndia das auch und war nicht allzu sehr gekränkt. „Meinst du nicht, dass sie es auch verstanden hätte, wenn man es ihr vernünftig erklärt hätte?“ „Das habe ich lange genug versucht“, knurrte der Slytherin. „Irgendwann reicht es. Eigentlich dachte ich, du könntest das nachvollziehen.“ Verwundert drehte Harry sich um und sah zum anderen. „Ich habe ja nicht sonderlich viel mitbekommen. Wie soll ich wissen, was ihr beredet?“ „Ich dachte, du bildest dir schnell ein Urteil und steckst überall deine Nase rein“, sah Severus provozierend zurück und Harry zog die Brauen zusammen. „Ich spioniere dir nicht nach, keine Sorge“, murrte er. „Ich habe also keinen blassen Schimmer.“ Skeptisch sah Severus zurück, gab dann aber bald auf und unterbrach den Blickkontakt. Knurrend sprach er zur Decke: „Syndia stellt sich ein 'Trauma' einfach so vor, dass man sich nur ein bisschen unterhalten muss und schon ist alles wieder vergessen. Sie versteht es einfach nicht. Ein Zeichen dafür, dass sie keine Ahnung vom Leben hat.“ Wieder musste Harry schlucken und senkte den Blick. Irgendwo hatte Severus damit Recht. Aber war es denn wirklich so falsch, dass man versuchte, mit Severus darüber zu reden? Wahrscheinlich kam es auf die Art drauf an, wie man versuchte, es anzusprechen. Harry selbst hatte auch nicht gewollt, dass seine Freunde das Thema Necrandolas anschneiden. Als sie darüber gesprochen hatten, war die Initiative von Harry ausgegangen. Also mussten Harry und auch Syndia darauf warten, dass Severus von selbst das Gespräch suchte? Das würde doch niemals passieren. „Eher ein Zeichen dafür, dass sie ein sorgenloses Leben hatte“, verbesserte Harry und sah sofort, wie ein Schatten über Severus' Gesicht fiel und er hätte seine Worte am liebsten zurückgenommen. Anscheinend hatte er da ein heikles Thema angeschnitten. „Abgesehen davon“, presste Severus zwischen den Zähnen hindurch. „Aber sie ist auch ein Mensch, der Sorgen abschütteln kann, als wäre es nur oberflächlicher Dreck. Egal wie dunkel die Zeiten sind, sie ist immer unbekümmert wie ein naives, kleines Schulmädchen.“ Grübelnd betrachtete Harry ihn. Er musste zugeben, dass Syndia bisher wirklich immer lächeln konnte. „Meinst du nicht, dass das nur eine Maske von ihr ist?“, überlegte Harry. „Wäre doch typisch Snape, oder nicht?“ Skeptisch sah Severus zu ihm und Harry konnte es sich nicht verkneifen, absichtlich eine Augenbraue zu heben. Das war gar nicht so einfach. Wie machte der Kerl das nur? Ungerührt antwortete Severus: „Ich werde doch wohl meine Schwester gut genug kennen. Sie war schon immer ein wandelnder Sonnenschein.“ Ein kurzes Schweigen entstand, während Severus den anderen noch immer skeptisch musterte. Schließlich sagte er trocken: „Du schummelst, indem du die andere Augenbraue runterziehst.“ „Das ist gar nicht so einfach“, erklärte sich Harry und versuchte es noch einmal mit der anderen Augenbraue, aber da war es noch schwieriger. „Ich werde vorm Spiegel üben, keine Sorge.“ „Oder du lässt es ganz bleiben“, antwortete Severus und fügte nach einer kurzen Pause und mit zuckendem Mundwinkel hinzu: „Das sieht bei mir sowieso viel cooler aus.“ Harry konnte nicht anders, als zu grinsen und gab seine kläglichen Versuche auf. Das er so ein Wort wie 'cool' mal aus Severus' Mund hören würde. „Syndia bekommt das doch auch hin. Ist bestimmt nur eine Übungssache.“ Severus schwang die Beine aus dem Bett und setzte sich auf. „Tja, da irrst du dich wohl. Ein reines Privileg unserer Familie.“ Der Blick des Slytherins wanderte zum Fenster und sein Blick wurde nachdenklicher. Murmelnd erzählte er weiter: „Unsere Mutter hat uns immer so angesehen, wenn wir was angestellt hatten. Syndia und ich... wir haben uns als Kinder gegenseitig aufgezogen, indem wir diesen Blick nachmachten.“ Verstehend nickte Harry und betrachtete Severus, der mit den Gedanken weit weg zu sein schien. „Solche Eigenarten scheint man immer weiterzuvererben“, flüsterte Severus schon fast und warf Harry wieder einen Blick zu. In seinen Augen lag ein Hauch von Trauer und er brach schnell den Blickkontakt, konnte den grünen Augen nicht standhalten. Harry hatte das Gefühl, dass hinter diesen Worten mehr stand, als er verstehen konnte und sah Severus fragend an, doch dieser drehte sich bereits von ihm weg. Was ging ihm nun wieder durch den Kopf? Dieser Mann war ein einziges Rätsel... und würde mit Pech auch immer eines bleiben. Kapitel 58: Alltägliche Sorgen ------------------------------ Wegen eines unglaublichen Krachs, beeilte sich Madam Pomfrey in den Krankensaal zu kommen. Was sie erblickte, waren zwei Streithähne, die sich lauthals anbrüllten und verärgert stapfte sie auf die beiden zu. „...deshalb auch nicht beurteilen!“, rief Harry aufgebracht, während der Slytherin wesentlich ruhiger auf seinem Bett saß. „Meine Herren!“, rief Poppy dazwischen. „Es wäre schön, wenn Sie nicht das halbe Schloss mit Ihrem Geschrei wecken würden.“ „Dann hat Potter doch genau das, was er will“, argumentierte Severus. „Einen dramatischen Abgang mit ordentlich Zuschauern.“ Mit einem wütenden Aufschrei ballte Harry seine Hände zu Fäusten. „Mit dir hält man es einfach nicht aus!“ „Dann geh doch!“, zeigte Snape Richtung Tür. „Keiner hält dich hier fest, also verschwinde! Dann habe ich vielleicht endlich mal meine Ruhe.“ „Du bist so ein undankbares Arschloch“, knurrte Harry vor sich hin und schmiss seine Tasche aufs Bett, um seine Sachen einzupacken. „Bitte, dann verschwinde ich eben! Meinetwegen verrotte hier! Damit hättest du dann auch noch deine letzte Gesellschaft rausgeekelt, aber wenn dir das so lieber ist...“ Etwas hilflos sah Poppy zu, wie Harry seine Tasche schloss und sagte nur beschwichtigend: „Mr Potter...“ „40 Punkte Abzug von Gryffindor wegen Beleidigung einer Lehrkraft, Potter“, knurrte Severus ungerührt. Harry lachte humorlos auf, warf sich seine Tasche über und noch während er zum Ausgang lief, zeigte er dem Slytherin den Mittelfinger. „Weitere 10 Punkte Abzug“, leierte Severus weiter. Leise murmelte Harry „Fick dich“ vor sich hin, während er schon die Tür öffnete und vergaß dabei völlig das gute Gehör des anderen. „Und wieder 10. Wir sind aber wieder fleißig heute, Potter.“ Ohne einen weiteren Kommentar, knallte Harry die Tür hinter sich zu. Kochend vor Wut lief er den Gang hinunter und wollte einfach nur so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Severus bringen. Dieser gottverdammte Bastard! Mit dem Kerl konnte man es einfach nicht lange in einem Raum aushalten, ohne durchzudrehen. Harry hatte sich bereits einen ganzen Tag seine beißenden Kommentare gefallen lassen und hatte nun endgültig genug. Wenn Severus wieder in der Lage war mit Gift um sich zu sprühen, konnte es ihm ja nicht mehr sonderlich schlecht gehen, also konnte der Gryffindor ruhigen Gewissens abhauen. Sollte dieser Idiot doch versauern, ohne jeglichen Besuch! Grummelnd stieg Harry die Stufen Richtung Eingangshalle hinab und hätte doch tatsächlich beinahe Hagrid übersehen, der ihm entgegenkam. „Immer langsam, Harry“, begrüßte dieser ihn und verhinderte gerade noch, dass der Schwarzhaarige in ihn hineinlief. „Was hast du's denn so eilig?“ Etwas weniger mürrisch antwortete dieser: „Ich bringe so viel Abstand zwischen mich und dem Krankenflügel wie möglich.“ „Oh“, sagte Hagrid nur, musterte den kleineren und sein Gesichtsausdruck wurde sofort besorgt. „Du weißt doch, dass Madam Pomfrey dir nur helfen möchte, Harry. Auch wenn es vielleicht nich' immer so prickelnd is', solltest du trotzdem auf sie hören.“ „Das ist doch gar nicht...“, begann Harry, besann sich aber dann eines besseren. „Ach, jaa ich weiß. Ich gebe mir Mühe.“ „Alles zu deinem Besten, Harry“, klopfte Hagrid ihm aufmunternd auf die Schulter, sodass Harry fast das Gleichgewicht verlor. „Wenn du ein bisschen Ablenkung brauchst, kannste auch ruhig ab und zu zur Hütte komm'n. Nur möglichst nich' abends, da hab' ich momentan viel zu tun.“ Seine demolierte Schulter kreisen lassend, sah Harry fragend auf. „Wieso, macht Grawp etwa Probleme?“ „Was? Nein nein...“, schüttelte Hagrid den Kopf, senkte ihn und wurde mit einem Mal sehr bedrückt. „Es is' nur... Aragog braucht momentan meine Pflege. Ihm geht's nich' so besonders.“ „Oh“, versuchte Harry mitleidig zu klingen, was gar nicht so einfach war. Aragog war nicht gerade positiv in seiner Erinnerung geblieben und wenn er zu viel Anteilnahme zeigte, käme Hagrid nur auf die blöde Idee, ihn um Hilfe zu bitten. Selbst wenn die Zentaurenherde ihn jagen würde, würde er sich nicht mehr in die Nähe dieses Spinnennestes wagen. „Naja, das... wird schon wieder.“ „Hoffentlich“, sah Hagrid auf und versuchte sich in einem tapferen Lächeln. „Aber es geschehen ja immer wieder Wunder, nich'? Wer weiß das besser als du? Immer positiv denken.“ Mit einem schiefen Lächeln nickte Harry. „Ja, das stimmt wohl.“ Vor sich hinnickend, musterte Hagrid ihn erneut mit leichter Sorge. „Und sonst geht’s dir gut, Harry?“ „Ja, alles bestens“, tat Harry locker und fasste kurzerhand einen Entschluss. „Ab Morgen werde ich wieder am gesamten Unterricht teilnehmen.“ „Ah, gut, gut“, war Hagrid beruhigt und begann wieder zu lächeln. „Dich haut so schnell nix um, was?“ „Sieht so aus“, nickte Harry und versuchte sich ebenfalls in einem Lächeln. „Na, dann bin ich beruhigt“, klopfte Hagrid Harry nochmals zum Abschied schmerzhaft auf die Schulter, bevor er weiterging. „Mach's gut, Harry.“ „Bis dann.“ Überlegend sah Harry ihm nach. Seine Wut auf Severus schien geradezu verpufft zu sein und er konnte wieder klar denken. Eigentlich war seine Idee gar nicht so schlecht, wieder zum Unterricht zu gehen. Auf jeden Fall würde es ihn ablenken. Und er würde Severus damit zeigen, wie gut er sich ebenfalls im Griff haben konnte.   Harry tastete sich voran, immer weiter. Glas, überall Glaswände. Er war in einem großen Kasten gefangen, der sich langsam mit Wasser füllte. Unruhig tastete Harry die Wände weiter ab, aber nirgends war ein Ausgang. Er schlug mit aller Kraft zu, doch das Glas gab nicht nach. Das Wasser stand ihm bisher nur bis zu den Knöcheln, und trotzdem wurde Harry langsam panisch. Er musste hier raus. Irgendwie. Plötzlich tauchte eine Gestalt vor dem Glaskasten auf und sah ihn ausdruckslos aus seinen schwarzen Augen an. Energisch klopfte Harry gegen das Glas und rief nach dem anderen, doch der sah ihn nur weiterhin an. „Hilf mir!“, rief Harry und schlug immer weiter auf das Glas ein. „Sev! Bitte! Verdammt, tu doch was!“ Er schrie immer wieder seinen Namen, begann zu toben und endlich zeigte Severus eine Reaktion. Er hob seinen Arm an und deutete über Harry, welcher seiner Geste mit dem Blick folgte. Über dem Gryffindor war ein schwarzer Bogen an der Wand, der an einen Torbogen erinnerte. Harry wusste sofort, was zu tun war. Suchend blickte er sich um und entdeckte bald die Kreide, die unter der Wasseroberfläche aufblitzte. Hektisch bückte er sich danach und hob sie aus dem Wasser, welches dem Gryffindor jetzt bis zu den Knien ging. Eilig begann Harry den Bogen zu beschriften, schrieb wild drauf los, doch seine Worte schienen nicht richtig zu sein, denn es tat sich nichts. „Verdammt!“, rief Harry aus, wischte die rote Kreide wieder fort und begann von vorne. Immer wieder schrieb er Worte an, nur um sie wieder wegwischen zu müssen. Seine Schrift begann zu verlaufen, wurde immer flüssiger, tropfte ins Wasser und färbte es ebenfalls rot. Die Farbe lief regelrecht aus der Kreide und Harry bemühte sich, so deutlich wie möglich zu schreiben. Ein Aufkeuchen veranlasste ihn, wieder zum Slytherin zu sehen. Severus war auf die Knie gesunken und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Seite. Über seine Hand lief Blut. Irritiert sah Harry zurück zum Bogen und riss aufgrund seiner Erkenntnis die Augen auf. Er schrieb mit Severus' Blut. Das rote Wasser stand ihm inzwischen bis zum Bauchnabel und hektisch sah Harry zwischen dem Bogen und Severus hin und her. „Halte durch“, murmelte Harry und schrieb weiter. Er versuchte so wenig Blut wie möglich zu gebrauchen, aber egal ob er leicht oder stark aufdrückte, das Blut lief nur so am Glas hinunter. Panisch versuchte Harry immer wieder die richtigen Worte zu schreiben, während Severus immer mehr Schmerzenslaute von sich gab. Verzweifelt biss Harry sich auf die Lippe, bat den Slytherin um Vergebung und versuchte sich zu konzentrieren. Er stand inzwischen bis zum Schlüsselbein im Blut, würde darin ertrinken, wenn er nicht bald hier herauskam. Er musste hier raus und zu Severus, um ihm zu helfen. Dieser lag schwer atmend am Boden, sein Atem wurde rasselnd und Harrys Nackenhaare stellten sich auf, als ihn bei diesem Geräusch die Panik packte. „Nein, nein, nein...“, murmelte Harry immer wieder fassungslos, schlug erneut auf das Glas ein, wollte unbedingt zum anderen. „Severus! SEVERUS!“ Der Slytherin hob schwach den Blick. Ihm lief das Blut aus dem Mundwinkel und um seinen Körper hatte sich bereits eine große Blutlache gebildet. Er war leichenblass und sah dem Gryffindor ein letztes Mal fest in die Augen. Sein Blick... Harry hatte diesen Ausdruck schon einmal in diesen schwarzen Augen gesehen. „NEIN!“, schrie Harry aus Leibeskräften, hämmerte gegen das Glas und verschmierte es immer weiter mit Blut. „Nicht schon wieder! Nein!! Bleib wach! Sieh mich an!!“ Tatsächlich sah Severus noch einmal auf, sagte Harry mit seinem Blick, dass alles in Ordnung war. Dass er nun bereit war zu sterben... für ihn. Dann wurden seine Augen leer und ausdruckslos. „NEIN!!“ Entsetzt schrie Harry immer wieder, hämmerte nun gegen die verglaste Decke, die immer dichter kam. Gleich war es aus, gleich war der Glaskasten vollgelaufen. Mit Severus' Blut. Und es war seine Schuld. Für seine eigene Freiheit hatte er Severus opfern müssen und drohte dennoch in dessen Blut zu ertrinken. Severus' Leiche lag da vor ihm, unerreichbar... „Harry, wach auf! Wach auf, verdammt!“ Mit einem weiteren Aufschrei entzog Harry sich dem Griff des anderen. Panisch rutschte er zurück und wäre beinahe aus dem Bett gefallen. Eilig setzte er sich auf, rutschte zum Kopfteil seines Bettes und starrte in die Gesichter seiner Mitschüler. Ganz langsam realisierte er, wo er sich befand. Er hatte nur geträumt. Ein Alptraum, weiter nichts. Zitternd strich Harry sich übers Gesicht und versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Er war schweißgebadet, sein Atem ging wie bei einem Marathon und er konnte einfach nicht aufhören zu zittern. „Hey, du hast nur geträumt. Keine Panik“, sagte Ron beschwichtigend und setzte sich auf die Bettkante, während Neville, Seamus und Dean unschlüssig hinter ihm standen. „Alles gut?“ „Ich...“, begann Harry außer Atem, lehnte seinen Kopf zurück und versuchte die Panik loszuwerden, die ihm noch immer in den Knochen saß. Es war nur ein Traum. Ein beschissener Traum. Alles einreden half nichts, Harry hatte das Gefühl zu ersticken, noch immer im Blut zu ertrinken, während Severus röchelte. „Ich brauche frische Luft“, murmelte Harry hektisch, griff sich nur seine Schuhe und flüchtete regelrecht aus dem Schlafsaal. Eilig stolperte er die Treppen hinunter und versuchte die Bilder loszuwerden, die ihm solche Übelkeit bescherten. Luft, er brauchte Luft, sonst würde er ersticken. Harry rannte durch die dunklen Gänge, ohne darauf zu achten leise zu sein. Alles woran er denken konnte, war unter den freien Himmel zu flüchten. Endlich hatte er das Tor erreicht und warf sich dagegen. Ein frischer Luftzug kam ihm entgegen und er atmete endlich durch. Als er die Wiesen erreichte, blieb der Gryffindor stehen und versuchte zu Atem zu kommen. Noch war es ziemlich dunkel, aber die ersten Vögel erwachten bereits. Vogelgezwitscher. Wunderschön und unglaublich beruhigend. Ganz langsam bekam Harry seine Panik in den Griff, die Bilder und Schreie verblassten langsam und machten dem Gesang der Vögel Platz. „Verdammt“, murmelte der Gryffindor und strich sich erschöpft übers Gesicht. Er war gerade ernsthaft aus dem Schlafsaal geflüchtet wie ein verschrecktes Reh. Dabei hatten seine Klassenkameraden gerade erst aufgehört, ihn ständig skeptisch zu mustern. Nach dieser Panikattacke ging mit Sicherheit alles wieder von vorne los. Sich über sich selbst ärgernd, strich Harry durch seine Haare und seufzte schwer auf. Wenigstens war er unterwegs keinem Lehrer begegnet, das hätte der Situation noch den Hut aufgesetzt. Mit nichts weiter als einem Pyjama panisch durchs Schloss rennend erwischt zu werden, damit wäre er endgültig als geistesgestört abgestempelt worden. Genau genommen gab er immer noch ein komisches Bild ab und jetzt, wo er sich beruhigt hatte, spürte Harry, wie kalt es doch eigentlich war. Als hätte man seine Gedanken gehört, legte sich auf einmal ein Mantel über Harrys Schultern und erschrocken zuckte er zusammen. „Keine Panik“, sagte Ron beschwichtigend und trat neben seinen Freund, der verdutzt dreinsah. „Dachtest du etwa, ich lege mich einfach wieder schlafen, wenn du so aus dem Gryffindorturm rennst? Ein Wunder, dass du Schuhe angezogen hast.“ Noch immer vollkommen erstaunt sah Harry zum Rotschopf, der seinen eigenen Mantel weiter zuknöpfte. Endlich überwand er sich und murmelte leise: „Danke.“ „Kein Ding“, winkte Ron ab und musterte Harry. „Wieder gefangen?“ „Ich denke schon“, nickte Harry zögerlich und zog seinen Mantel enger um sich. „Du musst das positiv sehen“, argumentierte Ron möglichst gelassen. „Dass du geträumt hast, sagt doch, dass du diese Nacht ohne Schlaftrank schlafen konntest, richtig?“ „Ja, schon. Angenehm war es trotzdem nicht.“ „Aber du hattest ein paar Stunden Schlaf“, zuckte Ron die Achseln. „War der Traum wirklich so schlimm?“ Harry schnaufte witzlos auf. „Du hast mich doch gesehen. Da musst du noch fragen?“ „Hm“, musterte Ron ihn überlegend. „Vielleicht solltest du einfach ein wenig Traumlostrank nehmen und dich ausschlafen. Ich werde dafür sorgen, dass die anderen beim Aufstehen keinen Krach machen.“ „Nein, ich wollte heute zum Unterricht gehen“, schüttelte Harry den Kopf und atmete durch. „Am besten bleibe ich einfach wach. Wie du schon sagtest, ich habe ja ein wenig geschlafen.“ „Okay, wenn du meinst“, antwortete Ron skeptisch, machte aber keinen weiteren Versuch, seinen Freund umzustimmen.   „So, das wär's für heute. Denken Sie an den Aufsatz zur Bekämpfung von Sirenen zu nächster Woche.“ Im Verteidigungsraum ging das Gewusel los, als die Schüler ihre Taschen packten und schwatzend den Raum verließen. Als Harry seine Sachen ebenfalls eingepackt hatte, sah er zu Syndia auf, die ihm andeutete noch kurz zu warten. Der Gryffindor schickte Ron und Hermine vor und ging langsam aufs Pult zu, an dem Syndia lehnte. Als alle Schüler den Raum verlassen hatten, ergriff die Hexe das Wort. „Es ist schön dich wieder im Unterricht zu sehen, Harry. Geht es dir soweit gut?“ „Ja, alles bestens“, nickte der Gryffindor. „Kamst du beim Thema mit?“ „Ja, ich hatte mir Hermines Unterlagen schon durchgelesen. Ich müsste eigentlich auf dem aktuellen Stand sein.“ „Gut“, nickte Syndia ebenfalls und wirkte auf einmal ein wenig abwesend. Bei dem Blick fiel Harry wieder ein, wie das Gespräch zwischen ihr und Severus im Krankenflügel ausgegangen war. „Ähm... haben Sie mal wieder...“ „Du kannst ruhig Du sagen, Harry“, unterbrach Syndia ihn freundlich. „Schließlich habe ich mir das ebenfalls herausgenommen.“ „Ähm, okay“, zögerte Harry. „Hast... du... nochmal mit Severus gesprochen?“ Es fühlte sich falsch an Syndia zu duzen, aber vielleicht gewöhnte Harry sich noch daran. Seufzend verschränkte Syndia die Arme. „Naja, ich habe ihn ein paar Tage nicht mehr gesehen, weißt du. Unser letztes Gespräch war nicht gerade berauschend.“ „Ich weiß“, antwortete Harry sofort und wurde sogleich etwas verlegen. „Ich hab... es mitbekommen.“ Ein schiefes Lächeln schlich sich auf das Gesicht der Hexe. „Soso. Die altbekannte Neugierde, was?“ Verlegen strich Harry sich über die Haare, riss sich dann aber zusammen. Er hatte das Thema nicht ohne Grund angesprochen. „Jedenfalls... geht es mir nicht mehr aus dem Kopf, wie Severus reagiert hat.“ „Du brauchst dich nun wirklich nicht für ihn entschuldigen, Harry“, warf Syndia sanft ein. „Ich weiß sehr wohl, was er für ein Stinkstiefel ist und wie stur er sich anstellt. In solchen Fällen lässt man ihn am besten versauern, bis er kapiert, dass Gesellschaft durchaus was positives haben kann.“ „Es ging ihm gar nicht mal um Gesellschaft“, versuchte Harry zu erklären und Syndia zog eine Augenbraue hoch. „Dieses... Trauma... ich glaube, er fühlt sich da von dir ein wenig in die Ecke gedrängt und... es wäre vielleicht wirklich besser, ihm da ein bisschen mehr Raum zu geben. Wenn er reden will, dann wird er das auch tun, aber ihn zu zwingen... das würde ihm nur schaden.“ Skeptisch dreinblickend, betrachtete Syndia ihn einen Augenblick. „Harry...“ „Reden kann helfen, ja“, warf Harry sofort wieder ein, „aber nicht auf diese Weise. Es gibt Dinge... die wir erlebt haben, die man einfach nicht in Worte fassen kann und für die man bereit sein muss, sich ihnen zu stellen.“ „Wenn er damit Probleme hat, dann könnte es helfen bei einem Therapeuten...“ „Nein, eben nicht“, unterbrach Harry sie erneut. „Severus ist nicht dieser Typ von Mensch. Er wird dieses Erlebnis nicht los, wenn man sich konkret hinsetzt und verlangt, dass er loslegt!“ Harry spürte, wie er begann, selber unruhig zu werden und zwang sich, die Stimme zu senken. „Man... kann nicht einfach aussprechen, was einen beschäftigt und dann sagen 'So, jetzt habe ich es hinter mir'. Das funktioniert nicht. Ich habe mit Ron und Hermine geredet, ja, und es tut gut, dass meine Freunde mich jetzt besser verstehen und mir dadurch auch viel besser helfen können, aber das ändert nichts an den... Ängsten. Man kann beschreiben, was passiert ist, aber man kann nicht vermitteln, was man dabei empfunden hat. Man muss sowas selbst erleben, um es verstehen zu können. Es gibt einfach Dinge, die kann man nicht beschreiben und erst recht nicht loswerden. Und man sollte nicht versuchen, diese Dinge gezwungenermaßen in Worte zu fassen, da sie einen dann nur überwältigen.“ Unauffällig strich Harry sich seine schweißnassen Hände an der Hose ab. Das alles auszusprechen war seltsamerweise schwerer als gedacht. Aber er müsste jetzt alles wichtige gesagt haben und hatte es somit hinter sich gebracht. Es war ihm einfach wichtig, dass Syndia es verstand. Syndia hatte ihm stumm zugehört und musterte ihn nun nachdenklich. Schließlich fragte sie leise: „Ich soll also dabei zusehen, wie Severus sich von Tag zu Tag schleppt? Bis er wieder zusammenbricht?“ „Nein, sei einfach für ihn da. Bedränge ihn nicht, aber sei da, wenn er dich braucht.“ Überlegend biss Syndia sich auf die Unterlippe. „Ich weiß, ich bin der letzte, der das Recht hat, das zu verlangen“, ergänzte Harry. „Schließlich bin ich auch zu wenig für ihn da gewesen, aber diese Lektion habe ich jetzt gelernt.“ „Wie kannst du das behaupten, nachdem du tagelang bei ihm gewacht hast?“, warf Syndia sanft ein, was Harry verwundert die Stirn runzeln ließ. Mit einem leichten Lächeln wechselte Syndia ihre Position. „Du tust viel mehr für ihn, als man verlangen könnte, Harry. Suche die Schuld ja nicht bei dir.“ Der Gryffindor blieb skeptisch. Severus war oft genug auf dem Astronomieturm gewesen, ohne dass Harry zu ihm gekommen war. Wäre er hingegangen, wäre der Slytherin vielleicht nie im Krankenflügel gelandet. Anscheinend war Harry erneut ein offenes Buch für Syndia, denn sie sagte: „Du musst auch irgendwann mal an dich denken. Nicht nur er macht eine schwere Zeit durch. Niemand kann von dir verlangen, dass du die Last von euch beiden trägst. Erst recht nicht bei der schwierigen Lage, in der ihr euch befindet.“ Harry stockte kurz, ehe er trocken schluckte. „W-Was meinst du?“, versuchte er seine Nervosität zu überspielen, doch ganz gelang es ihm nicht. „Harry, du kennst doch meine Fähigkeiten“, flüsterte Syndia schon fast und setzte ein warmes Lächeln auf. „Ihr könnt mir nichts vormachen. Diese Anziehungskraft zwischen euch habe ich bereits am Anfang des Schuljahres bemerkt.“ „Am Anfang des...“, keuchte Harry überrascht auf. „Aber... wir waren doch... d-das hat sich doch erst... ich meine, in Necrandolas...“ „Necrandolas hat euch nur dazu gezwungen, eure Streitigkeiten beiseite zu legen, die euch bis dahin immer im Weg standen“, erklärte Syndia ruhig. „Ihr habt schon immer zueinander gepasst, glaub mir.“ Nun war Harry wirklich platt. Was redete sie denn da? Er und Severus sollten zueinander passen? Vor Necrandolas hatten sie sich doch nur Hass entgegengebracht und am laufenden Band gezofft. Ganz zu schweigen davon, dass Severus in ihm nur seinen Vater gesehen hatte. Erst in Necrandolas hatten sie andere Seiten am anderen kennengelernt. Harrys Gedanken wurden unterbrochen, als es zur nächsten Stunde klingelte und erschrocken sah er zur Uhr. Syndia ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Völlig gelassen stieß sie sich vom Pult ab und ging zurück zu ihrem Platz. „Denk mal darüber nach, Harry“ schmunzelte sie. „Falls du Beweise dafür haben willst: Nach eurer kleinen Schneeballschlacht, hatte ich schon fast damit gerechnet, dass ihr euch gleich küsst.“ WAS?! Unwillkürlich klappte dem Gryffindor der Mund auf, ohne dass ihm ein Ton über die Lippen kommen wollte. Syndia amüsierte sich köstlich über diesen Anblick. „Ach komm, ihr wart doch so vertieft, dass ihr nichts mehr um euch herum mitbekommen habt. Nicht gemerkt, dass eure Gesichter sich angenähert hatten?“, zwinkerte die Hexe Harry verschmitzt zu. Kapitel 59: Harte Worte ----------------------- Grummelnd sah Harry nach vorne zum Pult, statt, wie angeordnet, den Text im Buch zusammenzufassen. Im ganzen Raum waren nur kratzende Federn zu hören und alle arbeiteten so hochkonzentriert, dass niemandem die bösen Blicke des Gryffindors auffielen. Opfer dieser Blicke war natürlich nur eine Person: Severus. Seit vier Tagen unterrichtete er wieder und bewies mal wieder, wie erwachsen er doch war... indem er noch immer beleidigt wegen ihrem Streit im Krankenflügel war. Gut, Harry war ihm auch noch nicht wieder ganz wohlgesonnen, aber er war wenigstens nicht so kindisch, den anderen komplett zu ignorieren. Severus zog ihm ja nicht einmal mehr Punkte ab, was argwöhnisch von Harrys Klassenkameraden beobachtet wurde. Ihnen war natürlich aufgefallen, dass Harry seit Necrandolas kein Nachsitzen mehr bei Snape bekam, aber dass er nun auch keine Punkte mehr verlor, schoss den Vogel ab und sorgte für immer mehr Gemurmel. Harry versuchte das so gut wie möglich zu ignorieren, doch irgendwann war seine Geduld am Ende. Besonders die Slytherins regten ihn auf, da ausgerechnet die so dreist waren zu behaupten, Snape würde ihn bevorzugen. Und was tat Severus dagegen? Nichts. Er schien es nichtmal zu bemerken, wenn Harry von Malfoy als 'Snapes ganz persönlicher Liebling' betitelt wurde, und das nur, weil er mal wieder beleidigte Leberwurst spielen musste. Soviel also zur Unauffälligkeit, die Severus doch ach so wichtig gewesen war! Zugegeben, es war auch nicht sonderlich erwachsen von Harry, dass er inzwischen absichtlich Dinge falsch machte, um endlich Nachsitzen zu provozieren, aber selbst das funktionierte nicht. Damit war für Harry die Sache klar: Severus wollte ihm einfach partout kein Nachsitzen geben. Und warum ihn das wütend machte? Wenn Harry ehrlich war, wusste er es selbst nicht so genau. Alles was er wusste war, dass diese Ignoranz schmerzte und seine Wut eine reine Verteidigungsstrategie war. „Potter, sind Sie etwa schon fertig?“, schnarrte die kalte Stimme und Harry spannte den Kiefer an. „Nein, Sir.“ „Und warum starren Sie dann Löcher in die Luft?“, knurrte Severus mit eisigem Blick. „Kreative Denkpause“, antwortete Harry ungerührt. „Wenn es danach ginge, würden Sie den gesamten Tag in der Gegend herumstarren“, entgegnete Severus ebenso glatt. „Einen einfachen Text zusammenzufassen sollte allerdings nicht einmal Sie überfordern, Potter. Viel Kreativität ist bei so etwas nicht gefragt.“ „Wenn ich weiterhin mein Mies halten will, schon. Schließlich muss ich Ihnen dafür irgendwelchen Blödsinn vorlegen können.“ Skeptisch warf Hermine ihrem Freund einen Blick zu. Harry wusste genau, dass sie sich fragte, was diese blöden Antworten sollten, aber dem Gryffindor war einfach gerade danach. Irgendwie musste er seinem Frust ja Luft machen. „Was halten Sie davon, wenn ich Ihren Text bereits jetzt einsammle und ein Troll darunter setze?“, zog der Tränkemeister eine Augenbraue hoch. Gespielt überlegend sah Harry zum anderen und erkannte mit leichter Genugtuung, dass Severus innerlich kochte. Gut, Harrys Spiel hier war nicht unbedingt klug, immerhin untergrub er Severus' Autorität, aber irgendwie musste er es dem anderen ja heimzahlen. Die Geduld des Tränkeprofessors riss endgültig und mit einem kurzen Schwenk seines Zauberstabs, flog Harrys Pergament zum Pult herüber. Ohne den Text auch nur eines Blickes zu würdigen, setzte Severus ein großes T darunter und legte ihn dann beiseite. Als es zur Pause klingelte, war Harry der erste, der aufsprang. Er rechnete fest damit nochmal aufgehalten zu werden, aber zu seinem Ärger passierte nichts. Was musste er denn noch tun, bis Severus reagierte? „Harry, was ist denn nur los mit dir?“, zischte Hermine ihm zu, als sie ihn eingeholt hatte. „Es ist schon schlimm genug, dass Snape so komisch reagiert, dann musst du das nicht noch weiter steigern.“ „Er soll mich endlich wieder normal behandeln!“, wütete Harry los. „Seine beißenden Kommentare und Punkteabzüge sind tausend mal besser als das hier.“ „Aber offensichtlich geht er ja nicht auf dein Spiel ein. Lass den Blödsinn endlich bleiben.“ Knurrend murmelte Harry: „Wir werden schon sehen, ob er drauf eingeht.“   Für die nächste Zaubertrankstunde wollte Harry noch einen draufsetzen. Sie brauten einen recht einfachen Trank, was es ihm noch viel einfacher machte seinen Plan in die Tat umzusetzen, denn nun konnte er seine Fehler genau einplanen. Da er wusste, wie wichtig Severus Trankzutaten waren, ging er mit ihnen so grob wie möglich um. Statt Würfel zu schneiden, hackte er wild drauf los. Statt den Saft auszupressen, löffelte er ihn regelrecht heraus. Als er seine Zutaten schließlich mit so viel Schwung in den Trank warf, dass es nur so spritzte, kam endlich eine Reaktion. „Verdammt, Potter, was soll das werden?!“ „Mein Trank, Sir“, antwortete Harry unschuldig tuend und malträtierte als nächstes die Froschschenkel. „Stellen Sie sich nicht dümmer als Sie sind! Und hören Sei endlich auf dieses Tier erneut ermorden zu wollen!“, kam Severus angezischt und riss dem Gryffindor das Messer aus der Hand. „20 Punkte Abzug von Gryffindor. Sie werden diese Brühe hier entsorgen und von vorne anfangen, verstanden? Und wehe Sie machen auch nur den kleinsten Fehler.“ „Sonst was?“, zischte Harry dem Slytherin leise zu und erdolchte ihn geradezu mit seinem Blick. Hermine hielt die Luft an und stockte in ihrer Arbeit. Den Blickkontakt nicht brechend, stützte Severus sich langsam auf dem Tisch ab und kam gefährlich näher. „Sonst ziehe ich Ihnen so viele Hauspunkte ab, dass man die Rubine am Ende des Schuljahres per Hand abzählen kann“, murrte er mit eisig schneidender Stimme, während sein Blick stahlhart wurde. „Sehr originell“, trieb Harry das Spiel weiter. „Es gab Zeiten, da waren Sie mal kreativer, was die Strafen anging.“ „Sie können auch gerne einen Aufsatz schreiben. Zusätzlich versteht sich.“ Ein humorloses Schmunzeln huschte auf Harrys Gesicht, während er weiterhin den kalten Blick erwiderte. Ein Aufsatz, natürlich. Wieder eine Strafe, bei der er Harry von sich fernhalten konnte. „Ich glaube, Sie werden langsam alt, Professor. Kein Durchhaltevermögen mehr, um Nachsitzen zu verteilen?“ Hermine versetzte Harry geschickt versteckt einen Tritt unterm Tisch, doch Harry biss die Zähne zusammen und versuchte sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Ihm war bewusst, dass seine Mitschüler sie völlig verständnislos anstarrten und sich auf diese Situation überhaupt keinen Reim machen konnten. Harry konnte die Gerüchteküche praktisch schon brodeln hören, aber das schien die einzige Möglichkeit zu sein, Severus endlich zu seinem alten Ich zurückzuzwingen. „30 Punkte Abzug von Gryffindor!“, donnerte Severus los. „Jetzt sehen Sie zu, dass Sie mit Ihrem Trank anfangen.“ Severus hatte sich gerade weggedreht, als Harry nochmal nachsetzte. Er musste ihn einfach zum explodieren bringen. „Machen Sie es sich doch noch einfacher und bewerten Sie einfach diesen Trank hier. Noch bequemer können Sie es sich nicht mehr machen.“ Sofort schnellte Severus wieder zurück. „Es reicht, Potter!“, rief er ihm wutschnaubend entgegen. „Auf ein Wort!“ Er deutete auf die Tür und ohne zu zögern erhob Harry sich. Kaum hatte er den Klassenraum verlassen, folgte Severus ihm und knallte die Tür hinter ihnen zu. Grob packte er den Gryffindor am Arm und zerrte ihn noch einige Schritte von der Tür weg. „Was soll der Scheiß, Potter?!“ „Das sollte ich eher dich fragen!“, donnerte Harry zurück. „Du ignorierst mich inzwischen so sehr, dass die anderen misstrauisch werden. Was verstehst du bitte unter unauffälligem Verhalten?“ „Das ist auf jeden Fall unauffälliger als das, was du momentan abziehst!“, deutete Severus wütend Richtung Klassenzimmer. „Ich wollte dich damit aus der Reserve locken. Damit du mich endlich wieder normal behandelst und nicht bockiges Kleinkind spielst. Es fällt jedem auf, dass du mir seit Necrandolas kein Nachsitzen mehr gibst.“ „Schonmal auf den Gedanken gekommen, dass ich das absichtlich mache?!“ „Jaa, das machst du, um beleidigte Leberwurst zu spielen!“ „Falsch! Ich mache das, weil ich dich einfach nicht mehr ertragen kann!“ Eine kurze Stille entstand und Harry schluckte. Es war nicht das erste Mal, dass Severus ihm das entgegengeschleudert hatte und es war auch nicht das erste Mal, dass es schmerzte. Wesentlich leiser antwortete Harry bissig: „Ja, ich weiß schon. Ich bin nervig, unausstehlich und meine bloße Existenz ist ein Verbrechen.“ „Endlich hast du es erfasst!“, brachte Severus aufgebracht heraus. Wütend rief Harry zurück: „Wenn es ein Verbrechen ist, dass ich existiere, dann schiebst du damit doch eher meinen Eltern...“ „Deine Eltern waren die ersten, die unter dir zu leiden hatten!!“, rief Severus wutentbrannt aus. Harry blieben die Worte im Halse stecken und er hatte das Gefühl gegen eine Wand zu laufen. Völlig sprachlos starrte er den anderen an, der sich davon nicht in seiner Wut beirren ließ. „Wenn du dran zweifelst, dass du nur Unglück bringst, dann kannst du ja als erstes deine Eltern und diese Flohschleuder von Black fragen!“ Unwillkürlich keuchte Harry auf. Das hatte gesessen. Er atmete möglichst unauffällig ein, um sich zu fangen und sah ratlos in die Augen des anderen, die noch immer so viel Wut versprühten. Es hatte damals also nichts mit der speziellen Situation zu tun gehabt, was Severus da von sich gegeben hatte. Nein, es war seine ehrliche Meinung. Harrys Brust schmerzte, als würde sich Stacheldraht immer weiter zuziehen. Das einzige, was Harry da nun gegen tun konnte, war Gegenangriff. Severus ebenfalls wehtun. Aber wie? Was konnte er sagen, um Severus zu verletzen? Gespielt ratlos zuckte Harry mit den Achseln. „Also schön, ich gebe auf. Eigentlich hatte ich gehofft, mich noch ein wenig mit dir vergnügen zu können, aber langsam ist meine Geduld am Ende.“ Der Blick des Tränkemeisters wechselte zu Verwirrung und Harry fühlte sich immer sicherer. So setzte er mit einem falschen Lächeln hinterher: „Ich bin wohl doch zu sehr daran gewöhnt alles zu bekommen, was ich haben will. Ich hatte gehofft, dich wenigstens noch einmal irgendwie rumzukriegen. In Necrandolas war es schon sehr prickelnd, aber in der Schule ist das nochmal eine ganz andere Art von Gefahr. Aber meine Geduld ist nunmal nicht die größte, wie du weißt. Dann lassen wir die Spielchen eben.“ Erneut zuckte Harry mit den Achseln und setzte sein gesamtes Schauspieltalent ein, um möglichst arrogant zu wirken. „Dann suche ich mir eben ein neues Spielzeug. Es gibt hier ja genügend Schüler, die sich leicht von mir um den Finger wickeln lassen. Vielleicht macht es mit denen ja mehr Spaß.“ Ein seltsamer Schatten schlich über Severus' Augen, welche dieser verengte und den Gryffindor feindselig musterte. „Wenn du unbedingt zur Hure von Hogwarts werden willst, dann tu dir keinen Zwang an“, zischte Severus dunkel. „Solange das nicht meinen Unterricht stört, ist es mir völlig egal. Wäre schließlich nicht der einzige Punkt, in dem du abnormal wärst. Und jetzt sieh zu, dass du wieder reingehst. Ich will einen tadellosen Trank sehen.“ Damit drehte Severus sich um und ging Richtung Tür, während Harry sich auf die Lippe biss. Verdammt, warum musste Severus sich auch immer so im Griff haben? Musste er ihn ernsthaft noch weiter provozieren? Also gut. „Ich? Abnormal? Das sagt mir ausgerechnet jemand, der offensichtlich auf Typen einer anderen Altersklasse steht? War das schon immer so bei dir? Mit wem bist du denn dann ins Bett gehüpft, als du selber noch jung warst? Hast du dir dann ältere gesucht?“ Die Reaktion kam so überraschend schnell, dass Harry nicht reagieren konnte. Blitzschnell hatte Severus sich wieder umgedreht, Harry gepackt und drückte ihn grob an die Wand. Vollkommen überrascht keuchte Harry auf und griff nach der Hand, die sich drohend um seine Kehle schloss. In den Augen des Slytherins stand eiskalte, ungebändigte Wut. „HALT ENDLICH DEIN VERDAMMTES MAUL, POTTER!!“, schrie Severus dem anderen entgegen. „Vögel dich meinetwegen einmal durch die gesamte Schülerschaft, aber lass mich endlich in Ruhe!! Du hörst mir jetzt genau zu!“ Severus Stimme wurde drohend leiser und duldete keinerlei Widerspruch, als er schneidend weitersprach: „Du wirst dich so gut von mir fernhalten, wie es nur möglich ist. Du wirst in meinem Unterricht nicht einen winzigen Mucks von dir geben, keine Tränke versauen und beim Klingeln der erste sein, der mir aus den Augen geht! Außerhalb des Unterrichts will ich nicht einmal den Zipfel deines Mantels sehen, verstanden? Wenn dir deine ach so beliebte Visage lieb ist, wirst du dich nicht mehr bei mir blicken lassen!“ Noch nie hatte Harry in einer Stimme so viel Drohung und Hass gehört. Der kräftige Griff um seinen Hals tat sein übriges. Harry erstarrte zur Salzsäule und ein kalter Schauer kroch ihm über den Rücken. Severus machte ihm tatsächlich Angst. Der Slytherin verzog sein Gesicht. „Du widerst mich an.“ Damit stieß er Harry unsanft Richtung Tür. „Pack deine Sachen und geh für heute. Ich kann dich nicht mehr ertragen.“ Schluckend setzte Harry sich in Bewegung und gab keinen Ton von sich. Severus' Worte schnitten wie ein heißes Messer in sein Fleisch, während Angst seine Flucht beschleunigte. Eilig betrat er das Klassenzimmer, wo er neugierig gemustert wurde. Stumm ging er zu seinem Platz, ignorierte die besorgten Blicke seiner Freunde und packte seine Sachen zusammen. Severus würdigte ihn keines weiteren Blickes, sondern ging zu seinem Pult zurück. Als Harry seine Tasche schulterte, sahen die Schüler irritiert zu Snape, doch dieser sah nicht einmal auf. „Sollten Sie nicht an Ihren Tränken arbeiten?“, schnarrte er kalt und sofort gingen die Köpfe wieder hinunter. „Harry?“, flüsterte Hermine kaum hörbar, doch sie wurde ignoriert. Ohne sich umzusehen, stapfte Harry zur Tür und verließ den Klassenraum.   Endlich war die letzte Unterrichtsstunde vorbei. Syndia hatte heute sogar früher Schluss gemacht und machte sich, wie immer, auf den Weg in die Kerker, um Severus bei seinem Klassenraum abzuholen. Als sie fast da war, klingelte es gerade und die Schüler strömten aus dem Tränkeraum. Irritiert wurden ihre Schritte langsamer, als sie sah, dass Weasley und Granger ohne Harry unterwegs waren und zwischen ihnen eine bedrückende Stimmung herrschte. Mit einem unguten Gefühl kam sie an der Tür an, als Severus den Raum ebenfalls verließ und die Tür schloss. Bei der Stimmung ihres Bruders, blieb sie stehen und erwiderte angespannt den Blick des Slytherins. Sie konnte Severus' Gedanken nicht lesen aufgrund seiner guten Okklumentikkünste, doch seine Ausstrahlung reichte aus, um zu wissen, dass etwas ganz gewaltig nicht stimmte. „Du wirst heute alleine Tee trinken müssen, Syndia“, murrte Severus nur und sah für sich das Gespräch damit als beendet an. Syndia schluckte und beobachtete ihren Bruder ernst. „Was hat Harry dir angetan?“, fragte sie gerade heraus. Es war nicht schwer zu erraten. Eine solche Stimmung konnte nur Harry verursacht haben. „Das geht dich einen feuchten Dreck an“, knurrte der Slytherin nur und ging den Flur hinunter. Kurz sah Syndia ihm irritiert nach, bevor auch sie sich in Bewegung setzte und ihm folgte. „Sev, was ist los?“ „Sagmal bist du taub?“, zischte Severus nur über die Schulter. „Lass mich in Ruhe!“ Syndias einzige Reaktion war, dass ihre Augenbraue nach oben wanderte. Stumm lief sie hinter ihrem Bruder, bis sie sein Büro erreichten. Ohne zu zögern folgte sie ihm und schloss die Tür hinter sich. „Worüber habt ihr euch gestritten?“, fragte sie sachlich nach. Wutschnaubend drehte der Tränkemeister sich zu ihr um. „Verdammt, Syndia! Wie kann man nur so nervig sein?!“ „Ich mache mir Sorgen, das ist alles.“ „Dann mache das in deinem eigenen Büro!“ Eine kurze Stille entstand, in der Syndia ihren Bruder nur musterte. So sehr er auch versuchte sie mit seinem Blick zu erdolchen, erkannte sie sehr wohl den Schmerz dahinter. Und ebenso sah sie, dass die Mauer aus Wut kurz davor war zusammenzustürzen. „Sev“, flüsterte sie sanft und trat langsam auf ihn zu. Doch bevor sie ihn berühren konnte, drehte Severus sich abwehrend von ihr weg. „Ich brauche dein Mitleid nicht“, murmelte er mit schon wesentlich weniger Kraft in der Stimme. Geduldig wartete Syndia darauf, dass Severus sich endgültig beruhigte, der zu einem Schrank ging, um sich daraus ein Glas mit Feuerwhiskey zu holen. Er nahm sogleich einen kräftigen Schluck und atmete durch, um seine verkrampfte Haltung loszuwerden. Alkohol um die Uhrzeit? Harry musste Severus wirklich schwer getroffen haben. Erneut setzte Syndia sich in Bewegung und trat langsam hinter ihren Bruder. Sanft strich sie ihm über den Rücken, bevor sie ihr Kinn an seiner Schulter ablegte. Behutsam flüsterte sie: „Was hat Harry getan, dass er dich so aus der Bahn wirft?“ Aufseufzend grummelte Severus: „Nichts. Er ist einfach nur ein arrogantes Arschloch.“ „Und kannst du das auch genauer definieren?“ Severus löste sich von ihr und setzte sich an seinen Schreibtisch. „Seine Pubertät scheint den Höhepunkt erreicht zu haben, das ist alles. Anders kann ich mir nicht erklären, was dieser ganze Schwachsinn soll.“ „Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“, seufzte Syndia auf und verschränkte die Arme. Nach einem kurzen Blick zu seiner Schwester, setzte Severus fort: „Er ist frech, aufmüpfig, arrogant, tobt sich offenbar bei beiderlei Geschlechtern aus und beschimpft Autoritätspersonen als perverse, alte Säcke. Klingt mir stark nach Pubertät, meinst du nicht auch?“ Skeptisch wanderte erneut die Augenbraue der Hexe nach oben. „Das hat er nicht wirklich zu dir gesagt, oder?“ „Er hat es anders umschrieben aber doch, so hat er es gemeint“, knurrte Severus und nahm erneut einen Schluck aus seinem Glas. Mitleidig seufzte Syndia auf. „Sev, du weißt hoffentlich, dass er das niemals wirklich so meinen...“ „Doch, er hat es so gemeint, Syndia“, unterbrach Severus sie knurrend. „Hör endlich auf ihn dauernd in Schutz zu nehmen!“ „Meinst du nicht, dass nach allem, was in Necrandolas passiert ist, und ja, ich weiß ganz genau was da lief, du genug Beweise dafür haben müsstest, dass Harry ganz anders von dir denkt?“ „Necrandolas ist eine ganz andere Geschichte“, wehrte der Slytherin sofort ab. „Das ist Vergangenheit, verstanden? Inzwischen sieht Potter sich in der Schülerschaft um.“ Skeptisch zog Syndia eine Augenbraue hoch. „Man sieht Harry nie mit irgendjemandem anbandeln und so wie ich ihn einschätze, ist er auch nicht der Typ dafür, sich mal eben zu verlieben.“ „Von verlieben war auch nie die Rede und du bist auch nicht Allwissend.“ „Dann kläre mich doch auf, statt hier nur blöde Sprüche zu bringen.“ „Also schön“, riss Severus der Geduldsfaden und drehte sich mit dem Stuhl so um, dass er Syndia wieder direkt ansehen konnte. „Potter hat mir soeben offenbart, wie langweilig ihm doch sei und dass er diese Langeweile nun mit abwechslungsreicher 'Gesellschaft' vertreiben will.“ Skeptisch sah Syndia zurück und erkannte, wie wieder die Wut in Severus hinaufkroch. „Er sagte, er würde sich jetzt nach neuem 'Spielzeug' umsehen, wo er doch so heiß begehrt ist in Hogwarts“, spie Severus mit tiefer Verachtung in der Stimme aus. Syndia wusste nicht so ganz, was sie von dieser Info halten sollte. Diese Aussage passte überhaupt nicht zu Harry, besonders der Begriff des 'Spielzeugs' nicht. Anscheinend fehlten ihr noch weitere Details, um das ganze zu verstehen, denn das Wort 'neu' war ihr keineswegs entgangen. Warum sollte Harry so etwas zu Severus sagen? „Er wollte dich doch nicht etwa eifersüchtig machen, oder?“ „Und schon wieder eine Ausrede!“, war Severus sofort wieder in Fahrt und sprang aufgebracht auf. „Hör endlich auf dir irgendwelchen Schwachsinn zusammenzureimen!“ „Ich setze nur die Dinge zusammen, die du mir erzählst“, erwiderte Syndia keineswegs eingeschüchtert. „Nein, du drehst dir alles so lange zurecht, bis es in dein Bild passt! Potter hat gesagt, er will sich durch die Schülerschaft vögeln. Wie kannst du da bitteschön auf so etwas dämliches wie Eifersucht kommen?!“ „Ganz einfach!“, rief Syndia nun auch aufgebracht zurück. „Weil Harry sich in dich verliebt hat und einfach nur herausfinden wollte, wie du reagierst.“ Severus lachte humorlos auf. „Komm wieder auf den Boden der Tatsachen, Syndia.“ „Nein, du musst nur endlich aufhören alles zu leugnen. Allein durch die kritische Situation kannst du nicht begründen, was da in Necrandolas zwischen euch gelaufen ist. Aber du hast ja nichts besseres zu tun, als Harry von dir zu stoßen und ihn damit vollkommen im Ungewissen zu lassen.“ „Für Potter war das ganze nur ein Spiel!“, schrie Severus wutschnaubend. „Er hat es mir doch selbst gerade gesagt! Ihm wird das ganze langsam zu langweilig und er sucht sich jetzt Frischfleisch!“ Nun war es an Syndia humorlos zu lachen. „Und das hast du ihm ernsthaft abgekauft? Nur mal angenommen, er hätte wirklich vor, sich 'neu umzusehen', dann bist ganz allein du selbst daran Schuld! Du weist ihn ständig ab, wirfst mit fiesen Kommentaren um dich und merkst nicht einmal, dass du ihm damit wehtust! Mach nur weiter so, dann verlierst du ihn wirklich irgendwann an jemand anderen!“ „Völliger Schwachsinn, du hast doch gar nicht mit angehört, was und wie er es gesagt hat! Hör auf immer nur das Gute in ihm zu sehen!! Er ist ein verdammtes Arschloch, das andere nur zu seinem Vorteil ausnutzt! Er ist arrogant, dickköpfig, neunmalklug, neugierig, dreist...“ „Und trotzdem liebst du ihn“, warf Syndia wieder ruhig ein. Mit dieser Bemerkung brachte sie Severus vollkommen aus seiner Schimpftirade. Verdattert starrte er sie an, bevor er sich wieder fing und auf Abwehr umschaltete. „Wieder legst du dir irgendwelchen Bullshit zurecht. Potter ist mir vollkommen egal!“ Siegessicher verschränkte Syndia die Arme. „Wenn es so wäre, würdest du dich nicht darüber aufregen, dass Harry sich an jemand anderen heranschmeißen will.“ „Falsch!“, warf Severus sofort ein. „Er soll meinetwegen machen was er will. Was mich aufregt ist, dass er behauptet...“ „...dich benutzt zu haben“, ergänzte Syndia sanft und trat langsam auf ihren Bruder zu. „Es verletzt dich, wenn er sagt, du seist nur ein Spielzeug gewesen.“ Sofort verstummte Severus und starrte seine Schwester nur an. Bei ihrem Bruder angekommen, strich Syndia ihm sanft eine Strähne hinters Ohr. Seine Augen waren voller widersprüchlicher Emotionen, die um die Vorherrschaft kämpften. Ihm lagen bereits die nächsten Einwände auf der Zunge, doch er brachte sie einfach nicht heraus. Leise sprach die Hexe weiter: „Meinst du nicht, dass das ebenso ein Zeichen dafür ist, dass Harry dir eben nicht egal ist?“ Ein kurzes Aufblitzen in den schwarzen Tiefen deutete an, dass Severus ihr endlich Recht geben würde, doch diese Schwäche war schnell wieder verschwunden. „So ein Blödsinn“, zischte er scharf und entfernte sich wieder abwehrend von seiner Schwester. „Abgesehen davon spielt das doch überhaupt keine Rolle.“ Erneut drehte er sich zu Syndia um und knurrte: „Es ist egal, was zwischen uns gelaufen ist und es ist erst recht egal, was wer empfindet. Denn es gibt da einen entscheidenden Punkt, den du offenbar liebend gerne ignorierst.“ Er trat einen weiteren Schritt auf sie zu. „Potter. Ist. Mein. Schüler.“ Ungerührt antwortete Syndia: „Glaubst du wirklich, dass dieses ruhige Schulleben noch lange so weitergehen wird? Abgesehen davon, dass das Schuljahr bald vorbei ist, wissen wir beide ganz genau, dass Voldemorts Fokus genau auf dieser Schule liegt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das gesamte System zusammenbricht.“ „Gut, wenn du meinst“, zischte Severus schnippisch. „Dann kommen wir eben zum nächsten Punkt: Potter ist viel zu jung.“ „Die Seele kennt kein Alter“, hielt Syndia gegen. „Beziehungsweise euer beider Seelen haben keinen großen Altersunterschied.“ Verärgert donnerte Severus: „Jetzt komme mir bitte nicht mit solch einem Schwachsinn!“ „Das ist kein Schwachsinn“, konterte Syndia. „Und das weißt du ganz genau. Zumindest solltest du das als Lamia wissen.“ „Nur weil man ein Lamia ist, muss man nicht den Glauben der Vampire teilen“, kam als knurrende Antwort. „Wir leben in einem freien Land, ich kann glauben was ich will.“ Seufzend verdrehte Syndia ihre Augen. „Suche dir nur weiter deine Ausreden. Du hast sicherlich noch weitere auf Lager, oder?“ „Eine, die du nie nachvollziehen wirst“, murrte Severus kühl und schenkte sich Feuerwhiskey nach. „Und die wäre?“ „Wir stehen kurz vor einem offenen Krieg gegen den Dunklen Lord.“ Eine Augenbraue hochziehend, dachte Syndia über das Argument nach. „Du meinst... eure Wege könnten sich dadurch trennen.“ „Nicht sie könnten, sondern sie werden“, trank Severus einen Schluck, ohne seinen finsteren Blick von seiner Schwester abzuwenden. „Wir würden uns nur gegenseitig in Gefahr bringen.“ „Aber... ihr seid doch so oder so...“, begann Syndia, doch irgendwie ergaben Severus' Worte für sie keinen Sinn. „Ich sagte doch, du wirst es nicht verstehen“, knurrte der Slytherin und setzte sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl. „Und auch wenn du jetzt jedes meiner Argumente niederschmettern willst, es ändert nichts an meiner Meinung. Nach allem, was Potter von sich gegeben hat, hat er bei mir verschissen. Mit dem Kerl bin ich durch. Gewöhne dich daran.“ Arme verschränkend musterte Syndia ihren Bruder voll Sorge und Ratlosigkeit. „Das war's also? Selbst jetzt, wo Harry nicht mehr auf dich warten will, willst du noch immer nicht um ihn kämpfen? Du riskierst es, ihn zu verlieren?“ Eine lange Stille entstand, in der Severus auf sein Glas sah, in dem er den Whisky umherschwenkte. „Ich hatte ihn nie, Syndia, also verliere ich auch nichts.“ Kapitel 60: Flugstunden ----------------------- „Willst du drüber reden?“, fragte Hermine wenig hoffnungsvoll, als Harry sich zu ihr und Ron vor den Kamin gesellte. „Da gibt es eigentlich nicht viel zu reden“, zuckte Harry mit den Schultern und versuchte sich in Gleichgültigkeit. „Snape war die restliche Unterrichtsstunde tierisch schlecht gelaunt“, murrte Ron. „Das ist doch Normalzustand bei ihm“, grummelte Harry mürrisch und machte es sich auf dem Sofa bequemer. „Aber ich denke, er wird mich weiterhin im Unterricht ignorieren, letztendlich habe ich also nichts erreicht. Gibt es schon die ersten Gerüchte, von denen ich wissen sollte?“ „Naja, eigentlich hat euer Streit denen sogar entgegengewirkt“, erklärte Ron, während er seine Bücher zurück in die Tasche stopfte. „Nach deinen dreisten Sprüchen dachten schon alle, du hättest ihn irgendwie in der Hand. Schließlich hat er dich mit Samthandschuhen angefasst, aber als ihr nach diesem nicht überhörbarem Geschreie wieder reinkamt, wirkte es ja so, als hätte Snape seine Machtposition zurück.“ Sofort wurde der Gryffindor hellhörig. „Ihr konntet uns hören?“, fragte er beunruhigt nach. „Keiner konnte verstehen, worum es ging“, beruhigte Hermine ihn sofort. „Die einzigen Worte, die man heraushören konnte, waren...“ „...Halt dein verdammtes Maul, Potter“, trällerte Ron ergänzend und sah dann forschend zu seinem Freund. „Damit war der Fall für die meisten klar: Jeder dachte, das bezieht sich auf deine Sprüche im Unterricht und dass Snape nur seinen Standpunkt klargemacht hätte.“ „Noch nie hat jemand Snape so brüllen hören“, erläuterte Hermine vorsichtig und sah besorgt zum Schwarzhaarigen. „Worüber habt ihr denn gestritten, dass er so aus der Haut gefahren ist?“ Etwas verlegen biss Harry sich auf seine Lippe. In seinem Inneren kämpften Reue und Verletzlichkeit gegeneinander an. Besonders sein letzter Kommentar an Severus war deutlich zu weit gegangen, aber andererseits hatte Severus ihm Sachen entgegengeschleudert, die unverzeihlich waren. Seufzend antwortete er: „Ist eigentlich egal. Es hat auf jeden Fall dafür gesorgt, dass wir uns nie wieder zusammenraufen werden. Ich schätze mal, die guten alten Zeiten sind wieder da.“ Stirnrunzelnd fragte Hermine: „Meinst du nicht, dass ihr das klären solltet?“ Harry lachte humorlos auf. „Er hat mir verboten ihm noch einmal außerhalb des Unterrichts über den Weg zu laufen. Und wenn mir mein Leben lieb ist, sollte ich mich auch daran halten.“ Gedankenversunken verschränkte Harry die Hände über seinem Kopf und sah zur Decke. Severus' Drohung hatte bei ihm einen ziemlichen Eindruck hinterlassen. Allein bei dem Gedanken an die Situation, bekam Harry erneut eine Gänsehaut. Kombiniert mit dem, was Severus ihm an den Kopf geworfen hatte, zogen sich seine Eingeweide schmerzhaft zusammen. Deutlicher hätte ein Mensch ihm nicht zeigen können, dass er ihn hasste, oder? Verdammt, wo kam denn jetzt dieser verdammte Kloß im Hals her?! „Harry?“ Angesprochener kehrte in die Gegenwart zurück und sah zur jungen Hexe herüber, die ihn besorgt musterte. „Sei ehrlich“, sagte sie behutsam. „Ihr habt euch gegenseitig ganz schön wehgetan, kann es sein?“ „Ich habe mich nur gewehrt“, antwortete Harry knapp und lehnte sich wieder vor, die Arme auf den Knien abstützend. Hermine und Ron tauschten einen Blick der verhieß, dass sie beide stark an Harrys Worten zweifelten. So begann Hermine erneut: „Du hast den Streit doch überhaupt erst angefangen. Snape war bereits auf 180, als ihr den Raum verlassen hattet, da konnte ja nur...“ „Ja, ja, ich weiß schon“, unterbrach Harry sie aufgebracht. „Ich bin Schuld, ich bin Scheiße, ich lege mich gleich in die nächste Ecke zum Sterben.“ Völlig erschrocken über Harrys heftige Reaktion, wehrte Hermine sofort ab. „Das habe ich doch gar nicht so gemeint“, runzelte sie die Stirn. „Ich wollte sagen, dass bei der Grundstimmung ja nur Streit entstehen konnte.“ „Ja, das hilft mir jetzt wirklich weiter, Hermine“, beschwerte Harry sich und stand auf. Diese Diskussion hier würde er nicht mehr lange durchhalten, ohne dass sich seine Gefühle an die Oberfläche brachen, also musste er hier weg. Hermines klugen Kommentare, die die Situation nur schlimmer machten, waren nicht sonderlich hilfreich dabei. Was brachte es ihm, wenn sie ihm jetzt erzählte, wie er es hätte besser machen können? Passiert war passiert. „Du brauchst mich gar nicht so anzufauchen“, wehrte Hermine weiter ab und ergänzte schnippisch: „Die Suppe hast du dir selbst eingebrockt, da kann ich überhaupt nichts für.“ „Ja, ja“, murrte Harry vor sich hin und sammelte seinen Mantel von der Sessellehne. „Keine Sorge, ich geh jetzt raus und lass meine Laune an irgendwas anderem aus.“ „Was bist du denn so empfindlich?“, hörte Hermine einfach nicht auf. „'Ich geh ja schon sterben', was soll der Blödsinn?“ Knurrend zog Harry seinen Mantel über und antwortete: „Frag das doch Snape. Der kann dir sicherlich ein ganzes Register vorlegen, weshalb ich mich besser für immer verpissen sollte!“ Stirnrunzelnd versuchte Hermine zu verstehen. „Er hat gesagt, du sollst verschwinden?“, fragte sie verwirrt nach. „Nein“, zischte Harry und zog grob den Reißverschluss zu. „Aber das resultiert aus dem, was er von mir denkt. Ihr solltet euch besser von mir fernhalten, bevor ihr auch noch verreckt.“ Hermine setzte zu einer Antwort an, wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Stattdessen ergriff Ron nach langer Pause mal wieder das Wort. „Er hat doch nicht etwa schon wieder auf Sirius angespielt, so wie am Anfang des Schuljahres, oder?“, seufzte er resigniert auf. Fragend ging der Blick der jungen Hexe zu Ron und anschließend wieder zu Harry. „Hat er?“ „Nicht nur“, presste Harry zwischen den Zähnen hervor. „Ohne mich wären meine Eltern auch noch am Leben.“ Voller Entsetzen klappte Hermines Mund auf, während Ron rot wurde vor Ärger. „Das hat er nicht wirklich gesagt?“, keuchte Hermine fassungslos auf. „Doch“, sagte Harry nur knapp und wollte endlich von hier verschwinden. Das letzte was er jetzt brauchte, war Gesellschaft, denn niemand sollte sehen, wie es ihm gerade ging. „Dieser miese Wichser“, knurrte Ron sichtlich wütend und verengte seine Augen zu Schlitzen. Komischerweise stachelte Rons Blick Harrys Wut an. Ja, dieser Wichser. Was bildete Severus sich eigentlich ein?! „Bis dann“, zischte Harry nochmals knapp und machte sich auf den Weg nach draußen. Doch bevor er das Portrait erreichen konnte, hörte er Ron ihn noch einmal rufen. Fragend drehte er sich um. „Lass dich von so einem Bullshit nicht runtermachen. Vergiss diesen Bastard einfach. Der ist es nicht wert.“ Nickend nahm Harry seine Worte an und verschwand dann im Flur. Ron hatte doch Recht, oder? Jemand, der so über ihn redete, war eigentlich nicht einmal seine Wut wert. Er hatte es ihm so gut wie möglich heimgezahlt, dann müsste er das ganze jetzt eigentlich für sich abhaken und Severus endgültig aus seinen Gedanken verbannen. Sie waren fertig miteinander, Punkt, aus.   Und so wie Harrys Gedanken von Ron geleitet wurden, benahm er sich auch im Tränkeunterricht. Still arbeitete er vor sich hin und würdigte Severus keines Blickes. Auch Ron und Hermine wirkten im Unterricht etwas unterkühlt, als ob sie Harry mit ihrer eigenen Ablehnung Snape gegenüber unterstützen wollten. Hermine meldete sich nicht einmal mehr, was Harrys höchsten Respekt verdiente. Er wusste genau, wie schwer das für sie sein musste. Auch ihren Mitschülern entging diese kühle Art nicht, mit der Harry und Severus sich behandelten und schien sie seltsamerweise zu beruhigen. Still arbeiteten alle vor sich hin und es war nicht viel mehr als das Blubbern der Kessel zu hören. Hermine musste immer wieder unauffällig Ron helfen, während Harry die Zutaten für sie beide vorbereitete. Harry rührte gerade 6 mal den Trank im Uhrzeigersinn, als die Dämpfe seine Nase zum kribbeln brachten. Ihm entkam ein Niesen und Hermine reagierte sofort, indem sie ihm den Löffel aus der Hand nahm und für ihn weiterrührte, damit der Trank nicht fehlschlug. „10 Punkte Abzug von Gryffindor“, war die schnarrende Stimme zu hören und irritiert sahen alle auf. Severus würdigte jedoch niemanden eines Blickes, sondern las weiter seine Unterlagen durch. Ungläubig zog Harry die Stirn kraus. „Weil ich geniest habe?“ „Wieder fünf Punkte Abzug“, knurrte Severus und warf Harry einen kurzen, scharfen Blick zu, der verhieß, dass er es ja nicht wagen sollte, auch nur einen weiteren Ton von sich zu geben. Der Gryffindor spürte erneut die Wut in sich hochkochen und biss die Zähne zusammen. Wollte Severus ihm jetzt ernsthaft jedes Mal Punkte abziehen, wenn er auch nur einen Laut von sich gab? Das war ja mal sowas von kindisch! „Lass“, flüsterte Hermine ihm beruhigend zu. „Du musst dich nicht auf sein Niveau begeben.“ Knurrend pflichtete Harry ihr bei. Auch wenn es schwer war sich zu beherrschen, wenn er jetzt etwas sagte, spielte er damit nur in Severus' Hände.   „Nur ein Wort von dir und ich denke mir was ganz hässliches für ihn aus“, wandte Ron sich beim Hinausgehen sofort an seinen Freund. „Ich könnte sogar Fred und George um Hilfe bitten, die wissen bestimmt, wie wir diesem Stinkstiefel eins auswischen können.“ „So schnell ist er nicht mehr zu überraschen, seit Luca ihn terrorisiert hat“, verwarf Harry die Idee des Rothaarigen. „Und ihr dürft nicht vergessen, dass wir hier immer noch von einem Lehrer sprechen“, steckte Hermine sich mit ihrer typischen Vorsicht dazwischen. „Wenn ihr einen Fehler macht, seid ihr dran und fliegt womöglich von der Schule.“ Ron wechselte einen kurzen Blick mit Harry und zeigte ihm mit einem unauffälligen Augenrollen, was er von diesem Einwand hielt. „Ich schätze, das einzige was ich tun kann ist, ihm zu zeigen, dass es mir völlig egal ist, was er macht“, entgegnete Harry sachlich. „Schließlich habe ich ihm an den Kopf geworfen, dass ich ihn nur benutzt hätte. Das glaubt er mir nur, wenn ich mich auch so benehme.“ „Du hast was?“, fragte Hermine vorwurfsvoll nach. „Sagmal, was habt ihr euch da eigentlich für hässliche Sachen gesagt? Kein Wunder, dass die Situation so angespannt ist.“ Knurrend wandte Harry sich an seine Freundin: „Ich sagte dir bereits, dass ich mich nur verteidigt habe. Er kam zuerst mit dieser Du-bist-eine-Gefahr-für-die-Menschheit-Geschichte. Da musste ich doch irgendwie zurückschlagen und das war das einzige, was mir spontan einfiel.“ „Aber...“ „Nichts aber, Hermine.“ Berechnend sah die junge Hexe ihn an, während sie Richtung Eingangshalle liefen. Harry wusste, dass sie noch so einiges dazu zu sagen hatte, aber er wollte einfach nichts mehr hören. Langsam hing ihm das alles zum Hals heraus. Als sie gerade die letzte Treppe nach oben hinter sich gelassen hatten und nun in der Eingangshalle standen, kam ihnen jemand entgegen, den man zur Zeit selten im Schloss zu Gesicht bekam. Überrascht blieb Harry stehen und sah in das vertraut lächelnde Gesicht. „Professor?“ „Na, alles gut bei dir, Harry?“, fragte Dumbledore freundlich. So heiter er auch wirken wollte, Harry erkannte, dass er irgendwie erschöpft war. Es war, als würde sich langsam das Alter des Direktors bemerkbar machen. Zwar glitzerten seine Augen wie immer, doch gleichzeitig sahen sie müde aus. „Alles bestens, Professor“, entgegnete Harry ein wenig verspätet und Dumbledore nickte. „Du nimmst wieder normal am Unterricht teil, wie ich gehört habe.“ „Ja, Sir.“ „Gut. Was hältst du davon, wenn wir auch unseren Unterricht fortführen?“ Sofort waren alle Sorgen um Severus vergessen und aufgeregt antwortete Harry: „Gerne, Sir.“ „Ich dachte mir bereits, dass du da sehnsüchtig drauf wartest“, schmunzelte der Direktor und sah den Gryffindor über seine Brille hinweg an. „Dann würde ich vorschlagen, dass du Morgen nach dem Abendessen in mein Büro kommst. Es könnte etwas länger dauern als sonst, da es sicherlich vernünftig wäre, nach einer so langen Pause alles noch einmal aufzufrischen.“ „Ist gut“, nickte Harry und mit einem etwas schwachen Lächeln sah Dumbledore von einem Gryffindor zum anderen. „Dann will ich euch nicht weiter aufhalten. Es ist wunderschönes Wetter heute, das solltet ihr ausnutzen.“ „Sicher, Sir“, nickte Hermine. Damit drehte Dumbledore sich um und verschwand im nächsten Gang. Nachdenklich sah Hermine ihm nach. „Er sieht nicht besonders gesund aus, oder?“, fragte sie besorgt. „Ich schätze, das macht das Alter“, zuckte Ron mit den Schultern. „Er wird nicht jünger, leider.“ „Aber in letzter Zeit ist es so extrem geworden“, wandte Hermine sich den Jungs zu. „Es sind schwere Zeiten“, erwiderte Harry. „Dumbledore hat sicher alle Hände voll zu tun. Das erklärt auch, warum er so selten da ist. Schließlich muss er den Phönixorden leiten und ganz nebenbei nach einer Lösung suchen, um Voldemort zu besiegen. Außerdem sitzt ihm ständig das Ministerium im Nacken.“ „Das würde jeden alt aussehen lassen“, bestätigte Ron und fing an über seinen eigenen Witz zu schmunzeln. Hermine gab ihm einen halbherzigen Klaps und sagte halb belustigt, halb vorwurfsvoll: „Das ist ein ernstzunehmendes Thema, Ron.“ „Hey, die Zeiten sind schon ernst genug“, zuckte er mit den Schultern. „Ein bisschen Humor kann bei einem nahenden Krieg nicht schaden. Das sagen Fred und George im übrigen auch.“ „Die würden ja auch noch Witze reißen, wenn die Todesser ihnen gegenüberstehen würden.“ „Witze auf deren Kosten wären da aber auch angebracht“, argumentierte nun Harry weiter. „Das ist doch eine super Strategie, um sie abzulenken.“ „Oder um sie nur noch wütender zu machen“, erwiderte Hermine. Ihr Gespräch wurde dadurch unterbrochen, dass eine Gruppe Ravenclaws lachend und feixend die Treppe hinunterkam. Einige von ihnen hielten Besen in der Hand und waren offensichtlich auf dem Weg nach draußen, um ein wenig zu fliegen. Unter ihnen war auch Cornfoot, der eifrig auf einen der Jungen mit einem Besen einredete. „Ach komm, mit den billigen Schulbesen kriege ich doch viel zu wenig Tempo drauf“, argumentierte er gerade und setzte einen Dackelblick auf. „Bitte Jim, nur kurz.“ Lachend mischte sich ein dritter Ravenclaw ein: „Vielleicht wäre ein bisschen weniger Tempo gar nicht so schlecht, bei deinem Flugstil, Stephe.“ „Ach, halt du doch die Klappe“, gab Cornfoot lachend zurück. „Wer von uns beiden ist denn im verbotenen Wald gelandet, hm?“ „Da konnte ich nichts für, der Besen hatte schon einen Knacks weg.“ „Jaja“, lachte Cornfoot und klang dabei so offenherzig und melodisch, dass Harry nicht anders konnte, als der Gruppe nachzusehen. Ron und Hermine hatten sofort angebissen und grinsten sich verstohlen an. Langsam und so beiläufig wie möglich, schlenderte Hermine ebenfalls Richtung Eichentor. „Dumbledore hat Recht, wir sollten das schöne Wetter nutzen. Wir können uns draußen ja ein wenig in die Sonne setzen, oder nicht?“ „Das klingt doch nach einem guten Plan“, stimmte Ron ihr gut gelaunt zu und verwundert sah Harry zu, wie beide zielstrebig nach draußen gingen, ehe auch er sich langsam in Bewegung setzte. Draußen war wirklich wunderschönes Wetter und es war beinahe zu warm für ihre Mäntel. Das konnte durchaus ein Nachteil von solch alten Gemäuern wie einem Schloss sein: Dass es draußen manchmal wärmer war als drin. Im Hochsommer war das natürlich wieder ein Vorteil, aber im Frühling schon recht ärgerlich. Unbekümmert liefen Ron und Hermine weiter Richtung See und Harry folgte ihnen. Dort suchten sich die drei einen Baum, unter den sie sich setzen konnten und endlich wurde Harry klar, warum seine Freunde sich diesen Platz ausgesucht hatten: Von hier konnte man die Ravenclaws bei ihren Flugversuchen beobachten. „Meint ihr nicht, die Aussicht zum See ist schöner, als die zu den Wiesen?“, fragte er provozierend nach, da sie dem See den Rücken zugekehrt hatten. „Unter den Ravenclaws sind auch zwei aus der Quidditchmannschaft“, argumentierte Ron sofort. „Das ist die Gelegenheit, die anderen Teams ein wenig auszuspionieren.“ „Wer es glaubt“, grummelte Harry leise und setzt sich endlich neben seine Freunde. Auch wenn Harry so tun wollte, als interessiere ihn die Gruppe nicht, sah er den Ravenclaws aus dem Augenwinkel bei ihren Flugversuchen zu. Es war offensichtlich, dass es viele Anfänger unter ihnen gab, die aber von ihren Freunden unterstützt wurden. Die beiden Quidditchspieler führten einige Figuren vor und die leichteren davon versuchten die anderen nachzumachen. Auch Cornfoot probierte einige aus und machte das gar nicht mal schlecht. Ein Anfänger war er sicherlich nicht. Gerade versuchte einer aus der Ravenclawmannschaft eine neue Figur, doch der Versuch scheiterte. Mitten in einem Looping mit Seitendrehung driftete er ab und geriet aus der Bahn. Schlingernd versuchte er seinen Besen wieder unter Kontrolle zu bringen und landete mehr schlecht als Recht ganz in der Nähe des Gryffindortrios. Sofort kamen die anderen Ravenclaws hinterhergelaufen. „Alles in Ordnung, Roger?“, fragte eines der Mädchen, als sie beim anderen ankam. „Ja, alles bestens“, winkte der Ravenclaw ab und sein Blick wanderte zu den Gryffindors. „Tut mir Leid“, hob er entschuldigend die Hand. „Glaubt mir, ich wollte euch bestimmt nicht umnieten.“ „Ist ja nicht passiert“, zuckte Ron lässig mit den Schultern. „Deine Schraube sah schon recht gut aus.“ „Naja, den richtigen 'Dreh' habe ich noch nicht ganz raus“, antwortete Roger Davies und ihm war anzusehen, dass ihn das ziemlich frustrierte. „Du musst immer den Boden im Blick behalten“, warf Harry unvermittelt ein. „Sonst verlierst du die Orientierung. Und je weiter oben du die Übung machst, umso leichter fällt es einem.“ „Hast gehört, Roger?“, klopfte Cornfoot seinem Kameraden auf die Schulter, bevor er zu Harry sah. „Vielleicht kannst du das ja einmal vorführen.“ Verwundert stutzte Harry. War das gerade ernst gemeint? Nach all dem Misstrauen, der Harry in letzter Zeit begegnet war, war es ungewohnt wieder von jemandem geschätzt zu werden. Cornfoot bemerkte Harrys Verwunderung und setzte ein aufmunterndes Lächeln auf, dass, genauso wie sein Lachen, unglaublich ehrlich wirkte. Und was noch viel faszinierender war: Dieses Lächeln brachte seine blauen Augen zum Leuchten. „Nur keine Scheu. Du kannst sicherlich den Besen hier nehmen, der ist besser, als die Schulbesen. Oder Jim?“, hielt Cornfoot den Besen hoch, den er in der Hand hielt und sah fragend zu Jim, der nur selbstverständlich nickte. Unsicher warf Harry seinen Freunden einen Blick zu. Sollte er hier ernsthaft vor anderen Schülern mit seinen Flugkünsten prahlen? Das kam ihm irgendwie schäbig vor. Doch Hermines Blick sagte etwas ganz anderes. Auffordernd sah sie zurück und wurde bei Harrys Zögern ganz ungeduldig. Fragend sah Harry wieder zum lächelnden Cornfoot. Sollte er wirklich? „Also gut. Warum nicht“, antwortete Harry endlich und erhob sich. So lässig wie möglich ging er auf die Gruppe zu und versuchte seine Nervosität zu verstecken. Bei Cornfoot angekommen, streckte dieser ihm den Besen entgegen. „Dann zeig mal was du kannst“, hauchte er samtig weich und sein Lächeln wurde ein wenig verschmitzter. Harry schluckte und seine Hände wurden feucht. Dennoch nickte er und griff nach dem Besen. Sich endlich von diesen blauen Augen losreißend, ging er ein paar Schritte von der Gruppe weg und setzte sich auf den Besen. Tief durchatmend erhob er sich in die Lüfte und wurde endlich sicherer. Zwar war der Besen nicht so gut wie sein eigener, aber nachdem er ein Stück hin und her geflogen war, hatte er sich auf diesen hier eingestimmt und wagte nun das Tempo zu erhöhen. Er flog noch ein paar Kurven, um den Besen einzuschätzen und flog dann höher. Der Wind pfiff ihm um die Ohren und ohne weiter nachdenken zu müssen, begann er mit dem Looping. Zuerst flog er ihn sehr langsam und drehte sich in gefühlter Zeitlupe dabei um seine eigene Achse. Dann setzte er sofort eine zweite Schraube hinterher, dieses mal mit wesentlich mehr Tempo. Schließlich war er über dem See angekommen und drehte um, damit die anderen ihn besser im Blick behalten konnten. Er holte alles an Tempo heraus, was der Besen zu bieten hatte und flog drei weitere Schrauben hintereinander weg, ohne abzubremsen. Was für ein herrliches Gefühl wieder in der Luft zu sein. Er fühlte sich nirgends so selbstsicher, wie auf einem Besen, so viel stand fest. Aber er wusste auch, dass er momentan nicht in der besten Verfassung war und beendete seine Übungen. Fliegen war eigentlich noch zu riskant und Madam Pomfrey würde ihm die Ohren lang ziehen, wenn sie die letzten Minuten mitbekommen hätte. Sanft landete Harry wieder auf der Wiese und schritt auf die Ravenclaws zu, die ihm fasziniert zugesehen hatten. „Schonmal daran gedacht Profispieler zu werden, Potter?“, fragte einer aus der Gruppe, als Harry bei ihnen angekommen war und Cornfoot den Besen zurückgab. „Ich steh nicht so besonders auf vollbesetzte Stadien“, winkte Harry ab. „Sieh an, bescheiden ist er auch noch“, zwinkerte Cornfoot ihm grinsend zu und Harry wurde unsicher. „Jedenfalls“, versuchte Harry vom Thema abzulenken und wandte sich wieder an Roger, „hast du gesehen, wo ich hingesehen habe, als ich mit der Drehung anfing?“ Nickend antwortete Davies: „Ja, ich denke schon.“ „Dann probiere es nochmal aus“, schlug Harry vor und versuchte einfach, sich in eine lehrende Rolle zu flüchten, an die er sich bereits bei den DA-Treffen gewöhnt hatte. „Also schön“, zuckte Davies etwas verunsichert mit den Schultern und ging nun seinerseits etwas von der Gruppe weg. Bei seinem ersten Versuch driftete Davies erneut ab, fing sich aber schnell wieder. „Sonst versuche es mit dem See als Fixpunkt“, rief Harry ihm zu und bekam ein Handzeichen als Antwort. Die nächste Schraube funktionierte tatsächlich und man hörte Davies jubeln. Erleichtert nickte Harry, während die Ravenclaws Davies Dinge zuriefen, die man bei dem Durcheinander nicht verstehen konnte. „Du bist ein guter Lehrer, Potter“, lobte Cornfoot, der sich dicht neben Harry gestellt hatte. „Danke, ich versuche es“, nickte Harry ihm zu und erneut lächelte der andere. „Weißt du, es werden dir ja so einige Wesenszüge zugeschrieben, wenn man sich in Hogwarts umhört, aber niemand hat jemals erwähnt, wie bescheiden du sein kannst“, grinste er neckisch, während er sich verschwörend zu ihm beugte. Sein Blick war so durchdringend, stark und ehrlich zugleich... und brachte Harry irgendwie aus der Bahn. „Tja, die Leute wissen so einiges nicht über mich“, zuckte Harry mit den Schultern. „Soso...“, antwortete Cornfoot und erneut wurde sein Grinsen verschmitzt. Bevor Harry sich groß Gedanken über dieses Grinsen machen konnte, wanderte Cornfoots Blick zu Ron und Hermine. „Sind die beiden immer so zurückhaltend?“, nickte er in ihre Richtung und Harry folgte seinem Blick. Ron beobachtete, wie Davies wieder auf der Wiese landete, während Hermine ein Buch herausgekramt hatte und vorgab, darin zu lesen. Doch genau in dem Moment, wo Harry und Cornfoot zu ihr sahen, hatte sie den Blick verstohlen zu ihnen gehoben und senkte ihn schnell wieder, als sie merkte, dass sie beobachtet wurde. Harry schnaufte. Ob sie wirklich geplant hatte, Harry auf die Ravenclaws stoßen zu lassen? Oder genauer gesagt auf einen bestimmten Ravenclaw? Aber diese Situation hier war so spontan entstanden, das hätte sie unmöglich planen können... oder? „Nein, normalerweise nicht“, schwang ein leichtes Knurren in Harrys Stimme mit. Wieder schlich sich dieses freche Grinsen auf Cornfoots Gesicht und Harry fragte sich langsam, was in seinem Kopf vorging. Harry erschrak, als Cornfoot plötzlich ganz dicht herankam und ihm ins Ohr raunte: „Die wollen dich doch nicht etwa verkuppeln, oder?“ Ein Schauer rann über Harrys Rücken. Cornfoot hatte an sich schon eine tiefe Stimme, aber wenn er seine Worte so flüsterte, war sie nochmal um einiges tiefer und bekam zudem einen rauen Klang. Der Gryffindor musste zugeben, dass das extrem... erotisch war. Bei Merlin, hatte er das tatsächlich gerade gedacht? 'Reiß dich gefälligst zusammen!', schallte Harry sich innerlich selbst und versuchte sich wieder zu fassen. Was sollte er denn jetzt bitte tun? Was sollte er antworten? Verdammte Hermine, sie hatte ihm das ganze eingebrockt! Cornfoot bemerkte, wie Harry scharf darüber nachdachte, was er tun sollte und entschärfte die Situation, indem er sich lachend wieder zurücklehnte. „Tut mir Leid“, legte er Harry seine Hand kameradschaftlich auf die Schulter. „Ich kann einfach nicht aus meiner Haut. Bei einem so scharfen Kerl wie dir, da wäre man schön blöd nicht nachzuforschen, ob man da nicht vielleicht Chancen hätte.“ Er zwinkerte dem Gryffindor noch einmal zu. „Keine Sorge, ich werde dich sicherlich nicht belästigen.“ Damit wandte er sich wieder diesem Jim zu und fing an mit ihm darüber zu debattieren, welche Flugübung er wohl als nächstes ausprobieren könnte. Harrys Blick wanderte zu Hermine, die dieses Mal zurücksah. Ein siegessicheres Grinsen huschte über ihr Gesicht, was Harry die Augen verdrehen ließ. Kapitel 61: Beleidigungen ------------------------- „Und, wie ist dein Eindruck von ihm?“, fragte Hermine grinsend nach, als sie, Ron und Harry sich auf den Weg zum Abendessen machten. „Von wem?“, versuchte Harry möglichst unschuldig zu tun. „Na von wem wohl“, verdrehte Hermine die Augen. „Von Stephen Cornfoot natürlich.“ Möglichst lässig zuckte Harry die Achseln und versuchte so seine Unsicherheit zu überspielen. „Er ist ziemlich selbstsicher.“ „Uund?“, sah Hermine ihn erwartungsvoll an. „Und er fliegt ganz passabel.“ „Ach Mensch, Harry!“, beschwerte sich die Hexe ungeduldig. „Du weißt genau, worauf ich hinaus will.“ „Er ist ganz okay.“ „Nur okay?“ 'Sexy.', dachte Harry und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt. „Jaaa“, druckste Harry herum. „Er sieht nicht schlecht aus. Was bist du eigentlich so darauf fixiert, mich mit ihm zu verkuppeln?“ „Du bist dir doch nicht sicher, ob du auf Männer stehst, oder?“, argumentierte Hermine verteidigend. „Was wäre da effektiver, als einfach mal ein bisschen mit einem attraktiven Mann zu flirten und zu gucken, was dabei herauskommt?“ „Ich... jaaa, vielleicht“, gab Harry kleinlaut zu. Er musste eingestehen, dass Hermines Idee nicht gerade unlogisch klang. Aber er hatte sich in Cornfoots Gegenwart so unsicher gefühlt wie ein kleines, verschüchtertes Schulmädchen. Wie sollte er da denn überhaupt etwas gescheites von sich geben? „Du hast bei deinem grandiosen Plan nur leider vergessen, dass ich eine Niete im Flirten bin“, murrte Harry also vor sich hin. „Bei Cho hat es doch auch irgendwie geklappt“, winkte Hermine lässig ab. „Und außerdem wirkt Cornfoot auf mich, als würde er eh lieber den ersten Schritt machen. Das erleichtert das Ganze doch um einiges, oder nicht?“ „Schon möglich“, zuckte Harry mit den Schultern. Vielleicht hatte Hermine ja Recht. Er war sich immer noch nicht sicher, ob nur Severus so anziehend auf ihn wirkte, oder ob er wirklich Interesse an Männern hatte. Das konnte er nur herausfinden, wenn er sich ein wenig ausprobierte. Außerdem konnte er so vielleicht Severus schneller aus seinem Kopf bekommen.   „Guten Abend, Sir“, grüßte Harry höflich, als er das Büro des Direktors betrat. „Guten Abend, Harry“, lächelte Dumbledore seinem Schüler zu und deutete ihm sogleich Platz zu nehmen. „Ich hoffe, du hast dich im Schulalltag wieder gut eingefunden.“ „Ja, Sir“, nickte Harry zuversichtlich und setzte sich in den Sessel vorm Schreibtisch. „Kommst du beim Unterrichtsstoff mit?“ „Größtenteils ja. Bei einigen Fächern werde ich noch ein wenig nachholen müssen, aber ich bin fast wieder auf dem aktuellen Stand.“ „Das freut mich zu hören“, erwiderte der Direktor, bevor sein Blick ein wenig forschender wurde. „Wenn ich das richtig sehe, pausiert der Okklumentikunterricht noch weiterhin?“ „Ähm... ja“, zögerte Harry und wurde ein wenig unruhig. „Es ist momentan etwas... schwierig.“ „Mit anderen Worten, der Okklumentikunterricht endet nun mit der gleichen Begründung, wie im letzten Jahr“, sagte Dumbledore mit seinem wissenden Blick, was Harry langsam nervös werden ließ. Was musste Dumbledore auch immer so dreinschauen, als sei er über alles im Bilde? Mochte sein, dass er von seinem Streit mit Severus gehört hatte, aber er konnte ja wohl kaum wissen, worum es da ging. Oder? Nein, das war unmöglich, Dumbledore bluffte sicherlich nur. So selbstsicher wie möglich erwiderte Harry also: „Wir haben gerade ein paar Meinungsverschiedenheiten, aber ich glaube nicht, dass Snape vorhat, den Unterricht gar nicht mehr durchzuführen. Es wird nur ein wenig länger dauern als geplant.“ Analytisch sah Dumbledore über seine Brille hinweg zu Harry. „Ihr wisst beide, dass dieser Unterricht sehr wichtig ist.“ „Ja, Sir“, nickte Harry ernst. „Mir ist es bewusster, als jemals zuvor.“ Da, schon wieder. Dumbledore sah ihn an, als wisse er genau, worauf Harry anspielte. Aber das konnte nun wirklich nicht mehr sein, er konnte unmöglich vom Vorfall beim Mantikor wissen. Also alles ein reiner Bluff. Langsam nickend ließ der Direktor seine verschränkten Hände sinken und sagte etwas munterer: „Nun gut, dann wollen wir das auch nicht weiter ausdiskutieren. Sprechen wir stattdessen von unserem eigenen Unterricht. Kannst du mir zusammenfassend sagen, was wir bisher herausgefunden haben?“ Erleichtert entließ Harry die angehaltene Luft und entspannte sich. „Ja, Sir, ähm... Voldemorts Mutter war in den Muggel Tom Riddle verliebt, aber ihr wurde von ihrem Vater und ihrem Bruder der Kontakt zu Muggeln verboten, weil sie sie für Abschaum hielten. Irgendwann ist Merope geflohen, hat die letzten Erbstücke der Familie gestohlen, darunter auch diesen Ring dort“, nickte er zu der Vitrine herüber, in dem Slytherins Ring, nun mit zerbrochenem Stein, lag, „und hatte Riddle unter einen Liebestrank gesetzt. Sie heiratete ihn und wurde schwanger, aber dann verließ Riddle sie und kehrte zu seinen Eltern zurück. Merope bekam ihren Sohn in einem Waisenhaus und starb bei der Geburt. Seitdem lebte Voldemort dort und die anderen Kinder hatten Angst vor ihm. Als er erfuhr, dass er ein Zauberer ist, war er nicht überrascht, erzählte Ihnen, was für Dinge er tun konnte. In Hogwarts war er ein beliebter Musterschüler und lernte dort Schüler kennen, die später die ersten Todesser werden sollten. Als er herausfand, wo seine Mutter gelebt hatte, besuchte er seinen Onkel Morfin, tötete seinen Vater und seine Großeltern, jubelte den Mord seinem Onkel unter und stahl ihm den Ring. Und... er hat einen Lehrer einmal danach gefragt, was ein... Horkrux ist, aber die Erinnerung war manipuliert.“ „Sehr gut, Harry“, nickte Dumbledore. „Ich hoffe, die vielen Details, die in den Erinnerungen so wichtig waren, sind bei dir ebenfalls hängen geblieben. Kleine Nebensächlichkeiten, die das Wesen von Voldemort so gut beschreiben und ihn damit ein wenig mehr berechenbar machen.“ „Daran erinnere ich mich zu gut“, erwiderte Harry bestätigend. „Gut“, sagte Dumbledore und legte wieder seine Fingerkuppen aneinander. „Das waren alles noch Dinge, bei denen ich dir mit Sicherheit sagen konnte, was warum und wie geschah, doch nun sind wir beim erwachsenen Voldemort angekommen und ab hier können wir nur noch Vermutungen anstellen.“ Interessiert nickte Harry und hörte aufmerksam zu. |„Nun werden die Verhältnisse undurchsichtiger und merkwürdiger. Wenn es schon schwierig war, Zeugnisse über den jungen Riddle zu finden, so war es fast unmöglich, jemanden aufzutreiben, der bereit war, sich an den erwachsenen Voldemort zu erinnern.“|(1) „Verständlich“, murmelte Harry. „Nicht wahr?“, lächelte Dumbledore ihm bestätigend zu. |„Nach seinem, wie zu erwarten war, grandiosen Schulabschluss, hatten alle erwartet, dass Voldemort sich einen bedeutenden und wichtigen Beruf aussuchen würde. Viele Lehrer boten ihm dabei ihre Hilfe an, wollten für ihn Treffen mit wichtigen Ministeriumsangestellten arrangieren, doch schon bald sprach sich herum, dass Voldemort sich für einen Job bei Borgin und Burkes entschieden hatte.“ „Bei Borgin und Burkes?“, runzelte Harry verwundert die Stirn.|(1) Der großartige, einflussreiche und machtgierige Tom Riddle hatte sich ausgerechnet für einen solch niedrigen und irgendwie schmutzigen Job entschieden? „Ich denke du wirst es besser verstehen, wenn wir uns die nächste Erinnerung angesehen haben“, verstand Dumbledore sofort, was für Bedenken Harry hatte. |„Sie stammt von der Hauselfe Hokey, die für die reiche, alte Dame Hepzibah Smith gearbeitet hat. Voldemort besuchte sie hin und wieder, um ihr im Namen von Mr Burke einige wertvolle Antiquitäten abzukaufen. Denn im Verhandeln war keiner so gut wie er.“ „Darauf hätte ich wetten können“, knurrte Harry leise und erhielt ein kleines Lächeln vom Direktor, der nun eine Phiole hervorholte, während das Denkarium langsam auf den Schreibtisch zuschwebte. „Ich hoffe, du bist es noch nicht leid, in anderer Leute Gedächtnisse einzutauchen“, sagte Dumbledore, während er die Erinnerung ins Denkarium fließen ließ, wo sie silbrig-blau vor sich hinglitzerte. „Nach dir, Harry.“|(1) Ohne zu zögern beugte Harry sich über die Schüssel und ließ sich in ein Wohnzimmer ziehen, das so sehr mit Antiquitäten zugestellt war, dass man es kaum noch durchqueren konnte. |„Beeil dich, Hokey!“, rief eine dicke, alte Frau gebieterisch. „Er wollte um vier kommen und er hat sich noch nie verspätet!“ Harry sah dabei zu, wie eine kleine Elfe herbeieilte und ihrer Herrin dabei half, sich für ihren Besuch zu stylen, ehe es bereits an der Tür klingelte. Hektisch schickte die Hepzibah ihre Hauselfe Richtung Eingang, die nach kurzer Zeit mit einem jungen Mann im Schlepptau zurückkam. Voldemort trug einen schlichten schwarzen Anzug, seine Haare waren länger als noch zur Schulzeit und seine Wangen waren hohl geworden. Obwohl Harry bereits erkannte, dass er sich langsam zu dem Monster entwickelte, das er einst werden sollte, sah er besser aus als je zuvor. „Ich habe Ihnen Blumen mitgebracht“, schmeichelte Voldemort sich sofort bei der Dame ein, was eigentlich gar nicht mehr nötig war. Die Frau war so schon hin und weg von ihm. „Sie ungezogener Junge, das wär doch gar nicht nötig gewesen!“, kicherte sie schulmädchenhaft und sie begab sich zusammen mit Tom zum Sofa. Voldemort begann sofort vom Geschäft zu sprechen, doch Hepzibah Smith schien daran wenig interessiert zu sein. Stattdessen wolle sie Voldemort etwas ganz besonderes zeigen und schickte ihre Hauselfe, damit diese ihr zwei Kästchen brachte, die sie schon am Tag zuvor herausgesucht hatte. „Ich habe Ihnen etwas zu zeigen, das ich Mr Burke noch nie gezeigt habe!“, erzählte Hepzibah aufgeregt. „Können Sie ein Geheimnis für sich behalten, Tom? Wollen Sie mir versprechen, dass Sie Mr Burke nicht sagen, dass ich es habe?“ Nun war auch Harrys Neugierde geweckt. Die Hauselfe kam mit den beiden Kästchen zurück, die Hepzibah ehrfürchtig in die Hand nahm. Behutsam öffnete sie das größere. „Ich frage mich, ob Sie wissen, was das ist, Tom? Nehmen Sie es heraus, werfen Sie in Ruhe einen Blick darauf!“, flüsterte Hepzibah und spannte Harry dadurch noch mehr auf die Folter. Vorsichtig griff Voldemort in das Kästchen und holte einen goldenen Becher heraus. In seine Augen trat ein rotes Funkeln und Harry wurde mulmig zumute. Das konnte nichts gutes bedeuten. „Ein Dachs“, murmelte Voldemort. „Es gehörte also...?“ „Helga Hufflepuff, wie Sie ganz genau wissen, Sie schlauer Junge!“, freute Hepzibah sich und kniff Voldemort tatsächlich in seine Wange. Merkte sie denn gar nicht, wie gierig Voldemort auf den Becher starrte? Hatte sie die roten Augen nicht gesehen? Während sie eifrig weiter brabbelte, nahm sie Voldemort den Becher wieder ab und bemerkte den Schatten nicht, der über sein Gesicht huschte. Nachdem sie Hokey das Kästchen mit dem Becher gegeben hatte, griff sie nach dem etwas flacheren und öffnete nun dieses. „Ich glaube, das hier wird Ihnen noch besser gefallen, Tom“, flüsterte die Frau erneut und Harry schluckte, als er erkannte, was da im Kästchen lag. Das Medaillon von Slytherin. Das Medaillon, das Voldemorts Mutter mitgenommen hatte, als sie ihre Familie verließ. Ohne zu fragen, nahm Voldemort das Medaillon aus der Schachtel und betrachtete es gebannt, während Hepzibah erneut zu reden begann. „Und Burke hat es offenbar einer zerlumpten Frau abgekauft, die es wohl gestohlen hatte, aber nicht ahnte, wie viel es wirklich wert war...“ 'Oh nein.', dachte Harry, als er sah, wie Voldemorts Augen unverkennbar rot aufleuchteten. „Ich vermute, Burke hat sie mit ein paar Münzen abgespeist, aber was soll man machen... schön, nicht wahr?“ Hepzibah griff nach dem Medaillon, um es wieder einzupacken und kurz dachte Harry, Voldemort würde es nicht loslassen, doch da war es schon durch seine Finger geglitten. Als die Hexe wieder aufsah, verschwand ihr Lächeln. „Alles in Ordnung mit Ihnen, mein Lieber?“|(1) Mit einem mulmigen Gefühl tauchte Harry wieder im Büro des Direktors auf. |„Hepzibah Smith starb zwei Tage nach dieser kleinen Szene“, durchbrach Dumbledores Stimme Harrys Gedanken. „Hokey die Hauselfe wurde vom Ministerium überführt, dem abendlichen Kakao ihrer Herrin versehentlich Gift beigemischt zu haben.“ Humorlos musste Harry auflachen. „Unmöglich!“ „Ich sehe, wir sind einer Meinung“, nickte Dumbledore und setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Voldemort ist bei diesem Mord genauso vorgegangen, wie bei dem seines Vaters: Er hat mit Gedächtnismanipulation gearbeitet.“ Nickend verarbeitete Harry die neuen Informationen. Dumbledore fuhr indessen fort: „Nur dieses Mal tötete Voldemort nicht aus Rache, sondern aus Habgier. Nach diesem Vorfall war es lange Zeit still um Voldemort. Er arbeitete im Hintergrund und es gab lange Zeit nur Gerüchte darüber, was er die nächsten Jahre machte. Die nächste Erinnerung ist 10 Jahre jünger als die von Hokey.“|(1) Erneut füllte Dumbledore eine Erinnerung ins Denkarium und sogleich tauchten sie darin ein. Sie standen in Dumbledores Büro, welcher auf jemanden zu warten schien. Als sich die Tür öffnete und Voldemort den Raum betrat, erschrak Harry. Jetzt war es eindeutig, Tom Riddle existierte nicht mehr. Seine Züge waren seltsam verwaschen, die Nasenlöcher zu Schlitzen geworden und seine Augen blutig, während seine Haut schneeweiß war. Dumbledore schien wenig überrascht über diese Veränderungen, begrüßte Voldemort höflich und bot ihm was zu trinken an. |„Nun, Tom... was verschafft mir die Ehre?“ Voldemort antwortete nicht gleich, sagte erst nach einer kurzen Pause: „Man nennt mich nicht mehr Tom. Inzwischen bin ich unter dem Namen...“ „Ich weiß, unter welchem Namen Sie bekannt sind“, fiel Dumbledore ihm ins Wort. „Aber ich fürchte, für mich werden Sie immer Tom Riddle bleiben. Das ist eine der lästigen Eigenheiten von alten Lehrern, fürchte ich, dass sie die frühen Anfänge ihrer Schützlinge nie ganz vergessen.“|(1) Anerkennend runzelte Harry die Stirn. Das war gut gekontert. Obwohl seine Worte so freundlich klingen sollten, war Dumbledores Weigerung, Voldemort bei seinem neuen Namen zu nennen, mehr als dreist und die Stimmung wurde sofort kühler. Genauso zurückhaltend ging die Unterhaltung weiter. Voldemort bewarb sich als Lehrer an der Schule, doch Dumbledore verweigerte ihm die Stelle. Stattdessen band er ihm sogar noch auf die Nase, dass er von der Gründung der Todesser gehört hatte und dass er wusste, dass sich jetzt gerade einige von ihnen in Hogsmeade aufhielten und auf Voldemort warteten. |„Reden wir offen miteinander“, begann Dumbledore. „Warum sind Sie heute Abend hierher gekommen, umgeben von Gefolgsleuten, und ersuchen um eine Stelle, von der wir beide wissen, dass Sie sie nicht haben wollen?“ „Eine Stelle, die ich nicht haben will? Im Gegenteil, Dumbledore, ich will sie sehr gerne haben.“ „Oh, Sie wollen nach Hogwarts zurückkehren, aber Sie wollen genauso wenig unterrichten wie damals, als Sie achtzehn waren. Worauf sind Sie aus, Tom? Warum versuchen Sie es nicht einmal mit einer offenen Bitte?“ Voldemort wurde immer wütender während der Unterhaltung, bis er aufgebracht aufsprang. „Ist das Ihr letztes Wort?“ „Das ist es“, sagte Dumbledore und erhob sich ebenfalls. „Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen.“ „Nein, nichts. Die Zeiten sind längst vorbei, da ich Ihnen mit einem brennendem Schrank Angst machen und Sie zwingen konnte, für Ihre Verbrechen zu bezahlen. Aber ich wünschte, ich könnte es, Tom... ich wünschte, ich könnte es.“|(1) Harry tauchte aus der Erinnerung auf und es war, als hätte Voldemort gerade erst das Büro verlassen. „Warum wollte er nach Hogwarts zurück?“, fragte Harry sofort nach, während Dumbledore sich noch setzte. „Das, Harry, kann ich dir leider erst sagen, wenn ich Horace Slughorn die unverfälschte Erinnerung entlockt habe. Zumindest hoffe ich, dass sie der Schlüssel zu diesem Rätsel sein wird.“ Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. „Ist diese Sache mit dem Horkrux so entscheidend?“ Ein vielsagendes Glitzern trat in Dumbledores Augen, welches Harry nicht ganz einzuordnen wusste. „Sie ist unsere einzige Chance, Voldemort zu besiegen.“   „Vergiss nicht die Schirmnusskerne reinzumachen“, flüsterte Hermine Harry unauffällig beim Tränkeunterricht zu. Mit einem einfachen Nicken zeigte Harry, dass er sie gehört hatte und verhinderte seinen Fehler beim Brauen. Es war verdammt schwer sich im Unterricht auszutauschen, wenn Severus ihm bei jedem Pieps Punkte abzog. Sogar bei Partnerarbeit durfte er nicht reden. Grimmig sah Harry zum besagten Tränkelehrer auf, der seinem Blick offenbar spürte und genauso düster zurücksah. Sein Blick war so intensiv, als wolle er Harry mit seinen bloßen Gedanken Schmerzen zufügen. Kaum hörbar schnaubte Harry auf und sah wieder zu seinem Trank. Auf das Niveau ließ er sich bestimmt nicht herab. |„Ihnen mangelt es an Feingefühl, Potter. Sie haben keinen Sinn für feine Unterschiede. Dies ist einer der Mängel, aufgrund deren Sie ein so jämmerlicher Zaubertrankmischer sind.“|² Grummelnd runzelte Harry die Stirn. Warum musste er ausgerechnet jetzt an seine erste Okklumentikstunde denken? Das machte das ganze nicht gerade besser. Mit immer schlechterer Laune ließ er die Nusskerne in den Trank gleiten. „Und so kommen Sie zu gar keinem Ergebnis. Sie sollten mal überlegen, ob Sie nicht vielleicht einen brauchbaren Trank zustande kriegen würden, wenn Sie besser mit den Zutaten umgehen würden.“ Knurrend schmiss Harry den Schöpflöffel auf sein Schneidebrett und rieb sich entnervt die Stirn. Jetzt verpasste ihm seine eigene Laune schon Kopfschmerzen. Kein Wunder, schließlich dachte er ständig an vergangene Schimpftiraden von Snape und quälte sich damit praktisch selbst. |„Sie sind faul und schlampig, Potter!“|(3) Erneut zog sich ein ziepender Schmerz durch Harrys Schläfe und verwirrt ließ er seine Hand dorthin schnellen. Warum sprangen denn nur seine Gedanken so unkontrolliert umher? Und war dieser plötzliche Kopfschmerz normal? Schnell ließ Harry seine Hand wieder sinken und versicherte sich, dass keiner diese Bewegung gesehen hatte. Vor allem Hermine würde sofort wieder falsche Schlüsse ziehen. Während Harry sich umsah, traf er erneut auf den Blick des Tränkemeisters, der ihn sofort fesselte. Hatte Snape ihn die ganze Zeit angestarrt? Und was war das für ein fieses Glitzern in seinen Augen? Es sah aus, als würde er etwas planen. „Denk doch mal nach, Potter!“ Wieder zuckte Harry bei dem Schmerz zusammen, brach den Blickkontakt jedoch nicht. Ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln huschte aus Severus' Lippen und mit einem Mal wusste Harry, was los war. Das konnte doch nicht...! Ein weitere Blick auf Snapes Hände und Harry war sich sicher, denn in der einen Hand hielt Severus seinen Zauberstab. Zwar ruhte sie unauffällig auf dem Pult, aber Harry war sich sicher, dass er gerade Legilimens verwendete. „Schnell erkannt, Potter. Sie sind schlauer als jeder Fuchs.“ Feindselig starrte Harry zurück. Snape pickte sich tatsächlich Erinnerungen aus Harrys Hirn und zwang sie in Harrys gegenwärtiges Denken. Harry wusste gar nicht, dass man die Erinnerungen so präzise kürzen konnte, dass nur einzelne Sätze aufgerufen wurden. Würde Severus diese Fähigkeit nicht gerade dazu nutzen, um ihn nonverbal zu beleidigen, hätte es den Gryffindor vielleicht sogar beeindruckt. Doch jetzt war er einfach nur fassungslos darüber, wie skrupellos Severus seine Schwäche ausnutzte. „Harry, das bringt doch nichts“, murmelte Hermine ihm zwischen die Zähne hindurch zu. „Wenn du ihn weiter so anstarrst, wird er dir dafür auch noch Punkte abziehen.“ Durch Hermines Worte aus seinen Gedanken gerissen, blinzelte er kurz verwirrt und sah zu ihr herüber. „Aber...“, begann er zu protestieren und wollte seinem Ärger über Severus' neueste Gemeinheit Luft machen, als er bereits schnarrend unterbrochen wurde. „10 Punkte Abzug für Gryffindor, Potter.“ Harrys Blick schnellte sofort zurück zum Slytherin, dessen Augen siegessicher glitzerten. Knurrend dachte Harry 'Du miese, kleine, widerwärtige Fledermaus' und hoffte, dass Severus diese Beleidigungen ebenfalls lesen konnte, denn das war seine derzeit einzige Möglichkeit, sich irgendwie zur Wehr zu setzen. Wie konnte dieser Bastard es wagen?! Wie dreist musste man sein, um solch ein hinterhältiges Spiel mit einem zu spielen?! Die restliche Stunde fiel Harry das Brauen des Trankes deutlich schwerer, doch er versuchte sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Wenn das denn überhaupt was brachte, denn Harry war nicht sicher, wie viel Severus aus seinen Gedanken entnehmen konnte. Der Slytherin hingegen vertrieb sich die Stunde damit, Harry weitere Erinnerungen zu zeigen und ihn damit innerlich zum Kochen zu bringen. Der Gryffindor bemühte sich, das Flussgras präzise der Länge nach durchzuschneiden, doch seine Hände zitterten bereits vor Wut. |„Bringen Sie Ihren Zorn unter Kontrolle, disziplinieren Sie Ihren Geist.“|(4) Mit einem unterdrückten Wutschrei, schmiss Harry sein Messer auf den Tisch, was zum Glück durch Nevilles Missgeschick mit dem Messbecher unterging und so beachtete ihn niemand. Niemand außer Ron, Hermine und Severus natürlich. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, flüsterte Ron und zog die Stirn kraus. „Später!“, zischte Harry ihm zu und sein Freund merkte sofort, dass man Harry gerade lieber in Ruhe lassen sollte. Das hielt den Rotschopf allerdings nicht davon ab, einen irritierten Blick mit Hermine zu wechseln. Nach einer gefühlten Ewigkeit in dieser Hölle, klingelte es endlich zur Pause und Harry war der erste, der seine Sachen zusammensammelte. „Die Tränkeproben bringen Sie beschriftet nach vorne“, wies Snape die Klasse wie üblich an und ließ Harry endlich aus den Augen, welcher tief durchatmete. Eilig schöpfte er etwas von seinem unfertigen Trank ab, von dem er nicht einmal wusste, ob er bis hierhin gelungen war oder nicht, ging rasch nach vorne und knallte Snape die Phiole aufs Pult. Severus sah zu ihm auf, weiterhin mit einem boshaften Glitzern in den Augen. Harry brachte so viel Hass in seinen Blick wie er nur konnte und sah zu, dass er den Klassenraum so schnell wie möglich verlassen konnte. Erst draußen fiel ihm auf, dass er gar nicht auf seine Freunde gewartet hatte, die nun eilig auf ihn zukamen. „Hättest du die Güte uns zu sagen, was mit dir los ist?“, fragte Hermine nach. „Snape, was denn sonst?“, knurrte Harry als Antwort und ignorierte die Anklage in Hermines Stimme. „Da musst du schon ein wenig präziser werden“, zog Ron seine Augenbrauen hoch. „Er benutzt Legilimentik, um mich nonverbal zu beleidigen!“, rief Harry aufgebracht aus und lief schnellen Schrittes die Gänge entlang. „Das geht?“, fragte Ron erstaunt nach. „Natürlich geht das“, belehrte Hermine ihn sofort, die Probleme hatte, mit den anderen beiden Schritt zu halten. „Es ist zwar fortgeschrittene Legilimentik, aber man kann sein Opfer zwingen, Dinge zu sehen oder zu hören, die einen laut ausgesprochenen Kommentar ersetzen können.“ „Also kann man sich durch Legilimentik unterhalten, wenn es beide beherrschen?“, überlegte Ron weiter. Harry hatte inzwischen die Hände in den Hosentaschen vergraben und zu Fäusten geballt, während er nur mit halbem Ohr zuhörte, was die anderen beiden zu sagen hatten. „Nicht direkt“, erklärte die Hexe weiter. „Wer Legilimentik auf höchstem Niveau beherrscht, könnte eigene Gedanken in den Kopf des anderen pflanzen und dann wäre so eine Art Unterhaltung möglich. Aber ich bezweifle, dass es viele Zauberer gibt, die das können. Viel einfacher ist es, sich Erinnerungen an vergangene Gespräche herauszusuchen, um den anderen zu zwingen, sich diese anzuhören. Das heißt, man würde nicht direkt miteinander sprechen, sondern nur alte Gespräche so zusammenbasteln, dass sich ein neuer Dialog ergibt.“ „Ja“, platzte Harry bissig dazwischen. „Es ist wirklich sehr schön, wie hochinteressant ihr mein Problem findet. Schreib doch am besten eine Arbeit darüber, Hermine.“ Die Augen der Hexe wurden zu Schlitzen und ebenso bissig antwortete sie: „Du hättest dieses Problem gar nicht erst, wenn du letztes Jahr gelernt hättest, Okklumentik anzuwenden.“ „Ach, jetzt ist es also auch noch meine eigene Schuld, dass Snape mich schikaniert?“, beschwerte Harry sich. „Es ist nicht richtig, was er da tut, das habe ich nie bestritten! Im Gegenteil, ich finde es sogar ziemlich kindisch. Aber er hätte gar nicht erst damit Erfolg, wenn du das getan hättest, was dir letztes Jahr alle gepredigt haben“, meinte Hermine in ihrem ich-habs-dir-doch-gesagt-Ton. „Und im übrigen benimmst du dich gerade auch nicht viel erwachsener als er, denn sonst würdest du deine Laune nicht an uns auslassen.“ Protestierend öffnete Harry den Mund, brauchte allerdings einen Moment, um Worte zu finden. „Ich hab doch nicht... ich wollte doch... warum könnt ihr mir nicht einfach zustimmen und mit mir über Snape herziehen? Das ist wesentlich hilfreicher, als eure Diskussion darüber, ob das, was er mir da antut, möglich ist, oder nicht.“ „Weil es niveauloser wäre?“, warf Ron schief grinsend ein. „Aber ich würde mich damit wesentlich besser fühlen“, beschwerte Harry sich nun schon fast im jammerndem Tonfall. „Okay, okay“, seufzte Ron betont auf und sagte dann gespielt empört: „Diese miese Schlange.“ „Jaa!“, jammerte Harry, drehte sich zu Ron um und als er den amüsierten Gesichtsausdruck seines Freundes sah, ergänzte er halb lachend, halb jammernd: „Dankeschön.“ Kapitel 62: Täglich zanken die Streithähne ------------------------------------------ Augenverdrehend setzte Harry sich an den Gryffindortisch in der großen Halle, als Ron bereits anfing zu essen, noch bevor er und Hermine überhaupt saßen. „Wie kannst du nur müde und hungrig zugleich sein?“, runzelte die junge Hexe die Stirn. „Wenn isch nur eins vom beien schein könne, würe isch vahungan“, antwortete Ron schmatzend, während Hermine versuchte zu verstehen, was er gerade gesagt hatte. „Das glaube ich dir sogar“, murmelte Harry und tischte sich selbst was zum frühstücken auf. |„Das will ich Ihnen auch geraten haben, Potter, weil Sie weder besonders noch wichtig sind.“|(1) Sofort ächzte Harry genervt auf. „Macht er es schon wieder?“, fragte Ron beiläufig, ohne den Blick von seinem Teller zu heben. „Ja“, knurrte der Schwarzhaarige. „Du solltest lernen ihn auszusperren“, meinte Hermine, verstummte aber bei Harrys Blick. Auf eine Diskussion am frühen Morgen hatte keiner von ihnen Lust. Harry sah zum Lehrertisch und begegnete dem Blick von Severus, welcher es sogar schaffte, während des Zaubers unauffällig zu bleiben. „An sich gewöhne ich mich langsam daran“, sagte Harry fast gelangweilt. „Aber die dauerhaften Kopfschmerzen zerren an den Nerven.“ „Irgendwann wird er schon aufhören“, zuckte Ron die Achseln. „Tu so, als störe es dich nicht, dann wird ihm das schnell zu langweilig.“ „Es wundert mich ohnehin, dass er damit noch nicht aufgehört hat“, warf Hermine ein und nahm einen Schluck Kürbissaft. „Diese Aktion wird von Tag zu Tag kindischer. So langsam müsste er doch selber merken, dass dieses Spiel unter seinem Niveau ist.“ „Er spielt gerne beleidigte Leberwurst“, zuckte Harry die Achseln und begann endlich zu essen. „Und wenn er in etwas stur ist, dann im Beleidigtsein.“ Ihre Unterhaltung wurde unterbrochen, als sich eine der Schuleulen zwischen Ron und Hermine auf den Tisch sinken ließ. Ron zuckte erschrocken zusammen, während Hermine sofort nach dem Brief griff und ihn stumm las. „Von wem ist der?“, fragte Harry, erhielt aber noch keine Antwort. Mit jeder Zeile wurde Hermines Blick verzweifelter, bis sie mit einem lauten „Och nein!“ den Brief an Ron weitergab. „Was ist denn?“, wurde Harry langsam neugierig und sah nun, wie Rons Gesicht beim Lesen langsam grün wurde. „Es ist Hagrid“, berichtete Hermine ächzend. „Seine Spinne Aragog ist gestorben und wir sollen zur Beerdigung kommen.“ „Oh. Ja, richtig“, erinnerte Harry sich murmelnd. „Er hat mir erzählt, dass sie krank sei.“ „Also ich werde da nicht hingehen“, rief Ron entschieden aus und gab den Brief an Harry weiter. „Meinetwegen geht ihr hin, aber mich kriegen keine zehn Drachen nochmal in die Nähe dieser Spinne.“ Noch immer war sein Gesicht grün und mit größtem Bedauern schob er sein restliches Frühstück von sich fort, da ihm der Appetit vergangen war. Harry überflog den Brief ebenfalls nochmal und kam nicht drumherum, auf die verschmierten Stellen zu blicken. Hagrid musste beim Schreiben des Briefes eine Menge Tränen vergossen haben. Der Gryffindor seufzte auf und sah dann fragend zu seiner Freundin. Stirnrunzelnd fragte Hermine: „Du willst also hin?“ „Sieh dir diese Flecken an“, erwiderte Harry und drehte den Brief nur ein Stück weit zu Hermine um. Nun war es an Hermine tief aufzuseufzen. „Vermutlich hast du Recht. Hagrid braucht uns vielleicht.“ „Ihr findet doch eine Entschuldigung für mich, oder?“, fiepste Ron nun schon fast und sah ein wenig ängstlich drein. „Keine Sorge, du musst nicht mit“, schmunzelte Harry nachsichtig.   Die ersten beiden Unterrichtsstunden vergingen erstaunlich schnell, doch nun stand die nächste Stunde Verwandlung an. In allen Fächern hatte Harry schon gut aufgeholt, doch in Verwandlung kam er noch immer nicht richtig mit, weshalb er vor jeder weiteren Stunde schlechte Laune bekam. „Entscheidend ist, dass du mit den Gedanken komplett bei der Sache sein musst“, versuchte Hermine ihrem Freund noch ein wenig Input zu liefern. „Der Zauber wirkt nur so gut, wie du ihn dir vorstellst...“ |„Dummköpfe, die stolz das Herz auf der Zunge tragen, die ihre Gefühle nicht beherrschen können – Schwächlinge, mit anderen Worten -“|(2) Sofort fuhr Harry herum und sah den Gang zurück. Irritiert unterbrach Hermine ihren Redeschwall und drehte sich ebenfalls um. Zwischen den Schülern lief tatsächlich Severus den Flur entlang, auf sicherem Abstand zu dem Gryffindortrio. Seine Hände hatte er lässig in den Umhangtaschen, doch Harry wusste sofort, dass er seinen Zauberstab in der Hand hielt. „Wird das nicht langsam langweilig?“, rief Harry ihm provokativ entgegen und vorsichtig legte Hermine ihm die Hand auf den Unterarm. „Harry, lass es lieber sein“, flüsterte sie ihm eindringlich zu. „Du kannst nicht öffentlich einen Lehrer angreifen.“ „Als ob er sich an die Regeln halten würde“, knurrte Harry ihr zu. „Aber niemand außer uns weiß das“, murmelte Ron ruhig auf seiner anderen Seite. „Man sieht nicht, dass er dich verzaubert, also kannst du ihm nichts nachweisen.“ „Gibt es ein Problem?“, fragte Severus aalglatt nach ohne eine Miene zu verziehen. Noch bevor Ron oder Hermine reagieren konnten, rief Harry: „Ja. Suchen Sie sich ein neues Hobby!“ Erste Schüler warfen ihnen irritierte Blicke zu, während Severus begann fies zu grinsen. „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Potter. Und ich wüsste auch nicht, was Sie meine Hobbys angehen würden.“ |„Du bist deinem Vater ganz erstaunlich ähnlich, Potter. Auch er war über die Maßen arrogant. Ein gewisses Talent auf dem Quidditch-Feld ließ ihn glauben, er stehe über uns anderen. Ist mit Freunden und Bewunderern herumstolziert... ihr seid euch geradezu unheimlich ähnlich.“|(3) „Ich dachte wir seien über diesen Blödsinn längst hinaus“, knurrte Harry wütend und erst hinterher fiel ihm ein, dass er Severus doch eigentlich tatsächlich arrogant gegenübergetreten war. Doch er konnte einfach nicht verhindern, dass Wut in ihm begann zu brodeln, sobald Severus so über seinen Vater herzog. Jetzt erdreistete Snape sich auch noch, ihm die Erinnerung an seine Mutter vorzuspielen. |„Zerwuschelst dein Haar, weil du glaubst, es wirkt cool, wenn es so aussieht, als ob du gerade vom Besen gestiegen wärst, gibst mit diesem blöden Schnatz an, gehst durch die Korridore und verhext jeden, der dich nervt, nur weil du's eben kannst -“|(4) Unwirsch versuchte Harry, dieses Gefühl in sich loszuwerden. Seine Mutter so von seinem Vater sprechen zu hören, schmerzte noch immer. „Hör endlich auf damit!“ |„mich wundert's, dass dein Besen mit so einem Hornochsen wie dir drauf überhaupt abheben kann. Du machst mich KRANK.“|(4) „Ich sagte HÖR AUF!!“ „Was ist denn bitte hier los?“, rief auf einmal eine strenge Frauenstimme und alle, bis auf Harry und Severus, sahen zu ihr herüber. McGonagall kam aus ihrem Klassenzimmer, um zu sehen, wer hier solch einen Krach im Flur machte und sah nun irritiert zwischen Harry und Severus hin und her. „Was soll das Geschreie, Potter?“, fragte sie streng, als sie bei ihm angekommen war. Erst jetzt bemerkte Harry, dass alle Schüler in der Nähe irritiert zu ihm sahen und ihn offenbar für verrückt erklärten. „Offenbar hat Potter etwas dagegen, dass ich den selben Flur nutze, wie er“, zog Snape spöttisch eine Augenbraue hoch und unterstrich mit seinem Tonfall absichtlich die Meinung der herumstehenden Schüler. „Was soll das denn bitte bedeuten? Potter?!“, verlangte McGonagall eine Erklärung. Harry setzte gerade an etwas zu sagen, als Snape ihm erneut eine Erinnerung zuspielte. „Ich mache gar nichts, sondern...“ |„Meine Güte, Potter, was hast du nun wieder für ein Wehwehchen?“|(5) „Jetzt sei doch endlich mal ruhig!“ Alle bis auf Ron und Hermine sahen verwirrt zu Harry. Nach einer kurzen Pause, die Harry leider verpasst hatte für eine Erklärung zu nutzen, fragte McGonagall schon wesentlich vorsichtiger: „Geht es Ihnen gut, Potter?“ „Unser Held hört wohl neuerdings Stimmen“, spottete Severus und Harry sah in seinen Augen, wie sehr er sich gerade auf seine Kosten amüsierte. Einige der Schüler gingen ein Stück vom Geschehen weg, während andere leise zu Tuscheln begannen. Knurrend nahm Harry das zur Kenntnis und versuchte sich etwas unter Kontrolle zu bringen. „Das stimmt nicht, Professor. Snape will nur, dass es so aussieht, um mich...“ „Ich habe die letzten Minuten keinen Finger gerührt, Potter“, mischte Severus sich sofort wieder ein, um eine Aufklärung zu verhindern. „Und nicht ich bin derjenige, der hier herumschreit.“ „Achja?!“, rief Harry aufgebracht zurück. „Dann solltest du vielleicht mal deine Hände aus der...“ „Mr Potter!“, unterbrach McGonagall ihn schockiert. „Womit erlauben Sie sich, in so einem Ton mit einer Lehrkraft zu sprechen?!“ „Ich versuche doch nur...“ „Vielleicht sollten Sie sich für heute frei nehmen und sich bei Madam Pomfrey melden.“ „Vielleicht sollten Sie mal untersuchen lassen, ob bei Ihnen irgendwas kaputt ist!“ Zähneknirschend ballte Harry seine Hände zu Fäusten. „Er provoziert das alles doch!“, rief Harry wütend aus und die Schüler zuckten zusammen. „Wenn er nicht seinen Zauberstab in der Hand hätte...“ „Es reicht, Mr Potter!“, rief McGonagall deutlich verärgert dazwischen. „30 Punkte Abzug von Gryffindor. Sie sollten sich langsam zusammennehmen!“ Harry öffnete erneut den Mund, doch mit einem Satz war Hermine bei ihm und hielt ihn an den Schultern. „Keine Sorge, Professor, wir begleiten Harry zum Krankenflügel“, schaltete sie sich ein und verstärkte ihren Griff schmerzhaft, als Harry erneut protestieren wollte. „Gut, beeilen Sie sich lieber“, nickte McGonagall und sah Harry weiterhin prüfend an. Energisch schob Hermine ihn voran, hatte jedoch ordentlich zu kämpfen, da Harry nicht vorhatte, das Gespräch so ausgehen zu lassen. Doch sofort war Ron zur Stelle und half Hermine, damit sie so schnell wie möglich verschwinden konnten. Harrys Blick blieb fest mit dem von Severus verbunden, der ihm gehässig zuschmunzelte. Bei diesem Blick war Harry sofort wieder auf hundertachtzig, doch Ron war kräftig genug, um ihn zum Weitergehen zu bewegen. „Werden Sie erstmal erwachsen, dann dürfen Sie mitreden.“ Wütend schnaufend drehte Harry sich erneut zu Snape um, doch Ron drehte ihn wieder zurück und gab ihm einen Schubs. „Jetzt lass es endlich gut sein. Diesen Kampf kannst du nicht gewinnen“, murmelte er ihm unauffällig zu. Erst einige Flure später kontrollierten Ron und Hermine, ob keine Schüler mehr in der Nähe waren und ließen Harry dann schließlich los. Knurrend stützte Harry sich auf der nächsten Fensterbank ab und verkrallte sich an der Kante. „Ich hasse ihn“, zischte er wesentlich kraftloser als gewollt und ergänzte sogar noch leiser: „Mieser Idiot.“ „Harry, so kann das nicht weitergehen“, seufzte Hermine mitfühlend auf. „Dieser ganze Streit hat doch absolut keinen Sinn mehr. Geh zu ihm und spreche dich mit ihm aus.“ „Wir haben uns doch ausgesprochen, hast du das immer noch nicht kapiert?“, beschwerte Harry sich. „Er hat mir doch schon seine Meinung gesagt, das brauche ich mir definitiv kein zweites Mal anhören.“ „Aber du hast selbst gesagt, dass du ihn angelogen hast, nur um ihn zu verletzen“, warf Hermine fast flehend ein. „Meinst du nicht, dass dann die Chance besteht, dass er auch nur gelogen hat?“ „Pfe“, machte Harry abfällig. „Er hat mir das schonmal an den Kopf geworfen.“ „Das heißt aber nicht, dass er es Ernst meint. Verdammt, wir reden hier von Snape. Er hat es sogar geschafft Voldemort zu belügen, jahrelang.“ Harry seufzte, gab seine angespannte Haltung auf und strich sich über die Augen. Mit deutlich sanfterer Stimme fuhr Hermine fort: „Du hast gesagt, er hätte dich in Necrandolas so oft gerettet. Er hat sich sogar... geopfert. Glaubst du das würde er tun, wenn er wirklich denken würde, du seist es nicht wert?“ „Es geht doch gar nicht um...“, begann Harry, doch seine Kehle war zu zugeschnürt, um den Satz zu beenden. Hermine verstand es einfach nicht. Dass Severus ihn gerettet hatte, bedeutete nur, dass Dumbledore sich voll und ganz auf ihn verlassen konnte. Sicherlich hatte Severus von Anfang an vorgehabt ihn zu beschützen, aber nicht um seiner selbst willen, sondern weil Dumbledore ihn für wichtig hielt. Nein... weil er laut Prophezeiung wichtig war. Severus wollte den Krieg beenden, also hielt er Harry am Leben, so einfach war das. Und er hatte ihm deutlich genug gesagt, wie satt er seine Aufgabe hatte, wie sehr Harry ihn immer wieder in Schwierigkeiten brachte... wie sehr Harry ihm sein Leben versaute. Langsam sah Harry wieder zu Hermine, die nicht mit einem solch entschlossenen Blick gerechnet hatte und nun nicht wusste, wie sie das einordnen sollte. „Ich bedeute ihm gar nichts, Hermine“, sagte er dunkel und kalt. „Er tut nur seine 'Pflicht'.“ „Aber...“, begann sie, wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Dafür konnte sie Harrys Gedankengänge einfach zu wenig nachvollziehen. „Schon gut, Hermine“, beendete Harry die Diskussion und sah zu Ron, der nur mit gerunzelter Stirn zurücksah. Bevor sein bester Freund noch erkennen würde, wie weh ihm dieser ganze Streit mit Severus wirklich tat, wandte Harry den Blick lieber ab und setzte sich in Bewegung, um zum Gryffindorturm zu gehen.   „Es ist sogar noch später geworden, als ich dachte“, flüsterte Hermine besorgt, als sie zur großen Turmuhr blickte. „Aber trotzdem hätte es schlimmer kommen können“, erwiderte Harry und drängte seine Freundin, weiterzulaufen. Inzwischen war es selbst zu zweit schwierig, sich unter dem Tarnumhang zu verstecken, also blieb ihnen nichts anderes übrig, als sehr langsam zu laufen. So leise wie möglich betraten sie die Eingangshalle und schlichen die nächste Treppe hoch. Es war inzwischen halb 12, vorher hatten sie sich nicht von Hagrid lösen können. Den ganzen Abend waren sie damit beschäftigt gewesen, ihrem großen Freund Tee einzuschenken und aufmunternde Worte zu finden, und trotzdem waren bei ihm die Tränen in Bächen geflossen. „Es wird schlimmer kommen, wenn man uns erwischen sollte“, zischte Hermine besorgt und sah immer wieder hinter sich. „Wenn du aufhörst zu reden und nicht so herumzappelst, werden wir schon nicht erwischt“, antwortete Harry leise, was ihm einen beleidigten Blick von der Hexe einbrachte. Tatsächlich kamen sie ohne Probleme im Gryffindorturm an, wo nur noch Ron vor dem Kamin saß und ungeduldig auf sie gewartet hatte. „Und, wie lief's?“ „Sie wird dir nie wieder etwas tun können“, antwortete Hermine. „Wir haben sie hinter Hagrids Hütte begraben.“ „Gut“, atmete Ron durch und erhob sich. „Dann hoffe ich, dass sie mich auch in meinen Träumen in Ruhe lässt.“ Gähnend streckte er sich und wanderte Richtung Schlafsaal, Harry im Schlepptau. Harry hatte sich noch nicht einmal richtig zugedeckt, da war von Ron bereits nur noch Schnarchen zu hören. Amüsiert schnaubte der Gryffindor. Nach Träumen von Acromantulas sah das definitiv nicht aus.   Gefährlich blitzten ihm acht Augen entgegen. Zusätzlich ließ das Ungetüm ihre Zangen klacken, sodass Harry eine Gänsehaut bekam. Das Tier war so flink, dass Harry zu spät reagierte und ehe er sich versah, war er von den vielen Beinen eingekesselt. Die Zangen schnellten auf ihn zu, würden ihn mit zwei Bissen sicherlich in der Mitte zerteilen können... Doch da stand bereits Severus vor ihm und hielt die Acromantula mit bloßen Händen von ihnen fern. „Was machst du denn da?!“, rief Harry aufgebracht aus. „Wonach sieht es denn aus?!“, kam die ebenso ruppige Antwort. Severus schob die Spinne einmal kräftig zurück und sie entfernte sich zwei Schritte von ihnen. Die Gelegenheit nutzte der Slytherin, um sich zu Harry umzudrehen. Mit wütend funkelnden Augen rief er: „Dein beschissenes Leben retten natürlich! Irgendwer muss das ja machen, weil du zu blöd bist auf dich selber aufzupassen!“ „Ich habe dich nicht um deine Hilfe gebeten“, wollte Harry ebenso bissig zurückrufen, doch der kalte Schauer, der ihm über den Rücken lief, sorgte für eine deutlich ruhigere Tonlage. „Und ich habe ebenso wenig darum gebeten, ständig für dich meinen Hals zu riskieren!“, Severus' Augen sprühten geradezu. „Du bist ein einziger Fluch. Mein Fluch!“ „Vorsicht!“, rief Harry erschrocken, doch da war es schon zu spät. Die Spinne hatte Severus von hinten erwischt, der die Augen aufriss und einen röchelnden Laut von sich gab. „Nein!“, schrie Harry und fing den Slytherin auf, dessen Beine nachgaben. „Severus! SEVERUS!“ „War ja klar“, röchelte Severus unter Schmerzen und Husten. Blut floss ihm aus dem Mund, welches er auf Harrys Schulter hustete. Dann sah er noch einmal zu Harry auf. Kaum verständlich und mit viel Husten dazwischen, sagte Severus: „Irgendwann musste ich ja wegen dir sterben.“ „NEIN!“ Kerzengerade saß Harry im Bett. Sein Herz raste, ebenso wie sein Atem und nur langsam begriff er, dass er geträumt hatte. Zum Glück gewöhnte er sich inzwischen an, einen Stillezauber zu legen, damit Dean, Seamus und Neville ihn nicht für verrückt hielten, wenn er ständig schreiend aufwachte. So konnte Harry sich also ungestört beruhigen, tief durchatmen und sich aus der Decke schälen. Also so viel zu den bösen Träumen von Acromantulas. Ächzend ging er ins Bad und klatschte sich als erstes kaltes Wasser ins Gesicht, denn inzwischen wusste er, dass ihn das am besten zurück in die Realität holte. Tief durchatmend sah Harry auf in den Spiegel und stützte sich am Waschbecken ab. Wirklich fit sah er nicht aus, der Schrecken war ihm noch anzusehen. „Verdammt“, flüsterte Harry erschöpft und strich sich mit der nassen Hand durchs Haar. Warum begann seine andere Hand jetzt wieder zu zittern an? „Grrr“, machte Harry und klatschte sich die nächste Ladung Wasser ins Gesicht. Er musste doch endlich gelernt haben sich zu beherrschen. Er musste über seinen Träumen stehen, sonst würden sie nie verschwinden. Nein, er durfte sich von so etwas nicht mehr ängstigen lassen! Entschlossen sah Harry erneut in den Spiegel, doch den Blick konnte er nicht lange halten, als ihn wieder Severus' Worte im Ohr nachklangen. Etwas viel schlimmeres als die Angst vor diesen grausamen Bildern machte sich in ihm breit: Schuldgefühle. Das Spielchen kannte er bereits, denn Sirius' Tod ging auch auf seine Rechnung. Vielleicht hatte Severus ja Recht. Vielleicht war er wirklich verflucht. „So ein Blödsinn!“, zischte Harry und schüttelte unwirsch den Kopf, um diesen Gedanken schnell wieder loszuwerden. Er durfte gar nicht erst anfangen so zu denken. Die Prophezeiung, sie war der wirkliche Fluch. Ohne die Prophezeiung wären seine Eltern und auch Sirius nie gestorben. Das hieß aber auch, dass tatsächlich jeder in seiner Nähe in Gefahr war. Wie konnte er es Severus dann verübeln, dass er nichts mit ihm zu tun haben wollte? Mit einem erschöpften Seufzen strich Harry nun mit beiden Händen durch sein Haar und ließ sich an der Wand zu Boden sinken. Vielleicht war es ganz gut, dass sie sich zerstritten hatten, denn so wäre Severus außer Gefahr. Wenn da nur nicht sein wütender Blick wäre... dieser Blick, der eigentlich nur versteckte, wie verletzt Severus war. „Verdammt“, murmelte Harry gequält und versteckte Haare raufend sein Gesicht. Er musste sich bei Severus entschuldigen. Er musste ihm sagen, dass alles, was er gesagt hatte, eine glatte Lüge gewesen war. Aber was dann? War es nicht einfacher, wenn sie weiterhin zerstritten blieben und jeder seinen eigenen Weg ging? Aber er vermisste den Slytherin so sehr. Jetzt gerade vermisste er ihn schrecklich. Harry gab ein Geräusch von sich, das halb schluchzen und halb lachen über sich selbst war, und wischte sich kurz übers Gesicht, um danach mit dem Handballen auf der Stirn zu verharren. Tief durchatmend schloss er die Augen und biss sich auf die Lippe. War das zu fassen? Da wurde er von Severus angefaucht, dass er ihm sein Leben versaute, kam sogar selbst zu der Erkenntnis, dass der Slytherin Recht hatte, und trotzdem würde er gerade nichts lieber tun, als zu ihm zu rennen. Er wollte ihn sehen, er wollte seine Stimme hören, und sei es nur, indem Severus ihm wegen der späten Stunde wüste Beschimpfungen an der Tür entgegenschleuderte. „Was bin ich nur für ein Egoist“, flüsterte Harry vor sich hin. Es wäre viel gesünder für Severus, wenn Harry tatsächlich auf Abstand bleiben würde. Für jeden wäre es gesünder. Sollte das etwa sein Schicksal sein? 'Keiner kann leben, während der andere überlebt'. Das konnte man auch so interpretieren, dass Harry alleine bleiben musste, bis Voldemort vernichtet war. Und das muss auch das gewesen sein, was Severus gemeint hatte. Er wollte nicht elendig verrecken, nur weil er Kontakt mit Harry hatte. Wie sollte er ihm das bitte übel nehmen? „Ich mache das, weil ich dich einfach nicht mehr ertragen kann!“ Zittrig entließ Harry die Luft und senkte erneut den Kopf. Was machte er sich vor, es lag nicht nur an der blöden Prophezeiung. Severus betrachtete ihn als Klotz am Bein, als Nervensäge... auf Dauer würde es nie mit ihnen beiden gut gehen. Und trotzdem konnte Harry diese tiefschwarzen Augen einfach nicht vergessen. Verdammt, er sehnte sich so sehr nach dem anderen, dass es weh tat! „Ach, du bist hier. Ich hab mich gewundert, wieso hier Licht an ist“, riss plötzlich Rons Stimme den Gryffindor aus seinen Gedanken. Erschrocken sah er kurz zum Rotschopf auf, wich seinem Blick aber gleich wieder aus. Noch ziemlich verschlafen musterte Ron seinen Freund und runzelte verwundert die Stirn. „Was sitzt du denn hier auf dem Boden herum? Alles in Ordnung? Hast du... weinst du etwa?“ „Nein“, erwiderte Harry schnell und stand fahrig auf, wich dem Blick seines Freundes aber weiterhin aus. „Es ist nichts, ich hab nur... ich hatte nur wieder einen Traum, nichts weiter.“ „Hmhm“, machte Ron etwas skeptisch und musterte Harry besorgt. „Dann solltest du vielleicht einen Traumlostrank nehmen. Ich weiß, das willst du vermeiden, aber du siehst echt fertig aus und um dieses mal wach zu bleiben, ist es wirklich noch zu früh.“ „Ja, vermutlich. Ich... Ich werde gleich einen nehmen.“ Damit schob Harry sich an Ron vorbei zurück in den Schlafsaal, noch immer mit Rons besorgtem Blick im Rücken. „Hör mal, wenn es hilft... wenn du reden willst, oder wenn ich eine Weile wach bleiben soll...“ „Nein, ist nicht nötig, Ron. Trotzdem Danke.“ Damit schlüpfte Harry zurück in sein Bett und zog die Decke hoch. Nach kurzem Überlegen griff er tatsächlich noch nach dem Traumlostrank aufm Nachttisch, trank einen Schluck und machte es sich dann gemütlich, Ron den Rücken zudrehend. Für einen kurzen Moment lang war es still, ehe Ron sich langsam aus seiner Starre löste und zu seinem eigenen Bett hinüberging. Harry war froh, dass sein Freund offenbar tatsächlich nicht weiter nachhaken wollte, und gab seine angespannte Haltung auf. „Dann gute Nacht.“ „Gute Nacht, Ron.“   Der nächste Morgen kam schleppend. Harry hatte in der Nacht noch lange wachgelegen und sich wegen Severus' abweisendem Verhalten in Selbstmitleid ertränkt, aber inzwischen war die Melancholie verflogen. Anscheinend war tatsächlich der Albtraum Schuld an seiner Stimmung gewesen. Harry versuchte so gut wie möglich zu überspielen, wie sehr ihn die letzte Nacht gerädert hatte und offenbar bekam er das sogar einigermaßen hin. Hermine schien erstaunlicherweise nichts zu bemerken und so musste Harry nur die Seitenblicke von Ron ignorieren. In der Halle war es ungewöhnlich laut, was wohl daran lag, dass es Freitag war und morgen ein Ausflug nach Hogsmeade anstand. „Es wundert mich, dass die Hogsmeade Wochenenden immer noch vertretbar sind, jetzt, wo so viele Menschen inzwischen verschwunden sind. Die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr hoch, dass Todesser einen Schüler als Geisel nehmen, um die Eltern zu erpressen, oder?“, runzelte Hermine skeptisch die Stirn. „Ich glaube, die Schüler, bei denen das wahrscheinlich ist, sind entweder schon von der Schule genommen worden oder gehen nicht nach Hogsmeade“, zuckte Ron lässig die Schultern, als sei dies offensichtlich. „Also solange da kein Flohmarkt ist, bin ich dabei“, gab Harry seinen Kommentar ab, der seinen Freunden wohl mehr Unbehagen bereitete, als ihm selbst. Hermine räusperte sich sogar kurz und sah sich im Saal um, als suche sie nach einem Themenwechsel. Und diesen fand sie sogar. „Also entweder bilde ich mir das ein, oder Cornfoot behält dich im Auge, Harry.“ Stirnrunzelnd drehte Harry sich ebenfalls zum Ravenclawtisch um und fand nach einigem suchen Cornfoot, der allerdings gerade mit seinem Sitznachbarn sprach und sich keineswegs auffällig benahm. „Das bildest du dir bestimmt ein“, antwortete Harry nur und wandte sich wieder seinem Essen zu. „Da!“, sagte nun Ron, der neben Hermine einen ebenso perfekten Blick zu den Ravenclaws hatte. „Er hat tatsächlich kontrolliert, ob du noch zu ihm schaust.“ „Ach, hört doch auf damit, das ist Kinderkram“, murrte Harry, während er aß. Doch jetzt sah sogar Hermine nicht gerade unauffällig ständig herüber. Als sich ihr Blick wieder mit dem von Stephen traf, beugte sie sich grinsend zu Harry herüber. „Er scheint ja noch interessiert zu sein.“ „Hermine, schonmal was von Unauffälligkeit gehört?“, stöhnte Harry auf. „Du kannst doch nicht anfangen zu grinsen, wenn er herschaut.“ „Dooch, kann ich“, grinste Hermine noch breiter. „Weil ich ihm so indirekt zeige, dass auch du nicht desinteressiert bist.“ Fassungslos vergaß Harry das Essen und sah seine Freundin an, deren Grinsen immer listiger wurde. „Seit wann schlummert denn eine Slytherin in dir?“, fragte Ron und Harry pflichtete ihm nur bei. „Außerdem“, ging er automatisch in Verteidigung über, „ist das wieder so eine Masche, die nur Frauen kapieren.“ „Na, umso besser“, zog Hermine herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Dann hält er diese Masche ja vielleicht sogar für echt.“ Kopfschüttelnd wandte Harry sich wieder seinem Frühstück zu. „Ach komm schon, Harry“, warf Hermine ein. „Du hast dich doch ganz gut mit ihm verstanden. Dann kann es doch nicht schaden, ihn neugierig auf dich zu machen, oder?“ Skeptisch sah Harry erneut auf. Nach einer Pause argumentierte die Hexe weiter: „Rede doch einfach mal mit ihm. Was spricht gegen eine simple Unterhaltung? Wenn du dich nicht wohl fühlst, brichst du das Ganze einfach wieder ab.“ Harry seufzte und sah fragend zu seinem besten Freund, der nur ratlos die Schultern hochzog. „Also schön“, gab Harry klein bei, doch nach einer weiteren Pause, fragte er fast verzweifelt: „Und worüber soll ich mit ihm bitteschön reden?“ „Naja, Quidditch wäre sicherlich ein besonders einfacher Einstieg“, zuckte Hermine die Schultern. „Und dann schaut ihr mal, wie sich das Gespräch entwickelt. Versuche ihn einfach mal kennenzulernen. Frage ihn nach Hobbys, Musik, Hassfächern...“ „Hassfächer?“, warf Ron verwundert ein und musterte Hermine skeptisch. „Kommt das gerade ernsthaft von dir?“ Augenverdrehend antwortete sie: „Die einfachste Art Konversation zu machen ist, gemeinsam über Hassfächer abzuziehen.“ „Naja, bei dir wäre es nicht einfach, schließlich hast du keine Hassfächer“, grinste Ron und Hermine gab ihm einen halbherzigen Schlag auf die Schulter. Während Hermine versuchte Harry noch weitere Tipps zu geben, standen die ersten Schüler auf, um zum Unterricht zu gehen. Auch Harry und Hermine erhoben sich, mussten allerdings auf Ron warten, der sich noch schnell ein weiteres Toast einverleiben wollte. Also standen sie da, mit geschulterten Taschen und Harry ließ seinen Blick durch die Halle schweifen. Nach einigem Zögern sah er zu Cornfoot herüber, der ebenfalls seine Sachen zusammensammelte. Als er sich zum Aufbruch bereit machte, traf sich sein Blick mit dem von Harry. Er schien überrascht zu sein, dass der Gryffindor nicht wegsah, was Harry zum Grinsen verleitete. Nach nur kurzem Zögern, kam ein Lächeln zurück und Harry bemühte sich, nicht allzu scheu zu wirken. Wenn er wirklich mit Cornfoot ins Gespräch kommen wollte, musste er ihm das schon irgendwie zeigen, da hatte Hermine Recht. Stephens Grinsen wurde nun frecher und strahlender, bevor er sich wieder seinen Freunden zuwandte und die Halle verließ. Kapitel 63: Ein Date? --------------------- Harrys Geist war von den ganzen Legilimentikattacken so zermürbt, dass es ihn nicht wunderte, als Syndia ihn in ihrem Unterricht stirnrunzelnd betrachtete. Sicherlich war Harry gerade ein offenes Buch für sie. „Gut, Sie haben heute große Fortschritte gemacht“, verkündete sie gerade der Klasse. „Bitte üben Sie den Zauber übers Wochenende noch einige Male, damit Sie ihn mir Montag fehlerfrei vorführen können. Sie können gehen.“ Stühlerücken wurde laut und alle Schüler redeten durcheinander, während sie eilig ihre Taschen packten. Als Harry seine Tasche geschlossen hatte, sah er zu Syndia auf, die ihm kurz deutete, zu ihm zu kommen. Seufzend stellte er seine Tasche wieder hin. „Geht schonmal vor“, sagte er noch zu Ron und Hermine, die sofort zu Syndia sahen. „Ok, dann treffen wir uns in der Bibliothek“, antwortete Hermine und zusammen mit Ron verließ sie das Klassenzimmer. Als die letzten Schüler dabei waren zu gehen, trottete Harry langsam nach vorne zum Pult, wo Syndia ihn genau beobachtete, doch ihr Blick war nicht zu deuten. „Tut mir Leid, dass ich so ins Haus falle, aber...“, begann sie und zog die Pause etwas lang, als würde sie einen Rückzieher machen wollen, „Severus benutzt Legilimentik, um dich zu schikanieren?“ „Hast du das noch nicht bemerkt?“, zog Harry nur mürrisch die Schultern hoch. Noch immer war es merkwürdig sie zu duzen. Wieder sah Syndia ihn einfach nur an. „Bei eurem kleinen Streit im Unterricht, was hat er dir da an den Kopf geworfen?“ Verwundert runzelte Harry die Stirn. „Du hast nicht nachgesehen?“ „Noch nicht, nein.“ „Na dann tu es doch.“ Es dauerte einen Augenblick, bis Harry bewusst wurde, dass Syndia gerade tatsächlich nachsah. Spätestens als sich ihre Augen weiteten, wusste er, dass sie nun Bescheid wusste. „Wie konntet ihr...?“, platzte es aus ihr heraus. Dann seufzte sie laut auf, strich sich mit der Hand übers Gesicht und schüttelte leicht verzweifelt den Kopf. „Ihr beide seid so unsagbar dämlich!“ „Wieso wir?“, protestierte Harry, doch Syndia ignorierte das. „Dir ist hoffentlich klar, dass Severus dich belogen hat?“, fragte sie mit eindringlichem Blick. Genervt aufseufzend, verdrehte Harry die Augen. „Er hat mir das nicht zum ersten Mal gesagt.“ „Wie kannst du nach alldem, was ihr erlebt habt, nicht merken, wenn er dich belügt? Oder sagen wir lieber ihr, schließlich hat er dir auch alles abgekauft“, fragte Syndia mit etwas erhöhter Stimme, was ihre Verzweiflung unterstrich. „Wie kannst du dir so sicher sein, dass er gelogen hat?“, wehrte Harry sich eifrig, doch noch immer blieb die Hexe ruhig. „Ganz einfach. Weil ich ihn gesehen habe, direkt nach eurem Streit! So verletzt wie er war, hätte er dir alles an den Kopf geworfen.“ „Er hat doch angefangen!“, rief Harry mürrisch aus. „Das ist jetzt völlig egal“, warf Syndia entschlossen ein. „Ihr müsst das endlich klären, Harry! Bitte! Geh heute Abend zu ihm und rede mit ihm, und sei dabei vor allem ehrlich.“ „Warum soll ich immer auf ihn zugehen? Warum darf er immer den Sturkopf spielen, während ich ständig nach ihm sehen muss?!“ „Weil du nicht so ein stolzes Kleinkind bist!“, rief Syndia energisch zurück und eine kurze Stille trat ein. „Du bist in der Lage deine Fehler zuzugeben, er nicht. Das hast du selber mal gesagt, weißt du nicht mehr?“ Harry seufzte auf. Er musste zugeben, dass Syndia in dem Punkt Recht hatte. Doch er würde sicherlich nicht bei Severus angekrochen kommen. „Wenn du von mir verlangst, dass ich zu ihm gehe und mich entschuldige, dann vergiss es!“, sagte Harry ruhig und entschlossen. „Ich habe auch meinen Stolz.“ „Zum Teufel mit diesem blöden Stolz!“, rief Syndia eindringlich aus. „Merkst du denn nicht, dass dieser falsche Stolz von euch beiden alles kaputt macht?!“ Harry versuchte so gleichgültig wie möglich aufzulachen. „Was soll da denn bitte noch kaputt gemacht werden?“ „Eben! Ihr habt es fast geschafft, alles zu zerstören, was euch seit Necrandolas verbindet. Und jetzt erzähl mir bitte nicht, dass dir das egal ist.“ Harry öffnete den Mund, um zu antworten, doch er brachte die Worte nicht heraus. Syndia sah ihn nur weiter eindringlich an und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bitte dich, Harry“, sagte sie wieder ganz ruhig und sah abwartend zum Gryffindor. „Wenn du dir nicht sicher bist, ob er gelogen hat oder nicht, dann vertraue doch wenigstens meinem Urteil. Mag sein, dass Severus seine Gedanken vor mir verbergen kann, aber nicht seine Gefühle. Du bist ihm so wichtig und er vermisst dich, auch wenn er es nicht zugeben mag. Er greift dich nur so an, weil du ihn verletzt hast.“ Schnaubend wandte Harry den Blick ab und biss sich auf die Lippe. Syndia sprach genau das aus, was er letzte Nacht gedacht hatte. Ja, sicherlich war Severus verletzt, aber ihn vermissen? Das konnte Harry sich beim besten Willen nicht vorstellen. So ungern er es auch zugeben mochte, aber er war doch derjenige, der sich nachts auf den Boden setzte und heulte, weil er den anderen vermisste. Dass es Severus ähnlich ergehen sollte, war absolut lächerlich. Wenn Harry jetzt zu ihm gehen und sich entschuldigen würde, würde nur wieder irgendein verletzender Kommentar kommen und das musste Harry sich nun wirklich nicht geben. Schon schlimm genug, dass Ron ihn so verletzlich gesehen hatte, da musste er sich nicht auch noch Severus' stechendem Blick ausliefern. Auf keinen Fall durfte er jetzt Severus gegenüber Schwäche zeigen, das stand für den Gryffindor fest. Syndia schien seine Gedanken gehört zu haben, denn sie seufzte genauso schwer auf, wie ganz zu Anfang des Gesprächs. „Ihr beide seid hoffnungslose Fälle“, murmelte sie, ehe sie mit sprühenden Augen wieder aufsah. „Sozial total verarmt!“ Damit drehte sie sich von Harry weg und packte ebenfalls ihre Tasche. „Hey, ich hab Freunde, also richte solche Beleidigungen lieber an Severus“, murrte Harry leise, schnappte sich seine Tasche und verließ den Klassenraum. Auf dem Weg zur Bibliothek ging er immer wieder die Ereignisse der letzten Tage durch, bis seine Wut auf Severus wieder unverändert groß war. Er und sich bei diesem Deppen entschuldigen, so weit kam es noch! Der Gryffindor war so tief in seinen Gedanken versunken, dass er die Person hinter sich erst bemerkte, als sie sich zu seinem Ohr vorbeugte. „Du bist anscheinend doch mutiger als ich dachte.“ Erschrocken zuckte Harry zusammen und drehte sich um. Vor ihm stand Cornfoot, der selbstsicher ein schiefes Grinsen aufgelegt hatte. „Meine Güte, für einen Löwen bist du aber ganz schön schreckhaft“, stichelte er freudig. Noch etwas verwirrt, versuchte Harry sich zusammenzunehmen. „Nein, ähm, ich... war nur in Gedanken. Ich habe nicht aufgepasst“, verteidigte er sich und ließ seine Hände in den Hosentaschen verschwinden. „Ein Harry Potter, der in Gedanken versinkt?“, ließ Cornfoot nicht von der Stichelei ab. „Über was könnte sich denn unsere große Berühmtheit nur solche Sorgen machen?“ Harry verzog das Gesicht und sofort gab Stephen klein bei. „Schon gut, war nur ein Scherz“, lächelte er, zeigte aber trotzdem, dass er nun ernster wurde. „Du bist auf diesen ganzen Presserummel nicht besonders gut zu sprechen, was?“ „Nicht besonders, nein“, murrte der Gryffindor und sah Stephen nur verstohlen an. Wie locker und simpel er eine Unterhaltung mit einem fast fremden Schüler angefangen hat. Bei Cornfoot wirkte das wie ein Kinderspiel. „Keine Sorge, ich traue der Presse schon seit Jahren nicht mehr übern Weg. Vor allem nicht dem Tagespropheten“, winkte Cornfoot locker ab. „Also: Gibt es einen besonderen Grund, warum du deine Meinung geändert hast?“ Stirnrunzelnd sah Harry zurück und fragte sich fieberhaft, was der Ravenclaw meinen könnte. „Ähm...“, brachte er nur heraus. Stephen half sofort aus: „Naja, nach dem Quidditch dachte ich, du würdest jetzt großen Abstand zu mir halten, aber das sah heute Morgen irgendwie anders aus. Ich habe das einfach mal als Einladung interpretiert. Ich hoffe das war nicht falsch.“ Wieder dieses Lächeln. Wie konnte man so direkt auf einen Menschen zugehen, ihn so direkt ansprechen und trotzdem so selbstsicher dastehen? „Ähm, nein, keine Sorge, das war schon richtig“, nickte Harry und fluchte innerlich, dass er so unglaublich schüchtern herüberkam. „Also ich meine... je nachdem was du unter Einladung verstehst...“ Cornfoot lachte laut auf. „Keine Sorge, ich bin ganz zahm.“ Verschmitzt zwinkerte er Harry zu, ehe er wieder ernst wurde. „Aus dir und Cho ist also nichts geworden“, ließ er den Satz wie eine Frage klingen und schien auch tatsächlich Interesse daran zu haben. Erst jetzt fiel Harry ein, dass die beiden sich ja einen Gemeinschaftsraum teilten. Wer weiß, was Cho dort verbreitet hatte, nachdem sie sich bei ihrem Streit getrennt hatten. Cornfoot fragte ihn doch nicht in ihrem Auftrag aus, oder? Schließlich war das für ein erstes Gespräch eine seltsame Frage... oder? „Ist das denn wichtig?“, zog Harry also skeptisch seine Augenbrauen hoch. „Es ist insofern wichtig, dass ich nirgendwo zwischenfunken will“, antwortete Cornfoot so ernst, wie er noch keinen Satz formuliert hatte. Diese Antwort schien so ehrlich zu sein, dass Harry nur über den anderen staunen konnte. So wie Cornfoot immer auftrat, hätte Harry ihn anders eingeschätzt. „Ähm, nein, es hat nicht geklappt. Es war... schwierig“, antwortete Harry also und fügte ehrlich hinzu: „Und irgendwie anstrengend.“ „Ja, das kann ich mir denken“, nickte Cornfoot und sah beinahe mitleidig aus. „Du hast sie so ziemlich in ihrer schwierigsten Phase erwischt. Obwohl sie einem Leid tun sollte, waren nachher alle nur noch genervt von ihr.“ „Geht es ihr denn inzwischen besser?“ Ernsthaft? Er fragte gerade seinen neuen...'Flirt' wie es seine Ex ging?? Harry war bewusst, dass er eine Niete in solchen Gesprächen war, aber das hier schoss nun wirklich den Vogel ab. Wie gerne hätte der Gryffindor sich jetzt eine reingehauen. „Ja, ich denke schon“, überlegte Cornfoot. „Es ist auf jeden Fall wesentlich ruhiger um sie geworden.“ „Gut.“ Verstehend nickte Harry und als die Stille begann sich auszubreiten, überlegte er fieberhaft, wie er die Unterhaltung denn jetzt bitte weiterführen sollte. Doch da half Stephen weiter: „War sie deine erste Beziehung?“ „Meine einzige, ja“, erwiderte Harry zum ersten Mal sicherer. „Ah“, huschte nun ein analytischer Blick auf Cornfoots Gesicht. „Und duuu wolltest also schauen, ob dir das gleiche Geschlecht auch zusagen könnte?“ „Ähm“, schon war Harrys Unsicherheit wieder da. „Keine Sorge“, lächelte Cornfoot nachsichtig. „Ich werde ganz bestimmt nicht tratschen. Was du mir erzählst, behalte ich für mich.“ Einen Moment lang betrachtete Harry den andere nur. Seine Augen wirkten so ehrlich, genauso wie sein Lächeln. Also konnte man ihm vielleicht wirklich trauen. „Es gab... Hinweise darauf, dass ich vielleicht Interesse haben könnte, ja.“ „Und die Hinweise wären?“, legte Cornfoot interessiert den Kopf etwas schief, was ihn irgendwie niedlich aussehen ließ. Harry schluckte und versuchte diesen Gedanken zu vertreiben. „Das ist schwer zu erklären“, überlegte Harry. Wie viel sollte er preisgeben? „Es ist nur so, dass mir da jemand aufgefallen war...“ „Du hast dich verschossen, verstehe“, grinste Cornfoot nun wieder. Harry wollte sofort protestieren, während er glaubte rot zu werden, doch Cornfoot winkte bereits ab. „Hey, du brauchst dich vor mir nun wirklich nicht zu rechtfertigen. Aber müsste das nicht schon Beweis genug sein, auf was du stehst?“ „Naja, ich weiß ja nicht einmal was das ist. Vielleicht ist es was ganz anderes und...“ „Deswegen wollte dir die liebe Miss Granger einen Flirt verpassen“, nickte Cornfoot, woraufhin Harry erneut protestierend den Mund öffnete. „War das wirklich so offensichtlich?“, zog Harry die Augenbrauen hoch. „Na hör mal, spätestens heute Morgen in der Großen Halle wäre das jedem klar gewesen“, grinste Cornfoot. „Ihre Augen haben ja geradezu geschrien 'Schau hierher, schau hierher!'.“ Etwas verlegen kratzte Harry sich am Hinterkopf. „Jaaa, so viel also zur Unauffälligkeit“, grummelte er leise. Cornfoot lachte auf, bevor er einen flüchtigen Blick auf seine Uhr warf. „Ich glaube, wir sollten langsam mal zum Mittagessen gehen, sonst bekommen wir nichts mehr ab.“ „Oh ja, richtig“, erinnerte Harry sich. An das Mittagessen hatte er gar nicht mehr gedacht. Allgemein hatte er gerade an nichts anderes gedacht. „Aber vorher muss ich nochmal in der Bibliothek vorbeischauen“, fiel Harry plötzlich wieder ein, wo er eigentlich hatte hin wollen. „Ron und Hermine wollten mich da treffen. Ich sollte sichergehen, dass sie dort nicht immer noch warten und selber das Essen verpassen.“ „Alles klar“, nickte Cornfoot. Harry hielt das Gespräch bereits für beendet, als Stephen ihn nochmal aufhielt. „Ähm, wir können uns gerne heute Abend weiter unterhalten. Dann treffen wir uns einfach irgendwo“, schlug er schulterzuckend vor. „Oh“, machte Harry überrascht. Das wurde jetzt aber kein Date, oder? „Wenn es dir nicht passt, ist es okay“, ruderte Cornfoot zurück. „Wir können uns natürlich auch ein andern Mal treffen. Oder gar nicht, wenn du nicht möchtest.“ Dieses verflixte Lächeln! Da zog er gerade eine Abfuhr von Harry in Betracht und lächelte dabei auch noch. „Nein, nein, ist okay“, lenkte Harry schnell ein. „Wo sollen wir uns treffen?“ Cornfoot zuckte die Schultern. „Naja, vernünftige Orte dafür gibt es eigentlich nicht. Sagen wir einfach am Fuße des Westturmes? Dann können wir noch entscheiden, wo wir hingehen, ob auf einen Turm, aufs Gelände...“, wieder begann Cornfoot zu lächeln. „Je nachdem wo man weniger neugierige Ohren hat.“ „Okay“, nickte Harry und ignorierte den Gedanken, dass er auf diesem Turm sein erstes richtiges Gespräch mit Cho gehabt hatte. „Dann... um 8 oder sowas?“ „Klingt gut“, nickte Stephen. „Dann bis dann.“ „Bis dann“, antwortete Harry. Cornfoot lächelte ihm nochmal zu, bevor er sich umdrehte und Richtung Große Halle ging. Harry sah ihm noch eine Weile nach. Er hatte ernsthaft eine Verabredung mit Stephen Cornfoot. Hermine wird durchdrehen, wenn sie das erfuhr. Grinsend setzte der Gryffindor seinen Weg fort, um besagter Hexe die Neuigkeiten zu überbringen.   „Harry! Harry!“ Verwundert drehte der Gryffindor sich um, um zu schauen, von wem dieser Ruf kam. Da war er nicht der einzige, denn einige Schüler wandten sich ebenso von ihrem Abendessen ab und sahen schließlich zum zehnjährigen Jungen, der gerade aufgeregt in die Große Halle gerannt kam. „Luca?“, fragte Harry verwundert. „Harry, weißt du was?“, fragte der Junge aufgeregt, als er beim Gryffindortisch angekommen war. „Mum hat mir erlaubt morgen mit nach Hogsmeade zu kommen.“ „Wow“, erwiderte Harry und war ehrlich überrascht. Syndia machte sich doch immer solche Sorgen um ihren Sohn und nun ließ sie ihn die Schlossmauern verlassen? „Ja, es hat eine Menge Arbeit erfordert“, nickte Luca glücklich. „Der Haken an der Sache ist, dass ich in Mums Nähe bleiben muss, aber das macht mir nichts. Die anderen reden immer so viel von Hogsmeade, ich will das auch mal sehen.“ „Na dann“, erwiderte Harry lächelnd. „Du solltest dir unbedingt ein Butterbier bei Rosmerta organisieren.“ „Hab ich schon gehört“, nickte Luca weiterhin eifrig, dann fügte er bedauernd hinzu: „Aber stimmt es, dass der Scherzartikelladen zugemacht hat?“ „Ich fürchte ja. Wir können froh sein, dass wir überhaupt noch nach Hogsmeade dürfen, sei also bitte vorsichtig.“ „Jaa, ich weiß, keine Sorge“, erwidert Luca. „Viele Schüler haben gesagt, dass sie da auch gar nicht mehr hinwollen, weil sie zu viel Angst haben.“ „Ist vielleicht ganz gut so“, schaltete sich Hermine ein. „Je weniger Schüler, umso weniger kann passieren.“ „Aber es hat auch Nachteile“, meldete sich Ron. „Fred und George hatten eigentlich vor den Laden von Zonko aufzukaufen, aber wenn keine Schüler mehr kommen, lohnt sich das nicht.“ „Es werden bessere Zeiten kommen“, versuchte Hermine aufmunternd zu wirken, doch man sah ihr an, dass sie diese Zeiten noch weit in der Zukunft sah. „Natürlich kommen die“, rief Luca. „Weil Harry diesen dunklen Zauberer platt machen wird, nicht wahr?“ Etwas sprachlos sahen die drei zu Luca, während Harry ein klägliches Lächeln versuchte. Er konnte allerdings nicht verhindern, dass sich Beklommenheit in ihm breit machte. „Ich werde es zumindest versuchen.“ „Jetzt seid doch nicht so traurig“, seufzte Luca. „Mag sein, dass ich keine Ahnung vom Krieg habe, aber ich weiß dafür umso mehr, dass Harry das Zeug dazu hat zu siegen.“ Damit nickte Luca und verließ mit erhobenem Haupt die Große Halle. „Er kann es also tatsächlich hören“, murmelte Hermine. „Was?“, runzelte Ron die Stirn. Hermines Augen folgten immer noch Luca, während sie sagte: „Er hat meine Gedanken gehört. Ich dachte, dass er nur so leicht daher reden kann, weil er keine Ahnung hat, in was für dunklen Zeiten wir leben und dass sie noch viel dunkler werden können.“ „Mag sein, dass er noch zu jung ist, um die Ausmaße zu begreifen“, zuckte Harry die Achseln, „aber durch seine Fähigkeit Gedanken zu lesen, weiß er sicherlich mehr über diesen Krieg, als jeder andere in seinem Alter.“ „Hm“, biss Hermine sich auf ihre Unterlippe und dachte nach. |„Du leidest vielleicht unter der Wahnvorstellung, dass die ganze Zaubererwelt von dir beeindruckt ist, aber mir ist es völlig gleich, wie oft dein Bild in der Zeitung erscheint. Für mich, Potter, bist du nichts als ein ungezogener kleiner Bengel, der Vorschriften für unter seiner Würde hält.“|(1) Ächzend atmete Harry auf und versuchte sich auf sein Essen zu konzentrieren. Zwar schaffte er es, seine Freunde nicht auf sich aufmerksam zu machen, doch Ron fiel dafür etwas anderes auf. „Snape starrt dich schon wieder an. Benutzt er Legilimentik?“ „Ja“, knurrte Harry nur leise. „Ich denke, Professor Levin hat Recht, Harry“, meinte Hermine sanft. „Du solltest mit ihm reden.“ „Ist das nicht ein bisschen widersprüchlich?“, runzelte Harry herausfordernd die Stirn. „Du willst, dass ich mich mit Cornfoot treffe, aber gleichzeitig soll ich mich mit Severus vertragen?“ „Was du schon wieder denkst“, zischte Hermine. „Ihr sollt euch vertragen und nicht...“ Sie fing an zu gestikulieren, während sie einfach keine weiteren Worte herausbekam. Mürrisch sagte Harry: „Jaa, schon gut. Vielleicht geschieht ja noch ein Weltwunder und er entschuldigt sich bei mir.“ „Du hast dich genauso zu entschuldigen“, korrigierte Hermine ihn, wofür sie von Harry einen bösen Blick kassierte. „Vergiss es!“ „Harry, es bringt nichts, wenn du dich genauso stur...“ „Was meinst du dazu Ron?“, fiel Harry ihr provokativ ins Wort. Ron verzog angewidert das Gesicht und sagte: „An deiner Stelle würde ich lieber meinen Besen fressen, als mich bei dem Kerl zu entschuldigen.“ „Siehst du“, zeigte Harry auf Ron und meinte so die Sache für sich entschieden zu haben. „Oh ja, Ron ist da natürlich der richtige Ansprechpartner“, murrte Hermine sarkastisch. „Ich habe nicht vergessen, wie schnell ihr euch im vierten Schuljahr wieder vertragen habt, das war wirklich vorbildlich.“ „Warum lässt du uns eigentlich nie unser eigenes Ding machen?“, platzte Harry langsam der Kragen. „Warum darf ich nicht selber entscheiden, was ich zu tun und zu lassen habe?!“ „Wie du meinst“, zischte Hermine beleidigt und griff nach ihrer Tasche. „Könnte sein, dass dieses Schuljahr unser letztes ist, aber wenn du in deinem letzten Zeugnis ein S in Zaubertränke haben willst, dann bitte sehr.“ Damit stand sie auf und verließ zügig die Große Halle. Stirnrunzelnd sah Harry zu Ron, der nur die Schultern zuckte. Kapitel 64: Eindeutig Schwul ---------------------------- „Hey Hedwig“, flüsterte Harry sanft und ging auf seine Eule zu, um sie zu streicheln. Diese war noch etwas verschlafen, lugte aber unter ihrem Flügel hervor und ließ sich die Streicheleinheiten gefallen. „Keine Sorge, kein Brief heute“, murmelte Harry, während sich ein Lächeln auf sein Gesicht schlich. Dank Hedwig kam Harry wieder ein wenig zur Ruhe und entspannte sich. Den ganzen Tag war ihm das Treffen mit Cornfoot durch den Kopf gegangen und jetzt war er tatsächlich zu früh hier, aber so konnte er wenigstens seiner Eule noch guten Tag sagen und seine Nervosität in den Griff bekommen. Die Schneeeule machte es sich wieder ein wenig bequemer, hatte sie doch damit gerechnet einen Brief wegbringen zu müssen. Langsam blinzelte sie in die Abendsonne und schloss jedes Mal kurz die Augen, wenn Harry streichelnd wieder an ihrem Hals ansetzte. „Wenn ich eine Schuleule aus ihrem Schlaf hole, ist die nie so freundlich zu mir.“ Erstaunt drehte Harry sich um. Cornfoot stand in der Tür und hatte ihn offenbar beobachtet. Er hatte ganz ruhig gesprochen, ohne jeglichen Schalk, weshalb Harry seine Stimme fast nicht erkannt hätte. „Sie eigentlich auch nicht“, antwortete Harry und sah wieder zu Hedwig. „Sie lässt mich das erst durchgehen, seit... seit ich weg war.“ Leise trat Stephen neben ihn, ebenfalls mit dem Blick auf die Eule. „Du glaubst gar nicht, was für Geschichten im Schloss darüber die Runde machen, was in Necrandolas passiert ist“, murmelte er leise und kontrollierte kurz mit einem Seitenblick, ob das Thema für Harry ein Tabu war. „Wenn es überhaupt heißt, dass du dort warst.“ „Sicherlich ist keine der Geschichten so grausam wie die Wirklichkeit“, sagte Harry schnell und spannte sich ein wenig an. Hedwig öffnete ihre Augen komplett und sah ihren Besitzer nun mit ihren großen Augen direkt an. Dabei blinzelte sie, als wolle sie krampfhaft verschleiern, dass sie noch müde war, was Harry wieder ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte. „Das mag sein“, antwortete Cornfoot. „Ich denke, die Geschichten haben auch eher den Fokus, dich als kaputtes Frack darzustellen, als Mitleid zu heischen.“ „Keine Sorge, das bin ich bereits gewohnt“, murrte Harry. Damit beendete Harry die Streicheleinheiten und sah nach einigem Zögern zum anderen. Stephens Blick war nicht zu deuten, aber trotzdem bekam man bei ihm das Gefühl ihm vertrauen zu können. Machten das vielleicht diese unsagbar blauen Augen? „Was ist, gehen wir runter?“, nickte Cornfoot Richtung Tür, was Harry aus seinen Gedanken riss. „Ähm, klar.“ Stumm folgte Harry dem anderen, der lässig die Treppe hinunterging. Scheinbar spontan schlug Cornfoot im Flur irgendeine Richtung ein und schlenderte so mit Harry durch möglichst verlassene Gänge. „Alsooo“, begann Cornfoot nach einer ganzen Weile, „nur damit ich das richtig verstehe: Du bist dir nicht mehr sicher, ob du nun auf Frauen oder Männer stehst oder vielleicht auch beides und weil Granger wusste, dass ich vom anderen Ufer komme, hast du versucht mit mir ins Gespräch zu kommen.“ Wieder war Harry geplättet von der Direktheit des anderen. Was Harry aber irgendwie beruhigte war, dass Cornfoot dieses Treffen hier wohl tatsächlich nur als ein Gespräch empfand und nicht als Date. „Das trifft es ziemlich genau, ja“, murmelte Harry und sah schließlich hinter sich. Auch wenn dieser Flur gerade leer war, wusste er, dass er oft benutzt wurde. „Vielleicht sollten wir uns mal einen anderen Ort zum Quatschen suchen“, ging Cornfoot sofort auf Harry ein und sah in den nächsten offenen Klassenraum. „Keine Schüler, keine Portraits, scheint sicher zu sein.“ Damit hielt er Harry die Tür einladend auf, der mit ebenso forschendem Blick den Raum betrat. Der Gryffindor ging weiter zum Fenster, um zu sehen, wo sie überhaupt ungefähr waren. Vor ihm lag dichter Wald, weshalb Harry vermutete, dass sie auf der Rückseite des Schlosses sein mussten. Cornfoot schloss indessen die Tür und trat dann neben Harry ans Fenster, wo er sich an der Fensterbank abstützte. „Also, dann erzähl mal.“ „Hm?“, sah Harry ihn irritiert an. „Na, wie kamst du dazu an deiner Sexualität zu zweifeln?“ „Oh, ähm“, überlegte Harry, wie er so viel wie möglich schildern konnte, ohne dann doch zu viel zu erzählen. „Ich hab... mich zu jemandem hingezogen gefühlt. Ich weiß nur nicht ganz, wie ich das einordnen soll.“ „Hattest du denn das Bedürfnis in der Nähe dieser Person zu sein?“, dann fragte Cronfoot schmutzig grinsend. „Oder gab es gewisse Träume oder... Ereignisse unter der Dusche?“ Harrys Gedanken huschten blöderweise bei diesem Stichwort zu dem Moment zurück, als Severus zu ihm unter die Dusche gekommen war, um ihn zu beruhigen. Überrascht räusperte Harry sich und senkte den Blick. Er wurde doch jetzt nicht etwa rot, oder? Oh man. Er brauchte für die Beantwortung dieser Frage nicht einmal einen Spiegel, denn Cornfoots Grinsen wurde noch eine Spur breiter und das war Antwort genug. „Was?“, fragte Harry verteidigend, um die Situation irgendwie zu überspielen. „Nichts“, erwiderte Cornfoot unschuldig. „Es ist nur so süß, wie Neulinge auf solche Fragen reagieren.“ „Pfe“, machte Harry und versuchte sich einfach im Beleidigtsein, wodurch Stephen jedoch nur leise zu lachen anfing. „Also weiter im Text“, erbarmte sich der Ravenclaw endlich. „Was ist mit diesem typischen Klischee? Kribbeln im Bauch, schlaflose Nächte, pausenloses Denken an die Person...“ „Ist das so wichtig?“, unterbrach Harry ihn, da er sich weigerte, auf diese Art und Weise über Severus nachzudenken. „Mir stellt sich doch viel mehr die Frage, ob das jetzt einfach nur eine einmalige Spinnerei ist, oder ob ich tatsächlich auf Männer stehen könnte.“ „Also schön“, ging Cornfoot zum Glück darauf ein. „Wie findest du den Arsch von Kenneth Towler?“ Harry überlegte kurz, ehe er die Schultern zuckte. „Ganz okay.“ „Den von Cadwallader?“ „Der ist... na gut, der hat was.“ „Und der von Megan Jones?“ „Ist okay.“ „Die Augen von Oliver Rivers?“ Da musste Harry schon einen Moment länger überlegen. „Die waren braun, oder?“ „Und die von Marcus Belby?“ „...Interessant?“ „McLaggens Arsch?“ „Wuäh“, verzog Harry das Gesicht, weshalb Stephen lachen musste. „Also tut mir Leid dir das sagen zu müssen, aber du findest eindeutig Gefallen an Männern.“ „Was, nur weil ich finde, dass die, die du aufgezählt hast, nicht schlecht aussehen?“, runzelte Harry skeptisch die Stirn. „Nein“, lächelte Cornfoot ihn ehrlich an. „Sondern weil du überhaupt weißt, wie deren Ärsche aussehen oder was für Augenfarben sie haben.“ Harry öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch es kam kein Ton heraus. Erstaunt sah er zum anderen, der nur siegessicher die Augenbrauen hochzog. Dann fiel Harry doch etwas auf. „Und warum hast du nach Megan Jones gefragt?“ „Naja, Frauen scheinst du ja auch nicht abgeneigt zu sein“, zuckte Cornfoot die Schultern. „Und dann fragst du mich nur nach einer?“ „Hey, ich bin schwul“, verteidigte sich der Ravenclaw. „Sie ist die einzige Braut in Hogwarts, wo selbst ich zugeben muss, dass sie heiß ist. Von den anderen habe ich keine Ahnung.“ Bei den Worten konnte Harry sich das Grinsen nicht mehr verkneifen und Cornfoot grinste ebenso zurück. „Meinst du das hat dir weitergeholfen?“ „Ja, könnte schon sein“, antwortete Harry nachdenklich und verschränkte seine Armen auf dem Fenstersims. „Es reicht also noch nicht ganz, um Klarheit zu schaffen, was“, seufzte Stephen auf. „Also gut, dann hätte ich da noch eine Idee.“ Fragend sah Harry zum anderen, dessen Lächeln nun etwas spitzbübischer wurde, weshalb der Gryffindor die Augenbrauen hochzog. „Was ist?“ Stephen lehnte sich ein wenig weiter zu ihm herüber und fragte: „Meinst du denn ich wäre dein Typ?“ Zack, schon war Harry mit Sicherheit wieder rot. Was bezweckte Cornfoot denn nun damit? Was sollte er antworten und was hatte Cornfoot vor, wenn er eine positive Antwort bekam? „Ähm“, sagte Harry und schluckte. 'Jetzt reiß dich doch mal zusammen!', schellte er sich selbst. Schließlich nahm sich der Gryffindor zusammen und beschloss, endlich mal auf Gegenangriff zu gehen, wenigstens ein einziges Mal nicht in Cornfoots Hände zu spielen. „Du hast das alles hier doch aber nicht eingefädelt, um dein Ego zu pushen, oder?“, fragte er also so ironisch wie möglich nach. Als Antwort strahlte Cornfoot ihn wieder an. „Aber sicher doch. Was könnte mir mehr schmeicheln, als von Harry Potter zu hören zu bekommen, dass ich heiß bin“, stieg Cornfoot problemlos auf dieses Spiel ein. Das ganze hatte noch einen Vorteil: Nun konnte Harry die Wahrheit sagen, ohne im Erdboden versinken zu müssen. „Na dann will ich dir mal den Gefallen tun“, versuchte Harry verführerisch zu klingen. „Dein Arsch ist so verführerisch, dass ich dir bei jeder Gelegenheit nachstarren muss.“ Oh man, das hätte wahrscheinlich jeder andere besser hinbekommen. Umso erstaunter war Harry allerdings, als Cornfoot trotzdem darauf einging. Mit hochgezogener Augenbraue fragte er feixend: „Besser als der von Cadwallader?“ „Um Längen besser“, schnurrte Harry und fing an zu grinsen. „Na das hört man gern“, erwiderte Stephen selbstzufrieden und brachte wieder eine Spur Ernsthaftigkeit ein, als er weitersprach. „Du hast übrigens unglaublich grüne Augen, echt faszinierend.“ „Und deine haben so ein kräftiges Blau wie ich es noch nie gesehen hab“, erwiderte Harry ehrlich und konnte den Blick von den besagten Augen nicht abwenden. Erst als Cornfoot sich wieder ein wenig aufrichtete, bemerkte der Gryffindor, dass sie sich ziemlich weit zum jeweils anderen vorgelehnt hatten. Aber der Abstand, der gerade entstand, wurde von Cornfoot sofort wieder überbrückt, indem er einen Schritt näher an Harry herantrat. „Was meinst du“, raunte er wieder mit seiner tiefen Stimme, weshalb Harry Gänsehaut bekam. „Willst du vielleicht ein wenig austesten, ob dir auch... näherer Kontakt mit einem Mann gefallen könnte? Ich stehe für Experimente zur Verfügung.“ Stephen war bei seinen Worten mit dem Mund immer dichter an Harrys Ohr herangekommen und mit jedem Millimeter beschleunigte sich Harrys Herzschlag. Dennoch tat Cornfoot nichts anderes, als ihn abwartend von der Seite anzusehen. Zögerlich öffnete Harry den Mund, war aber unschlüssig darüber, was er antworten sollte. „Du musst natürlich nicht“, flüsterte Cornfoot schon fast. „Sag einfach stopp, wenn es dir nicht gefällt und gut ist.“ Unsicher sah Harry in die Augen des anderen, die ehrlichsten Augen, die es im Universum gab. Harrys Mund wurde trocken und er versuchte zu schlucken. Verdammt, er war einfach nicht in der Lage zu denken! Was zum Teufel machten seine grauen Zellen denn gerade? Mittagspause?! „Ich...“, krächzte Harry, doch weiter kam er nicht. Auf Cornfoots Züge huschte ein nachsichtiges Lächeln. „Sonst lass dich einfach nur einen Moment fallen und entscheide dann, ob es dir gefällt oder nicht“, schlug er leise vor und trat ein Stück weit hinter Harry, sodass sie sich nicht mehr in die Augen sehen konnten. Harry war wie gelähmt, als Stephen sanft seinen Arm um Harrys Bauch legte, während sein Atem noch immer über sein Ohr streifte. Dann senkte der Ravenclaw den Kopf und setzte einen kleinen Kuss auf Harrys Schulter. Ganz langsam verteilte er weitere Küsse Richtung Halsbeuge, brach dort dann ab und wanderte wieder zu Harrys Ohr. Erneut erschauderte der Gryffindor, als ihm ein Kuss auf die Ohrmuschel gesetzt wurde. Nun wanderte Cornfoot mit seinen Küssen weiter nach unten, unters Ohr, zum Kiefer und schließlich zum Hals. Unwillkürlich blieb Harry die Luft weg und ein Kribbeln wie tausend Ameisen machte sich in seinem Bauch breit. Als nächstes spürte der Gryffindor eine Zunge, die sich zu den Küssen dazu gesellte und immer wieder flüchtig über seinen Hals huschte. Nun hatte Stephen sein Erschaudern mit Sicherheit bemerkt und ihm fiel sicherlich auch auf, wie sich Harrys Atem beschleunigte. Wo dem Gryffindor vorhin schon das Denken schwer fiel, so war es nun komplett ausgefallen. Cornfoots Hand wanderte ein Stück weit unter Harrys Pullover, um ihn schließlich sanft an der Taille ein wenig zu sich herumzudrehen. Etwas unsicher sah Harry erneut in die Augen des anderen. „Und, ist es okay so?“, flüsterte Cornfoot mit einem Schmunzeln auf den Lippen, während an seinen Augen bereits seine Erregung abzulesen war. Harry schluckte erneut und versuchte gar nicht erst auch nur ein Wort herauszubekommen. Langsam näherte Cornfoot sich seinem Gesicht, was Harrys Herzschlag erneut beschleunigte. Sanft und doch bestimmt legten sich Stephens Lippen auf Harrys, welcher erneut die Luft anhielt. Dieser Kuss war gar nicht so viel anders als der von Severus und doch... Es war berauschend, es war beflügelnd, aber anders beflügelnd als bei Severus. Cornfoots Hand wanderte unter dem Pullover weiter zu Harrys Rücken, um ihn näher an sich zu ziehen und bereitwillig lehnte der Gryffindor sich an ihn, während sie den Kuss vertieften. Es war definitiv nicht Cornfoots erster Kuss, so viel stand fest. Nein, er hatte genug Übung, um nun den perfekten Kuss abzuliefern. Harrys Hände wanderten zu Stephens Hüften und rutschen dort ebenfalls unter den Pullover, woraufhin sich eine freche Zunge über Harrys Lippen schlich. Automatisch öffnete der Gryffindor den Mund und sofort wurde er in einen heißen Zungenkuss verwickelt, bei dem Harry Cornfoot noch näher an sich zog, um Halt zu finden. Wie ein kurzer Impuls schoss Harry ein intensives Kribbeln vom Bauch in die Leistengegend und er keuchte auf. Das war Cornfoot wohl Bestätigung genug, denn seine andere Hand rutschte in Harrys Hosentasche, um seinen Hintern an sich ziehen zu können, während er begann seine Hüfte leicht zu bewegen. Harry keuchte so überrascht auf, dass er den Kuss löste und seine Hände ein Stück weit Cornfoots Rücken hinaufwanderten. Stephen grinste ihm kurz zu, ehe er sich vorbeugte und vorsichtig in Harrys Ohrläppchen biss. Diese Direktheit und Sicherheit, mit der Cornfoot vorging, war mehr als heiß. Trotzdem huschte Harry mit einem Mal das Bild in den Kopf, als Severus ihn im Nebel genau dort geküsst und ihn auch so an sich gepresst hatte. Wie sie sich aneinander gerieben hatten, vollkommen in ihrer Lust gefangen. Energisch schob Harry diesen Gedanken beiseite und ließ eine seiner Hände zu Stephens Schulter hochwandern. Das veranlasste den Ravenclaw dazu, von Harry abzulassen, um sich von seinem Mantel und Pullover zu befreien. Ehe Harry sich versah, stand Cornfoot ohne Oberteil vor ihm und zog ihn erneut zu sich, um ihm einen heißen Kuss zu geben. Harry stieg darauf ein, lehnte seine Hüfte an die des anderen, der sofort bereitwillig anfing, sich zu bewegen. Ein Seufzen entkam Harry und er bekam nur halb mit, wie ihm sein Mantel von den Schultern gestrichen wurde. Langsam verlor Cornfoot seine Zurückhaltung, war er doch bereits, für Harry deutlich spürbar, stark erregt. Er strich erneut über Harrys Seiten, wobei er den Pullover bis zur Hälfte mit hochzog. Harry löste den Kuss, griff nach den Schultern des anderen und schmeckte die salzige Haut an Cornfoots Schulter. Dieser Duft... so erregend er im ersten Moment war, es war irgendwie der falsche. Etwas fehlte daran, nur kam Harry nicht darauf, was es war. Während sich die eine Hand des Ravenclaws auf Harrys Hintern legte, wanderte die andere nach vorne, strich über Harrys Unterbauch und über die Jeans. Harry stöhnte überraschend auf, als die Finger gezielt Druck ausübten. Als Antwort verwickelte Cornfoot Harry in einen weiteren Zungenkuss, knetete seinen Hintern und massierte gleichzeitig mit der anderen Hand durch die Jeans hindurch Harrys Eichel, während Cornfoot seinen eigenen Schwanz ein wenig an Harry rieb. Harry glaubte seine Knie würden nachgeben und prompt sah er wieder vor sich, wie er sein Bein um Severus geschwungen hatte, während dieser ihn am Hintern gestützt hatte. Wie sie sich aneinander gerieben hatten, während er in diese schwarzen, lustverschleierten Augen gesehen hatte. Ehe Harry sich versah, wurde ihm der Pullover von Cornfoot über den Kopf gezogen, der ihn nur achtlos zu Boden fallen ließ. Sofort nahm er ihren Kuss wieder auf und zog Harry dicht an sich. Sie rieben sich aneinander, was Harry ein erneute Seufzen entlockte. Während er einen Arm um Cornfoots Nacken geschlungen hatte, wanderte er mit seiner anderen Hand über seine Seiten zum Unterbauch. Severus war an dieser Stelle kitzelig und Harry empfand es als seltsam, dass Stephen nun nicht genauso den Bauch einzog, wie Severus es getan hatte. Knurrend wegen seiner Gedanken, vertiefte Harry den Kuss und versuchte, Severus endlich aus seinem Kopf zu verbannen. Cornfoot interpretierte dieses Knurren anders und öffnete seinen Gürtel. Wieder hielt Harrys Hand inne, da Severus sich nicht so leicht seiner Hose entledigt hätte. Doch kaum hatte Harry das gedacht, rutschte Cornfoots Hose bereits an seinen Beinen hinunter. Sein Schwanz unter der Boxershorts war inzwischen steinhart und er rieb ihn sofort wieder an Harrys Unterleib, während er Harrys Gürtel ebenfalls öffnete und seine Hand dann in die gelockerte Hose zu seinem Hintern wandern ließ. Das war inzwischen Neuland für den Gryffindor und irgendwie irritierte es ihn mehr, als dass es ihn erregte. Es passte nicht mehr zu den Bildern in seinem Kopf. 'Natürlich passen sie nicht mehr! Dass hier ist Stephen und nicht Severus.', schallte Harry sich innerlich und versuchte krampfhaft, seine Gedanken endlich von Severus fernzuhalten. Cornfoot löste außer Atem den Kuss und sah mit lustverschleierten Augen in die grünen des Gryffindors. „Alles in Ordnung?“ „Klar“, erwiderte Harry ebenso atemlos und küsste Cornfoot erneut. Der löste diesen allerdings schnell wieder und erwiderte: „Bist du sicher? Es ist okay ein bisschen nervös zu sein.“ „Ich bin nicht nervös.“ „Achja?“ Zur Unterstreichung griff Stephen in Harrys Schritt, dessen Erregung deutlich nachgelassen hatte. „Ich bin nicht nervös“, wiederholte Harry. „Es ist nur...“ Aufseufzend schloss er die Augen und senkte den Kopf, sodass Stephen seine Lippen an Harrys Stirn legte. „Ich schätze mal, daran, dass ich ein Kerl bin, kann es nun nicht mehr liegen“, schmunzelte Cornfoot. „Ich denke, das konnten wir zu genüge widerlegen.“ „Ich weiß“, erwiderte Harry und öffnete erneut die Augen. „Das Problem ist eher...“ Wieder zögerte er und hob den Kopf, sodass Cornfoot Abstand nahm und ihn fragend ansah. Dann gab Harry sich einen Ruck: „Ich muss dabei an ihn denken. Du weißt schon, der... in den ich mich vielleicht verguckt habe.“ „Vielleicht?“, zog Cornfoot amüsiert die Augenbrauen hoch. „Also ich denke das Wort kannst du streichen.“ Harry wusste darauf nichts zu erwidern, sondern sah nur unschlüssig in die blauen Augen des anderen. Dieser seufzte auf und fing dann an widerwillig zu grummeln. „Also guut. Ich schätze dann wird das wohl nichts“, grummelte er und Harry war sich nicht ganz sicher, ob er frustriert oder sauer war. Unsicher stand Harry da, während Cornfoot Abstand zu ihm nahm und nach seiner Hose griff. Mit dieser Situation war Harry vollkommen überfordert. Was sollte er denn jetzt tun? Fürs erste schloss er seinen Gürtel und sammelte seinen Pullover auf. Während er ihn umkrempelte, setzte er an: „Stephen, ich wollte... ich meine, ich wollte wirklich...“ „Schon gut“, winkte Stephen knatschig ab. Stirnrunzelnd fragte Harry ein wenig zu angriffslustig: „Bist du jetzt sauer?“ „Nein“, sagte Cornfoot knapp, ohne aufzusehen. „Ich habe nur ein heißes Spiel unterbrechen müssen und stehe nun mit einem Megaständer hier. Klar bin ich da nicht in bester Stimmung.“ Seufzend sah er schließlich doch auf und Harry wunderte sich, keine Wut in seinen Augen zu finden. „Nimm es nicht persönlich, ich muss nur ein wenig herunterkommen.“ Harry nickte stumm und stand hilflos da. Schließlich zog er hastig seinen Pullover über, sammelte seinen Umhang und seine Krawatte ein und warf sich letzteres um den Hals. „Ich, ähm...“, begann er erneut unsicher. „Tut mir Leid.“ „Ich sagte es ist schon gut“, murmelte Stephen. „Jetzt geh schon, ich werde deswegen nicht sauer sein.“ Wieder nickte der Gryffindor nur und blieb einen Moment stehen. Dann gab er sich einen Ruck und verließ schon fast fluchtartig das Klassenzimmer. Als er raus auf den Flur stürmte, wollte er bereits durchatmen, als er sah, dass er nicht alleine war. Verdutzt blieb Severus stehen, der den Flur entlang gelaufen war und Harry nun direkt vor seiner Nase die Tür aufgerissen hatte. Während der Slytherin ihn musterte, erstarrte Harry zur Salzsäule. Oh Shit! Entsetzt sah Harry zum anderen, der skeptisch eine Augenbraue hochzog, doch der Gryffindor konnte genau sehen, wie sich Severus' Augen leicht weiteten. Endlich schaltete sich Harrys Gehirn wieder ein und er nahm eine selbstsichere Haltung ein. 'Na bitte.', dachte Harry für sich. 'Das wird meine Lügen doch nur noch mehr unterstreichen. Das ist perfekt.' Doch so sehr Harry sich das einreden wollte, machte sich ein kaltes Gefühl in ihm breit. War das etwa Schuld? Was es auch war, es war definitiv kein gutes Gefühl. Der Gryffindor atmete tief durch, um sich in den Griff zu bekommen und richtete langsam seine Krawatte. Schließlich gehorchten ihm seine Beine endlich wieder und er kehrte dem Slytherin den Rücken zu, darauf bedacht, den Flur nicht zu schnell hinunterzulaufen. Severus hingegen sah ihm verdutzt hinterher. Harrys Haare waren zerzauster als sonst, der Pullover hatte auch nicht ganz richtig gesessen, er hatte seinen Mantel nur in der Hand gehabt und seine Krawatte hing lose um seinen Hals. Was bei Merlins Bart hatte der Bengel dieses Mal angestellt? Auch hatte Harry sich eindeutig ertappt gefühlt, das war an seiner erschrockenen Reaktion kaum misszuverstehen gewesen. Misstrauisch ging Severus zur Tür, aus der Harry herausgestürmt war und löste endlich seinen Blick vom Gryffindor, der bereits den halben Flur hinter sich gebracht hatte. Langsam betrat Severus den Raum und blieb verdattert im Türrahmen stehen. Stephen Cornfoot stand mitten im Raum, oben ohne, und war gerade damit beschäftigt, seinen Gürtel zu schließen. Sein Pullover, seine Krawatte und sein Umhang lagen verstreut auf dem Boden. Es war als würde jemand eiskaltes Wasser durch seine Eingeweide spülen. Vollkommen schockiert griff Severus nach dem Türgriff, auch wenn er wusste, dass der ihm wohl nicht viel Halt geben würde. Mit aufgerissenen Augen starrte er Cornfoot an, der ihn nicht bemerkte und nun seinen Pullover einsammelte. Das konnte doch nicht wahr sein. Das konnte nicht Potters Ernst sein! Zittrig atmete Severus durch und versuchte sich in den Griff zu bekommen. Er durfte auf keinen Fall vor einem Schüler sein Gesicht verlieren. Erst recht nicht vor einen von Potters One-Night-Stands! „Cornfoot!“, bellt er also kalt und laut zugleich, sodass der andere erschrocken zusammenfuhr. „Was denken Sie eigentlich, was Sie hier machen?!“ „Ähm, Sir, ich habe nur...“, versuchte Cornfoot sich zu rechtfertigen, doch Severus ließ ihn gar nicht erst eine Ausrede suchen. „Ihnen ist doch wohl klar, dass ich solcherlei Aktivitäten in einem Klassenzimmer nicht dulden kann“, zischte Severus wütend. „50 Punkte Abzug von Ravenclaw und Gryffindor! Und Sie und Potter bekommen beide Strafarbeiten bei Mr Filch.“ „Aber...“ „Getrennt, versteht sich!“, fiel Severus ihm erneut kalt ins Wort. „Sir, das ist doch... Potter und ich haben nur...“ „Es ist mir schon klar, was Sie und Potter gemacht haben, Cornfoot!“, rief Severus aus und umklammerte den Türgriff fester, um sein Zittern loszuwerden. Er kochte mittlerweile vor Zorn. „Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie hier rauskommen!“ Cornfoot schluckte, bevor er sich eilig anzog. Die Krawatte warf er sich ebenfalls nur über und schlüpfte dann hastig in seinen Mantel, ehe er zügig am Slytherin vorbeiging. Severus knallte die Tür mit Schwung zu und sah dem Ravenclaw hasserfüllt hinterher. Das war nun wirklich der absolute Gipfel! Soviel also zu Syndias Behauptung, dass Harry es mit dem 'herumvögeln' nicht ernst gemeint hatte. „Du weist ihn ständig ab, wirfst mit fiesen Kommentaren um dich und merkst nicht einmal, dass du ihm damit wehtust! Mach nur weiter so, dann verlierst du ihn wirklich irgendwann an jemand anderen!“ Knurrend strich Severus sich durch die Haare, um Syndias lästige Stimme aus seinem Kopf zu bekommen, und ging Richtung Kerker. Er brauchte jetzt einen Drink. Und danach würde er irgendwen zusammenfalten, völlig egal wen. Selbst Syndia war ihm da recht. Kapitel 65: Eingeschlossen -------------------------- „Jetzt erzähl doch endlich“, quängelte Hermine ungeduldig am nächsten Tag auf dem Weg nach Hogsmeade. „Er hat dich geküsst, oder? So wie du dreinschaust, hat er das sicherlich, aber irgendwas stimmt trotzdem nicht. War er denn nicht gut?“ „Hermine“, murrte Harry augenverdrehend und sah sich kurz um. Nach seinem Treffen gestern hatte Harry seine beste Freundin nicht mehr angetroffen und heute Morgen hatten sie nie genug Privatsphäre gehabt, um dieses Thema anzuschneiden, weshalb Hermine beim gesamten Frühstück auf heißen Kohlen gesessen hatte. „Ja jetzt sag doch“, erwiderte die Hexe ungeduldig und sah Harry mit großen Augen an. Ron hingegen lief relativ schweigend nebenher und schien sich nicht sonderlich für Details zu interessieren. „Jaaa, er hat mich geküsst“, gab Harry langsam zu und Hermine quietschte freudig auf. „Und weiter?“ „Und ähm...“, biss Harry sich nun doch auf die Lippe. „Es war nicht schlecht.“ „Nicht schlecht?“, zog Hermine zweifelnd die Augenbrauen hoch. „Ich wusste es, also gibt es doch einen Haken. Hat er was falsch gemacht? War er zu schnell?“ „Nein, es war nur... nicht richtig.“ „Also stehst du doch nicht auf Männer?“, fragte Ron nun doch und schien einen kleinen Hoffnungsschimmer entwickelt zu haben. „Doch, eindeutig“, verneinte Harry. „Ich denke, so weit hat Cornfoot mir auf jeden Fall geholfen. Aber er war halt... nicht der richtige.“ „Verstehe“, nickte Ron, konnte seine Enttäuschung aber nur schwer verbergen. Hermine fiel kurz ins Schweigen, offenbar scharf am Nachdenken. Dann fragte sie: „Aber du bist dir jetzt sicher, dass du was an Männern findest?“ Harry seufzte auf: „Jaa, willst du es schriftlich?“ „Ne, lieber nicht. Bei deinem Glück liest das sonst noch irgendwann irgendwer, der es nicht lesen soll und die Gerüchteküche schlägt wieder zu“, winkte Hermine schmunzelnd ab. „Da hast du wohl Recht“, erwiderte Harry und er und seine Freunde betraten die Drei Besen. Es war nicht so voll wie sonst, da sich viele Schüler nicht aus dem Schloss trauten oder es ihre Eltern verboten hatten. Auch zwischen den anderen Gästen hier schien die Stimmung gedrückter als sonst. Es wurde sich leiser unterhalten, weniger gelacht und einige saßen auch nur alleine an einem Tisch und tranken stumm ihr Bier. „Es ist schon seltsam, oder?“, murmelte Ron leise, während er den Blick schweifen ließ. „In Hogwarts erreichen uns zwar all die schrecklichen Nachrichten, aber trotzdem ist die Stimmung da noch unverändert. Aber kaum verlässt man das Gelände...“ Hermine und Harry nickten. Stumm gingen sie zu einem freien Tisch herüber und bemerkten gleich, dass sich einige alleinsitzenden Zauberer neugierig zu ihnen herumdrehten. Harry war bewusst, dass er der Grund dafür war. „Ich hole uns mal eben was“, legte Ron fest und ging zum Tresen herüber, um Butterbier zu besorgen. Schon nach kurzer Zeit kam er zurück und nach einem kräftigen Schluck fühlten sich die drei schon wesentlich wohler. „Habt ihr mitbekommen, dass Malfoy auch nicht nach Hogsmeade wollte?“, fragte Hermine. „Der sitzt bestimmt jede freie Minute im Raum der Wünsche“, warf Harry schulterzuckend ein, was ihm einen kritischen Blick von Hermine einbrachte. Der Gryffindor hatte seinen Freunden bereits von Dobbys Beobachtung erzählt und auch seine Vermutung geäußert, dass Malfoy dort irgendetwas baute, doch wie immer stand er mit solchen Spekulationen alleine. „Harry, es könnte doch genauso gut sein, dass er... was weiß ich“, begann Hermine also sofort, „dass er da heimlich ein Mädchen trifft oder sowas.“ Ron lachte auf. „Der würde sich ganz bestimmt nicht verstecken, wenn er was mit einer laufen hätte. Er würde viel mehr mit ihr am Arm durch die Schule stolzieren.“ „Es sei denn das Mädchen käme nicht aus Slytherin“, erwiderte Hermine, wofür sie nun wiederum skeptisch betrachtet wurde. „Das glaubst du doch wohl selbst nicht“, meinte Harry. „Naja, die Idee ist nicht verrückter als deine“, verteidigte sich die junge Hexe. „Hast du denn vollkommen vergessen, dass ich ihn gehört habe, wie er zu Myrte...“ „Hallo Mr Potter“, sagte plötzlich ein Mann, der unauffällig an ihren Tisch getreten war. Verwundert sahen die drei auf. Der Mann war recht klein, hatte einen Zylinder auf und eine Brille auf der Nase, die Harrys alter Brille gar nicht so unähnlich sah. Durch die Gläser hindurch wurde Harry von großen, aufmerksamen Augen geradezu angestarrt. „Darf ich mich vorstellen: Henry Gasch“, streckte er Harry die Hand entgegen. „Ähm... Hallo“, erwiderte Harry schließlich und gab dem Mann sehr zögerlich die Hand. „Wie ich sehe, sind Sie wieder wohlauf“, lächelte der Mann schwach und schien Ron und Hermine gar nicht zu beachten, die skeptisch zu ihm hoch sahen. „Ähm, offensichtlich ja“, antwortete Harry knapp. „Wenn ich mir erlauben dürfte“, sprach der Mann sogleich weiter, ohne die Ablehnung der drei zu beachten, und setzte sich neben Ron mit an den Tisch, „würde ich Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Ich bin ja so furchtbar neugierig.“ Harry wechselte einen Blick mit Ron. „Es ist wirklich unfassbar, wie wenig Informationen an die Öffentlichkeit kommen. Wirklich, so etwas erlebt man nicht oft.“ „Ich liege wohl richtig, wenn Sie damit Necrandolas meinen“, murrte Harry langsam. „Ja natürlich, was denn sonst“, ging der Mann freudig darauf ein. „Alle reden darüber, obwohl eigentlich keiner etwas weiß. Das ist faszinierend!“ „Es braucht auch keiner etwas zu wissen“, warf Hermine ein. „Dieses Thema ist für die Öffentlichkeit vollkommen irrelevant, besonders in diesen Zeiten.“ „Nein, das genaue Gegenteil ist der Fall“, ließ sich der Mann einfach nicht beirren. „Gerade in solchen Zeiten braucht die Bevölkerung ein Thema, über dass sie sich sorgenlos informieren können, über dass sie nachdenken können, um kurz dem ganzen Elend zu entfliehen.“ „Harrys Erlebnisse sind doch kein spannender Abenteuerroman!“, konterte Hermine schockiert. „Ich denke, Sie verstehen zu wenig von Medienwissenschaft, um darüber urteilen zu können, Miss... Granger, richtig?“ „Auch wenn Sie mit Hermine über den Fachbegriff streiten, ändert das nichts daran, dass ich Ihnen keine Informationen geben werde“, schaltete sich Harry wieder dazu. „Aber wollen Sie denn nicht diesen ganzen Gerüchten Einhalt gebieten, die derzeit die Runde machen, Mr Potter?“, lächelte der Mann weiterhin. „Ja besonders hartnäckig war ja die Geschichte, dass Severus Snape Sie entführt hätte. Solche Gerüchte sind schwer auszumerzen, wenn man keine neuen Informationen preisgibt, wissen Sie.“ Sofort wechselte Harrys Stimmung in Wut um. „Und wenn weiterhin solche Gerüchte gestreut werden, könnte es vielleicht passieren, dass gewisse Personen des Rufmordes angeklagt werden“, zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. „Oh, Sie verteidigen Mr Snape also“, beugte der Mann sich neugierig vor und stützte sein Kinn ab. „Natürlich verteidige ich ihn, er hat mich schließlich gerettet“, brauste Harry auf. „Also hat er Sie durch das Labyrinth gelotst und Sie vor Kreaturen beschützt?“ Harry wollte gerade wutschnaubend antworten, als Hermine ihn mit ihrem Arm zurückhielt. „Harry, hör auf, er verwendet nur eine Verhörtechnik, um dich zum Reden zu bringen“, warnte sie den Schwarzhaarigen, der sofort wieder die Zähne zusammenbiss. „Soso, mit Kriminalistik wollen Sie also auch noch vertraut sein“, meinte der Mann nur trocken zu Hermine. „Nein, ich habe nur Erfahrung mit besonders aufdringlichen Reportern gemacht“, zischte sie zurück. „Für welche Zeitung arbeiten Sie?“ „Es geht nicht darum welche Zeitung ich bevorzuge, sondern welche sich für den Artikel interessiert“, gab Gasch schulterzuckend und vollkommen gleichgültig zu. „Dann muss ich Ihnen leider sagen, dass Sie keinen Artikel bekommen werden, den Sie verkaufen könnten“, knurrte Harry und mit einem kurzen Kopfnicken zeigte er den anderen, dass er gehen wollte. „Denken Sie etwa, Sie könnten so einfach weglaufen, Mr Potter?“, fragte der Mann noch immer lässig, nur dieses Mal ernster als zuvor, während die anderen sich erhoben. Langsam wurde das Harry wirklich zu bunt. Wollte der Kerl ihm etwa drohen?! „Wie Sie sehen, kann ich das“, konterte der Gryffindor so trocken wie möglich. „Na, wenn Sie meinen“, zuckte der Reporter die Schultern und lehnte sich zurück. „Denken Sie bloß nicht, ich wäre der einzige Reporter, der auf die Idee gekommen ist, Sie an einem Hogsmeade Wochenende abzufangen.“ Harry schnaubte, blickte sich aber trotzdem unauffällig um, ebenso wie Ron. Fixierten einige der Personen in der Bar ihn etwa stärker als sonst? Nein, Unsinn. Selbst wenn, das machte doch keinen Unterschied. „Auf nimmer Wiedersehen“, murrte Ron noch zum Abschied dem Reporter entgegen und lief neben Harry her, als sei er sein Bodyguard. „Das hätten wir uns eigentlich denken müssen, oder?“, murmelte Hermine, als sie fast an der Tür angekommen waren. „Wir hätten gar nicht erst herkommen sollen.“ „Schon gut, Hermine“, antwortete Harry. „So schlimm ist es nicht.“ In dem Moment wurde der Gryffindor von einem grellen Blitz geblendet und verwirrt blinzelte er. Kaum dass sie die Tür aufgestoßen hatten, waren sie auch schon in einer Traube von Reportern gefangen, die anscheinend alle vor dem Pub auf sie gewartet hatten. Vollkommen überrascht klappte Ron die Kinnlade herunter und sogar Hermine fehlten die Worte. „Mr Potter, wie haben Sie sich gefühlt, als Sie nach Necrandolas wieder in Hogwarts angekommen sind?“ „Was für eine Rolle hat Severus Snape gespielt?“ „Was für Kreaturen leben in Necrandolas?“ „Ist Ihnen der Portschlüssel untergeschoben worden?“ „Was für Verletzungen haben Sie sich in Necrandolas zugezogen?“ „Wovon haben Sie sich in den 24 Tagen ernährt?“ Mit jeder Frage, die Harry aus der Masse heraus zugerufen wurde, wurde sein Fluchtinstinkt größer. Er ballte die Hände zu Fäusten, biss die Zähne zusammen und versuchte ruhig zu bleiben, obwohl er innerlich bereits kochte. „Er beantwortet keine Fragen“, schob Ron sich vor ihn und versuchte so gut wie möglich, die Reporter von seinem Freund fernzuhalten. Endlich konnte auch Hermine sich aus ihrem Schockzustand lösen und zückte tatsächlich ihren Zauberstab. „Lassen Sie uns durch, oder ich verhexe hier jeden einzelnen“, rief sie, doch wirklichen Eindruck machten ihre Worte anscheinend nicht. Nun schob auch Harry sich vor, versuchte stur sich durch die Menge zu quetschen, während Ron und Hermine ihn unterstützten, doch es war hoffnungslos. Tausend Fragen prasselten auf Harry ein und er biss sich bereits auf die Zunge. 'Nicht ausrasten. Das wäre das schlimmste, was du jetzt tun könntest.', redete er sich selbst zu. „War Severus Snape eher eine Hilfe oder Belastung im Labyrinth?“ „Was war das schlimmste, was Sie in Necrandolas erleben mussten?“ Jetzt reichte es endgültig. Wutschnaubend funkelte Harry die Leute an und brüllte: „Als ob das auch nur ein einziger von Ihnen nachempfinden könnte!! Egal was ich Ihnen erzählen würde, KEINER von Ihnen würde auch nur ansatzweise begreifen, welche Tragweite meine Worte hätten!!“ Warnend und beruhigend zugleich legte Hermine ihre Hand auf Harrys Arm, doch war allen dreien klar, dass das kaum helfen würde. Harry hatte Feuer gefangen, jetzt war er nicht mehr so leicht zu stoppen. „Mit welchen Adjektiven würden Sie die Ereignisse beschreiben?“ „Waren Sie gezwungen Dinge zu tun, die Sie sonst niemals tun würden?“ „Das braucht Sie nicht zu interessieren!! KEINEN braucht das zu interessieren, weil das verdammt nochmal MEINE Sache ist!!“ Plötzlich gab es einen lauten Knall und alle verstummten verwundert und hielten nach der Ursache Ausschau. Schon bald erkannten alle, dass Syndia dahinter steckte, die mit finsterem Blick vor der Meute stand. „Als Mr Potters Lehrerin, erkläre ich seinen Ausflug nach Hogsmeade für hiermit beendet. Es wäre wirklich sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie den Jungen durchlassen würden, damit ich ihn zum Schloss begleiten kann“, erklärte sie mit einer solchen Autorität in der Stimme, wie es sonst nur ihr Bruder hinbekam. Die Reporter waren für einen Moment noch vollkommen verdattert und genau diesen Moment nutzten die drei Gryffindors, um sich schnell durch die Menge zu drängeln und an Syndias Seite zu kommen. „Gehen wir“, murmelte Syndia ohne groß die Lippen zu bewegen und setzte sich in Bewegung. Erst jetzt sah Harry, dass Luca kurz hinter seiner Mutter gewartet hatte und nun zu der Gruppe aufschloss. In der Zwischenzeit hatten sich die Reporter aus ihrer Starre gelöst und nahmen die Verfolgung auf, dieses Mal auch mit Fragen, die an Syndia gerichtet waren. Doch bevor die ersten sie einholen konnten, sorgte Syndia mit einem Schlenker ihres Zauberstabes für eine Barriere. So blieb den Reportern nichts anderes übrig, als mit gewissem Abstand hinter Harry herzulaufen. Dieser kochte noch immer vor Wut und konzentrierte sich komplett darauf, seine Ohren taub zu stellen, damit nicht wieder ein Wutausbruch von ihm drohte. Luca gesellte sich zu ihm und sah ihn aufmunternd an, was Harry half sich besser zu beherrschen. So oft war es Harry unangenehm gewesen, dass Luca seine Emotionen und Gedanken kannte, doch nun war es irgendwie beruhigend und stärkte ihm den Rücken. „Es tut mir so leid, Harry“, riss Hermine Harry aus seinen Gedanken. „Ich hätte gleich daran denken sollen, dass Hogsmeade eine schlechte Idee wäre.“ „Hey, wir hätten da alle dran denken sollen“, erwiderte Ron beschwichtigend. Harry sagte nichts weiter dazu. Er war noch mit viel zu viel Wut angefüllt, als das er jetzt beschwichtigend auf Hermine hätte einreden können, also hielt er lieber die Klappe. Schweigend gingen sie zum Schloss hinauf, alle damit beschäftigt, den Reportern nicht wütend irgendetwas zuzurufen. Umso erleichterter waren sie, als sie endlich das Grundstück betraten und die Reporter ihnen nicht mehr nachlaufen konnten. „Severus ist übrigens auch in Hogwarts geblieben“, meinte Syndia plötzlich an Harry gewandt, der skeptisch aufsah. „Wäre doch die Gelegenheit sich mal auszusprechen.“ Sofort verengte Harry seine Augen und funkelte Syndia mörderisch an. Das war ein ziemlich schlechter Zeitpunkt, den Syndia sich da gerade aussuchte, um Harry mit diesem Thema in den Ohren zu liegen. Glaubte sie ernsthaft, dass er ausgerechnet jetzt Bock dazu hatte, sich auch noch mit dem Slytherin herumzuschlagen? Zum ersten Mal konnte er verstehen, warum Severus so oft von seiner Schwester genervt war. „Danke für Ihre Hilfe“, murrte Harry nur als Antwort, darauf bedacht Syndia zu siezen und zog dann mit Hermine und Ron von dannen.   Bereits am nächsten Tag gesellte Luca sich wieder zu der Gruppe. Er tauchte plötzlich beim Mittagessen in der Großen Halle auf und setzte sich einfach neben Harry, um ebenfalls was zu essen. Das Gryffindortrio tauschte kurz einen verwunderten Blick aus, während die anderen Gryffindors immer wieder zu Luca schielten. „Na, wie geht’s?“, begrüßte Harry den jüngeren und versuchte seine Verwunderung zu vertuschen. „Ganz gut“, zuckte Luca fröhlich die Schultern und begann zu essen. „Ich kenne jetzt jeden Winkel von diesem Schloss. Wenn ich nächstes Jahr hier eingeschult werde, kann ich voll vor den anderen Erstklässlern angeben.“ Amüsiert zog Harry seine Augenbrauen hoch. Die Art, wie Luca das gesagt hatte, war mal wieder so typisch er. „Werde aber bitte nicht so besserwisserisch wie Hermine“, zeigte Ron auf seine Freundin, der protestierend der Mund aufklappte. „Nur weil ich ab und zu mal ein Buch lese und dadurch mehr weiß als ihr beide zusammen, bin ich noch lange keine Besserwisserin.“ „Ab und zu mal?“, lachte Ron auf. „Warum bist du dann nicht in Ravenclaw?“, fragte Luca verwundert dazwischen. „Naja, der Hut hat darüber nachgedacht...“, murmelte Hermine. „Keine Sorge, du bist genauso mutig, wie die anderen Gryffindors“, sagte Luca schließlich und Hermine sah verwundert auf. Es war ihr deutlich anzusehen, dass Luca sie wieder gelesen hatte. „Außerdem ist es doch viel schmeichelhafter, wenn man als Gryffindor Jahrgangsbeste wird, statt als Ravenclaw, oder?“ „Ich bin doch nicht die...“ „Doch, bist du sicherlich“, fiel Ron ihr ins Wort. So ging die Diskussion noch eine ganze Weile weiter, bis Harry irgendwann beschloss, dass sie sich schon viel zu lange mit dem Thema aufgehalten hatten und aufstand. Luca begleitete sie noch weiter durch die Flure, während Hermine gerade versuchte, Ron den Stoff aus der letzten Zauberkunststunde begreiflich zu machen. Harry hörte schon gar nicht mehr zu, als Luca plötzlich zögerlich nach seinem Ärmel griff. Fragend sah Harry zu ihm und bekam einen unsicheren Blick zurück. „Alles in Ordnung?“ „Jaaa, nur...“, zögerte Luca, sah sich um und deutete dann zu einem leeren Klassenzimmer, dessen Tür aufstand. Der Gryffindor verstand sofort, schickte seine beiden Freunde vor und ging mit Luca ins Klassenzimmer. Luca zog sich sogar in die hinterste Ecke des Raumes zurück und sah immer wieder flüchtig zur Tür. „Was ist denn los?“, fragte Harry verwundert nach. „Naja, es klingt bestimmt albern, aber...“, begann Luca und strich sich durch die Haare. „Kann ich als Amerikaner überhaupt nach Hogwarts kommen? Ich werde ja kaum eine Eule kriegen, oder?“ Bei dem Anblick, den Harry sich bot, seufzte der Gryffindor auf. „Wahrscheinlich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es die Möglichkeit gibt, dich trotzdem hier anzumelden.“ „Meinst du?“ „Ja“, sagte Harry nun entschlossen. „Wenn du wirklich hierherkommen willst, wird Dumbledore der letzte sein, der dir das verweigern würde.“ Endlich schlich sich ein schmales Lächeln auf Lucas Lippen und Harry lächelte ebenso zurück. Aus dem Stimmengewirr im Flur erhoben sich plötzlich zwei Stimmen, die dem Raum wohl sehr nahe kamen. Sowohl Luca als auch Harry sahen zur Tür, ehe Luca das Gesicht verzog. „Tut mir Leid“, murmelte er mit echtem Bedauern und ging langsam Richtung Tür. Verwundert stand Harry da und sah zum anderen. „Wofür...“ In dem Moment tauchten Syndia und Severus im Türrahmen auf. Der Slytherin hatte Harry noch nicht entdeckt und so betrat er den Raum komplett und sah als erstes Luca. Fragend zog er eine Augenbraue hoch und beobachtete seinen Neffen dabei, wie er sich an seiner Mutter vorbei nach draußen schob. Syndia hingegen stand mit steinerner Miene im Türrahmen, gewillt niemanden mehr vorbeizulassen. „Ihr kommt hier erst wieder heraus, wenn ihr euch endlich ausgesprochen habt“, meinte die Hexe bestimmt. Severus' Blick schoss zu Harry, der bereits zur Salzsäule erstarrt war und nur völlig fassungslos zum Slytherin sah. Dessen Blick huschte wieder zu Syndia, die in diesem Moment die Tür mit einem lauten Knall hinter sich schloss. „Verdammt, Syndia!“, rief der Slytherin aufgebracht und stürmte zur Tür. Als er den Türgriff berührte, zog er seine Hand rasch zurück, da er sich an dem Metall verbrannt hatte. Wütend donnerte er gegen das Holz der Tür. „Syndia, lass den Scheiß! Mach sofort die Tür auf!“ Harry stand noch immer völlig fassungslos da und keuchte auf. Das war doch jetzt nicht Syndias ernst?! Endlich kam Bewegung in den Gryffindor und auch er versuchte die Tür zu öffnen, doch selbst der Zauber Bombarda zeigte keinerlei Wirkung. „Wenn du uns hier mit deinen nutzlosen Zaubern in die Luft jagst, bringe ich dich um“, knurrte Severus aufgebracht und untersuchte den Türrahmen. „Ich versuche nur ebenso wie du hier herauszukommen“, wetterte Harry, ließ Severus aber Platz, damit er die Tür untersuchen konnte. Doch offenbar fiel dem Slytherin keine Möglichkeit ein die Tür zu öffnen. Wutschnaubend drehte er sich zum Gryffindor um. „Was soll dieses Theater, Potter?!“ „Hey, ich bin hier genauso überrumpelt worden wie du, falls du das nicht gemerkt haben solltest!“, rief Harry aufgebracht. „Pfe“, machte Severus abfällig. „Als ob du nicht in der Lage wärst, für so eine Nummer ein bisschen zu schauspielern.“ „Ich habe damit nichts zu tun!“, wütete Harry. „Lieber würde ich mit einem Troll fangen spielen, als mit dir in einem Raum festzusitzen!“ Wieder schnaubte Severus abfällig, ehe er zu den Fenstern ging und deren Rahmen ebenfalls untersuchte, ehe er leise „Verdammt“ murmelte. Unsicher sah Harry zum anderen. „Wir... kommen hier also wirklich nicht mehr heraus?“ „Potter der Blitzmerker. Wie immer“, murrte Severus und ließ sich auf dem Stuhl hinter dem Pult nieder, dabei stur den Blick von Harry abgewandt. Nun war es an Harry abfällig zu schnauben und er ging auf den nächst gelegenen Tisch zu, um sich auf diesen zu setzen. Murrend sah er zur Decke, während er Syndia gedanklich verfluchte. Was zum Teufel hatte sie sich dabei gedacht?! Warum musste sie immer ihre Nase in anderer Angelegenheiten reinstecken?! Was sollten sie denn jetzt machen? „Irgendwann muss sie uns herauslassen, oder?“ „Sie ist stur“, antwortete der Slytherin. „Sie wird uns erst rausholen, wenn wir alt und grau sind.“ Harry seufzte und lehnte sich an der Wand an. „Ich nehme mal an, die Hauselfen werden uns mit Essen und Trinken versorgen, also könnten wir sie nicht einmal mit Durst und Hunger überreden“, überlegte Harry, während er weiter an die Decke starrte. „Ein Potter, der zu Schlussfolgerungen imstande ist“, murrte Severus abfällig. „Wirklich bemerkenswert.“ „Deine dummen Sprüche helfen uns auch nicht weiter!“, ging Harrys Puls wieder hoch. „Deine geistreichen Gedanken ebenso wenig.“ „Grr“, knurrte Harry, ballte die Hände zu Fäusten und hielt sich davon ab auf den Slytherin loszugehen. „Wenn ich versuchen würde dich umzubringen, würde Syndia gezwungen sein zu reagieren.“ „Als ob du in der Lage wärst, einmal etwas richtig zu machen. Syndia weiß das genauso gut wie ich, sie würde nicht einschreiten.“ Völlig fassungslos über diese Antwort, starrte Harry den anderen an. „Keine Sorge, wenn ich lange genug den Raum verwüste, erwische ich dich schon irgendwann. Allein deine dämlichen Kommentare dann nicht mehr hören zu müssen, macht es schon lohnenswert!“ „Sagte der Erfinder der Dämlichkeit“, schnaufte Severus abfällig. „Genau diese Sprüche meine ich!“, rief Harry aus. „Hör auf mich am laufenden Band zu beleidigen!“ „Ich sage nur die Wahrheit. Wenn das gleichzeitig etwas negatives bedeutet, kann ich da nichts für.“ „Nur die Wahrheit?!“, keuchte Harry verständnislos auf. „Okay, dann sollte ich vielleicht auch mal loslegen: Du benimmst dich absolut kindisch und albern! Selbst Luca verhält sich erwachsener als du! Deine dämlichen Sprüche, dein Verbot an mich im Unterricht auch nur zu niesen und deine Legilimentikangriffe, das alles hat das Niveau eines beleidigten 5-Jährigen!“ Wutschnaubend sprang Severus auf und rief zurück: „Und auf was für ein Niveau begibst du dich, wenn du dich wahllos mit Schülern wie Cornfoot triffst?! Kommst du alleine drauf, oder muss ich es auch noch laut aussprechen?“ Völlig fassungslos keuchte Harry auf und funkelte Severus aus sprühenden Augen an. Wenn es so weiterging, würde Syndia die Tür in 10 Minuten öffnen können, weil sie sich bis dahin gegenseitig zerfleischt hätten. Mal sehen, ob Syndia dann ein schlechtes Gewissen hätte. Kapitel 66: Ein Tag zu Zweit ---------------------------- Draußen wurde es immer dunkler und langsam wurde Harry mürrisch. Wie er vermutet hatte, waren auf einem der Tische Sandwiches und Gläser mit Kürbissaft aufgetaucht, doch keiner der beiden hatte das Essen bisher angerührt. „Mürrisch, weil du ein heißes Date verpasst, was Potter“, knurrte Severus abfällig, der sich daran gemacht hatte, aus Langeweile die Schränke durchzusehen. „Ich habe keine heißen Dates“, antwortete Harry ebenso bissig. „Dann sind dir die Schüler von Hogwarts also nicht gut genug, um sie mit diesem Adjektiv zu betiteln. Sind wohl unter der Würde eines Potters. Reine Spielzeuge zum Wegwerfen.“ Verärgert runzelte Harry die Stirn und sah nach langer Zeit mal wieder zum anderen. „Da es dich anscheinend brennend interessiert: Ich hab mich ein einziges Mal mit einem Schüler getroffen und da warst du sogar Zeuge von.“ „Stricke nur weiter deine Lügenmärchen“, zischte Severus und knallte eine der Schranktüren etwas zu heftig zu. „Hätte ich euch nicht erwischt, würdest du jetzt behaupten, dass du mit keinem Schüler etwas hattest.“ Wo Harry seine Augenbrauen gerade noch zusammengezogen hatte, zog er sie jetzt nach oben. „Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“ „Nein, es ist nur so, dass ich schon immer vieles von dir gedacht habe, Potter, aber nie, dass du ein Flittchen wärst.“ Dem Gryffindor blieb der Mund offen stehen. „Eigentlich müsste ich ja stolz darauf sein, dass du mir eine solch dreiste Lüge abgekauft hast“, zischte Harry. „Aber stattdessen bin ich enttäuscht davon, wie wenig du mich nach all dem immer noch zu kennen scheinst.“ „Das, was ich bisher von dir kennenlernen durfte, reicht aus, um mich festzulegen, dass ich dich gar nicht genauer kennen will“, rief Severus wütend. „Hast du es immer noch nicht kapiert?!“, stieg Harry vom Tisch herunter und funkelte den anderen an. „Ich sagte gerade, das mit dem Spielzeug war eine LÜGE. L.Ü.G.E. Soll ich dir das aufschreiben?“ „Und was sollte dann die Aktion mit Cornfoot?!“ „Das hatte damit überhaupt nichts zu tun. Es war reiner Zufall, dass sich das so gut ins Bild gefügt hat!“ „Wie zum Teufel soll das nicht zu der Aussage passen, dass du dich an Schüler heranschmeißt?!“ Inzwischen schrien sich die beiden aus zwei Meter Entfernung an, beide in einer Haltung, als würden sie dem anderen gleich an die Gurgel gehen. „Ich hatte ihn nur um Hilfe bitten wollen. Wir wollten reden, mehr war nie geplant.“ Severus lachte witzlos auf. „Um was für eine Hilfe soll es da gegangen sein? Sollte er dir zeigen, wie man andere Männer auszieht?“ „Nein“, zischte Harry und rang um Beherrschung. „Ich wollte herausfinden, ob ich auf Männer stehe.“ „Ach, natürlich“, spottete der Slytherin. „Und dafür verabredet man sich natürlich zum Vögeln.“ „Wir haben nicht gevögelt“, knurrte Harry gefährlich. „Verkauf mich nicht für blöd, Potter! Das war doch wohl eindeutig...“ „Wir haben rumgemacht, ja, aber mehr ist da nicht gelaufen und wird es auch nie. Es hatte nichts zu bedeuten, er wollte mir nur helfen mich selbst besser zu verstehen.“ „Wohl eher wollte er sich selbst helfen“, spottete Severus abfällig. „Schließlich hat der berühmte Harry Potter ihn rangelassen, das ist doch der Traum eines jeden schwulen Schülers. Und es schien dir ja genügend gefallen zu haben, um ihm die Klamotten runterzureißen.“ „Es hat mir weniger gefallen, als mir lieb gewesen wäre“, knurrte Harry dunkel. „Erzähl doch keinen Scheiß, Potter! Warum sollte ich dir glauben, dass da nichts ernstes gelaufen ist? Was hättest du für einen Grund haben sollen ihn abzuwimmeln?!“ „DU warst der Grund!! Selbst wenn ich ihn gewollt hätte, hätte es nicht geklappt, weil ich dich BESCHISSENEN IDIOTEN nicht aus meinem Kopf bekommen hab!!!“ Harrys Worte schienen im Raum geradezu nachzuhallen. Severus waren seine nächsten Worte im Hals stecken geblieben, während er verdattert den Gryffindor anstarrte, der vor Wut zitterte. „Nenn mich meinetwegen DESWEGEN einen Idioten, dann hättest du ausnahmsweise mal Recht! Da zeigt so ein heißer Kerl wie Cornfoot Interesse an mir und ich habe nichts besseres zu tun, als dabei an ein beschissenes Arschloch zu denken, das mich wortwörtlich dafür hasst, dass ich überhaupt geboren worden bin. Ja, DAS ist idiotisch, ich weiß!!“ Wutschnaubend sah Harry zum Slytherin, der noch immer nichts anderes tat, als ihn anzusehen. „Aber vielleicht sollte ich das auch positiv sehen, denn so kann kein Mann eine Bindung zu mir aufbauen und läuft dann auch nicht Gefahr wegen mir zu VERRECKEN!!“ Harry wollte gerade wieder anfangen ihn anzuschreien, als Severus erstaunlich leise sagte: „Wer von uns beiden ist jetzt nicht in der Lage, eine Lüge zu erkennen?“ „Du hast mir das nicht zum ersten mal gesagt!“, rief Harry weiterhin laut aus. „Meinst du nicht, dass man irgendwann anfängt das zu glauben?! Ich bin nicht so selbstverliebt wie du denkst, ich mache mir durchaus Gedanken darüber, wenn mich jemand kritisiert. Und es ist verdammt hart sich selbst zu fragen, ob so ein beschissener Bastard wie du nicht vielleicht Recht hat!! Ob ich nicht tatsächlich verflucht und dazu verdammt bin, ALLEINE ZU BLEIBEN!!!“ Nun rief auch Severus wieder: „Du hörst doch sonst nicht darauf, was ich dir sage! Was kann ich dafür, wenn du dir ausgerechnet DAS zu Herzen nimmst?!“ „Oh entschuldige, dass es mich mitnimmt, wenn man mich für den Tod meiner FAMILIE verantwortlich macht!!“, schrie der Gryffindor wutentbrannt und inzwischen mit Tränen in den Augen und zückte, ohne nochmal darüber nachzudenken, seinen Zauberstab. Der Zauber verfehlte den Slytherin nur knapp und hinterließ ein Loch im Putz der Wand hinter ihm. „Hast du völlig den Verstand verloren?!“, rief Severus und zückte seinen eigenen Zauberstab. „Offenbar ja, sonst würde ich mir von dir nicht die Laune verderben lassen!“, rief Harry zurück und schickte einen Stupor los, den Severus ohne Mühe abblockte. „Wer hat denn mit dem ganzen Scheiß angefangen!“, wütete der Slytherin und ließ einen der Tische zur Seite rücken, sodass Harry unsanft die Beine weggeschlagen wurden. „DU und zwar im ersten Schuljahr!“, schrie Harry und ließ einen Stuhl auf Severus zusausen, der sich schnell wegduckte. „Mit deinen bekloppten Vorurteilen!“ „Ich habe dich nur auf Abstand gehalten!“ Nun flatterten Bücher aus den Regalen auf Harry zu und umkreisten ihn wie ein Haufen verrückt gewordener Vögel. „Oh natürlich, ich vergaß!“, rief Harry spöttisch und legte ein Buch nach dem anderen lahm. „Wenn der Herr sich in die Ecke gedrängt fühlt, wirft er mit Beleidigungen um sich. Nur denkt er dabei nicht darüber nach, dass seine Worte jemanden VERLETZEN könnten!!“ Wieder ein Zauber von Harry, den Severus abblockte, doch das war reine Ablenkung vom Gryffindor. Stattdessen richtete er einen der Tische auf, der sich nun senkrecht auf den Slytherin zuschob und dabei ohrenbetäubend über den Fußboden schabte. „Sagt derjenige, der sich 'neues Spielzeug' suchen wollte!“ Severus hielt den Tisch mit einem weiteren auf, die krachend gegeneinander stießen. Als nächstes belagerte Severus den anderen mit Flüchen, wogegen Harry keine Chance hatte und schnell hinter einen der Tische floh. „Das habe ich nur gesagt, um mich zu verteidigen!“, rief Harry über das Getöse im Raum hinweg und schickte weitere Flüche am Rand des Tisches vorbei. „Irgendetwas musste ich mir ja zusammenspinnen, um zurückzuschlagen!“ Ohne Mühe blockte der Slytherin sämtliche Flüche und kam schnell näher. Bevor er um den Tisch herum kommen konnte, griff Harry nach einem Kartenhalter und warf sich damit bereits herum, als Severus schon vor ihm stand und ebenfalls nach dem Metallstab griff. Er warf sich mit aller Kraft gegen den Stab und ließ Harry dadurch hart gegen die Wand knallen, Severus nun direkt vor ihm, zwischen ihnen nur der Kartenhalter. „Und da kommt man ausgerechnet darauf, den anderen als Spielzeug zu betiteln?!“, zischte Severus. „Ich wusste, dass dich das am meisten treffen würde, schließlich waren das mal deine eigenen Worte!“, knurrte Harry und stemmte sich von der Wand weg, nur um dieses Mal Severus gegen einen Betonpfeiler zu drücken. Nun etwas verzweifelter klingend, rief er: „Es war das einzige, was mir einfiel, um mich zu wehren, um dich zu verletzen, nachdem du mir diese Scheiße reingewürgt hast!“ Keuchend versuchte Severus anfangs noch, sich zu befreien, doch bei Harrys letztem Satz stellte er seinen Versuch ein. Irritiert stellte Harry fest, dass sich die Wut in Severus' Augen in Entschlossenheit verwandelt hatte. Für seinen Geschmack war Severus' Blick viel zu durchdringend, so als würde er genau wissen, was gerade in Harry vorging. Ernst und erstaunlich beherrscht sagte der Slytherin: „Und dass du dir so einfach die Taten des Dunklen Lords aufdrücken lässt, zeigt nur, dass du sie dir selbst bereits aufbürdest.“ Erschrocken riss Harry die Augen auf. „Der einzige, der dich als verflucht betrachtet, bist du selbst. Der Dunkle Lord hat deine Familie auf dem Gewissen, nicht du.“ Völlig perplex starrte Harry Severus an, welcher die Gelegenheit nutzte, um Harry zu überrumpeln und ihm die Beine wegzog. Der Gryffindor begann zu straucheln und hielt sich nur noch wegen des Kartenhalters aufrecht, an den sich beide wie verbissen klammerten. Sofort schob Severus den anderen von sich und wieder fand Harry sich an die Wand gedrückt wieder. Eindringlich schimpfte Severus weiter: „Hör endlich auf sämtliche Verantwortung an dich reißen zu wollen! Die Menschen sterben in diesem Krieg nicht deinetwegen, krieg das endlich in deinen Dickschädel!“ Fassungslos starrte Harry in die schwarzen Augen des anderen, die ernst zurückblickten. Also gab Severus ihm nicht die Schuld am Tod seiner Eltern? Er sah ihn nicht als einen Fluch an? Nein, das tat er nicht, im Gegenteil. Er verteidigte Harry sogar noch vor sich selbst und das, obwohl Harry nicht einmal gemerkt hatte, dass er sich selbst verurteilte. Wie hatte Severus das erkennen können? Konnte der Slytherin ihn tatsächlich so gut durchschauen? Harry brauchte nur in seine Augen sehen, um die Frage mit Ja zu beantworten. Harry hatte durch Necrandolas gelernt Severus zu lesen, da war es nur logisch, dass es andersherum genauso war. Wie töricht von ihm, dass er diese Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen hatte. Nach Atem ringend, starrten sich die beiden an. Endlich sprach keiner der beiden mehr ein Wort. Harrys Blick hing wie gebannt an diesen schwarzen Augen, die ihn ausgiebig musterten und dabei keinerlei Emotionen verrieten. Die Erkenntnis, dass er für Severus gerade ein offenes Buch war, verunsicherte den Gryffindor komischerweise nicht, im Gegenteil, sie gab ihm Halt und bereitete ihm ein warmes Gefühl von Vertrautheit. Plötzlich schob Severus den Kartenhalter beiseite und erschrocken ließ Harry ihn ebenfalls los. Noch bevor der Halter klackernd zu Boden gefallen war, hatte Harry bereits die Lippen des Slytherins auf seinen. Völlig überrumpelt riss Harry die Augen auf, doch schon nach kurzer Zeit entspannte er sich wieder und erwiderte den ungewöhnlich fordernden Kuss, während Severus eine Hand in Harrys Nacken legte und ihn näher an sich zog. Wie sehr der Gryffindor dieses Gefühl doch vermisst hatte. Besitzergreifend schlang er die Arme um den anderen und zog ihn dichter an sich, während er das heftige Kribbeln in seinem Bauch genoss. Sogleich entbrannte ein Zungenkuss, den irgendwie keiner und doch beide begonnen hatten und der Harry aufseufzen ließ. Die Hand des Slytherins wanderte in Harrys Hinterntasche und der Gryffindor grinste in den Kuss hinein. Das fühlte sich doch schon viel richtiger an, als noch vor wenigen Tagen. Harry klammerte sich regelrecht an den anderen, wollte ihn spüren, schmecken, riechen, er wollte alles von ihm. Er hatte ihn so sehr vermisst, dass es sich anfühlte, als würde sein Herz nun förmlich aufblühen, als würde es ihn beflügeln, sodass er jeden Moment vom Boden abheben müsste. Endlich durfte er das tun, was er wirklich wollte, endlich ließ Severus sich auf ihn ein. Offenbar war Harry nicht der einzige, der den anderen vermisst hatte, denn Severus setzte so viel Leidenschaft in den Kuss, dass es Harry den Atem raubte. Noch nie hatte er den anderen so besitzergreifend erlebt. Besagter Slytherin löste den Kuss, nur um sich unter Harrys Ohr hinabzuküssen. Der Gryffindor schloss genießerisch die Augen, keuchte atemlos, ließ seine Hände zu Severus' Schulterblättern hinaufwandern und verkrallte sich dort im Stoff. „Du Idiot“, flüsterte Severus halbherzig zwischen zwei Küssen, was Harry schmunzeln ließ. „Das kann ich nur zurückgeben“, antwortete er und keuchte überrascht auf, als Severus ihn tatsächlich biss. „Wenn ich dich auch nur einmal noch mit Cornfoot reden sehe...“, knurrte der Slytherin bedrohlich, während er Harry besitzergreifend an sich zog. Zu gerne hätte Harry den anderen damit aufgezogen, dass er so eifersüchtig war, doch die Art, wie der Slytherin deutlich machte, dass Harry ihm gehörte, lies den Gryffindor erregt erschauern und jeder Gedanke an seinen Spott war wie weggefegt. Harry war absolut machtlos, zerfloss geradezu in den Armen des anderen und obwohl das eine völlig neue Seite am Slytherin war, gab Harry sich dem nur zu gerne hin. Er ließ eine Hand zur Robe wandern und knüpfte sie von unten bis zur Hälfte auf, damit er mit der Hand darunterschlüpfen konnte. Ein weiterer Knopf vom Hemd reichte aus, damit Harry endlich über die warme Haut streichen konnte. Severus hingegen lockerte ungeduldig Harrys Krawatte, um so viel Haut wie möglich küssen zu können. Genüsslich leckte er über Harrys Halsbeuge, welcher unwillkürlich erschauderte und sich etwas hilflos an Severus klammerte. Seine Knie wurden so weich, dass Harry glaubte, nicht mehr lange stehen zu können, doch der Arm des Slytherins, der sich um seine Hüfte schlang, bot dem Gryffindor genügend Halt. Verdammt, war das heiß! Hoffentlich hatte Severus nicht vor, in Zukunft jeden Streit so zu beenden, denn Harry konnte schon lange nicht mehr geradeaus denken und würde nun zu allem Ja und Amen sagen, nur damit der Slytherin nicht aufhörte. Langsam begann Harry sein Becken gegen Severus' zu bewegen und als der Tränkemeister sich zusätzlich mit Zunge und Zähnen wieder nach oben zu Harrys Ohr vorarbeitete, gab Harry ein unterdrücktes Seufzen von sich. Begehrlich wanderte Harrys Hand über den Körper des anderen, der Harrys Lippen erneut hungrig in Besitz nahm. Harry seufzte in den Kuss, ehe sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen schlich. Sanft ließ er seine Fingerspitzen an Severus' Bauch entlangwandern, bis er grinsend zu seiner Seite strich. Wie erwartet erschauderte der Slytherin und als Harry es ein zweites Mal wagte, griff Severus knurrend nach Harrys Handgelenk. Leise kicherte Harry auf, was Severus mit einem weiteren Kuss unterband. Dieser Kuss war viel sanfter und liebevoller, als der vorherige und langsam ließ Severus ihn ausklingen, ehe er seine Stirn an Harrys legte. Sie schnappten nach Luft, während Harry spürte, wie Severus versuchte herunterzukommen. Fragend sah Harry zum anderen, der nun langsam seine Augen öffnete und den Blick erwiderte. „Was machen wir hier schon wieder?“, flüsterte Severus ernst, was nun auch das Lächeln aus Harrys Augen verschwinden ließ. Der Gryffindor schluckte, ehe er antwortete: „Ich weiß nicht. Etwas, dass sich... richtig anfühlt, schätze ich.“ „Aber das ist es nicht“, sagte Severus und löste sich vom anderen, um ihn ernst anzusehen. „Und das weißt du genauso gut wie ich.“ Harry seufzte auf, strich sich fahrig durchs Haar und mied den Blick des anderen. Das war ja klar gewesen. Die Enttäuschung und der Schmerz, der ihn gerade erfüllte, durfte auf keinen Fall von Severus gesehen werden. Er musste sich zusammenreißen. Der ernste Blick des Slytherins wirkte wie eine eiskalte Dusche, sodass Harry nun kalt erschauderte, wo ihm eben noch viel zu heiß gewesen war. Severus konnte ihn doch nicht erst so scharf machen, nur um ihm dann solch eine Abfuhr zu verpassen! „Ein bisschen unfair, findest du nicht?“, konnte Harry sich den bissigen Ton nicht verkneifen. „Ich habe dir schonmal gesagt, dass das Leben nicht fair ist“, murrte Severus und knüpfte seine Robe zu. „Du kannst doch nicht einfach...“, wollte Harry bereits protestieren, doch Severus unterbrach ihn energisch. „Ich habe bereits eine Verwarnung von Dumbledore bekommen.“ Die weiteren Worte blieben Harry im Hals stecken. „Was?“, fragte er sprachlos. „Aber... wie... was...“ „Was weiß ich wie und was“, knurrte der Slytherin. „Aber ich weiß, dass Dumbledore erschreckend viel von dem mitbekommt, was hier in diesen Schlossmauern passiert und ich werde kein Risiko eingehen.“ Severus hatte mit so viel Entschlossenheit gesprochen, dass Harry ihm nicht widersprach. Er sah nur in diese schwarzen Tiefen, die vorhin noch so warm gewirkt hatten und nun wieder keinerlei Emotionen zeigten. Genau dieser Blick war Severus' stärkste Waffe gegen den Gryffindor. Was hatte es noch für einen Sinn zu kämpfen, wenn Severus seine Mauern hochgezogen hatte? Erneut schluckte der Gryffindor und murmelte: „Ich versteh schon.“ Murrend schob er sich am anderen vorbei und knurrte verdrießlich: „Wer spielt hier jetzt mit wem?“ Kurz zögerte der Slytherin, doch nach einer Schrecksekunde, ächzte er: „Sei nicht albern, Potter.“ Das war zu viel. Harry hatte sich zurückhalten wollen, doch bei diesem Kommentar klingelten ihm die Ohren. Mit wütendem Blick wirbelte er zum Slytherin herum. „Albern?! Der einzige, der sich hier albern aufführt, bist du! Gerade bist du noch über mich hergefallen und jetzt willst du sowohl mir als auch dir selbst weiß machen, dass zwischen uns nichts läuft?! Dumbledore ist eine Sache, aber es ist eine andere so zu tun, als wäre ich dir völlig egal!“ Genervt wandte Severus sich dem Gryffindor zu und fragte betont sarkastisch: „Willst du von mir etwa ein Liebesgeständnis hören?“ „Nein, d-darum geht es mir überhaupt nicht!“, ließ Harry sich bei dem Kommentar für einen winzigen Moment aus dem Konzept bringen. „Ich will nur, dass du endlich aufhörst krampfhaft so zu tun, als wäre da nichts!“ „Und was dann?!“, rief Severus angriffslustig zurück. „Angenommen ich würde deinem Wunsch entsprechen, was hättest du davon?!“ „Ich... Ich wüsste dann wenigstens, woran ich bin!“ „Falsch! Du wüsstest dann nur, woran du theoretisch sein könntest, es aber nicht sein kannst, weil es die Umstände nicht zulassen!“, erwiderte Severus scharf und skeptisch zog Harry die Augenbrauen hoch. „Was also findest du so verlockend daran zu wissen, was theoretisch zwischen uns sein könnte, wenn es ohnehin nie Realität werden kann?!“ Völlig sprachlos starrte Harry den Slytherin an. Irgendwie hatte Harry erwartet, dass Severus sich irgendwelche haarsträubenden Ausreden ausdenken würde, mit denen er sein dämliches Verhalten begründen konnte, doch mit so einem Argument hatte er nicht gerechnet. Mit etwas kratziger Stimme fragte Harry ruhig: „Hältst du es denn für so theoretisch?“ Ächzend strich Severus sich durchs Haar und antwortete erschöpft: „Verdammt, Potter, du weißt genau, dass es tausend Gründe gibt, wieso es immer theoretisch bleiben wird. Muss ich dir das wirklich auch noch aufzählen?“ Etwas geknickt senkte Harry den Blick und biss sich auf die Lippe. Er traute Severus durchaus zu, dass er tatsächlich tausend Gründe fand. Weil er krampfhaft nach welchen suchte. Was für einen Sinn hatte es dann noch, diese Diskussion weiterzuführen... wenn Severus offenbar kein Interesse daran hatte, irgendwelchen 'theoretischen' Gefühlen jemals nachzugeben? Ruhig und entschlossen sah Harry erneut auf. Einen Versuch musste er noch starten. „Nein, musst du nicht. Das einzige, was ich von dir hören will, ist, welchen wahren Grund du versuchst hinter diesen tausend Gründen zu verstecken.“ „Was?“, fragte Severus verdattert nach und für einen winzigen Moment konnte Harry Panik in seinen Augen aufblitzen sehen, doch der Slytherin hatte sich schnell wieder im Griff. „Was reimst du dir denn jetzt schon wieder für einen Blödsinn zusammen, Potter? Wenn du ernsthaft drüber nachdenken würdest, würden selbst dir mit Sicherheit sofort mindestens drei ernstzunehmende Gründe einfallen.“ „Danach frage ich dich aber nicht, sondern nach deinem ganz persönlichen einen Grund“, blieb Harry stur, doch ein zweites mal tauchte das verdächtige Flackern nicht mehr in Severus' Augen auf. Stattdessen verteidigte Severus sich vehement: „Es gibt viele Gründe, denen ich gleichviel Bedeutung beimesse, Potter! Und die du ebenso ernst nehmen solltest, statt mal wieder zu versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen!“ „Ich nehme sie ernst! Mich regen auch gar nicht die Gründe auf, sondern dass du dich feige hinter ihnen versteckst!“, zischte Harry mit unterdrückter Wut. „Statt einfach mal ehrlich zu sein, verstrickst du dich immer weiter in Verleumdungen und merkst gar nicht, dass du dich schon längst verraten hast!“ „Ach, und was soll ich deiner Meinung nach schon längst verraten haben?“, ächzte Severus im schon beinahe gelangweilten Tonfall. „Dass da sehr wohl etwas zwischen uns ist“, erwiderte Harry ruhig und behielt den Slytherin genau im Auge, doch dessen Maske saß perfekt. „Mag sein, dass es nur 'theoretisch' ist, aber dann ist es doch erst Recht kein Beinbruch, wenn du wenigstens einmal zugeben würdest, dass ich dir nicht egal bin, oder? Was ist daran so schwer, es einmal ehrlich auszusprechen?“ „Ich wiederhole mich nur ungern, aber was hättest du davon?“ „Hör auf mir schon wieder auszuweichen. Sag es doch einfach.“ „Du würdest nur...“ „Sag es einfach.“ Schweigen breitete sich aus, in dem sich die beiden einfach nur anstarrten. Severus' Blick blieb stur und nach einigen Momenten ließ Harry seufzend zu Schultern fallen. Der Slytherin schien sich nichtmal überwinden zu wollen, denn in seinen schwarzen Augen war kein Funke eines inneren Kampfes zu sehen und das enttäuschte Harry mehr, als die Stille an sich. Wenn Severus einfach nur Probleme damit hätte, über Gefühle zu sprechen, wäre das eine Sache gewesen, aber so... das Problem lag nicht beim Können, sondern beim Wollen und das schmerzte. „Schon gut. Vergiss es einfach“, gab Harry den Kampf auf und wandte sich lieber schnell ab. Severus musste nun wirklich nicht sehen, was gerade in ihm vorging. Er kehrte dem Slytherin den Rücken zu und setzte sich auf einen Tisch, der nahe am Fenster stand. Leise brummte er noch: „Es ist dir aber hoffentlich klar, dass selbst bei dieser theoretischen Überlegung reale, praktische Gefühle im Spiel sind.“ „Dir muss aber dafür klar sein, dass das überhaupt nichts ändert“ erwiderte Severus erstaunlich ruhig. „Es gibt einfach äußere Einflüsse, die so etwas wie Gefühle irrelevant werden lassen. Wenn du nicht so stur wärst, würdest du das verstehen.“ „Hm“, brummte Harry nur verdrießlich als Antwort und verschränkte die Arme auf den Knien, während er aus dem Fenster starrte. Da das Gespräch damit beendet war, ging Severus zum Pult zurück und schnappte sich eines der Sandwiches vom Teller, einfach nur, um etwas zu tun zu haben. Doch die ideale Ablenkung war es nicht gerade und so saßen beide einfach nur stumm da, den halben Raum zwischen sich, während es sich eher wie die halbe Welt anfühlte. Harry hatte alle Hände voll damit zu tun, das Gefühlschaos in seinem Inneren in den Griff zu bekommen. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich so viele gegensätzliche Emotionen an die Oberfläche gekämpft, dass es den Gryffindor überforderte. Am liebsten wäre er einfach nur weiterhin wütend geblieben, doch dafür hatte ihm der Schmerz der Zurückweisung die Kraft genommen. Momentan fühlte er sich einfach nur noch emotional erschöpft und so ließ er es zu, dass die Trauer die Überhand gewann. Es verging eine lange Zeit des Schweigens, in der Harry schließlich dazu überging, die Sterne durch das Fenster zu beobachten. Seine Gedanken wurden dabei deutlich ruhiger und er war wieder in der Lage rational zu denken. In einem Punkt musste Harry Severus Recht geben: Wenn Dumbledore ihn bereits verwarnt hatte, mussten sie vorsichtig sein. Auf keinen Fall wollte Harry Schuld daran sein, dass Severus ernsthafte Probleme bekam. Und wenn Dumbledore herausgefunden hatte, was zwischen ihnen geschehen war, dann war es sicherlich auch ein leichtes für ihn, sie weiterhin zu beobachten. Dennoch weigerte Harry sich, ihre Situation einfach so hinzunehmen. Severus konnte so viel von Theorie labern wie er wollte, dieser regelrechte Überfall vorhin war ein eindeutiges Zeichen dafür, dass Severus etwas für ihn empfand. Was genau wusste Harry zwar nicht, aber da war definitiv etwas. Und das wollte der Gryffindor auf keinen Fall ignorieren, sondern dafür kämpfen. Die Frage war nur wie. Naja, für den Anfang sollten sie wohl ihr Kriegsbeil begraben und sich wieder vertragen. Mussten sie eh, wenn sie je wieder hier herauskommen wollten. Und die direkte Konfrontation schien eh nicht zu funktionieren, sonst hätte Severus nicht so eisern geschwiegen. Also blieb Harry wohl nichts anderes übrig, als sich langsam heranzutasten. Er musste die Vertrautheit, die sie seit Necrandolas hatten und die sie in ihrem Streit aufs Spiel gesetzt hatten, wieder aufnehmen. Geduld. Er musste Geduld mit Severus haben und seine eigenen Wünsche und Gefühle erstmal zurückstecken. Leichter gesagt als getan. Nach einer halben Ewigkeit gab der Gryffindor sich also einen Ruck, schlenderte zum Pult herüber und schnappte sich ein paar der Weintrauben vom Teller. Severus schenkte ihm einen kurzen, skeptischen Blick und ihm schien bereits der nächste bissige Kommentar auf der Zunge zu liegen, doch erstaunlicherweise verkniff der Slytherin sich den. Offenbar nahm auch er sich zusammen, damit kein neuer Streit entbrannte. Harry lehnte sich an den Tisch, an dem Severus saß und ließ seinen Blick durch den vollkommen demolierten Raum schweifen. „Vielleicht sollten wir hier ein wenig Ordnung schaffen“, sagte er mit schlechtem Gewissen. „Vielleicht überlassen wir das aber auch Syndia.“ „Okay, klingt gut.“ Wieder entstand eine lange Pause, die deutlich machte, dass keiner der beiden Interesse an einem Streit hatte, sie aber auch nicht wussten, was sie mit dem anderen anfangen sollten. Schließlich sah Harry stirnrunzelnd zur Tür. „Meinst du wir würden die inzwischen aufkriegen?“ „Wenn, dann nur zusammen“, erwiderte der Slytherin und als Harry ihn fragend ansah, erhob er sich und ging zur Tür. „Hand her.“ Unsicher ging Harry auf den anderen zu und gab ihm wie gefordert seine Hand, der sie auf seine eigene legte. Dann griff Severus vorsichtig zusammen mit Harry nach dem Türgriff und tatsächlich konnte er ihn berühren, ohne sich zu verbrennen. Mit klopfendem Herzen sah Harry zu, wie Severus die Türklinke hinunterdrückte... und nichts passierte. „Ach komm schon!“, rief Severus wütend aus und rüttelte an der Tür, doch nichts tat sich. „Der Zauber müsste so gelöst werden können.“ „Anscheinend haben wir uns noch nicht genug vertragen.“ „Offensichtlich“, murrte der Slytherin und ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen, während er der Tür mörderische Blicke zuwarf. „Wenn ich Syndia in die Finger kriege.“ „Verfluchen wir sie abwechselnd?“, schlug Harry vor, setzte sich wieder auf den Tisch vor Severus und naschte weiter von den Weintrauben. „So einfach ist das bei ihr nicht.“ „Na dann solltest du mich aufklären, bevor ich die Chance dazu habe auf sie loszugehen.“ „Um ganz sicher zu gehen, dass sie sich nicht wehrt, müssten unbeteiligte in der Nähe sein, damit sie ihre Aura nicht einsetzt. Aber sie offen im Flur anzugreifen, wenn Schüler dabei sind, ist auch nicht gerade empfehlenswert“, erklärte Severus nüchtern. „Hm“, nickte Harry weiterhin grübelnd und sah dann auf den Teller. „Du solltest dir langsam was von den Weintrauben nehmen, bevor ich alle wegfuttere.“ „Ich mag keine Weintrauben“, murrte der Slytherin und Harry zog die Augenbrauen hoch. „Magst du denn auch keinen Wein?“ Verständnislos sah Severus auf und fragte: „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“ „Ähm... Weintrauben?“ „Du hast noch nie in deinem Leben Wein getrunken, was?“, meinte der Slytherin trocken. Der Gryffindor fühlte sich ertappt, doch war er nicht bereit das auch zu zeigen. „Na und? Der wird trotzdem daraus gemacht.“ „Und trotzdem schmeckt es vollkommen anders“, murrte der andere. „Ich hab schon Traubensaft getrunken“, fiel Harry da wieder ein und Severus starrte ihn an. „Ich gratuliere“, erwiderte er nur monoton und sah für sich das Gespräch als beendet an. Doch nach einem kurzen Schweigen sagte Harry: „Alsoooo... magst du Wein?“ Unwillkürlich verdrehte Severus die Augen und stöhnte genervt auf. „Jaa. Könnten wir diese absolut sinnlose Unterhaltung bitte beenden?“ „Wieso? Wir haben doch ohnehin nichts besseres zu tun.“ „Wir könnten darüber nachdenken, wie wir diese blöde Tür aufbekommen“, knurrte der Tränkemeister. „Tu ich doch schon“, zuckte Harry die Schultern. „Das mache ich nebenbei.“ „Damit kommen wir aber nicht weit, weil du ja schon bei hundertprozentiger Konzentration selten zu guten Ideen kommst.“ „Hey“, beschwerte sich der Gryffindor. „Ich hatte schon viele gute Ideen und das meist sogar mitten in Stresssituationen.“ „Achja? Davon habe ich im Unterricht bisher aber wenig gesehen.“ „Dann stresst du mich wohl zu wenig.“ „Sieht so aus. Ich werde mich künftig mehr anstrengen.“ „Gut.“ Beide sahen sich einen langen Moment herausfordernd an, als wären sie in einem Wettkampf darum, wer als erstes aufgab und eine Regung in der Mimik zeigte. Schließlich zog Harry auch noch eine seiner Augenbrauen hoch, woraufhin Severus trocken kommentierte: „Du kannst es immer noch nicht.“ Gespielt gefrustet seufzte Harry und gab auf. „Irgendwann“, prophezeite er geheimnisvoll, wofür er nur einen skeptischen Blick kassierte. „Träum nur weiter.“ „Ich bin gerne ein Träumer.“ „Aber bitte nicht in meinem Unterricht.“ Wieder entstand eine Pause und Harry sah grübelnd zur Tür. „Der Unterricht“, kam ihm plötzlich die Erkenntnis. „Was?“, fragte der Tränkemeister skeptisch. „Unser Streit hat im Unterricht angefangen“, erklärte Harry. „Vielleicht will Syndia, dass wir über den Grund für diesen Streit reden.“ Eine Augenbraue hochziehend grummelte der Slytherin: „Du meinst darüber, dass du dich unmöglich benommen hast.“ „Das habe ich nur, weil du mir aus dem Weg gegangen bist“, protestierte Harry. „Ich wollte dich dazu zwingen mir Nachsitzen zu geben.“ „Dir ist schon klar, dass du der einzige Schüler bist, der Nachsitzen haben will, oder?“, erwiderte Severus spöttisch. „Den anderen war bereits aufgefallen, dass du mich nur noch mit Samthandschuhen angefasst hast“, zog Harry verärgert die Augenbrauen zusammen. „Irgendetwas musste ich da doch gegen tun.“ „Das ist doch nur eine Ausrede“, blaffte der Slytherin. „In Wahrheit warst du beleidigt, weil ich dich ignoriert hab.“ „Nein, das... ich meine...“, suchte Harry nach einer Antwort, ehe er bissig zugab: „Mag sein. Aber trotzdem fingen die anderen an, unser Verhalten verdächtig zu finden.“ „Hast du auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, warum ich dir kein Nachsitzen mehr gegeben hab?“, zischte der Slytherin mit zu Schlitzen gewordenen Augen. „Weil du mir aus dem Weg gegangen bist!“ „Und warum?!“, sprang Severus verärgert auf. „Was weiß ich warum“, wetterte Harry und machte eine weite Geste mit dem Arm. „Du verhältst dich oft so kindisch, wie soll ich das bitte nachvollziehen können?!“ „Der einzige, der hier kindisch ist, bist du!“, rief Severus. „Du denkst nicht über Folgen nach und handelst so, wie es dir gerade passt. Und genau aus dem Grund, wollte ich dich nie wieder mein Büro betreten lassen!“ „Dachtest du etwa, ich würde einfach über dich herfallen?“, fragte Harry verständnislos. „Ich dachte, du würdest die einfache Tatsache ignorieren, dass hier meine Freiheit auf dem Spiel steht“, zischte Severus erbost. „Wir hatten alles im Krankenflügel geklärt und trotzdem bist du nach dem Unterricht wieder auf mich zugekommen. Wie hätte ich denn sonst reagieren sollen, wenn du offenbar nicht den Ernst der Lage erfassen konntest?!“ Erstaunlich ruhig sah Harry zum anderen, der ihn böse anfunkelte und offenbar auf eine Antwort wartete, die er sofort wieder niederschmettern könnte. Harry hob leicht die Arme und sagte: „Wir sind doch jetzt auch hier alleine. Tu ich irgendwas unvernünftiges?“ „Ab und zu hast auch du mal deine hellen Momente“, knurrte der Slytherin und setzte sich wieder hin. „Wer weiß, wann das wieder aussetzt.“ Beinahe schmollend starrte er Richtung Tür und ignorierte den Gryffindor, der aufseufzte. „Ich hatte nicht vor dich irgendwie wieder herumzukriegen“, erklärte er ruhig. „Dieser Kuss war nur... ein Test für mich selbst.“ „Das hattest du bereits erwähnt“, grummelte der andere weiter. „Du testest gerne, ob ich mich auf dich einlasse oder nicht.“ „Nein, darum ging es nicht.“ „Sondern?“, sah Severus ihn mit herausfordernd funkelnden Augen an. Harry zögerte, da er nicht wusste, was er antworten sollte. Die Wahrheit war ihm da nun doch etwas zu viel. „Es ging da um mich selbst“, versuchte er auszuweichen. „Wie ich schon gesagt hatte, das mit Cornfoot war auch... ich musste mir einfach über ein paar Dinge klar werden.“ Der Slytherin musterte Harry, um in seinen Augen irgendein Anzeichen von einer Lüge zu entlarven. Schließlich unterbrach er den Blickkontakt und antwortete nur mit einem kurzen „Hm“, was Harry als Zeichen dafür verstand, dass Severus ihm endlich glaubte. Als Harry bereits damit anfing, auch noch die letzten Weintrauben zu vernaschen, sagte der Tränkemeister: „Was hältst du davon, wenn ich dir im Unterricht Nachsitzen gebe, das nur als Tarnung für den Okklumentikunterricht dient?“ Überrascht sah Harry auf, doch Severus schien es tatsächlich ernst zu meinen. „Ach stimmt, den müssen wir ja auch mal anfangen“, erwiderte der Gryffindor leise und schob sich eine Weintraube in den Mund, eher er nickte. „Ist gut. Zwei Probleme mit einem Schlag gelöst.“ „Gut“, sagte Severus knapp, ehe er spöttisch hinzufügte: „Sind nun alle Probleme des werten Herren geklärt?“ Harry wusste, dass dieser Spott reiner Selbstschutz war und so nahm er ihm das nicht übel. „Fragen wir die Tür“, grinste Harry schief. „Also schön“, stand Severus auf und Harry folgte ihm zur Tür. Ohne zu zögern, legte Harry seine Hand auf die des anderen und gemeinsam griffen sie nach der Türklinke. Severus drückte sie herunter und tatsächlich: Die Tür sprang auf. Etwas zögerlich lugten die beiden in den Flur, der komplett dunkel und menschenleer war. Kein Wunder, es war auch mitten in der Nacht. „Sie hatte nichtmal den Anstand auf uns zu warten“, knurrte der Slytherin und verließ endgültig den Raum. „Vielleicht dachte sie, dass wir noch länger brauchen würden.“ „Dir ist schon bewusst, dass wir über zwölf Stunden da drin waren, oder?“, zog Severus skeptisch eine Augenbraue hoch. „Ja“, antwortete Harry unbeirrt. „Für unsere Verhältnisse ging das doch flott, meinst du nicht?“ Der Slytherin gab ein Grummeln von sich, das Harry weder als Zustimmung noch als Ablehnung identifizieren konnte, und so grinste er nur als Antwort. „Na dann, bis in ein paar Stunden in aller Frische im Unterricht, Potter“, spottete der Slytherin und wandte sich ab, um in die Kerker zu gehen. „Kannst du mich nicht wenigstens zum Turm bringen?“, rief Harry ihm nach. „Was ist, wenn ich dabei erwischt werde, wie ich nach Sperrstunde im Schloss herumgeistere?“ „Dein Problem, Potter“, rief Severus, ohne sich auch nur umzudrehen und verschwand um die nächste Ecke. „Pfe“, machte Harry beleidigt und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Dennoch musste er anfangen zu grinsen. Das war mal wieder typisch Severus. Kapitel 67: Erwachen -------------------- „Oh nein“, ächzte Hermine am nächsten Morgen beim Frühstück, als sie den Tagespropheten entrollte. „Wer ist heute gestorben?“, erwiderte Ron monoton, ohne vom Essen aufzublicken. „Darum geht es nicht“, schüttelte Hermine den Kopf und sah besorgt zu Harry. „Sondern um das Hogsmeade-Wochenende.“ „Zeig her“, streckte Harry seine Hand auffordernd aus und zögerlich gab die Hexe ihm die Zeitung. „Harry Potter für immer traumatisiert – Wird er je wieder der selbe sein?“ stand da als fette Schlagzeile, was auch Harry aufseufzen ließ.   „Letzten Samstag hat Harry Potter sich zum ersten Mal seit den schrecklichen Ereignissen im März der Öffentlichkeit gestellt und wir müssen sagen, dass uns sein Auftreten sehr beunruhigt. Sein scheuer Blick und sein ungezügeltes Temperament fiel jedem auf, der auch nur in seiner Nähe war. Zum Schutz hatte er seine beiden Freunde Ronald Weasley und Hermine Granger bei sich, die wohl mehr die Mitmenschen vor ihm als Potter vor anderen schützen sollten. „Seit er aus Necrandolas wieder zurück ist, ist er labil und unberechenbar“, berichtet uns einer seiner Klassenkameraden, der nicht genannt werden will, aus Angst vor Wutausbrüchen unseres Helden. „Er rastet regelmäßig vollkommen grundlos aus und muss ruhiggestellt werden. Obwohl er offiziell seit Wochen aus dem Krankenflügel entlassen worden ist, war er in der Zwischenzeit schon mehrmals wieder tagelang dort.“ Nicht nur einer, sondern viele Schüler erzählten uns in Hogmeade von den Panikattacken Harry Potters, die sowohl Schlaf als auch Unterrichtsstunden zu rauben scheinen. „Vor allem in Anwesenheit von Professor Snape ist er ständig nervös, weil er ihn wahrscheinlich zu sehr an Necrandolas erinnert. Der Zaubertränkeunterricht ist mit ihm unberechenbar und letzte Woche hat Potter Professor Snape sogar grundlos wirres Zeug entgegengeschrien, einfach nur, weil sich ihre Wege gekreuzt hatten.“ Je mehr Schüler uns von den Ereignissen in Hogwarts berichteten, umso besorgter wurden wir um Harry Potter. Hat Necrandolas ihm möglicherweise den Verstand geraubt? Und wird er sich jemals von diesem Trauma erholen? Jedenfalls ist es unverantwortlich von Schuldirektor Albus Dumbledore, dass er den Jungen weiterhin zwingt in den Unterricht zu gehen, obwohl er offensichtlich dringend im St Mungo betreut werden sollte.“   „Wer soll denn bitte alles mit denen geredet haben?“, runzelte Ron die Stirn, der über Harrys Schulter hinweg mitgelesen hatte. „Bei der Masse an Reportern, die Samstag in Hogsmeade war, hat sicherlich der eine oder andere einen redefreudigen Schüler erwischt“, meinte Hermine grummelnd. „Der Vorteil ist“, begann Harry und versuchte lässig zu klingen, „dieser Artikel wird sich nicht groß auf die anderen auswirken. Jeder von ihnen war schon Zeuge von mindestens einem Wutausbruch von mir, also halten die mich eh schon alle für verrückt.“ Hermine warf ihm einen Blick zu, der einen Hauch Mitleid enthielt, was Harry aber ignorierte. Ron hingegen stieg auf seinen Galgenhumor ein: „Und beleidigen oder schikanieren werden sie dich auch nicht, weil sie alle Mitleid mit dir haben.“ Grinsend erwiderte Harry: „Du meinst es gehört sich nicht, einen geistig verwirrten zu mobben.“ „Ganz genau“, lehnte Ron sich ebenfalls grinsend zurück. Hermine warf den beiden nur abwechselnd Blicke zu, ehe sie fauchte: „Ihr beide seid doch nicht mehr ganz dicht!“ „Du sagst es“, erwiderte Harry grinsend. „Das hier ist durchaus ernst zu nehmen“, deutete Hermine auf den Zeitungsartikel. „Begreifst du denn nicht, dass sie dich damit für unmündig erklären? Uns steht ein Krieg bevor, bei dem du unsere einzige Hoffnung darstellst. Wenn keiner mehr deinem Urteilsvermögen vertraut, haben wir schon so gut wie verloren!“ Nun doch wieder ernster antwortete Harry: „Die einzigen, die meinem Urteilsvermögen vertrauen müssen, seid ihr beide, Dumbledore und der Phönixorden. Und glaubst du wirklich, dass auch nur einer aus dem Orden sich durch diesen Artikel beeinflussen lässt?“ Darauf hatte Hermine nichts zu erwidern. „Ich habe es satt, mich durch sowas herunterziehen zu lassen, Hermine“, erklärte Harry weiter. „Die Zeiten, wo der Tagesprophet unser größtes Problem war, sind vorbei.“ Kurz schwieg die junge Hexe und schien sich geschlagen zu geben. Dennoch erwiderte sie noch abschließend: „Trotzdem wird es damit Voldemort wesentlich leichter fallen, die Bevölkerung gegen dich aufzuhetzen.“ „Wir werden uns eh verstecken müssen, oder?“, zuckte Harry mit den Achseln und beendete sein Frühstück. „Willst du jetzt schon zu Zaubertränke?“, sah Ron verwundert zu Harry auf, der sich gerade erhob. Grübelnd warf Harry einen Blick auf die Uhr. „Hast auch wieder Recht. Wenn ich zu spät komme, wird Severus mir Nachsitzen aufgeben können.“ „Er wird schon genug Gründe finden, um diese Tradition wieder aufzunehmen“, grinste Hermine. Schulterzuckend gab Harry ihr recht, ehe er mit seinen Gedanken komplett zu Severus wanderte. Immer wieder dachte er über die Ereignisse im Klassenzimmer nach und war sich von mal zu mal sicherer, dass Severus irgendetwas für ihn empfinden musste. Zum einen war er eindeutig eifersüchtig auf Cornfoot gewesen und zum anderen hätte er ihn doch nicht so geküsst, wenn da nicht etwas wäre, oder? Allein bei dem Gedanken daran, wie besitzergreifend der Slytherin gewesen war, überkam Harry eine angenehme Gänsehaut. Er hatte gar nicht gewusst, dass ein solches Feuer in Severus lodern konnte, das ihn selbst vollkommen machtlos werden ließ. Der Gryffindor war es nicht gewohnt die Kontrolle derart abzugeben, aber in dem Fall hatte es ihm mehr als gefallen. Dass Severus sich selbst belog, war also nur zu deutlich. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, ob Harry geduldig genug sein konnte, um ihr Verhältnis Stück für Stück zu verbessern. Er wusste zwar noch immer nicht, warum genau Severus sich so mit Händen und Füßen gegen ihre besondere Verbindung wehrte, aber wenn er dem Slytherin bewies, dass er ihm vertrauen konnte, dann löste sich das Problem vielleicht bald von selbst. Natürlich durfte Harry dabei nicht vergessen, dass Dumbledore sie im Auge behielt, aber er hatte ja auch nicht vor, kopflos über den Slytherin herzufallen. Das würde der sowieso nicht zulassen. Sicherlich war die Situation ein wenig verzwickt, aber dennoch bekam Harry nun ungemein gute Laune, wenn er an den kommenden Tränkeunterricht dachte.   |„Hallo... du bist aber hübsch, nicht wahr?“|² Kreischend warf das kleine Mädchen die Messingwaage in die Luft und lief davon, während sich Harry unter seinem Tarnumhang vor Lachen krümmte. Dobby hatte ihm erzählt, dass immer ein Mädchen vor dem Raum der Wünsche stand, wenn Malfoy sich dort drin aufhielt, aber als er auf der Karte des Rumtreibers sah, dass dieses Mädchen in Wahrheit Goyle war, war er mehr als erstaunt. So hatte er es sich einfach nicht nehmen lassen, den Slytherin ein wenig zu verschrecken. Sicherlich hatte auch Malfoy den Krach gehört und war nun vollkommen erstarrt in seinem Tun. Es würde wohl eine ganze Weile dauern, bis er es wagen würde, den Raum wieder zu verlassen. Aber umso besser, denn jetzt war der Raum offen und mit etwas Glück konnte Harry ihn öffnen, wenn er nur die richtigen Fragen stellen würde. „Dann mal los“, murmelte Harry und begann auf und ab zu laufen, während er eine Forderung nach der anderen an den Raum äußerte. Immer wieder sah er hoffnungsvoll zur Wand, immer wieder änderte er seine Formulierungen... doch nichts geschah. Die Wand blieb kahl. „Ach komm schon“, jammerte der Gryffindor und seufzte frustriert auf. Malfoy war nur wenige Meter von ihm entfernt, werkelte an irgendeinem Plan und Harry war dazu verdammt vollkommen machtlos vor dem Eingang zu stehen. Das war nicht fair! 'Vielleicht geht es ja doch nur, wenn Malfoy nicht drin ist.', überlegte der Gryffindor, nachdem er eine halbe Stunde lang versucht hatte, den Raum zu betreten. „Harry! Harry!“ Fragend drehte Harry sich um und sah Luca, der aufgeregt auf ihn zugerannt kam. Zuerst war der Gryffindor verwirrt, weil er doch unter seinem Tarnumhang versteckt war und Luca ihn trotzdem sehen konnte, doch dann hätte er sich für diesen Gedanken am liebsten die Hand an die Stirn geklatscht. Wann würde er sich endlich an die Fähigkeiten des Jungen gewöhnen? „Was ist denn?“, fragte Harry und zog den Umhang von sich herunter. Die Augen des Jungen strahlten, als er den anderen endlich erreicht hatte. Vollkommen aus der Puste rief er: „Dad ist wieder aufgewacht!“ „Was, echt?“, staunte Harry nicht schlecht und begann zu lächeln. „Warst du schon bei ihm?“ „Noch nicht, aber wir gehen gleich zu ihm. Mum muss nur noch was erledigen, dann geht es los“, hüpfte Luca freudig auf und ab. „Na das ist ja wunderbar“, freute Harry sich für den jüngeren, den er noch nie so glücklich gesehen hatte. „Ich wünschte du könntest ihn kennenlernen. Aber ich schätze das wäre noch zu viel für ihn. Ich treffe Mum gleich in der Eingangshalle, kommst du mit?“, winkte Luca fröhlich und lief bereits los. Verdutzt sagte der Gryffindor: „Ähm, okay.“ Harry fragte sich zwar, warum er dabei sein sollte, wenn Luca und seine Mutter zum St Mungo gehen würden, aber es schien dem Jungen wichtig zu sein, also setzte Harry sich ebenfalls in Bewegung. Es war gar nicht so einfach mit dem anderen mitzuhalten, da dieser schon fast rannte, während er trotzdem noch genug Atem hatte, um ununterbrochen zu reden. „Mal sehen was er dazu sagt, dass ich nächstes Schuljahr nach Hogwarts möchte. Mum hat zwar schon Ja gesagt, aber Dad hat bei solchen Sachen eher das Sagen. Vielleicht kommt er ja auch bald hierher, wenn er wieder fit genug ist, um das St Mungo zu verlassen. Dann kann ich ihm all die Geheimtunnel zeigen, die ich bereits entdeckt habe. Oh, und er wird von Sir Nicholas begeistert sein! Ich bin mir sicher, dass die beiden sich super verstehen würden. Und ich bin mal gespannt, was er tun wird, wenn er auf Peeves trifft. Hihi.“ Luca redete so schnell, dass Harry kaum mitkam. So aufgeregt und überdreht hatte er den Jungen noch nie erlebt und irgendwie war es schön zu sehen, wie er endlich ein wenig aufblühte. Schon bald hatten sie die Eingangshalle erreicht, in der sie auf Syndia warteten, während Luca fröhlich weiterbrabbelte. So war der Gryffndor schon fast erleichtert, als er Syndia die Treppe herunterkommen sah. Neben ihr lief Severus, der als erstes seinen überdrehten Neffen sah und nicht ganz wusste, wie er darauf reagieren sollte. Erst dann warf er Harry einen kurzen Blick zu. „Können wir los, Mum?“, rief Luca sofort. „Jaa, können wir“, erwiderte Syndia lächelnd und auch sie schien sich verändert zu haben. Sie wirkte irgendwie größer, allein weil sie ihre Haltung offenbar verändert hatte und ihre Augen strahlten genauso wie die ihres Sohnes. „Bis nachher, Harry“, verabschiedete sie sich fröhlich vom Gryffindor, der ihr ebenfalls zulächelte. „Ich erzähl dir nachher alles“, rief Luca, ehe er loslief. Kopfschüttelnd rief Harry ihm nach: „Das kann ich mir denken.“ Nun stand nur noch Severus direkt bei ihm und irritiert stellte Harry fest, dass er anscheinend auch noch etwas sagen wollte. „Das Nachsitzen nachher findet trotzdem pünktlich statt“, sagte er im neutralen Ton und Harry nickte zur Antwort. Kurz blieb ihr Blickkontakt noch erhalten, ehe Severus sich abwandte und ebenfalls durch das Tor ging. Die Hände in den Hosentaschen vergrabend, sah Harry den dreien nach. Schon seltsam, wie harmonisch dieses Bild war. Noch vor einem Jahr hätte Harry niemals gedacht, dass Snape eine solch warmherzige Familie hatte und mit ihr sogar so eng verbunden war. Es war seltsam zwei Personen, wovon eines auch noch ein Kind war, an seiner Seite zu sehen und doch wirkte es so richtig. Vor sich hinlächelnd, wandte Harry sich ab und ging Richtung Gryffindorturm. Wenn der heutige Abend für Okklumentik draufging, musste er seine Hausaufgaben jetzt erledigen.   „Hey“, flüsterte Syndia sanft, als sie auf das Bett zukam. „Da ist ja meine heiß ersehnte Gesellschaft“, lächelte David schwach, während auch seine Stimme alles andere als kraftvoll war. Liebevoll strich Syndia sein dunkelblondes Haar aus der Stirn und gab ihm einen Kuss. „Dad“, rief Luca und sofort bekam er die Aufmerksamkeit des anderen, dessen Lächeln breiter wurde. „Hey kleiner Mann“, krächzte er und streckte seinen Arm aus, um Luca zu sich zu holen. „Wir haben dich vermisst“, murmelte der Junge, woraufhin sein Vater seufzte. „Ja, ich weiß“, flüsterte er und sein Lächeln verschwand. „Ich war... ein wenig erschrocken, als man mir sagte, welches Datum wir haben. Tut mir Leid euch Sorgen gemacht zu haben.“ Dabei sah er wieder zu seiner Frau und strich ihr übers Haar, die nur milde lächelte. „Du bist bei uns geblieben, das ist alles was zählt“, erwiderte sie und küsste ihren Mann erneut. „Du musst mir alles erzählen, was ich verpasst hab“, meinte David weiterhin ernst und nun war es an Syndia zu seufzen. „Eines nach dem anderen“, sagte sie sanft. „Wichtig ist erstmal, dass alle in Sicherheit sind.“ „Harry Potter auch?“, runzelte David die Stirn. „Ja, der auch. Das haben wir Severus zu verdanken“, damit sah Syndia zu ihrem Bruder herüber, der bisher Arme verschränkend im Hintergrund geblieben war. Davids Blick wanderte ebenfalls zum Slytherin, ehe er wieder lächelte. „Unverkennbar mein Schwager. David“, reichte er Severus seine Hand entgegen. „Tut mir Leid, dass wir uns unter den Umständen kennenlernen.“ Langsam trat Severus auf den anderen zu, löste seine Arme und ergriff die Hand des anderen, während er den Blick nicht von den braunen Augen abwandte. „Severus“, erwiderte er und setzte mit leichtem Sarkasmus in der Stimme hinzu: „Besser so, als nur den Namen auf einer Karte zur Hochzeit zu lesen.“ „Severus“, murrte Syndia leise warnend, doch David strich ihr über den Arm. „Schon gut, Schatz, ich kann es ja verstehen“, sagte er zu ihr, ehe er wieder zum Slytherin sah. „Es tut mir wirklich Leid, wie sich das Ganze abgespielt hat, aber ich hoffe, dass wir die Zeit des Kennenlernens ein wenig nachholen können.“ Er sah wieder zu Syndia, ehe er lächelnd ergänzte: „Syndia war überglücklich, als ihr der Auftrag erteilt wurde, nach Hogwarts zu gehen.“ „Das Wiedersehen war“, Severus machte eine Pause, in der er zu seiner Schwester sah und eine Augenbraue hochzog, „turbulent.“ Grinsend erwiderte David: „Das habe ich gehört, ja.“ Obwohl Severus vor hatte, David genau unter die Lupe zu nehmen, bevor er sich eine Meinung über ihn bildete, musste er zugeben, dass er ihm schon jetzt zusagte. Irgendwie hatte Severus sich immer vorgestellt, dass seine Schwester sich Hals über Kopf in eine knifflige Beziehung geworfen hatte, mit einem Mann, der genauso kindisch war wie sie, doch David schien erstaunlich vernünftig zu sein. Eine Eigenschaft, die bei Severus für Pluspunkte sorgte. „Weißt du was, Dad? Ich kenne inzwischen das gesamte Schloss Hogwarts auswendig“, platzte Luca endlich mit den Neuigkeiten heraus, die so lange auf seiner Zunge gebrannt hatten. „Das ganze Schloss?“, runzelte David gespielt staunend die Stirn. „Na dann warst du ja ganz schön fleißig.“ „Jaha“, nickte Luca stolz. „Das war gar nicht so einfach, da sich die Treppen dauernd verschieben und man nie dort landet, wo man letztes mal angekommen ist.“ „Du musst dich am Anfang ja dutzende Male verlaufen haben“, erwiderte David und strich seinem Sohn durchs Haar. Sein Blick blieb dabei an einer Narbe hängen, die vor dem Ohr beginnend noch ganz harmlos aussah, doch sie zog sich noch ein ganzes Stück nach hinten, fast bis zum Hinterkopf. Verwuschelte man nicht das Haar, fiel es einem gar nicht auf. Sofort warf David seiner Frau einen besorgten Blick zu, den er so gut verstecken konnte, dass er Luca gar nicht auffiel. Syndia hingegen biss sich auf die Lippe und sah genauso ernst zurück, was David nicht unbedingt beruhigte. Fröhlich plapperte Luca weiter: „Ohja, sehr oft sogar. Aber wenn ich gar nicht mehr weiter wusste, konnte ich irgendein Portrait oder einen Geist fragen. Allerdings merkte ich irgendwann, dass man nicht auf jeden Geist hören sollte, denn einige von ihnen sind ganz schön hinterhältig.“ „Luca, nun überfordere deinen Vater doch nicht gleich so“, unterbrach Syndia ihren Sohn lächelnd. Der Junge sah ein wenig beschämt drein, denn offenbar hatte er nicht daran gedacht, dass sein Vater noch sehr erschöpft und alles andere als gesund war. Doch dieser lächelte nur warm und verschleierte so grandios, dass er sich eigentlich noch Sorgen machte. „Weißt du womit du mir helfen könntest?“, schlug er seinem Sohn vor. „Ich habe so viel verpasst, ich muss mich erstmal wieder auf den aktuellen Stand bringen. Unten am Eingang gibt es doch bestimmt einen Kiosk oder sowas ähnliches, wo man Zeitungen bekommen kann. Würdest du mir eine besorgen?“ 'Geschickt.', dachte Severus für sich und beobachtete, wie Luca brav nickte. „Mach ich“, sagte der Junge und verließ den Raum. Kaum war die Tür hinter Luca geschlossen, merkte man sofort den Stimmungsumschwung. Ernst sah David zu Syndia und fragte: „Also, was ist passiert?“ Seufzend begann Syndia zu erzählen, wenn auch in Kurzfassung, da Luca jederzeit zurückkommen konnte. So erfuhr David von der Entführung und Folter von Luca, wie Harry ihn gerettet und nach Hogwarts gebracht hatte. Auch von ihrem Auftrag erzählte sie. Wie sie gescheitert war den Kelch zu finden und wie Severus und Harry nach Necrandolas gereist waren. An der Stelle warf sie Severus einen vorsichtigen Blick zu, doch der verzog keine Miene und so erzählte sie weiter. „So langsam hat sich Harry wieder im Schulalltag eingefunden und Luca geht es auch schon wesentlich besser. Er hat sogar ein paar Freunde gefunden, aus der ersten Klasse, aber meistens streift er noch alleine durchs Schloss.“ Lächelnd ergänzte sie: „Er hat einen Narren an Harry gefressen. Ich schätze, er sieht ihn als großen Helden an, seit er ihm das Leben gerettet hat.“ „Er hat doch keine bleibenden Schäden davongetragen, oder?“, fragte David besorgt und Syndia schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles gut. Er bekommt manchmal noch Albträume, aber das ist bereits deutlich zurückgegangen. Er wird langsam wieder er selbst.“ „Gut“, lehnte David sich erleichtert zurück und schloss erschöpft die Augen. „Ich kann dir immer noch alles genauer erklären, aber nicht alles auf einmal“, meinte Syndia. „Du solltest dich nicht überanstrengen.“ „Aber ich habe so viel verpasst“, murrte David und sah sie wieder an. „Was ist mit Voldemort? Hat er schon neue Pläne mit Harry Potter? Und wie kommen die Arbeiten mit dem Ministerium voran?“ „Soweit ich weiß, hat Voldemort seine Pläne durch den Rückschlag mit Necrandolas nicht verändert.“ Murrend verschränkte Severus erneut die Arme. Er wusste genau, dass Syndia nur vage Informationen erhielt und es ärgerte ihn, dass er als wichtigster Spion weggefallen war. Sie waren praktisch blind, was Voldemort anging. „Hat Scrimgeour Projekt 785 angenommen?“, fragte David weiter und Severus warf ihm einen skeptischen Blick zu. Sprach er jetzt verschlüsselt, damit Severus nicht wusste, worum es ging? Er hasste es, wenn jemand ihn für unbefugt hielt. „Nein, es scheiterte daran, dass Scrimgeour nicht so viel Kontrolle abgeben wollte“, seufzte Syndia, ohne die schlechte Stimmung ihres Bruders zu bemerken. „Allerdings ist SK5 einsatzbereit, also können wir dem Ministerium unter die Arme greifen, wenn die Todesser zuschlagen.“ Jetzt reichte es dem Slytherin. Ohne zu wissen, worum es überhaupt ging, warf er überlegen tuend ein: „Die Todesser werden erst dann im Ministerium offensichtlich aktiv werden, wenn sie bereits sämtliche wichtige Positionen eingenommen haben, sprich wenn es zu spät ist. Bis dahin arbeiten sie sich schleichend vor, da sie es sich nicht leisten können, ihren Herren zu enttäuschen.“ Beide sahen zu Severus und er war erstaunt, dass David keineswegs überlegen oder verwirrt dreinsah, sondern seine Aussage durchaus ernst zu nehmen schien. Syndia hingegen erwiderte: „Sev, SK5 hat den Auftrag...“ Sie wurde durch Luca unterbrochen, der in dem Moment wieder den Raum betrat. Er hatte zwei Zeitungen bei sich, die er eilig seinem Vater gab. „Hier, die beiden erschienen mir am umfangreichsten zu sein.“ „Danke mein großer“, lächelte David wieder vollkommen mühelos, wofür Severus anerkennend eine Augenbraue hochzog. Dieser Mann konnte verdammt gut schauspielern.   „Herein!“, hörte Harry Severus aus seinem Büro rufen und so schlüpfte er durch die Tür. Grinsend begrüßte er den anderen betont höflich: „Guten Abend, Sir.“ „Wenn du rumalbern willst, weiß ich jetzt schon, dass das Training heute nichts wird“, murrte Severus als Antwort und legte eine letzte Erinnerung ins Denkarium. „Oder“, ließ Harry sich seine Laune nicht verderben, „du vergisst mal für einen Moment, dass du immer der Spielverderber bist, und steigst mal auf sowas ein. Es könnte ja sogar Spaß machen, weißt du.“ Der Gryffindor erhielt einen giftigen Blick, was sein Grinsen nur noch verbreiterte. Dennoch sah er verstohlen zum Denkarium und betrachtete die dort herumwirbelnden Erinnerungen. Es gab noch immer so viele Dinge, die Severus ihn nicht sehen lassen wollte. Bestimmt alles Situationen, in denen Severus gedemütigt wurde. Der Slytherin hatte einfach zu viel Stolz. „Du lässt die Finger davon“, stellte Severus klar, da ihm der Blick des anderen aufgefallen war. Stirnrunzelnd und Arme verschränkend, verteidigte Harry sich: „Ich hatte gar nicht vor, sie mir anzusehen.“ „Wenn du nichts zu tun hast, kannst du ja schonmal deinen Geist leeren“, lenkte der Tränkemeister gut ab und Harry gab sich seufzend geschlagen. Er gab seine abwehrende Haltung auf und sah zum Feuer, während er versuchte nichts zu fühlen. Bei seinen Übungen war ihm irgendwann aufgefallen, dass es ihm leichter fiel, wenn er sich einen stetigen Punkt aussuchte, den er betrachten konnte. Doch nun trat Severus zu ihm und er konnte es nicht verhindern, dass er fragend zum anderen sah. Dieser musterte ihn ganz genau, was Harry nervös machte. „Nichts fühlen“, sagte Severus ruhig und sah ihn weiterhin an. „Du hast beim letzten Quidditch-Spiel den Schnatz zweimal entwischen lassen. Deine Leistung hat ganz schön nachgelassen.“ Fragend zog Harry die Augenbrauen zusammen und Severus sagte sofort: „Ich will keine Gefühlsregungen sehen.“ Jetzt verstand er. Der Gryffindor schluckte und versuchte sich zu konzentrieren. „Ich war milde gesagt erstaunt, dass du nicht mehr wusstest, was man tut, wenn man von einem Vampir bedroht wird, als du und dein Cousin angegriffen wurdet.“ Harry unterdrückte den Drang, sich auf die Lippe zu beißen und erneut flötete Severus: „Nichts fühlen. Potter hat deiner Mutter den Heiratsantrag in Irland gemacht. Dafür hat er sich illegalerweise auf ein Connemara Pony geschwungen, um wie ein edler Ritter angeritten zu kommen. Hat nicht ganz funktioniert, da das Pony alles andere als begeistert war.“ Nun war ein Grinsen unvermeidbar und Harry beschwerte sich: „Das ist nicht fair.“ „Nichts fühlen.“ „Wenn du mir sowas erzählst?“ „Auch dann nicht. Augen zu.“ „Das verstärkt das Kopfkino nur.“ Severus stellte sich neben ihn, beugte sich zu seinem Ohr vor und erklärte: „Wenn du dich darauf konzentrierst herauszufinden, wo ich bin, wird dich das vom Kopfkino ablenken.“ Ein warmer Schauer wanderte durch Harrys Körper, den er versuchte zu verbergen, und seufzend tat er wie ihm geheißen. Die Schritte des Slytherins waren deutlich zu hören, als er ein Stück weit hinter Harry trat, der die Nervosität in sich aufsteigen spürte. „Ich glaube, das ist eher kontraproduktiv, um den Geist zu leeren“, gab Harry zu. „Vertraust du mir etwa nicht?“, legte Severus leichte Ironie in seine Stimme und Harry konnte vor seinem geistigen Auge sehen, wie er spöttisch eine Augenbraue hochzog. „Ich soll einem Slytherin vertrauen?“, erwiderte Harry ebenso spöttisch. „Mir ist wohl mehr zu vertrauen als dir“, sagte Severus und als Harry protestieren wollte, sagte er sofort: „Nichts fühlen.“ Seufzend versuchte Harry herunterzukommen. Sicherlich wird Severus diese Situation noch mehrmals ausnutzen, um ihm etwas an den Kopf zu werfen, wo Harry eigentlich protestieren würde. Das hatte er sich ja fein zurechtgelegt. „Ich sagte nichts fühlen“, war Severus' Stimme plötzlich von vorne zu hören und Harry Kopf ruckte herum. Wie hatte er das gemacht? Es war doch nichts zu hören gewesen. Wieder verging eine Minute, in der Harry angestrengt lauschte, bis er verblüfft Severus' Stimme nun von rechts vernahm. „Na also, es scheint besser zu werden.“ „Wie machst du das?“ „Still. Konzentriere dich.“ Angespannt lauschte Harry weiter und war jedes Mal erstaunt, wenn Severus sich erneut von woanders bemerkbar machte. Dieses Spielchen spielten sie noch eine ganze Weile, bis Harry auffiel, dass das angestrengte Lauschen ihn tatsächlich von allem anderen ablenkte. „Ich schätze, besser wird es bei dir nicht werden“, sprach Severus wieder von vorne. „Augen auf.“ Harry tat wie ihm geheißen und blickte ruhig zum anderen. „Ich werde versuchen die Erinnerungen an Necrandolas nicht hervorzuholen, aber versprechen kann ich nichts“, erklärte Severus und als Harry nickte, erhob er seinen Zauberstab. „3, 2, 1, Legilimens.“ Sofort brachen ganze Bilderfluten über Harry herein. Duddley, wie er schmatzend ein Eis im Garten verdrückte, während Harry Unkraut jätete …... Ron und Hermine, wie sie Zaubererschach spielten …... Er selbst, wie er heimlich nachts unter der Decke in seinem Zimmer versuchte Hausaufgaben zu machen …... Der Geschenkeberg an Dudleys Geburtstagen …... „Konzentration, Potter!“ Sirius, wie er am See von den Dementoren angegriffen wurde und Harry seinen Patronus heraufbeschwor …... Voldemort, wie er, in einen dunklen Mantel gehüllt, das Blut des toten Einhorns trank …... Sein Traum von Sirius, wie er lachend mit ihm im Garten saß und Zukunftspläne machte... „Du lässt mich schon wieder an viel zu emotionale Momente heran“, keifte Severus und beendete den Zauber. Harry stand keuchend da und hielt sich an der Schreibtischkante fest, während Severus sich seufzend über die Nasenwurzel strich. „Du warst doch so konzentriert. Warum in Merlins Namen wehrst du mich dann immer noch nicht ab?“ „Vielleicht werde ich es einfach nie können“, erwiderte Harry und setzte sich. „Ich dachte du wüsstest endlich, wie wichtig das ist“, warf Severus verärgert ein. „Wenn du dir keine Mühe gibst, verschwenden wir hier nur meine Zeit!“ „Natürlich weiß ich, wie wichtig das ist“, protestierte der Gryffindor. „Und ich denke, die Methode, die wir heute ausprobiert haben, war schon ganz hilfreich.“ „Tse“, machte der Tränkemeister. „Du erwartest also von mir, dass ich das jetzt immer auf diese nette Art versuche? Willst du mich umbringen?“ Sofort huschte ein breites Grinsen über Harrys Gesicht, dann versuchte er sich aber in einem mitfühlenden Gesichtsausdruck, als der andere ihn mit seinem Blick erdolchen wollte. „Ich werde mir Mühe geben, damit du das so schnell wie möglich hinter dir hast.“ Dann ergänzte der Gryffindor aber nun doch noch feixend: „Und keine Sorge, ich werde niemandem erzählen, dass du auch nett beim Unterrichten sein kannst.“ „Das hoffe ich für dich“, knurrte der Slytherin. „Sonst ist mein Ruf im Eimer.“ Kapitel 68: Zerstörte Hoffnung ------------------------------ „Du hast dich noch gar nicht bei mir bedankt“, stellte Syndia fest, ohne ihren Bruder anzusehen. Dieser sah von seinem Mittagessen auf und zog fragend eine Augenbraue hoch. Es war eine Seltenheit, dass Syndia in der Großen Halle zu Mittag aß, da sie oft mit Luca in ihren Räumen gegessen hatte. Doch endlich begann Luca Kontakte in Hogwarts zu knüpfen und aß immer häufiger an den Haustischen. „Wofür sollte ich mich ausgerechnet bei dir bedanken?“, murrte der Tränkemeister und Syndia verdrehte die Augen. „Charmant wie immer, Bruderherz“, sagte sie trocken. „Dafür, dass ich euren Streit geschlichtet habe.“ Sie nickte zu Harry herüber und der Blick des anderen wurde dunkler. „Du kannst froh sein, dass wir dich noch nicht verhext haben“, knurrte er unheilvoll und wollte das Gespräch für sich beenden, indem er sich wieder seinem Essen zuwandte. Syndia hingegen hatte andere Pläne. „Ihr habt euch vertragen, du redest von 'wir'... und wenn ich das richtig sehe, versteht ihr euch besser denn je. Ich finde, das hat ein Danke verdient.“ „Du hast uns einen ganzen Tag lang in einem Klassenzimmer eingeschlossen“, zischte der Slytherin, doch Syndia ließ sich einfach nicht davon beeindrucken. „Ja und der Ordnung in diesem Raum nach zu urteilen, hattet ihr in der Zeit auch eine Menge Spaß. Im übrigen hing die Dauer eures Aufenthaltes nicht von mir ab. Hättet ihr euch sofort ausgesprochen, wärt ihr nach einer halben Stunde schon wieder draußen gewesen.“ „Mit jedem weiteren Wort, das du sprichst, riskierst du einen besonders miesen Fluch, das ist dir hoffentlich bewusst“, knurrte der Slytherin gefährlich leise. „Sei froh, dass wir dich in Ruhe gelassen haben und belasse es dabei, klar?“ „Ich will dich doch nur aufziehen“, grinste die Hexe unbeeindruckt. „Ich freue mich einfach nur für euch.“ „Dann hast du aber eine komische Art das zu zeigen“, grummelte Severus, trank einen Schluck und ergänzte dann irritiert: „Worüber auch immer du dich genau freust.“ „Ich denke, es ist schon Grund zur Freude, dass ihr euch nicht mehr ständig streitet“, trällerte Syndia fröhlich und grinste ihren Bruder verschmitzt an. Dieser sah ausdruckslos zurück, ehe er sagte: „Ich weiß ganz genau, was in deinem Kopf vorgeht.“ „Achja?“, zog Syndia herausfordernd eine Augenbraue hoch. „Und damit verhältst du dich so kindisch wie eh und je.“ „Ich bezweifle, dass ein Kind solche Gedanken hätte.“ „Würde dir pubertierende Göre besser passen?“, spottete Severus, doch Syndia zuckte nur lässig mit den Schultern. Zuckersüß sagte sie: „Wie gesagt, Severus: Ich freue mich für euch.“   Eine weitere Unterrichtsstunde Okklumentik stand an und als Harry Severus' Büro betrat, standen schon zwei dampfende Tassen auf dem Tisch. „Was für ein Service“, begrüßte Harry den anderen grinsend, der das Denkarium hervorholte. „Der rechte ist deiner. Ich hab ihn um ein paar Kräuter ergänzt, die dir bei deinen Konzentrationsproblemen helfen sollten“, erklärte Severus sachlich und begann seine Erinnerungen auszusortieren. „Ich hoffe, er schmeckt trotzdem noch“, sagte Harry und nahm sogleich einen Schluck vom Tee, der seltsam nussig schmeckte. „Bei deiner Geschmacksverirrung“, kommentierte Severus das nur. „Vielen Dank.“ „Gern geschehen.“ Stumm sah Harry zu, wie Severus eine Erinnerung nach der anderen ins Denkarium gleiten ließ. „Sind da... noch viele Erinnerungen an meinen Vater bei?“, fragte er vorsichtig nach. „Nein, die an deine Eltern sind da nicht mehr bei“, erklärte Severus und stellte das Denkarium zur Seite. Grübelnd nickte Harry. „Das heißt nicht, dass dir ganz aus Versehen ein Schildzauber über die Lippen kommen darf.“ „Und was ist mit ganz mit Absicht?“, grinste Harry und erhielt einen tadelnden Blick. „Ja, schon gut, keine Sorge. Auch wenn ich nicht weiß, wie ich dich sonst abwehren soll.“ „Mit deiner Willenskraft, ganz einfach.“ „Mag sein, dass das bei dir einfach klingt“, zog Harry zweifelnd die Stirn in Falten. „Den Ork hast du auch aus deinem Geist verdrängt.“ „Ja, aber du bist nunmal kein Ork.“ „Herzlichen Dank.“ „Das ist doch selbstverständlich.“ „Von dir Komplimente zu hören? Ganz sicher nicht.“ Harry lachte auf. „Wenn die Aussage 'Du bist intelligenter als ein Ork' schon als Kompliment gilt, dann ist sowas ja gar nicht so schwierig, wie ich dachte.“ „Du hast einfach nur Glück, dass ich weiß, wie du es gemeint hast.“ „Oder wir sind inzwischen auf einem Gesprächslevel angekommen, wo jede Aussage, die auch nur ansatzweise nett ist, schon als Kompliment zählt“, spekulierte Harry fröhlich weiter. „Das schließt meine Behauptung nicht aus“, zog Severus eine Augenbraue hoch und Harry gab sich schulterzuckend geschlagen. „Ist der Tee leer?“ „Ich soll den jetzt schon komplett leer trinken?“, fragte Harry erstaunt. „Er schmeckt dir also wirklich nicht, was?“, stellte Severus fest. „Du weißt Tee gar nicht zu würdigen.“ „Ich bin eher ein Kaffee-Fan muss ich gestehen“, murmelte Harry und sah in seine noch halbvolle Tasse. „Und sowas schimpft sich Brite?“ Als Antwort streckte Harry dem anderen nur die Zunge entgegen. Gespielt ungeduldig sagte Severus: „Jetzt sieh zu! Wir können heute nicht allzu lange machen, ich muss noch Hausaufgaben korrigieren.“ Kopfschüttelnd erwiderte Harry: „Kein Spaß am Unterrichten, kein Spaß am Korrigieren. Warum wird jemand wie du überhaupt Lehrer?“ Severus warf dem Gryffindor einen kurzen Blick zu, ehe er erzählte: „Ich bin nur Lehrer geworden, weil Dumbledore es so wollte. Seit ich die Fronten gewechselt habe, habe ich die Position, um besser als Spion arbeiten zu können. Ich kann schnell und unauffällig mit Dumbledore Kontakt aufnehmen, während der Dunkle Lord dachte, ich würde Dumbledore für ihn ausspionieren.“ Verstehend nickte Harry. Das erklärte zumindest, wie ein Lehrer Kinder so hassen konnte. „Und jetzt, wo du nicht mehr spionieren kannst?“, fragte Harry vorsichtig und wusste, dass diese Frage heikel war. „Jetzt ist Hogwarts für mich genauso ein sicherer Ort, wie für dich“, spottete Severus, zeigte aber deutlich, dass er nicht besonders glücklich mit den Umständen war. Spontan fiel Harry Sirius ein, wie er, nutzlos für den Orden, ebenfalls an einem sicheren Ort hatte ausharren müssen. Severus hatte ihn damals deswegen aufgezogen und nun war er selbst in so eine Situation geraten. Harry hätte dem anderen das jetzt vorwerfen können, doch er wusste, dass das nicht das klügste wäre und so biss er sich auf die Zunge. Dennoch konnte er sich eines nicht verkneifen. „Wenigstens sind wir dort gefangen, wo wir uns zu Hause fühlen.“ „Ja, wer weiß wie lange noch“, murmelte Severus leise und stellte seinen eigenen Tee beiseite. „Endlich fertig?“ „Jaaa“, murrte Harry und nahm einen letzten großen Schluck, bevor er die leere Tasse auf dem Schreibtisch abstellte. „Kann losgehen.“   Zeige mir, was Draco Malfoy in dir versteckt. Zeige mir, was Draco Malfoy in dir versteckt. Erwartungsvoll öffnete Harry die Augen, doch wie er schon erwartet hatte, war die Wand zum Raum der Wünsche noch immer kahl. „Das darf doch nicht wahr sein!“, knurrte der Gryffindor und trat frustriert gegen die Mauer, wovon er nur einen stechenden Schmerz im Zeh davontrug. „Au! So ein Mist!“ Während er seinen Fuß ausschüttelte und versuchte den Schmerz loszuwerden, lehnte er sich gegen die Fensterbank und sah seufzend zur gegenüberliegenden Wand. Er hatte schon alles mögliche ausprobiert und nichts hatte geklappt. Langsam war er mit seinem Latein am Ende. 'Was Malfoy baut, was Malfoy plant, was Malfoy versteckt...', überlegte der Gryffindor verbissen. Vielleicht war Malfoy selbst das Problem. Vielleicht funktionierte es besser, wenn er versuchte, ihn aus seinem Wunsch herauszuhalten. Entschlossen lief Harry wieder die Wand auf und ab. Ich brauche einen Raum, in dem ich etwas verstecken kann. Ich brauche einen Raum, in dem ich etwas verstecken kann. Beim dritten Mal öffnete Harry die Augen und sah zu der Tür, die erschienen war. Mit klopfendem Herzen öffnete er sie, betrat den Raum und... seufzte laut auf. Er war in einer riesigen Halle, in der sich so viele Gegenstände auftürmten, sodass es aussah, als bildeten sie die Hochhäuser einer ganzen Stadt. Offenbar hatten viele Generationen von Hogwartsschülern hier Sachen versteckt, die niemand zu Gesicht bekommen durfte. Selbst wenn Malfoy wirklich in diesem Raum tüftelte, war es unmöglich herauszufinden, woran. Die Schultern hängen lassend, ging Harry durch einige der Gänge und musste trotz seiner Enttäuschung doch staunen. |Demolierte Möbel, schwarzmagische Bücher, Fangzähnige Frisbees, giftig aussehende Zaubertränke, Juwelen, Umhänge... Das waren alles Dinge, die ohne Zweifel allesamt verboten waren. Als Harrys Blick auf eine blutbefleckte Axt fiel, musste er trocken schlucken und ging lieber schnell weiter, allerdings war ihm nicht weniger mulmig, als er kurz darauf vor einem ausgestopften Troll stand. Was waren das nur für Menschen gewesen, die solche Gegenstände hier versteckt hatten? Jedenfalls waren auch ganz harmlose Schüler unter ihnen gewesen, denn Harry konnte viele Scherzartikel zwischen den Bergen aus Gerümpel erkennen, einiges davon war sogar von den Weasley-Zwillingen. Harry musste sogar selig lächeln, als er das kaputte Verschwindekabinett entdeckte, in dem Fred und George Montague letztes Jahr versteckt hatten. Seinen Unmut schon vollkommen vergessend, schlenderte Harry neugierig weiter und wunderte sich über so manche Gegenstände. Beispielsweise über eine schlichte Büste, die zwar ziemlich hässlich war, aber an sich harmlos wirkte. Irgendwie tat sie Harry leid und so setzte er ihr ein Diadem auf, dass er aus einem Haufen Blechkannen zog. Doch wirklich besser sah sie dadurch auch nicht aus. Schulterzuckend stöberte Harry weiter und öffnete den von Blasen überzogenen Schrank, der daneben stand. Darin befand sich ein Käfig mit einem schon lange toten Haustier, das nur noch aus Knochen bestand.|² Harry riss die Augen auf und erstarrte zur Salzsäule, jedoch nicht wegen dem grausamen Schicksal, den das Tier ereilt hatte. Nein, was ihn so schockierte war, dass es fünf Beine hatte. Blitzartig bildete sich vor Harrys innerem Auge ein Bild: Struppiges, rot-braunes Fell, Stacheln auf dem Rücken, gelbe Augen, spitze Reißzähne. Erschrocken taumelte er ein Stück zurück und konnte den Blick nicht von diesem Skelett abwenden, während er von den Erinnerungen an den Kampf gegen den Quintaped überwältigt wurde. Er ballte die Hände zu Fäusten und riss sich zusammen. Hatte er diese Phase nicht längst hinter sich gelassen? Damit musste endlich Schluss sein! Entschlossen drehte Harry sich um und ging zurück. Seine Laune zum Stöbern war ihm vergangen und so versuchte er den Weg zurück zur Tür zu finden. Ziemlich gefrustet verließ er den Raum der Wünsche und sah mürrisch zur Wand zurück, an der die Tür gerade verschwand. Und jetzt? Er hatte nichts gefunden und im Grunde konnte er ja nicht einmal sicher sein, dass das der Raum war, in dem Malfoy sich auch aufhielt. „Wirklich klasse“, murrte Harry und verschwand den Gang hinunter.   Mit einem unguten Gefühl klopfte Severus an die Tür des Schulleiterbüros. Dumbledore hatte ihn zu sich bestellt, um etwas wichtiges zu besprechen und da Severus sich momentan für den Orden nutzlos fühlte, konnte er nur vermuten, dass es einfach um schlechte Nachrichten ging. „Herein“, war die Stimme des Direktors zu hören und Severus atmete tief durch, ehe er das Büro betrat. „Sie wollten mich sprechen?“ „Das wollte ich, ja“, erwiderte Dumbledore und deutete dem Slytherin, sich zu setzen. Es machte sich Stille breit, in der Dumbledore durch das Fenster hinaus in die Nacht sah und dabei so müde und schwach aussah, wie noch nie zuvor. Das Gefühl des Tränkemeisters verstärkte sich und er wurde unruhig, wagte es aber nicht, die Stille zu durchbrechen. Endlich begann Dumbledore langsam und ernst: „Severus, das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und wie Sie wissen, habe ich auch nicht mehr lange zu leben. Der Fluch frisst mich langsam auf.“ Severus' Blick huschte zu Dumbledores schwarzer Hand, ehe er wieder aufsah. Der Direktor löste sich vom Fenster und wandte sich dem anderen zu. „Es ist an der Zeit, dass ich mein Wissen bezüglich Voldemort weitergebe, damit ihr ihn auch noch besiegen könnt, nachdem ich bereits das Zeitliche gesegnet habe.“ Dumbledore ließ sich auf seinen Stuhl nieder, sah Severus aber weiterhin nicht an. „Ich habe Harry inzwischen fast alles im Unterricht beigebracht, was er wissen muss. Allerdings gibt es eine Information, die er erst kurz vor dem Sturz Voldemorts erfahren darf und diese Aufgabe werde ich nicht mehr übernehmen können.“ „Also soll ich sie übernehmen?“, fragte Severus und Dumbledore nickte stumm. „Es ist von größter Wichtigkeit, Severus. Eigentlich wissen Sie sogar schon, worum es geht.“ Eiseskälte machte sich in Severus breit und seine eigene Stimme wirkte auf ihn seltsam fremd, als er sagte: „Dass Harry ein Horkrux ist.“ „Richtig“, sagte Dumbledore und schloss nun sogar kurz die Augen, ehe er wieder auf die Tischplatte sah. „Ich gehe davon aus, dass Nagini der letzte weitere Horkrux sein wird, der vernichtet werden muss. |Wenn Voldemort sie also nicht mehr hinausschickt, sondern sie beschützt, wird es an der Zeit sein es Harry zu sagen. Würde er es früher erfahren, hätte er sicherlich nicht die Kraft das zu tun, was er tun muss.“|³ „Aber“, stand Severus protestierend auf, „haben Sie denn nicht versucht einen anderen Weg zu finden?! Harrys Tod kann unmöglich die einzige Möglichkeit sein!“ Der Direktor ließ sich von Severus' Verhalten nicht aus der Ruhe bringen. Noch immer sah er nicht auf, sondern sprach weiterhin ruhig zur Tischplatte. „Doch, ich fürchte schon, Severus.“ „Das können Sie nicht machen!“, wurde Severus noch lauter, während sich Panik in ihm breit machte. „Sie können nicht von mir verlangen, dass ich ihn in den Tod schicke! |Alle die Jahre haben Sie behauptet, wir würden Harry für Lily beschützen und ihn nicht wie ein Schwein für die Schlachtbank großziehen!!“ Noch immer ruhig antwortete Dumbledore: „Wir haben dafür gesorgt, dass Harry gesund und munter aufwachsen konnte. Wir haben ihn vor Gefahren geschützt, damit er hier in Hogwarts zaubern lernen konnte. Wir haben...“|³ „Ihn vollkommen für Ihre Zwecke ausgenutzt!!!“, unterbrach Severus ihn wütend. „Haben Sie in all den Jahren Harry auch nur einmal um seiner selbst willen geschützt?!“ „Denken Sie nicht, dass Sie der einzige wären, dem Harry wichtig ist, Severus!“, donnerte Dumbledore nun doch dazwischen und sah sogar auf, wobei seine Augen Funken zu sprühen schienen. „Harry ist mir keineswegs egal!“ „Und warum schicken Sie ihn dann in den Tod?!“ „Weil das nunmal die einzige Möglichkeit ist, Voldemort zu vernichten!“ Eine kurze Stille entstand, in der Severus verzweifelt umherlief und sich fahrig die Haare aus dem Gesicht strich. So kraftvoll Dumbledore gerade noch gewirkt hatte, jetzt sank er wieder in sich zusammen und beobachtete fast mitleidvoll den anderen. Wieder ganz ruhig sagte Dumbledore: „Es ist von entscheidender Wichtigkeit, dass Voldemort selbst Harry tötet, Severus. Harry muss ihm gegenübertreten, ohne sich zur Wehr zu setzen. Ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, aber Sie müssen das zu gegebener Zeit an ihn weiterleiten.“ Obwohl Severus verstanden hatte, antwortete er nicht. Er wusste nicht, was man auf so etwas antworten sollte. Jede Antwort erschien ihm falsch, genauso wie er nicht die Kraft hatte für einen weiteren Wutausbruch. Er hatte all seine Hoffnungen darin gesetzt, dass Dumbledore einen anderen Weg finden würde. Doch nun brach diese Hoffnung wie ein Kartenhaus in sich zusammen und Severus hatte das Gefühl keinen Halt mehr zu finden. Was sollte er denn jetzt nur tun? Er konnte Harry doch nicht einfach sterben lassen! Nicht nach all dem, was passiert war. Leise unterbrach Dumbledore die Gedanken des anderen, als er fragte: „Habe ich Ihr Wort, Severus?“ „Tse“, machte der Slytherin. „Severus“, kam wieder ruhig die Stimme des Direktors, ohne Forderung oder Drohung, einfach neutral. Endlich blieb der Slytherin stehen und schloss kurz die Augen, um sich für seine Antwort zu wappnen. Leise sagte er: „Wenn es sein muss.“ Es fühlte sich an, als hätte er soeben seine Seele an den Teufel verkauft. „Ich weiß, was Sie durchmachen, Severus“, erklang die sanfte Stimme des Direktors. „Und es tut mir Leid, dass ich Ihnen so etwas aufbürden muss.“ „Erzählen Sie mir nicht, Sie wüssten was ich fühle“, knurrte Severus abwehrend. Unbeirrt antwortete Dumbledore: „Ich weiß wie viel Harry Ihnen bedeutet. Und ich weiß, dass ich Ihnen gerade sämtliche Träume zerstört habe. Aber ich kann es leider nicht ändern. Auch wenn viele das gerne glauben, aber ich habe die Regeln nicht gemacht.“ „Aber Sie spielen gerne mit ihnen“, platzte es wütend aus dem Slytherin heraus. „Sie legen sich immer alles zurecht und schieben Ihre Mitmenschen herum wie Schachfiguren! Harry war von Anfang an für Sie nur ein Bauer, der geopfert werden muss!“ |„Wie viele Frauen und Männer haben Sie in diesem Krieg schon sterben sehen, Severus?“ „In jüngster Zeit nur die, die ich nicht retten konnte!“|³ „Und jeder dieser Menschen wurde mit Sicherheit von irgendjemandem geliebt. Jedes Opfer hat bei irgendjemandem eine Narbe hinterlassen.“ „Aber diese Menschen haben Sie nicht großgezogen, nur um sie im richtigen Moment zu opfern!“ „Würden wir uns die nötigen Opfer lediglich danach aussuchen, wen wir lieben und wen nicht, würden wir genau den Fehler machen, den Voldemort von uns dummen, liebenden Menschen erwartet, Severus. Und ich bitte Sie dringlichst, diesen Fehler nicht zu machen.“ „Aber... Sie...“, suchte Severus verzweifelt nach weiteren Anschuldigungen, doch Dumbledore unterbrach ihn bereits wieder. „Wie ich schon sagte: Ich habe die Regeln nicht gemacht. Ich habe Harry nicht zu einem Horkrux gemacht und ich habe ihn auch nicht als den ebenbürtigen von Voldemort ausgewählt.“ Wieder suchte Severus nach Widerworten, doch er war inzwischen so aufgewühlt, dass er keine passenden Worte fand. Er wollte Dumbledore anschreien, ihn für Harrys Schicksal verantwortlich machen, ihm die Schuld für alles geben. „Ich wünschte, ich könnte es ändern, Severus“, sagte Dumbledore ruhig. „Aber es gibt leider vieles im Leben, was man ändern möchte und es doch nicht kann. Manchmal kann man nichts anderes tun, als es hinzunehmen.“ „Aber das werde ich nicht hinnehmen!!“, schrie Severus. „Ich KANN es nicht hinnehmen!! Wie sollte ich auch... ich kann nicht... Es muss einen anderen Weg geben!“ „Leider sehe ich keinen, Severus. Wenn es Ihnen hilft mir die Schuld zu geben, dann tun Sie das ruhig. Aber so wie ich Sie kenne, werden Sie es sich irgendwann nicht mehr so einfach machen können.“ „Als ob Sie mich so gut kennen würden, Dumbledore!“, knurrte Severus. Mit ruhigem Blick antwortete der Direktor nur: „Gut genug, um zu sehen, was für Qualen Ihnen der Gedanke bereitet, Harry zu verlieren. Aber ich fürchte, Ihre größte Aufgabe in diesem Krieg besteht nun darin, Harrys Schicksal zu akzeptieren. Es wird der Moment kommen, an dem Sie Harry gehen lassen müssen, Severus.“ Das war zu viel. Dumbledore sollte endlich still sein! Severus wollte so etwas nicht hören, erst recht nicht von ihm. Und er hatte ihn auch nicht so seltsam anzusehen! Am liebsten wäre Severus auf den anderen losgegangen, doch sein noch kaum vorhandener Verstand siegte und so floh er aus dem Büro. Zum Glück war bereits Ausgangssperre, denn so sollte ihm kein Schüler über den Weg laufen. Wütend rannte Severus schon fast die Flure entlang, ohne ein konkretes Ziel zu haben. Er wusste nicht wohin mit seinen Gedanken, seinen Gefühlen. Er fühlte sich von Dumbledore so verraten, hintergangen und fallen gelassen. Wie konnte dieser alte Mann nur so etwas einfach dahinsagen? Wie konnte er das alles als gegeben ansehen? Wie konnte er so neutral bleiben, während er solch grausame Nachrichten verkündete? Severus musste sich bei irgendjemandem auskotzen und dafür kam wohl nur eine Person in Frage. Entschlossen eilte er zu Syndias Büro und klopfte energisch an. Als keine Antwort kam, ging er ohne zu zögern rein und fand das Büro leer vor. Davon ließ er sich jedoch nicht aufhalten und ging weiter zur Tür, die in Syndias Privaträume führte. Als er das Wohnzimmer betrat, sah ihm eine verdutzte Syndia entgegen, die mit einem Buch und einem Tee auf der Couch gesessen hatte. „Severus, was...?“ „Dumbledore hat Harry einfach so aufgegeben!“, polterte Severus sofort los. „Für ihn scheint es vollkommen in Ordnung zu sein, dass Harry sich für die Zaubererwelt aufopfern muss!“ Fragend eine Augenbraue hochziehend, legte Syndia ihr Buch auf den Tisch und stand auf. Wesentlich leiser als ihr Bruder, sagte sie: „Ich habe Luca schon ins Bett geschickt. Wir sollten im Büro weiter reden.“ Damit schlich sie zur Tür und Severus folgte ihr, noch immer wutschnaubend. „Also. Was ist los?“ „Dumbledore hat mir gerade gesagt, dass Harry sich töten lassen muss, wenn Voldemort besiegt werden soll! Und er hat mir auch noch den Auftrag gegeben, das Harry 'zur gegebenen Zeit' mitzuteilen!“ „Oh nein“, seufzte Syndia schwer auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Oh nein?! Das ist alles, was dir dazu einfällt?“, rief Severus verständnislos aus. Syndia betrachtete ihren Bruder besorgt, wie er mit zitternden Händen und vollkommen außer sich vor ihr stand. „Hat er wirklich gesagt, es gäbe keinen anderen Weg, oder hat er nur keinen gefunden?“ „Offensichtlich findet er keinen!“, warf Severus die Hände in die Luft. „Es scheint ihm ja auch vollkommen gleich zu sein. Passiert ja eh erst, wenn er schon abgekratzt ist und er ist auch nicht derjenige, der das Harry ins Gesicht sagen muss!“ „Harry bedeutet ihm viel, Severus“, sagte Syndia ruhig, doch damit hatte sie die falsche Antwort gegeben. „Und warum akzeptiert er dann einfach, dass er sterben muss!!“, brauste Severus noch weiter auf. „Dumbledore hat sicherlich schon viel gesehen und wirkt dadurch nüchterner, aber er...“ „Weißt du was er noch nicht gesehen hat?!“, unterbrach Severus sie schreiend. „Wie Harry sterbend vor einem liegt und als letzte Bitte eine Geschichte über seine Mutter fordert, weil er sie nie kennenlernen durfte!“ „Oh Sev“, ließ Syndia kraftlos die Schultern hängen, doch zu weiteren Worten kam sie nicht, da der Tränkemeister bereits fortfuhr. „Er hat ihn nicht so gesehen! Und er hat auch nicht mitbekommen, wie Harry sich nur so lange am Leben erhalten wollte, bis ich in Sicherheit wäre! Wenn ich ihm irgendwann sage, dass er für seine Mitmenschen sterben muss, dann wird er das auch noch ohne zu zögern tun!!“ „Das weiß ich, Sev...“, setzte Syndia beschwichtigend an, doch er ließ sie einfach nicht ausreden. Zu sehr war er bereits in seinem verzweifelten Wutausbruch gefangen. „Er wird sich töten lassen, auf MEINE Worte hin!! Er wird wieder sterbend vor mir liegen! Er wird wieder diesen VERDAMMTEN Blick aufsetzen! Er wird...“ „Sev...“ Auf Syndia wirkte der andere, wie ein verletztes Tier, das um sich schlug. Umso energischer musste sie werden, um überhaupt an Severus herantreten zu können. Doch er trat abwehrend einen Schritt zurück und rief nun etwas halbherziger: „Du weißt es doch auch nicht! Du hast ihn nicht gesehen, du hast...“ „Das mag sein, Sev, aber trotzdem mache auch ich mir Sorgen um ihn“, erwiderte sie und endlich schien Severus ihr für einen Moment zuzuhören. In seinem Blick war seine ganze Unsicherheit und Verzweiflung abzulesen und mit einem leisen „Komm her“ schloss Syndia ihn in ihre Arme. Syndia war erleichtert, dass Severus es zuließ und sich sogar zitternd an sie klammerte. Endlich herrschte Stille im Raum, in der Syndia dem anderen beruhigend über den Rücken strich und Severus wieder herunterkam. Ob Dumbledore klar war, was er bei Severus ausgelöst hatte? Sicherlich hatte er sich denken können, dass Severus unter dieser Tatsache zu leiden hatte, aber dass es zu einer weiteren Panikattacke führen würde, hätte nicht einmal Syndia erwartet. Ruhig schlug die Hexe vor: „Ich werde David fragen, ob es einen Berater gibt, den ich bezüglich Horkruxe ausfragen kann. Vielleicht finden wir so eine Lösung.“ Zur Antwort nickte der Slytherin nur stumm an ihrer Schulter und Syndia hauchte leise ein „Okay“ und strich wieder beruhigend über Severus' Rücken. Nach einer kurzen Pause murmelte Severus schließlich: „Es darf niemand erfahren, dass Harry ein Horkrux ist.“ „Keine Sorge, ich werde nicht zu viel verraten“, erwiderte Syndia. „Außerdem sind Berater des Geheimdienstes ohnehin zum Schweigen verpflichtet. Wenn ich einen Weg finde Harry zu retten, gebe ich dir sofort Bescheid.“ Kapitel 69: Lügen sind zwecklos ------------------------------- „Also ich weiß nicht, was du meinst, Harry“, zuckte Ron beim Mittagessen die Schultern. „Im Unterricht hat Snape dich doch jetzt ganz normal behandelt.“ Kopfschüttelnd überlegte Harry laut: „Nein, irgendwas ist anders. Ich weiß nur nicht, was jetzt schon wieder los ist.“ „Gehen wir doch mal das naheliegendste durch: Ist er wegen irgendwas sauer auf dich?“ Wieder schüttelte Harry nach kurzem Überlegen den Kopf. „Nein, wir haben uns die letzten Tage so gut verstanden wie noch nie.“ „Hast du wieder irgendwas erfahren, was du nicht erfahren solltest?“, fuhr Ron fort. „Nicht das ich wüsste“, seufzte Harry und stocherte in seinem Essen herum. „Vielleicht ist es auch einfach nur nicht sein Tag“, mischte Hermine sich ein. „Es muss doch nicht immer ein Problem zwischen euch die Ursache für sein Verhalten sein, oder?“ „Nein, natürlich nicht“, erwiderte Harry mürrisch. „Aber dann sollte er das doch nicht an mir auslassen, oder?“ „Inwiefern lässt er das denn an dir aus?“, zog Ron verständnislos die Stirn kraus. „Mir ist nichts aufgefallen.“ „Er geht auf Abstand, sagte ich doch“, antwortete Harry und versuchte zu verstecken, wie geknickt er war. „Hat er den Okklumentikunterricht für heute Abend abgesagt?“, ging die Fragerei von Ron weiter. „Nein.“ „Also geht er dir nicht aus dem Weg“, stellte der Rotschopf klar. „So einfach ist das nicht“, widersprach Harry und erhielt ein Augenrollen von seinem Freund. „Natürlich ist es das nicht. Schließlich sprechen wir hier von dir und Snape“, murrte Ron und aß weiter, als sei damit die Diskussion beendet. Schließlich schlug Hermine vor: „Wenn ihr euch inzwischen so gut versteht, dann frag ihn heute Abend doch einfach, ob irgendwas nicht in Ordnung ist.“ Zweifelnd zog Harry die Augenbrauen hoch, worauf Hermine fragte: „Hast du eine bessere Idee?“ Sich geschlagen gebend, seufzte Harry auf und aß weiter. „Ja, schon gut“, murmelte er. Vielleicht hatte Hermine Recht und er sollte Severus wirklich einfach fragen. Die Frage war nur, ob der Slytherin darauf überhaupt eingehen würde... und zwar ehrlich. Sie verstanden sich momentan sehr gut, ja, aber auf Fragen konnte Severus noch immer sehr patzig reagieren. Andererseits machte Harry sich sonst total verrückt. Ächzend nahm Harry einen Schluck Kürbissaft. Er hatte wohl keine Wahl. Wenn er es nicht schaffte, das Grübeln abzustellen, musste er Severus tatsächlich auf den Zahn fühlen. Trotz des Risikos, dass er sich das vielleicht doch alles nur einbildete.   „David sagt, es gibt einen Berater, der sich mit Seelenforschung befasst“, erzählte Syndia ihrem Bruder, als sie zusammen über den Schulhof des Schlosses liefen. Zwar war dieser voll mit Schülern, doch von Severus hielten die sich sowieso fern, sodass Syndia ungestört berichten konnte. „Ich habe bereits um einen Termin mit ihm gebeten. Allerdings werde ich dafür einen Tag nach Amerika zurück müssen.“ „Glaubst du wirklich er kann uns etwas neues erzählen, was Dumbledore noch nicht weiß“, murrte Severus, während er den Blick über die Schüler schweifen ließ. „Dumbledore kann auch nicht allwissend sein, oder?“, versuchte Syndia ihren Bruder aufzuheitern. „Das ist mir schon klar, nur...“, unterbrach Severus sich selbst und biss die Zähne zusammen. „Wie sollen wir auf etwas stoßen, nach dem er schon seit so vielen Jahren sucht?“ „Jetzt sag nicht, du hast doch aufgegeben.“ „Nein, ich“, blieb Severus stehen und sah Syndia direkt an, „ich gehe nur logisch an die Sache heran.“ „Soll heißen: Du wappnest dich dafür, Harry irgendwann gehen lassen zu müssen“, stellte Syndia traurig fest. Severus erwiderte nichts und so warf Syndia einen verstohlenen Blick zu Harry, Ron, Ginny und Hermine herüber, die sich an den Brunnen gesetzt hatten und sich unterhielten. „Tu mir dann aber einen Gefallen“, sagte Syndia und sah wieder zu Severus. „Stoße Harry nicht von dir weg, nur weil es das ganze für dich leichter macht.“ Damit ließ sie Severus stehen und ging wieder zurück ins Schloss. Der sah ihr noch kurz hinterher, ehe er das Thema schnaubend abtat.   Die nächste Okklumentikstunde war für Harry sehr seltsam. Inzwischen hatte es schon viele verschiedene Arten gegeben, wie sie sich in diesem Unterricht verhielten, vor allem wenn man den aus dem letzten Schuljahr mit dazurechnete. Aber diese Stunde war wie keine andere, denn Severus bemühte sich zwar ernsthaft Harry etwas beizubringen, soll heißen es fielen keine abwertenden Bemerkungen und beide arbeiteten konzentriert, und dennoch verhielt sich der Slytherin irgendwie... kühl. Er sah Harry so wenig wie möglich an, erstickte jegliches Gespräch im Keim und tat praktisch nur seine Arbeit. Damit wusste Harry nicht umzugehen. Während er an seiner Tasse dieses merkwürdigen Tees nippte, den Severus ihm immer in einer kleinen Pause gab, beobachtete er Severus nachdenklich dabei, wie er, scheinbar tierisch beschäftigt, etwas in einem Buch nachschlug. Also wollte er scheinbar nicht einmal jetzt reden. Schließlich wagte Harry sich vor und sagte so beiläufig wie möglich: „Das Buch scheint ja mega wichtig zu sein.“ „Hm“, war nur die brummende Antwort, was Harry verwunderte, denn auf Sarkasmus reagierte er eigentlich immer. Also nächster Versuch. „Brauchst du das für Okklumentik oder für den Unterricht?“ „Wedernoch.“ Wirklich ausführlich. Genervt verdrehte Harry die Augen. „Und wofür ist es dann?“ „Warum interessiert dich das?“ „Weil ich hier versuche Smalltalk zu führen“, erwiderte Harry hilflos. „Aber du scheinst heute ja nicht sonderlich gesprächig zu sein.“ „Kommt vor.“ Das konnte doch nicht angehen. Gefrustet saß Harry im Sessel und stützte sein Kinn in der Hand ab. „Hab ich irgendwas falsch gemacht?“, fragte er schließlich vorsichtig nach und überrascht sah Severus auf. „Was? Wie kommst du auf sowas?“ Ah, endlich hatte er seine Aufmerksamkeit. „Ich weiß nicht“, spielte Harry den unschuldigen. „Vielleicht weil du nicht mehr mit mir redest, als notwendig.“ „Du bildest dir wieder irgendwas ein, Potter“, murrte Severus und widmete sich wieder dem Buch. Seufzend lehnte Harry seinen Kopf zurück und starrte an die Decke. Hatten Severus und die anderen vielleicht Recht? War er einfach nur überempfindlich? „Hast du den Tee leer?“, unterbrach Severus seine Gedanken, schlug das Buch zu und stand auf. „Ja“, grummelte Harry, leerte die Tasse und stand ebenfalls auf, um sich für die nächste Runde zu wappnen. „3, 2, 1, Legilimens.“ Harry tanzte mit Parvati auf dem Weihnachtsball, damit beschäftigt ihr nicht auf die Füße zu treten …... Hagrid setzte Harry auf Seidenschnabel, der sofort mit ihm losflog …... Harry stand vor dem Spiegel Nerhegeb und sah zu seinen Eltern auf …... Der Gryffindor versuchte mit aller Willenskraft, die Erinnerungen in sich zu verschließen. Auf einmal sah er durch die Erinnerungen hindurch Severus vor sich stehen und je mehr Harry sich auf ihn konzentrierte, umso klarer nahm er wieder das Büro wahr. …... Die beiden Patroni von Harry und Severus kamen gemütlich den Gang zu ihnen zurückgetrottet, nebeneinander, als hätten sie schon immer zusammen gehört... Bei dieser Erinnerung verspürte Severus einen Stich, der so überraschend kam, dass er erschrocken zusammenzuckte und den Zauber beendete. Damit überrumpelte er auch Harry. Perplex und außer Atem beschwerte der sich: „Warum hast du aufgehört? Ich hatte es fast!“ Zuerst wusste Severus nicht, was er antworten sollte, schließlich verstand er es selbst gerade nicht. Und wie immer, wenn er mit einer Situation überfordert war, schaltete er auf Abwehr. „Ich hätte dich wieder leicht aus der Bahn werfen können, indem ich mir als nächstes etwas herausgepickt hätte, was dich aufregt.“ Verständnislos fragte Harry: „Und warum hast du es dann nicht getan? Los, versuch es nochmal! Ich war gerade so gut drin.“ „Jetzt bist du offensichtlich ohnehin nicht mehr ruhig“, murrte Severus und bei seinem Blick hielt Harry endlich inne. Severus spielte ihm was vor. Was war los? Hatte er die Erinnerung an Necrandolas etwa nicht ertragen können? Obwohl es eine von der angenehmen Sorte war? Wesentlich versöhnlicher klingend, bat Harry: „Lass es uns nochmal versuchen.“ Severus unterdrückte einen Seufzer und sah in diese grünen Augen, während er nachdachte. Es konnte doch wohl nicht angehen, dass er Harry jetzt nicht unterrichten konnte, nur weil in ihm selbst gerade so ein Gefühlschaos herrschte! Seit wann war er so ein Weichei? Entschlossen wandte Severus sich wieder dem Gryffindor zu und erhob den Zauberstab. „Bereit?“, fragte er und Harry wappnete sich für den Angriff. „3, 2, 1, Legilimens.“ Harry gewann im ersten Jahr sein erstes Quidditchspiel …... „Dann kriegen die Gören bei unserer Sprache genau solche Gänsehaut, wie wir sie bekommen, wenn jemand knorke sagt“, warf Dean sich theatralisch auf den Boden und Harry und Ron lachten …... |„Warum? Warum bin ich so anfällig für sie? Bin ich schlicht und einfach...?“ - „Es hat nichts mit Schwäche zu tun“, sagte Lupin scharf. „Die Dementoren greifen dich stärker an als die andern, weil es schreckliche Ereignisse in deiner Vergangenheit gibt, die die anderen nicht erlebt haben.“|².... Innerlich fluchend brach Severus wieder ab. Es hatte keinen Sinn. Er war heute einfach nicht in der Lage, sich mit Harrys Leben auseinanderzusetzen, ohne dass der Gedanke an die Zukunft ihn zerriss. Es fehlte ihm einfach die Akzeptanz dafür, dass Harry sterben musste. Während der Slytherin sich erschöpft die Haare aus dem Gesicht strich, wurde Harry nun deutlich sauer. „Und warum hast du dieses Mal abgebrochen?“, meckerte er kraftvoll los, obwohl die Übungen seine Beine langsam wackelig werden ließen. Sofort eine Ausrede parat, sagte Severus: „Deine Erinnerungen werden immer deutlicher. Es hat also wenig Sinn weiterzumachen.“ Doch Harry erkannte sofort, dass das gelogen war. Er verstand einfach nicht, was hier los war und warum Severus ihm eine Lüge nach der anderen auftischte. Schnippisch fragte er: „Und hättest du vielleicht die Güte mir zu sagen, was wirklich los ist?“ 'Verdammt!', dachte Severus bei sich. Harry kannte ihn inzwischen einfach viel zu gut. Es gab wohl nur eine Möglichkeit, um aus der Situation herauszukommen. „Da du dich offenbar ohnehin nicht mehr im Griff hast, können wir den Unterricht für heute beenden“, sagte der Slytherin so schneidend wie möglich. „Jetzt geh.“ „Was? Nein!“, runzelte Harry empört die Stirn. „Was soll dieses Theater?! Warum sagst du mir nicht einfach, was los ist?“ Knurrend sah Severus zum anderen. „Das einzige, was hier los ist, ist, dass du hier herumschreist wie ein Irrer. Und jetzt hau ab!“ Als Harry sich noch immer nicht rührte, ging Severus zur Tür und hielt sie dem anderen demonstrativ auf. Der Gryffindor hingegen sah nur fragend zum anderen. Was sollte das ganze? Warum schob Severus ihn so von sich? Und warum flüchtete er jetzt vor der Situation, statt einfach zu sagen, was los war?... Oder war ihre vertraute Art miteinander umzugehen, vielleicht genau das Problem? „Dumbledore hat dich doch nicht wieder ermahnt, oder?“, äußerte Harry seinen Verdacht. „Ich sagte Geh!“, knurrte Severus mit stahlhartem Blick, schnappte sich kurzerhand Harrys Ärmel und schob den anderen grob nach draußen. Stolpernd kam Harry im Flur zum stehen und rief: „Warum muss man dir immer alles aus der Nase ziehen?! Wenn Dumbledore etwas gesagt hat, dann erzähl es doch einfach und mach nicht einfach dicht!“ „Es gibt nichts zu erzählen!“ „Das kannst du sonstwem weiß machen, aber nicht mir! Sag doch einfach, was los ist!“ „Vergiss es!“, zischte der Slytherin und schloss mit einem lauten Knall die Tür. Seufzend strich Harry sich durchs Haar. Was zum Teufel war hier nur los? Er verstand die Welt nicht mehr. „Müsst ihr euch ständig streiten?“, riss eine junge Stimme Harry aus seinen Gedanken und verwundert drehte er sich um. Hinter der nächsten Rüstung lugte Luca hervor, dem die Enttäuschung und Betroffenheit deutlich abzulesen war. „Wir haben uns nicht gestritten“, versuchte Harry die Situation zu retten. „Wir haben nur... diskutiert.“ „Und bei Diskussionen wird man vor die Tür gesetzt?“, trat Luca nun neben Harry. „Wenn einem die Argumente ausgehen, offenbar schon“, grummelte Harry und die beiden machten sich auf den Weg, die Kerker zu verlassen. „Ihr würdet euch viel weniger streiten, wenn ihr einfach mal ehrlich zueinander wärt.“ „Sag das ihm und nicht mir“, beschwerte sich der Gryffindor. „Irgendwas ist schon wieder mit ihm und er will mir nicht sagen, was es ist.“ „Hm“, antwortete Luca und fiel ins Grübeln. Harry bekam ein schlechtes Gewissen und sagte so locker wie möglich: „Mach dir da nicht so viele Gedanken drum. Du kannst da nichts für und wir werden uns auch schon irgendwie wieder zusammenraufen. Tun wir eigentlich immer.“ „Wenn du meinst“, murmelte Luca betreten, ehe er in einen anderen Flur abbog. „Gute Nacht, Harry.“ „Gute Nacht“, rief Harry zurück und sah Luca noch kurz hinterher. Schließlich seufzte er auf und machte sich auf den Weg Richtung Gryffindorturm. Hoffentlich war noch jemand wach, mit dem er sich den Abend vertreiben konnte. Er brauchte jetzt dringend Ablenkung von diesem ganzen Ärger.   Am nächsten Tag verlief der Zaubertrankunterricht wie immer und Harry gab sich Mühe ruhig zu bleiben. Schließlich hatte er bisher die Erfahrung gemacht, dass es nur Nachteile hatte, wenn er und Severus ihren Streit im Unterricht auslebten. Außerdem achteten die anderen ohnehin schon viel zu sehr auf Harrys Verhalten, und so beschloss der Gryffindor, erstmal so zu tun, als sei nichts. Harry war fast mit seinem Abendbrot fertig, als plötzlich Hedwig in die Große Halle geflogen kam und sich vor dem Gryffindor niederließ. Erstaunt nahm Harry ihr den Brief ab und sofort flatterte die Eule wieder davon. „Von wem kommt der?“, fragte Hermine skeptisch nach, während Harry den Brief öffnete.   Harry, komm um 19 Uhr in mein Büro. A.D.   „Der ist von Dumbledore“, stellte Harry erstaunt fest. „Eine neue Unterrichtsstunde?“, fragte Ron mit vollem Mund. „Keine Ahnung. Da steht nur, ich solle gleich in sein Büro kommen“, zuckte Harry ratlos die Schultern. „Aber sagtest du nicht, ihr könnt den Unterricht erst weiterführen, wenn Dumbledore dahintergekommen ist, was in dieser verfälschten Erinnerung besprochen wurde?“, fragte Hermine stirnrunzelnd nach. „Vielleicht“, überlegte Harry langsam, „hat er sie ja bekommen.“ Sein Blick huschte unwillkürlich zum Lehrertisch, doch wie so häufig, war Dumbledores Platz leer. „Vielleicht hat er die Erinnerung bekommen und mir sofort von unterwegs eine Eule geschickt“, schlussfolgerte der Gryffindor. „Naja, in einer halben Stunde wirst du es erfahren“, zuckte Ron die Schultern.   Und so eilte Harry kurze Zeit später zum Büro des Direktors. Dumbledore erwartete ihn bereits und der Gryffindor sah sofort das Denkarium auf dem Tisch. „Guten Abend, Harry“, begrüßte Dumbledore ihn fröhlich und hielt ein Fläschchen mit einer Erinnerung hoch. „Du kannst dir sicherlich denken, was ich hier habe.“ „Sie haben die Erinnerung bekommen“, stellte Harry fest und war komischerweise aufgeregt. „Horace hat sie mir endlich gegeben, ja“, lächelte der Direktor und ließ die Erinnerung sogleich ins Denkarium fließen. „Ich habe sie mir selbst noch nicht angesehen. Ich hoffe, wir bekommen hier die Antwort, nach der ich schon so lange suche.“ Dumbledore deutete ihm, sich über das Denkarium zu beugen und so ging Harry auf den Schreibtisch zu und tauchte in die Erinnerung ein. Hier waren sie also wieder: |Im Büro des ehemaligen Tränkelehrers Horace Slughorn. Die Schüler verließen nach und nach das Büro, bis Riddle mit seinem Lehrer alleine war. „Nun sputen Sie sich aber, Tom, Sie wollen doch nicht während der Nachtruhe draußen erwischt werden, Sie als Vertrauensschüler...“ „Sir, ich wollte Sie etwas fragen.“ „Dann nur zu, mein Junge, nur zu...“ „Sir, könnten Sie mir sagen, was Sie über … über Horkruxe wissen?“ Gespannt hielt Harry den Atem an. Erfuhr vielleicht auch er endlich, was genau ein Horkrux war? Slughorn wurde nervös, doch Riddle wusste genau, wie er mit ihm reden musste, um ihm Informationen zu entlocken. Nach einigen Überredungskünsten, sprach Slughorn schließlich: „Nun es kann natürlich nicht schaden, wenn ich Ihnen einen Überblick gebe. Nur damit Sie den Begriff verstehen. Horkrux ist das Wort für einen Gegenstand, in dem eine Person einen Teil ihrer Seele verborgen hält.“ „Ich verstehe aber nicht ganz, wie das funktioniert, Sir.“ „Nun, man spaltet seine Seele, verstehen Sie, und versteckt einen Teil davon in einem Gegenstand außerhalb des Körpers. Dann kann man, selbst wenn der eigene Körper angegriffen oder zerstört wird, nicht sterben, denn ein Teil der Seele bleibt erdgebunden und unbeschädigt. Aber natürlich, die Existenz in einer solchen Form...“ Slughorn zögerte und in Harrys Kopf schienen sich plötzlich die Puzzleteile zusammenzufügen. „Ich wurde aus meinem Körper gerissen, ich war weniger als ein Geist, weniger als das kläglichste Gespenst... und doch, ich lebte.“ Es war auf einmal so logisch. Der Grund, warum Voldemort damals bei dem Versuch ihn zu töten, nicht gestorben war und warum er all die Jahre über keinen Körper verfügt hatte. Riddle versuchte dem Lehrer zu entlocken, wie man einen Horkrux erstellt und konnte bald seine Gier nach diesen Informationen nicht mehr verbergen. „Was ich aber nicht verstehe – nur aus Neugier - , ich meine, wäre ein einzelner Horkrux denn von großem Nutzen? Kann man seine Seele nur ein einziges Mal spalten? Wäre es nicht besser, würde es einen nicht stärker machen, wenn man seine Seele in mehreren Teilen hätte? Ich meine, ist nicht beispielsweise sieben die mächtigste magische Zahl, wäre nicht sieben...?“ „Beim Barte des Merlin, Tom!“, japste Slughorn. „Sieben! Ist es nicht schlimm genug, sich vorzustellen, auch nur einen Menschen zu töten? Und auf jeden Fall... schlimm genug, die Seele zu teilen... aber sie in sieben Stücke zu reißen...“ Slughorn war stark beunruhigt und endlich schien auch er zu sehen, wie sehr es Riddle nach diesen Informationen verlangte. „Natürlich ist das alles hypothetisch, was wir hier besprechen, ja? Alles rein theoretisch...“, fragte er zögerlich nach. „Ja, Sir, natürlich“, sagte Riddle rasch.|³ Harry tauchte aus der Erinnerung auf. Dumbledore war bereits wieder zu seinem Stuhl zurückgekehrt und dachte scharf nach. „Sieben“, murmelte er vor sich hin und schien Harry gar nicht mehr wahrzunehmen. „Ähm.. Professor?“, hakte Harry nach und endlich sah der andere auf. |„Glauben Sie, Voldemort ist es gelungen? Hat er tatsächlich einen Horkrux gemacht?“|³ „Oh, dass er welche gemacht hat, war mir schon länger klar“, erwidert Dumbledore gelassen. „Was ich nur nicht wusste, war, wie viele er hat.“ Dem Gryffindor stand der Mund offen. „Sie glauben also... er hat wirklich mehrere gemacht?!“ „Davon können wir ausgehen“, nickte der Schulleiter. „Den aktuellen Informationen nach zu urteilen, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass er seine Seele in sieben Stücke reißen wollte. Das passt auch zu den Informationen, die Luca mir nach seiner Entführung geben konnte.“ Stirnrunzelnd sah Harry zum Direktor. „Luca... weiß von den Horkruxen, Sir?“ „Er kann die Seelen der Menschen sehen, Harry“, lächelte Dumbledore sanft. „Er erzählte mir, dass Voldemorts Seele unvollständig war und die anderen Teile auf fünf weitere Orte verstreut waren.“ „Also hat Voldemort doch nicht sieben Horkruxe erstellt?“ |„Sechs, Harry“, korrigierte Dumbledore ihn. „Der siebte Teil seiner Seele, so verkümmert er auch sein mag, steckt in seinem jetzigen Körper. Ohne diesen Teil hätte er gar kein Bewusstsein.“|³ „Aber dann fehlt trotzdem noch ein Horkrux, um auf sieben Seelenteile zu kommen“, rechnete Harry nach. „Das liegt daran, dass ein Horkrux bereits zerstört worden ist“, nickte Dumbledore ruhig. „Und zwar von dir.“ „V-Von mir?“, war Harrys Verwirrung nun komplett. Dumbledore stand auf und ging hinter seinem Schreibtisch auf und ab, während er erzählte: |„Es gab mal einen Gegenstand, der ein Gedächtnis enthielt. Ein Gedächtnis, das selbstständig denken und handeln konnte, das dem Mädchen, in dessen Hände es gefallen war, das Leben aussaugte.“ Der Direktor sah seinen Schüler erwartungsvoll an und ließ ihm Zeit zum Nachdenken. Zuerst sah Harry irritiert zurück, bis der Groschen fiel. „Riddles Tagebuch?“ „Richtig, Harry“, nickte Dumbledore, blieb stehen und stützte sich auf seinem Schreibtisch ab. „Ein bloßes Gedächtnis wäre zu solchen Taten niemals fähig gewesen. Ich wusste schon damals, als du mir von deinen Erlebnissen im zweiten Schuljahr erzähltest, dass etwas viel unheilvolleres in diesem Buch gelebt hatte. Das Tagebuch war ein Horkrux und so rücksichtslos, wie Voldemort mit einem Bruchstück seiner eigenen Seele umging, erschien es mir logisch, dass es noch mehr Horkruxe geben musste. Denn niemand, gerade Voldemort nicht, würde so mit seinem Horkrux umgehen, wenn er der einzige wäre.“|³ Verstehend nickte Harry, ehe er das Gesicht verzog. |„Also gab es sechs Horkruxe... wie sollen wir die denn alle finden? Sie könnten überall auf der Welt sein. Versteckt, vergraben oder unsichtbar...“ „Ich bin froh, dass du das Ausmaß des Problems erkennst“, nickte Dumbledore ruhig und setzte sich wieder hin. „Allerdings ist das Tagebuch zerstört und ich habe bereits einen zweiten Horkrux vernichtet.“ „Wirklich?“, staunte Harry und Dumbledore hob seine geschwärzte Hand, ehe er zur Vitrine herüberzeigte. „Der Ring, Harry. Vorlosts Ring war ein Horkrux und deshalb habe ich den Stein zerbrechen müssen. Auf ihm lastete auch noch ein schrecklicher Fluch, dem ich meine vertrocknete Hand zu verdanken habe. Doch dies scheint mir kein übertriebenes Opfer für ein Siebtel von Voldemorts Seele zu sein.“|³ „Also fehlen noch vier Horkruxe“, knetete Harry überlegend seine Lippe. „Sie sagten mir mal, der Ring sei in Gaunts Hütte gewesen. Wo würde Voldemort also die anderen Horkruxe verstecken?“ „Das ist das Rätsel, das es zu lösen gilt“, nickte Dumbledore bestätigend. „Außerdem bin ich mir nicht sicher, welche Gegenstände Voldemort als Horkruxe genutzt hat, aber erste Hinweise haben wir bereits gesammelt. Du erinnerst dich hoffentlich, dass Voldemort Trophäen gesammelt hat.“ |„Das Medaillon!“, rief Harry aus. „Hufflepuffs Becher!“ „Ja“, sagte Dumbledore lächelnd. „Ich gehe davon aus, dass dies weitere Horkruxe sind und somit würden nur noch zwei fehlen. Sicherlich hat Voldemort nach weiteren Gegenständen der vier Gründer gesucht, aber das einzige bekannte Relikt von Gryffindor, hat er definitiv nicht bekommen.“|³ Damit deutete Dumbledore zu Gryffindors Schwert, dass an der Wand hing. „Und eines von Ravenclaw?“, fragte Harry nach. „Das weiß ich nicht“, schüttelte Dumbledore den Kopf. „Schon möglich, dass er etwas von Ravenclaw gefunden hat. Allerdings hat mir Luca einen weiteren wichtigen Hinweis geliefert.“ Interessiert beugte Harry sich weiter vor und Dumbledore erklärte: „Er erzählte mir, dass eines von Voldemorts Seelenstücken in einem lebenden Organismus steckt. Ich vermute, dass es sich dabei um Voldemorts Schlange handelt.“ |„Nagini?“, runzelte Harry die Stirn. „Richtig. Selbst für einen Parselmund, hat er eine ungewöhnlich starke Kontrolle über sie und wenn ich das richtig sehe, fehlte ihm nach seinem Angriff auf dich noch immer ein Horkrux, um auf sieben Teile zu kommen. Ich schätze es war eine Art Notlösung, nachdem deine Mutter seine Pläne durchkreuzt hatte.“ „Also...“, überlegte Harry, „das Tagebuch, der Ring, das Medaillon, der Becher, Nagini und vielleicht etwas von Ravenclaw oder Gryffindor.“ „Ganz genau“, nickte Dumbledore. „Und Sie suchen nach Ihnen? Wenn Sie das Schloss verlassen, suchen Sie nach den Horkruxen?“ „Das ist richtig, ich suche schon seit sehr langer Zeit. Ich hoffe, ich bin kurz davor einen weiteren ausfindig zu machen.“ „Und wenn es so weit ist“, sagte Harry hoffnungsvoll, „darf ich dann mitkommen und helfen, ihn zu zerstören?“ Dumbledore sah Harry einen Moment lang aufmerksam an und Harry rechnete schon mit einer Absage, doch zu seiner Überraschung sagte der Direktor: „Ja, ich denke schon.“ „Ich darf?“, fragte Harry ungläubig nach. „Ohja“, lächelte Dumbledore. „Ich denke, du hast dir dieses Recht verdient.“|³ Freudig überkam Harry Zuversicht. Endlich durfte er handeln, endlich predigte Dumbledore ihm keine Vorsicht. Aber was am wichtigsten war: Endlich fühlt Harry sich ernst genommen. Kapitel 70: Ehrlichkeit ----------------------- „Sieben Seelenstücke?!“, keuchte Hermine auf und Ron machte hektisch „Pscht“, damit sie nicht zu laut redete. Harry sah sich unauffällig um, aber ihre Mitschüler waren alle zu sehr mit ihren Zaubertränken beschäftigt und auch Severus war genug abgelenkt. Leise zischend ergänzte Hermine fassungslos: „Wie kann man sich selbst nur soetwas antun?“ „Tja, was tut man nicht alles für die Unsterblichkeit“, zuckte Harry mit den Achseln und rührte seinen Zaubertrank um, bis die Farbe schlagartig von braun zu blau wechselte. „Wir müssen also erst die Horkruxe vernichten, bevor Voldemort selbst getötet werden kann?“, flüsterte Ron und erhielt ein Nicken vom Schwarzhaarigen. „Wenn ich Dumbledore beim nächsten Horkrux begleite, kann ich sicherlich lernen, mit was für Zaubern sie geschützt sind und wie man sie vernichtet...“ „Potter! Sie sollen kein Kaffeekränzchen halten, sondern arbeiten!“, schnauzte Severus kalt dazwischen und sofort huschten die drei Gryffindors wieder zu ihren Kesseln. „10 Punkte Abzug jeweils für Granger und Weasley und für Potter 20 Punkte Abzug!“ Protestierend sah Harry auf, doch bevor er irgendetwas sagen konnte, zischte Severus: „Wenn Sie nun auch noch rebellieren wollen, kriegen Sie zusätzlich eine Strafarbeit auf, Potter!“ Sofort schloss Harry den Mund wieder und biss die Zähne zusammen, während er den Slytherin böse anfunkelte. Es war nicht sonderlich schwer im Unterricht so zu tun, als sei alles normal, wenn Severus ihn so behandelte. Wenn er ihm Nachsitzen gab, wusste Harry wenigstens, dass es dieses Nachsitzen in dem Sinne gar nicht geben würde, aber eine Strafarbeit war tatsächlich eine Strafarbeit, genauso wie die Punkte wirklich abgezogen wurden. Grummelnd ließ Harry den Blick zu seinen Zutaten sinken und ließ seine Wut an ihnen aus. Am Ende der Stunde war Harry schon fast aus dem Raum, als Severus ihn zurückhielt. „Potter, hier bleiben! Sie müssen sich noch Ihre Strafarbeit abholen.“ Die Augen verdrehend, drehte Harry sich wieder um und trat vor den Schreibtisch, während Severus die Trankproben zusammensammelte. Anschließend schnappte er sich eines seiner Bücher und schien etwas zu suchen. Da bereits alle Schüler gegangen waren, wagte Harry zu sagen: „Bist du für Strafarbeiten jetzt schon so unkreativ, dass du dir eine aus dem Buch raussuchen musst?“ „Vorsicht, Potter“, knurrte der Slytherin und warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Ich überlege nur, welcher deiner verpatzten Tränke genug Stoff bietet, um dir einen ganzen Nachmittag zu versauen.“ Genervt seufzte Harry auf. „Ich habe doch meinen Mund gehalten. Wofür also hab ich diese Strafarbeit überhaupt verdient?“ „Du verdienst sie, weil du ein Dickkopf bist“, sagte Severus nüchtern ohne aufzublicken. Stirnrunzelnd stellte Harry fest: „So ergibt sich also seit Jahren deine ungerechte Behandlung? Aus Charaktereigenschaften? Ich bin stur, Neville ist tollpatschig, Hermine ist besserwisserisch... Malfoy ist ein Schleimbeutel und trotzdem gibst du ihm nie was auf.“ „Er ist in Slytherin, also kann sein Charakter nicht so falsch sein.“ Harry konnte nicht anders als laut und spöttisch aufzulachen. „Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber fast alle Todesser waren Slytherins.“ „Todesser sind muggelfeindlich und stolz auf ihr reines Blut und in Slytherin landen reinblütige Zauberer und Hexen aus alten Zaubererfamilien. Also ist es nur logisch, dass die Todesser aus Slytherin stammen. Das heißt aber noch lange nicht, dass alle Slytherins Todesser sind oder dass der Charakter eines Slytherins dem eines Todessers entspricht. Aber mir war klar, dass du diesen feinen Unterschied nicht bemerkst.“ Augenverdrehend leierte Harry gelangweilt: „Mir fehlt das Feingefühl, weshalb ich auch so mies im Brauen von Zaubertränken bin, ich weiß schon.“ „Ganz genau“, sagte der Slytherin ungerührt und deutete dann auf eine Buchseite. „Den Abschwelltrank hast du letztes Mal versaut. Nächste Woche will ich von dir einen Bericht über die exakte Zubereitung und die Funktion der einzelnen Zutaten und ihren Mengen haben, verstanden?“ Grummelnd nahm Harry die Aufgabe hin und da Severus das als Zustimmung reichte, packte er seine Sachen zusammen. „Wenn du gleich damit anfängst, hast du noch was vom Wochenende.“ „Hey, du brauchst Hermine nicht ihren Text zu stehlen“, grummelte Harry und beobachtete den anderen grübelnd dabei, wie er die Phiolen im Etui verschwinden ließ. „Wieso können wir nicht in allem so ehrlich zueinander sein?“ „Ich vermute du meinst damit, dass ich nicht ehrlich zu dir bin“, stellte Severus fest, verschloss seine Tasche und ging am Gryffindor vorbei Richtung Tür. „Zumindest bist du es in den letzten Tagen nicht gewesen“, erwiderte Harry und drehte sich um, um Severus nachzusehen. „Ich weiß nicht, was du meinst“, erwiderte Severus aalglatt und verließ den Raum. Knurrend folgte Harry ihm, sah sich im Flur kurz nach Zuschauern um und folgte Severus energisch. „Oh doch, das weißt du ganz genau“, zischte der Gryffindor durch zusammengebissene Zähne. „Genau dieses Verhalten meinte ich, als ich von deinem Dickschädel gesprochen habe“, reagierte Severus sofort bissig. „Warum musst du immer alles ausdiskutieren? Akzeptiere einfach, dass sich nicht immer alles um dich dreht.“ „Wenn es nicht an mir liegt, dann hättest du das vorgestern einfach sagen können“, ließ Harry nicht locker und hielt problemlos mit Severus mit. „Das Problem liegt nur insoweit an dir, dass du dir Probleme einbildest“, zischte Severus und erreichte endlich sein Büro. Doch wenn er dachte, dass er Harry so abwimmeln konnte, dann hatte er sich verrechnet. Bevor Severus dem anderen die Tür vor der Nase zuknallen konnte, war dieser bereits in den Raum geschlüpft und funkelte den Slytherin herausfordernd an. „Mag sein, dass du sonst ein guter Lügner bist, aber in dem Fall bist du wirklich grottig darin. Verkauf mich nicht für dumm!“ Severus seufzte lautlos auf, hielt noch immer die Tür auf und sagte neutral, aber mit angespanntem Kiefer: „Raus.“ „Nein.“ „Ich sagte raus!“ „Nein!“, blieb Harry stur, griff nach der Tür und schloss sie. „Nicht bevor du mir sagst, was los ist.“ Langsam verlor Severus die Beherrschung. „Verdammt, Potter, wie kann man nur so stur sein?!“ „Wenn das Problem nicht bei mir gelegen hätte, hättest du es nur sagen müssen. Aber da du das nicht getan hast, sondern noch immer so tust, als sei nichts, kann ich wohl davon ausgehen, dass das Problem sehr wohl was mit mir zu tun hat“, argumentierte Harry laut und ließ sich vom tödlichen Blick des anderen nicht einschüchtern. „Merkst du denn gar nicht, dass du hier schon wieder aus einer Mücke einen Elefanten machst?!“, rief Severus aufgebracht aus. „Nur, weil du nicht ehrlich zu mir bist!“, wurde Harry genauso laut. „Du hättest einfach sagen können, was los war und alles wäre in Ordnung gewesen.“ „Was geht es dich an, ob alles bei mir in Ordnung ist“, zischte Severus erbost, wandte sich von Harry ab und ging hinter seinen Schreibtisch. „Und jetzt verschwinden Sie, Potter!“ „Ach, jetzt steigen wir einfach wieder aufs Siezen um? Jetzt hast du es mir aber gegeben, gratuliere“, spottete Harry und verschränkte die Arme, während Severus einen Schluck aus seinem Wasserglas nahm. „Ist das jetzt deine neue Methode, um mich auszuschließen?“ „Anders scheinst du ja nicht zu verstehen, dass du zu weit gehst“, rief Severus. „Merkst du gar nicht, dass wir hier vollkommen sinnlos streiten? Und das nur, weil du so ein verdammter Idiot bist!“ „Das ganze ist doch nur so weit gekommen, weil du mir nicht sagen willst, was los war! Lag es an den Erinnerungen? Wäre es so schwer gewesen, über deinen Schatten zu springen und zu sagen, dass dir bei den Erinnerungen an Necrandolas nicht wohl ist?!“ „Die Erinnerung hat mir nicht aus dem Grund nicht gefallen“, knurrte Severus und stockte bei seinen eigenen Worten, allerdings war Harry so sehr in Fahrt, dass er ihm keine Zeit ließ darüber nachzudenken. „Also hatte ich doch Recht!“, wetterte Harry. „Es lag an der Legilimentik, nicht wahr?“ „Ich konnte deine Erinnerungen nicht ertragen“, polterte Severus und hatte das Gefühl, dass er erst sprach und dann nachdachte, was sonst nie vorkam. „Und warum sagst du mir sowas nicht einfach?“, warf Harry hilflos die Arme in die Luft. „Warum musst du mich immer von dir stoßen, wenn es um was persönliches geht?“ „Weil ich das schon immer so gemacht habe.“ Was zum Teufel war hier los? Warum rutschten ihm ständig die Antworten heraus, die er gar nicht geben wollte? „Es geht hier also nur um eine Gewohnheit?“, runzelte Harry verständnislos die Stirn. „Nur wegen sowas lässt du mich ständig im Dunkeln tappen? Weil du es nicht 'gewohnt' bist jemanden an dich heranzulassen?“ „Ich lasse niemanden an mich heran und das soll auch so bleiben“, zischte Severus und fühlte sich langsam in die Ecke gedrängt. Gar nicht mal wegen Harrys Art, sondern weil Severus das Gefühl hatte, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Der Gryffindor strich sich ächzend durchs Haar, ehe er seinen Gedanken weiter spinnte: „Also basierten sämtliche Ausflüchte von dir nur auf deiner blöden Sturheit?! Du hast dir einfach mal gedacht, dass kein Mensch es wert wäre, zu erfahren, was du wirklich denkst und fühlst. Hältst du dich etwa für was besseres?!“ „Nein“, knurrte der Slytherin und krampfte seine Hände zu Fäusten, sodass seine Knöchel weiß wurden. Merkte Harry denn gar nicht, dass etwas nicht stimmte? Konnte dieser verdammte Idiot nicht endlich mal die Klappe halten?! „Na dann erkläre es mir!“, rief Harry stattdessen ungebremst aus. „Erkläre mir, warum du mich immer von dir stößt! Ich habe das immer kommentarlos hingenommen, aber wenn der einzige Grund dafür wirklich nur deine beschissene Sturheit ist...“ „Das ist nicht der Grund“, versuchte Severus seine Wut unter Kontrolle zu behalten, doch Harrys Vorwürfe machten es ihm nicht gerade leichter. „Dann sag mir doch einfach, was der Grund war, statt immer nur so zu tun, als sei nichts zwischen uns gelaufen!“ Severus konnte seine Wut nicht mehr zurückhalten. Mit immer lauter werdender Stimme donnerte er: „Ich habe mir geschworen, nie wieder jemanden so weit gehen zu lassen, weil mein verdammter Vater mich vergewaltigt hatte!“ Stille machte sich im Raum breit. Harry waren seine Worte im Halse stecken geblieben und so sah er den anderen mit offenem Mund entsetzt an, während Severus der Schrecken durch die Glieder fuhr. Das hatte er jetzt nicht wirklich ausgesprochen? Das hatte er verdammt nochmal nicht gesagt!! Harry war zur völligen Salzsäule erstarrt und sämtliches Denken war bei ihm ausgefallen. Ein seltsames, irgendwie kaltes Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus und nahm ihm sämtliche Kraft, sämtliche Wut und hinterließ nur Entsetzen. Mit ebenso großem Schock sah Severus zurück und war mit einem Mal kalkweiß geworden. Harry hatte schon Angst er würde umkippen, als der Slytherin nach seinem Wasserglas griff und die Flüssigkeit genau betrachtete. Wieder weiteten sich seine Augen und füllten sich plötzlich schlagartig mit Wut, ehe er zum ahnungslosen Harry herüberblickte. Mit Eiseskälte zischte Severus: „Du hast mir Veritaserum untergejubelt?!“ Wegen des Schocks fiel Harry immer noch das Denken schwer und so zögerte er mit seiner Antwort. „W-Was? Nein. Natürlich ni-...“ „Deswegen hast du mich mit deinen Fragen gelöchert!“, hauchte Severus bedrohlich und ging lauernd um den Tisch herum. Harry konnte nicht anders, als verschreckt zurückzuweichen. „Nein, ich habe dir kein Veritaserum...“ „Hältst du mich wirklich für SO BESCHEUERT?!!“, schrie der Slytherin und schmiss das Glas mit aller Kraft auf den Boden, sodass die Scherben nur so flogen. Der Gryffindor machte einen Hechtsprung zurück und trotzdem war Severus im nächsten Augenblick schon bei ihm angekommen. Grob packte er ihn am Kragen und funkelte ihn mit sprühenden Augen an. „WEHE es kommt auch nur EIN MUCKS zu irgendwem über deine Lippen!!“ „N-Nein, i-ich würde nie...“ „Wenn du es doch tun solltest, WIRD DER DUNKLE LORD DEIN KLEINSTES PROBLEM SEIN!! UND JETZT RAUS!!!“ Severus hatte Harry so stark von sich geschubst, dass er stürzte und sich den Ellenbogen aufschrammte. Doch das ignorierte der Gryffindor und beeilte sich, wieder auf die Beine zu kommen. Wenn Severus ihm doch nur die Chance gab, sich zu erklären. „Severus, ich hab nicht...“ „ICH SAGTE RAUS!!!!“ Das Tintenfass kam auf Harry zugeflogen und nur weil er sich so schnell geduckt hatte, verfehlte es ihn knapp und zerschmetterte stattdessen einige Einmachgläser im Regal hinter ihm. Wie ein Irrer warf Severus nun auch mit Büchern nach dem anderen. „VERSCHWINDE ENDLICH!!“ Es hatte keinen Sinn, der Slytherin war rasend vor Wut. Eilig ging Harry zur Tür und wollte flüchten. Der Slytherin machte erneut einen Satz nach vorne, riss die Tür auf und schubste Harry grob nach draußen, der in den Flur stolperte. „Lass dich hier NIE WIEDER BLICKEN!!“ Damit knallte Severus die Tür zu. Mit einem letzten Wutschrei schlug der Slytherin gegen die verschlossene Tür, ehe er kraftlos an dieser hinuntersank. Wie konnte Harry ihm sowas nur antun? Nie im Leben hätte er den Gryffindor für so hinterhältig gehalten, dass er ihm Veritaserum verpasste, um ihn dann so zu verhören. Jetzt war alles aus. Harry hatte sein dunkelstes Geheimnis aus ihm herausgequetscht und wer weiß, was er mit diesem Wissen nun anstellen würde. Kraftlos senkte Severus den Kopf und legte seine Stirn an seine noch immer zu Fäusten geballten Hände. Er wusste nicht was mehr schmerzte: Dass Harry sein Geheimnis kannte oder dass er ihn so hintergangen hatte. Völlig fassungslos hingegen stand Harry noch immer vor der Tür und starrte sie an. Die neuen Informationen drangen nur sehr zäh zu ihm durch und verlangsamten sein Denken enorm. Was sollte er denn jetzt nur machen? Er konnte Severus doch so jetzt nicht alleine lassen. Aber es hätte auch keinen Sinn, sich nochmal zu erklären, dafür müsste Severus erst einmal wieder herunterkommen. „Verfluchte Scheiße“, seufzte Harry ratlos und strich sich durchs Haar. Er konnte dieses Thema unmöglich im Raum stehen lassen. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als zu warten, bis Severus sich beruhigt hatte und dann zu versuchen mit ihm zu reden. Also wandte Harry sich um und machte sich auf den Weg zum Gryffindorturm. Am wichtigsten war wohl, Severus zu sagen, dass sein Geheimnis bei ihm sicher war. Wie konnte er auch so blöd sein und nicht merken, dass Severus zu seinen Antworten gezwungen worden war?! Ihm hätte auffallen müssen, dass der Slytherin viel zu ehrlich war. Wie zum Teufel kam überhaupt dieses Veritaserum in sein Glas? Mit einem mulmigen Gefühl blieb Harry stehen. Wer hatte das Veritaserum ins Glas gekippt und warum? Was hatte das für einen Zweck? Die einzige Person, der das zuzutrauen wäre, war Syndia, aber die hatte so etwas gar nicht nötig. Also wer dann? Bei Harrys nächstem Gedanken sah er nervös den Flur zurück. Es trieb sich hier doch nicht etwa jemand herum, der den Phönixorden ausspionieren wollte, oder? Was war mit Malfoy? Vielleicht hatte er vor, Severus für Voldemort auszufragen. Aber jetzt, wo Severus das Veritaserum bemerkt hatte, würde er so einer Befragung doch ausweichen können, oder? Er ließ sich nicht einfach so ausquetschen... und doch hatte er es selbst gerade geschafft, ohne es überhaupt zu wissen. Kurz entschlossen warf Harry sich seinen Tarnumhang über und ging zurück. Vor der Bürotür lehnte er sich an die gegenüberliegende Wand und hielt Wache. Severus würde ihn köpfen, wenn er hereinkäme, aber es reichte ja aus, wenn er einfach die Tür im Auge behielt. Eine ganze Weile verging. Schüler kamen vorbei, ob alleine oder in Gruppen, aber niemand beachtete auch nur das Büro des Tränkemeisters. Während seiner Wache hatte Harry eine Menge Zeit, um über das Geschehene nachzudenken. Viele Dinge, die Harry ein Rätsel gewesen waren, ergaben auf einmal einen Sinn. Warum Severus' Irrwicht seinen Vater darstellte und warum er zu gelähmt war, um gegen ihn zu kämpfen. Warum er selbst in diesem Nebel Harry nicht weiter hatte gehen lassen, als bis zum Gürtel und warum er unbedingt hatte wissen wollen, wie weit Vernon bei seinen Misshandlungen gegangen war. Harry musste wieder dran denken, wie fertig Severus beim Angriff des Pogrebin gewesen war. „Einen Scheiß weißt du“ hatte er gesagt. Seufzend lehnte Harry seinen Kopf zurück an die Wand und starrte an die Decke. Als nächstes fiel ihm die Situation im Krankenflügel ein, Severus' Entzug. Seine Halluzinationen hatten auf Harry damals so wirr und unverständlich gewirkt, aber jetzt... Vor allem seine Reaktion darauf, als Harry ihn festgehalten hatte und Severus panisch wurde. „FASS MICH NICHT AN!!“ Harry verzog das Gesicht und schloss die Augen. Die Angst in Severus' Augen würde er wohl nie vergessen. Und was, wenn seine weiteren Halluzinationen sich ebenfalls auf seinen Vater bezogen hatten? „Ich muss hier raus, bevor es zu spät ist.“ - „Bevor es für was zu spät ist?“ - „Bevor er aufwacht.“ Seufzend strich Harry sich durch seine Haare. Wie hatte er nur so blind sein können? Erst jetzt fiel ihm auf, was für Fehler er gemacht und was er alles falsch interpretiert hatte. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er hatte nicht verstanden, warum Severus ausgerastet war, als er eine Diskussion darüber starten wollte, wer von ihnen denn vielleicht im Nebel oben gelegen hätte. Und verdammt nochmal, er hatte bei ihrem großen Streit letztens Severus an den Kopf geworfen, dass er als Teenager wahrscheinlich auf ältere Männer gestanden hatte. „Oh Fuck“, murmelte Harry und strich sich mit den Händen übers Gesicht, während ihn Scham durchflutete. Warum hatte er nicht sein verdammtes Mundwerk halten können?! Dass Severus ihm das verziehen hatte, grenzte ja an einem Wunder. Da kam Harry noch ein viel schrecklicherer Gedanke: Die Erinnerungen, die er aus Versehen im Okklumentikunterricht ganz am Anfang des Schuljahres gesehen, oder viel mehr gehört hatte, hatte er vielleicht auch nicht weit genug interpretieren können. Das kraftlose Schluchzen und die Verzweiflung dabei in der Stimme. „Bitte hör auf! Bitte!“ Harry unterdrückte ein Keuchen, als ihm bei dem Gedanken speiübel wurde. Fassungslos glitt er an der Wand hinunter und setzte sich auf den Boden. Kein Wunder, dass er Syndia von dieser Erinnerung nicht hatte erzählen dürfen. Nervös spielte er mit seinen Händen, während er zur Tür herübersah. In Anwesenheit von Severus würde er sich in Zukunft sehr zusammennehmen müssen. Harry wusste genau, dass wenn Severus in seinem Blick auch nur einen Funken Mitleid sehen, ihn sofort in die Hölle hexen würde. Und irgendwie könnte er das sogar verstehen. Er musste versuchen, sich Severus gegenüber so wie immer zu verhalten. Wahrscheinlich leichter gesagt als getan.   Der Nachmittag verging, ohne dass jemand das Büro des Tränkemeisters betrat und langsam fragte Harry sich, ob das Veritaserum überhaupt noch wirken würde. Das ergab doch alles keinen Sinn. Wenn jemand Severus ausfragen wollte, hätte er sich doch schon längst zeigen müssen. Also warum passierte nichts? Als es Zeit fürs Abendessen wurde, gab Harry auf und machte sich auf den Weg zur Großen Halle. Dort saßen bereits Ron und Hermine am Gryffindortisch und sahen fragend zum Schwarzhaarigen. „Wo warst du denn die ganze Zeit?“, fragte Ron als erstes, als Harry sich zu ihnen setzte. „Ich habe Wache geschoben“, antwortete Harry ehrlich, da er gerade ohnehin schlecht im Lügen wäre. Die Gesichter seiner Freunde sahen nur noch verwirrter drein und so ließ Harry sich zu einer Erklärung breitschlagen. „Irgendjemand hat Severus Veritaserum untergejubelt. Blöderweise dachte er, ich sei das gewesen und hat mich rausgeworfen. Ich habe die Tür im Auge behalten, weil ich dachte, der Täter müsse ja irgendwann auftauchen, um Severus' Situation auszunutzen.“ „Es kam aber keiner?“, runzelte Hermine die Stirn und Harry schüttelte den Kopf. „Seltsam, nicht? Was nützt es jemandem, ihm Veritaserum zu geben, wenn man ihn nicht ausfragen will?“ „Gute Frage“, grübelte Hermine und warf einen kurzen Blick zum Lehrertisch, doch wie Harry erwartet hatte, war Severus nicht da. „Ich werde nochmal mit ihm reden müssen“, überlegte Harry laut. „Ich muss ihm irgendwie klar machen, dass ich damit nichts zu tun hatte.“ „Und du meinst das glaubt er dir?“, runzelte Ron zweifelnd die Stirn. „Meinetwegen soll er mir selber Veritaserum geben, wenn er mir nicht glauben will“, sagte Harry hilflos und sah zu der ebenso ratlosen Hermine herüber. „Wie lange meinst du hält das Veritaserum an? Ich darf erst mit ihm reden, wenn die Wirkung verflogen ist.“ „Das hängt ganz davon ab, wie viel ihm verabreicht wurde“, erklärte Hermine und Harry ließ enttäuscht die Schultern hängen. „Na super“, murmelte er. „Gibt es nicht irgendeine maximale Wirkzeit?“ „Doch“, zögert Hermine und biss sich auf die Lippe. „Fünf Stunden.“ Seufzend wandte Harry sich dem Essen zu. „Dann werde ich mich wohl darauf einstellen müssen, erst nach Ausgangssperre wieder zurückzukommen.“ „Wenn du überhaupt lebend zurückkommst“, erwiderte Ron und schaufelte sich bereits die erste Gabel mit Erbsen in den Mund. Die Gruppe verfiel während des Essens in deprimiertes Schweigen. Erst als sich ein kleiner Junge neben Harry niederließ, wandten sie ihren Blick von ihren Tellern ab. „Luca?“ „Hey“, grüßte der Junge so beiläufig wie möglich, doch sein Blick ging besorgt zu Harry, der den Blickkontakt schnell brach. Auf keinen Fall durfte Luca ihn jetzt lesen. „Es hat also nicht geklappt?“, fragte Luca bedröppelt nach und verwundert sah Harry wieder zu ihm. „Was?“ „Na, dein Gespräch mit Onkel Sev. Ihr habt euch nicht vertragen?“ Noch immer war Harry verwirrt. Hatte Luca ihn jetzt doch gelesen? Wenn ja, war das eine Katastrophe. „Ich brauche deine Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen, dass es mies ausgegangen ist“, erklärte Luca sich. „Deine Stimmung verrät mir das schon.“ „Wieso... weißt du überhaupt, dass ich bei Severus war?“, fragte Harry noch immer vollkommen verwirrt nach. „Naja, ihr seid schon ziemlich berechenbar“, rollte Luca mit den Augen. „Es war nicht schwer euch genau abzupassen.“ Eine ganze Weile starrte Harry den Jungen fragend an... bis der Groschen fiel. „Du?! Du hast das Veritaserum ins Glas geschüttet?“, fragte Harry fassungslos nach, weshalb Luca verwundert dreinsah. „Ja natürlich, wer sonst?“, zog er eine Augenbraue hoch. Den Gryffindors blieb der Mund offen stehen und sogar Ron hörte auf zu essen. „Luca, soetwas ist verboten“, hauchte Hermine, doch Luca sah auch sie nur verwundert an. „Da ist doch nichts großes bei“, zuckte er unschuldig mit den Schultern. „Ich wollte nur, dass Harry und Onkel Sev sich endlich vertragen und das ging nur, wenn sie endlich ehrlich miteinander umgingen. Das hast du doch selbst gesagt, Harry.“ „Ja schon, aber...“, Harry sah sich kurz um und wandte sich dann vollkommen von seinem Teller ab. „Luca, du kannst jemanden nicht einfach mit Veritaserum dazu zwingen die Wahrheit zu sagen. Das ist nicht richtig.“ „Freiwillig tut er es ja nicht, also was hätte ich sonst tun sollen?“ „Severus glaubt jetzt, dass ich ihm das Zeug untergejubelt hab und hat mich rausgeschmissen“, flüsterte Harry energisch und endlich schien Luca zu verstehen. „Oh.“ „Jaa, Oh!“, seufzte Harry auf und betrachtete den jüngeren nachdenklich. „Ich hätte dich eigentlich für schlauer gehalten.“ „Ich wollte dir doch nur helfen“, verteidigte Luca sich, doch Harry hatte gerade nicht die Nerven, um feinfühlig mit einem Zehnjährigen zu reden. „Du siehst ja, wie sehr mir das geholfen hat.“ Mucksch spannte Luca den Kiefer an, doch bevor er etwas erwidern konnte, versuchte Hermine die Situation zu entschärfen. „Luca, es kann einfach nichts Gutes dabei herauskommen, wenn man jemanden dazu zwingt ehrlich zu sein. Jeder würde bei sowas sauer werden.“ „Wieso? Weil man ihm hilft, über seinen Schatten zu springen?“, fragte er verständnislos. „Nein, man nimmt jemandem damit die Entscheidungsfreiheit, was er von sich preisgeben will und was nicht. Jeder Mensch hat etwas, das er für sich behalten möchte und das sollte man respektieren.“ Überlegend biss Luca sich in die Wange und schien endlich zu verstehen. „Wie lange hält das Veritaserum an?“, warf Harry schließlich ein. „Hat er das Glas ausgetrunken?“ „Nein. Maximal bis zur Hälfte.“ „Dann müsste es nach zwei bis drei Stunden aufhören zu wirken.“ „Gut“, nickte Harry. „Dann hoffen wir mal, dass er mir zuhören wird.“ Harry warf Luca einen mürrischen Seitenblick zu, unter dem er ein wenig in sich zusammenzusinken schien. Kapitel 71: Ein hemmungsloser Abend ----------------------------------- Mit klopfendem Herzen stand Harry vor der Bürotür des Tränkemeisters. Gedanklich ging er nochmal alle Sätze durch, die er sich zurechtgelegt hatte, doch er bezweifelte, dass es ihm helfen würde. Es kam immer anders als geplant, also wäre es wohl besser einfach ins kalte Wasser zu springen. Zögerlich hob er die Hand und klopfte dann energisch an. Keine Antwort. Wieder klopfte er, doch im Büro war nichts zu hören. Unsicher sah Harry den Flur hinunter. Was nun? Er konnte nicht einfach gehen, er musste das klären. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und öffnete die Tür. Vorsichtig lugte er in den Raum, doch hier war niemand. Es brannte nicht einmal ein Feuer im Kamin. Noch immer glitzerten die Scherben der Gläser auf dem Boden und das Regal rechts von ihm war mit allerlei Froschorganen und Flubberwurm vollgesaut. „Severus?“, rief Harry, doch es war keine Antwort zu hören. Langsam schloss Harry die Tür hinter sich und huschte im Dunkeln zur nächsten Tür. Wieder klopfte er an und tatsächlich war ein brummendes „Nein“ zu vernehmen. Der Gryffindor atmete noch einmal durch und öffnete dann die Tür. Sie führte in die Privaträume des Tränkemeisters und Harry fand sich als erstes im Wohnzimmer wieder. Sein Blick huschte über den flackernden Kamin neben sich, über die Bücherregale... und zum Sofa, auf dem ein ziemlich mitgenommen aussehender Slytherin saß. „Was ist an Nein so schwer zu verstehen?!“, zischte er boshaft, allerdings mit weniger Kraft, als gewollt. Harrys Blick fiel auf das Whiskyglas in Severus' Hand und dann zu der Flasche auf dem Tisch, die schon zu dreiviertel leer war. „Sag mir nicht, dass die heute Nachmittag noch voll war“, nickte der Gryffindor besorgt zur Flasche. Verächtlich schnaubend antwortete der Slytherin: „Ich wüsste nicht, was dich das anginge.“ Harry seufzte auf und schloss die Tür hinter sich, wofür er sofort wieder angefahren wurde. „Du hast in meinen Privaträumen nichts zu suchen, Potter! Raus!“ Ruhig antwortete Harry: „Nicht, bevor ich nicht das gesagt habe, was ich dir zu sagen habe.“ „Ich will aber nichts von dir hören!“ Mit einem verachtenden Blick sah Severus zum anderen herüber. Harry konnte genau sehen, was für ein Chaos sich im Slytherin abspielte, da seine Augen ihn verrieten. Er war nicht nur wütend, sondern auch verletzt und das stachelte Harrys Schuldgefühle weiter an. „Ich habe dir kein Veritaserum gegeben“, versuchte Harry so aufrichtig wie möglich zu klingen, doch Severus schnaubte nur verächtlich. „Wer sollte es denn deiner Meinung nach sonst getan...“ „Luca war es.“ Überrascht hielt Severus inne. „Was?!“ „Er hat mitbekommen, dass wir uns gestritten haben und er wusste, dass es darum ging, dass du nicht ehrlich zu mir sein wolltest. Mit dem Veritaserum wollte er uns helfen uns zu vertragen.“ „Und das soll ich dir glauben, ja?!“ „Es ist die Wahrheit!“ Stur starrten sich die beiden an, bis Severus irgendwann aufgab und seufzend einen weiteren Schluck Feuerwhisky trank. „Schön, dann hast du ja jetzt gesagt, was du sagen wolltest. Dann kannst du endlich verschwinden!“, sagte Severus ohne den anderen anzusehen. „Ich bin aber noch nicht fertig“, blieb Harry stur. „Hast du mich heute nicht schon genug gequält?!“, rief Severus aus und bei seinem Blick hätte Harry tatsächlich fast nachgegeben. Unsicher trat der Gryffindor ein paar Schritte weiter in den Raum und sah mit einem Anflug von Trauer, wie Severus unbehaglich wurde. Kurz vor dem Sofa blieb Harry stehen. „Es tut mir Leid, dass ich dich so ausgefragt habe. Hätte ich gewusst, dass Veritaserum im Glas war, wäre ich gar nicht so weit gegangen. Und... ich will, dass du weißt, dass dein Geheimnis bei mir sicher ist. Ich werde es niemals irgendwem erzählen, das schwöre ich dir.“ Eine kurze Stille entstand, bevor Severus den Blick senkte und mit kratziger Stimme antwortete: „Das will ich dir auch geraten haben.“ Hilflos stand Harry da. Was sollte er jetzt tun? Er konnte Severus doch nicht einfach so da sitzen lassen. Dass Severus ihn noch nicht achtkantig rausgeworfen hatte, war wohl dem Whisky zu verdanken, denn der schien ihm sämtliche Kraft für eine wütende Reaktion zu nehmen. Stattdessen konnte der Slytherin nur zeigen, was sich hinter der Wut versteckte, nämlich Enttäuschung und Verletzlichkeit. Verdammt, dabei war Harry doch so schlecht im Trösten! Würde Severus sich überhaupt trösten lassen? Der Gryffindor gab sich einen Ruck und setzte sich neben den anderen aufs Sofa, was sofort wieder für Proteste sorgte. „Was willst du eigentlich noch hier? Müsstest du dich nicht langsam genug an meinem Leid ergötzt haben? Wird es dir nicht langsam zu langweilig, mir ständig eins reinzuwürgen?“ „Wer würgt hier bitte wem ständig was rein?“, spottete Harry schnaubend, ehe er versöhnlicher fortsetzte: „Und nein, es bereitet mir keinerlei Freude dich leiden zu sehen und das müsstest du eigentlich auch wissen.“ „Seltsam. Dann erkläre mir mal bitte, warum immer du Schuld an meiner miesen Laune bist!“, giftete Severus ungehindert weiter. „Zugegeben, wir haben ein gewisses Talent dafür, uns ständig in die Haare zu kriegen. Aber ich würde dir nie absichtlich wehtun wollen.“ „Tse, ja sicher“, murrte Severus und strich sich erschöpft über die Augen. „Es ist so“, blieb Harry stur. „Sonst wäre ich doch wohl kaum zurückgekommen, oder? Ich hätte jetzt niemals ruhigen Gewissens schlafen gehen können, ohne vorher nochmal nach dir zu sehen.“ Schnaubend hob Severus den Blick und sah ebenso stur zurück. „Soll ich mich jetzt etwa geehrt fühlen?“ „Nein. Du sollst nur endlich begreifen, dass es mir wirklich Leid tut“, erwiderte Harry ruhig, ohne den Blickkontakt zu brechen. „Ich wusste nichts von dem Veritaserum. Ich hatte nur... wissen wollen, warum du schon wieder so abweisend zu mir warst und... bin vielleicht ein wenig zu forsch vorgegangen. Ich hätte nicht so kopflos reagieren sollen, dann hätte ich sicherlich gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“ Skeptisch zog Severus eine Augenbraue hoch. „Du gibst freiwillig zu, dass du in einer Diskussion zu weit gegangen bist? Dass du nicht hättest so stur sein dürfen?“ „Ich muss zugeben, das ist Premiere“, schmunzelte Harry leicht. „Aber das unterstreicht umso mehr, wie ernst es mir ist. Ich wollte dir nicht zu nahe treten und dir erst recht nicht wehtun, Severus.“ Eine ganze Weile sahen sie sich einfach nur an. Severus schien in Harrys Augen lesen zu wollen, wie ehrlich er seine Worte wirklich meinte und als er auch nach längerem Starren keinerlei Zweifel beim anderen erkennen konnte, gab er sich geschlagen. Lautlos seufzend gab er seine Angriffshaltung auf und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Also schön, Entschuldigung angenommen. Dann kannst du ja jetzt gehen.“ „Und dich so alleine lassen?“, zog Harry zweifelnd die Augenbrauen hoch. „Lieber bleibe ich hier und... helfe dir.“ Severus lachte humorlos auf. „Mir ist nicht mehr zu helfen.“ Seufzend lehnte er sich zurück und starrte an die Decke. Sein Blick war glasig und er wirkte irgendwie abgekämpft. „Ich kann wenigstens dafür sorgen, dass du hier nicht alleine mit deinem Alkohol sitzt“, nickte Harry zur Flasche herüber. „Ich bin es gewohnt allein zu sein.“ „Was nicht heißt, dass es war gutes ist.“ Zögerlich ergänzte Harry: „Du musst nicht mehr allein sein.“ Wieder huschte der Blick des Slytherins zum anderen. Es war zu erkennen, dass er wieder irgendeinen bissigen Kommentar abgeben wollte, doch entweder fiel ihm keiner ein oder er brachte es nicht über sich. Vielleicht sogar beides. Auch Harry wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er konnte dem Blick des anderen nicht mehr standhalten und so sah er sich ein wenig im Raum um. Es war so typisch Severus, dass sämtliche Wände bis zur Decke hoch mit Bücherregalen vollgestellt waren. Nur die Vitrine und ein weiterer Schrank hatten die Ehre, ebenfalls einen Platz an der Wand erhalten zu haben. „Du hast die aber nicht alle gelesen, oder?“, runzelte Harry die Stirn. „In der Welt der Zauberer gibt es keinen Fernseher. Was also denkst du?“, kam die murrende, aber irgendwie auch schwache Antwort. Endlich traute Harry sich wieder, den anderen anzusehen. Severus versuchte zwar genauso bissig zu sein wie sonst, aber irgendwie gelang ihm das nicht so richtig. Lag es am Alkohol? Zu Harrys Verwunderung ergänzte Severus ruhig: „Zu Hause gab es zwar einen Fernseher, aber ich habe mich selten in der Wohnstube aufgehalten. Ich habe es so gut wie möglich vermieden.“ Stumm nickte Harry, auch wenn er vollkommen geplättet war von dieser Offenheit. „Bei den Dursleys konnte ich auch nur fernsehen, wenn ich alleine zu Hause war. Zumindest sobald ich herausgefunden hatte, wie ich die Kabel anschließen musste, weil Onkel Vernon sie vorsichtshalber immer herauszog.“ Es schien komischerweise zu helfen die Kommunikation aufrechtzuerhalten, wenn Harry soetwas erzählte, denn Severus spottete nicht oder verzog das Gesicht, wie er es normalerweise getan hätte. Also erzählte Harry weiter: „Einmal habe ich vergessen die Kabel wieder herauszuziehen und von da an zog Onkel Vernon es vor, mich im Zimmer einzuschließen, wenn sie fort mussten. Genauso wie er eine ganze Zeit lang ein Vorhängeschloss am Kühlschrank anbrachte, nachdem er bemerkte, dass ich mich am Aufschnitt bedient hatte.“ Eine kurze Pause entstand, in der beide vor sich hinstarrten. Schließlich sagte Severus: „Ich schätze über sowas kann ich mich nicht beklagen. Unsere Mutter hat sich immer für uns eingesetzt, auch wenn das hieß, dass sie damit selbst zur Zielscheibe wurde. Ich begreife bis heute nicht, warum sie nicht einfach die Scheidung eingereicht hatte.“ Severus nahm einen großen Schluck Whisky, während Harry sich inzwischen so auf dem Sofa gedreht hatte, dass er den anderen besser ansehen konnte. „Vielleicht wollte sie euch damit nicht schaden“, schlug Harry vor. „Sie hat uns mehr damit geschadet, ihn nicht zu verlassen“, erwiderte Severus dunkel. „Und als sie starb...“ Severus' Blick wurde mit einem mal leer. „Als sie starb, war ich alleine mit ihm.“ „Syndia war schon in den USA“, stellte Harry mehr fest, als das er fragte. „Ja.“ Severus setzte sich wieder aufrechter hin und begann sein Glas in den Händen zu drehen. „Während ich in Hogwarts war, hatte mein Vater jede Menge Zeit, um seine Wut anzustauen. Er hatte immer meine Mutter da gehabt, an der er alles auslassen konnte, aber dann war da plötzlich niemand mehr zum abreagieren.“ Severus beugte sich so vor, dass seine Haare sein Gesicht verbargen und Harry versuchte gar nicht erst, sich anders hinzusetzen, um es wieder sehen zu können. Denn sein Gefühl sagte ihm, dass Severus das absichtlich tat. „Und als ich dann in den letzten Sommerferien zurückkam....“, Severus stockte. Harry hätte ihm gerne geholfen, doch er hatte keine Ahnung wie. Also wartete er nur ab. Inzwischen spielte der Slytherin immer mehr mit dem Glas. „Es war zwar nicht das erste Mal, dass ihm die Hand ausrutschte, aber inzwischen war sein Alkoholkonsum so gestiegen, dass er wahrscheinlich gar nicht mehr merkte, wie oft er auf mich eindreschte. Ich versuchte nur, ihm so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Irgendwann kam ich sogar nur noch zum Übernachten nach Hause oder um nach Post von Ric zu sehen.“ Ric? Harry wurde hellhörig, doch er fragte nicht nach. Nach all seinen Erlebnissen mit Voldemort, wusste er zu genau, dass er den anderen jetzt nicht beim Erzählen unterbrechen durfte, sonst würde er es nicht schaffen weiterzuerzählen. „Tja, und dann irgendwann...“, seufzte Severus, lehnte sich zurück und trank einen Schluck. Sein Blick ging inzwischen nur noch ins Leere. „Irgendwann reichten ihm die Schläge nicht mehr. Er sagte... er müsse mir wohl meine aufmüpfige Art anders austreiben. Er schlug mir den Zauberstab aus der Hand, also konnte ich mich nicht mehr wehren.“ Der Gryffindor bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Ein Teil von ihm wollte gar nicht wissen, wie es weiterging, aber es war wichtig, dass Severus endlich darüber sprach. „Als er... mit mir fertig war, sperrte er mich in meinem Zimmer ein, meinen Zauberstab hatte er natürlich mitgenommen. Irgendwann schaffte ich es, die Tür aufzubrechen und ich packte meine Sachen, stahl meinen Zauberstab zurück und floh aus dem Haus. Es war schon spät am Abend und es goss in Strömen, aber ich wollte einfach nur noch weg.“ Der Slytherin spielte inzwischen so viel am Glas herum, dass Harry Angst hatte, er würde den Whisky verschütten und so legte er, ohne darüber vorher nachzudenken, seine Hand auf die von Severus. Sofort hielten dessen Hände inne und es wirkte, als würde er aus seinen Gedanken herausgerissen werden. Kurz huschte sein Blick zu Harry, dann beugte er sich vor und stellte das Glas auf den Tisch, wobei Harry seine Hand löste. So vorgebeugt blieb Severus sitzen und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Wo bist du hingegangen?“, fragte Harry vorsichtig nach. „Zu Lily natürlich“, antwortete Severus wieder deutlich gefasster. „Ich muss weg. Muss zu Lily.“ 'Also doch.', schloss Harry kurz die Augen, als ihm bewusst wurde, dass Severus damals im Krankenflügel tatsächlich von diesem Abend halluziniert hatte. „Ohne Fragen zu stellen hatte ihre Mutter erlaubt, dass ich die restlichen Ferien bei ihnen bleibe. Naja, ihr werden die blauen Flecke wohl kaum entgangen sein.“ „Aber sie wussten nicht genau, was passiert war?“, runzelte Harry verwundert die Stirn. „Nein, ich hatte mich so gut es ging zusammengerissen, damit keiner Verdacht schöpfte. Irgendwann konnte ich Lily aber nichts mehr vormachen. Oder eher gesagt Ric.“ Wieder dieser Name. Harry schluckte und fühlte sich hin und hergerissen. Sollte er fragen oder nicht? Severus warf dem Gryffindor einen Blick zu und sofort fühlte sich dieser ertappt. Doch Severus beantwortete ohnehin die Frage, als er weitererzählte: „Als ich wieder nach Hogwarts kam, wurde mir schnell klar, dass ich meine Beziehung zu ihm unmöglich aufrechterhalten konnte. Ich zog mich immer mehr zurück, konnte seine Nähe nicht mehr ertragen und das hat letztendlich alles kaputt gemacht. Ric hatte sich bei Lily ausgeheult und die hat mich solange ausgefragt, bis ich eingeknickt bin. Sie musste mir allerdings schwören, es niemandem zu erzählen, auch nicht Ric, also endete das Ganze damit, dass ich mit ihm Schluss gemacht hab.“ Harry senkte den Blick. Es war unfassbar, wie unfair das Leben sein konnte. Wie sehr ein einziger Moment das Leben ruinieren konnte. „Vielleicht...“, zögerte Severus und sprach mehr zu sich selbst als zu Harry, „wäre das anders ausgegangen, wenn ich... wenn wir bereits im Bett gelandet wären. Wer weiß, vielleicht hätte ich dann differenzieren können... aber so hatte ich eben nur diese eine Erfahrung. Nur weil ich Idiot immer Schiss hatte, dass wir von irgendwem erwischt werden könnten. Aber ich konnte ja auch nicht ahnen, dass ich... dass es ab dem Sommer...“ Es zerriss Harry förmlich das Herz. Ohne nachzudenken, wanderte seine Hand auf Severus' Rücken und er legte sogar sein Kinn auf seinem Schulterblatt ab. Erstaunlicherweise wehrte Severus ihn nicht ab, sondern schmunzelte nur etwas bitter. „Ich kann Mitleid nicht ausstehen, weißt du“, sagte er so neutral, dass es schon gar nicht mehr böse klang. „Ich weiß“, antwortete Harry schlicht und machte keinerlei Anstalten, seine Haltung aufzugeben. „Ist es... immer noch deine einzige Erfahrung?“ „So weit, ja“, murmelte Severus. „Es gab natürlich den ein oder anderen Mann, auf den ich mich eingelassen habe, aber das konnte ich nur, indem ich für mich selbst eine Regel aufstellte: Bis zum Gürtel und nicht weiter. Das hat gut funktioniert und irgendwie... habe ich das beibehalten.“ „Also... ein Stück weit doch Gewohnheit“, traute Harry sich zu fragen und er erhielt tatsächlich ein zögerliches Nicken. „Ja, ich schätze schon“, hauchte Severus. „Inzwischen ein ziemlich weites Stück weit sogar... denke ich. Wenn man so eine Regel 20 Jahre lang durchzieht, ist es schwer, sie wieder abzulegen.“ Severus griff wieder nach dem Glas und trank. Harry hingegen fiel ins Grübeln. Zögerlich fragte er: „Hast du denn... immernoch Angst davor weiterzugehen?“ Ein skeptischer Blick mit hochgezogener Augenbraue wurde ihm zugeworfen und sofort ruderte Harry zurück: „Keine Sorge, ich werde dir nicht zu nahe treten.“ „Das sagst du, während du deinen Kopf an meinen Rücken lehnst“, spottete Severus und Harry konnte ein Grinsen nicht verhindern. „Einem Gryffindor kannst du vertrauen“, säuselte Harry frech, ehe er wieder ernst wurde. „Also, hast du?“ Der Slytherin überlegte kurz. „Keine Ahnung, ich habe das für mich eigentlich nie wieder zum Thema gemacht. Ich hatte meine Regeln und damit konnte ich gut leben.“ Zweifelnd runzelte Harry die Stirn. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand jahrelang keinen Gedanken an Sex verschwenden würde. „Hast du nie... ich meine...“ Nun fiel Harry doch ins Stottern und glaubte sogar rot zu werden. „Irgendwann... staut sich doch einiges... ich meine...“ Augenverdrehend stellte Severus das Glas weg. „Irgendwann sollten wir das Thema mal beenden, meinst du nicht?“ Harry biss sich verlegen auf die Lippe und da Severus sich wieder aufrichtete, löste er sich vom Slytherin. „Ja... hast vielleicht Recht.“ „Dass ich es nochmal erleben darf, dass du mir Recht gibst“, grummelte Severus und erhob sich. Mehr schlecht als recht. Stirnrunzelnd behielt Harry den anderen im Auge, der zwar vom Sprechen her nicht sonderlich alkoholisiert gewirkt hatte, aber nun im Stehen leicht schwankte. „Kein Kommentar von dir“, brummte der Slytherin und ging etwas wackelig auf eine weitere Tür zu. Harry sah ihm prüfend nach. Severus machte im nächsten Raum Licht und ließ die Tür offen stehen, als er hineintrat. Bei seinem Gang hielt es Harry nun doch für besser, wenn er wenigstens in der Nähe blieb, also erhob er sich und ging Richtung Tür. Es stellte sich heraus, dass der andere Raum das Badezimmer war, in dem Severus vor dem Waschbecken stand und sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Harry sah ihm dabei zu, wie er schließlich seine Haare nach hinten strich und sich abtrocknete. „Du bist viel zu neugierig, weißt du das“, kommentierte Severus nur seine Anwesenheit. „Einer muss ja auf dich aufpassen“, konterte Harry kokett und lehnte sich an den Türrahmen. Severus wollte schon etwas fieses antworten, als sein Blick auf die Phiole fiel, die am Spiegel lag. Langsam griff er nach ihr. „Oh verflucht.“ „Was?“, runzelte Harry die Stirn. Severus schien sich förmlich auf die Zunge zu beißen, während er die Phiole finster anstarrte. „Ich dachte, ich hätte sie genommen“, sagte er knapp und ließ die Phiole abfällig wieder auf der Ablage landen. „Verflucht nochmal.“ „Was ist denn das?“, war Harry noch immer verwirrt. Severus sah ihn an, schien mit seinen Worten zu kämpfen und gab dann zu: „Der Trank sollte verhindern, dass der Alkohol die Wirkung des Veritaserums verlängert.“ „Ähm...“, war Harry sprachlos. „Genau richtig, Potter“, knurrte Severus und seufzte schließlich auf. „Wenn du im Unterricht aufgepasst hättest, wüsstest du, dass Alkohol Veritaserum verlängert, zwar in abgeschwächter Form, aber zusätzlich wird die Hemmschwelle gesenkt. Also... mehr als normalerweise unter Alkoholeinfluss.“ Harry biss sich schuldbewusst auf die Lippe. Hieß das, Severus hatte ihm das alles vielleicht nur wegen dem Veritaserum erzählt? „Ich wusste nicht...“, wehrte er sofort ab, doch Severus unterbrach ihn. „Ist mir schon klar, Potter.“ Schleppend schob Severus sich am anderen vorbei und stolperte wieder Richtung Sofa, wo er sich humorlos auflachend fallen ließ. „Wenigstens hast du jetzt die Gewissheit, dass diese beschissene Geschichte tatsächlich mein beschissenes Leben ist.“ Es war das erste Mal, dass Harry Severus so grinsen sah und dieser Galgenhumor gefiel ihm ganz und gar nicht. Dunkel sagte Harry: „Wenn ich eines durch Voldemort gelernt habe, dann dass man sich nicht auf die Dinge fokussieren sollte, die einem das Leben versauen, sondern sich an die Momente erinnern sollte, die das Leben lebenswert machen.“ „Das mag ja sein“, grummelte Severus und starrte wieder zurückgelehnt an die Decke. „Nur leider gab es selten solche Momente in meinem Leben.“ Harry zog die Augenbrauen zusammen und fragte fast zu bissig: „Was ist mit meiner Mutter und mit Syndia? Waren die Erlebnisse mit ihnen etwa nichts wert?“ Severus seufzte auf, sah zu Harry herüber und wurde endlich wieder ernst. „Denkst du ernsthaft, ich würde in Selbstmitleid versinken, sodass du mir so eine Predigt halten musst?“ Harry zögerte. „Nein, das passt nicht zu dir.“ „Na also“, murrte Severus und ließ seinen Kopf wieder nach hinten fallen. „Manchmal muss man einfach über sein Leben lachen, um nicht verrückt zu werden. Das ist alles.“ Der Gryffindor musste zugeben, dass das gar nicht so verkehrt war. Auch er hatte solche Momente bereits erlebt. Seufzend setzte Harry sich in Bewegung und blieb unentschlossen neben dem Slytherin stehen, der die Augen geschlossen hatte. Er döste doch nicht gerade weg, oder? Zögerlich hob Harry seine Hand und strich Severus die Haare aus dem Gesicht, fühlte dabei über sein Stirn, als wolle er prüfen, ob der andere Fieber hatte. Und irgendwie hatte Harry auch das Gefühl, durch das Berühren von Severus' Gesicht feststellen zu können, ob es dem anderen wirklich gut ging. Der Slytherin öffnete die Augen ein Stück weit, schien sich nicht entscheiden zu können, ob er aufsehen sollte oder nicht. Harry zog seine Hand wieder weg und setzte sich seufzend neben den anderen, der ihn nun doch ansah. Sein Blick war nicht zu deuten, was den Gryffindor irgendwie nervös machte. Severus war so ruhig, was mochte nur in seinem Kopf vorgehen? Tatsächlich schien Severus etwas sagen zu wollen, doch er biss sich offenbar wortwörtlich auf die Zunge. Kurz war ihm die Unentschlossenheit anzusehen, ehe er den Kopf anhob und von Harry wegsah. „Vielleicht solltest du langsam gehen, bevor mich das Veritaserum noch irgendwas dummes sagen lässt“, sagte er und verzog sogleich das Gesicht, als er bemerkte, dass auch dieser Satz eine Dummheit war, die vom Veritaserum herrührte. Harry hingegen lächelte sanft, was der andere zum Glück nicht sah. Zu gerne hätte Harry gewusst, was Severus denn hatte sagen wollen, doch er wollte auf keinen Fall das Veritaserum ein weiteres Mal ausnutzen. „Ich gehe, sobald ich sicher sein kann, dass du es gefahrlos ins Bett geschafft hast.“ „Ich werde dich auf keinen Fall in mein Schlafzimmer lassen“, knurrte Severus gefährlich, doch Harry zog nur spöttisch die Augenbrauen hoch. „Dann haben wir wohl ein Problem. Ich werde nicht gehen, wenn noch die Möglichkeit besteht, dass du noch mehr trinkst oder du auf dem Weg ins Bett auf die Schnauze fliegst oder vielleicht sogar gar nicht erst ins Bett gehst.“ „Ich kann doch wohl auf mich selbst aufpassen“, zischte der Slytherin abwehrend, aber Harry ließ nicht locker. „Mir würde das sonst keine Ruhe lassen.“ Das Gesicht verziehend ächzte Severus: „Verschone mich bitte mit deinem bescheuerten Heldenkomplex.“ „Tut mir Leid, aber es ist wie ein Zwang“, zuckte Harry lässig mit den Schultern. Der Slytherin brummte verstimmt und schielte böse zu Harry herüber, der weiterhin unschuldig dreinsah. Schließlich sah Severus wieder weg und brummte: „Dickkopf.“ „Ich glaube, du bist da schlimmer.“ „Keiner ist schlimmer als Harry Potter.“ „Kommt drauf an auf was es sich bezieht“, erwiderte Harry immernoch locker und zog ein Bein aufs Sofa, um seine Hände am Knie zu verschränken. Ächzend drehte Severus seinen Kopf zu Harry herum und sagte: „Wie wäre es mit Sturheit, Neugierde, Verplantheit, Besserwisserei, Frechheit...“ „Du bist viel sturer und besserwisserischer als ich“, fiel Harry dem anderen ins Wort, weswegen Severus die Augen zu Schlitzen werden ließ. „Ich bin nicht besserwisch-... besscher-... ach Kacke“, ächzte Severus und legte seinen Arm über seine Stirn, während Harry anfing zu lachen. „Der Alkohol scheint dein Sprachzentrum ja doch anzugreifen, was?“, grinste Harry spitzbübisch. „Klappe!“, kam die beleidigte Antwort, wofür er ein weiteres Kichern kassierte. „Wenn du wüsstest, wie wackelig dein Gang aussieht, würdest du verstehen, warum ich nicht gehen will.“ „Jaja, ich hab's ja kapiert“, brummte der Slytherin und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Wirklich fit siehst du wirklich nicht mehr aus“, sagte Harry wieder eine Spur besorgter. „Könnte daran liegen, dass ich nicht sonderlich fit bin“, spottete Severus. „Dann mach dich doch lang“, schlug Harry vor, erhob sich und sah den anderen auffordernd an. Der erwiderte seinen Blick noch kurz skeptisch, ehe er sich grummelnd aufs Sofa legte. Harry schwang seinen Zauberstab, um alle Lichtquellen, bis auf den Kamin, zu löschen und beschwor dann Kissen und Decke herbei. Sorgfältig deckte er den Slytherin zu, der ihn durch seine halboffenen Augen beobachtete. „Ausgerechnet heute kann ich keinen Traumlostrank nehmen“, flüsterte Severus bedauernd. „Zu viel Alkohol dafür.“ Harry warf ihm einen mitleidigen Blick zu und schlug vor: „Ich könnte noch eine Weile Wache halten. Ich weiß nicht, inwieweit du deinen Schlaf inzwischen im Griff hast, aber vielleicht hilft das noch.“ Überlegend sah Severus zu Harry hoch, ehe er schließlich nickte. Harry wollte sich gerade aufrichten und zum Sessel gehen, als Severus eine Hand an seine Hüfte legte und ihn bestimmt Richtung Sofa drückte. „Was...“, setzte Harry verwirrt an, eher er zwischen Sofalehne und Severus landete und damit halb auf ihm saß. „Klappe“, murmelte Severus, wanderte mit der Hand zu Harrys Schulter hoch und machte ihm deutlich, dass er sich hinlegen sollte. Verwirrt gab Harry nach und kam schließlich neben dem anderen zum Liegen, der sich ein Stück weit zu ihm umdrehte und bereits die Augen schloss. Das Sofa war gerade mal breit genug, dass Severus auf dem Rücken und Harry auf der Seite liegen konnte und so kam es, dass ihre Gesichter sich in der Position fast berührten. Noch immer vollkommen perplex starrte Harry den anderen an, der in aller Ruhe dalag und schon fast weggedöst war. Sein Atem strich warm und sanft über Harrys Wange und der Gryffindor schluckte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er konnte einfach nicht aufhören den anderen anzustarren. Das war doch jetzt nicht wirklich sein ernst?! Severus strahlte eine tiefe Ruhe aus und sein Gesicht wirkte so entspannt, dass auch Harry nicht anders konnte, als sich langsam zu beruhigen. Was natürlich nicht hieß, dass sein Herz sich beruhigte, nein, das war fröhlich damit beschäftigt, so laut zu schlagen, dass man es wahrscheinlich sogar noch in der hintersten Ecke des Raumes hören konnte. Langsam ergab Harry sich seinem Schicksal und gab seine angespannte Haltung Stück für Stück auf. Schließlich traute er sich, seine Beine herüberzuziehen und sogar seinen Arm locker über Severus' Seite zu legen. Die Wimpern des Slytherins zuckten leicht und Harry betrachtete sie, sowie jeden Zentimeter von Severus' Gesicht. Im Krankenflügel hatte Severus noch dunkle Ringe unter den Augen gehabt, doch die waren jetzt verschwunden und allgemein sah er viel gesünder aus, als letztes Mal. Seine Haut sah in dem sanften Licht so zart und rein aus. Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. Wie tief mochte Severus schon schlafen? Der Falte zwischen seinen Brauen nach zu urteilen, war er schon ganz gut weggedöst. Würde er es merken, wenn er ihn berühren würde? Vorsichtig hob Harry seinen Arm an und strich nach kurzem Zögern federleicht über Severus' Wange. Als dieser keine Reaktion zeigte, ließ Harry seine Finger weiterwandern. Er strich über die Stirn, zeichnete eine Augenbraue nach, wanderte von der Schläfe zum Kinn herunter... und berührte schließlich etwas zittrig die Unterlippe. Harry schluckte trocken und glaubte, sein Herz würde ihm aus der Brust springen. Etwas mutiger geworden, strich er nun mit dem Daumen die Unterlippe entlang, bis Severus den Mund bewegte und sich kurz auf die Unterlippe biss. Erschrocken zog Harry seine Hand zurück und ließ seinen Arm wieder auf Severus' Seite sinken. Nach dieser kurzen Bewegung regte sich der Slytherin nicht mehr und schlief seelenruhig weiter, was Harry wieder beruhigte. Was trieb er hier eigentlich?! Er konnte hier doch nicht einfach so liegen bleiben. Aber wenn er aufstehen würde, würde Severus mit Sicherheit aufwachen. Er musste wohl warten, bis der andere fest genug schlief, um nichts mehr mitzubekommen. Viele Minuten vergingen, in denen Harry den anderen weiterhin musterte. Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl von Severus' Atem auf seiner Haut... bis er schließlich selbst einschlief. Kapitel 72: Guter Rat ist selten -------------------------------- Als Harry erwachte, musste er sich erst einmal orientieren. Als erstes fiel ihm natürlich Severus auf, der noch immer seelenruhig neben ihm schlummerte. Das Feuer im Kamin war heruntergebrannt, sodass die Glut in der Dunkelheit rot leuchtete. Noch bevor Harry richtig wach war, wusste er, weshalb er aufgewacht war: Der Arm, auf dem er lag, war eingeschlafen und das nicht zu knapp. Der Gryffindor versuchte sich aufzurichten, doch der Arm gehorchte ihm nicht mal ansatzweise und es erschien unmöglich aufzustehen. Er griff mit dem anderen Arm nach der Sofalehne, verkrallte sich darin und zog sich ächzend hoch. Weit kam er nicht, aber weit genug, dass er das Blut sofort wieder durch den anderen Arm fließen spürte. Bei diesem Gefühl verzog Harry das Gesicht, doch es nützte ja nichts. Eine gefühlte Ewigkeit lang musste Harry in dieser anstrengenden Position bleiben, bis er endlich den anderen Arm nutzen konnte, um aufzustehen. Umständlich kletterte er über den Slytherin und seufzte auf, als er endlich vor dem Sofa stand. Severus beanspruchte den freigewordenen Platz sofort für sich und legte sich gemütlicher hin. Grummelnd sah Harry ihm dabei zu, während er seinen Arm massierte. Schließlich schlich er zu einer der Kerzen und entzündete sie, um besser sehen zu können. Etwas unschlüssig betrachtete er den schlafenden Severus. Was sollte er jetzt tun? Verschwinden? Aber eigentlich hatte er ihm versprochen Wache zu halten. Dann konnte er sich doch jetzt nicht einfach so davonschleichen, oder? Seufzend nahm Harry den Kerzenhalter und steuerte auf eines der Bücherregale zu. Vielleicht gab es hier ja irgendwas, was ihn auch interessieren könnte. Er las sich die Buchrücken durch, doch viele klangen allein schon nach dem Titel kompliziert oder langweilig. Als der Gryffindor die oberen Reihen ableuchtete, fiel sein Blick auf ein dünnes Buch ohne Beschriftung. Neugierig zog er es heraus und auch auf dem Deckblatt stand nichts. Harry ging zum Sessel am Kamin, stellte die Kerze auf den Beistelltisch und schlug das Buch auf. Es war kein Buch, wie Harry feststellen musste, sondern ein Notizbuch. Gerade wollte Harry es wieder zu machen und wegräumen, als er bemerkte, dass auf den meisten Seiten Fotos eingeklebt waren. Vorsichtig blätterte Harry um und erstarrte. Das war seine Mum im Teenageralter. Sie stand zusammen mit dem blonden Mädchen, dass Harry bereits aus Severus' Erinnerungen kannte, vor dem Big Bang und winkte aufgeregt in die Kamera. Auf dem nächsten Bild war auch der Big Bang abgebildet, nur standen dieses mal Lily und Severus davor. Während Severus vergeblich versuchte sich ein Lächeln abzuringen, hatte Lily lässig ihre Hände auf seiner Schulter verschränkt und lächelnd ihr Kinn darauf abgestützt. Harry fiel auf, dass sie stinknormale Muggelkleidung trug und auch Severus hatte ein normales T-Shirt an, auch wenn es etwas abgetragen aussah. Fasziniert von den Bildern, ließ Harry sich in den Sessel sinken und blätterte zur nächsten Seite um. Das nächste Foto war schon sehr alt und offensichtlich ein Muggelbild, da es sich nicht bewegte. Es zeigte eine Schaukel auf einem Spielplatz, an dessen Gerüst der kleine Severus saß, während Lily neben ihm hockte und mit schief gelegtem Kopf in die Kamera grinste. Sie hatte ein farbenfrohes Kleidchen mit Blumenmuster an, während Severus einen viel zu großen, ausgefransten Umhang trug. Wie alt mochten sie da wohl gewesen sein? Harry war schlecht im schätzen, aber älter als acht waren sie da auf keinen Fall. Ein weiteres Foto zeigte nur Lily, die mit Partyhütchen vor einer großen Geburtstagstorte saß und gerade die Kerzen auspustete. Harry zählte nach. Sieben Kerzen. War das zu fassen? Er hielt hier ein Foto vom siebten Geburtstag seiner Mutter in der Hand. Ein warmes Gefühl machte sich in Harrys Brust breit und behutsam blätterte er um. Beim Anblick des nächsten Bildes musste Harry leise kichern. Lily und Severus ein paar Jahre später, wie sie beide auf dem Sofa beim fernsehen eingeschlafen waren. Lily hatte sich auf die Seite gelegt und kuschelte sich in eine der Decken, während Severus neben ihr im Sitzen eingeschlafen war und mit offenem Mund dalag, ein Kartoffelchip noch an seiner Lippe hängend. Die Decken waren komplett mit Chips vollgekrümelt und die Schale lag halbleer auf Severus' Schoß. Auf dem nächsten Bild war die gleiche Szene zu beobachten, nur dass Severus' Mund nun von irgendwem mit Flips vollgestopft worden war. Lächelnd schüttelte Harry den Kopf. Wer hatte nur diese ganzen Fotos gemacht? Es waren Muggelbilder, also konnte man Severus' Mutter wohl ausschließen. Harry erkannte das Wohnzimmer wieder. Auch wenn Severus damals die Sicht stark eingeschränkt hatte, konnte man eindeutig erkennen, dass es der Raum war, in dem Lily ihm den heißen Tee angeboten hatte. Also musste das bei Lily zu Hause gewesen sein. Hatte ihre Mutter, also Harrys Großmutter die Bilder gemacht? Moment... die Erinnerung mit dem Tee... „Hier, wärm dich ein wenig auf. Du kannst hier so lange bleiben wie du willst.“ War das etwa... Hatte Severus die Erinnerung damals so stark getrübt, damit Harry nicht erkennen konnte, wie es um Severus gestanden hatte? War das etwa die Nacht, in der er vor seinem Vater geflohen war? Überlegend biss Harry sich auf die Lippe, ehe er leicht seufzend den Kopf schüttelte. Er wollte da ehrlich gesagt gar nicht so genau drüber nachdenken. Sich ablenkend blätterte Harry weiter. Das nächste Foto war wieder bewegt und wurde eindeutig in Hogwarts gemacht. Die jugendliche Lily saß an einem Tisch, der komplett mit aufgeschlagenen Büchern überhäuft war. Konzentriert las sie in einem der Bücher, während sie sich auf einer Hand abstützte. Sie wirkte so vertieft, dass sie die Kamera anscheinend nicht einmal zu bemerken schien und sie bewegte sogar leicht die Lippen beim Lesen mit. Nachdenklich biss Harry sich auf die Unterlippe. Das Bild erinnerte ihn irgendwie an Hermine. Er wusste, dass seine Mutter gut in der Schule gewesen war, aber dass sie so ein Bücherwurm war, überraschte ihn ein wenig. Andererseits... Harry ließ den Blick durch Severus' Wohnzimmer schweifen. Offensichtlich musste sie ein Bücherwurm gewesen sein, um sich so gut mit Severus zu verstehen. Beim nächsten Bild blieb Harry kurz der Atem stehen. Es war ein Muggelbild, auf dem Lily sich auf einem Baumstumpf abstützte und lächelnd in die Kamera blickte. Die Sonne kam von schräg vorne und ließ ihr, offenbar frisch gekämmtes Haar, goldrot glitzern und wie glühende Wasserfälle aussehen. Das Bild hatte so satte Farben und war so gut inszeniert, dass es nur von einem professionellen Fotografen stammen konnte. Auch das nächste Bild war im gleichen Stil, nur saß Lily dieses Mal auf dem Baumstumpf, die Beine dabei überschlagend. Sie trug eine hellblaue Jeans mit starkem Schlag und eine grüne Bluse, die wunderbar ihre Augen betonte. Verdammt, diese Bilder waren einfach nur perfekt. Das nächste war ebenfalls vom Fotografen, nur dieses mal stand sie halb hinter einem alten Baum und lugte hinter ihm hervor. Ihr Haar flog so schwungvoll, dass es den Anschein machte, als wäre sie genau in dem Moment erst hinter dem Baum zum Vorschein gekommen. Seufzend strich Harry über das Bild. Sie strahlte allein durch ihr Lächeln so viel Wärme und Geborgenheit aus, wie musste es erst gewesen sein, wenn man ihr wirklich gegenübergestanden hatte? Leider würde er das nie erfahren. Seufzend blätterte Harry weiter. Es kam wieder ein bewegtes Bild, dass Lily, Severus, das blonde Mädchen vom Big Bang und einen blonden Jungen zeigte, die auf einer Picknickdecke saßen und offenbar an so etwas ähnlichem wie einem Flugzeug aus Pappe bastelten. Das blonde Mädchen hielt sich die Hand über die Augen, da die Sonne sie blendete, grinste in die Kamera und sagte irgendwas, woraufhin Lily anfing zu prusten und sich dann laut lachend hin und herwiegte. Severus hingegen zog daraufhin eine Augenbraue hoch und sah Lily halb fasziniert halb skeptisch bei ihrem Lachanfall zu, während der Junge neben ihm breit grinste und der Kamera mit schalkhaften Augen einen Blick zuwarf. Was auch immer dieses Mädchen gesagt hatte, es hatte offenbar die ganze Szene vernichtet. Und gleichzeitig machte es das Bild auch faszinierend, denn Lilys Lachen wirkte so natürlich und ungezwungen. Grübelnd betrachtete Harry die beiden Fremden genauer. Das Mädchen hatte Gryffindorroben an und war offensichtlich eine gute Freundin von seiner Mutter. Und wer war der Junge? Harry fiel auf, dass er so dicht bei Severus saß, dass er ihn vermutlich berührte. Er lehnte ja schon fast an ihm. Sein kurzer Blick offenbarte blaue Augen, die stark und selbstbewusst wirkten, ohne dass es überheblich herüberkam. Und dennoch hatte sein Grinsen etwas schelmisches, arrogantes. Vielleicht ein wenig frech. Erstaunt stellte Harry fest, dass er Slytherinroben trug. Mit einem seltsamen Gefühl rechnete Harry nach. Severus war mit 16 mit diesem Ric zusammen gewesen und in dem Alter konnten sie auch ungefähr auf dem Bild gewesen sein. Verdammt, er wurde doch jetzt nicht ernsthaft eifersüchtig?! Das lag viele Jahre zurück! Außerdem hatte diese Beziehung ein so trauriges Ende genommen, dass er eher Mitleid haben sollte. Wer weiß wie lange die Beziehung hätte halten können. Vielleicht hätte sie auch nie geendet... und vielleicht war das der Grund für Harrys Eifersucht. Grummelnd blätterte Harry weiter. Es folgten noch einige Bilder von Lily und Severus im Teenageralter, bis eine leere Seite kam und dann Fotos von Syndia folgten. Harry fiel auf, dass der Fotograf sich anscheinend weniger Mühe gemacht hatte, obwohl viele der Bilder bewegt waren und man dadurch weniger falsch machen konnte. Die meisten Fotos wurden draußen gemacht und waren teilweise schief, wobei Syndia anscheinend oft mit dem Fotografen zu sprechen schien. Auf einem Bild streckte Syndia sogar die Hand aus und verlangte offenbar nach der Kamera. Es folgten Bilder, die im Haus gemacht wurden und die eine deutlich bessere Qualität hatten. Trotzdem fehlte ihnen irgendwas und nach einigem Überlegen fiel Harry auch auf, was. Die Wärme. Sämtliche Fotos von Lily hatten warm gewirkt, während das Zimmer, in dem Syndia saß, irgendwie eine triste Atmosphäre erschuf. War die Stimmung bei den Snapes etwa so viel schlechter als bei den Evans' gewesen? So weitgehend, dass man es sogar auf den Fotos sah? Harry blätterte weiter, bis ihm fast etwas aus dem Notizbuch gefallen wäre. Stirnrunzelnd nahm er die beiden Karten zur Hand und betrachtete sie genauer. Das waren Urkunden. Eine zu der Hochzeit von Syndia Snape und David Levin und die andere von der Geburt von Luca Levin. Harry fiel auf, dass in dem Notizbuch keinerlei Bilder von der Hochzeit waren, was ihn nur wieder die Stirn runzeln ließ. Lupin hatte ihm erzählt, dass alle Syndia für tot gehalten hatten. Dass keine neueren Fotos von Syndia existierten, unterstützte diese Erzählung, aber warum besaß Severus dann diese Urkunden? Harry blätterte noch die letzten Seiten des Notizbuches durch, doch er fand keine weiteren Hinweise. Seufzend legte er die Urkunden zurück und schloss das Buch. Sein Blick wanderte zum Sofa, wo Severus noch immer tief und fest schlief. Was war das nur für eine verrückte Nacht. Wahrscheinlich würde Harry denken, er hätte alles nur geträumt, wenn er morgen aufwachen würde. Apropos. Der Gryffindor sah zur Uhr, die fast Vier anzeigte. Wenn Harry nicht wollte, dass alle merkten, dass er über Nacht nicht da gewesen war, musste er langsam zurück in den Gryffindorturm. Leise erhob er sich und stellte das Buch zurück. Noch einmal schlich er zum Slytherin und versicherte sich, dass er auch ruhig schlief. Harry musste den Drang unterdrücken Severus nochmal übers Gesicht zu streicheln und so drehte er sich ruckartig um. Er löschte die Kerze, bevor er so leise wie möglich aus der Wohnung schlich.   Am nächsten Mittag saß Severus in der Großen Halle am Lehrertisch und trank seine zweite Tasse Kaffee. Schwarz natürlich. Seine Kollegen spürten sofort, dass er heute nicht sonderlich gesprächig war, also ließen sie ihn in Ruhe. Alle bis auf eine Person natürlich. „Du siehst aus, als hättest du eine lange Nacht hinter dir“, stellte Syndia fest und setzte sich neben ihren Bruder, der unauffällig die Augen verdrehte. „Nicht direkt, nein“, antwortete er knapp und versuchte Syndia zu ignorieren. Fragend zog Syndia eine Augenbraue hoch und überhörte absichtlich die Ablehnung in der Stimme des Slytherins. „Und wie erklärst du mir dann, dass du zum Mittagessen erscheinst, als seist du gerade erst aus dem Bett gekrochen?“ „Warte eine halbe Stunde, dann bin ich wieder fit.“ Murmelnd ergänzte er: „Dann wirkt der Trank endlich.“ Nun sah Syndia noch erstaunter drein. „Was für ein Trank? Halbe... Du meinst doch nicht etwa einen Katertrank, oder?“ Severus warf ihr einen mürrischen Blick zu, den die Hexe als Ja deutete. „Wow“, sagte Syndia nur verwundert und füllte sich auf. „Ich hoffe du warst unterwegs und hast dich amüsiert und dich nicht alleine in deiner Wohnung betrunken.“ „Ich war nicht alleine, keine Sorge“, brummte der Slytherin und leerte seine Tasse mit einem großen Schluck. „Du hast aber nicht jemanden abgeschleppt, oder?“ Nun war es Severus, der skeptisch dreinsah. Was dachte seine Schwester eigentlich von ihm?! „Könnten wir vielleicht das Thema wechseln?“, grummelte er mürrisch. „Oder noch viel besser: Lass uns einfach gar nicht reden.“ „Wenn du meinst“, zuckte Syndia mit den Schultern. „Aber dann kann ich dir nicht erzählen, was ich zu erzählen habe.“ Augenverdrehend ächzte Severus: „Dann sag es einfach und lass diesen unsinnigen Smalltalk.“ „Es ist kein Smalltalk, wenn ich dich frage, warum du so scheiße aussiehst“, antwortete Syndia trocken. „Herzlichen Dank“, knurrte der Slytherin. „Aber wenn du schon fragst: Dein Sohn hat mir Veritaserum untergejubelt.“ Erstaunt zog Syndia eine Augenbraue hoch. „Was? Wieso? Und... was ist passiert?“ „Die Hölle ist ausgebrochen, das ist passiert“, zischte Severus gefährlich. „Wegen Luca haben Potter und ich uns gezofft.“ Ächzend strich Syndia sich übers Gesicht und sah dann leicht besorgt wieder zu ihrem Bruder. „Kennt Harry bereits den Grund für euren Streit?“ „Er hat überhaupt erst herausgefunden, dass Luca der Übeltäter war“, knurrte Severus und trank einen Schluck Kaffee. „Zwischen uns ist wieder alles geklärt, aber Luca konnte ich mir noch nicht greifen.“ „Ich rede mit ihm“, nickte Syndia so ernst, wie sie es selten tat. „Reden allein reicht mir aber nicht“, funkelte Severus Syndia böse an. „Gib ihm wenigstens Hausarrest... beziehungsweise Wohnungsarrest oder irgendsowas.“ „Ich habe nie behauptet, dass das keine Konsequenzen für ihn haben wird“, verteidigte Syndia sich beleidigt. „Du ziehst bei diese Bengel doch nie Konsequenzen.“ „Wenn es angebracht ist, schon.“ „Das habe ich noch nicht miterlebt.“ „Tja, dann kannst du dieses mal ja aktiv dran teilhaben“, erwiderte Syndia entschieden und wurde von Severus fragend angesehen. „Ich kann heute Abend mit dem Spezialisten für Seelenforschung reden. Das bedeutet also, dass ich gleich abreisen muss. Wahrscheinlich werde ich erst morgen wiederkommen, das hängt davon ab, wie lange es dauert und ob ich dann noch einen internationalen Portschlüssel erwische. Da ich dich sowieso bitten wollte, in der Zeit ein Auge auf Luca zu haben, kannst du ihm ja für heute eine Strafarbeit bei dir verpassen.“ „Und du glaubst, der Bengel hört auf mich“, brummte Severus skeptisch. „Er wird auf dich hören, wenn ich mit ihm geredet hab“, erwiderte Syndia entschieden und zum ersten mal wirkte sie tatsächlich streng. „Gib ihm eine Strafarbeit, achte darauf, dass er Abendbrot isst und schicke ihn spätestens um zehn ins Bett, in Ordnung?“ „Um zehn?“, zog Severus skeptisch eine Augenbraue hoch. „Es ist Wochenende“, leierte Syndia genervt. „Jaa schon gut. Ich kümmere mich darum“, murrte Severus und sah für sich das Thema als abgeschlossen an. Sein Blick wanderte zum Gryffindortisch und dort weiter zu Harry, der angeregt mit Hermine Granger zu diskutieren schien. Er konnte sich doch darauf verlassen, dass Potter dichthielt, oder? Bisher hatte er seine Versprechen immer gehalten, also warum sollte er es jetzt nicht tun? Verdammt, er hätte ihm einen unbrechbaren Schwur aufdrücken sollen. „Und ihr habt euch wirklich wieder vertragen?“, riss Syndias sanfte Stimme ihn aus seinen Gedanken. Lautlos seufzend nahm Severus einen Schluck aus seiner Tasse. „Keine Sorge, er ist da sehr hartnäckig gewesen.“ Ein sanftes Lächeln umspielte kurz Syndias Lippen, ehe ihr Blick wieder besorgt wurde. „Wir werden einen Weg finden ihn zu retten, Severus.“ „Mir wäre es lieber, wenn du das sagen würdest, nachdem du das Gespräch mit dem Experten hattest“, erwiderte Severus leise. „Ich werde dir sofort Bescheid geben, sobald ich zurück bin“, versprach die Hexe.   Am Abend verschanzte Luca sich mit Harry und Ron im Gryffindorturm und spielte mit ihnen Zaubererschach. Zuerst war Harry mulmig dabei gewesen, da er es nicht riskieren wollte, dass Luca seine Erinnerungen der letzten Nacht las, doch bald bemerkte er, dass er einfach nur nicht mit den Gedanken abschweifen durfte. „Ihr seid ja immernoch am Spielen“, runzelte Neville verwundert die Stirn, als er mit einer seiner Topfpflanzen den Turm betrat. „Luca versteckt sich“, grinste Ron schief, weshalb Nevilles fragender Blick zum Jüngeren wanderte. Grummelnd erklärte dieser: „Mum ist nicht da und das nutzt mein Onkel aus, um sich an mir zu rächen. Ich musste bereits den ganzen Tag Kessel schrubben.“ „Rächen? Wofür? Hast du schon wieder Scherzartikel benutzt?“ „Nein, er hat dem großartigen Trankmeister heimlich einen Trank einflößen können“, trällerte Harry etwas bissig, wofür Luca ihm seinen Das-ist-nicht-witzig-Blick zuwarf. „Wow“, sagte Neville bewundernd. „Ich fürchte, dann wirst du dich aber für den Rest deines Lebens verstecken müssen.“ „Ja, vielleicht“, seufzte Luca auf. „Ich würde mich ja hinter Mum verstecken, aber die war auch nicht sonderlich begeistert.“ „Also an deiner Stelle würde ich wie Moody nur noch aus meiner eigenen Flasche trinken“, riet Neville dem Jungen mitleidig und ging dann die Treppen zu den Schlafsälen hoch. Laut aufseufzend versuchte Luca sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren, während Harry ihn skeptisch beobachtete. „Du kannst dich nicht ewig verstecken, das weißt du.“ „Ich werde mich solange verstecken, bis Mum zurück ist“, antwortete er entschieden und machte seinen nächsten Zug. „Ähm“, kam plötzlich ein Erstklässler schüchtern auf die drei zu und stand nun unsicher vor ihrem Tisch, während sein Blick schnell zwischen Harry und Luca hin und herhuschte. „Was gibt es, Knirps?“, fragte Ron so charmant wie immer, was den Jungen nur noch nervöser werden ließ. „Ä-Ähm, also... ich, i-ich soll von Pr-Professor Snape ausrichten...“ „Ja?“, hakte Harry nach und versuchte freundlich zu klingen, doch wirklich besser schien er es damit nicht gemacht zu haben. Inzwischen zog der Junge nervös am Zipfel seines Pullovers und musste deutlich schlucken. „Also... er sagt.... er wartet draußen auf... auf...“, sein Blick blieb nun länger an Luca hängen, obwohl er noch immer zu Harry sprach. „Och nicht doch“, ächzte Luca auf und machte eine Schmolllippe. „Sag ihm, ich will noch zu Ende spielen.“ Sowohl Ron als auch Harry runzelten die Stirn. „Du weißt, dass er den kleinen umbringen wird, wenn er ihm das ausrichtet?“, nickte Ron zum Erstklässler. Ächzend erhob Luca sich. „Ist ja schon guuut. Ihr seid mir tolle Freunde.“ „Du weißt, was wir von der Aktion gehalten haben“, zuckte Harry mitleidlos mit den Schultern. „Jaa, ich weiß“, erwiderte Luca. „Tut mir wenigstens den Gefallen und kontrolliert Morgen als erstes, ob ich noch lebe.“ Damit ging er zum Portraitloch und verließ den Turm. Der Erstklässler sah nochmal kurz unsicher zu Ron und Harry, ehe er sich hastig umdrehte und davontrippelte.   Es war bereits nach elf, als Severus seine Unterlagen und Bücher zusammenpackte, um für heute Feierabend zu machen. Er wollte gerade den Kamin löschen, als jemand unangekündigt die Tür öffnete. Severus wollte schon protestieren, als er Syndia erkannte. Sie trug noch ihren Reisemantel und wirkte ziemlich erschöpft. „Da bin ich wieder“, lächelte sie schwach und schloss die Tür hinter sich. „Und?“, zog Severus eine Augenbraue hoch. Ihm fiel sofort auf, dass Syndia ihm nicht lange in die Augen sehen konnte, was er als schlechtes Zeichen deutete. Seufzend sammelte sich die Hexe. „Voldemort ist... der erste bekannte Zauberer der Welt, der jemals so weit mit Horkruxen gegangen ist. Soweit man weiß.“ „Du willst mir also sagen, dass der Berater keine Ahnung hat“, sah Severus skeptisch zu seiner Schwester. „Naja, es konnte... soweit noch nicht geforscht werden“, sagte Syndia zögerlich. „Aber er war über den Gedanken, einen lebenden Körper als Horkrux zu benutzen, sehr misstrauisch. Er meinte, dass wäre das dümmste, was man tun könnte, da man seinen Seelenteil damit nicht unsterblich machen würde.“ „Es ist ja nicht so, dass der Dunkle Lord Harry freiwillig zum Horkrux gemacht hätte“, knurrte Severus dunkel. „Das ist mir schon klar“, erwiderte Syndia. „Er sagte, dass bei einem normalen Horkrux die Unversehrtheit von einem vom anderen abhängt. Das heißt, der Seelenteil kann nur von der Erde entbunden werden, wenn der Gegenstand zerstört wird. Er vermutet, … dass sich das Seelenstück genauso zum lebenden Körper verhalten würde, wie die körpereigene Seele. Er geht sogar davon aus, dass sich das Seelenstück an die gesunde Seele klammern kann, sprich dass wenn beide Seelen den Körper verlassen müssten. Ein Avada würde den Körper zwar unversehrt lassen, aber er würde beide Seelen in den Tod schicken. Sämtliche Methoden, die die Seele weiterhin an den Körper binden würden, würden auch Voldemorts Seelenteil binden.“ Severus senkte den Blick und ließ die Worte kurz wirken, ehe er stumm nickte. Syndias Blick wurde mitleidig und sie trat einen Schritt weiter vor. „Sev, wenn dieses Gebiet noch nicht erforscht ist, gibt es da vielleicht noch Sonderregeln, die einfach nur keiner...“ „Und du glaubst, wir beide würden innerhalb weniger Monate hinter dieses Rätsel kommen, ja?“, sah Severus seine Schwester giftig an. „Wo wir keinerlei Ahnung auf diesem Gebiet haben.“ Syndia sah ihren Bruder eine Zeit lang nur an und biss sich unsicher auf die Lippe. „Gib Harry nicht auf“, flüsterte sie schließlich sanft. „Denkst du denn das will ich?“, hauchte Severus schwach. In seinen Augen konnte man förmlich sehen, wie er seine Gefühle wegsperrte. „Aber was bleibt uns denn anderes übrig“, ergänzte er schließlich. Syndia gefiel das überhaupt nicht und so streckte sie ihre Hand aus, um sie Severus auf die Wange zu legen, doch sofort wich der Slytherin zurück. „Nein, Syndia. Hör auf mich mit deinem Mitleid zu überschütten. Ich hasse das!“, zischte er abwehrend und funkelte sie böse an. „Danke, dass du mir gleich berichtet hast, aber jetzt hätte ich gerne meine Ruhe.“ Seufzend betrachtete Syndia ihren Bruder. Er reagierte nur so abwehrend auf ihr Mitleid, weil er selbst Mühe hatte, sich nichts anmerken zu lassen, das war für Syndia offensichtlich. Sie machte sich Sorgen um ihn, aber vielleicht brauchte er jetzt wirklich etwas Zeit für sich. „Mach die Nacht nicht wieder zum Tag. Und versprich mir, dass du dich nicht wieder verkriechst. Komm zu mir, wenn du jemandem zum reden brauchst, okay?“, strich Syndia ihm letztlich sanft lächelnd über den Arm. Lautlos seufzte der Slytherin auf, brach den Blickkontakt und nickte schließlich stumm. „Okay“, flüsterte Syndia, lächelte ihren Bruder nochmal warm an und ging dann zur Tür. „Gute Nacht, Sev.“ Damit verließ sie den Raum. Schwer ächzend massierte Severus sich die Nasenwurzel und strich sich schließlich die Haare zurück. Leise flüsterte er in den Raum: „Der Albtraum nimmt wohl nie ein Ende.“ Kapitel 73: Die niederschmetternde Wahrheit ------------------------------------------- Harry wühlte im Bett hin und her. Es war zwar noch nicht sonderlich spät, aber trotzdem fuchste es ihn, dass sein Kopf schon wieder so voller Gedanken war. In letzter Zeit war einfach viel zu viel passiert, was ihn zum Nachdenken brachte. Allein schon, dass er letzte Nacht zusammen mit Severus bei ihm auf dem Sofa geschlafen hatte. Und nicht zu vergessen die ganzen Informationen, die er erhalten hatte. Severus hatte ihn heute nicht noch einmal darauf angesprochen und so ganz wusste Harry nicht, was das zu bedeuten hatte. Er hätte ja erwartet, dass der Slytherin ihm sofort das Versprechen nochmal im nüchternen Zustand abnehmen würde, aber entweder war er nicht dazu gekommen, oder er hielt doch lieber Abstand. Was eigentlich ebenfalls typisch Severus wäre. Seufzend setzte Harry sich auf und kramte unter dem Bett nach der Karte des Rumtreibers. Als erstes kontrollierte er, ob Malfoy im Slytheringemeinschaftsraum zu finden war, oder sich schon wieder im Raum der Wünsche aufhielt. Da es schon sehr spät war, wunderte es ihn nicht, als er Malfoy tatsächlich in den Kerkern entdeckte. Dann glitt Harrys Blick zu Severus' Räumen und er stellte verdutzt fest, dass sie leer waren. War Severus auf Kontrollgang? Der Gryffindor ging Stock für Stock die Hauptgänge durch, ehe ihm sein Gefühl verriet, dass er sich ganz oben mal umsehen sollte. Da war er, auf dem Astronomieturm. Harry schluckte. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass der Slytherin dort gesessen hatte. Also wollte er doch mit ihm reden. Seltsam, wie nervös ihn der Gedanke nun machte. Gar nicht mal wegen Severus' Geschichte, sondern wegen dem, was zwischen ihnen passiert war. Schon seltsam, in Necrandolas hatten sie fast einen ganzen Monat lang miteinander verbracht, hatten sich in sämtlichen Gemütszuständen erlebt... und trotzdem hatte die letzte Nacht so intim gewirkt wie keine andere. Wie sollte er denn jetzt damit umgehen? Wie sollte er sich Severus gegenüber verhalten? Aber sich nun zu drücken und einfach im Schlafsaal zu bleiben, würde die Situation sicherlich auch nicht besser machen. Seufzend suchte Harry sich seine Klamotten zusammen und schlich sich so leise wie möglich aus dem Schlafsaal. Mit Tarnumhang, Zauberstab und Karte bewaffnet, schlich er durch die dunklen Korridore und musste ein paar Umwege nehmen, um Filch und McGonagall aus dem Weg zu gehen. Am Fuß des Turmes steckte Harry die Karte ein und ging mit gemischten Gefühlen die Treppe hoch. Nicht nervös werden, nicht nervös werden... „Du hast länger gebraucht, als ich dachte“, wurde Harry sogleich begrüßt, obwohl er den Tarnumhang noch gar nicht abgenommen hatte. Der Slytherin hatte nicht einmal hingesehen, stattdessen blieb sein Blick auf den Wald gerichtet, während er entspannt auf der Mauer saß. „Bin ich wirklich so laut?“, murrte Harry, nahm den Tarnumhang ab und trat zum anderen. „Ich würde sagen deine Kondition hat ganz schön nachgelassen. Du schnaufst richtig, wenn du hier die Treppen hochkommst“, spottete der Slytherin ruhig und zog eine Augenbraue hoch. „Pfe“, kommentierte Harry das gespielt beleidigt. „Mag sein, dass ich momentan nicht viel Sport mache, aber es war diesen Monat sicherlich trotzdem mehr, als du in deinem ganzen Leben gemacht hast.“ „Kommt drauf an was man als Sport zählen lässt“, erwiderte Severus nur unbeeindruckt und sah dann wieder ernst zum Gryffindor. Es war ein seltsamer Blick, den Severus ihm selten zuwarf. Irgendwie lauernd und misstrauisch, aber auf eine andere Art als noch vor einem Jahr. Für Harry war klar, warum er ihn so musterte. Gemächlich setzte er sich dem Slytherin gegenüber, zog ebenfalls seine Beine hoch und betrachtete den anderen einen kurzen Augenblick lang. Schließlich sagte er besänftigend: „Ich habe dir versprochen niemandem etwas zu erzählen und das werde ich auch nicht.“ „Ich will, dass du das Versprechen ausweitest“, forderte Severus sofort. „Auf alles, was an diesem Abend gesagt und getan wurde.“ Augenverdrehend erwiderte Harry: „Das versteht sich doch wohl von selbst. Ich schwöre dir, dass ich niemandem davon erzähle. Okay?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er Severus fragend an und wartete darauf, dass dieser endlich diesen misstrauischen Blick sein ließ. Doch dieser knurrte nur: „Wäre dein Überleben für den Kampf gegen den Dunklen Lord nicht so wichtig, würde ich von dir den unbrechbaren Schwur verlangen.“ Verdutzt fragte Harry: „Ähm... unbrechbarer Schwur?“ „Dein Ernst, Potter? Nicht einmal den kennst du?“ „Der stand noch nicht auf dem Lehrplan, oder?“, verteidigte der Gryffindor sich schulterzuckend. „Also kann ich ihn nicht kennen. Ich bin bei Muggeln aufgewachsen, schon vergessen?“ Ächzend ließ Severus seinen Kopf zurücksinken, womit er wohl zeigte, dass er nachgab. „Man stirbt, wenn man den Schwur bricht. Ganz einfach. Und er wird übrigens auch nicht auf dem Lehrplan stehen.“ „Nicht einmal, um zu verhindern, dass man auf solch einen reinfällt?“, zweifelte Harry irgendwie an dieser Methode. „Jedes Kind kennt diesen Schwur und würde nicht darauf hereinfallen.“ Süffisant lächelnd ergänzte er: „Außer du natürlich.“ Harry streckte ihm grummelnd die Zunge entgegen. Unbeeindruckt ergänzte Severus: „Es hat sich gezeigt, dass, wenn man den Spruch im Unterricht anspricht und man den Schülern grob schildert, wie er funktioniert, man ihnen damit nur Flausen in den Kopf setzt. Dann versucht plötzlich jeder Teenager jemandem diesen Schwur zu verpassen.“ „Hm“, kommentierte Harry das überlegend und fügte dann zuckersüß hinzu: „Dann vielen Dank, dass du mich jetzt vor so etwas gewarnt hast.“ „Dein Leben zu retten ist meine Lebensaufgabe“, brummte Severus nur und ließ seinen Blick wieder zu den Sternen schweifen. Irgendetwas hatte in seinem letzten Satz mitgeschwungen, das Harry nachdenklich stimmte. Da lag doch noch irgendetwas in der Luft. Der Gryffindor vermutete, dass sein erneutes Versprechen nicht der einzige Grund war, warum Severus hier saß. „Also... ist jetzt alles wieder gut?“, wagte Harry einen mehr als kläglichen Versuch und ärgerte sich bereits über sich selbst. „Der Dunkle Lord versucht in Hogwarts einzudringen und du fragst, ob alles gut ist?“, spottete Severus leise. „Es wird nie alles gut sein, Potter. Das nennt sich Leben.“ „So allgemein gefasst war die Frage nicht gemeint“, grummelte der Gryffindor augenverdrehend. „Und ich denke, das weißt du auch.“ „Und was erwartest du von mir zu hören?“ „Was der wahre Grund ist, warum wir hier sitzen.“ Überrascht sah Severus wieder zum anderen, der nur abwartend zurückblickte. Es war offensichtlich, dass Harry ihn bei etwas ertappt hatte, und er rechnete bereits mit einer Abwehrreaktion. Doch stattdessen seufzte Severus auf, lehnte sich wieder vollends zurück und schloss kurz die Augen. Irgendetwas belastete ihn schon wieder gewaltig, das war nicht zu übersehen und es bereitete Harry Sorgen. Er schätzte seine Chancen nicht sonderlich groß ein, dass er die Wahrheit vom anderen erfahren würde. Zumindest nicht ohne Gegenwehr. Allein schon, dass Severus ihn gerade nicht ansehen konnte, konnte nichts gutes bedeuten. Leise und kraftlos murmelte Severus: „Du hast keine Ahnung, was noch auf uns zukommt. Natürlich nicht, wie solltest du auch. Du kannst nicht wissen, was für Opfer solch ein Krieg mit sich bringen kann. Beim letzten Krieg warst du noch zu klein. All die Morde, die Angst, der Verrat unter Freunden und sogar Familien, nur um die eigene Haut zu retten... für den Sturz des Dunklen Lords wäre kein Preis zu hoch... schätze ich.“ Nachdenklich betrachtete Harry den anderen. Der kommende Kampf sollte also der Grund für seine Sorgen sein? Wer hätte jemals gedacht, dass ein solcher Krieg den kaltherzigen Severus Snape so mitnehmen würde. Und auch wenn es Severus sicherlich nicht passte, dass Harry es erkannte, sah der Gryffindor sehr wohl die Angst vor dem Kommenden in seinen Augen. „Im letzten Krieg...“, setzte Harry zögernd an, „hast du... noch auf der anderen Seite gestanden, richtig?“ Es kam keine Reaktion, was Harry Antwort genug war. „Wie darf ich mir das vorstellen, wie... dieser Krieg auf die Todesser wirkt? Auch in ihren Reihen wird es doch Verluste geben und... naja...“ Harry wusste nicht ganz, ob er seine Frage richtig formuliert hatte und hoffte einfach, dass Severus verstand, worauf er hinaus wollte. „Das einzige, wovon Todesser angetrieben werden, ist Machtgier und Angst“, erklärte Severus ruhig. „Um Macht zu erhalten, müssen sie sich dem Dunklen Lord anschließen und sind sie erstmal aufgenommen, treibt die meisten nur noch die Furcht vor seinem Zorn an. Kein Mensch der Welt hat mehr Angst vor dem Dunklen Lord, als ein Todesser. Natürlich gibt es Todesser, die voll und ganz im Foltern und Töten aufgehen und allein deshalb schon niemals die Seiten wechseln würden, aber auch eine Bellatrix Lestrange weiß, dass jeder Wutausbruch ihres Herren ihr letztes Stündchen bedeuten könnte. Wenn du erstmal gelernt hast, in Anwesenheit des Lords nicht in Panik zu verfallen, fällt es dir leicht bei jedem Auftrag ebenfalls keine Miene zu verziehen und nicht zu zögern, denn nichts ist furchterregender als der Dunkle Lord. Und wegen den Verlusten... alle wissen, dass sie nur austauschbare Schachfiguren sind. Jeder ist für sein eigenes Leben verantwortlich und würden sie zu große Trauer bei einem Verstorbenen zeigen, würde das kein gutes Ende für sie nehmen. Das wissen sie, sie wissen, worauf sie sich eingelassen haben und haben das bereits von Anfang an akzeptiert. Das einzige, was betrauert werden darf, ist die schwindende Gruppenstärke.“ Überlegend biss Harry auf seiner Lippe herum. „Das klingt alles ziemlich düster.“ „Du weißt erst, wie düster, wenn du das Dunkle Mal verpasst bekommst. Und von da an ist es zu spät umzukehren.“ Leise murmelnd ergänzte Severus: „Draco wird es auch erst jetzt richtig klar.“ Sofort wurde Harry hellhörig. „Also habe ich doch recht. Malfoy hat das Dunkle Mal im Sommer bekommen.“ „Er hatte keine Wahl“, knurrte der Slytherin. „Sein Vater hat seine gesamte Familie mit reingezogen und war dann auch noch so dämlich zu versagen. Jetzt müssen sie den Preis dafür zahlen.“ „Sein Versagen bestand darin, mich und die Prophezeiung zu verlieren“, murrte Harry düster. Wie konnte Severus so von den Ereignissen sprechen? Wäre es ihm lieber gewesen, wenn Lucius Malfoy die Prophezeiung erhalten hätte? Außerdem fuchste es Harry, dass er Draco in Schutz nahm. Auch wenn er mit seiner Frage dieses Thema provoziert hatte, wollte Harry dennoch keine Ausreden für irgendeinen Todesser hören. „Die Prophezeiung hätte nichts an den Plänen des Dunklen Lords geändert“, zischte Severus. „Er hatte dich bereits gekennzeichnet, das hätte er nicht mehr rückgängig machen können.“ Stirnrunzelnd und misstrauisch fragte Harry: „Woher kennst du denn den Text der Prophezeiung?“ „Von Dumbledore natürlich, woher denn sonst“, antwortete Severus knurrend. „Wenn du mal ein bisschen nachdenken würdest, müsstest du nicht solch dämliche Fragen stellen.“ Murrend erhob sich der Slytherin und wollte anscheinend gehen. Arme verschränkend sah Harry ihm dabei zu und konnte nicht fassen, dass der Kerl einfach so abhauen wollte. Er konnte doch nicht einfach gehen, nur weil sie auf ein riskantes Thema gestoßen waren! Er hatte Harry ja nicht einmal richtig zu Wort kommen lassen. Das war dann wohl das erste Mal, dass sie sich auf diesem Turm in die Haare bekamen und sogar mit dicker Luft zwischen ihnen auseinander gingen. Schade eigentlich, irgendwie war dieser Turm zu einem Ort geworden, wo sie vernünftig miteinander reden konnten. „Also verlassen wir diesen Turm zum ersten Mal mit bissigen Kommentaren als Abschied?“, konnte Harry sich nicht verkneifen und tatsächlich hielt Severus inne. Noch stand er an der Mauer, drehte sich zu Harry um und sah ihn unschlüssig an. Harry sah stur zurück und sah mit Genugtuung, dass Severus anscheinend wirklich an diesem Gedanken zu knabbern hatte. Schließlich seufzte er auf und die Milde kam in seine Augen zurück. „Das Schuljahr ist fast zu Ende“, sagte er schließlich vollkommen zusammenhangslos. „Ich denke nicht, dass wir es schaffen werden, nochmal Okklumentik zu üben. Das wichtigste kennst du jetzt, es fehlt dir nur ein wenig Übung.“ Verwundert vergaß Harry vollkommen böse zu gucken. Er beendete seinen Unterricht? Einfach so, ohne Vorwarnung, ohne abschließende Übung? Das war doch jetzt nicht die Reaktion darauf, dass Harry sich die letzten Tage so stur gestellt hatte, oder? Es kam Harry vor wie eine Ohrfeige, dass Severus ihre einzige gemeinsame Zeit nun einfach so kündigte. Verdattert starrte Harry den anderen an, der geduldig auf eine Antwort wartete. Seine Worte wirkten so endgültig und auch sein Blick zeugte von einer gewissen Verschlossenheit. „Also hast du mich hierher bestellt, um mir zu sagen, dass das hier unser letztes privates Gespräch sein wird?“, stellte Harry mehr fest, als das er fragte und spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken wandern. Es traf den Gryffindor wie ein Schlag. Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, dass das Schuljahr tatsächlich bald zu Ende war und damit auch keine Gelegenheiten mehr geboten werden würden, um Severus zu treffen. Sie würden sich nicht mehr täglich zu Gesicht bekommen, vielleicht würden sie sich für Monate nicht mehr sehen. Harrys Brust schnürte sich zu und machte ihm das Atmen schwerer. Das ging ihm alles zu schnell, kam zu plötzlich. Gestern noch hatten sie zusammen auf dem Sofa geschlafen und jetzt sollte er ihm für eine so lange Zeit auf Wiedersehen sagen? Das war nicht fair! Wo war nur die beschissene Zeit geblieben?! „Ich war mir nicht sicher, ob du am letzten Abend vor den Ferien auf die Idee kommen würdest, hier auf dem Turm nachzusehen“, erwiderte Severus schließlich etwas kleinlaut, was absolut untypisch für ihn war und er wohl selbst merkte, da er versuchte es zu überspielen. Dennoch war sein Blick so offen und ehrlich, dass es Harry ganz beklommen machte. Allein die Tatsache, dass Severus zugab, dass er ihn noch einmal sehen wollte, bevor sie ihrer Wege gingen... „Und wenn ich dir verspreche, dass ich am letzten Abend nachsehen werde?“, fragte Harry seltsam entrückt. Einen Moment herrschte Stille, bis Severus antwortete: „Dann werden wir nochmal die Chance haben, uns hier ohne Streit zu unterhalten.“ Wieder wurde es still und Harry nickte stumm als Zustimmung, da er ohnehin kein Wort herausgebracht hätte. Er konnte seinen Blick nicht vom anderen lösen und dem Slytherin schien es ebenso zu gehen. Harry schossen so viele Dinge durch den Kopf, wühlten seine Gefühle auf, sodass er mit der Situation vollkommen überfordert war. Es war unglaublich, wie groß sein Bedürfnis war, den anderen zu berühren, ihm nah zu kommen, seinen Duft einzuatmen... und das nur, weil Severus ihn so ansah. Der Slytherin war der erste, der sich einen Ruck gab. Er seufzte erneut auf, bevor er den Augenkontakt brach. „In den letzten Unterrichtsstunden werde ich dir kein Schein-Nachsitzen verpassen können, also versau die Tränke nicht. Sonst hagelt es zusätzliche Aufsätze“, erklärte er ruhig, ohne den Blick heben zu können. Harry rang sich ein trauriges Schmunzeln ab. „Aye Sir.“ „Mach nicht mehr allzu lange“, ergänzte Severus schließlich und wandte sich dann endgültig ab. „Aye Sir.“ „Verarsch mich nicht, Potter“, rief Severus noch von der Treppe her zurück. Schmunzelnd erwiderte Harry laut: „Dir auch eine gute Nacht.“ Es kam keine weitere Erwiderung und so lehnte Harry sich seufzend zurück. Grübelnd betrachtete er die Sterne, während er versuchte, das Chaos in sich zu bändigen. Kam das Ende des Schuljahres nun wirklich so plötzlich für ihn? Wie hatte er das nur verdrängen können? Doch viel schockierender war, dass er Severus bei dem Gedanken nicht hatte gehen lassen wollen. Es fühlte sich an, als gäbe es da noch so viel wichtiges, was er ihm vorher sagen müsste. Und trotzdem hatte Harry keinen blassen Schimmer, was das sein sollte. Ächzend strich Harry sich durchs Haar. Naja, jetzt hatte er wenigstens noch ein paar Tage Zeit, um sich darüber Gedanken zu machen.   Grübelnd hing Harry über seinen Kräuterkundehausaufgaben, doch wirklich konzentrieren konnte er sich nicht. Auch Ron schubste viel lieber seinen Zauberstab von einer Seite des Tisches zur anderen, statt seinen Aufsatz für McGonagall fertig zu schreiben. So war es eine angenehme Abwechslung, als Hermine sich mit dem Tagespropheten zu ihnen setzte. „Irgendwer gestorben, den wir kennen?“, fragte Ron standardmäßig nach. „Nein, aber es gab drei weitere Dementorenangriffe“, erwiderte die junge Hexe und regte sich über Rons Kommentar schon gar nicht mehr auf. „Wenn das Leben außerhalb von Hogwarts so gefährlich ist, sollten wir uns langsam überlegen, wie wir in den Sommerferien vorgehen sollen.“ „Wie genau meinst du das?“, runzelte Harry verwundert die Stirn und wurde sowohl von Hermine als auch Ron stirnrunzelnd angesehen. „Na, wie wir dir und Dumbledore helfen können, die Horkruxe zu finden“, erklärte Hermine selbstredend. „Außerdem sollten wir uns langsam um deine Sicherheit Gedanken machen.“ „Glaubst du nicht, dass der Orden da nicht schon seine Pläne mit mir hat?“, grummelte Harry und begann auf seinem Pergament herumzukritzeln. „Und genau darin sollten wir sie unterstützen.“ Protestierend sah Harry auf, doch Hermine unterbrach ihn sofort. „Ron und ich sind jetzt volljährig, also kann Molly uns nicht mehr davon abhalten, dem Orden beizutreten.“ „Und was ist mit mir?“, beschwerte Harry sich. „Ich habe jede Berechtigung im Orden mitzumachen.“ „Das wird Mum anders sehen“, runzelte Ron zweifelnd die Stirn. „Sie wird alles tun, um dich bis zu deinem Geburtstag vom Orden fernzuhalten.“ „Sie hat da aber kein Recht zu“, keifte Harry weiter. „Sirius hat mir schon damals die Erlaubnis gegeben und...“ „Das soll ich dir geben“, wurde das Gespräch plötzlich von einem Viertklässler unterbrochen, der Harry eine Pergamentrolle hinhielt. Verdutzt sahen alle drei auf und zögerlich nahm Harry die Rolle entgegen. |„Danke Jimmy.“ Noch immer verwirrt, entrollte Harry die Nachricht und las sie sich durch. Seinen Ärger völlig vergessend, erzählte er aufgeregt: „Die ist von Dumbledore! Ich soll so schnell wie möglich in sein Büro kommen.“ Die drei starrten sich einen Moment an, ehe Ron seine Worte wiederfand. „Meinst du etwa... er hat vielleicht einen...?|²“, traute er sich nicht, seinen Satz zu beenden. „Es gibt wohl nur eine Möglichkeit, um das herauszufinden“, verstand Harry ihn trotzdem und sprang auf. Eilig verließ er den Gryffindorturm und lief so schnell er konnte Richtung Schulleiterbüro. |Da in wenigen Minuten die Ausgangssperre begann, begegnete Harry nur Peeves, der ihn mit Kreide bewarf, was Harry aber mit einem lockeren Zauber abwehrte. Er wollte gerade um die nächste Ecke biegen, als er einen Schrei hörte und wie angewurzelt stehen blieb. „Wie... können... Sie... es... wagen... Ah!“ Sofort sprintete Harry wieder los und entdeckte Trelawney, die vollkommen zerzaust auf dem Boden lag und vergeblich versuchte, ihre Schals zu sortieren. „Professor“, rief Harry aus und ging zu ihr, um ihr aufzuhelfen. „Was ist passiert, Professor?“ Völlig zerstreut zog Trelawney sich an Harrys Arm hoch und befreite ihre Brille von den Ketten, die sich daran verfangen hatten. „Das ist eine gute Frage!“, rief sie schrill aus. „Ich schlendere so vor mich hin und dachte über gewisse düstere Menerekel nach, die ich zufällig zu sehen bekommen hatte...“ Sofort schaffte die Lehrerin es, dass Harry das Interesse verlor. Ohne ihr weiter zuzuhören, betrachtete Harry die Sherryflaschen, die Trelawney bei sich hatte. Warum lief sie nur mit so vielen Flaschen umher? Sein Blick fiel auf die Wand und erst jetzt wurde dem Gryffindor klar, wo sie sich befanden: Vor dem Raum der Wünsche. „Professor, haben Sie versucht, in den Raum der Wünsche zu gelangen?“, unterbrach Harry die mystischen Erzählungen seiner Professorin, die verdattert inne hielt. „Wie bitte?“ „Der Raum der Wünsche“, wiederholte Harry ungeduldig. „Haben Sie versucht ihn zu benutzen?“ „Ich... nun... ich wusste nicht, dass Schüler davon Kenntnis haben...“ „Nicht alle“, erwiderte Harry schnell, um das Gespräch abzukürzen. „Also wollten Sie? Was ist denn passiert? Es klang, als seien Sie angegriffen worden.“ „Ich... nun“, stotterte Trelawney und schien sich ertappt zu fühlen. „Ich wollte, äh, gewisse, ähm, persönliche Dinge im Raum deponieren...“ „Verstehe“, erwiderte Harry bei dem Blick auf die Flaschen. „Und Sie haben es nicht geschafft, hineinzukommen und sie zu verstecken?“ Es war Harry ein Rätsel, warum sich der Raum sträuben sollte. Erst letztens hatte er es doch geschafft den Raum zu betreten, wo all diese Dinge versteckt wurden. „Oh doch, hineingekommen bin ich“, erwiderte Trelawney und warf der Wand einen bösen Blick zu. „Aber es war schon jemand drin.“ Sofort wurde Harry hellhörig. „Was? Wer?“ „Keine Ahnung, wer“, antwortete Trelawney und war offenbar erstaunt über den Tonfall von Harry. „Ich bin in den Raum hineingegangen und habe eine Stimme gehört.“ „Eine Stimme? Was hat sie gesagt?“ Das konnte doch nur Malfoy gewesen sein! „Etwas gesagt hat sie eigentlich nicht“, berichtete Trelawney zögernd. „Sie hat eher... gejohlt.“ „Gejohlt?“ „Gehässig“, bestätigte die Hexe nickend. „Klang sie glücklich? War die Stimme männlich oder weiblich?“ „Männlich, würde ich sagen“, überlegte Trelawney weiter, auch wenn Harrys Verhalten sie langsam zu beunruhigen schien. „Und sie war sehr glücklich. Als würde sie etwas feiern.“ „Und dann?“ „Dann rief ich 'Wer da?'. Plötzlich wurde alles pechschwarz und im nächsten Moment wurde ich kopfüber aus dem Raum geworfen!“ „Und das haben Sie nicht kommen sehen?“, rutschte es Harry unwillkürlich heraus, ehe er sich auf die Zunge beißen konnte. „Nein, habe ich nicht, wie gesagt, es war pech-...“, unterbrach Trelawney sich selbst, als ihr bewusst wurde, was Harry damit gemeint hatte, und funkelte ihn dann böse an. Um die Situation zu retten, schlug Harry vor: „Ich glaube, Sie sollten damit zu Dumbledore gehen und ihm erzählen, was passiert ist.“ Hochmütig erwiderte Trelawney: „Der Direktor hat mir zu verstehen gegeben, dass er es vorzöge, seltener Besuch von mir zu bekommen. Ich gehöre nicht zu jenen, die Leuten ihre Gesellschaft aufzwingen, die sie nicht zu schätzen wissen. Wenn Dumbledore meint, er könne Warnungen ignorieren, die die Karten offenbaren...“ Plötzlich griff Trelawney nach Harrys Handgelenk, zeigte ihm eine Tarotkarte und sagte mit unheilvoller Stimme: „Wieder und wieder, gleich, wie ich sie auslege, der vom Blitz getroffene Turm. Unglück. Katastrophe. Es kommt immer näher...“ „Verstehe“, wimmelte Harry sie ab. Doch dann fiel ihm ein, dass er das vielleicht für sein Argument nutzen konnte. Es war tatsächlich etwas im Gange, denn Malfoy feierte gerade genau in diesem Raum etwas und das konnte nichts gutes bedeuten. Harry hatte ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache und Dumbledore musste das endlich ernst nehmen! „Ich bin sicher, dass Dumbledore Ihre Warnungen unterschätzt und er sollte sich noch einmal anhören, was sie zu sagen haben. Vor allem sollten Sie ihm schildern, was gerade mit dem Raum der Wünsche passiert ist.“ „Meinen Sie?“, dachte Trelawney kurz darüber nach, doch Harry merkte bereits, dass sie ohnehin schon überzeugt war. „Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm, weil wir ein Treffen vereinbart hatten. Wir könnten gemeinsam hingehen.“ „Oh, nun, wenn das so ist“, sagte Trelawney und lächelte. Sie hob noch ihre Sherryflaschen auf und versteckte sie ohne viel Federlesen in einer Vase, ehe sie sich mit Harry zusammen auf den Weg machte.|² Der hingegen saß auf heißen Kohlen. Was hatte Malfoy zu feiern? Wie sah sein Plan aus? Und vor allem: Was konnte er dagegen unternehmen? Er konnte nur hoffen, dass Dumbledore ihm endlich Gehör schenken würde, aber mit Trelawneys Erlebnis hatte er doch nun einen Beweis, oder nicht? Das konnte der Direktor nicht mehr abtun. Während seiner Überlegungen plapperte Trelawney fröhlich auf ihn ein, doch das ignorierte er vollkommen. Bis plötzlich das Wort Vorstellungsgespräch fiel. |„Dumbledore war tief beeindruckt, natürlich, tief beeindruckt... Ich wohnte im Eberkopf, den ich übrigens nicht empfehlen kann, Bettwanzen, mein lieber Junge, aber meine Mittel waren damals gering. Dumbledore erwies mir die Höflichkeit, mich in meinem Zimmer in diesem Gasthaus aufzusuchen. Er stellte mir Fragen... ich muss bekennen, dass ich mich plötzlich etwas unwohl fühlte, ich hatte an jenem Tag nicht viel gegessen... aber dann...“ Jetzt wurde Harry richtig neugierig. Dumbledore hatte ihm erzählt, dass Trelawney damals an jener Stelle ihre Prophezeiung über ihn und Voldemort gemacht hatte. „...aber dann wurden wir unsanft von Severus Snape unterbrochen!“ „Was?“, entfuhr es Harry verwirrt. „Ja, draußen vor der Tür gab es einen Tumult und sie flog auf, und da stand dieser ziemlich ungehobelte Wirt zusammen mit Snape, der davon schwafelte, er sei die falsche Treppe hinaufgestiegen, obwohl ich ehrlich gesagt glaubte, dass er dabei ertappt worden war, wie er mein Gespräch mit Dumbledore belauschte...“ Harry war es, als hallte Trelawneys Stimme durch einen langen Tunnel zu ihm. Der Todesser, der die Prophezeiung belauscht hatte... der sie an Voldemort weitergegeben hatte... „...wissen Sie, er war damals selbst auf der Suche nach einer Stelle, und zweifellos hoffte er, irgendwelche nützlichen Hinweise aufschnappen zu können! Nun, danach schien Dumbledore jedenfalls viel eher bereit, mir eine Stelle zu geben, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, Harry, dass er den deutlichen Gegensatz zu würdigen wusste zwischen meiner bescheidenen Art und stillen Begabung und dem hartnäckigen, aufdringlichen jungen Mann, der so weit ging, sogar an Schlüssellöchern zu lauschen... Harry mein Lieber?“|² Harry merkte gar nicht, dass er stehen geblieben war und Trelawney nun fragend zurücksah. Severus hatte seine Eltern verraten. Er hatte Voldemort auf die Jagd nach seinen Eltern geschickt. Den Gryffindor durchfluteten eiskalte Wellen der Erkenntnis und er merkte gar nicht, dass er immer bleicher wurde. Dieses letzte Puzzelteil hatte ihm all die Zeit über gefehlt. Es war ein winziges Detail und doch so unglaublich weitreichend, sodass es sein gesamtes Weltbild zerstörte. Gerade erst vor ein paar Tagen waren er und Severus auf dem Turm auf die Prophezeiung zu sprechen gekommen und jetzt verstand Harry auch, warum er das Thema so abrupt abgebrochen hatte. Natürlich, er hatte es nicht riskieren wollen, dass Harry hinter die grausame Wahrheit kam. Nämlich, dass Severus seine Eltern auf dem Gewissen hatte. „Harry?“, fragte Trelawney ein weiteres Mal unsicher nach und riss Harry so aus seinen Gedanken. „Gehen Sie alleine zu Dumbledore“, antwortete Harry leise und eiskalt. „Ich habe noch was zu erledigen.“ |„Aber... ich dachte, wir würden gemeinsam zum Schulleiter gehen?|²“, sagte Trelawney verwirrt, doch da hatte Harry sich bereits umgedreht. „Sie müssen alleine zu ihm gehen“, wiederholte Harry, ohne seine Lehrerin noch einmal eines Blickes zu würdigen und lief Richtung Kerker. Kapitel 74: Die Folgen einer Prophezeiung ----------------------------------------- Eiskalte Wut schoss durch Harrys Adern und beschleunigte seine Schritte immer weiter. Das konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein! All die Zeit über hatte Harry sich so auf Pettigrew fokussiert und dabei vollkommen den Todesser vergessen, der mit dem Überbringen der Prophezeiung Voldemort überhaupt erst auf seine Eltern gehetzt hatte. Warum hatte er sich nie gefragt, wer es gewesen war? Wie hatte er dieses wichtige Detail nur übersehen können?! Sein Herz schlug so kräftig, wie es nur konnte und jagte seine Wut nur umso schneller durch seine Adern, während es sein Denken vollkommen auf einen Gedanken einschränkte: Verrat. In den Kerkern angekommen, musste Harry gar nicht lange nach dem Übeltäter suchen. Severus ging gerade den Korridor entlang und weit und breit war kein Schüler zu sehen. Gut so, denn Harry wären Zuschauer nun vollkommen egal gewesen. „SNAPE!“, donnerte er wütend durch den Flur und mit hochgezogener Augenbraue drehte sich der Angesprochene verwundert um. „Darf ich fragen, was Ihnen diesen Tonfall erlaubt, Potter?“ Unbeeindruckt trat Harry kochend auf den anderen zu. „Die Prophezeiung. Daher kanntest du den Text! DU warst der Todesser, der Trelawneys Bewerbungsgespräch belauscht hat!!“ Mit einem Schlag wurde Severus leichenblass und seine Augen weiteten sich. Das war für Harry Antwort genug und etwas schrie in ihm vor Schmerzen auf. Mit voller Kraft holte er aus und schlug mit seiner Faust in Severus' Gesicht. Sein Schlag war so kräftig, dass der Slytherin zurücktaumelte und sich an der Wand hinter sich abstützte. Zwei Geister, die gerade den Korridor entlang gekommen waren, schrien erschrocken auf, doch das interessierte Harry nicht im geringsten. Viel mehr störte ihn, dass Severus sich nicht wütend zu ihm umdrehte und ihn anschrie, wie er es wagen konnte einen Lehrer zu schlagen. Nein, er hob nur langsam den Kopf und sah Harry ruhig entgegen. Leise und mit zittriger Stimme sagte er: „Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bereue, was ich damals getan habe...“ „DAS IST MIR VOLLKOMMEN EGAL!“ Erneut holte Harry aus und schlug zu. Er wollte keine Entschuldigung hören, keine Ausflüchte, keine Reue. Er wollte verdammt nochmal, dass Severus sich wehrte, wütend wurde, damit er einen Grund hatte, weiter zuzuschlagen! Doch stattdessen ließ Severus den Kopf gesenkt, seine Haare das Gesicht verhüllend. Er wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, während er langsam wieder aufsah. Er stellte fest, dass seine Lippe aufgeplatzt war und trotzdem veränderte er nichts an seinem Blick. „Und wenn du hundert Mal zuschlägst, das wäre nicht genug, Harry. Für uns beide nicht, schätze ich“, flüsterte er atemlos und Harry hob erneut die Faust. Doch Severus zuckte bei dieser Bewegung nicht einmal zusammen und das ließ den Gryffindor inne halten. Was zum Teufel tat er denn da? Dreschte er hier tatsächlich auf jemanden ein, der ihm erst vor kurzem erzählt hatte, dass er in seiner Kindheit ständig geschlagen worden war?! Wollte er ernsthaft in die Fußstapfen dessen Vaters treten?! In Harrys Innerem kämpften zwei Kräfte gegeneinander an: Die Wut und die Reue und es war unsicher, was von beidem die Oberhand gewinnen würde. Während seines Kampfes sah Severus einfach nur weiter abwartend zu ihm, bereit jeden weiteren Angriff einfach hinzunehmen und das war der entscheidende Funke. „ARGH!“, rief Harry wütend aus und ließ seine Faust sinken. Da er nicht wusste, wohin mit seiner restlichen Wut, flüchtete er den Flur hinunter, bevor er noch eine weitere Dummheit machen würde. Die beiden Geister riefen ihm protestierend hinterher, während Severus keine Anstalten machte ihn aufzuhalten. Harry rannte und rannte ohne Ziel und Verstand, bis er schließlich vollkommen aus der Puste in einem Korridor anhielt und sich an der Wand niedersinken ließ. Vollkommen durch den Wind raufte er sich die Haare und gab einen weiteren Wutschrei von sich. Das durfte doch alles nicht wahr sein! Was für ein Mensch überbrachte Voldemort freiwillig die Nachricht, dass er seine beste Freundin samt ihrem Kind töten solle?! Steckte da tatsächlich solch ein Monster in diesem Slytherin?! Und was war mit ihm selbst? Er hatte auf jemanden eingeschlagen, der sein halbes Leben lang misshandelt worden war! Und trotzdem sagte ein Teil in ihm, dass Severus diesen Schlag verdient hatte. Er hatte seine Familie auf dem Gewissen, verdammt nochmal! Wie sollte es denn mit diesem Wissen nur weitergehen? Verzweifelt sah Harry wieder auf und starrte auf den Boden. Was sollte er jetzt tun? Severus für den Rest seines Lebens aus dem Weg gehen? Er war Mitglied des Ordens, also wäre das unmöglich. Allerdings würde er ohnehin nicht viel mit dem Orden zusammenarbeiten können, wenn er nach den Horkruxen suchen würde... Horkruxe... Dumbledore! Erschrocken stand Harry auf. Er hatte Dumbledore vollkommen vergessen. Eilig lief er los und musste sich erstmal darüber klar werden, wo er sich überhaupt befand. Doch schnell hatte er sich orientiert und beeilte sich zum Schulleiterbüro zu gelangen. Dort angekommen, klopfte er atemlos gegen die Tür, doch das ging vermutlich bei den lauten Stimmen eh unter. Diese schrille Stimme konnte nur einer Person gehören. Langsam öffnete Harry die Tür und sah, wie erwartet, Trelawney, wie sie wütend auf den Direktor einredete. „Sie können mich nicht immer so abwimmeln, Direktor! Sie wissen, dass ich Recht habe und durch Ignorieren können Sie es nicht verhindern!“ „Jetzt, da Harry hier ist, wird er mir sicherlich nochmal berichten können, was passiert ist“, wimmelte Dumbledore sie entschieden ab. „Sie haben mir Ihre Eindrücke geschildert und ich habe sie zur Kenntnis genommen. Wenn Sie nun entschuldigen würden, ich habe wichtige Dinge mit Harry zu besprechen.“ „Also das ist doch...“, schnaufte Trelawney beleidigt auf und wandte sich dann an Harry. „Sie werden ihm doch bestätigen, was ich gerade erzählt habe, nicht wahr? Sie haben es doch auch miterlebt.“ „Ja, das habe ich und ich werde es ihm nochmal sagen. Machen Sie sich da keine Sorgen, Professor“, nahm Harry all seine Geduld zusammen, um Trelawney zu beschwichtigen, damit sie endlich den Raum verließ. „Gut, gut...“, nickte Trelawney eifrig, warf Dumbledore noch einmal einen finsteren Blick zu und ging dann zur Tür. „Die Zeichen darf man nicht ignorieren, Dumbledore.“ Mit diesen Worten schloss sie die Tür hinter sich und Dumbledore seufzte auf. „Harry, was hat dich dazu verleitet, sie zu mir zu schicken? Ich denke du weißt, dass sie momentan etwas schwierig ist und du weißt auch, dass wir heute wichtige Dinge vor haben“, sagte er anklagend aber ruhig. „Das, warum...“, war Harry kurz verwirrt. Ihm schwirrte so viel im Kopf herum, dass er sich erstmal sortieren musste. Eines nach dem anderen. Zuerst Malfoy. „Sir, ich bin mir sicher, dass Malfoy sie aus dem Raum der Wünsche geworfen hat. Was auch immer er geplant hat, es ist ihm nun gelungen und wer weiß...“ „Ich hatte dir diesbezüglich bereits gesagt, dass ich mehr darüber weiß als du, Harry“, wimmelte Dumbledore ihn sofort ab. „Aber...“ „Nichts aber, Harry. Wir hatten das geklärt.“ Erneut wollte Harry protestieren, doch da warf Dumbledore ein: „Willst du mich nun begleiten oder nicht? Die Zeit drängt und wir haben keine Zeit für solcherlei Diskussionen.“ „Be-...gleiten...“, fiel Harry ein. Richtig, sie wollten ja einen Horkrux finden. In Harrys Kopf wirbelten die Gedanken nur so herum, kein Wunder, dass er nichts mehr auf die Reihe bekam. |„Sie... Sie haben also einen gefunden? Sie haben einen Horkrux gefunden? Welcher ist es? Und wo ist er?“ „Ich bin nicht sicher, welcher es ist, auch wenn ich denke, dass wir die Schlange ausschließen können, aber ich glaube, dass er viele Kilometer von hier in einer Höhle an der Küste verborgen ist. In einer Höhle, die ich schon seit sehr langer Zeit ausfindig zu machen versuchte: Es ist die Höhle, in der Tom Riddle einst zwei Kinder aus dem Waisenhaus bei ihrem jährlichen Ausflug Angst einjagte, erinnerst du dich?“ „Ja“, antwortete Harry knapp. Seine Gefühle waren noch immer vollkommen aufgewühlt, doch er versuchte sich zu konzentrieren. „Wie ist er gesichert?“ „Ich weiß es nicht, ich habe Vermutungen, die völlig falsch sein könnten.“ Dumbledore zögerte, doch dann sprach er weiter: „Harry ich habe dir versprochen, dass du mitkommen darfst und ich stehe zu meinem Wort, aber es wäre ein großer Fehler, wenn ich dich nicht warnen würde, dass dies äußerst gefährlich sein wird.“ „Ich komme mit“, antwortete Harry sofort.|² Es war ihm egal wie gefährlich es war, er brauchte jetzt Ablenkung, dringend. Da war ein gefährliches Abenteuer genau das richtige, um seine Wut und Verzweiflung auszuleben. Dumbledore sah ruhig über seine Brille hinweg zu Harry und schien ihn mal wieder zu röntgen. „Erzählst du mir vorher, warum du so viel später hier angekommen bist, als Professor Trelawney? Und warum es offenbar nicht geholfen hat, deine Aufregung zu zügeln?“ |„Ich bin nicht aufgeregt.“ „Harry, Professor Trelawney erzählte mir, worüber ihr gesprochen habt und du warst nie ein guter Okklumentiker...“|² „Was glauben Sie denn, was ich getan habe?!“, unterbrach Harry den Direktor wütend. „Ich war bei SNAPE, wo denn sonst?!“ Geduldig betrachtete Dumbledore ihn weiterhin. „Ich hoffe, du hast nichts dummes getan, Harry. Wut kann einen zu Dingen verleiten, die wir später bereuen...“ „Wenn hier jemand etwas zu bereuen hat, dann doch wohl ER!!“, schrie Harry und war wieder auf hundertachtzig. „Und das tut er auch!“, warf Dumbledore ein. „Ich bin mir sicher, das hat er dir vorhin bestätigt.“ „Und warum hat er das dann überhaupt getan?! Kein Mensch, der auch nur einen Funken Anstand im Leib hat, würde seine beste Freundin so dermaßen hintergehen!“ |„Harry, lass mich bitte ausreden.“ Fahrig strich Harry sich durch die Haare und versuchte sich zu zügeln. Er ging unruhig umher und nickte schließlich stumm, um Dumbledore zu signalisieren, dass er zuhörte. „An jenem Abend, als Severus die erste Hälfte von Professor Trelawneys Prophezeiung hörte, stand er noch in Lord Voldemorts Diensten. Natürlich hat er ihm umgehend berichtet, was er gehört hatte, denn es betraf seinen Herrn in höchstem Maße. Aber – lass mich ausreden – Aber Severus wusste nicht, er konnte gar nicht wissen, welchen Jungen Voldemort von da an jagen würde, oder dass es sich gar um die Familie von Lily Potter handelte.|² Als ihm klar wurde, was für einen schrecklichen Fehler er gemacht hatte, kam er zu mir und flehte mich an, deine Familie zu verstecken.“ „Obwohl er ein Todesser war, haben Sie sich mit ihm getroffen?“, zog Harry zweifelnd grummelnd die Augenbrauen hoch. „Ich ging davon aus, dass Voldemort ihn mit einer Nachricht zu mir geschickt hatte. |Du kannst dir nicht vorstellen, welche Reue Severus empfand, als er erkannte, wie Lord Voldemort die Prophezeiung gedeutet hatte, Harry. Ich glaube, es war der größte Schmerz seines Lebens und der Grund, warum er zurückkehrte und von da an für mich spionierte.“|² Harry verschränkte skeptisch die Arme und versuchte über das Erzählte nachzudenken, was momentan nicht ganz so einfach war. „Die Jagd auf Mum war also der Grund, warum er die Seiten gewechselt hat“, überlegte Harry laut und ließ noch deutlich Skepsis in seiner Stimme mitschwingen. „Richtig“, antwortete Dumbledore ruhig und gab Harry die Zeit zum Nachdenken. „Du hast ihn nicht gesehen, Harry. In jener Nacht, als deine Eltern starben. Ich glaube, hätte ich ihm nicht dargelegt, dass er von nun an auf dich aufpassen musste, hätte er keinen Lebenssinn mehr gesehen.“ Überlegend stand Harry da und starrte den Direktor an. Das war also der Grund, warum Severus ihn immer beschützt hatte? Dass er es für Lily getan hatte, war ihm schon länger klar gewesen, aber nicht, dass es aus so einem tiefen Schuldgefühl heraus kam. „Ich würde dir gerne noch mehr Bedenkzeit geben, aber die Zeit läuft uns davon“, durchbrach Dumbledore plötzlich wieder die Stille. |„Willst du heute Nacht mit mir kommen?“ Harry malte noch einmal mit den Zähnen, ehe er sich einen Ruck gab. „Ja.“ „Na schön, dann: Hör zu. Ich nehme dich unter einer Bedingung mit: dass du jeden Befehl befolgst, den ich dir womöglich erteile, auf der Stelle und ohne weitere Fragen.“ „Natürlich“, nickte Harry nun wieder mehr beim Thema. Dass Dumbledore so ernst an die Sache heranging, weckte wieder Harrys Neugierde und Abenteuerlust. „Damit wir uns richtig verstehen, Harry. Das heißt, dass du auch Befehle wie 'Lauf', 'Versteck dich' oder 'Geh zurück' befolgen musst. Habe ich dein Wort darauf?“ „Ich... ja, natürlich.“ „Wenn ich dir sage, versteck dich, wirst du gehorchen?“ „Ja.“ „Wenn ich dir sage, flieh, wirst du es tun?“ „Ja.“ „Wenn ich dir sage, verlass mich und bring dich selbst in Sicherheit, wirst du meinen Worten Folge leisten?“ „Ich...“ „Harry?“ Einen Moment lang sahen sie sich an. „Ja, Sir.“ „Sehr gut. Dann geh bitte und hol deinen Tarnumhang, wir treffen uns in fünf Minuten in der Eingangshalle.“|² Dumbledore wandte sich bereits ab, da er das Gespräch für beendet hielt, doch Harry zögerte. „Sir... wegen Malfoy...“ „Wir hatten das geklärt, Harry“, unterbrach Dumbledore ihn sofort. „Aber wenn er etwas feiert, können Sie doch nicht einfach das Schloss verlassen und davon ausgehen, dass nichts pass-...“ „Denkst du etwa, ich würde das Schloss schutzlos zurücklassen, wenn ich nicht da bin?“, warf Dumbledore nun doch ernst ein. „Glaubst du, ich würde den Schutz der Schüler nicht ernst nehmen?“ Beim Blick des Direktors sank Harry ein wenig in sich zusammen. „Nein, Professor, so war das nicht... ich wollte nicht...“ „Es ist genug, Harry. Wir sind spät dran, hole bitte deinen Tarnumhang.“ Stumm nickte Harry und verließ das Büro. Während er Richtung Gryffindorturm rannte, arbeitete sein Hirn auf Hochtouren. Was auch immer Malfoy vorhatte, er konnte dabei nicht einfach tatenlos zusehen, egal was Dumbledore sagte. Aber was sollte er schon tun, wenn er selbst nicht im Schloss sein würde? Hastig nahm Harry mehrere Stufen auf einmal und stürmte in den Gryffindorgemeinschaftsraum, in dem Ron und Hermine vor dem Kamin saßen. |„Was wollte Dumbledore?“, fragte Hermine, ehe sie die Stirn runzelte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Mir geht es gut“, erwiderte Harry nur knapp und stürmte zum Schlafsaal hoch. Dort kramte er seinen Tarnumhang und die Karte des Rumtreibers heraus, ehe er zurück zu seinen Freunden rannte. Schließlich drückte er der vollkommen verunsicherten Hermine die Karte in die Hand. „Ich habe nicht viel Zeit für Erklärungen“, begann Harry hastig. „Dumbledore verlässt das Schloss und lässt mich ihn begleiten, um einen Horkrux zu holen. Ich habe mitbekommen, dass Malfoy seinen Plan im Raum der Wünsche vollendet hat. Was auch immer er vor hat, ihr müsst diese Nacht unbedingt beide Augen offen halten.“ „Harry...“, begann Hermine bereits zweifelnd, doch der Gryffindor unterbrach sie sofort. „Nein, hört mir zu! Ich weiß einfach, dass Malfoy heute Nacht etwas plant. Ihr müsst ihn überwachen. Spannt sämtliche Leute von der DA ein, die ihr auftreiben könnt. Hermine, diese Galleonen, die alle benachrichtigen, funktionieren doch immer noch, oder?“ „Ja sicher, aber...“ „Ich habe keine Zeit zu diskutieren“, sagte Harry schroff. „Vertraut mir einfach. Ich muss jetzt los.“|² Damit stürmte Harry aus dem Gryffindorturm und beeilte sich in die Eingangshalle zu kommen, wo Dumbledore bereits mit Reiseumhang auf ihn wartete.   Syndia hatte gerade ihren Kontrollgang im sechsten Stock beendet und wollte ihn auf der fünften Etage weiterführen, als ihm zwei aufgeregt schnatternde Geister entgegenkamen. Eine Augenbraue hochziehend blieb sie stehen. „Ah endlich jemand, der helfen kann.“ „Professor, es ist so schrecklich!“ „Müsste einen Schulverweis kriegen!“ Beschwichtigend hob Syndia die Hände und versuchte aus dem Wirrwarr etwas herauszuverstehen. „Eines nach dem anderen. Was ist los?“ „Sie sollten dringend nach Professor Snape sehen“, sagte der erste Geist eindringlich. „Ja ja, und Potter einfangen, bevor der auf den nächsten losgeht“, nickte der zweite eifrig. Noch verwirrter als vorher, sah sie von einem Geist zum anderen. „Was, wieso? Was ist mit den beiden?“ „Eine absolute Unverfrorenheit!“ „Potter ist auf einen Lehrer losgegangen, Professor!“ „Ja ja, ganz genau, auf Professor Snape!“ Ächzend ließ Syndia die Hände sinken. „Konnten Sie nachvollziehen, worum es bei dem Streit ging?“ „Nein nein, es sah mir weniger nach einem Streit aus.“ „Professor Snape war zu benommen, um sich wehren zu können. Dieser Potter ist vollkommen grundlos auf ihn losgegangen!“ Langsam beunruhigte Syndia die Erzählung nun doch. „Ich werde nachsehen“, versicherte sie den Geistern und machte sich sogleich auf den Weg in die Kerker. Konnten die beiden nicht einmal eine Woche ohne Streit auskommen? War das etwa zu viel verlangt? Langsam glaubte Syndia, es machte den beiden Spaß, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Schon bald war Syndia am Büro ihres Bruders angekommen und trat ohne anzuklopfen ein. Sie rechnete bereits mit einem keifenden Slytherin, doch der Raum war leer. Eine Augenbraue hochziehend, ging Syndia weiter zur Wohnstube und stellte verwundert fest, dass auch diese verlassen war. „Severus?“, rief sie unsicher und erhielt eine grummelnde Antwort aus Richtung des Badezimmers. Skeptisch ging sie darauf zu und schob die Tür weiter auf, ehe sie ihren Bruder vor dem Spiegel sah... und erbleichte. „Oh bei Merlin, Severus! Was ist passiert?!“, rief sie geschockt aus und trat sofort neben ihren Bruder. „Finger weg!“, wehrte Severus sie ab, als sie sein Gesicht zu sich drehen wollte. „Es sieht schlimmer aus als es ist.“ Damit griff er erneut zur Tube, die am Spiegel lag und tat sich etwas von der Creme auf die Finger. Syndia hingegen sah geschockt auf die Blessuren, die Severus' Gesicht zeichneten. Sein linker Wangenknochen war dunkelblau verfärbt und seine Lippe war aufgeplatzt, schien aber zum Glück nicht mehr zu bluten. „Sag mir bitte nicht, dass das Harry war.“ „Würde dir sonst noch jemand einfallen, der so etwas tun dürfte, ohne dass ich ihn umbringe?“, antwortete Severus knurrend, doch mit deutlich weniger Kraft, als Syndia erwartet hätte. „Weißt du denn wo er ist? Er wird sicherlich nicht freiwillig im Krankenflügel vorbeischauen.“ „Er muss nicht in den Krankenflügel“, erwiderte Severus leise und begann seine Wange einzucremen. „Ich habe ihm kein Haar gekrümmt.“ „Und was ist dann passiert, wenn ihr nicht aufeinander losgegangen seid?“, fragte Syndia besorgt nach und hielt kurzerhand Severus' Haare zurück, damit sie ihn nicht im Gesicht störten. Kurz warf er ihr dafür einen dunklen Blick zu, doch dann ließ er es sich gefallen und behandelte seine Verletzungen weiter. „Er hat herausgefunden, dass ich es war, der die Prophezeiung an den Dunklen Lord weitergegeben hat“, gestand Severus leise und Syndia schluckte. „Und deshalb hat er auf dich eingeprügelt?“, fragte sie fassungslos nach. „Wie ich schon sagte, es sieht schlimmer aus als es ist“, warf Severus ein und ergänzte leise: „Ich hätte viel mehr verdient.“ „Sag so etwas nicht.“ „Aber es stimmt“, sah Severus seine Schwester nun zum ersten Mal direkt an. „Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie du ausgerastet bist, als du davon erfahren hast. Meinst du nicht, Harry hätte dann erst recht das Recht, es an mir auszulassen?“ „Hör auf solch schrecklichen Dinge zu sagen“, seufzte Syndia auf und setzte einen verzweifelten Blick auf. „Ich werde mit Harry reden...“ „Nein.“ „Severus, du...“ „Nein, Syndia!“ Ein kurzes Blickduell entstand, in dem Severus jedoch den deutlich kühleren Blick aufgesetzt hatte. „Du kannst dich nicht immer in alles einmischen! Wenn Harry sich beruhigt und mit mir darüber reden will, dann werde ich mit ihm reden und wenn er sich dazu entscheidet, nie wieder mit mir ein Wort zu wechseln, dann werde ich das auch akzeptieren. Es ist allein Harrys Entscheidung. Du kannst dir die Welt nicht immer so zurechtdrehen, wie sie dir gefällt.“ Damit wandte Severus sich von seiner Schwester ab, wusch sich die Hände und griff nach dem Handtuch. Stumm beobachtete Syndia ihn dabei. „Du gibst also einfach so auf? Du willst nichtmal versuchen, es ihm zu erklären?“, fragte sie mit leichter Verzweiflung in der Stimme nach. „Was gibt es da noch zu erklären“, flüsterte Severus ohne aufzusehen. „Ich habe seine Eltern auf dem Gewissen. Da gibt es nichts mehr zu erklären.“ Eine Pause entstand, in der Syndia nur mitleidig zu ihrem Bruder sehen konnte, der ihr geschickt den Rücken zugewandt hatte. Schließlich ergänzte Severus leise: „Selbst wenn er, wie du immer behauptet hast, Gefühle für mich hatte... jetzt hat er sie mit Sicherheit nicht mehr. Es ist vorbei, akzeptiere das einfach.“ Damit warf er das Handtuch achtlos neben die Duschkabine. Auch wenn er sein Gesicht nicht zeigte, hätte jeder gemerkt, wie niedergeschlagen er war. Ruhig fragte Syndia: „Kannst du es denn akzeptieren?“ „Was bleibt mir denn anderes übrig“, seufzte Severus auf und drehte sich endlich um. Er bemühte sich, keinerlei Regungen zu zeigen, doch seine Augen zeigten die Leere, die sich in ihm breit machte. „Ich werde Harry nichts aufzwingen. Könnte ich eh nicht, dafür ist er viel zu stur.“ Syndia betrachtete ihren Bruder nur ruhig, dem das überhaupt nicht gefiel und so schob er sich an ihr vorbei und verließ das Bad. „Verstehe ich das richtig...“, drehte Syndia sich um und folgte ihm, „jetzt, wo du glaubst Harry verloren zu haben, gibst du endlich zu, dass er dir was bedeutet?“ „Was spielt das jetzt noch für eine Rolle, Syndia“, ächzte Severus gequält auf. „Tu mir den Gefallen und quäle mich nicht auch noch mit deinen besserwisserischen Kommentaren. Könntest du mich jetzt bitte in Ruhe lassen? Mir ist gerade nicht nach Gesellschaft zu mute.“ Der Blick des Slytherins war so mitleidserregend, dass Syndia gar nicht anders konnte als nachzugeben. „Okay“, hauchte sie also, trat noch einmal auf ihren Bruder zu und legte ihre Hand auf seine gesunde Wange. „Wenn du reden willst, weißt du wo du mich finden kannst.“ Damit gab sie ihm einen sanften Kuss auf die Stirn, konnte sich aber nicht weiter zurückhalten und umarmte ihn schließlich. Severus seufzte tief auf und ergab sich seinem Schicksal. Er legte sein Kinn auf Syndias Schulter, erwiderte die Umarmung leicht und schloss letztendlich mit zusammengepressten Lippen die Augen. Tröstend strich Syndia ihm über den Rücken und wünschte sich, ihrem Bruder noch irgendwie anders helfen zu können, aber wenn er nicht wollte, dass sie mit Harry sprach, musste sie das akzeptieren. „Ich bin sicher. er wird nochmal mit dir reden wollen“, versuchte die Hexe es mit optimistischen Worten. „Irgendwann. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm einfach so Ruhe lassen wird.“ Severus nickte nur stumm und löste sich schließlich von seiner Schwester, ohne den Blick heben zu können. Aufmunternd lächelnd, strich Syndia ihm das Haar hinters Ohr und ging schließlich zur Tür. Bei dieser letzten Geste schloss Severus erneut kurz die Augen und während Syndia den Raum verließ, ballte er die Hände zu Fäusten und versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Kapitel 75: Der vom Blitz getroffene Turm ----------------------------------------- Angespannt warf Harry Dumbledore immer wieder einen Blick zu, bereit nach ihm zu greifen, falls er sich nicht länger auf seinem Besen halten konnte. Der Gryffindor war zwar selbst nach diesem Horrortrip in der Höhle nicht gerade in guter Verfassung, aber er wusste, dass er sich jetzt zusammenreißen und Dumbledore helfen können musste, wenn es nötig wurde. Doch Dumbledores Blick war unentwegt auf das Dunkle Mal gerichtet und schien ihn weiter anzutreiben. Auch Harry betrachtete das Dunkle Mal über dem Astronomieturm und ihm wurde beinahe schlecht vor Angst. Wenn wirklich Todesser im Schloss waren, hatte Harry seine Freunde, die ganze DA sogar, in viel zu große Gefahr gebracht, als er Hermine und Ron den Auftrag gab, Malfoy zu bewachen. Wenn einer von ihnen die Ursache für das Dunkle Mal war, würde er erneut für den Tod eines Freundes verantwortlich sein. Und was war mit Luca? Syndia?... Severus? Alle drei standen auf Voldemorts Abschussliste ganz weit oben. Was Harry aber noch viel mehr Bauchschmerzen bereitete, war die Tatsache, dass das Mal über dem Astronomieturm schwebte und er kannte nur einen, der sich dort heute Abend vielleicht aufgehalten hatte. Und das nur, weil sie einen Streit gehabt hatten und Severus sicherlich mit ihm hatte reden wollen. Wenn Severus deswegen zum Opfer der Todesser geworden war, könnte er sich das niemals verzeihen. Dann wäre ihre letzte Begegnung... nein, so weit durfte Harry nicht denken, sonst wurde er noch wahnsinnig vor Angst. Dumbledore murmelte Worte in einer fremden Sprache und Harry spürte, wie sie durch die Schutzbänne des Schlosses brachen. Der Direktor erreichte den Turm zuerst und sah sich um, doch weder er noch Harry, der wenige Sekunden später neben ihm landete, konnte irgendwelche Anzeichen eines Kampfes finden oder gar eine Leiche. Zittrig atmete Harry durch und versuchte sich zu beruhigen. |„Was hat das zu bedeuten? Ist es das echte Mal? Wurde wirklich jemand... Professor?“ Erschrocken sah Harry zu, wie Dumbledore sich mit seiner schwarzen Hand an die Brust griff und sich an der Mauer abstützte. Kraftlos sagte er: „Geh und weck Severus. Berichte ihm, was geschehen ist und bring ihn zu mir. Tu nichts anderes, sprich mit niemandem sonst und nimm deinen Tarnumhang nicht ab. Ich warte hier.“ „Aber...“ „Du hast geschworen mir zu gehorchen, Harry... geh!“ Harry riss sich zusammen und ging zur Tür. Doch bevor er sie öffnen konnte, erklangen Schritte auf der Treppe und Dumbledore deutete ihm, von der Tür wegzugehen. Mit gezücktem Zauberstab wich Harry zurück und wartete angespannt darauf, wer nun kommen würde. Die Tür flog auf und sofort schrie jemand: „Expelliarmus!“ Harrys Körper wurde steif und verwirrte ihn zutiefst. Expelliarmus war kein Erstarrungszauber, warum also...? Der Gryffindor sah gerade noch Dumbledores Zauberstab über die Brüstung fallen und da wurde ihm klar, dass Dumbledore ihn gelähmt hatte, statt sich selbst zu verteidigen. „Guten Abend, Draco“, sagte Dumbledore so gelassen wie möglich, obwohl er sich kraftlos und unbewaffnet an der Brüstung festhielt. „Wer ist noch hier?“, fragte Draco angespannt, als er den zweiten Besen entdeckte. Doch Dumbledore wich geschickt aus: „Eine Frage, die ich Ihnen stellen könnte. Oder handeln Sie auf eigene Faust?“ „Nein. Ich habe Unterstützung. Es sind heute Abend Todesser in Ihrer Schule.“ „Schön, schön“, lobte Dumbledore ihn heiter, weshalb Harry ihn zweifelnd anblickte.|² Es entwickelte sich ein Gespräch, dass seitens Draco wie ein Verhör unter Veritaserum und von Dumbledores Art her wie ein Kaffeekränzchen wirkte, was grotesk war. Mit jedem weiteren Satz, rutschte Dumbledore immer weiter an der Mauer herunter und Harry war dazu verdammt tatenlos zuzusehen. |„Draco, Draco, Sie sind kein Mörder“, lächelte Dumbledore sanft und Harry versuchte verzweifelt gegen den Ganzklammerfluch anzukommen. „Woher wollen Sie das wissen?“, erwiderte Malfoy sofort. „Sie wissen nicht, wozu ich fähig bin. Sie wissen nicht, was ich getan habe!“ „Oh doch, das weiß ich“, sagte Dumbledore milde. „Sie hätten um ein Haar Katie Bell getötet. Sie haben mit zunehmender Verzweiflung das ganze Jahr über versucht, mich zu töten. Verzeihen Sie mir, Draco, aber das waren schwache Versuche... um ehrlich zu sein, so schwach, dass ich mich frage, ob Sie wirklich mit ganzem Herzen dabei waren...“ „Das war ich! Ich habe das ganze Jahr daran gearbeitet und heute Nacht...“ Malfoy wurde durch einen erstickten Schrei unterbrochen. „Da liefert sich jemand einen heftigen Kampf“, kommentierte Dumbledore dies, ehe er gelassen fortfuhr. „Also sagen Sie mir doch, während wir auf Ihre Freunde warten... wie haben Sie die hier hereingeschmuggelt? Es hat Sie offenbar viel Zeit gekostet, herauszufinden, wie Sie es schaffen können.“ Draco sah drein, als müsse er den Drang unterdrücken loszuschreien oder sich zu übergeben, ehe er die nächsten Worte geradezu ausspuckte: „Ich musste das kaputte Verschwindekabinett reparieren, das seit Jahren keiner mehr benutzt hat. Das, in dem Montague letztes Jahr verloren gegangen ist.“|² Harrys Körper durchzog ein eiskalter Blitz bei diesen Worten. Das Verschwindekabinett! Das verdammte Verschwindekabinett!! Er hatte es gesehen, hatte davor gestanden, hatte es sogar selig belächelt und war nicht darüber gestolpert, dass Malfoy daran herumbastelte!! Das durfte doch alles nicht wahr sein, er war der Lösung so nah gewesen! |„Das Gegenstück ist bei Borgin und Burkes“, erklärte Malfoy sich weiter, „und zwischen den beiden gibt es eine Art Durchgang.“ Das wurde ja immer besser! Harry wurde abwechselnd heiß und kalt, während er einen Schock nach dem anderen zu verarbeiten hatte. „Sehr gut“, murmelte Dumbledore. „Die Todesser konnten also von Borgin und Burkes aus in die Schule gelangen, um Ihnen zu helfen... ein schlauer Plan... und, wie Sie sagen, direkt vor meiner Nase...“|² Warum lobte Dumbledore das auch noch?! War er jetzt vollkommen durchgeknallt?! |„Wie auch immer, es bleibt wenig Zeit“, sagte Dumbledore. „Also lassen Sie uns über Ihre Möglichkeiten sprechen, Draco.“ „Meine Möglichkeiten!“, zischte Malfoy laut. „Ich stehe hier mit einem Zauberstab... ich werde Sie gleich töten...“ „Wir sollten uns da nichts mehr vormachen, mein Lieber. Wenn Sie mich hätten töten wollen, hätten Sie es getan, als Sie mich mit Ihrem Zauberstab entwaffnet hatten. Sie hätten sich nicht durch diese vergnügliche Plauderei über Mittel und Wege aufhalten lassen.“ „Ich habe keine Wahl!“, rief Malfoy aus und erinnerte Harry an ihren Kampf im Bad zurück. „Ich muss es tun! Er bringt mich um! Er bringt meine ganze Familie um!“ „Mir ist bewusst, wie schwierig Ihre Lage ist“, nickte Dumbledore. „Ich habe Sie nicht früher zur Rede gestellt, weil ich wusste, was Voldemort Ihnen antun würde, wenn er dahinter käme, dass ich Sie verdächtige. Aber jetzt können wir endlich offen miteinander reden... ich kann Ihnen helfen, Draco.“ „Nein, das können Sie nicht“, sagte Draco mit bebendem Zauberstab. „Niemand kann das. Er hat mir befohlen, es zu tun, oder er wird mich töten. Ich habe keine Wahl.“ „Kommen Sie auf die richtige Seite, Draco, und wir können Sie besser verstecken, als Sie es sich auch nur vorstellen können. Mehr noch, ich kann heute Nacht Mitglieder des Ordens zu Ihren Eltern schicken, um sie ebenfalls zu verstecken. Draco... Sie sind kein Mörder.“|² Draco starrte Dumbledore an, während sein Zauberstab unentwegt bebte. Schließlich senkte er ihn ein klein wenig ab und Harry hatte bereits Hoffnung... als plötzlich vier Leute in schwarzen Umhängen die Treppe hinaufstürmten. |„Dumbledore in der Falle!“, höhnte einer der Männer, während die Frau neben ihm kicherte. „Guten Abend, Amycus“, grüßte Dumbledore ruhig. „Und Alecto haben Sie auch mitgebracht... wie reizend...“ „Sie glauben wohl, Ihre kleinen Scherze helfen Ihnen auf dem Sterbebett?“, höhnte die Frau zugleich. „Scherze? Aber nein, das sind gute Manieren“|² erwiderte Dumbledore und Harry hätte am liebsten die Augen verdreht. |„Sind Sie das Fenrir?“, wandte Dumbledore sich an den anderen Mann und Harry starrte zu ihm herüber. Fenrir Greyback, der blutrünstige Werwolf in ganz England. „Ich würde mir die Gelegenheit, nach Hogwarts zu kommen, nicht entgehen lassen, Dumbledore“, schnarrte Greyback. „Nicht, wenn es Kehlen aufzureißen gibt... köstlich, köstlich...“|² Harry wanderte ein Schauer über den Rücken und er spürte, wie ihn sämtliche Überlebensinstinkte vor diesem Mann warnten. Dieses widerliche Monster in Hogwarts umherstreifen zu sehen, bekam Harry ganz und gar nicht und selbst Dumbledore war anzusehen, dass ihm der Gedanke nicht gefiel. „Mach schon, Draco, tu es endlich!“, unterbrach die Hexe drängend ihre Unterhaltung und Dracos Hand zitterte mehr denn je. „Mach schon, schnell!“ Doch Draco stand da, voller Angst und fast so blass wie Dumbledore. |„Draco, tu es, oder geh beiseite, damit einer von uns...“|² Die Frau verstummte, als plötzlich eine weitere Person auf der Treppe erschien. Auch das noch... Bellatrix Lestrange. Schnell hatte sie die Situation erfasst und grinste boshaft. „Ah gut gemacht, Draco“, hauchte sie, ehe ihr ein grässliches Kichern entkam. „Was ist denn mit Ihnen los, Dumbledore? Ein kleiner Schwächeanfall?“ Auf den Spott in ihrer Stimme, ging Dumbledore nicht ein und antwortete stattdessen gelassen: „Das Alter macht sich langsam bemerkbar, wie Sie sehen können, Bellatrix.“ „Wir haben ein Problem, Bella“, meldete sich dieser Amycus wieder zu Wort. „Der Junge schafft es nicht.“ Ein lauter Knall war unten zu hören und Personen riefen durcheinander. „Wir haben nicht mehr viel Zeit“, verkündete Bellatrix. „Zur Seite, Draco!“ Noch bevor der junge Malfoy reagieren konnte, schob die Hexe ihn bereits zur Seite und richtete ihren Zauberstab auf Dumbledore. Harrys Herz setzte einen Schlag lang aus. „Avada Kedavra!“ Ein grüner Lichtstrahl schoss auf Dumbledore zu und traf ihn direkt in der Brust. Harry wollte entsetzt aufschreien, doch es kam ihm kein Laut über die Lippen. Fassungslos sah er dabei zu, wie Dumbledore in die Luft flog, kurz in der Schwebe zu bleiben schien und dann über die Brüstung hinab in die Tiefe stürzte. Nein! Nein, das war nicht geschehen... das... es konnte gar nicht sein!! „Und jetzt weg hier, los!“, keifte Bellatrix und eilig verließen alle den Turm. Obwohl die Ganzkörperklammer aufgehoben war, stand Harry noch einen Moment vollkommen gelähmt da und starrte auf die Stelle, wo vorhin noch Dumbledore gestanden hatte. Grauen und Entsetzen flutete sein System. Als würden Dementoren über dem Dach des Turmes schweben, fraß sich eine unerbittliche Kälte in Harrys Eingeweide. Bellatrix Lestrange. Diese verfluchte Sabberhexe hatte jetzt nicht nur Sirius, sondern auch Dumbledore auf dem Gewissen! Wieder hatte sie Harry einen geliebten Menschen geraubt! Zuvor noch unbeweglich, zückte Harry nun blitzschnell seinen Zauberstab, riss den Tarnumhang von sich herunter und schickte den ersten Fluch die Treppe herunter. Er erwischte den letzten Todesser noch auf der Treppe, der keuchend nach hinten fiel. Noch bevor er den Boden erreichte, stieg Harry bereits über ihn rüber und sprang die Treppen hinunter. Er musste sie kriegen, er musste Bellatrix erwischen! Er durfte sie nicht entkommen lassen, nicht schon wieder! Am Fuß des Turmes bot sich Harry der Anblick eines Schlachtfeldes. Die Decke war zum Teil eingestürzt und im Halbdunkeln waren überall Trümmer und leblose Körper zu sehen. Doch Harry hatte keine Zeit sich über diese Menschen Gedanken zu machen, er musste Bellatrix jagen. Mit geduckter Haltung rannte Harry weiter und wich den vielen Zaubern aus, die kreuz und quer durch den Flur schossen. Er sah Ginny, wie sie den Folterflüchen von Amycus ausweichen musste und kurzerhand jagte Harry ihm einen Fluch auf den Hals, um sie zu retten. Er quiekte vor Schmerz auf und wurde von den Füßen gerissen. Im nächsten Moment stürzte sich schon jemand auf Harry und riss ihn zu Boden. Greyback. Sein Atem stank nach Blut und Harry versuchte mit Händen und Füßen seine fiesen Reißzähne von seiner Kehle fernzuhalten, doch dieser Mann war so wuchtig und schwer, dass er keine Chance hatte. „Pertificus Totalus!“ Der Fluch rettete Harry das Leben, als er Greyback im Kreuz traf und dieser über ihm zusammenbrach. Mit aller Kraft kroch Harry unter ihm hervor und rappelte sich schnell wieder auf. Durch den Staub hindurch konnte er Professor McGonagall, Ron und Lupin erkennen, die sich jeweils mit einem anderen Todesser duellierten und dabei immer neue Löcher in die Wände rissen. Stolpernd lief Harry weiter, schleuderte dabei den Todessern einige Zauber entgegen, um den anderen zu helfen und bog dann um die nächste Ecke ab. Schlitternd kam er zum Stehen, als ihm plötzlich eine gewaltige, unsichtbare Kraft auf die Brust drückte, die ihm wie elektrische Ladung vorkam. Einige Meter vor ihm stand Syndia mitten im Flur, umgeben von vier Todessern, die alle verbissen versuchten, ihr Flüche auf den Hals zu hetzen, doch das gelang ihnen mehr schlecht als Recht. Syndias sonst so schwarze Augen zeigten ein unterschwelliges, lila Leuchten und auch die Luft im Raum schien aus lila Rauch zu bestehen. Die Gemälde an der Wand zitterten, die Rüstungen klapperten und flogen wie von Geisterhand auf einen der Todesser zu, der hastig ausweichen musste. Weitere Gegenstände flogen durch den Raum, geleitet von Syndias Gesten, die ohne Zauberstab dastand und die Situation vollkommen unter Kontrolle hatte. Eine unheimliche Kraft ging von ihr aus, die Harry so noch bei niemandem erlebt hatte. Es wirkte, als würde sie mit ihrer bloßen Willenskraft den gesamten Flur in Schutt und Asche legen. Zögerlich trat Harry ein paar Schritte zurück, denn er spürte instinktiv, dass er auf keinen Fall in ihre Nähe kommen durfte, wenn er weiterleben wollte. Sich endlich von diesem unglaublichen Anblick losreißend, machte er kehrt und nahm einen anderen Flur, um die fliehenden Todesser zu verfolgen. Hier war Bellatrix mit Sicherheit nicht durchgekommen. Harry rutschte mehr um die Ecken, als das er lief, da seine Schuhe voller Blut waren. Er nahm einen der Geheimwege, um abzukürzen und stolperte sogleich in eine Schar verunsicherter Hufflepuffs. |„Harry! Wir haben Lärm gehört und jemand sagte was vom Dunklen Mal...“, begann Ernie Macmillan, doch Harry schob ihn und die anderen beiseite.|² „Keine Zeit!“, rief er nur und rannte weiter. Gerade hatte er den Fuß der nächsten Treppe erreicht und bog um die Ecke, als er plötzlich mit jemandem zusammenstieß. „Harry!“, schrie Hermine erschrocken auf. „Sind Todesser hier längs gekommen?“, fragte der Gryffindor sofort. „Nein“, schüttelte Hermine aufgeregt den Kopf. „Ich glaube die sind alle zwei Stockwerke höher. Dem Himmel sei Dank bist du hier. Wo ist Dumbledore?“ „Hast du die Karte?“, ignorierte Harry sie hektisch. „Was? Oh, ja“, nickte die junge Hexe und reichte Harry die Karte des Rumtreibers. Eilig schlug Harry sie auf, sodass sie völlig zerknitterte. Hektisch suchte er die Gänge nach Bellatrix Lestrange ab und entdeckte sie in der Eingangshalle. Sie und Draco flohen bereits raus aufs Gelände. Mit einem Fluch auf den Lippen wollte Harry wieder losrennen, als sein Blick zur Grenze der Schlossgründe wanderte. Dort waren zwei weitere Personen, die wild umherzutanzen schienen... Personen mit den kleinen Schildchen Tom Riddle und Severus Snape. „Nein!“, rief Harry unwillkürlich aus, als ihn die Panik packte. Nicht auch noch ihn! Nicht Severus! „Was ist?“, fragte Hermine, doch Harry gab ihr nur schnell die Karte zurück und sprintete los. Er rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten, rannte so schnell, wie noch nie in seinem Leben zuvor. Er hatte schon Dumbledore verloren, einen weiteren Toten würde er nicht verkraften. Erst recht nicht Severus! Der Gryffindor erreichte das Schlossportal, bei dem ebenfalls verängstigte Schüler standen und geschockt umher sahen. Das Tor war mit einem Zauber brutal aufgerissen worden und offenbar waren sogar einige Schüler verletzt, doch darüber konnte Harry sich jetzt keine Gedanken machen. Die milde Nachtluft brannte in Harrys Kehle, zerriss seine Lungen, doch das interessierte ihn kein Stück. Ungebremst rannte er weiter und verlangte seinem Körper das höchste ab. In der Ferne waren Blitze zu sehen, die hin und her schossen. Nach einigen Metern wurde Harry klar, dass sie von Hagrids Hütte kamen und nun konnte er auch die Stimme des Halbriesen hören. Einen Moment lang geriet Harry in Zweifel, doch dann stand seine Entscheidung wieder fest: Hagrid hatte eine dicke Haut, der würde sicherlich ein paar Minuten alleine mit den Todessern fertig werden. Severus hingegen hatte es mit Voldemort persönlich zu tun. Und so rannte Harry weiter über die Wiese, rannte um sein Leben und sah bald die ersten Bäume zu seiner Linken, die die Grenze des Geländes andeuteten. Auch dort sah er Blitze durch die Nacht schießen, nur waren sie wesentlich heller und die Nachtluft trug sogar einen Knall nach dem anderen zu Harry herüber. Noch weitere quälende Sekunden, dann war Harry endlich dicht genug und konnte beobachten, wie Severus sich einen hitzigen Kampf gegen Voldemort lieferte. „Protego!“, rief Harry, als er einen roten Strahl gefährlich auf Severus zurasen sah, der dann aber an seinem blauen Schild abprallte. Sowohl Severus als auch Voldemort wandten die Köpfe, um den Verursacher des Zaubers auszumachen. Das gab Harry Zeit näher zu kommen und schließlich blieb er wenige Meter keuchend und mit erhobenem Zauberstab vor Voldemort stehen. „Harry, welch eine freudige Überraschung“, wurde er von der kalten, dünnen Stimme begrüßt, während Severus bei seinem Anblick erbleichte. „Was zum Teufel tust du hier?!“, rief er ihm aufgebracht entgegen. „Geh zurück ins Schloss!“ „Nein!“, rief Harry entschieden zurück und sah dem Tränkemeister ernst entgegen, ohne den Zauberstab von Voldemort abzuwenden. „Denkst du etwa, ich lasse dich alleine gegen ihn kämpfen?!“ „Verschwinde!“, spie Severus aus, doch Harry ignorierte das gekonnt und sah düster zu ihrem gemeinsamen Feind herüber. „Das ist aber sehr unhöflich von dir, Harry, den Befehl eines Lehrers zu missachten“, grinste Voldemort hämisch. „Mal sehen, wie viele Tote es dieses mal zur Folge hat.“ „Du wirst niemanden mehr töten!“, schrie Harry ihm entgegen. „Das lasse ich nicht zu!“ „Glaubst du wirklich ausgerechnet du könntest mich davon abhalten?“, spottete der Dunkle Lord auf seine kalte, ruhige Art. Dann schickte er Harry einen Fluch entgegen, den Severus für ihn abblockte. „So, du lässt dich also schon wieder beschützen, was“, höhnte Voldemort und zeigte seine spitzen Zähne als er grinste. „Nur zu, versteck dich wieder hinter anderen.“ „Nein!“, rief Harry aus und schickte einen Fluch los. Es entbrannte sofort ein Kampf, der nur ausgeglichen war, weil Severus und Harry gemeinsam Voldemort genügend in Schach halten konnten. Wenn einer von ihnen zu langsam war, half der andere ihm aus der Patsche und so ergänzten sie sich perfekt. Sie beschützten sich gegenseitig und schickten in schnellen Abfolgen Flüche gegen Slytherins Erben. Dieser grinste schon lange nicht mehr, sondern war verbissen in das Duell vertieft, das seine ganze Konzentration abverlangte. Es war offensichtlich, dass er gerne einige mächtige Zauber losgeschickt hätte, dazu aber nicht kam, weil Harry und Severus ihm dafür keine Zeit ließen. „Genug!“, brüllte er schließlich und eine kräftige Schockwelle traf Harry und Severus, die zurücktaumelten und ihren Angriff beenden mussten. Keuchend standen sie da und sahen in diese rot glühenden Augen, die sie für einen Moment musterten, ehe Voldemort ein kaltes Lachen von sich gab. „Ihr glaubt tatsächlich, jetzt wo ihr zusammen Necrandolas überlebt habt, alles meistern zu können, was?“, spottete er und ließ sein schauerlichstes Lachen hören, ehe er abbrach und mit schneidender Stimme ausrief: „Da habt ihr euch gewaltig geirrt! Ihr seid nichts gegen mich! Ich werde euch zeigen, wie leicht es mir fällt, euch einfach auseinanderzureißen!“ Er verschränkte die Arme über seinem Kopf und die Luft wirbelte um ihn herum auf. Severus und Harry wappneten sich für den nächsten Angriff, doch plötzlich war Voldemort verschwunden. Alarmiert sahen sich die beiden an, doch keiner wusste, was geschehen war oder geschehen würde. Bis Harry sich keuchend nach vorn beugte und die Augen aufriss. Bilder flackerten vor seinen Augen, sein Denken wurde in die hinterste Ecke seines Hirns verdrängt und höhnisches Lachen breitete sich in seinem Kopf aus. 'Nein', dachte Harry nur, als ihm bewusst wurde, was Voldemort da gerade tat. 'Doch!', hörte er die Antwort in seinem Kopf. Severus hingegen sah nur, wie Harry zitternd auf die Knie sank und ins Nichts starrte. „Harry?“, fragte er misstrauisch nach und als Harry ihn ansah, sah er das rote Funkeln in seinen Augen. Der Tränkemeister schluckte. „Harry, lass nicht zu, dass er dich kontrolliert. Verbanne ihn aus deinen Gedanken!“ Harry hörte die Stimme des anderen nur gedämpft. In seinem Inneren war ein Kampf entbrannt, ein Kampf um die Vorherrschaft seines Denkens. Voldemort blockierte seine Gedanken, wühlte in seinen Erinnerungen und Harry brauchte seine gesamte Kraft, um die Erinnerungen an die Horkruxe und Severus' Vergangenheit zu schützen. Er durfte nicht zulassen, dass Voldemort auch nur einen winzigen Bruchteil davon zu sehen bekam. Wenn er das nicht schaffte, war alles aus. Der Gryffindor nahm nur am Rande wahr, dass er sich erhob und zu Severus herübersah, der angespannt zurückblickte und offenbar nicht wusste, was er tun sollte. Harrys Augen waren nun glühend rot und ein gehässiges Grinsen formte sich auf seinen Lippen. „Wirklich interessant“, sprach Harry mit einer fremden Stimme. „Er weiß also erst seit kurzem, dass du es warst, der mir von der Prophezeiung berichtet hatte.“ Severus schluckte und wurde deutlich nervöser, während sein Gesicht erbleichte. Mit ruhiger Stimme sagte er: „Harry, sperr ihn aus...“ „Das hat keinen Sinn, Severus, und das weißt du auch“, fiel Harry ihm gelangweilt ins Wort. „Der Junge ist viel zu schwach, um sich gegen mich zu wehren. Er hätte vielleicht eine Chance gehabt, wenn er nicht ohnehin gerade so wütend auf dich wäre. Das gibt mir den idealen Nährboden.“ Severus spannte den Kiefer an und während er nach außen hin relativ ruhig wirkte, war er innerlich vollkommen aufgewühlt und nervös. Harry hingegen schrie innerlich, dass er nicht auf Voldemort hören sollte, dass er ihm kein Wort glauben sollte, doch es war vergeblich. Er schaffte es zwar inzwischen, Voldemort von seinen Erinnerungen fernzuhalten, aber dafür hatte er keinerlei Kontrolle über seinen Körper. „Soll ich seine Wut noch ein wenig anheizen?“, stichelte Voldemort boshaft grinsend weiter. „Soll ich ihm zeigen, wie du vor mir gekniet hast, wie ein höriger Köter? Wie du mir aufgeregt von deinen Beobachtungen erzählt und mit stolz mein Lob angenommen hattest?“ Erneut prasselten Bilder auf Harry ein, nur dieses Mal waren es Voldemorts Erinnerungen und nicht seine eigenen. Severus, wie er vor ihm kniete und ehrfürchtig den Saum seines Mantels küsste, wie er mit gesenktem Kopf die Worte von Trelawney wiederholte... Während Voldemort all diese Bilder vor Harrys innerem Auge abspielte, wich Severus zwei weitere Schritte zurück und schluckte hart. Er fürchtete sich nicht vor Voldemort, sondern vor Harrys Gedanken und Gefühlen. Er konnte nur zusehen, wie Voldemort ihre ohnehin schon schwierige Beziehung noch weiter verschlimmerte, Harrys Hass weiter gegen ihn schürte. Voldemort nahm ihm Harry endgültig weg und es quälte ihn, nichts dagegen tun zu können. Sein Entsetzen bereitete Voldemort diebische Freude und stachelte ihn nur weiter an. „Soll ich dir einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was in dem Jungen vorgeht?“, säuselte Voldemort unheilvoll und hob Harrys Zauberstab. „Crucio!“ Mit Entsetzen sah Harry, wie sein eigener Zauber Severus ächzend zu Boden sinken ließ. Es war nicht das erste Mal, dass Severus gefoltert wurde und so hielt er seine Schmerzenslaute weitestgehend zurück, doch es reichte dennoch aus, um sowohl ihn als auch Harry tief zu erschüttern. Ein weiterer Cruciatus und Severus krümmte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden zusammen. „Oh ja, spüre seinen Zorn“, labte sich Voldemort an seinem Schmerz und streute mit seinen Worten Salz in die Wunde. Harry wollte schreien, aufbegehren, doch er hatte keine Chance. 'Nichts fühlen, nichts fühlen, nichts fühlen', ermahnte Harry sich immer wieder, doch wie in Merlins Namen sollte er das jetzt hinbekommen?! Voldemort unterbrach den Zauber und keuchend lag Severus vor ihm und hielt sich zitternd die Seite. „Was wirst du jetzt tun, Severus?“, hauchte Harry dunkel. „Du könntest dich wehren, indem du den Jungen angreifst. Schalte ihn aus und du hast deine Ruhe.“ Mit zitterndem Arm stützte Severus sich ein wenig ab, um den Kopf besser heben zu können. Sein Blick traf den des Gryffindors und seine Augen spiegelten Trotz wider, hinter dem er versuchte den physischen sowie psychischen Schmerz zu verstecken. Harry wusste, dass dieser Trotz eine letzte, verzweifelte Abwehrreaktion gegen Voldemort war. 'Nein', wollte Harry verzweifelt rufen, als er erkannte, dass Severus Voldemorts Worten wirklich Glauben schenkte. Severus würde sich nicht wehren, niemals. Er würde Harry kein Haar krümmen, egal wie lange er ihn foltern würde. Er war zur Zeit machtlos, sowohl gegen die Flüche, als auch gegen Voldemorts Worte. Er hatte den Kampf bereits aufgegeben, das war für Harry nur allzu deutlich in seinen Augen zu sehen. Sein Blick drückte so viel seelischen Schmerz aus, dass es Harry vor Verzweiflung lähmte. 'Glaub ihm nicht!' Doch wieder verließ Harrys Lippen nur ein hämisches Lachen. „Crucio!“ 'NEIN!' Severus' ganzer Körper verkrampfte sich und er unterdrückte seine Schmerzensschreie nicht länger. Harry stellten sich die Nackenhaare auf bei diesen Schreien, die schlimmer waren als alles, was er je gehört hatte. Kapitel 76: Avada Kedavra ------------------------- „Crucio!“ Severus wand sich immer mehr auf dem Boden, schrie immer lauter und Harry schrie innerlich mit ihm um die Wette. Er musste etwas unternehmen, er musste endlich die Kontrolle gewinnen! Voldemort spürte, wie Harry sich immer weiter aufbäumte und reagierte darauf, indem er Severus weitere bösartige Kommentare entgegenschleuderte. „Wie herrlich einfach es doch ist, ihn zu diesem Fluch zu zwingen“, rief er, als er dem Tränkemeister eine kurze Pause gönnte, damit er ihn überhaupt verstehen konnte. „Das alles ist nur möglich, weil du den Hass des Jungen gegen dich bereits genügend geschürt hast.“ 'Lüge!' „Sieh gefälligst hin, damit Harry sich an deinem Blick laben kann!“ Ein Zauber traf Severus wie einen Peitschenhieb und warf sein Gesicht unsanft auf die andere Seite. Wo er vorher noch den Kopf gesenkt und sein Gesicht damit verborgen halten konnte, flog nun sein Haar zurück und er sah zum Gryffindor hoch. Langsam hob er den Blick und sah erstaunlich ruhig in die Augen von Harry. Nasse Spuren zogen sich über Severus' Gesicht und verrieten, wo sich Tränen ihren Weg gesucht hatten. Wo das bereits Harry das Gefühl gab, seine Eingeweide würden sich verdrehen, versetzte ihm der Blick des Tränkemeisters regelrecht einen Messerstich ins Herz. Seine schwarzen Augen flehten Harry direkt an, flehten ihn an ihn zu töten und diese Hölle zu beenden. 'NEIN!' Der Tränkemeister sah, wie das selbstgefällige Grinsen auf Harrys Gesicht ins Wanken geriet, wie sein Blick anfing ins Leere abzuschweifen und wie er schließlich anfing zu zittern. Harry kämpfte mit aller Kraft gegen Voldemort an, wütete wie ein Berserker in seinem eigenen Geist und gewann endlich die Kontrolle zurück. „N-Nein“, presste er heraus und seine Beine gaben nach. Keuchend hockte Harry neben Severus und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden, während er versuchte Voldemort zu vertreiben. „Harry“, hauchte Severus kraftlos und so leise, dass man es kaum hören konnte. Seine Finger zuckten und deuteten an, dass er vorhatte nach dem Gryffindor zu greifen, dafür aber keine Kraft hatte. „Nein“, stieß Harry erneut aus, dieses mal mit wesentlich mehr Kraft. Er hörte, wie Voldemort in seinem Kopf scheinbar gegen Schmerzen anzukämpfen hatte. Schließlich gewann der Gryffindor den Kampf und warf Voldemort aus seinem Geist. Erneut keuchte Harry auf, ehe er seinen Blick entsetzt zu Severus hochschnellen ließ. „Eine Lüge“, hauchte er, ehe er kraftvoll ausrief: „Das war alles gelogen! Ich hasse dich nicht, hörst du!“ Severus' Blick verriet nicht, ob er seinen Worten glaubte oder nicht. Hektisch krabbelte Harry zu ihm und schüttelte leicht seine Schultern, als könne er ihm so besser einhämmern, was er ihm versuchte zu sagen. „Ich hasse dich nicht! Das habe ich nie, hörst du! Das war alles eine dumme Lüge!“, rief er immer wieder panisch aus und sah in diese schwarzen Obsidiane, die noch immer viel zu viel Schmerz ausdrückten. Harry strich mit der Hand sanft über Severus' Wange, wo er ihn vor einigen Stunden noch geschlagen hatte und redete energisch auf den anderen ein: „Ich hasse dich nicht! Im Gegenteil, ich...“ Er stockte kurz, ehe er verzweifelt hauchte: „Ich liebe dich!“ Severus' Augen weiteten sich und endlich wusste Harry, dass er ihn erreicht hatte. Auch in Harrys Augen glitzerten nun Tränen und er schluckte den Kloß herunter, der sich in seinem Hals bildete, ehe er sich ein zittriges Lächeln abrang. Das schien Severus nun endgültig zu überzeugen, denn er öffnete den Mund, nur um Harry dann sprachlos anzustarren. Seine Augen schrien förmlich nach einem Warum, was Harrys Lächeln nur eine Spur breiter werden ließ. Das war so typisch Severus. Ein Ächzen ließ Harry hochschrecken und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sie ja nicht alleine waren. Voldemort hatte sich wieder materialisiert und richtete sich gerade mühsam auf. Offenbar hatte er nichts von ihrem Gespräch mitbekommen. Auch Severus sah nun zum Erben Slytherins herüber. Mit entschlossenem Blick drehte er sich und versuchte aufzustehen, während er bereits Harry mit seinem Arm schützend hinter sich schieben wollte. Doch weit kam er nicht, da die Folterflüche sämtliche Muskeln in seinem Körper geschwächt hatten. Harry schnellte herum und suchte nach seinem Zauberstab. Als er ihn vom Gras aufsammelte, wandte er sich wieder Voldemort zu und wappnete sich für einen weiteren Angriff. „Wirklich rührend“, leierte Voldemort angewidert und hatte sich nun wieder zu seiner vollen Größe aufgerichtet, den Zauberstab drohend auf Harry gerichtet. „All diese Fürsorge, die du schon letztes Mal deinen Freunden gegenüber gezeigt hattest... einfach nur ekelerregend.“ Die letzten Worte spie Voldemort geradezu heraus. „Wie kannst du es nur in deinem eigenen Körper aushalten.“ „Wie du siehst, komme ich gut damit klar“, antwortete Harry ungerührt und dachte fieberhaft nach. Severus war nicht mehr in der Lage zu kämpfen und er selbst war nicht stark genug, um es alleine mit Voldemort aufzunehmen. Sie hatten ein großes Problem. „Harry“, hörte der Gryffindor Severus schwach flüstern, wagte es aber nicht, den Blick von Voldemort abzuwenden. „Lauf zurück zum Schloss.“ „Vergiss es!“, zischte Harry als Antwort. „Bring dich verdammt nochmal in Sicherheit!“, rief Severus so kraftvoll wie er konnte. „Ich lasse dich hier nicht zurück!“, blieb Harry stur. „Dein Leben ist viel wichtiger als meines!“ „Nein!“ „Seid ihr bald fertig?“, meldete sich Voldemort gelangweilt zu Wort. „Ihr streitet wie ein altes Ehepaar.“ „Das ist unser Hobby“, antwortete Harry nur trocken und suchte verzweifelt nach einer Lösung. In dem Moment stoben große Flammen in einiger Entfernung auf und spendeten schlagartig Licht. |„Da ist Fang drin, du verdammter...!“|², hörte Harry Hagrids Stimme und wusste sofort, dass seine Hütte von einem Todesser in Brand gesetzt worden war. Es war beinahe grotesk, dass das Universum gerade nicht nur aus Voldemort, Severus und ihm bestand, sondern dass der Kampf gegen die Todesser hinter ihnen fröhlich weitertobte. „Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen“, ignorierte Voldemort das Geschehen in der Ferne und machte eine gönnerhafte Geste. „Ich werde euch einfach alle beide töten, damit wäre euer Problem doch gelöst, nicht wahr?“ Er schickte einen Zauber los, den Harry gerade noch abwehren konnte. Voldemort war schnell, das hatte er vorhin schon gemerkt. Im nächsten Moment schoss schon der nächste Fluch auf Harry zu, dem er gerade noch ausweichen konnte. Es folgte ein sehr ungleiches Duell, bei dem Harry mehr mit Ausweichen beschäftigt war, als mit sonst etwas anderem. Schließlich kam, was kommen musste: Harry war zu langsam und konnte nur zusehen, wie ein Fluch auf ihn zuraste... und dann an einem blauen Schild abprallte. Der Gryffindor merkte erst jetzt, dass er den Atem angehalten hatte und sah nun überrascht zu Severus, der seinen Zauberstab aufgelesen und einen Protego geschickt hatte. Allerdings war er noch zu schwach, um sich vollends aufzurichten. Mit deutlicher Anstrengung im Gesicht hockte er auf dem Rasen und richtete seinen Zauberstab mit konzentrierter Miene auf Voldemort. Dieser lachte kurz auf und sah wieder zu Harry. Einen Moment betrachtete er ihn, als würde sein Anblick ihn faszinieren. Schließlich sagte er: „Du weißt, dass es zwecklos ist, Harry. Wenn ich will, kann ich all das hier mit einem Streich beenden. Eine Demonstration gefällig?“ Ohne auch nur seinen kalten Blick von Harry abzuwenden, richtete er seinen Zauberstab auf Severus. „Avada Kedavra!“ „NEIN!“ Sofort war Harry in Bewegung. Mit einem großen Satz sprang er zur Seite und stellte sich schützend vor Severus. Bevor er überhaupt wusste, was er getan hatte, traf ihn bereits der Fluch an der Schulter. „HARRY NEIN!“ Alles ging so schnell. Harry spürte einen stechenden Schmerz an seinem Schlüsselbein, und wie ein heftiger Stromschlag schoss der Fluch durch seinen Körper. Ihm wurde blitzartig weiß vor Augen und für einen Moment spürte er nichts mehr. Er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts... war nichts. Er wusste nur eines: Er durfte nicht sterben. Wenn er jetzt aufgab, würde Voldemort Severus ebenfalls töten und das musste er um jeden Preis verhindern. Der Gedanke an Severus war alles, was noch existierte und auch der war nur noch so dünn wie ein Spinnfaden, der drohte zu reißen. Ein einziger Spinnfaden, der ihn an das Hier und Jetzt kettete. Ein seltsames Geräusch erklang in Harrys Ohren. Ein Wehklagen, ein Jammern. Doch je mehr Harry sich an diesen Faden klammerte, umso weiter weg schien dieses Wehklagen zu sein. Es bereitete ihm Furcht, sagte ihm, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte. Er musste es loswerden und doch schien es sich an ihn zu klammern. Er musste zurück, zurück ins Leben, zurück zu Severus.   Severus starrte fassungslos zu Harry hoch, der sich ohne zu Zögern vor ihn geworfen und den Todesfluch abgefangen hatte. „HARRY NEIN!“, schrie er, mobilisierte seine letzte Kraft und stand auf, doch es war zu spät. Harrys Knie gaben nach und Severus stürzte nach vorne, um den Gryffindor aufzufangen. „HARRY!!“, rief er verzweifelt, während Harry in seine Arme fiel. Sämtlicher Schmerz des Cruciatus war vergessen, denn was sich gerade in Severus' Innerem breit machte, war tausend mal schmerzhafter. Entsetzen jagte eiskalt sein Rückgrat hinunter, ließ pure Panik durch seine Adern schießen und zerfetzte ihm das Herz. „DU VERDAMMTER IDIOT!!“, schrie Severus seinen Schmerz hinaus, legte seine Hand in Harrys Nacken und schüttelte den anderen. „HARRY!“ Tatsächlich runzelte Harry die Stirn und völlig fassungslos starrte Severus auf ihn hinab. Wie war das möglich? Er lebte? Aber... wie...? Langsam öffnete der Gryffindor die Augen und sah mit verschwommenem Blick zum anderen, der nur ein lautes Keuchen von sich geben konnte. „Harry? Harry! Was...“, stotterte Severus noch immer mit leichter Panik in der Stimme und konnte es nicht fassen, was gerade geschah. Harry hingegen fühlte sich unglaublich schwerfällig und matt, wusste aber, dass er dagegen ankämpfen musste. Er führte damit den Kampf fort, der ihn auch zurück ins Leben geholt hatte. Nur langsam nahm er wahr, wo er war und das Severus ihn im Arm hielt. Sofort sah er sich nach Voldemort um, der einige Meter entfernt von ihm auf dem Boden lag und sich gerade aufrappelte. Offenbar hatte der Todesfluch nicht nur Harry umgehauen. Während Severus vor lauter Fassungslosigkeit nicht wusste, was er tun sollte, zog sich Harry an ihm ein Stück hoch und versuchte auf die Beine zu kommen. Seine Augen waren finster auf Voldemort fixiert, als er sich mühsam so weit erhob, dass er Severus schützend hinter sich halten konnte. „Bleib hinter mir“, murmelte Harry leise und verkrallte seine Hand in Severus' Ärmel, womit er sich zum einen selbst Halt gab und zum anderen Severus davon abhielt aufzustehen und damit seine Deckung hinter Harry aufzugeben. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich...“ „Bleib hinter mir!“, unterbrach Harry Severus' Protest energisch und verstärkte seinen Griff in seine Kleidung. Inzwischen war Voldemort wieder auf den Beinen und sah grimmig zu Harry herüber, der seinen Blick ebenso finster erwiderte. Ein stummes Blickduell fand zwischen ihnen statt und Harry wusste, dass Voldemort nur so ruhig war, weil er keine Ahnung hatte, was hier vor sich ging und was er nun tun sollte. „Nur zu, greif mich an“, rief Harry ihm provozierend zu. „Mal sehen, ob du so dumm bist, einen Fehler ein drittes Mal zu begehen.“ Voldemorts Gesicht zuckte und es war ihm deutlich anzusehen, dass er vor Wut kochte. Der einzige Grund, warum er davon nichts zeigte, war der, dass er gerade scharf nachdachte. „Du kannst mich nicht töten, sieh es ein“, rief Harry erneut in die Stille hinein. „Diesen Kampf kannst du nicht gewinnen.“ Dass Voldemort nicht hämisch protestierte, war Beweis genug. Er wusste, dass Harry Recht hatte und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Sein Blick huschte zu den letzten Todessern, die gerade die Grenze passierten und dann entdeckte er die Gestalten, die aus dem Schloss gerannt kamen. Sicherlich die Mitglieder des Ordens. Damit stand sein Entschluss fest. „Du hast Glück, Severus“, sagte er kühl, „dass du einen solch treuen Freund hast. Das nächste Mal zerquetsche ich dich, bevor dir irgendjemand zu Hilfe eilen kann.“ Damit wandte Voldemort sich ab und ging auf das große Tor zu. Grimmig sah Harry ihm hinterher und erst als er sah, wie er apparierte, gab er den Kampf gegen seinen eigenen Körper auf. Völlig kraftlos sackte er in sich zusammen und Severus musste ihn erneut auffangen. „Harry?“, fragte der Slytherin beunruhigt und strich dem Gryffindor die Haare aus der Stirn. Angst machte sich erneut in Severus breit und seine Hand huschte als nächstes zu Harrys Halsschlagader. Puls hatte er und zu atmen schien er auch. Als sein Blick auf ein Brandloch in Harrys Umhang fiel, stockte ihm der Atem. Zögerlich schob er Harrys Hemd beiseite und entdeckte kurz unter seinem Schlüsselbein eine frische Wunde in der Form eines Blitzes. „Du verdammter Idiot“, flüsterte Severus kopfschüttelnd und zog Harry schließlich in eine Umarmung. Sanft wiegte er ihn hin und zurück, setzte ihm einen Kuss aufs Haar und versuchte zu realisieren, was gerade geschehen war. Der Schrecken saß ihm so tief in den Knochen, dass es ihm schwer fiel klar zu denken. Harry hatte den Todesfluch überlebt... schon wieder. Er hatte sich vor Severus geworfen und den Fluch abgefangen. Hatte Harry gewusst, dass er das überleben würde? Er würde doch überleben, oder? Erneut sah Severus besorgt auf den anderen herab. Krankenflügel. Er musste Harry sofort in den Krankenflügel bringen. Entschlossen wuchtete er Harry auf seine Arme... und scheiterte bei seinem ersten Versuch auf die Beine zu kommen. Leise fluchte der Slytherin über seinen Körper, der ihm in einer solch wichtigen Situation den Dienst verweigerte. Er brauchte zwei weitere Anläufe, ehe er wackelig zum Stehen kam und langsam einen Fuß vor den anderen setzen konnte. All seine Willenskraft war darauf fokussiert, Harry ins Schloss zu bringen, egal wie sehr seine Muskeln schmerzten und zitterten. Während er über die Wiese lief, warf er Hagrids Hütte einen kurzen Blick zu. Er sah gerade, wie der Halbriese unversehrt mit Fang auf dem Rücken die brennende Hütte verließ und so machte Severus sich keine weiteren Gedanken darum. Hagrid würde gut alleine klarkommen. Er hatte fast das Schloss erreicht, als ihm jemand entgegenkam, den er schon bald als Syndia identifizieren konnte. „Sev! Alles in Ordnung?“, rief sie alarmiert und trat besorgt auf ihren Bruder zu. Ihr Blick huschte zwischen ihm und Harry hin und her und sie schien sich gar nicht entscheiden zu können, um wen sie sich mehr Sorgen machen sollte. „Lass mich dir helfen...“ „Nein, ich schaffe das schon“, erwiderte Severus sofort scharf und ging weiter Richtung Schlosstor. „Aber du kannst dich selbst kaum auf den Beinen halten. Benutze doch wenigstens einen Schwebezauber“, protestierte Syndia, wusste aber auch nicht, wie sie gegen Severus' Einverständnis helfen sollte. „Sag mir lieber, wie die momentane Situation aussieht“, sagte Severus ruhig ohne den Blick vom Schloss abzuwenden. „Einen Gesamtüberblick haben wir noch nicht“, berichtete Syndia sofort und lief neben ihrem Bruder her, den Arm vorsorglich um ihn legend. „Aber Tote scheint es auf unserer Seite nicht zu geben. Minerva hat alle Ordensmitglieder angewiesen, sich im Krankenflügel zu versammeln. Sev... Greyback hat Bill Weasley angefallen.“ Zuerst antwortete Severus nicht. Wie sollte man auch auf eine solch schreckliche Nachricht antworten. „Es ist kein Vollmond, vielleicht machen wir uns umsonst Sorgen“, versuchte er also seine Schwester zu beruhigen. „Ja. Vielleicht“, erwiderte Syndia kleinlaut. Plötzlich regte Harry sich in Severus' Armen und sofort sah der Slytherin besorgt auf ihn herab. „Harry.“ Der Gryffindor öffnete die Augen, schien im ersten Moment aber nichts wahrnehmen zu können. Harry fühlte sich, als sei er eng in Watte verpackt und sämtliche Sinneseindrücke würden kaum bis gar nicht zu ihm durchdringen. Seine Gliedmaßen fühlten sich an, als würden sie jeweils eine halbe Tonne wiegen und ihm entwich ein schmerzerfülltes Stöhnen. Sofort blieb Severus stehen und setzte Harry auf dem Boden ab. „Syndia?“, verlangte er von seiner Schwester nach einer Erklärung, die den Gryffindor besorgt betrachtete. „Er ist sehr schwach und sein Geist ist vernebelt. Aber das wird schon wieder“, berichtete sie ernst und hockte sich ebenfalls hin. Harry hingegen nahm langsam wahr, dass er in Severus' Armen lag. Er sah als erstes seine schwarzen Augen, spürte seine Wärme und hatte seinen Geruch in der Nase. Schwerfällig sah Harry sich um und erkannte nach einigem Blinzeln das Schloss. Er brauchte ein paar Sekunden, um sich zu erinnern, was passiert war. Voldemort... Todesser... Dumbledore. Mit aller Kraft versuchte Harry sich aufzurappeln, doch das ließ Severus nicht zu. „Nein Harry, schone dich“, wies Severus ihn an, doch Harry wehrte sich gegen ihn. „Aber ich muss... Astronomieturm... ich muss zum...“, murmelte Harry und wurde immer klarer im Kopf, was leider zur Folge hatte, dass er sich immer besser an die Geschehnisse erinnerte und ihn die Angst packte. „Dumbledore... ich muss... ich muss...“ „Du musst gar nichts, außer von Poppy verarztet zu werden“, sagte Severus entschieden, doch Harry schüttelte energisch den Kopf. „Nein, ich muss erst... der Turm...“ „Severus“, sagte Syndia mit deutlicher Unruhe in der Stimme und besorgt sah der angesprochene zu ihr auf. Ihr Blick war fest auf Harry geheftet. „Was ist denn?!“ „Wir sollten Harry gehen lassen.“ „Was?! Nein!“ „Severus, bitte!“, sah Syndia ihren Bruder eindringlich an. „Ich verstehe zwar nicht, was Harrys zusammenhangslose Gedanken zu bedeuten haben, aber es scheint sehr wichtig zu sein.“ In ihrem Blick war eine dunkle Vorahnung zu erkennen und das erstickte jeglichen Protest seitens Severus im Keim. Er schluckte hart, ehe er nickend sagte: „Okay.“ Damit half er Harry auf die Beine zu kommen, der sich an seiner Schulter festkrallte und so versuchte Halt zu finden. Sein Blick glitt über die Wiese vor dem Schloss, wo sich immer mehr verunsicherte Schüler hinauswagten und ängstlich umherschlichen. Dann sah er zum Fuß des Astronomieturmes, wo sich inzwischen mehrere Schüler versammelt hatten. Entschlossen ging Harry darauf zu, gestützt von Severus und Syndia, die neben ihm herliefen und angespannt Harrys Blick folgten. Immer näher kamen sie den Schülern, die flüsternd und verängstigt beieinanderstanden und mit jedem Schritt wurde der Druck in Harrys Brust größer. Wie in einen Traum versetzt, ging er immer weiter, während ein kleiner Funke in ihm betete, dass dies alles tatsächlich nur ein böser Traum war, dass er sich die letzte Stunde nur eingebildet hatte. Doch diese Hoffnung wurde in dem Moment zerstört, als er, sich durch die Menge schiebend, den leblosen Körper im Gras vorfand. Syndia schnappte nach Luft und auch Severus blieb geschockt stehen. Vor ihnen lag Dumbledore, mit gebrochenen Gliedmaßen und leichenblassem Gesicht. Harry war der einzige, der nicht stehen blieb, sondern bis zum Leichnam ging und sich neben ihm hinkauerte. |Bereits in dem Moment, wo der Körperklammerfluch von ihm gewichen war, hatte er schon gewusst, dass es keine Hoffnung mehr gab. Er hatte gewusst, dass das nur geschehen war, weil der Urheber des Fluchs nicht mehr am Leben war. Und trotzdem traf den Gryffindor dieser Anblick nun mitten ins Herz. Hier lag er: Albus Dumbledore. Der größte, mächtigste und weiseste Zauberer, den Harry je gekannt hatte. Dumbledores Augen waren geschlossen und Harry streckte die Hand aus, um ihm die Brille gerade auf die Nase zu rücken. Blutstropfen glitzerten auf seiner Lippe und Harry wischte sie mit seinem Ärmel fort. Die Botschaft schien sich nicht so recht in sein Bewusstsein drängen zu können. Dumbledore würde nie wieder mit ihm sprechen, ihm nie wieder helfen können... Erst jetzt fiel Harry auf, dass er auf etwas hartem hockte. Er tastete unter sein Knie und entdeckte das Medaillon. Doch etwas stimmte damit nicht... wo war das Symbol von Slytherin? Mit einem mulmigen Gefühl öffnete Harry es und fand ein Stück Pergament darin.   „An den Dunklen Lord Ich weiß, ich werde tot sein, lange bevor du dies liest, aber ich will, dass du weißt, dass ich es war, der dein Geheimnis entdeckt hat. Ich habe den echten Horkrux gestohlen und ich will ihn zerstören, sobald ich kann. Ich sehe dem Tod entgegen in der Hoffnung, dass du, wenn du deinen Meister findest, erneut sterblich sein wirst. R.A.B.“|²   Ein humorloses Lächeln schlich auf Harrys Lippen. Das hier war nicht der Horkrux. Dumbledore hatte sich völlig umsonst diesen Trank angetan und hatte Draco vollkommen sinnlos so schwach gegenübertreten müssen. Wie grausam konnte das Schicksal nur sein?   Severus stand, wie viele andere auch, in vollkommener Schockstarre da und sah auf den ehemaligen Schulleiter herab. Er hatte gerade so viel Leid durchstehen müssen, dass dies hier nun zu viel für ihn war. Er wollte einfach nur hier stehen bleiben und sich in einen vollkommenen Schockzustand retten, um bei Verstand zu bleiben. Er nahm gar nicht wahr, wie Syndia sich an seinen Arm klammerte und mit Tränen in den Augen ihren Kopf an seinen Oberarm lehnte, während sie Harry beobachtete. Er nahm auch nicht wahr, dass Ginny und Hermine zu Harry traten und ihm besorgt über den Rücken strichen. |„Komm her, Harry.“ „Nein.“ „Du kannst nicht hier bleiben, Harry... nun komm schon...“ „Nein.“|² Erst das riss Severus aus seiner Starre. Fast schon mechanisch trat er ebenfalls auf Harry zu und hockte sich mit zittrigen Beinen neben ihn. |„Harry, komm mit“|², flüsterte er sanft, griff nach Harrys Arm und tatsächlich ließ der Gryffindor sich von ihm aufhelfen. Mit besorgten Blicken traten seine Freunde einen Schritt zurück und sahen Severus dabei zu, wie er Harry stützte, als dieser fast wieder zu Boden gestürzt wäre. „Du musst in den Krankenflügel“, legte Severus fest. „Es ist nicht so schlimm, wie es...“, wehrte Harry ab, doch im gleichen Moment brach er bewusstlos zusammen. Sofort fing Severus ihn auf und ächzte. „Doch, ist es“, kommentierte er Harrys letzte Worte trocken und hob ihn erneut auf seine Arme. „Was ist mit ihm passiert?“, fragte Hermine besorgt und auch Syndia trat nun neben Severus, um fragend zwischen ihm und Harry hin und herzusehen. Severus gab ein unwilliges Knurren von sich, ehe er leise murmelte: „Das sind Folgen des Avada.“ Syndia riss die Augen auf, während Hermine keuchend die Hände vor den Mund schlug. „Er hat schon wieder einen überlebt?“, fragte sie entsetzt und das Raunen um sie herum verriet, dass die Gryffindor und Syndia nicht die einzigen gewesen waren, die Severus' Worte gehört hatten. Man konnte praktisch dabei zusehen, wie das Gerücht von Person zu Person weiterwanderte. „Ihr müsst so schnell wie möglich in den Krankenflügel. Ihr beide“, fasste Syndia sich als erstes, doch auch ohne ihre Worte hatte Severus sich bereits in Bewegung gesetzt. Kapitel 77: Der Schrecken danach -------------------------------- In den nächsten Stunden hing eine gedrückte Stimmung im gesamten Schloss. Vor den entsetzten Augen von Lupin, Tonks, Ron und Luna hatte Severus Harry auf eines der Betten verfrachtet, während Syndia berichtete, was sie wusste. Weinend huschte Poppy von einem Patienten zum anderen, zu denen mittlerweile auch Severus zählte, der sich unter Protest von Lupin und Syndia in eines der Betten hatte stecken lassen, nachdem Poppy versichert hatte, dass Harry bald wieder auf den Beinen wäre. Ein starker Beruhigungstrank hatte ihn in Tiefschlaf versetzt und inzwischen scharrten sich die meisten besorgt um Bills Bett, während sie dem fernen Gesang von Fawks lauschten. Schon nach kurzer Zeit waren Molly, Arthur und Fleur dazugekommen und auch ihnen wurde nochmal erklärt, was passiert war. Zumindest das, was sie wussten, denn Severus' und Harrys Zustand sowie die genauen Umstände von Dumbledores Tod blieben vorerst ein Rätsel. Es war bekannt, dass Dumbledore mit Harry unterwegs gewesen war, aber keiner wusste, wohin sie gegangen waren oder was ihnen auf dem Astronomieturm widerfahren war. Nicht einmal wie die Todesser ins Schloss gekommen waren, war vollständig geklärt, denn Ron, Hermine, Ginny, Luna und Neville wussten nur, dass Malfoy sie irgendwie durch den Raum der Wünsche eingeschleust hatte. Professor McGonagall hatte alle Hände voll zu tun, um das Chaos im Schloss in den Griff zu bekommen und zusammen mit den Professoren Sprout und Flitwick beratschlagte sie, ob die Schule nächstes Schuljahr überhaupt wieder eröffnet werden sollte. Sogar das Ministerium schickte nur kurze Zeit nach den Ereignissen ihre Leute nach Hogwarts, um die Umstände zu klären und den Ort des Geschehens zu begutachten. In dieser Nacht schlief keiner mehr im Schloss. Der Orden trauerte und kümmerte sich um die Verletzten, die Lehrer versuchten für Ordnung zu sorgen und reparierten notdürftig die Flure, in denen der Kampf stattgefunden hatte und die Schüler hockten besorgt in ihren Gemeinschaftsräumen, viel zu verängstigt, um überhaupt an Schlaf zu denken.   Als die Morgendämmerung anbrach, erwachte Severus aus seinem Schlaf. Sofort hatte er sich an Harrys Bett gesetzt und ignorierte sämtliche Versuche von Poppy und McGonagall, ihm zu entlocken, was geschehen war, denn gerade was Harry betraf, waren noch viele Fragen offen. Doch Severus konnte und wollte nicht eine einzige von ihnen beantworten. Körperlich hatte er sich zwar inzwischen gut von den Folterflüchen erholt, aber es würde dauern, bis er den Schrecken der letzten Nacht loswerden würde. Er verriet nicht, wer Harry versucht hatte zu töten, er wusste nicht, warum Harry von Dumbledores Tod gewusst hatte, und er verriet erst recht nicht, wer ihm so viele Folterflüche auf den Hals gehetzt hatte. Nachdem Severus eine ganze Weile an Harrys Bett gewacht hatte, zog er sich irgendwann in den Kerker zurück und das bereitete Syndia Sorgen. Offenbar wollte er nicht dabei sein, wenn Harry erwachte und das fand die Hexe sehr merkwürdig. Also beschloss sie, ihrem Bruder einen Besuch abzustatten und endlich herauszufinden, was passiert war. Natürlich hatte sie bereits mit der Sturheit ihres Bruders gerechnet, der sie ohne viel Federlesen aus seiner Wohnung schmeißen wollte. Es war schwierig die richtige Mischung aus Unnachgiebigkeit und Einfühlungsvermögen zu finden. „Voldemort war also auf dem Gelände?“, fragte Syndia schließlich gerade heraus und traf auf den verdutzten Blick ihres Bruders. „Woher...?“ Mit zuckenden Achseln erklärte Syndia: „Wenn Harry den Avada überlebt hat, kann er doch eigentlich nur von ihm gekommen sein, oder?“ Der Slytherin ächzte auf, strich sich die Haare zurück und stützte sich am Kamin ab, dabei in die Flammen starrend. „Ja, er war da“, murmelte er so leise, dass das Knistern des Feuers ihn fast übertönt hätte. „Dumbledore sagte... der Dunkle Lord selbst müsse Harry töten. Hat der Avada...?“ Fragend sah Severus auf, doch zu seiner Enttäuschung schüttelte Syndia den Kopf. „Voldemorts Seelenteil hat den Fluch heil überstanden. Harry ist noch immer ein Horkrux.“ Ächzend verzog Severus das Gesicht und sah verbittert ins Feuer. „Und Voldemort hat dir auch die Folterflüche auf den Hals gehetzt?“, ging das Verhör der Hexe weiter, doch darauf wollte Severus nicht eingehen. Mit funkelnden Augen drehte er sich wieder zu seiner Schwester um und keifte: „Das spielt doch überhaupt keine Rolle. Wenn der Orden dich zu mir geschickt hat, um herauszufinden, was passiert ist, dann okay. Aber das ist nun wirklich ein Punkt, der ihnen vollkommen egal sein kann.“ „Der Orden hat mich nicht geschickt. Ich bin hier, weil ich mir Sorgen um dich mache.“ „Du machst dir ständig um irgendwas Sorgen“, knurrte der Slytherin. „Kannst du dir nicht mal ein anderes Opfer für deine Fürsorge suchen und mich wenigstens einmal damit verschonen?“ Darauf gar nicht eingehend, fragte Syndia entschieden: „Warum verkriechst du dich hier im Kerker, statt im Krankenflügel an Harrys Bett zu sitzen? Und warum steigst du sofort auf Abwehr um, wenn ich dich nach den Flüchen frage?“ „Hast du mal gesehen, wie überfüllt der Krankenflügel zur Zeit ist? Ich bin kein besonders geselliger Mensch, wie du vielleicht noch weißt“, spottete Severus Arme verschränkend. „Lüg mich nicht an!“, rief Syndia nun genauso angriffslustig zurück. „Warum weichst du mir aus, statt zu sagen, was lost ist? Du flüchtest vor Harry, dabei hast du mir noch gestern Abend gesagt, dass du bereit wärst mit ihm zu reden, wenn er das auch will. Und plötzlich kommt ihr beide schwer verletzt von einem Kampf, beide von unverzeihlichen Flüchen gekennzeichnet und statt zu sagen, was passiert ist, läufst du davon. Was ist da letzte Nacht vorgefallen, Sev?“ Syndia erreichte das, was sie beabsichtigt hatte, nämlich Severus so sehr zu reizen, dass er endlich wütend ausspie: „Harry hat den verdammten Avada abgefangen, der für mich bestimmt war!“ Die Hexe schluckte schwer, doch das hielt Severus nicht davon ab weiter zu schreien. „Und der Dunkel Lord hat Harrys Wut gegen mich ausgenutzt, um ihn in Besitz zu nehmen und durch ihn den Cruciatus gegen mich zu richten!“ Nun wurde Syndia blass und keuchte erschrocken auf. Völlig sprachlos starrte sie ihren Bruder an, der sie schnaubend anfunkelte und sich schließlich in den Sessel vorm Kamin fallen ließ. Ächzend beugte er sich vor, strich sich übers Gesicht und mit einem mal schien seine Wut zu verpuffen. Hilflos sah Syndia dabei zu, wie Severus in sich zusammensank und schließlich ratlos ins Kaminfeuer starrte. „Was also hätte ich sagen sollen, wenn Harry noch in meiner Anwesenheit im Krankenflügel aufgewacht wäre?“, knurrte er. „Die letzten Stunden waren eine reine Katastrophe... und ich bin mir nicht sicher, ob er über meinen Besuch sonderlich erfreut gewesen wäre. Ich wollte ihm die Situation ersparen.“ „Trotzdem musst du mit ihm reden“, erwiderte Syndia mitfühlend und trat langsam auf den Sessel zu. „Ihr dürft das auf keinen Fall im Raum stehen lassen.“ Zuerst antwortete der Slytherin nicht und besorgt musterte Syndia ihn. Jetzt, wo Severus endlich redete, war ihr klar, wieso ihr Bruder ihr so auswich und warum er aus dem Krankenflügel geflohen war. Von Harry gefoltert zu werden, hatte seine Spuren hinterlassen. Voldemort hätte sich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, um einen Keil zwischen die beiden zu treiben. Syndia bekam Angst, dass dadurch etwas zerbrochen war, was wichtig für die Beziehung von Severus und Harry gewesen war. „Wenn ich überhaupt mit ihm rede, dann nur, um ihn zusammenzufalten“, murrte Severus dunkel. „Er und sein verdammter Heldenkomplex! Wie kann er sich einfach so in einen Avada stürzen?! Was hat sich dieser Idiot dabei gedacht?!“ Ein hauchzartes Lächeln huschte auf Syndias Lippen und sie strich ihrem Bruder über den Rücken, während sie sanft fragte: „Weißt du das wirklich nicht?“ „Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht“, gab Severus seine unbeeindruckte Antwort. „Schließlich handelt er ständig ohne vorher nachzudenken.“ „Weil er seinem Herzen folgt und nicht seinem Kopf“, erwiderte Syndia weiterhin ruhig. „Und auch wenn es momentan vielleicht nicht danach aussieht, so empfindet er etwas für dich. Das weißt du auch, du willst es nur nicht zugeben.“ „Das soll ich nach dieser Nacht noch glauben? Er ist nur ein verdammter Sturkopf, der es gewohnt ist, alles zu kriegen, was er haben will. Und seine verrückt spielenden Hormone gaukeln ihm vor, dass er ausgerechnet mich haben will. Daran ist allein Necrandolas Schuld.“ „Das stimmt nicht“, schüttelte Syndia den Kopf und strich ihrem Bruder immer wieder durchs Haar. „Als ich in Hogwarts ankam, habe ich sofort gesehen, dass ihr beide wie füreinander geschaffen seid. Ihr seid nur beide zu stur und zu stolz, um es einzusehen.“ Abwesend sah Severus ins Feuer und kämpfte mit seinen Gedanken, ehe er kopfschüttelnd erwiderte: „Wir sind nur dafür geschaffen uns gegenseitig zu verletzen.“ Damit entzog er sich Syndias Hand und lehnte sich im Sessel zurück. Aufseufzend setzte Syndia sich auf die Sessellehne. Sie musste doch irgendetwas tun können, um die Beziehung der beiden noch zu retten. Aber aus irgendeinem Grund glaubte Severus nicht an die Aufrichtigkeit von Harrys Gefühlen. War der Cruciatus daran Schuld? Nein. Er hatte diesen Eindruck zwar verschlimmert, aber Severus hatte schon vorher an allem gezweifelt. „Ihr beide führt eine äußerst komplizierte Beziehung, das stimmt. Das heißt aber nicht, dass ihr gegen eure Gefühle ankämpfen müsst. Harry war bereit für dich zu sterben, was muss er noch tun, um dir zu beweisen, dass er dich wirklich aufrichtig liebt?“ Noch während Syndia das sagte, erhob Severus sich, um Abstand zu ihr zu gewinnen. „Die Frage ist doch wohl eher, was getan werden muss, damit er so eine dämliche Aktion nicht noch einmal durchzieht!“, wehrte der Slytherin ab. „Harry hat sich wegen mir in Gefahr gebracht, daraus kann man nur eine einzige Konsequenz ziehen.“ „Wenn du Harry jetzt von dir stößt, wirst du ihm nie wieder in die Augen sehen können“, sprang Syndia alarmiert auf. „Nach allem, was letzte Nacht passiert ist, darfst du nicht den Fehler machen ihm aus dem Weg zu gehen, Sev. Sonst werden die Ereignisse immer zwischen euch stehen.“ „Und wenn ihm das das Leben rettet?“, rief Severus zurück. „Darum geht es dir doch gar nicht“, warf Syndia ein. „Das ist nur wieder eine deiner Ausreden, damit du nicht zugeben musst, dass du Angst hast.“ „Ich habe keine...“ „Versuche es nicht zu leugnen, Severus, du weißt, dass das sinnlos ist. Ich kann genau sehen, dass du Angst hast“, unterbrach Syndia ihn entschieden und funkelte ihn eindringlich an. „Ich kann einfach nur nicht begreifen, warum. Warum glaubst du nicht an Harrys Gefühle und warum schaffst du es nicht, dich deinen eigenen zu stellen? Wovor läufst du weg? Du liebst Harry doch, warum machst du es dir unnötig schwer?“ „Weil es eben nicht unnötig ist!“, donnerte Severus los. „Ich habe seine Eltern verraten, er hat mir dafür Cruciati auf den Hals gehetzt und zu alledem kommt noch hinzu, dass Harry jede Vorsicht vergisst, wenn jemand in Gefahr ist, der ihm nahe steht. Außerdem werde ich ihn am Ende dieses Krieges in den Tod schicken müssen. Wie kannst du da noch glauben, dass das alles eine gute Grundlage für eine Beziehung wäre?!“ Eine kurze Stille trat ein, in der er seine Schwester wutschnaubend niederstarrte. „Es wird niemals funktionieren, sieh das endlich ein!“ Wieder wurde es still, dabei hatte Severus erwartet, dass Syndia sofort gegen angehen würde. Doch stattdessen behielt sie ihn nur genau im Auge und das gefiel dem Slytherin ganz und gar nicht. Murrend setzte er sich aufs Sofa und sorgte dafür, dass Syndia nicht noch länger in seinem Gesicht lesen konnte. Es war schon schlimm genug, dass sie an seiner Ausstrahlung vermutlich genau ausmachen konnte, wie zerrissen und aufgewühlt er war. Und dass er tatsächlich Angst hatte. Große Angst sogar. Schließlich durchschnitt Syndias Stimme ruhig die Stille. „Harry wird sich große Vorwürfe wegen den Folterflüchen machen. Wenn du nicht mit ihm redest, bevor er in die Sommerferien geschickt wird, werden ihn seine Schuldgefühle innerlich zerfressen. Wenn du es schon nicht fertig bringst, dich deinen eigenen Gefühlen zu stellen, dann reiße dich wenigstens um Harrys Willen zusammen und nimm ihm diese Last von den Schultern.“ Lautlos seufzend strich Severus sich müde über die Augen, ehe er kommentarlos nickte. Syndia hatte recht, er durfte sich vor einem klärenden Gespräch nicht drücken. „Und was soll ich ihm sagen?“, flüsterte Severus schon fast, ratlos darüber, wie Harry und er nun miteinander umgehen sollten. Er fühlte sich für ein Gespräch mit Harry alles andere als bereit. „Das kann ich dir so konkret nicht sagen“, zog Syndia die Schultern hoch. „Höre dir einfach an, was Harry zu sagen hat und sei ehrlich zu ihm. Spring endlich über deinen Schatten und verstecke dich nicht immer hinter deinen bissigen Kommentaren. Wenn ihr aus diesem Gespräch streitend auseinander geht, bekommst du es mit mir zu tun.“   Der Unterricht fiel diese Tage für alle aus und beim Frühstück wurde verkündet, dass der Hogwarts-Express schon am nächsten Tag eine Stunde nach Dumbledores Beerdigung abfahren würde. Doch viele Eltern hielten es bis dahin nicht aus. Die Nachricht, dass Todesser ins Schloss eingedrungen waren, hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und viele Schüler waren bereits in den Morgenstunden abgeholt worden. Unter den restlichen herrschte gedrückte Stimmung und jedes Mal, wenn Harry an ihnen vorbeikam, steckten sie flüsternd die Köpfe zusammen. Der Gryffindor versuchte das so gut es ging zu ignorieren, was nicht immer einfach war, da einige tatsächlich so dreist waren, nach seiner zweiten Blitznarbe zu fragen. Die meisten schienen zu glauben, dass er die Narbe von dem Kampf an der Seite von Dumbledore davongetragen hatte, bei dem Dumbledore dem Avada erlegen war und... Harry eben nicht. Wegen solchen absolut grauenvollen Gesprächen, hatten sich Hermine und Ron angewöhnt, Harry überallhin zu begleiten. Und nicht nur vor den Schülern musste er bewahrt werden, sondern auch vorm Zaubereiminister, der sich wegen der Beerdigung zusammen mit einigen anderen Ministeriumsangestellten in Hogwarts eingenistet hatte. Harry war bewusst, dass Scrimgeour scharf darauf war zu erfahren, wo er an diesem Abend mit Dumbledore gewesen war und so stand für ihn fest, dass er sich so weit wie möglich von diesem Mann fernhalten wollte. Auch in Hogsmeade war viel los, da Unmengen an Menschen anreisten, um Dumbledore die letzte Ehre zu erweisen. Die Erstklässler staunten nicht schlecht, als eine riesige Kutsche von gigantischen, geflügelten Pferden auf dem Schlossgelände geparkt wurde und aus ihr auch noch eine große Frau ausstieg, die sich sofort traurig in Hagrids Arme geworfen hatte. Es herrschte so viel buntes Chaos in Hogwarts, dass es absurd klang, dass eine Beerdigung der Grund dafür sein sollte. Gleich nachdem Harry den Krankenflügel verlassen hatte, hatte er sich mit Ron und Hermine zurückgezogen, um ihnen den falschen Horkrux zu zeigen. Seitdem trug Harry ihn immer bei sich. Gar nicht mal als Talisman, sondern als Erinnerung daran, welch hoher Preis für dieses Medaillon gezahlt worden war. Weder Ron noch Hermine konnten etwas mit R.A.B. anfangen und nicht einmal in der Bibliothek wurde die junge Hexe fündig, was Harry aber irgendwie auch nicht wunderte. Doch sonderlich neugierig war Harry auch nicht darauf, wer hinter diesen Initialen stecken könnte. Irgendwie hatte er das Gefühl, er würde überhaupt nie wieder auf irgendetwas neugierig sein. Bei all den Geschehnissen vom Vortag, erschien ihm diese Frage so unwichtig wie nichts anderes. Inzwischen hatte er dem Orden geschildert, was auf dem Astronomieturm geschehen war und dass er und Severus gegen Voldemort gekämpft hatten. Verwundert hatte Harry feststellen müssen, dass Severus anscheinend nichts davon erwähnt hatte, was ihm ein sehr ungutes Gefühl bereitete. Zwar versicherte Madam Pomfrey ihm, dass Severus' Verletzungen ausreichend behandelt worden waren, aber Harry glaubte trotzdem nicht, dass es dem anderen gut ging, obwohl er ihn noch nicht wieder zu Gesicht bekommen hatte. Er hatte es einfach im Gefühl. Und wenn man bedachte, was passiert war, wäre es auch ein Wunder, wenn er mit seiner Vermutung nicht Recht hätte. Pausenlos quälte Harry der Gedanke daran, was er ihn für Schmerzen hatte erleiden lassen. Er hörte immer noch Severus' Schreie, sah seinen flehenden Blick und jedes Mal drehte Harry sich der Magen um. Was er Severus angetan hatte, war unverzeihlich... im doppelten Sinne. Umso verzweifelter grübelte Harry darüber, was er jetzt tun sollte. Sollte er bei ihm an die Tür klopfen und einfach sehen, was passierte? Was würde er tun, wenn Severus ihm sagen würde, dass er ihn nie wieder sehen wolle? Das würde Harry nicht ertragen. |„Es ist seltsam, nicht wahr?“, riss Hermine Harry aus seinen Gedanken, während sie zu dritt im strahlendem Sonnenschein über die Wiesen liefen. „Der Gedanke nie wieder hierher zurückzukommen. Wie kann Hogwarts nur schließen?“ „Vielleicht wird es nicht geschlossen“, warf Ron aufmunternd ein. „Wir sind hier nicht in größerer Gefahr als zu Hause, oder? Es würde keinen Unterschied machen.“ „Ich werde so oder so nicht zurückkommen“|², warf Harry ernst ein und Ron sah ihn fragend an, während Hermine wusste, was er meinte. „Du willst Horkruxe jagen“, stellte sie schlicht fest. „Ich muss“, korrigierte Harry sie. „Dumbledore hat mir alles gesagt, was er über sie wusste. Jetzt muss ich seine Aufgabe für ihn beenden.“ „Nicht du, Harry“, warf Ron entschieden ein und jetzt war es Harry, der verdutzt dreinsah. „Wir kommen natürlich mit.“ Langsam schüttelte Harry den Kopf und wurde von Sekunde zu Sekunde energischer. „Nein, auf keinen Fall. Ich habe schon genug Menschen in Gefahr gebracht. Nicht auch noch euch beide.“ Ungerührt erwiderte Hermine: |„Du hast einmal zu uns gesagt, dass noch Zeit sei umzukehren, wenn wir wollten. Wir hatten Zeit, stimmts?“|² „Ihr versteht das nicht...“ „Nein, du verstehst nicht“, unterbrach Ron ihn. „Wir gehen mit dir, egal wohin du gehst.“ „Ihr habt Severus gesehen!“, rief Harry aufgebracht aus. „Ihr habt gesehen, wie mitgenommen er nach dem Kampf war. Ich kann nicht zulassen, dass das auch euch geschieht!“ „Alles, was wir gesehen haben, war, dass er vor lauter Angst um dich vollkommen seine eigenen Schmerzen vergessen hat, Harry“, antwortete Hermine sanft und verschlug Harry damit die Sprache. „Wir haben gesehen, wie er gewütet hat, als Lupin und Levin ihn von dir wegzerren mussten, damit er sich endlich behandeln ließ.“ Harry schluckte trocken. Das konnte nicht sein, warum sollte er so etwas tun? Nach all dem was er ihm angetan hatte, war das absolut absurd. „Harry“, senkte Hermine kurz den Blick, um nach den richtigen Worten zu suchen. „Wir haben dir immer zugehört, wenn du Probleme mit Snape hattest und wir haben immer versucht dir zu helfen, auch wenn wir nicht nachvollziehen konnten, warum du so vernarrt in ihn warst.“ Sie warf Ron kurz einen Blick zu, der ihr aufmunternd zunickte. „Wir hatten Angst, dass du dich da in eine Sache verrennen würdest, die keine Zukunft hat, aber... nachdem wir gesehen haben, wie Snape sich gestern verhalten hat... da ist uns klar geworden, dass er wirklich etwas für dich empfindet und... wir wollten dir nur sagen, dass wir es jetzt akzeptiert haben. All die Zeit über hatten wir gehofft, dass es nur eine Phase ist, aber... wir haben eingesehen, dass da wirklich etwas zwischen euch ist und wir wollen nur, dass du glücklich bist.“ Völlig verdattert sah Harry seine Freunde an und besonders Rons ernster Blick dabei machte ihn sprachlos. „Danke, aber... ich bezweifle, dass sich da noch irgendetwas entwickeln wird“, erwiderte Harry schwach und Hermine stellte fragend den Kopf schief. Harry brachte ein zitterndes Lächeln zustande, ehe auch das erstarb. „Harry?“, fragte Hermine nun besorgt und Angesprochener atmete tief durch. „Wenn ihr wüsstet, was gestern passiert ist, wärt ihr der gleichen Meinung“, murmelte Harry zu seinen Füßen hin und spürte, wie sich der Schmerz in seiner Brust breit machte. „Dann sag uns doch, was passiert ist“, zog Ron ratlos die Schultern hoch. Zögerlich begann Harry: „Ihr... wisst ja... in welchem Zustand er in den Krankenflügel kam...“ „Ja, er hatte mehrmals den Cruciatus abbekommen“, bestätigte Hermine nickend und runzelte die Stirn. „Dank Madam Pomfreys Heilkünsten hat er aber keine bleibenden Nervenschäden davongetragen.“ So schlimm waren seine Verletzungen gewesen? Er hätte Nervenschäden erhalten, wenn Poppy ihn nicht behandelt hätte? Dieser Gedanke versetzte Harry so einen Stich ins Herz, dass er fast aufgekeucht hätte. Nun trat Hermine deutlich beunruhigt auf Harry zu und griff nach seinen Schultern. „Harry, was ist denn?“ Der Gryffindor presste die Lippen aufeinander und sah weiterhin auf den Boden, während er gegen den Kloß in seinem Hals ankämpfte. Schließlich presste er heraus: „Ich war es. Die Folterflüche kamen von mir.“ „Was?!“, fragten Ron und Hermine entsetzt im Chor. Endlich wagte Harry es, den Blick zu heben und erklärte mit zittriger Stimme: „Voldemort hat die Kontrolle übernommen. Er... hatte mich voll im Griff und hat... mich gezwungen ihn.... Severus zu...“ Ron wurde blass, während Hermine die Hände zu ihrem Mund schnellen ließ. „Oh Harry“, sagte sie ebenso zittrig und umarmte den Gryffindor. „Was soll ich denn jetzt nur machen?“, nuschelte Harry an Hermines Schulter, die ihn umso fester an sich drückte. „Uns fällt schon was ein“, flüsterte Hermine beruhigend und strich Harry über den Rücken. „Mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder.“ „Wie um alles in der Welt soll das wieder werden?“, rief Harry verzweifelt aus und Hermine sah ihn wieder ernst an. „Du hast doch gehört, was wir gesagt haben. Snape waren seine Verletzungen völlig egal, für ihn zählte nur, dass es dir gut ging.“ „Das heißt nicht, dass das nach dem ersten Schrecken auch so geblieben ist“, erwiderte Harry zweifelnd. „Du hast nicht gesehen, wie er sich auf dem Boden gekrümmt hat, du hast ihn nicht schreien hören, du hast... seinen verdammten Blick nicht gesehen!“ „Harry, beruhige dich“, redete Hermine ihm besorgt zu, als Harry immer verzweifelter und immer lauter geworden war. „Es gibt nur eine Möglichkeit, wie du gegen deine Schuldgefühle angehen kannst.“ „Achja?“ „Geh zu ihm und rede mit ihm.“ Einen langen Augenblick lang sah Harry seine Freundin an und ließ sich diesen Vorschlag durch den Kopf gehen. „Was ist, wenn er mich nicht sehen will? Wenn er nicht mit mir reden will?“ „Wenn du es nicht versuchst, wirst du auch nicht herausfinden, ob er will oder nicht.“ „Aber... er war nicht mehr im Krankenflügel, nicht wahr? Er ist nicht gekommen, als ich wieder aufgewacht bin. Zeigt das nicht schon deutlich, dass er nicht will?“ Überlegend biss Hermine sich auf die Lippe. „Selbst wenn es so ist... würdest du es nicht bereuen, es nicht wenigstens versucht zu haben?“ Harry schluckte, strich sich ratlos durchs Haar und ließ seinen Blick ziellos übers Gelände schweifen. Hermine hatte wohl recht. Wenn er nicht versuchen würde, sich wenigstens bei Severus zu entschuldigen, würde ihm das keine Ruhe mehr lassen. Und trotzdem bereitete ihm der Gedanke, Severus gegenüberzutreten, Magenschmerzen. „Deine Freunde haben recht, Harry“, sagte plötzlich jemand hinter dem Gryffindor und erschrocken drehte Harry sich um. Vor ihm stand Syndia und lächelte ihn warm an, während ihre Augen Besorgnis zeigten. „Severus ist nicht im Krankenflügel geblieben, weil er genauso überfordert ist wie du. Ich bitte dich inständig: Rede mit ihm. Ihr leidet beide nur unnötig.“ Erneut versuchte Harry den Kloß im Hals herunterzuschlucken, während er spürte, wie Syndias Beistand wie Balsam für seine Seele wirkte. „Du hast mit ihm geredet?“, fragte Harry leise. Nickend erwiderte Syndia ernst: „Ja, habe ich. Er hat mir erzählt was passiert ist. Von gestern Abend an weiß ich über alles Bescheid.“ Sich auf die Lippe beißend, nickte Harry stumm und senkte den Blick. „Und du bist dir trotzdem sicher, dass er auch mit mir reden will?“ „Er weiß, dass ihr reden müsst“, erwiderte Syndia und skeptisch sah Harry auf. Das war nicht gerade das, was er hören wollte. Seufzend nahm Syndia das zur Kenntnis und trat dichter an den Gryffindor heran, um ihn dann ernst anzusehen. „Hör zu, eure Situation ist sehr brenzlig, das weiß ich ja. Aber umso wichtiger ist es, dass ihr ehrlich darüber redet. Keine Ausreden, keine Lügen, ihr müsst endlich reinen Tisch machen.“ „Das will ich ja, aber...“ „Kein aber“, unterbrach Syndia ihn sofort. „Severus versteckt sich auch gerne hinter Lügen, das weiß ich. Aber das könnt ihr nur beenden, wenn einer von euch den Anfang macht. Und ich fürchte...“, wurde ihr Blick wieder besorgter, „wenn du ihm nicht endlich klar machst, was du für ihn empfindest, dann könntest du ihn verlieren.“ Harry schluckte und senkte kurz den Blick, nur um dann unsicher wieder aufzublicken. Leise fragte er: „Habe ich ihn nicht schon in dem Moment verloren, wo ich die Hand gegen ihn erhoben habe?“ Dieser Gedanke machte Harry große Angst. Seinen Austicker im Kerker hätten sie vielleicht noch irgendwie mit einem Gespräch klären können, aber nun kamen da noch die Cruciati dazu. Wie zur Hölle sollte er das noch mit Worten retten? Doch zu Harrys Erstaunen wurde Syndias Blick bei seiner Frage wärmer. „Severus hat nicht einen Moment lang daran gedacht, dir deine Attacke übelzunehmen. Im Gegenteil, er glaubte das verdient zu haben und er hatte Angst, dass er dich verloren hat.“ Verständnislos sah Harry zurück. „Aber...“ „Lass mich eines klarstellen, Harry“, unterbrach Syndia ihn wieder entschlossen und ernst. „Die letzte Nacht hat Severus viel Schmerz und Zweifel bereitet, aber es hat nicht seine Gefühle für dich beeinflusst. Seine Zweifel gelten eher deinen Gefühlen und die kannst du beiseite räumen, wenn du nur endlich über deinen Schatten springst.“ Überlegend biss Harry sich auf die Lippe und warf Hermine einen kurzen Blick zu, die ermutigend zurücksah. Schließlich sah Harry Syndia wieder an und atmete einmal durch. „Du hast einmal zu mir gesagt, dass er seine Gedanken vor dir verstecken kann, aber nicht seine Gefühle.“ „Das ist richtig“, bestätigte Syndia geduldig. „Wenn du also von seinen Gefühlen für mich sprichst...“, zögerte der Gryffindor, doch Syndia wusste auch so schon, was er von ihr wollte und atmete tief durch. Etwas leiser als zuvor sagte sie eindringlich: „Severus darf niemals erfahren, was ich dir jetzt sage. Er würde mir den Hals dafür umdrehen, dass ich seine Privatsphäre so missachte.“ Ernst nickte der Gryffindor und wurde leicht angespannt. Das klang ja so, als wolle Syndia ihm tatsächlich alles offenlegen, was sie bei ihrem Bruder sah. Aber nur so konnte er herausfinden, was bei einem Gespräch mit ihm auf ihn zukommen würde und das war auch Syndia bewusst. In etwas sanfterem Tonfall, aber trotzdem leise, fuhr sie fort: „Severus hat sich bereits im Labyrinth in dich verliebt. Das ganze restliche Schuljahr über war er mit sich selbst heillos überfordert und versteckte sich hinter seinen zahlreichen Ausreden, warum er sich nicht auf dich einlassen dürfe. Sie gaben ihm die Sicherheit, die er brauchte, wenn er dir gegenüberstand und er bekämpfte mit aller Gewalt seine Sehnsucht nach dir. Das hat, glaube ich, zu eurem kleinen Streit im Unterricht geführt, der dann so eskaliert ist. Nachdem ich euch eingesperrt hatte, hat er dann seine Taktik geändert und versuchte einfach, so viel von dir zu kriegen, wie es ging, ohne dass er seine eigenen Gefühle offenbaren musste. Dieses Versteckspiel spielt er nur, weil er sich deiner Gefühle nicht sicher ist und Angst hat sich dir zu öffnen. Ich habe oft genug versucht ihn dazu zu bringen, endlich über seinen Schatten zu springen, aber seine Angst scheint unüberwindbar zu sein und ich verstehe nicht ganz wieso. Die einzige Chance für euch besteht also darin, dass du ihm endlich zeigst, dass deine Gefühle für ihn echt sind. Die Cruciati haben bei ihm für weitere Zweifel gesorgt und ich fürchte, wenn du die nicht beseitigst, wird er seine Gefühle für dich endgültig begraben wollen.“ Nach diesen Informationen keuchte Harry erstmal auf, strich sich durch die Haare und ließ seinen Blick unsicher über die Ländereien wandern. Er hatte sich nicht verhört, Syndia behauptete wirklich, dass Severus ihn liebte. Selbst jetzt noch. Das war so absurd, so abwegig. Allein schon die Vorstellung, dass Severus nichtmal wütend auf ihn sein sollte, klang vollkommen unrealistisch. Er hatte ihn schließlich gefoltert, verdammt nochmal! Syndia schien Harrys Gedanken zu hören, denn sie trat auf ihn zu und griff nach seiner Schulter, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. „Harry“, sprach sie ihn eindringlich an. „Ich weiß, dass es nicht leicht wird sich ihm zu stellen. In ihm herrscht gerade ein solches Gefühlschaos, dass ich dir unmöglich sagen kann, ob er sich wieder in sein Schneckenhaus zurückziehen wird oder nicht. Natürlich haben ihn die Flüche verletzt, aber nicht, wie du denkst, weil er sich verraten fühlt, sondern weil er glaubt nun gesehen zu haben, was du wirklich von ihm hältst. Er war nicht mehr im Krankenflügel, weil er glaubt, du hättest ihn nicht mehr bei dir haben wollen.“ Stirnrunzelnd sagte Harry verständnislos: „Das ist doch absurd. Wieso sollte ich...“ „Sag das nicht mir, sondern ihm“, unterbrach Syndia ihn entschieden. „Er fragt sich bereits, warum du ihm trotzdem das Leben gerettet hast, das kannst du nutzen, um alles richtigzustellen. Er wird niemals den ersten Schritt machen, weil er viel zu große Angst vor deiner Ablehnung hat. Entweder du überzeugst ihn endlich von deinen Gefühlen, oder ihr geht für immer getrennte Wege.“ Stille machte sich zwischen ihnen breit, in der sie sich einfach nur ansahen. Ron warf Hermine nur einen unsicheren Blick zu, während beide weiterhin still im Hintergrund blieben. „Hast du es endlich verstanden?“, setzte Syndia wieder deutlich ruhiger nach und Harry nickte. Er hatte jetzt endlich ein klares Bild vor Augen. Ihm war zwar noch immer mulmig bei dem Gedanken an ein Gespräch mit Severus, aber Syndia hatte es geschafft all seine eigenen Zweifel beiseite zu räumen und seine Gedanken zu sortieren. Er musste endlich beweisen, dass er wahren Gryffindormut besaß und für das kämpfen was er wollte. Kapitel 78: Ein letztes Mal --------------------------- Harry atmete noch einmal durch, ehe er vorsichtig die Hand ausstreckte. Wie er erwartet hatte, ließ die Barriere, die Professor McGonagall am Fuß des Astronomieturmes errichtet hatte, ihn durch. Es hieß, sie solle die Schüler davon abhalten, aus reiner Neugierde an den Ort zu gehen, wo Dumbledore ermordet worden war, aber ganz offensichtlich fand McGonagall es in Ordnung, wenn Harry dort hinaufging. Mit einem mulmigen Gefühl stieg Harry die Stufen hoch, wurde immer langsamer je weiter er kam und als er die letzte Stufe getan hatte, fühlte sich seine Brust zugeschnürt an. Langsam trat er zur Mauer, über die Dumbledore gestürzt war, und versuchte seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Wenn er nur vorsichtiger gewesen wäre. Wenn er nur schneller reagiert hätte. Wenn er nur... Dumbledore gerettet hätte. Warum hatte Dumbledore ihm nur den Körperklammerfluch auferlegt? Hätten sie sich gemeinsam Malfoy gestellt, wäre doch alles glatt gelaufen. Sie hätten vielleicht sogar genug Zeit gehabt, um den Turm zu verlassen und wären niemals alleine auf gleich vier Todesser gestoßen. Wie gerne hätte Harry jetzt einen Zeitumkehrer gehabt, um all diese schrecklichen Ereignisse der letzten Nacht ungeschehen zu machen. „Du bist also tatsächlich hier“, wurde Harry aus seinen Gedanken gerissen, der kurz zusammenzuckte. Severus trat langsam auf ihn zu und stellte sich neben Harry an die Mauer, während er hinaus in die warme, stille Nacht blickte. Harry spürte, wie seine Hände zittrig wurden und er mied den Blick des anderen. 'Beruhige dich, du weißt, was du zu tun hast.', redete Harry auf sich selbst ein. „Genauso wie du“, murmelte er leise. „Ich wusste nicht, ob du tatsächlich noch herkommen würdest.“ „Das gleiche dachte ich von dir“, erwiderte Severus ruhig und versuchte Harrys Blick zu erhaschen, doch der konnte einfach nicht aufsehen. Zu groß waren seine Schuldgefühle, als dass er jetzt einfach in Severus' Augen sehen könnte. Der Gryffindor holte noch einmal tief Luft, um sich für seine nächsten Worte zu wappnen. „Severus, ich...“, stammelte er, obwohl er seinen Text schon tausendmal im Kopf durchgegangen war. „Ich wollte... w-was ich getan habe...“ „Es war unverantwortlich von dir“, half Severus aus und Harry schloss kurz die Augen bei dem Stich in seinem Herzen. „Ja. Das war es“, hauchte er schwach, da er nicht zu mehr Kraft in der Stimme imstande war. „Jage mir nie wieder so einen Schrecken ein, verstanden?“, knurrte Severus fast und Harry sah ihn verwirrt an. „Dich einfach dazwischen zu werfen... was hast du dir nur dabei gedacht?!“ Harry keuchte auf. Er sprach vom Avada. Er sprach tatsächlich nur vom Avada. Ruhig antwortete Harry: „Um ehrlich zu sein, habe ich in dem Moment gar nicht gedacht. Ich musste gar nicht darüber nachdenken, um zu wissen, was ich tun muss.“ „Das ist mal wieder typisch du, erst Handeln dann Denken!“, sah Severus den anderen mit giftigem Blick an. „Hast du eine Ahnung, was es für ein Schock war, dich vor meinen Augen sterben zu sehen?“ Auf Harrys Lippen schlich sich ein schwaches Lächeln, ehe er erwiderte: „Ein ähnlicher, wie für mich dein Tod war, schätze ich. Nur habe ich wesentlich weniger Blut auf deiner Kleidung verteilt.“ Severus öffnete protestierend den Mund, stockte dann aber, während Harry ihn weiterhin ruhig ansah. „Ich würde ja fast sagen, wir wären quitt, aber... ich weiß nicht, ob das so ganz fair wäre“, ergänzte Harry locker, was Severus umso mehr plättete. In Harrys Augen erkannte er, dass dieser Mantikor-Vorfall wesentlich tiefere Narben hinterlassen hatte, als Harry gerade vorspielte, was der Grund war, warum Severus den Mund schloss, ohne irgendeinen seiner Proteste ausgesprochen zu haben. Grimmig sah er Richtung Wald und haderte mit sich. Schließlich leierte er: „Wenn ich dich die Auseinandersetzung mit der Strichliste gewinnen lasse, akzeptierst du dann, dass wir quitt sind?“ Erstaunt runzelte Harry die Stirn. „Du meinst die Strichliste, ob du den Zauberstab öfter fallen gelassen hast, als dass mir Grundwissen fehlte?“ „Ja oder nein?“, knurrte Severus zwischen den Zähnen hindurch, was Harry zum Schmunzeln brachte. „Wenn du noch zusätzlich gestehst, dass ich dir den Arsch öfter gerettet hab, als du mir, könnte ich darüber nachdenken.“ „Vergiss es.“ „Aber es ist so.“ „Plus minus Null, Potter“, knurrte Severus und sah Harry wieder an, der nur herausfordernd zurücksah. Kurz hielt Harrys Schmunzeln noch an, ehe er wieder mit den Gedanken beim Hier und Jetzt ankam. Seine Mimik gefror und kam ins Wanken, ehe er nicht einmal mehr Severus' Blick standhielt. Dem Slytherin war Harrys Stimmungswechsel natürlich nicht entgangen und auch er beschloss, die Stichelei sein zu lassen. Was war nur los mit ihnen, dass sie über so etwas banales diskutierten? Es gab viel wichtigeres zu besprechen. Anscheinend hatten sie beide Angst vor diesem Gespräch und griffen nach jedem Strohhalm, um diesem zu entgehen. „Wusstest du, dass der Fluch dich nicht umbringen würde?“, fragte Severus schließlich und Harry seufzte. „Nein. Wie gesagt, ich habe nicht darüber nachgedacht.“ Nach einer kurzen Pause wagte Harry zu fragen: „Du... weißt nicht zufällig... warum ich überlebt hab?“ „Nein“, gestand der Slytherin ernst. „Die einzige Erklärung, die Syndia und mir einfiel war, dass es an Lilys Schutz liegen musste.“ „Aber Voldemort hat bei seiner Auferstehung mein Blut genommen“, erwiderte Harry. „Ich dachte, das hätte den Schutz zerstört.“ „Der Schutz kann nicht zerstört werden. Allerdings dachte ich, der Dunkle Lord könne ihn durch dein Blut umgehen.“ „Hm“, sagte Harry zögerlich. „Offenbar nicht.“ Stille trat ein und Harry wusste nicht ganz, was er tun sollte. Er war hierher gekommen, um sich bei Severus für die Folterflüche zu entschuldigen und klarzustellen, dass das nichts mit seinen Gefühlen zum anderen zu tun gehabt hatte... Dieses Gespräch hier hatte er gar nicht erwartet. „Sev, ich...“, überwand Harry sich schließlich, doch sofort verließ ihn wieder der Mut. Er zwang sich den Blick zu heben und sah dem Slytherin traurig entgegen, der ihn nur abwartend ansah. Er musste es endlich sagen, sonst würde es ihm keine Ruhe lassen. „Es tut mir Leid“, sagte Harry endlich. „Ich wollte nicht... ich hätte... Als Voldemort in meinen Körper schlüpfte, hätte ich ihn stoppen müssen. Ich hätte die Kontrolle behalten müssen...“ „Das hättest du in der Tat“, fiel Severus ihm ruhig ins Wort. „Schließlich haben wir genau wegen solcher Fälle den Okklumentikunterricht weitergeführt. Aber ich weiß, dass es dir schwer gefallen sein muss, gegen ihn anzukämpfen.“ „Du verstehst das völlig falsch“, warf Harry sofort ein. „Wenn du tatsächlich glaubst, dass ich es genossen hätte...“ „Es gibt nur eines, was mich daran interessiert“, unterbrach Severus ihn erneut und sah den Gryffindor forschend an, wobei sich noch etwas anderes hineinmischte. „Wie viel Wahrheit in seinen Worten gesteckt hat.“ „Gar keine!“, rief Harry sofort aus. „Nicht ein Wort von ihm war wahr! Er konnte mich nicht wegen meinen Gefühlen so einfach steuern, sondern weil ich meine ganze Konzentration brauchte, um ihn von meinen Erinnerungen an dich und Dumbledores Unterricht fernzuhalten.“ Überlegend musterte Severus ihn einen Moment und es war ihm anzusehen, dass er nicht wusste, ob er Harry glauben konnte. Er versuchte es zu verbergen, aber Harry sah den unterschwelligen Schmerz in seinen Augen. Schon fast flehend ergänzte Harry: „Du musst mir das glauben. Alles was er gesagt hat, war gelogen. Das einzige, was ich wirklich ehrlich gemeint hatte, war danach, dass ich di-...“ Unwillkürlich stockte Harry mitten im Satz. Er war nicht in der Lage weiterzusprechen, die Überwindung war trotz allem zu groß. Trotzdem schien Severus zu verstehen, dass Harry ihm beinahe zum zweiten Mal ein Liebesgeständnis gemacht hätte. Der Slytherin sah ihn intensiv an, ehe er den Blick senkte und schluckte. Leise hauchte er: „Und es war auch das einzige, was ich nicht nachvollziehen kann.“ In Harrys verzweifelten Blick trat noch etwas fragendes, als er versuchte aus Severus' Gesichtsausdruck schlau zu werden. Ihm wurde bewusst, was Syndia ihm alles erzählt hatte und begriff jetzt auch, warum Syndia Severus' Angst und Zweifel nicht zu interpretieren wusste. Sie kannte ihn einfach nicht so gut wie Harry. Vor einer gefühlten Ewigkeit hätte er den anderen auch nicht lesen können, hätte nicht verstanden, was in dem anderen vorging und woher auf einmal diese Angst kam, aber inzwischen kannte er Severus so gut, dass er für ihn wie ein offenes Buch war. „Du bist wirklich gut darin, dein geringes Selbstbewusstsein vor der Welt zu verstecken, Severus Snape“, flüsterte Harry, was den anderen dazu veranlasste, ihn wieder anzusehen. Noch nie hatten sie sich so offen und intensiv angesehen, wie in diesem Moment. Noch nie war so deutlich hervorgetreten, dass sie seit Necrandolas eine Verbundenheit zueinander aufgebaut hatten, die nicht tiefer hätte sein können. In die Stille hinein hauchte Harry: „Hältst du es wirklich für so abwegig, dass du jemandem so viel bedeuten könntest?“ Severus' Blick war Antwort genug. Er hatte schon vor vielen Jahren den Gedanken abgetan, von jemandem geliebt werden zu können. All die Jahre hatte er eine Mauer um sich gezogen, um sich vor jedem zu schützen, der ihn vielleicht ausnutzen und verletzen könnte. Seinem Vater hatte er zu verdanken, dass er sich beschmutzt fühlte und schon früh die Überzeugung entwickelte, dass niemand ernsthaftes Interesse an einem so schändlich benutzten Wesen wie ihm zeigen könnte. Das war das entscheidende Detail, das Syndia gefehlt hatte. Langsam ging Harry auf den anderen zu, löste den Abstand zwischen ihnen auf, ohne seinen intensiven Blick von Severus' Augen abzuwenden. Behutsam hob er seine Hand und legte sie sanft auf Severus' Wange. Dann überbrückte er auch noch den letzten Abstand und legte hauchzart seine Lippen auf die bebenden des Slytherins. Dieses Zittern übertrug sich auf Severus' Atem und bei den heftigen Gefühlen, die ihn gerade überrannten, schloss er die Augen. Vollkommen überwältigt hätte er es fast nicht geschafft, den Kuss zu erwidern und seine Hand wanderte zu Harrys Schulter, wo sie sich in seinem Mantel verkrallte. Harry war durchaus bewusst, was er gerade in dem anderen auslöste, wusste, dass er mit dieser Konfrontation Severus' kompletten Selbstschutz einriss und intensivierte den Kuss. Er legte alles an Liebe und Zuversicht in diesen Kuss und versuchte so dem anderen zu vermitteln, was Severus ihm in Worten ohnehin nicht geglaubt hätte, wofür ihn seine Angst blind gemacht hatte. Severus schnappte zittrig nach Luft und griff nun auch mit der anderen Hand nach dem Gryffindor, klammerte sich an ihn, als würde er sonst den Halt verlieren. Sanft beendete Harry den Kuss und lehnte seine Stirn an die von Severus, der ihm einen Arm um die Taille gelegt und ihn an sich gezogen hatte. Zitternd atmete Severus durch, hielt die Augen weiterhin geschlossen und versuchte den Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. Harry ließ ihm Zeit sich wieder zu fangen, ließ die Botschaft, die er ihm mit dem Kuss hatte geben wollen, auf den anderen wirken. Er wusste, dass Severus endlich verstanden hatte, dass er hoffentlich nie wieder versuchen würde sich einzureden, dass Harry ihn nur als Spielzeug oder Opfer für seine pubertären Gelüste betrachtete. Es war neu für den Slytherin, seine Mauer derart niederreißen zu lassen und trotzdem nicht verletzt zu werden. Mehr noch: Es war für ihn schwer zu begreifen, dass es tatsächlich jemanden geben sollte, der mehr in ihm sah. Der ihm tatsächlich echte Gefühle entgegenbrachte. Ausgerechnet ihm, und ausgerechnet von Harry, wo der doch praktisch jeden haben konnte. Stille entstand, in der ein leises, kaum hörbares Pochen zu vernehmen war und verwundert zog Harry die Augenbrauen zusammen. Dann wurde ihm klar, was das für ein Geräusch war und er konnte es kaum fassen. Behutsam legte er seine Hand auf Severus' Brust und als er das kräftige, schnelle Klopfen unter den Fingern spürte, sah er sich in seiner Vermutung bestätigt. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, hauchte der Gryffindor: „Ich höre es.“ Zuerst antwortete der Slytherin nicht, ehe er erneut schluckte und sich endlich fing. „Deines höre ich ständig, wenn du so dicht vor mir stehst.“ „Ich weiß“, verzog Harry gespielt mürrisch den Mund, konnte sein Lächeln aber nicht verschwinden lassen. Obwohl Severus sich hätte fragen müssen, woher Harry das wusste, schluckte er erneut und entgegnete mit einem leichten Murren: „Deines schlägt viel schneller, also laber nicht.“ Bei dieser Wortwahl musste Harry lachen. Das solche Worte mal über Severus' Lippen kommen würden... Amüsiert schüttelte Harry leicht den Kopf und vergaß vollkommen, sich wegen des Inhalts der Worte ertappt zu fühlen. Dafür überschütteten ihn gerade ohnehin viel zu viele Glückshormone, denn wenn Severus schon fast das Herz aus der Brust sprang, konnte Syndia ja nur Recht gehabt haben. Er liebte ihn tatsächlich und das Gefühl, das diese Erkenntnis in Harry auslöste, war unbeschreiblich. Endlich öffnete Severus die Augen und sah fasziniert in diese glücklich strahlenden, grünen Tiefen des anderen. Bei diesem Blick atmete Harry tief durch und milderte sein Lächeln ab. Dem Slytherin lag noch etwas auf dem Herzen und das wollte Harry ernst nehmen. Langsam löste Severus seine Arme, ohne den Blick von Harrys Augen abzuwenden. Einen Augenblick sah er ihn einfach nur an und versuchte eine logische Erklärung für das alles zu finden. Leicht den Kopf schüttelnd, hauchte Severus mit gewissem Schmerz in den Augen: „Du hättest allen Grund mich zu hassen und tust es trotzdem nicht. Ich habe so viel Mist gebaut in meinem Leben, es hätte mich nicht gewundert, wenn jedes Wort des Dunklen Lords wahr gewesen wäre.“ Harry seufzte auf. „Aber das war es nicht“, sagte Harry so ehrlich, wie er nur konnte. „Zugegeben, ich war gestern Abend sauer... ja gut, sehr sauer“, ergänzte er bei Severus' skeptischem Blick, „aber ich hatte darüber nochmal mit Dumbledore geredet und... er hat mir klar gemacht, dass... du Mum niemals freiwillig verraten hättest und dass du... sicherlich schon genug dafür gebüßt hast.“ Einen Augenblick lang sah Severus ihn einfach nur gequält an, ehe er leise sagte: „Ich werde nie genug dafür gebüßt haben.“ „Das kann ich doch eher entscheiden als du, meinst du nicht?“, fragte Harry ruhig. „Ich kenne dich wohl inzwischen gut genug, um sagen zu können, dass du genug gelitten hast. Es ist okay, vergessen wir diese Sache einfach.“ Severus war gefesselt von diesen grünen Augen. Lilys Augen, die ihn so ehrlich ansahen und ihm gerade den größten Fehler seines Lebens verziehen. Er presste die Lippen zusammen und sah schließlich weg. Dieser Blick war gerade unerträglich für ihn. Harry hingegen beobachtete den anderen ruhig, sah das Leid, was der andere gerade zu ertragen hatte. Noch nie hatte er jemanden gesehen, der so viel Reue in seiner Mimik gezeigt hatte. Um die Stille irgendwie aufzulösen, murmelte Harry leise: „Wir sind beide ziemlich gut darin, uns gegenseitig weh zu tun, was? Man könnte meinen, das sei unsere Lebensaufgabe.“ Severus rang noch immer um Fassung und konnte nichts erwidern. All die Jahre über hatte er Harry als seine persönliche Strafe dafür angesehen, was er Lily angetan hatte. Und jetzt kam er zu ihm und vergab ihm einfach so? Ein Abend lang voller Schmerz und alles war vorbei? Das sollte das Finale gewesen sein? Er erklärte seine Strafe für beendet? Harry konnte nicht wissen, was im anderen vorging. Alles was er sah, war, dass Severus gerade ziemlich aufgewühlt war und das es irgendwie mit ihrem Gesprächsthema zu tun haben musste. Dementsprechende Schlüsse zog der Gryffindor daraus. „Severus, ich schwöre dir, dass ich dir nie wieder wehtun werde. Ich... was im Flur des Kerkers passiert ist... hat mich selbst schockiert und... die Flüche... ich kann verstehen, wenn du mir das nicht verzeihen kannst. Ich will nur, dass du weißt... dass mir das alles furchtbar Leid tut.“ Mit brüchiger Stimme erwiderte Severus sofort: „Wenn die Flüche tatsächlich nicht von dir kamen, dann gibt es da auch nichts zu verzeihen.“ Augenverdrehend sagte Harry: „Wirklich? Sieh mir in die Augen und sage mir, dass du die Flüche nicht mehr mit mir in Verbindung bringst.“ Tatsächlich sah Severus wieder zum anderen und schaffte es, seinen Blick neutral zu halten. Einen Augenblick sahen sie sich an, ehe Severus nicht mehr standhielt. „Zugegeben“, begann er und Harry spürte bereits einen Knoten in seiner Brust, „es ist schon... prägend, dass du den Cruciatus auf mich gerichtet hast und ich habe ihn als Strafe dafür verstanden, dass ich Lily verraten habe, aber... ich weiß ja jetzt, dass das nicht der Hintergrund war.“ Harry schluckte und fragte zweifelnd: „Und das reicht dir?“ Severus sah wieder auf, direkt in Harrys Augen. „Ja. Vielleicht noch nicht komplett, aber... mit ein wenig Zeit auf jeden Fall.“ Harry atmete zittrig aus und ließ die Schultern fallen, von denen eine große Last abzufallen schien. War das zu fassen? Severus vergab ihm. Er vergab ihm tatsächlich diese Folter und meinte sogar, sie irgendwann nicht einmal mehr mit Harry in Verbindung zu bringen. Solch einen Ausgang hätte Harry sich nicht erträumen lassen. Auch Severus fühlte sich seltsam frei. Ohne sich überhaupt darüber bewusst zu sein, hatte Harry ihn von den Ketten befreit, die ihn jahrelang an seine Schuld gefesselt hatten. Es war, als würde der Slytherin nach langer Zeit endlich wieder frei atmen können. Ja, er war frei. Und das brachte noch etwas anderes mit sich. Severus warf Harry einen Blick zu, der unruhig über die Ländereien sah. Ohne diese Ketten würde er nun Harry auch nicht mehr ständig mit seiner Schuld verbinden müssen. Er war nicht mehr seine Strafe. Er würde ihn endlich unabhängig davon betrachten können. „Danke“, hauchte Severus leise und Harry sah ihn wieder an. „Ich danke wohl eher dir“, erwiderte Harry ehrlich. „Jetzt müsste mir nur noch... Dumbledore vergeben.“ Harrys Kehle schnürte sich zum Ende des Satzes hin zu und er sah abwesend zu den Sternen, als würde er glauben, dort irgendwo Dumbledore sehen zu können. „Dumbledore würde dir nicht die Schuld geben“, erklärte Severus entschieden. „Definitiv nicht.“ „Hm“, erwiderte Harry als halbherzige Zustimmung und nickte abwesend, ohne Severus anzusehen. Seufzend wandte auch der Slytherin sich wieder den Ländereien zu. Einen Moment lang herrschte Stille, ehe Harry leise erzählte: „Wir waren in einer Höhle, die Voldemort als Kind immer aufgesucht hatte. Als ob Dumbledore es geahnt hätte, konnte man die Aufgabe dort nur zu zweit lösen. In dieser Höhle lag ein unterirdischer See... voller Inferi.“ Mit weit aufgerissenen Augen schnellte Severus' Blick zu Harry, der nur weiterhin nach vorne sah. Monoton und mit stumpfem Blick erzählte er weiter: „Ich hab Panik gekriegt. Obwohl Dumbledore geschwächt und auf meine Hilfe angewiesen war, konnte ich nichts tun. Ich wusste, was zu tun ist... aber ich konnte es nicht...“, langsam wurde Harrys Stimme immer zittriger, „Ich war nicht in der Lage uns zu beschützen. Da brauchte ausnahmsweise mal Dumbledore meine Hilfe und ich... ich hab ihm stattdessen nur noch mehr Probleme gemacht. Wegen mir musste er sich noch weiter verausgaben, wegen mir war er so schwach und... w-wenn ich hier auf dem Turm schneller reagiert hätte... wenn ich Draco entwaffnet hätte...“ Sanft legte sich ein Arm auf Harrys und eine warme Hand umschloss seine zitternde Faust. Schwer schluckend und mit Tränen in den Augen, sah Harry auf und blickte in die beruhigenden, schwarzen Tiefen des anderen. „Dass du in Panik verfallen bist, ist völlig normal. Das wäre mir mit Sicherheit auch passiert.“ „Aber es hätte nicht passieren dürfen“, erwiderte Harry mit kratziger Stimme und unterdrückte ein trockenes Schluchzen. „Wir waren in Lebensgefahr und ich hatte nichts besseres zu tun, als... was ist, wenn mir sowas jetzt bei jedem Kampf passiert? Ich riskiere damit das Leben von allen, die an meiner Seite kämpfen.“ „Ich glaube kaum, dass in den Kämpfen gegen die Todesser auch nur eine Situation auftreten wird, die denen in Necrandolas ähneln und dann wirst du auch keine Panikattacke kriegen“, erklärte Severus energisch. „Dass ihr Inferi in einem unterirdischen See begegnet seid, war ein unwahrscheinlicher Zufall, der sich garantiert nicht wiederholen wird.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher“, schüttelte Harry schon fast verzweifelt den Kopf. „Ich muss das zu Ende bringen, was Dumbledore begonnen hat und da ist das mit der Höhle sicher kein Einzelfall. Dumbledore hätte das gekonnt, er hätte... ach verdammt, ich weiß einfach nicht, wie ich das ohne seine Anweisungen schaffen soll! Er hat einem immer den Weg vor einem aufgezeigt. Er wusste immer, was zu tun ist... aber jetzt kann er mir das nicht mehr sagen...“ Harry fiel es mit jedem Wort schwerer, die Fassung zu wahren. Erst jetzt kam die Nachricht von Dumbledores Tod richtig bei ihm an. Er war fort, für immer. Inzwischen zitterte Harry am ganzen Körper, klang immer verzweifelter und die ersten Tränen liefen ihm übers Gesicht, sodass Severus sich das nicht mehr mit ansehen konnte und Harry an den Schultern packte. „Aus genau dem Grund hat Dumbledore dir doch den Unterricht gegeben. Er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hatte und hat dir alles erzählt, was du wissen musst. Er war überzeugt davon, dass du deinen Weg finden würdest. Und das wirst du auch.“ Zweifelnd sah Harry zu Severus auf. In seinen verweinten Augen lag so viel Schmerz und Trauer, dass Severus tief aufseufzen musste. Sanft strich er dem Gryffindor durchs Haar und fragte schon fast liebevoll: „Außerdem, wann hast du dich denn jemals an Anweisungen gehalten? Du bist schon immer deinem eigenen Weg gefolgt und lebst immernoch.“ Spöttisch eine Augenbraue hebend, ergänzte der Slytherin: „Und glaube mir, ich war der letzte, der geglaubt hat, dass das funktionieren würde.“ Auf Harrys Lippen schlich sich ein kleines Lächeln, ehe er sich schniefend die Tränen mit dem Ärmel wegwischte. „Trotzdem. Es ist... hart, dass Dumbledore nun nicht mehr da ist. Ich... kann einfach nicht fassen, dass... er nie wieder Ratschläge geben wird... nie wieder eine seiner ulkigen Reden in der Großen Halle hält... nie wieder...“ Harry konnte nicht verhindern, dass ihm erneut Tränen über die Wangen liefen, doch nun war es ihm auch egal. Er wollte und konnte sich nicht mehr zusammenreißen, wollte einfach nur noch um den Direktor trauern dürfen. „Ich weiß“, hauchte Severus kratzig als Antwort, sodass Harry erneut aufsah. Nun war auch in den Augen des Slytherins Trauer zu erkennen. Natürlich, Dumbledore muss ihm auch etwas bedeutet haben. Severus litt genauso wie Harry selbst und diese Verbundenheit in ihrer Trauer war es, die Harrys Widerstand einriss. Er ließ sich in Severus' Arme fallen und schluchzte sogleich laut auf. Auch der Slytherin klammerte sich sofort an ihn und so gaben sie sich gegenseitig Halt, trauerten gemeinsam um diesen großartigen Mann, der einen Platz in ihren Herzen ergattert hatte. Harry entkam ein weiterer Schluchzer und er ließ sich weiter in die Umarmung sinken, während ihm die Tränen übers Gesicht liefen. Severus schloss gequält die Augen und verstärkte die Umarmung, sodass man eigentlich denken müsste, er würde Harry die Rippen brechen, doch dieser war so in seiner Trauer vertieft, dass er für diesen Halt dankbar war. Er verkrallte sich in Severus' Umhang, legte seine bebenden Lippen auf seiner Schulter ab und versuchte sich zu beruhigen. Mehrere Minuten standen sie so da und lockerten schließlich die Umarmung ein wenig, als sie sich langsam beruhigten. Irgendwann lagen Severus' Arme nur noch locker um Harrys Hüfte, während dieser seinen Kopf an Severus' Schlüsselbein anlehnte und an ihm vorbei auf die Ländereien sah. Die Tränen trockneten und das Schniefen wurde weniger. Stumm standen sie da, betrachteten abwesend die Sterne und nahmen diesen ruhigen Moment wie Balsam für ihre Seele auf. Harry konnte Severus' Herzschlag hören, was auf ihn beruhigender wirkte als alles andere. Außerdem strahlte Severus diese angenehme Wärme aus, die ihm so viel Sicherheit gab, wie noch nie etwas zuvor und mit jedem ruhigen Atemzug genoss Harry den Duft des anderen. Irgendwann fragte Harry leise in die Stille hinein: „Wie geht es jetzt weiter?“ Severus atmete tief durch, ehe er antwortete: „Wir müssen auf alles vorbereitet sein. Alles steht bereit für den Fall, dass ich untertauchen muss und Syndias Mann ist inzwischen fit genug, sodass er und Luca das Land verlassen können.“ „Syndia geht nicht mit?“, fragte Harry und löste sich aus der Umarmung, um Severus in die Augen sehen zu können. „Nein, sie...“, stockte Severus kurz und überlegte, wie er es formulieren sollte. „Sie hat sich entschieden den Orden zu unterstützen. Ihre Kontakte sowohl direkt in Amerika als auch in der amerikanischen Botschaft könnten hilfreich im Krieg sein.“ Erstaunt zog Harry die Augenbrauen hoch, doch bevor er weiter nachfragen konnte, sprach Severus schon weiter. „Und du versprichst mir, dass du bei deinen Verwandten bleibst und die Füße still hältst, bis dich jemand vom Orden holen kommt.“ Die schwarzen Augen akzeptierten keine Widerrede, doch die hatte Harry ohnehin nicht vor zu geben. „Jaa, keine Sorge“, erwiderte Harry ruhig. „Ich weiß, dass Dumbledore das gewollt hätte, also... Ich werde das schon überleben. Ein letztes Mal.“ „Und du verlässt auch nicht das Gelände“, legte Severus weiter fest. „Du bleibst im Schutz von Dumbledores Bann, egal was passiert.“ „Jaa“, verdrehte Harry die Augen und erwiderte den strengen Blick des anderen nur gelassen. „Keine Panik, ich benehme mich.“ „Das will ich doch hoffen“, knurrte Severus nur noch und stützte sich dann auf der Mauer ab. Nach einer kurzen Pause sagte Harry: „Du weißt aber schon, dass ich mich nicht ewig verstecken kann. Dumbledore hatte einen Plan für mich und um den auszuführen, kann ich nicht immer an sicheren Orten bleiben.“ Severus' Blick wanderte ruhig zu Harry. Dennoch konnte man ihm ansehen, dass ihm nicht gefiel, was er da hörte. Deshalb redete Harry weiter auf ihn ein: „Voldemort muss vernichtet werden und genau das habe ich vor zu tun. Ich bin mein Leben lang weggelaufen, das kann ich irgendwann nicht mehr. Ich will es auch nicht mehr. Ich muss gehen und kämpfen.“ Wieder entstand eine Pause, in der Severus seinen Blick nicht veränderte und Harry sah nur stur und entschlossen zurück. Egal was Severus sagen würde, Harry wollte kämpfen und nichts würde ihn davon abbringen. Für den Slytherin war klar, dass, wenn Harry sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, ihn nichts abhalten würde. Aber das durfte er in diesem Fall ohnehin nicht versuchen... denn er wusste selbst, dass es notwendig war. Er konnte Harry nicht ewig beschützen. „Ja“, flüsterte Severus schließlich schwach als Antwort. „Ich weiß.“ Harry hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass Severus ihm Recht gab. Er wurde nicht wütend, versuchte nicht verbissen, ihm seine dummen Pläne auszuschlagen. Nein, er akzeptierte seine Entscheidung einfach, obwohl man aus seiner Stimme und seinem Blick erkennen konnte, dass er Harry nur ungern gehen ließ. Seine Stimme war sogar trauriger, als Harry gedacht hätte. Er konnte nicht wissen, dass Severus mehr als nur seinen Willen zu kämpfen akzeptieren musste, wenn er wollte, dass Voldemort besiegt wurde. Leise und ruhig ergänzte Severus: „Ich weiß von den Horkruxen, Harry. Ebenso wie Syndia. Wir wissen, was Dumbledore dir aufgetragen hat.“ Überrascht sah Harry zurück und schluckte kurz. Er hatte zwar gedacht, dass Dumbledore nur ihn eingeweiht hatte, aber gut, so musste er wenigstens keine Geheimnisse vor Severus haben. Vielleicht konnte er ihm sogar helfen. Zögerlich holte er das falsche Medaillon heraus und betrachtete es nachdenklich. Dann öffnete er es und gab Severus die darin enthaltene Notiz. Eine Augenbraue hochziehend, nahm Severus das Stück Pergament entgegen und las sich die Nachricht durch. Leise fragte Harry: „Er spricht ihn mit 'Dunklem Lord' an, also war er ein Todesser. Irgendeine Idee, wer das sein könnte?“ Eine Weile betrachtete Severus nachdenklich die Initialen, ehe er langsam den Kopf schüttelte. „Ich fürchte nein. Auch wenn mir mein Gefühl sagt, dass ich es wissen müsste.“ „Allzu viele aufsässige Todesser kann es doch nicht gegeben haben, oder?“, hakte Harry weiter nach und nahm den Zettel zurück. „Es ist unmöglich alle Todesser zu kennen“, knurrte Severus verteidigend. „Du hast vermutlich immer nur die ranghöchsten im Kopf. Aber es gibt noch unzählige, von denen nicht einmal der Dunkle Lord die Namen kennt. Dafür sind sie es aber auch nicht 'wert' das Dunkle Mal zu erhalten.“ „Ohja, das muss wirklich eine große Ehre sein“, murmelte Harry sarkastisch, ohne von seiner Tätigkeit, die Notiz im Medaillon zu verstauen, aufzusehen. „Frag Igor Karkaroff“, erwiderte Severus nur trocken, was Harry zum Schnauben brachte. Vom Thema ablenkend, sagte Severus: „Ich hoffe Granger und Weasley helfen dir bei deiner Aufgabe.“ Harry verzog murrend den Mund und zeigte damit deutlich seine Meinung. „Sie haben darauf bestanden mich zu begleiten. Ich habe ihnen gesagt, dass das zu gefährlich ist, aber sie wollen nicht hören.“ „Gut so“, erwiderte Severus nur und Harry warf ihm einen fiesen Blick zu. „Schau mich nicht so an, du weißt genauso gut wie ich, dass du ihre Hilfe brauchen wirst. Außerdem ist mir wohler dabei, wenn du zwei treue Freunde an deiner Seite hast.“ Amüsiert zog Harry die Augenbrauen hoch. „Seit wann sprichst du in so hohen Tönen von meinen Freunden?“ „Sie mögen einige Charakterfehler haben, aber ich weiß, dass sie dich niemals im Stich lassen würden“, erwiderte Severus grimmig. „Ich weiß, dass dein Leben in ihren Händen gut aufgehoben ist. Naja, zumindest in Grangers Händen.“ „Hey, jetzt tu nicht ständig so, als könne ich nicht auf mich selbst aufpassen“, beschwerte sich der Gryffindor gespielt beleidigt. „Wenn du dich nicht ständig von einer gefährlichen Situation in die nächste werfen würdest, müsste ich mir nicht solche Sorgen machen“, argumentierte Severus stur weiter. „Das tu ich gar nicht“, jammerte Harry lauthals. „Die Probleme finden mich, nicht andersrum.“ „Und warum bist du nach Dumbledores Tod sofort zum Dunklen Lord gerannt?“, zischte Severus sofort und seine Augen blitzten Harry vorwurfsvoll an. „Du hättest im Schloss bleiben sollen, aber nein, du rennst gleich zur nächsten gefährlichen Situation.“ „Ich bin zu euch gestoßen, um dich zu retten“, giftete Harry zurück. „Ich hab gesehen, dass du alleine mit Voldemort am kämpfen warst und ich konnte nicht zulassen, dass dir was passiert...“ „Aber genau das ist das Problem!“, unterbrach Severus ihn sofort. „Das musst du in Zukunft sein lassen, wenn du diesen Krieg überstehen willst. Der Dunkle Lord hat gesehen, wie du für mich in den Avada gesprungen bist. Das war außerordentlich dumm!“ „Hätte ich dich etwa sterben lassen sollen?!“ „JA verdammt!“, rief Severus aus und Harry starrte ihn nur vorwurfsvoll an. „Begreifst du es denn nicht?! Wenn der Dunkle Lord auf die Idee kommen sollte, dass ich dir mehr bedeute als irgendjemand sonst, dann wird er mich benutzen, um an DICH heranzukommen. Das kann ich nicht zulassen!“ Harry antwortete zuerst nicht, sondern funkelte Severus nur dunkel an, der endlich genug gebrüllt hatte und nur stur zurücksah. Schließlich antwortete Harry wieder deutlich ruhiger und mit festem Blick: „Denkst du etwa, darüber hätte ich mir noch keine Gedanken gemacht? Denkst du, ich würde mir nach gestern nicht Sorgen darum machen, dass ich dich unnötig in Gefahr bringe? Ich weiß es sehr wohl!“ Seufzend wandte Harry den Blick ab und trommelte mit den Fingern auf der Mauer. Ruhig sprach er weiter: „Ich sehe jetzt ein, dass du die ganze Zeit über Recht hattest. Das mit uns... ist so gefährlich. Es darf niemand auch nur Verdacht schöpfen. Es ist schon schlimm genug, dass Syndia, Luca, Ron und Hermine Bescheid wissen. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir wegen mir irgendwas zustoßen würde.“ Severus sah beinahe ausdruckslos zum Gryffindor. „Es ist ohnehin fraglich... wann oder ob wir uns wiedersehen.“ Sofort schnellte Harrys Blick wieder zurück zum anderen. „Hey, du passt gefälligst auch auf dich auf. Komm mir ja nicht auf die Idee dich töten zu lassen, ja?“ Ein trauriges Schmunzeln huschte kurz auf Severus' Lippen. „Auf der Abschussliste des Dunklen Lords nehme ich höchst wahrscheinlich Platz drei ein. Wie hoch schätzt du dann wohl meine Überlebenschancen ein?“ Harry schluckte hart und ballte seine Hände zu Fäusten, ehe er grimmig antwortete: „Als derjenige, der auf Platz eins steht, sage ich dir: Sehr hoch!“ Eine kurze Pause entstand, ehe Harrys Blick fragend wurde. „Und wer soll auf Platz zwei sein?“ Severus setzte seinen Ist-Das-Dein-Ernst-Potter-Blick auf und Harry begann scharf nachzudenken. Schließlich fragte er zögerlich: „Der Zaubereiminister?“ „Scrimgeour, ja“, nickte Severus bestätigend brummend. „Jetzt, wo Dumbledore tot ist, wird er sich darauf konzentrieren das Ministerium zu stürzen. Erst dann hat er überhaupt eine Chance an dich heranzukommen.“ „Hm“, nickte Harry und fiel ins Grübeln. Es war nicht zu leugnen, dass sie harte Zeiten vor sich hatten. Düstere Zeiten. „Also...“, begann Harry zögerlich, „ist das hier unser Abschied?“ Severus begegnete dem traurigen Blick des Gryffindors und ihm wurde allein schon dadurch beklommen zumute. „Sieht so aus“, sagte er leise. Stille trat ein, in der sich die beiden einfach nur ansahen. Im Blick des jeweils anderen konnten sie so viel Trauer und Sehnsucht erkennen, dass es ihnen beinahe körperliche Schmerzen bereitete. „Pass trotzdem auf dich auf“, sagte Harry ruhig, ohne dabei diesen Moment zu zerstören. „Ja. Du auch auf dich.“ Das sollte es jetzt also gewesen sein? Sie gingen jetzt einfach so auseinander? Harrys Kehle begann sich zuzuschnüren und das Bedürfnis, den anderen zu berühren wurde beinahe übermächtig. Dass das hier ihre letzte Begegnung sein sollte, zerriss ihm regelrecht das Herz. Er wollte nicht gehen, er wollte sich nicht verabschieden, er wollte einfach nur... bei Severus bleiben. Er konnte die gleiche Sehnsucht in Severus' Augen sehen, was Harry nur noch viel mehr quälte. Diesen Blick aus diesen schwarzen Augen hatte er schon einmal gesehen, und zwar als sie nach Necrandolas aus dem Krankenflügel entlassen worden waren und sofort fragte Harry sich, wie er nur so lange an den Gefühlen des anderen hatte zweifeln können. Wie hatte er ernsthaft glauben können, dass Severus nichts für ihn empfinden würde? Damals hatten sie sich auch gegenübergestanden und mussten sich verabschieden. Und damals hatte Harry Severus gehen lassen, ohne das gesagt zu haben, was er ihm so gerne hatte sagen wollen, ohne das zu tun, was er hatte tun wollen. Aber nicht heute, nicht nochmal. Er konnte Severus nicht einfach so verlassen. Er trat einen winzigen Schritt auf den anderen zu und hauchte voller Sehnsucht in der Stimme: „Sev...“ Bevor er weitersprechen konnte, war Severus schon bei ihm. Er hatte einen großen Schritt nach vorne gemacht, griff in Harrys Nacken und zog sein Gesicht so dicht an seines, dass sich ihre Stirn und Nasen fast berührten. Harrys Herz klopfte ihm bis zum Hals und er schloss die Augen. Severus' Atem streifte noch kurz sein Gesicht, ehe er seine Lippen auf Harrys legte. Genussvoll ließ Harry sich in den Kuss fallen und zog Severus näher an sich heran, der den Kuss sogleich intensivierte, ließ Harry spüren, dass er genauso ausgehungert war wie Harry selbst. In Harrys Bauch kribbelte und flatterte es und er spürte, wie Severus der Atem wegblieb. Der Gryffindor klammerte sich regelrecht an den anderen, ließ immer mehr Verzweiflung in den Kuss einfließen. Er wollte nicht gehen, wollte Severus nicht gehen lassen, er wollte verdammt nochmal, dass diese dunklen Zeiten endlich ein Ende nahmen, damit er sich nie wieder vom anderen trennen musste. Mit der Zeit wurden Severus' Küsse ruhiger, büßten aber nichts von ihrer Intensität ein. Im Gegenteil, sie wurden sogar liebevoller, womit Severus Harrys aufgewühltes Herz zu beruhigen versuchte. Seine Küsse hatten etwas so tröstliches angenommen, dass Harry gar nicht anders konnte, als dieses kalte Gefühl zu verdrängen und der Wärme in seinem Herzen Platz zu machen. Schließlich ließ Severus den Kuss ausklingen und ohne Abstand zu Harry zu nehmen, öffnete er die Augen, um in strahlend grüne zu blicken. So wie Severus ihn gerade ansah, hatte er Harry noch nie angesehen und der Gryffindor konnte gar nicht anders, als traurig zu lächeln, während seine Augen noch immer den Rest Verzweiflung widerspiegelten. Er konnte dem Blick nicht mehr standhalten, denn so schön er auch war, er zerriss ihn gleichzeitig. Sanft küsste Harry den Slytherin erneut, rettete sich einfach in dieses wunderschöne Gefühl hinein und wollte am liebsten auch nie wieder vom anderen ablassen, wollte nie wieder die Augen öffnen und somit vor der Realität fliehen. Es war so einfach und so verlockend die restliche Welt einfach auszusperren. Der Kuss wurde nur zu gerne erwidert und Severus schloss die Arme noch weiter um Harry, der daraufhin in den Kuss seufzte. Sie ließen sich alle Zeit der Welt, genossen diesen Moment in vollen Zügen, denn sie wussten, dass dies ihr letzter Kuss sein würde. Kapitel 79: Abschied -------------------- Am nächsten Morgen zeigte sich der Frühsommer in seiner schönsten Pracht und Harry wusste nicht so ganz, ob er es als Tribut oder als Beleidigung an Dumbledore sehen sollte. |Die Stimmung beim Frühstück war gedrückt und als McGonagall sich erhob, folgten ihr die Schüler stumm nach draußen. So viele Menschen waren gekommen, von denen Harry keine Ahnung hatte, wer sie waren und andere, die er kannte, ließen Zorn in ihm aufkeimen. So auch Umbridge, die eine scheinheilige Trauermiene aufsetzte oder Rita Kimmkorn, die ihren Notizblock in der Hand hielt. Doch auch die Mitglieder des Phönixordens waren gekommen und Hagrid hatte sogar seinen Bruder Grawp mitgebracht, der von den anderen argwöhnisch im Auge behalten wurde. Harry allerdings konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als Grawp den weinenden Hagrid so heftig tätschelte, dass sein Stuhl in die Erde einsank. Egal was die anderen dachten, Harry wusste, dass Dumbledore nichts gegen die Anwesenheit von Hagrids Halbbruder gesagt hätte. Die Meermenschen sangen knapp unter der Oberfläche ein Lied für Dumbledore, das wie aus einer anderen Welt zu kommen schien. Sogar die Zentauren waren gekommen und lauschten vom Rande des Waldes aus den Worten des kleinen Mannes, der vorne seine Rede hielt, von der Harry aber kaum etwas verstand. Geistesabwesend beobachtete Harry die Menschen, die Zentauren, Grawp, Hagrid und schließlich die Meermenschen, die nun ihre Köpfe aus dem Wasser hoben, um ebenfalls zu lauschen. Der Gryffindor erinnerte sich daran, wie Dumbledore beim Trimagischen Turnier am Rande des Sees gehockt und mit der Anführerin der Meermenschen auf meerisch gesprochen hatte. Warum hatte er ihn nie gefragt, wann er das gelernt hatte? Warum hatte er all die Gelegenheiten, die er hatte, nicht genutzt, um Dumbledore besser kennenzulernen? Warum hatten sie immer nur über Harrys Leben gesprochen? Harry schluckte schwer, als sich seine Kehle zuschnürte. Ja, immer war es um Harry gegangen. Um sein Schicksal, seine Probleme, seinen Schmerz... und nun zählte Dumbledore ebenfalls zu den Menschen, die sich vor Harry gestellt hatten. Seine Mutter, sein Vater, sein Pate und jetzt Dumbledore. Das musste endlich aufhören. Er konnte nicht zulassen, dass noch jemand für ihn starb. Er musste diesen Krieg endlich beenden, so schnell wie möglich. Hermine hatte sich leise schluchzend an Ron gelehnt, dem ebenfalls Tränen übers Gesicht liefen. Auch Ginny, die neben Harry saß, weinte stumm vor sich hin|², aber Harry selbst konnte das nicht mehr. Auch wenn er ein beklemmendes Gefühl in der Brust hatte, er hatte gestern auf dem Turm seinem Kummer genug Raum gegeben. Viel mehr sorgte seine Trauer jetzt für nagende Schuldgefühle. |Der Aufschrei von etlichen Leuten holte Harry aus seinen Gedanken. Der Tisch, auf dem Dumbledore gelegen hatte, war in Flammen aufgegangen und hinterließ ein weißes Grabmal. Die Zentauren ließen einen Pfeilregen auf die Wiese niederprasseln, der erneut für Unruhe in der Menge sorgte.|² Augenverdrehend nahm Harry das zur Kenntnis. Als ob die Zentauren so schlecht zielen könnten. Sowohl die Zentauren als auch die Meermenschen zogen sich zurück und auch in die Menschenmenge kam Bewegung. Syndia und Severus kamen an ihrer Reihe vorbei und wirkten gefasster, als so manch andere. Sofort musste Harry an die Beerdigung ihrer eigenen Mutter denken, bei der sie von ihrem Vater nicht hatten weinen dürfen. Wenn man von diesem kleinen Detail wusste, wirkte der Anblick der Snapes völlig anders. Und dass Harry sie anders betrachtete, zeigten deutlich die schiefen Blicke einiger Gäste, die wohl eher skeptisch waren, dass ausgerechnet der Lehrer, der ehemals ein Todesser war, keine Träne vergoss. Knurrend nahm der Gryffindor das zur Kenntnis, dabei den Gedanken ignorierend, dass er Severus' Verhalten vor einem Jahr auch noch als verdächtig empfunden hätte. Severus' Blick streifte seinen und Harry musste schlucken. Sie sahen sich kurz ernst an, ehe der Slytherin den Blickkontakt brach und Syndia zum Schloss begleitete. Harry biss sich auf die Lippe und senkte den Blick zu seinen Händen. So sehr diese Beerdigung seinen Entschluss auch gefestigt hatte niemanden mehr zu gefährden, es tat trotzdem weh Severus zu sehen und zu wissen, dass sie erstmal getrennte Wege gehen mussten. Da Harry es gerade nicht ertragen konnte, seine Freunde so trauern zu sehen, erhob er sich und schlenderte um den See herum. Ein Spaziergang war vermutlich wesentlich hilfreicher, als nur herumzusitzen. Nur leider dauerte es nicht lange, bis sich noch jemand aus der Menge löste und scheinbar zufällig in seine Richtung kam: Scrimgeour. Ächzend wandte Harry sich ab und wartete darauf, dass der Zaubereiminister ihn einholen würde. |„Harry! Ich hatte gehofft, dass wir ein Wort miteinander reden können... Gestatten Sie, dass ich Sie ein kleines Stück begleite?“ „Ja“, murrte Harry so neutral wie möglich. „Harry, das war eine schreckliche Tragödie. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie entsetzt ich war, als ich davon hörte. Dumbledore war ein sehr großer Zauberer. Wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, wie Sie wissen, aber niemand weiß besser als ich...“ „Was wollen Sie?“, konnte Harry dieses geheuchelte Mitleid nicht mehr ertragen. Scrimgeour warf ihm einen verärgerten Blick zu, ehe er sich zusammenriss. „Sie sind natürlich tief erschüttert. Ich weiß, dass Sie Dumbledore sehr nahe standen. Ich schätze, Sie waren sein Lieblingsschüler überhaupt. Das Band zwischen Ihnen beiden...“ „Was wollen Sie?“, unterbrach Harry ihn erneut und blieb sogar stehen, um Scrimgeour böse anzufunkeln. Der Minister ließ sich nicht einschüchtern und sagte mit forschendem Blick: „Man sagt, dass Sie bei ihm gewesen waren, als er die Schule in der Nacht seines Todes verließ.“ „Wer sagt das?“ „Jemand hat einen Todesser auf dem Turm geschockt, nachdem Dumbledore gestorben war. Außerdem waren zwei Besen dort oben. Das Ministerium kann eins und eins zusammenzählen, Harry.“ „Freut mich zu hören“, erwiderte Harry nur spöttisch. „Nun, wo ich mit Dumbledore hingegangen bin und was wir gemacht haben, ist meine Angelegenheit. Er wollte nicht, dass es irgendjemand erfährt.“ „Solche Treue ist natürlich bewundernswert“, wurde Scrimgeour langsam ungeduldig, „aber Dumbledore ist nicht mehr, Harry. Er ist nicht mehr.“ „Ich habe Ihnen trotzdem nichts zu sagen.|³ Es gibt einfach Dinge, die für niemanden außer mir von Belang sind. Ich hatte gehofft, dass Sie das nach Ihrer Befragung über Necrandolas endlich verstanden hätten.“ |Scrimgeour malte offenbar kurz mit den Zähnen, ehe er gefasst sagte: „Nun, was meinen Wunsch, den ich Ihnen Weihnachten unterbreitet habe, angeht...“ „Dazu kennen Sie meine Antwort ebenfalls“, fiel Harry ihm gleich ins Wort und wusste, dass er langsam zu unhöflich wurde, aber das war ihm völlig egal. „Haben Sie Stan Shunpike schon freigelassen?“ Scrimgeours Augen formten sich zu Schlitzen. „Ich sehe, Sie sind...“ „Durch und durch Dumbledores Mann“, ergänzte Harry den Satz. „Ganz genau.“ Der Minister funkelte ihn nochmal böse an, ehe er sich mit einem Schnauben wegdrehte und davonging.|³ Ächzend wandte Harry sich um und ließ seinen Blick über den glitzernden See wandern. Warum konnte Scrimgeour ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Warum musste er immer bei seinen schrecklichsten Erlebnissen nachbohren? Quälte er ihn mit Absicht so, oder war er tatsächlich so blind und bemerkte es gar nicht? „Das Einfühlungsvermögen eines Erumpent“, ächzte Harry leise und strich sich plötzlich unwillkürlich durchs Haar, als ihm bei seinem eigenen Satz Bilder durch den Kopf schossen. Verdammt, er war heute wohl doch ein wenig von der Rolle.   Hier standen sie also, vermutlich das letzte Mal. Am Bahnhof von Hogsmeade. Schüler liefen wild durcheinander und suchten ihr Gepäck, verabschiedeten sich und suchten sich ihre Plätze in einem Abteil. Besonders die jüngeren Schüler wirkten aufgeregt, so war dies hier doch nichts anderes, als ganz normale Sommerferien für sie. Sie würden Hogwarts in wenigen Monaten wiedersehen und ihre größte Sorge war derzeit, ob sie mit den richtigen Leuten ein Abteil teilen konnten. Die Glücklichen. Neben ihnen fühlte Harry sich irgendwie alt und sorgenschwer. Noch nie war ihm so deutlich bewusst geworden, dass er kaum was von seiner Kindheit gehabt hatte. Wie denn auch, wenn ihn zuerst die Dursleys so eingeschränkt und Voldemort ihn ab seinem elften Lebensjahr ständig auf die Probe gestellt hatten. Irgendwie hatte er die Gelegenheiten, Kind zu sein, verpasst. Viele Lehrer schienen zu ahnen, dass Harry nicht vorhatte, nächstes Jahr wiederzukommen und traten auf den Gryffindor zu, um sich von ihm persönlich zu verabschieden. Flitwick schüttelte ihm eifrig die Hand, während er ihm mit einem fast mitleidvollen Blick alles Gute wünschte, McGonagall bat ihn, nichts zu unternehmen, bis er etwas vom Phönixorden hören würde und schließlich zog Hagrid ihn in eine halsbrecherische Umarmung. „Wir sehen uns bald wieder, Harry“, versprach er und versuchte aufmunternd zu lächeln, was gar nicht so einfach war, da er von der Beerdigung noch ganz mitgenommen aussah. Am liebsten hätte Harry ihm etwas tröstendes gesagt, doch ihm wollte nichts einfallen, was nicht doch nur wieder für trauriges Schweigen gesorgt hätte. Erlöst von diesem Zwiespalt wurde Harry durch Syndia und Luca, die nun auch lächelnd auf ihn zutraten. „Bis denn, Harry“, grinste Luca breit und winkte eifrig, während Syndia den Gryffindor schmunzelnd umarmte. „Pass auf dich auf“, sagte sie ihm und löste die Umarmung sogleich, um Harry in die Augen sehen zu können. „Wir werden uns bald wiedersehen, das verspreche ich dir.“ „Pass du auch auf dich auf“, erwiderte Harry und ließ seinen Blick unsicher über die Menge schweifen. „Severus ist also nicht hier?“, fragte er leise. „Er hasst Abschiede vor Publikum“, erklärte Syndia und deutete mit einer kleinen Kopfbewegung Richtung Bahnhofsgebäude. Fragend sah Harry dort herüber und entdeckte Severus halb hinter der Ecke versteckt an der Mauer lehnend. Seine Augen waren unentwegt auf Harry fixiert und als dieser ihn gefunden hatte, nickte er ihm ernst zu. Harry schluckte und nickte ebenfalls kurz unauffällig. „Ich geh mal davon aus, dass er dir bereits vernünftig Tschüss gesagt hat“, warf Syndia ihrem Bruder einen kurzen Blick zu. „Ja. Hat er“, nickte Harry und versuchte tapfer zu lächeln, doch Syndia durchschaute ihn sofort. Fürsorglich strich sie ihm durchs Haar. „Keine Sorge, es ist kein Abschied für immer. Das verspreche ich dir.“ „Dann musst du aber gut auf ihn achten“, erwiderte Harry ernst. Sanft lächelnd sagte Syndia: „Natürlich, mach dir da keine Sorgen. Wir werden uns alle spätestens an deinem Geburtstag wiedersehen.“ Harry zwang sich zu einem leichten Lächeln und nickte erneut. Es war aufbauend das von Syndia zu hören, aber er wusste auch, dass sie das nicht so einfach versprechen konnte, wie sie es gerade tat. Bis zu seinem Geburtstag war es noch etwas hin und bis dahin konnte viel passieren. Natürlich wusste Syndia, was Harry gerade dachte und lächelte ihn nur aufmunternd an. „Bis dann“, sagte sie abschließend und gab Harry einen Kuss auf die Stirn. „Ja. Bis dann“, erwiderte Harry leise und ging dann zu Ron und Hermine herüber, die an der Zugtür auf ihn warteten. Auch ihre Gesichter waren ernst und Harry wusste, dass ihnen die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen wie ihm. „Komm, wir suchen uns hier vorne ein Abteil“, schlug Hermine vor und zu dritt gingen sie ins nächstbeste Abteil, das noch leer war. Da viele Schüler von ihren Eltern abgeholt worden waren, war der Zug verhältnismäßig leer und sie fanden noch im selben Wagon ein Abteil für sich. Harry setzte sich stumm ans Fenster und sah auf den Bahnsteig hinaus. Sein Blick glitt wieder zum Gebäude, wo Severus noch immer unverändert stand und ihn beobachtete. Harry presste die Lippen aufeinander und hob dann zögerlich die Hand. Auch Severus machte eine kurze Geste zum Abschied, behielt ansonsten aber seine Maske auf. Seine Augen waren mal wieder unergründlich, aber irgendwie wusste Harry, dass es ihm nicht viel anders ging, als ihm selbst. Sie hatten so viel zusammen durchgestanden, hatten in diesem Jahr so viel Zeit miteinander verbracht... es schmerzte, dass sie sich nun für eine ganze Weile nicht mehr sehen würden. Und doch dachte Harry, dass es vielleicht notwendig war, mal auf Abstand zu kommen. Er für seinen Teil würde Schwierigkeiten damit haben, Severus so zu begegnen, als hätte er keine Gefühle für ihn, die über Freundschaft hinausgingen. Hoffentlich konnte Harry die Ferien nutzen, um sein eigenes Gefühlschaos ein wenig abzukühlen und sich eine gute Maske für den Orden aufzubauen. Die Ereignisse der letzten Monate zogen an Harrys innerem Auge vorbei und er hatte einen Flashback nach dem anderen. Es war kaum zu fassen, wie gut er Severus in dieser kurzen Zeit kennengelernt hatte, was er alles über ihn erfahren und was sie alles zusammen erlebt hatten. Sie waren sogar beide für den jeweils anderen gestorben, wer konnte bitte soetwas von sich behaupten? Oh Merlin, und sie hatten sogar schon beide zusammen unter der Dusche gestanden. Ein Schmunzeln huschte auf Harrys Gesicht, wofür Severus nur die Augenbraue hob, was Harrys Grinsen verbreiterte. Severus so in gewohnter Manier zu sehen, erwärmte irgendwie Harrys Herz. Ja, er würde Severus vermissen, sehr sogar. Die Türen schlossen sich mit einem lauten Knall und ein Ruck ging einmal durch den ganzen Zug, ehe er sich langsam in Bewegung setzte. Harrys Blick blieb dabei weiterhin an Severus geheftet, bis der Zug an Fahrt aufnahm und ihm die Sicht zum anderen versperrt wurde.                                 ... to be continued ...   FORTSETZUNG: https://www.animexx.de/fanfiction/387743/?js_back=1 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)