Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 71: Ein hemmungsloser Abend ----------------------------------- Mit klopfendem Herzen stand Harry vor der Bürotür des Tränkemeisters. Gedanklich ging er nochmal alle Sätze durch, die er sich zurechtgelegt hatte, doch er bezweifelte, dass es ihm helfen würde. Es kam immer anders als geplant, also wäre es wohl besser einfach ins kalte Wasser zu springen. Zögerlich hob er die Hand und klopfte dann energisch an. Keine Antwort. Wieder klopfte er, doch im Büro war nichts zu hören. Unsicher sah Harry den Flur hinunter. Was nun? Er konnte nicht einfach gehen, er musste das klären. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und öffnete die Tür. Vorsichtig lugte er in den Raum, doch hier war niemand. Es brannte nicht einmal ein Feuer im Kamin. Noch immer glitzerten die Scherben der Gläser auf dem Boden und das Regal rechts von ihm war mit allerlei Froschorganen und Flubberwurm vollgesaut. „Severus?“, rief Harry, doch es war keine Antwort zu hören. Langsam schloss Harry die Tür hinter sich und huschte im Dunkeln zur nächsten Tür. Wieder klopfte er an und tatsächlich war ein brummendes „Nein“ zu vernehmen. Der Gryffindor atmete noch einmal durch und öffnete dann die Tür. Sie führte in die Privaträume des Tränkemeisters und Harry fand sich als erstes im Wohnzimmer wieder. Sein Blick huschte über den flackernden Kamin neben sich, über die Bücherregale... und zum Sofa, auf dem ein ziemlich mitgenommen aussehender Slytherin saß. „Was ist an Nein so schwer zu verstehen?!“, zischte er boshaft, allerdings mit weniger Kraft, als gewollt. Harrys Blick fiel auf das Whiskyglas in Severus' Hand und dann zu der Flasche auf dem Tisch, die schon zu dreiviertel leer war. „Sag mir nicht, dass die heute Nachmittag noch voll war“, nickte der Gryffindor besorgt zur Flasche. Verächtlich schnaubend antwortete der Slytherin: „Ich wüsste nicht, was dich das anginge.“ Harry seufzte auf und schloss die Tür hinter sich, wofür er sofort wieder angefahren wurde. „Du hast in meinen Privaträumen nichts zu suchen, Potter! Raus!“ Ruhig antwortete Harry: „Nicht, bevor ich nicht das gesagt habe, was ich dir zu sagen habe.“ „Ich will aber nichts von dir hören!“ Mit einem verachtenden Blick sah Severus zum anderen herüber. Harry konnte genau sehen, was für ein Chaos sich im Slytherin abspielte, da seine Augen ihn verrieten. Er war nicht nur wütend, sondern auch verletzt und das stachelte Harrys Schuldgefühle weiter an. „Ich habe dir kein Veritaserum gegeben“, versuchte Harry so aufrichtig wie möglich zu klingen, doch Severus schnaubte nur verächtlich. „Wer sollte es denn deiner Meinung nach sonst getan...“ „Luca war es.“ Überrascht hielt Severus inne. „Was?!“ „Er hat mitbekommen, dass wir uns gestritten haben und er wusste, dass es darum ging, dass du nicht ehrlich zu mir sein wolltest. Mit dem Veritaserum wollte er uns helfen uns zu vertragen.“ „Und das soll ich dir glauben, ja?!“ „Es ist die Wahrheit!“ Stur starrten sich die beiden an, bis Severus irgendwann aufgab und seufzend einen weiteren Schluck Feuerwhisky trank. „Schön, dann hast du ja jetzt gesagt, was du sagen wolltest. Dann kannst du endlich verschwinden!“, sagte Severus ohne den anderen anzusehen. „Ich bin aber noch nicht fertig“, blieb Harry stur. „Hast du mich heute nicht schon genug gequält?!“, rief Severus aus und bei seinem Blick hätte Harry tatsächlich fast nachgegeben. Unsicher trat der Gryffindor ein paar Schritte weiter in den Raum und sah mit einem Anflug von Trauer, wie Severus unbehaglich wurde. Kurz vor dem Sofa blieb Harry stehen. „Es tut mir Leid, dass ich dich so ausgefragt habe. Hätte ich gewusst, dass Veritaserum im Glas war, wäre ich gar nicht so weit gegangen. Und... ich will, dass du weißt, dass dein Geheimnis bei mir sicher ist. Ich werde es niemals irgendwem erzählen, das schwöre ich dir.“ Eine kurze Stille entstand, bevor Severus den Blick senkte und mit kratziger Stimme antwortete: „Das will ich dir auch geraten haben.“ Hilflos stand Harry da. Was sollte er jetzt tun? Er konnte Severus doch nicht einfach so da sitzen lassen. Dass Severus ihn noch nicht achtkantig rausgeworfen hatte, war wohl dem Whisky zu verdanken, denn der schien ihm sämtliche Kraft für eine wütende Reaktion zu nehmen. Stattdessen konnte der Slytherin nur zeigen, was sich hinter der Wut versteckte, nämlich Enttäuschung und Verletzlichkeit. Verdammt, dabei war Harry doch so schlecht im Trösten! Würde Severus sich überhaupt trösten lassen? Der Gryffindor gab sich einen Ruck und setzte sich neben den anderen aufs Sofa, was sofort wieder für Proteste sorgte. „Was willst du eigentlich noch hier? Müsstest du dich nicht langsam genug an meinem Leid ergötzt haben? Wird es dir nicht langsam zu langweilig, mir ständig eins reinzuwürgen?“ „Wer würgt hier bitte wem ständig was rein?“, spottete Harry schnaubend, ehe er versöhnlicher fortsetzte: „Und nein, es bereitet mir keinerlei Freude dich leiden zu sehen und das müsstest du eigentlich auch wissen.“ „Seltsam. Dann erkläre mir mal bitte, warum immer du Schuld an meiner miesen Laune bist!“, giftete Severus ungehindert weiter. „Zugegeben, wir haben ein gewisses Talent dafür, uns ständig in die Haare zu kriegen. Aber ich würde dir nie absichtlich wehtun wollen.“ „Tse, ja sicher“, murrte Severus und strich sich erschöpft über die Augen. „Es ist so“, blieb Harry stur. „Sonst wäre ich doch wohl kaum zurückgekommen, oder? Ich hätte jetzt niemals ruhigen Gewissens schlafen gehen können, ohne vorher nochmal nach dir zu sehen.“ Schnaubend hob Severus den Blick und sah ebenso stur zurück. „Soll ich mich jetzt etwa geehrt fühlen?“ „Nein. Du sollst nur endlich begreifen, dass es mir wirklich Leid tut“, erwiderte Harry ruhig, ohne den Blickkontakt zu brechen. „Ich wusste nichts von dem Veritaserum. Ich hatte nur... wissen wollen, warum du schon wieder so abweisend zu mir warst und... bin vielleicht ein wenig zu forsch vorgegangen. Ich hätte nicht so kopflos reagieren sollen, dann hätte ich sicherlich gemerkt, dass etwas nicht stimmt.“ Skeptisch zog Severus eine Augenbraue hoch. „Du gibst freiwillig zu, dass du in einer Diskussion zu weit gegangen bist? Dass du nicht hättest so stur sein dürfen?“ „Ich muss zugeben, das ist Premiere“, schmunzelte Harry leicht. „Aber das unterstreicht umso mehr, wie ernst es mir ist. Ich wollte dir nicht zu nahe treten und dir erst recht nicht wehtun, Severus.“ Eine ganze Weile sahen sie sich einfach nur an. Severus schien in Harrys Augen lesen zu wollen, wie ehrlich er seine Worte wirklich meinte und als er auch nach längerem Starren keinerlei Zweifel beim anderen erkennen konnte, gab er sich geschlagen. Lautlos seufzend gab er seine Angriffshaltung auf und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Also schön, Entschuldigung angenommen. Dann kannst du ja jetzt gehen.“ „Und dich so alleine lassen?“, zog Harry zweifelnd die Augenbrauen hoch. „Lieber bleibe ich hier und... helfe dir.“ Severus lachte humorlos auf. „Mir ist nicht mehr zu helfen.“ Seufzend lehnte er sich zurück und starrte an die Decke. Sein Blick war glasig und er wirkte irgendwie abgekämpft. „Ich kann wenigstens dafür sorgen, dass du hier nicht alleine mit deinem Alkohol sitzt“, nickte Harry zur Flasche herüber. „Ich bin es gewohnt allein zu sein.“ „Was nicht heißt, dass es war gutes ist.“ Zögerlich ergänzte Harry: „Du musst nicht mehr allein sein.“ Wieder huschte der Blick des Slytherins zum anderen. Es war zu erkennen, dass er wieder irgendeinen bissigen Kommentar abgeben wollte, doch entweder fiel ihm keiner ein oder er brachte es nicht über sich. Vielleicht sogar beides. Auch Harry wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Er konnte dem Blick des anderen nicht mehr standhalten und so sah er sich ein wenig im Raum um. Es war so typisch Severus, dass sämtliche Wände bis zur Decke hoch mit Bücherregalen vollgestellt waren. Nur die Vitrine und ein weiterer Schrank hatten die Ehre, ebenfalls einen Platz an der Wand erhalten zu haben. „Du hast die aber nicht alle gelesen, oder?“, runzelte Harry die Stirn. „In der Welt der Zauberer gibt es keinen Fernseher. Was also denkst du?“, kam die murrende, aber irgendwie auch schwache Antwort. Endlich traute Harry sich wieder, den anderen anzusehen. Severus versuchte zwar genauso bissig zu sein wie sonst, aber irgendwie gelang ihm das nicht so richtig. Lag es am Alkohol? Zu Harrys Verwunderung ergänzte Severus ruhig: „Zu Hause gab es zwar einen Fernseher, aber ich habe mich selten in der Wohnstube aufgehalten. Ich habe es so gut wie möglich vermieden.“ Stumm nickte Harry, auch wenn er vollkommen geplättet war von dieser Offenheit. „Bei den Dursleys konnte ich auch nur fernsehen, wenn ich alleine zu Hause war. Zumindest sobald ich herausgefunden hatte, wie ich die Kabel anschließen musste, weil Onkel Vernon sie vorsichtshalber immer herauszog.“ Es schien komischerweise zu helfen die Kommunikation aufrechtzuerhalten, wenn Harry soetwas erzählte, denn Severus spottete nicht oder verzog das Gesicht, wie er es normalerweise getan hätte. Also erzählte Harry weiter: „Einmal habe ich vergessen die Kabel wieder herauszuziehen und von da an zog Onkel Vernon es vor, mich im Zimmer einzuschließen, wenn sie fort mussten. Genauso wie er eine ganze Zeit lang ein Vorhängeschloss am Kühlschrank anbrachte, nachdem er bemerkte, dass ich mich am Aufschnitt bedient hatte.“ Eine kurze Pause entstand, in der beide vor sich hinstarrten. Schließlich sagte Severus: „Ich schätze über sowas kann ich mich nicht beklagen. Unsere Mutter hat sich immer für uns eingesetzt, auch wenn das hieß, dass sie damit selbst zur Zielscheibe wurde. Ich begreife bis heute nicht, warum sie nicht einfach die Scheidung eingereicht hatte.“ Severus nahm einen großen Schluck Whisky, während Harry sich inzwischen so auf dem Sofa gedreht hatte, dass er den anderen besser ansehen konnte. „Vielleicht wollte sie euch damit nicht schaden“, schlug Harry vor. „Sie hat uns mehr damit geschadet, ihn nicht zu verlassen“, erwiderte Severus dunkel. „Und als sie starb...“ Severus' Blick wurde mit einem mal leer. „Als sie starb, war ich alleine mit ihm.“ „Syndia war schon in den USA“, stellte Harry mehr fest, als das er fragte. „Ja.“ Severus setzte sich wieder aufrechter hin und begann sein Glas in den Händen zu drehen. „Während ich in Hogwarts war, hatte mein Vater jede Menge Zeit, um seine Wut anzustauen. Er hatte immer meine Mutter da gehabt, an der er alles auslassen konnte, aber dann war da plötzlich niemand mehr zum abreagieren.“ Severus beugte sich so vor, dass seine Haare sein Gesicht verbargen und Harry versuchte gar nicht erst, sich anders hinzusetzen, um es wieder sehen zu können. Denn sein Gefühl sagte ihm, dass Severus das absichtlich tat. „Und als ich dann in den letzten Sommerferien zurückkam....“, Severus stockte. Harry hätte ihm gerne geholfen, doch er hatte keine Ahnung wie. Also wartete er nur ab. Inzwischen spielte der Slytherin immer mehr mit dem Glas. „Es war zwar nicht das erste Mal, dass ihm die Hand ausrutschte, aber inzwischen war sein Alkoholkonsum so gestiegen, dass er wahrscheinlich gar nicht mehr merkte, wie oft er auf mich eindreschte. Ich versuchte nur, ihm so gut wie möglich aus dem Weg zu gehen. Irgendwann kam ich sogar nur noch zum Übernachten nach Hause oder um nach Post von Ric zu sehen.“ Ric? Harry wurde hellhörig, doch er fragte nicht nach. Nach all seinen Erlebnissen mit Voldemort, wusste er zu genau, dass er den anderen jetzt nicht beim Erzählen unterbrechen durfte, sonst würde er es nicht schaffen weiterzuerzählen. „Tja, und dann irgendwann...“, seufzte Severus, lehnte sich zurück und trank einen Schluck. Sein Blick ging inzwischen nur noch ins Leere. „Irgendwann reichten ihm die Schläge nicht mehr. Er sagte... er müsse mir wohl meine aufmüpfige Art anders austreiben. Er schlug mir den Zauberstab aus der Hand, also konnte ich mich nicht mehr wehren.“ Der Gryffindor bemühte sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Ein Teil von ihm wollte gar nicht wissen, wie es weiterging, aber es war wichtig, dass Severus endlich darüber sprach. „Als er... mit mir fertig war, sperrte er mich in meinem Zimmer ein, meinen Zauberstab hatte er natürlich mitgenommen. Irgendwann schaffte ich es, die Tür aufzubrechen und ich packte meine Sachen, stahl meinen Zauberstab zurück und floh aus dem Haus. Es war schon spät am Abend und es goss in Strömen, aber ich wollte einfach nur noch weg.“ Der Slytherin spielte inzwischen so viel am Glas herum, dass Harry Angst hatte, er würde den Whisky verschütten und so legte er, ohne darüber vorher nachzudenken, seine Hand auf die von Severus. Sofort hielten dessen Hände inne und es wirkte, als würde er aus seinen Gedanken herausgerissen werden. Kurz huschte sein Blick zu Harry, dann beugte er sich vor und stellte das Glas auf den Tisch, wobei Harry seine Hand löste. So vorgebeugt blieb Severus sitzen und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Wo bist du hingegangen?“, fragte Harry vorsichtig nach. „Zu Lily natürlich“, antwortete Severus wieder deutlich gefasster. „Ich muss weg. Muss zu Lily.“ 'Also doch.', schloss Harry kurz die Augen, als ihm bewusst wurde, dass Severus damals im Krankenflügel tatsächlich von diesem Abend halluziniert hatte. „Ohne Fragen zu stellen hatte ihre Mutter erlaubt, dass ich die restlichen Ferien bei ihnen bleibe. Naja, ihr werden die blauen Flecke wohl kaum entgangen sein.“ „Aber sie wussten nicht genau, was passiert war?“, runzelte Harry verwundert die Stirn. „Nein, ich hatte mich so gut es ging zusammengerissen, damit keiner Verdacht schöpfte. Irgendwann konnte ich Lily aber nichts mehr vormachen. Oder eher gesagt Ric.“ Wieder dieser Name. Harry schluckte und fühlte sich hin und hergerissen. Sollte er fragen oder nicht? Severus warf dem Gryffindor einen Blick zu und sofort fühlte sich dieser ertappt. Doch Severus beantwortete ohnehin die Frage, als er weitererzählte: „Als ich wieder nach Hogwarts kam, wurde mir schnell klar, dass ich meine Beziehung zu ihm unmöglich aufrechterhalten konnte. Ich zog mich immer mehr zurück, konnte seine Nähe nicht mehr ertragen und das hat letztendlich alles kaputt gemacht. Ric hatte sich bei Lily ausgeheult und die hat mich solange ausgefragt, bis ich eingeknickt bin. Sie musste mir allerdings schwören, es niemandem zu erzählen, auch nicht Ric, also endete das Ganze damit, dass ich mit ihm Schluss gemacht hab.“ Harry senkte den Blick. Es war unfassbar, wie unfair das Leben sein konnte. Wie sehr ein einziger Moment das Leben ruinieren konnte. „Vielleicht...“, zögerte Severus und sprach mehr zu sich selbst als zu Harry, „wäre das anders ausgegangen, wenn ich... wenn wir bereits im Bett gelandet wären. Wer weiß, vielleicht hätte ich dann differenzieren können... aber so hatte ich eben nur diese eine Erfahrung. Nur weil ich Idiot immer Schiss hatte, dass wir von irgendwem erwischt werden könnten. Aber ich konnte ja auch nicht ahnen, dass ich... dass es ab dem Sommer...“ Es zerriss Harry förmlich das Herz. Ohne nachzudenken, wanderte seine Hand auf Severus' Rücken und er legte sogar sein Kinn auf seinem Schulterblatt ab. Erstaunlicherweise wehrte Severus ihn nicht ab, sondern schmunzelte nur etwas bitter. „Ich kann Mitleid nicht ausstehen, weißt du“, sagte er so neutral, dass es schon gar nicht mehr böse klang. „Ich weiß“, antwortete Harry schlicht und machte keinerlei Anstalten, seine Haltung aufzugeben. „Ist es... immer noch deine einzige Erfahrung?“ „So weit, ja“, murmelte Severus. „Es gab natürlich den ein oder anderen Mann, auf den ich mich eingelassen habe, aber das konnte ich nur, indem ich für mich selbst eine Regel aufstellte: Bis zum Gürtel und nicht weiter. Das hat gut funktioniert und irgendwie... habe ich das beibehalten.“ „Also... ein Stück weit doch Gewohnheit“, traute Harry sich zu fragen und er erhielt tatsächlich ein zögerliches Nicken. „Ja, ich schätze schon“, hauchte Severus. „Inzwischen ein ziemlich weites Stück weit sogar... denke ich. Wenn man so eine Regel 20 Jahre lang durchzieht, ist es schwer, sie wieder abzulegen.“ Severus griff wieder nach dem Glas und trank. Harry hingegen fiel ins Grübeln. Zögerlich fragte er: „Hast du denn... immernoch Angst davor weiterzugehen?“ Ein skeptischer Blick mit hochgezogener Augenbraue wurde ihm zugeworfen und sofort ruderte Harry zurück: „Keine Sorge, ich werde dir nicht zu nahe treten.“ „Das sagst du, während du deinen Kopf an meinen Rücken lehnst“, spottete Severus und Harry konnte ein Grinsen nicht verhindern. „Einem Gryffindor kannst du vertrauen“, säuselte Harry frech, ehe er wieder ernst wurde. „Also, hast du?“ Der Slytherin überlegte kurz. „Keine Ahnung, ich habe das für mich eigentlich nie wieder zum Thema gemacht. Ich hatte meine Regeln und damit konnte ich gut leben.“ Zweifelnd runzelte Harry die Stirn. Er konnte sich nicht vorstellen, dass jemand jahrelang keinen Gedanken an Sex verschwenden würde. „Hast du nie... ich meine...“ Nun fiel Harry doch ins Stottern und glaubte sogar rot zu werden. „Irgendwann... staut sich doch einiges... ich meine...“ Augenverdrehend stellte Severus das Glas weg. „Irgendwann sollten wir das Thema mal beenden, meinst du nicht?“ Harry biss sich verlegen auf die Lippe und da Severus sich wieder aufrichtete, löste er sich vom Slytherin. „Ja... hast vielleicht Recht.“ „Dass ich es nochmal erleben darf, dass du mir Recht gibst“, grummelte Severus und erhob sich. Mehr schlecht als recht. Stirnrunzelnd behielt Harry den anderen im Auge, der zwar vom Sprechen her nicht sonderlich alkoholisiert gewirkt hatte, aber nun im Stehen leicht schwankte. „Kein Kommentar von dir“, brummte der Slytherin und ging etwas wackelig auf eine weitere Tür zu. Harry sah ihm prüfend nach. Severus machte im nächsten Raum Licht und ließ die Tür offen stehen, als er hineintrat. Bei seinem Gang hielt es Harry nun doch für besser, wenn er wenigstens in der Nähe blieb, also erhob er sich und ging Richtung Tür. Es stellte sich heraus, dass der andere Raum das Badezimmer war, in dem Severus vor dem Waschbecken stand und sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Harry sah ihm dabei zu, wie er schließlich seine Haare nach hinten strich und sich abtrocknete. „Du bist viel zu neugierig, weißt du das“, kommentierte Severus nur seine Anwesenheit. „Einer muss ja auf dich aufpassen“, konterte Harry kokett und lehnte sich an den Türrahmen. Severus wollte schon etwas fieses antworten, als sein Blick auf die Phiole fiel, die am Spiegel lag. Langsam griff er nach ihr. „Oh verflucht.“ „Was?“, runzelte Harry die Stirn. Severus schien sich förmlich auf die Zunge zu beißen, während er die Phiole finster anstarrte. „Ich dachte, ich hätte sie genommen“, sagte er knapp und ließ die Phiole abfällig wieder auf der Ablage landen. „Verflucht nochmal.“ „Was ist denn das?“, war Harry noch immer verwirrt. Severus sah ihn an, schien mit seinen Worten zu kämpfen und gab dann zu: „Der Trank sollte verhindern, dass der Alkohol die Wirkung des Veritaserums verlängert.“ „Ähm...“, war Harry sprachlos. „Genau richtig, Potter“, knurrte Severus und seufzte schließlich auf. „Wenn du im Unterricht aufgepasst hättest, wüsstest du, dass Alkohol Veritaserum verlängert, zwar in abgeschwächter Form, aber zusätzlich wird die Hemmschwelle gesenkt. Also... mehr als normalerweise unter Alkoholeinfluss.“ Harry biss sich schuldbewusst auf die Lippe. Hieß das, Severus hatte ihm das alles vielleicht nur wegen dem Veritaserum erzählt? „Ich wusste nicht...“, wehrte er sofort ab, doch Severus unterbrach ihn. „Ist mir schon klar, Potter.“ Schleppend schob Severus sich am anderen vorbei und stolperte wieder Richtung Sofa, wo er sich humorlos auflachend fallen ließ. „Wenigstens hast du jetzt die Gewissheit, dass diese beschissene Geschichte tatsächlich mein beschissenes Leben ist.“ Es war das erste Mal, dass Harry Severus so grinsen sah und dieser Galgenhumor gefiel ihm ganz und gar nicht. Dunkel sagte Harry: „Wenn ich eines durch Voldemort gelernt habe, dann dass man sich nicht auf die Dinge fokussieren sollte, die einem das Leben versauen, sondern sich an die Momente erinnern sollte, die das Leben lebenswert machen.“ „Das mag ja sein“, grummelte Severus und starrte wieder zurückgelehnt an die Decke. „Nur leider gab es selten solche Momente in meinem Leben.“ Harry zog die Augenbrauen zusammen und fragte fast zu bissig: „Was ist mit meiner Mutter und mit Syndia? Waren die Erlebnisse mit ihnen etwa nichts wert?“ Severus seufzte auf, sah zu Harry herüber und wurde endlich wieder ernst. „Denkst du ernsthaft, ich würde in Selbstmitleid versinken, sodass du mir so eine Predigt halten musst?“ Harry zögerte. „Nein, das passt nicht zu dir.“ „Na also“, murrte Severus und ließ seinen Kopf wieder nach hinten fallen. „Manchmal muss man einfach über sein Leben lachen, um nicht verrückt zu werden. Das ist alles.“ Der Gryffindor musste zugeben, dass das gar nicht so verkehrt war. Auch er hatte solche Momente bereits erlebt. Seufzend setzte Harry sich in Bewegung und blieb unentschlossen neben dem Slytherin stehen, der die Augen geschlossen hatte. Er döste doch nicht gerade weg, oder? Zögerlich hob Harry seine Hand und strich Severus die Haare aus dem Gesicht, fühlte dabei über sein Stirn, als wolle er prüfen, ob der andere Fieber hatte. Und irgendwie hatte Harry auch das Gefühl, durch das Berühren von Severus' Gesicht feststellen zu können, ob es dem anderen wirklich gut ging. Der Slytherin öffnete die Augen ein Stück weit, schien sich nicht entscheiden zu können, ob er aufsehen sollte oder nicht. Harry zog seine Hand wieder weg und setzte sich seufzend neben den anderen, der ihn nun doch ansah. Sein Blick war nicht zu deuten, was den Gryffindor irgendwie nervös machte. Severus war so ruhig, was mochte nur in seinem Kopf vorgehen? Tatsächlich schien Severus etwas sagen zu wollen, doch er biss sich offenbar wortwörtlich auf die Zunge. Kurz war ihm die Unentschlossenheit anzusehen, ehe er den Kopf anhob und von Harry wegsah. „Vielleicht solltest du langsam gehen, bevor mich das Veritaserum noch irgendwas dummes sagen lässt“, sagte er und verzog sogleich das Gesicht, als er bemerkte, dass auch dieser Satz eine Dummheit war, die vom Veritaserum herrührte. Harry hingegen lächelte sanft, was der andere zum Glück nicht sah. Zu gerne hätte Harry gewusst, was Severus denn hatte sagen wollen, doch er wollte auf keinen Fall das Veritaserum ein weiteres Mal ausnutzen. „Ich gehe, sobald ich sicher sein kann, dass du es gefahrlos ins Bett geschafft hast.“ „Ich werde dich auf keinen Fall in mein Schlafzimmer lassen“, knurrte Severus gefährlich, doch Harry zog nur spöttisch die Augenbrauen hoch. „Dann haben wir wohl ein Problem. Ich werde nicht gehen, wenn noch die Möglichkeit besteht, dass du noch mehr trinkst oder du auf dem Weg ins Bett auf die Schnauze fliegst oder vielleicht sogar gar nicht erst ins Bett gehst.“ „Ich kann doch wohl auf mich selbst aufpassen“, zischte der Slytherin abwehrend, aber Harry ließ nicht locker. „Mir würde das sonst keine Ruhe lassen.“ Das Gesicht verziehend ächzte Severus: „Verschone mich bitte mit deinem bescheuerten Heldenkomplex.“ „Tut mir Leid, aber es ist wie ein Zwang“, zuckte Harry lässig mit den Schultern. Der Slytherin brummte verstimmt und schielte böse zu Harry herüber, der weiterhin unschuldig dreinsah. Schließlich sah Severus wieder weg und brummte: „Dickkopf.“ „Ich glaube, du bist da schlimmer.“ „Keiner ist schlimmer als Harry Potter.“ „Kommt drauf an auf was es sich bezieht“, erwiderte Harry immernoch locker und zog ein Bein aufs Sofa, um seine Hände am Knie zu verschränken. Ächzend drehte Severus seinen Kopf zu Harry herum und sagte: „Wie wäre es mit Sturheit, Neugierde, Verplantheit, Besserwisserei, Frechheit...“ „Du bist viel sturer und besserwisserischer als ich“, fiel Harry dem anderen ins Wort, weswegen Severus die Augen zu Schlitzen werden ließ. „Ich bin nicht besserwisch-... besscher-... ach Kacke“, ächzte Severus und legte seinen Arm über seine Stirn, während Harry anfing zu lachen. „Der Alkohol scheint dein Sprachzentrum ja doch anzugreifen, was?“, grinste Harry spitzbübisch. „Klappe!“, kam die beleidigte Antwort, wofür er ein weiteres Kichern kassierte. „Wenn du wüsstest, wie wackelig dein Gang aussieht, würdest du verstehen, warum ich nicht gehen will.“ „Jaja, ich hab's ja kapiert“, brummte der Slytherin und strich sich erschöpft übers Gesicht. „Wirklich fit siehst du wirklich nicht mehr aus“, sagte Harry wieder eine Spur besorgter. „Könnte daran liegen, dass ich nicht sonderlich fit bin“, spottete Severus. „Dann mach dich doch lang“, schlug Harry vor, erhob sich und sah den anderen auffordernd an. Der erwiderte seinen Blick noch kurz skeptisch, ehe er sich grummelnd aufs Sofa legte. Harry schwang seinen Zauberstab, um alle Lichtquellen, bis auf den Kamin, zu löschen und beschwor dann Kissen und Decke herbei. Sorgfältig deckte er den Slytherin zu, der ihn durch seine halboffenen Augen beobachtete. „Ausgerechnet heute kann ich keinen Traumlostrank nehmen“, flüsterte Severus bedauernd. „Zu viel Alkohol dafür.“ Harry warf ihm einen mitleidigen Blick zu und schlug vor: „Ich könnte noch eine Weile Wache halten. Ich weiß nicht, inwieweit du deinen Schlaf inzwischen im Griff hast, aber vielleicht hilft das noch.“ Überlegend sah Severus zu Harry hoch, ehe er schließlich nickte. Harry wollte sich gerade aufrichten und zum Sessel gehen, als Severus eine Hand an seine Hüfte legte und ihn bestimmt Richtung Sofa drückte. „Was...“, setzte Harry verwirrt an, eher er zwischen Sofalehne und Severus landete und damit halb auf ihm saß. „Klappe“, murmelte Severus, wanderte mit der Hand zu Harrys Schulter hoch und machte ihm deutlich, dass er sich hinlegen sollte. Verwirrt gab Harry nach und kam schließlich neben dem anderen zum Liegen, der sich ein Stück weit zu ihm umdrehte und bereits die Augen schloss. Das Sofa war gerade mal breit genug, dass Severus auf dem Rücken und Harry auf der Seite liegen konnte und so kam es, dass ihre Gesichter sich in der Position fast berührten. Noch immer vollkommen perplex starrte Harry den anderen an, der in aller Ruhe dalag und schon fast weggedöst war. Sein Atem strich warm und sanft über Harrys Wange und der Gryffindor schluckte. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er konnte einfach nicht aufhören den anderen anzustarren. Das war doch jetzt nicht wirklich sein ernst?! Severus strahlte eine tiefe Ruhe aus und sein Gesicht wirkte so entspannt, dass auch Harry nicht anders konnte, als sich langsam zu beruhigen. Was natürlich nicht hieß, dass sein Herz sich beruhigte, nein, das war fröhlich damit beschäftigt, so laut zu schlagen, dass man es wahrscheinlich sogar noch in der hintersten Ecke des Raumes hören konnte. Langsam ergab Harry sich seinem Schicksal und gab seine angespannte Haltung Stück für Stück auf. Schließlich traute er sich, seine Beine herüberzuziehen und sogar seinen Arm locker über Severus' Seite zu legen. Die Wimpern des Slytherins zuckten leicht und Harry betrachtete sie, sowie jeden Zentimeter von Severus' Gesicht. Im Krankenflügel hatte Severus noch dunkle Ringe unter den Augen gehabt, doch die waren jetzt verschwunden und allgemein sah er viel gesünder aus, als letztes Mal. Seine Haut sah in dem sanften Licht so zart und rein aus. Überlegend biss Harry sich auf die Lippe. Wie tief mochte Severus schon schlafen? Der Falte zwischen seinen Brauen nach zu urteilen, war er schon ganz gut weggedöst. Würde er es merken, wenn er ihn berühren würde? Vorsichtig hob Harry seinen Arm an und strich nach kurzem Zögern federleicht über Severus' Wange. Als dieser keine Reaktion zeigte, ließ Harry seine Finger weiterwandern. Er strich über die Stirn, zeichnete eine Augenbraue nach, wanderte von der Schläfe zum Kinn herunter... und berührte schließlich etwas zittrig die Unterlippe. Harry schluckte trocken und glaubte, sein Herz würde ihm aus der Brust springen. Etwas mutiger geworden, strich er nun mit dem Daumen die Unterlippe entlang, bis Severus den Mund bewegte und sich kurz auf die Unterlippe biss. Erschrocken zog Harry seine Hand zurück und ließ seinen Arm wieder auf Severus' Seite sinken. Nach dieser kurzen Bewegung regte sich der Slytherin nicht mehr und schlief seelenruhig weiter, was Harry wieder beruhigte. Was trieb er hier eigentlich?! Er konnte hier doch nicht einfach so liegen bleiben. Aber wenn er aufstehen würde, würde Severus mit Sicherheit aufwachen. Er musste wohl warten, bis der andere fest genug schlief, um nichts mehr mitzubekommen. Viele Minuten vergingen, in denen Harry den anderen weiterhin musterte. Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich auf das Gefühl von Severus' Atem auf seiner Haut... bis er schließlich selbst einschlief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)