Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 54: Sehnsucht --------------------- „Harry Potter, Sir?“ Verwundert wandte Harry sich um. Er saß im Jungenschlafsaal, mit dem Kräuterkundebuch in der Hand. Seine Klassenkameraden hatten noch die letzte Stunde Unterricht, weswegen er alleine war... hatte er zumindest gedacht. Doch neben seinem Bett stand auf einmal Dobby und sah ihn mit seinen großen Kulleraugen an. „Dobby“, erschreckte er sich und legte das Buch beiseite. „Wie kommt es, dass ich dich nicht habe kommen hören?“ „Dobby hat sich heraufgeschlichen, Sir. Wollte nicht auffallen“, erzählte Dobby stolz. „Dobby ist hier, um Bericht zu erstatten, Sir.“ Stirnrunzelnd fragte Harry: „Bericht erstatten?“ „Ja, Harry Potter, Sir. Darüber, was Malfoy im Schilde führt, Sir“, nickte Dobby, sodass ihm die Ohren schlackerten. Da ging Harry ein Licht auf. „Achja, richtig. Und? Hast du etwas herausgefunden?“ „Nicht viel, Sir“, spielte Dobby bedrückt an seinen Sachen herum. „Dobby weiß wo er hingeht, aber nicht, was er macht.“ Dennoch gespannt fragte Harry: „Und wo geht er hin?“ „In den Raum, der sich in alles verwandelt, was man will“, nickte Dobby eifrig. „Aber Dobby konnte den Raum nicht betreten und weiß deshalb nicht, was der junge Herr Malfoy dort macht, Harry Potter Sir.“ „Im Raum der Wünsche?“, murmelte Harry mehr zu sich selbst. Wieder nickte Dobby. „Ja, ja, so nennen ihn einige, Sir.“ „Aber was macht er da drin?“, überlegte Harry weiter. „Dobby weiß es nicht, Sir“, wiederholte der Hauself geknickt und wurde immer trauriger. „Dobby hat den jungen Malfoy wochenlang beobachtet, auch als Sie verschwunden waren, Harry Potter. Dobby wollte...“ Der Hauself klang immer weinerlicher, was Harry dazu brachte, seine Gedanken über Malfoy beiseite zu schieben und den Hauselfen wieder zu beachten. Erschrocken stellte er fest, dass der Elf Tränen in den Augen hatte. „Dobby konnte nicht glauben, dass Harry Potter... dass er nicht mehr wiederkommen sollte“, jammerte der Elf. „Er war an einem Ort, wo Dobby ihm nicht helfen konnte. Aber Dobby hatte sich doch vorgenommen... Harry Potter zu schützen.“ Gerührt sah Harry auf den Elfen hinab. Selbst der Hauself hatte um ihn getrauert. „Es ist alles gut, Dobby“, tröstete er ihn und versuchte aufmunternd zu lächeln. „Ich bin ja wieder da, mir ist nichts passiert. Außerdem hast du mir geholfen.“ Verwundert sah Dobby auf. „Sir?“ „Ja“, nickte Harry aufmunternd. „Mit deiner Hilfe habe ich das Tor öffnen können.“ Noch immer verstand der Hauself nicht. „Aber wie soll Dobby...? Sir, wie soll Dobby Ihnen da geholfen haben? Dobby war doch die ganze Zeit hier.“ „Aber ich habe mich an etwas erinnert und das hat mir geholfen“, erklärte Harry weiter. „Harry Potter hat sich an Dobby erinnert?“, bekam der Elf große Augen. „Ja. Das hat geholfen.“ Ein Strahlen war in Dobby Augen zu sehen, ehe er hemmungslos anfing zu weinen. Er machte einen Satz nach vorne, was Harry erneut erschreckte, und klammerte sich an Harrys Bein. „Harry Potter, Sir. Harry P-Potter... Ihr seid so g-gutherzig... S-Selbst wenn Ihr in G-Gefahr seid, d-denkt Ihr an... an Dobby. Ihr seid zu gutherzig, so gutherzig.“ „Ist ja gut, Dobby“, lächelte Harry verlegen und tätschelte Dobby unbeholfen. „Versuchen wir lieber zusammen herauszufinden, was Malfoy im Raum der Wünsche treibt, ja?“ Tapfer sah Dobby auf und versuchte sich zusammenzureißen. Mit Schluckauf nickte er und sagte: „I-Ist gut, Harry P-Potter, Sir.“   Es war so eine ruhige Nacht. Nicht einmal der Wind schien zu flüstern. Entspannt spazierte Harry im Dunkeln über die Ländereien und betrachtete den sternenklaren Himmel. Es war kein Mond zu sehen und so war die Nacht so dunkel, dass man das gesamte Sternenmeer wunderbar beobachten konnte. Schon unglaublich, wie unbedeutend man sich vorkam, wenn man so weit ins Weltall blicken konnte. Jeder Stern war ein anderes Sonnensystem, das womöglich größer war als das eigene... das war einfach unmöglich zu fassen. Diese Weite, diese Größe. Harry hatte den See einmal umrundet und überlegte nun, ob er nicht noch einmal versuchen sollte eine Runde zu schlafen. Langsam schlenderte er Richtung Schloss zurück und sah weiterhin hoch zum Himmel. Das Schloss war zudem so gewaltig, dass die höchsten Türme im Nachthimmel zu verschwinden schienen. Harrys Blick wanderte zum Astronomieturm, doch ob sich da oben jemand befand, konnte man von hier unten bei der Dunkelheit nicht sehen. Zögerlich griff er nach der Karte des Rumtreibers und blätterte zum Astronomieturm. Tatsächlich, Severus saß da oben. Sein Blick wanderte wieder zum Turm, doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte den Slytherin nicht sehen. Und wie war es andersherum? Konnte Severus ihn vielleicht sehen? Gedankenversunken sah der Gryffindor einfach nur zum Turm hinauf. Sollte er zu ihm gehen? Nach dem Kuss war das wahrscheinlich eher unklug, andererseits hatte der Slytherin sich den Platz doch nicht grundlos ausgesucht. Er wusste ganz genau, dass Harry dort jederzeit auftauchen könnte. Wenn er ihn also nicht sehen wollte, würde er gar nicht erst da oben sitzen, oder? Reglos stand Harry da und haderte mit sich selbst. Sollte er oder sollte er nicht? Vielleicht wollte Severus ja sogar mit ihm reden. Er hatte letztes Mal schon das Gespräch mit ihm gesucht und Harry hatte sich eigentlich vorgenommen, ihm öfter die Gelegenheit dazu zu geben. Er hatte ein Auge auf den Slytherin haben wollen und jetzt wäre die Chance dazu. Andererseits stach es immer noch in Harrys Brust, wenn er an den Kuss zurückdachte. Severus hatte nochmal deutlich gemacht, dass er kein Interesse an ihm hatte. Nein, für Harry wäre es gesünder, wenn er nicht zu ihm gehen würde... wahrscheinlich. Dennoch war da dieser Wunsch ihn zu sehen, mit ihm da oben zu sitzen, am einzigen Ort, an dem Severus seine Maske fallen ließ. Das war die einzige Gelegenheit, bei der sie unter sich sein konnten. Energisch schüttelte Harry den Kopf. Diese ganzen Vorteile dachte sein Hirn sich doch gerade nur aus, weil er bei Severus sein wollte. Es wäre aber das beste, es erst einmal sein zu lassen. Entschlossen ging Harry zum Schlosstor, checkte vorher einmal die Karte des Rumtreibers und betrat dann unter seinem Tarnumhang die Eingangshalle. Leise schlich er die erste Treppe hinauf und atmete tief durch, als er oben angekommen war. Links ging es zum Astronomie- und rechts zum Gryffindorturm. Nach einigem Zögern riss Harry sich zusammen und bog nach rechts ab, fest entschlossen nicht noch einmal umzudrehen.   Diese Nacht war absolut schwarz und still. Severus saß oben auf der Mauer des Astronomieturmes, wie so häufig in letzter Zeit. Da nicht einmal die Eulen die absolute Stille durchbrachen und der Wind günstig stand, bekam Severus mit, wie das Eichentor geöffnet wurde. Das konnte nur Potter sein. Niemand sonst schlich um die Uhrzeit auf dem Gelände herum. Es war schon erstaunlich, wie gut sein Gehör war. Warum war ihm das nie vor Necrandolas aufgefallen? Gedankenversunken beobachtete der Slytherin die Wiese vor dem Tor, aber bei der Dunkelheit konnte man nichts erkennen. Dennoch betrachtete er den See und den Waldrand, falls er den Gryffindor doch noch entdecken sollte. Ob er wusste, dass er hier war? Sicherlich, Potter bekam doch alles mit. Es verging eine ganze Weile, fast eine Stunde, bis... Tatsächlich, da war ein schwaches Licht, mitten auf der Wiese. Das musste von Potters Zauberstab stammen. So schnell, wie dieser kleine Lichtfleck gekommen war, verschwand er auch wieder, doch zumindest wusste Severus jetzt ungefähr, wo der andere sich befand. Es dauerte einige Minuten, dann war das Knarren des Eichentores wieder zu vernehmen. Mit geschlossenen Augen lehnte Severus den Kopf zurück. Würde Potter jetzt hierher kommen, oder ging er zurück ins Bett? Der Slytherin hielt die Augen weiter geschlossen und konzentrierte sich auf sein Gehör, während er mit sich haderte. Wollte er, dass Potter her kam oder sollte er fortbleiben? Wie lange brauchte man wohl vom Tor zum Astronomieturm? Wie lange musste er warten, um sicher zu sein, dass Potter nicht kam? Die Minuten verstrichen und Severus war sich sicher, dass, wenn Potter auf dem Weg hierher war, er bald ankommen müsste. Warum schlug sein Herz auf einmal so kräftig? Verstohlen biss er sich auf die Unterlippe. Warum hatte er sich nur so schlecht unter Kontrolle, verdammt nochmal?! Es konnte doch wohl nicht angehen, dass er allein bei dem Gedanken an Potter nervös wurde! Es reichte schon, dass er sich dem Bengel gegenüber überhaupt nicht so verhielt, wie er es eigentlich wollte. Er hatte für sich einen Schlussstrich gezogen, wollte Potter genauso niedermachen und von sich fernhalten, wie früher. Aber jedes verdammte mal, wenn sie alleine waren, gehorchte ihm sein blödes Mundwerk nicht mehr und er sagte Dinge, die Potter überhaupt nichts angingen. Es war wie verhext! Und ja, er hatte tatsächlich schon überprüft, ob ihm nicht jemand einen Verwechslungszauber aufgehalst hatte. Umso wichtiger war es, das Potter hier nicht aufkreuzte. Vor allem nach seiner letzten Aktion wäre es besser so. Severus bezweifelte zwar, dass der Gryffindor auf den Kuss zu sprechen kommen würde, aber es würde trotzdem unausgesprochen im Raum stehen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Machte es Potter Spaß ihn immer wieder aus der Bahn zu werfen? Er hatte gesagt, er hatte was testen wollen. Etwa ob er sich darauf einlassen würde? Ob er wieder schwach werden würde? Hatte Potter vielleicht auch gemerkt, dass er sich in seiner Gegenwart nicht unter Kontrolle hatte und wollte das ausnutzen? Severus schnaubte leise. Er hatte diese Spielchen satt. Wenn Potter sich austoben wollte, sollte er sich gefälligst jemand anderen dafür suchen! Es gab sicherlich irgendeinen Trottel, der auf seine grünen, unschuldigen Augen hereinfiel, der sein verschmitztes Lächeln für niedlich hielt, der ihm seine Lügen abkaufte, inklusive seinem Kompliment, dass man schöne Augen hätte... Die Gedanken des Slytherins hielten inne und er öffnete langsam die Augen. Dieses Kompliment war Potter damals so schnell über die Lippen gekommen, dass er selbst davon überrascht worden war. Das sprach nicht gerade dafür, dass es gelogen war, oder? Aber selbst wenn das ehrlich gemeint war, Potter war so jung. In dem Alter verknallte man sich doch alle paar Wochen neu, nichts hält da für die Ewigkeit. Es hätte also so oder so keine Bedeutung, ob nun gelogen oder nicht. Und ebenso wenig hatte der Kuss etwas zu bedeuten. Das waren alles reine pubertäre Spielchen. Wenn Severus sich darauf einlassen würde, würde Potter nach wenigen Wochen die Lust dran verlieren und ihn fallen lassen. Abserviert von Potter, nein, das tat er sich bestimmt nicht an. Weitere Minuten verstrichen und Severus atmete durch. Wie es aussah, hatte Harry sich für den Gryffindorturm entschieden. Der Herzschlag des Slytherins beruhigte sich wieder, während sich ein seltsames Gefühl in ihm breit machte. War das etwa Enttäuschung? Grummelnd setzte Severus sich anders hin. Jetzt drehte er wohl völlig durch! Er ließ seinen Blick über den Wald schweifen und versuchte seine Gedanken an Potter fortzuwischen. Er lauschte erneut der Ruhe der Nacht und beruhigte damit auch seine Gedanken. Absolute Stille. Einfach nur perfekt. Obwohl, nein, etwas fehlte. Es fehlte momentan immer etwas, um abschalten zu können. Entnervt seufzte Severus auf. Sollte er sich in Zukunft nicht mehr entspannen können? Kein Auge mehr zu machen, wenn er den Schlaftrank in fünf Tagen komplett absetzte? Das war doch lächerlich! Er hatte das Leben als Todesser überstanden, er hatte seinen Vater ertragen und jetzt sollte ihm so ein blödes Labyrinth das Genick brechen?! Das konnte er doch nicht zulassen, das wollte er nicht zulassen! Außerdem, was Potter konnte, konnte er schon lange!   Genervt seufzend rieb Harry sich über die Augen. Er saß zusammen mit Hermine in der Bibliothek und versuchte immer noch den versäumten Stoff nachzuholen, doch besonders in Verwandlung war das nicht so einfach. Merlin sei Dank hatten sie dieses Schuljahr keine entscheidenden Prüfungen, sonst hätte er ernste Schwierigkeiten bekommen. Und so langsam sollte er auch wieder an allen Unterrichtsstunden teilnehmen, egal wie müde er noch immer war. Es wurde ihm zwar freigestellt, aber sonst würde der Berg an Aufgaben nie enden. „Wie wäre es, wenn du erst einmal mit Verteidigung weitermachst“, lugte Hermine besorgt hinter ihrem Buch hervor zu Harry. „Das müsste dir doch wesentlich leichter fallen.“ „Ich schiebe gerade deswegen Verteidigung vor mir her“, erklärte Harry und strich sich durch die Haare. „Da werde ich auch als letztes wieder zum Unterricht gehen, weil ich da keine Probleme haben werde den Anschluss wieder zu finden. Aber in Verwandlung und Zauberkunst muss ich noch so viel nachholen und kann es mir nicht leisten das auf die lange Bank zu schieben.“ „Du kannst aber auch nicht von dir erwarten, dass du den Stoff behältst, wenn du ihn dir den ganzen Tag über hineinprügelst. Vor allem nicht, wenn du so wenig Schlaf abbekommst“, erwiderte Hermine nur und wurde stirnrunzelnd vom Schwarzhaarigen angesehen. Skeptisch sagte er: „Ausgerechnet du willst mir sagen, dass ich zu viel lerne?“ Die junge Hexe verdrehte nur die Augen und verschwand dann wieder hinter ihrem Buch. Nach einer weiteren Stunde räumten sie die Bücher zusammen, um rechtzeitig zum Abendessen in der Großen Halle zu sein, wo Harry inzwischen kaum noch schief gemustert wurde. Sein letzter Wutausbruch lag lange zurück und so schienen die anderen endlich zu glauben, dass nichts interessantes mehr passieren würde. Dennoch konnten sie es nicht lassen, die regelmäßigen Artikel des Tagespropheten zu verschlingen, in denen immer wieder neue Informationen zu Necrandolas wiedergegeben wurden. Harry hatte sich davon nur zwei angesehen und dabei festgestellt, dass die Reporter jede kleine Aussage von Ministeriumsangestellten druckten und sie dabei verkleideten, als seien es große, wichtige Neuigkeiten, aber letztendlich war das alles nur heiße Luft und die Presse wusste rein gar nichts. Hermine und Harry setzten sich nebeneinander an den Gryffindortisch und füllten sich auf, während die Braunhaarige versuchte die Wirkung von Plagentinen zu erklären. „Wichtig ist, dass man sie bei Mondschein pflückt, damit sie später...“ Abrupt hielt Hermine inne und auch Harry vergaß kurzzeitig sein Essen. Ihm gegenüber setzte sich gerade Ron zögerlich und deutlich verlegen hin, immer wieder einen scheuen Blick zu seinen Freunden werfend. „Ähm... Hi“, sagte er unsicher und wurde zur Antwort nur angestarrt. „Ich... ähm... Harry, was ich...“ So sehr sich der Rothaarige auch bemühte, er fand keine richtigen Worte, doch seine Absicht war klar: Offenbar wollte er sich mit Harry aussprechen. Dieser saß nur ruhig da und sah Ron an. Er würde ihm nicht helfen, indem er das Wort ergriff. Nein, Ron musste schon von selbst mit einer Entschuldigung kommen. Auch dem Rotschopf schien aufzufallen, dass Harry nur darauf wartete, was er zu sagen hatte, und so seufzte er einmal tief auf, um sich zu sammeln und von vorne anzufangen. „Ich wollte... es war nicht fair, wie ich mich verhalten habe. Weißt du, es war einfach... ein komischer Gedanke für mich, dass du... naja, du weißt schon. Daran muss ich mich erstmal gewöhnen.“ „Ich werde dir schon nichts abgucken, Ron“, erwiderte Harry noch immer kühl. Nickend und mit hängenden Schultern antwortete der Weasley: „Ich weiß. Tut mir Leid. Ich brauche einfach etwas Zeit, um mich daran zu gewöhnen, okay? Eigentlich fand ich es viel schlimmer, dass du meintest... dass ausgerechnet Snape... das hat mich umgehauen. Das ist einfach...“ „Nicht normal“, beendete Harry seinen Satz knapp. „Ich weiß schon.“ Ron sah ziemlich bedröppelt drein und sank in sich zusammen, während er Harry mit seinem Blick stumm um Vergebung bat. „Du musst verstehen, ich...“, setzte er erneut zu einer Erklärung an, „ich kann das einfach nicht nachvollziehen, ich könnte nie...“ Der Rotschopf erschauderte bei seinen Gedanken, weshalb Harrys Blick schärfer wurde. „Du könntest dir nie vorstellen etwas an Männern zu finden, schon klar“, half der Grünäugige trocken aus und widmete sich seinem Essen. Zwar fand er es gut, dass Ron sich entschuldigen wollte, aber seine Worte wirkten nicht besonders beschwichtigend auf ihn. Aus Rons Mund klang das ganze immer noch nach etwas Abartigem und das regte Harry auf. „Nur weil du das nicht könntest, heißt das noch lange nicht, dass das abnormal ist, Ron“, schaltete sich Hermine dazu. „Es ist doch völlig egal auf was man steht. Ich verstehe nicht, warum immer so getan wird, als wäre ein Homosexueller an allem interessiert, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Jemand der hetero ist, so wie du, fällt doch auch nicht jede Frau an, die ihm über den Weg läuft. Warum sollten homosexuelle Männer das also bei Männern tun?“ „Naja“, wurde Ron wieder mutiger. „Heteromänner teilen auch nicht ihr Bad mit Frauen. Bei Gemeinschaftsduschen zum Beispiel, da kann ein Homo sich was bei den anderen Männern...“ „Es würde dich wesentlich weniger stören, wenn wir hier von Lesben reden würden, nicht wahr?“, warf Hermine dazwischen und verdattert sah Ron sie an. „Im Gegenteil, ihr Männer findet den Gedanken sogar geil, wenn Lesben mit anderen Frauen in eine Gemeinschaftsdusche gehen. Aber beim eigenen Geschlecht, da zieht ihr Grenzen und weißt du warum? Weil ihr es einfach nicht nachvollziehen könnt. Ihr könnt eine Lesbe verstehen, wenn sie auf Frauen steht, aber auf Männer zu stehen, das eben nicht.“ Stirnrunzelnd widersprach Ron: „Ich habe nie gesagt, dass ich nur ein Problem mit den Schwulen habe...“ „Oh, du verurteilst auch Lesben?“, unterbrach Hermine ihn erneut spitz. „Wunderbar, Ronald. Das ist wirklich sehr fair von dir.“ „Nein, ich habe doch nicht... ich meinte doch nicht...“, geriet Ron ins Stottern und sah schließlich wieder flehentlich zu Harry. Dieser sah ihn nur kurz an und aß stumm seinen letzten Bissen. Er würde Ron sicher nicht in Schutz nehmen, aber er hatte genauso wenig Lust die Diskussion noch weiter zu vertiefen. Ron zeigte bereits, dass er keine Vorurteile haben wollte, da ging Hermine ein wenig zu aggressiv vor. Also erhob er sich langsam. „Ich muss Kräuterkunde zu Morgen fertig machen“, sagte er dabei ruhig, ohne einen seiner Freunde anzusehen. „Bis später.“ Und damit verließ er die Große Halle, die Blicke der beiden anderen im Rücken ignorierend.   Als Harry sich dann am Abend im Schlafsaal umzog, kam gerade Ron herein. Er schaffte es tatsächlich, sich normal zu benehmen und wartete geduldig auf dem Bett sitzend darauf, dass Harry fertig war. Dieser warf ihm immer wieder Blicke zu und fragte sich, was wohl nun kommen würde. „Hör mal“, begann Ron schließlich. „Können wir nicht einfach nochmal an der Stelle anfangen, wo du mir... davon erzählt hast?“ „Wovon Ron?“, fragte Harry absichtlich, da er bemerkte, dass Ron diese Worte vermied. Doch das konnte er nicht leiden. Wenn Ron meinte es zu akzeptieren, dann sollte er das auch aussprechen können. „Na...“, zögerte der Rothaarige, wurde dann aber sicherer, „dass du schwul bist. Und... dass du auf Snape... stehst, irgendwie so.“ Harry zog die Augenbrauen hoch und machte es sich auf seinem Bett gemütlich. Irgendwie so? „Ich glaube nicht, dass ich schwul bin“, korrigierte Harry ihn. „Vielleicht bi.“ „Ja, wie auch immer“, winkte Ron ab und nahm endlich eine lockerere Haltung ein. „Aber du musst zugeben: Snape... das ist schwer zu schlucken.“ „Jaa, kann sein“, sagte Harry und musterte die Decke, während er nachdachte. „Letztendlich kann das ja sowieso nie was werden. Ich muss mir das irgendwie aus dem Kopf schlagen.“ „Habt ihr denn... ich meine, du hattest gesagt, du hättest ihn geküsst.“ „Ja.“ „Und... was hat er gemacht?“ Harry sah auf und zu seinem Freund hinüber. Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Frage schwer fiel, aber anscheinend musste er das loswerden. „Naja“, zuckte Harry die Achseln. „Er hat... sich irgendwann darauf eingelassen.“ „Heißt das... Snape ist schwul?“, fragte Ron mit einem verständnislosen Blick nach, doch als er Harrys begegnete, versuchte er seinen Gesichtsausdruck zu ändern. „Anscheinend“, zuckte der Schwarzhaarige erneut die Schultern. „Jedenfalls wirkte es nicht so auf mich, als würde es ihn so schockieren, dass er einen Typen geküsst hat. Also, dass ich es war, hat ihm natürlich schon etwas... schlechte Laune verpasst... aber mein Gefühl sagt mir, dass das im Grunde nichts Neues für ihn war.“ 'Bis zu einem gewissen Grad zumindest.', überlegte Harry für sich weiter. Oder hatte Severus nur bei ihm eine Grenze gezogen, weil er speziell mit Harry nicht hatte weiter gehen wollen? Der Gryffindor verzog unmerklich das Gesicht, als es schmerzhaft in seiner Brust zog. „Und was nun?“, unterbrach Ron Harrys Gedanken, der nur mit den Schultern zuckte. „Keine Ahnung. Eigentlich habe ich ja keine andere Wahl, als alles zu vergessen.“ „Aber... er behandelt dich doch auch anders“, warf Ron stirnrunzelnd ein. „Er ist viel netter zu dir. Etwas amüsiert sagte Harry: „Netter? Wenn er mir nicht gerade Hauspunkte abzieht, ignoriert er mich doch.“ „Ja das meine ich ja“, erwiderte Ron und wippte leicht vor und zurück. „Er brüllt dich nicht an, stellt dir keine fiesen Fragen, stellt dich nicht bloß, gibt dir kein Nachsitzen...“ „Weil er mich nicht in seinem Büro haben will“, widerlegte Harry Rons Argument und stützte sich auf die Arme ab, um Ron besser sehen zu können. „Außerdem geht er jede Unterrichtsstunde anders mit mir um. Da werde ich einfach nicht schlau draus.“ „Geht er?“, stellte Ron verwundert den Kopf schief. „Besonders die letzten Tage habe ich das genau beobachtet und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich immer gleich behandelt.“ „Nein, seine Augen sagen jedes Mal was anderes“, argumentierte Harry weiter. „Mal ignoriert er mich einfach wegen unserer Abmachung, dann weil er mir ausweicht und dann wieder weil er wütend auf mich ist.“ Skeptisch kräuselte Ron die Stirn. „Du kannst ernsthaft seine verschiedenen Arten der Ignoranz unterscheiden? Seit wann kannst du denn sowas?“ Schulterzuckend antwortete der Schwarzhaarige: „Ich schätze, ich habe einfach gelernt ihn zu lesen.“ Eine kurz Stille entstand, in der Ron seinen Freund überlegend musterte. Schließlich fragte er: „Kommuniziert ihr auch nonverbal?“ Ratlos zog Harry erneut die Schultern hoch. „Tut das nicht eigentlich jeder bis zu einem gewissen Grad?“ „Ja schon. Aber seit du zurück bist... ich habe mich ab und zu gefragt, wieso ihr so selbstverständlich miteinander umgehen könnt“, erklärte sich der Rotschopf. „Vor allem im Krankenflügel. Es war, als wärt ihr... als wüsstet ihr, was der andere denkt.“ „Naja... wir haben zusammen ja auch einiges durchgemacht“, zog Harry seine Beine an den Körper. „Ich schätze, so etwas schweißt zusammen. Oder nicht?“ „Ja, schon“, nickte Ron und wieder entstand eine Stille, in der sie sich einfach nur ansahen. Harry war erstaunt darüber, wie locker Ron nun doch über Severus sprechen konnte, wo er vorher immer so abgeblockt hatte. Vielleicht hatte er sich das auch gezielt vorgenommen, um sich wieder mit ihm zu versöhnen. In dem Moment betrat Dean das Zimmer und schlenderte langsam zu seinem Bett herüber. „Nanu? Und ich dachte, ich geh schon früh ins Bett“, wunderte er sich darüber, dass die anderen beiden bereits bettfertig waren. „Im Gemeinschaftsraum ist uns zu viel Trubel“, erwiderte Ron nur und Harry rutschte zum Kopfende seines Bettes hoch. „Schon verrückt, oder?“, sagte Dean, während er in seinem Koffer wühlte. „Man würde ja meinen, im Turm würde es ruhiger zugehen, seit deine Brüder weg sind, aber irgendwie werden die neuen Erstklässler von Jahr zu Jahr bekloppter. Man fühlt sich ganz schön alt, wenn man die Kids von heute bereits jetzt nicht mehr versteht.“ „Sagt man heutzutage überhaupt noch Kids?“, warf Harry grinsend ein. „Keine Ahnung“, warf Dean die Arme theatralisch ratlos tuend nach oben. „Ich warte schon darauf, dass das Wort geil nicht mehr benutzt wird. Passt auf, noch ein-zwei Jahre und wir gehören zum alten Eisen. Dann kriegen die Gören bei unserer Sprache genau solche Gänsehaut, wie wir sie bekommen, wenn jemand knorke sagt.“ Dean hatte seine Worte so überspitzt betont und sich bei knorke dramatisch auf die Knie fallen lassen, sodass Ron und Harry ins Lachen fielen. Sofort taten Harry seine Bauchmuskeln weh, weshalb er erstaunt feststellte, dass er das erste Mal seit Necrandolas wieder richtig lachen konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)