Die Grotten von Necrandolas von -wolfsmoon- ================================================================================ Kapitel 33: Beschützerinstinkt ------------------------------ „Aber magst du... magst du Acromantulas nicht noch lieber?“, gab Harry sein bestes, um nicht als Schlangenfutter zu enden. Leise grummelnd sprach Snape neben ihm: „Ich hoffe doch sehr, dass du nicht gerade mit ihr verhandelst dich zu verschonen, wenn sie mich haben darf.“ „Klappe!“, zischte Harry ihm nur zu. So viel also zu 'kurze Befehle erteilen'. „Warum sollte das jetzt zur Debatte stehen?“, fragte der Basilisk und schlängelte sich ein wenig weiter um die beiden herum. Harry versuchte sich nicht nervös mit herumzudrehen, sondern so stehen zu bleiben, wie er war. Wobei... die Nervosität konnte der Basilisk wahrscheinlich eh wittern. „Ein seltsames Team gebt ihr ab“, kommentierte die Schlange und schien die beiden zu mustern. „Ich habe noch nie Menschen hier getroffen, denen so sehr das Wohl des anderen am Herzen lag. Alles Egoisten, die sich nur zusammentaten, um einen eigenen Vorteil daraus zu ziehen, aber bei euch ist es genau umgekehrt. Ihr arbeitet zusammen, um den anderen schützen zu können.“ Harry blieben die Worte im Halse stecken. Wie hatte sie das denn jetzt bitte geschlussfolgert?! „Das... Was... Nein, das...“, stotterte Harry wohl zum ersten Mal in seinem Leben auf Parsel. „Oh sicher, ihr Menschen mögt es ja lieber kompliziert“, kam die Schlange wieder zur anderen Seite. „Ihr würdet wohl niemals zugeben, dass ihr den anderen um jeden Preis beschützen wollen würdet. Muss an den niederen Instinkten der Menschen liegen, ihr seid nicht in der Lage so etwas zu wittern.“ Jetzt war Harry völlig verwirrt. Um jeden Preis? War das nicht ein bisschen übertrieben? Das klang ja fast so, als würden sie sich nahe stehen. „Was ich sagen wollte...“, versuchte Harry wieder den Faden aufzunehmen. „Wir haben eben eine Acromantula geschockt. Sie müsste eigentlich noch dort liegen, wo wir sie zurückgelassen haben.“ „Du bietest mir eine Acromantula gegen euer Leben?“, fragte die Schlange, schien jedoch interessiert zu sein. „Sie würde sicherlich besser schmecken“, sagte Harry nervös. „Wenn du dem Gang hier folgst und die nächste Links gehst, dann solltest du bald auf sie stoßen. Ausgewachsen.“ „Hm...“, überlegte der Basilisk sich das Angebot. 'Bitte bitte...', dachte Harry bei sich. „Dieses Mal könnte ich das annehmen“, glitt sie wieder auf die andere Seite und Snape wurde immer nervöser. Er hielt seinen Zauberstab bereit, doch sofort versetzte Harry ihm einen Schlag in die Seite. Harry hatte sie fast so weit, das durfte er jetzt nicht kaputt machen. Die Schlange schien das aber zum Glück nicht zu beachten. „Ich lasse euch laufen. Aber wenn wir uns wiedersehen sollten, seid ihr meine nächste Mahlzeit.“ Schluckend nickte Harry. „Sicher.“ Damit glitt der Basilisk davon. Erleichtert atmete Harry durch und entspannte sich wieder. Snape hingegen gab den Schlag von vorhin doppelt so stark zurück. „Aua!“, beschwerte der Gryffindor sich und rieb sich den Oberarm. „Selbst Schuld, wenn du so mit mir umgehst“, knurrte der Slytherin. „Ich habe Sie nur davon abgehalten mir irgendwie die Nummer zu versauen.“ Schnaubend setzte Snape sich in Bewegung und Harry verdrehte entnervt die Augen. „Wie wäre es mit einem Danke?“, beschwerte er sich. „Ich habe uns gerade den Hals gerettet.“ „Erwartest du das bei jedem Vieh?“, kam es nur knurrend zurück. Beleidigt ignorierte Harry den anderen. Um jeden Preis beschützen, von wegen! Komisch, so etwas ähnliches hatte Luca auch schonmal gesagt. Wobei... eigentlich war da doch auch nichts bei, oder? Wenn man in Not war, beschützte man die Mitmenschen. Allerdings... wie Snape sich bei der Acromantula vor ihn geworfen hatte, war nicht normal, oder? Warum hatte er das gemacht? Das war mehr als riskant gewesen. Harry zuckte die Achseln. Jedenfalls schien Snape wirklich eine Art Beschützerinstinkt ihm gegenüber zu haben, wenn er an die letzten Jahre zurückdachte. „Was hast du eigentlich mit der Schlange so lange besprochen?“, gab Snape seiner Neugierde nach. „Oh ähm... ich habe ihr die Acromantula angeboten, damit sie uns in Ruhe lässt“, erklärte der Gryffindor. „Allerdings wird sie uns beim nächsten Mal töten.“ Eine Augenbraue hochziehend fragte der Tränkemeister ungläubig: „Und das hat so lange gedauert?“ „Ja“, versuchte Harry unschuldig zu klingen. Snape schien ihm nicht so recht zu glauben, da er noch immer skeptisch zum anderen sah, fragte jedoch nicht weiter nach. Nachdem sie sicher waren, dass der Basilisk weit genug weg sein müsste, machten sie eine Pause. Snape schien sogar fast einzuschlafen und so sorgte Harry kommentarlos für Schutzzauber und schlug vor die erste Wache zu übernehmen. Zur Wache hatten sie immer sehr viel Zeit zum Nachdenken und das hasste Harry. Man durfte nicht darüber nachdenken was hier geschah, sonst würden sie nie die Kraft finden weiterzulaufen. Dieses Mal erschien der Tunnel sogar noch bedrückender als sonst. Diese dauerhafte Dunkelheit und Kälte machten ihn fast wahnsinnig. Er dachte daran, dass er wahrscheinlich nie wieder das Sonnenlicht sehen würde. Hielten die anderen ihn schon für tot? War vielleicht gerade normaler Unterricht in Hogwarts, als sei nie etwas geschehen? Klar, für die anderen ging das Leben normal weiter. Als Harry es nicht mehr aushielt, weckte er Snape, um sich selbst schlafen zu legen. Vielleicht konnte er so die dunklen Gedanken für eine Weile verdrängen.   Severus ging es bei dieser Wache nicht besser als Harry. Die Gedanken drehten sich immer mehr im Kreis und zogen den Tränkemeister herunter. Sie würden hier in diesem ewigen Dunkel elendig verrecken, so viel stand für ihn fest. Was hatte er auch anderes verdient? Sein ganzes Leben über hatte er nur Scheiße gebaut. Und er hatte Menschen gefoltert und getötet, da war dieses Labyrinth die gerechte Strafe. Allein schon Lilys Tod rechtfertigte das alles hier. Aber warum dann Harry? Er hatte nichts getan, er musste überleben. Severus konnte nichts anderes tun, als dem Jüngeren so viel Last wie möglich abzunehmen. Vielleicht war das hier ja die ultimative Prüfung vom Schicksal. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht ihn für Lily zu beschützen, also musste er Harrys Wohlergehen über seines stellen. Aber konnte er ihn denn wirklich retten? Er wusste nicht wie das gehen sollte. Als Harry vom Tränkemeister geweckt wurde, waren sie beide sehr schlechter Laune. Beim Laufen schwiegen sie vor sich hin und versanken in ihren eigenen depressiven Gedanken. Der Gryffindor blieb schließlich stehen, um sich kurz an der Wand abzustützen und durchzuatmen. Warum war das gerade so anstrengend? Er beobachtete den anderen und folgte nervös seinem Blick nach hinten, weil Snape so irritiert aussah. Hinter ihnen war jedoch nichts zu sehen. „Was ist?“, fragte der Grünäugige also. Langsam schüttelte Snape den Kopf. „Nichts. Bilde ich mir wohl nur ein.“ Und so liefen sie weiter. Harry musste wieder an Ron und Hermine denken. Hatten sie sein Verschwinden gut verarbeitet? Und wie hatte die restliche Bevölkerung reagiert? Sicherlich waren viele darunter, die sich sogar darüber gefreut hatten. Was sollte auch so besonders an ihm sein? Er war doch nur ein normaler Junge, der als Baby von seiner Mutter gerettet worden war. Alle hielten ihn für was besonderes, dabei hatte er keine Fähigkeiten. Hinzu kam, dass alle Menschen in seiner Umgebung starben. Er war berühmt geworden, weil seine Mutter für ihn gestorben war, sich für ihn geopfert hatte. Vielleicht war es ganz gut, dass er hier gelandet war, dann konnte er niemandem mehr schaden. Sirius, Cedric, seine Eltern... das waren mehr als genug unschuldige Opfer, die er in den Tod geschickt hatte. Und er konnte sich sogar aussuchen, wie er sterben sollte. Ob Snape ihm den Gefallen tun würde ihn zu erlösen? Alternative wäre verdursten, verhungern oder gefressen werden. Oh oder zu verbluten. Da war ein schneller Avada sicherlich das angenehmste. Mit solchen Gedanken fiel es Harry immer schwerer weiterzulaufen, da er keinen Sinn mehr darin sah. Wozu laufen, wenn sie eh bald starben? Auch Snape war langsamer geworden und hatte mit den Schatten der Vergangenheit zu kämpfen. Schreckliche Bilder verfolgten ihn. Bilder aus seiner Vergangenheit, seiner Kindheit, Jungend und die Gesichter der Menschen für dessen Tod und Folter er verantwortlich war... das Gesicht kleiner Kinder, Bekannten... Lilys Gesicht. Er hatte es nicht verdient weiter zu leben. Man sollte ihn Foltern bis sein Körper jegliche Energie verloren hätte. Am besten überließ man diese Aufgabe seinem Vater, dann wäre das noch einmal eine Spur grausamer. Schließlich ließ er sich an einer Mauer herabsinken und blieb dort sitzen. Harry sah ihn kurz so an, als wolle er ihn auffordern wieder aufzustehen, doch dann setzte er sich an die gegenüberliegende Wand. „Alles in Ordnung, Professor?“, fragte Harry nach. „Sie wirken nicht so gleichgültig wie sonst.“ „Tse gleichgültig...“, murrte Snape und sah an die Decke. „Das nennt man jahrelanges Training.“ „Also haben sie doch Schiss“, stellte der Gryffindor fest. „Natürlich“, gab der Slytherin zurück. „Wer hätte an so einem Ort keine Angst?“ Mit zitternden Händen strich Snape sich übers Gesicht. „Wir werden hier nie wieder rauskommen. Am einfachsten wäre es, wenn wir uns gegenseitig umbringen würden.“ Harry schluckte. Also hatte Snape den gleichen Gedanken gehabt wie er. Doch wenn er ihn so betrachtete, schien der Tränkemeister noch mehr unter Selbstzweifel zu leiden als er. „Was zieht Sie so runter?“, fragte Harry, in der Hoffnung dass ein ehrliches Gespräch ihnen beiden wieder helfen würde. Freudlos lachte der andere auf. „Im Ernst, Potter? Du hast doch schon immer Vorwürfe gegen mich in der Hand gehabt. Auch wenn du nicht meine gesamte Lebensgeschichte kennst.“ Mit der Ehrlichkeit schien es wirklich zu klappen, was wohl an ihrem Zustand lag. Wenn er das Gespräch am Laufen hielt, konnten sie sich damit vielleicht über Wasser halten. Also sprach Harry weiter: „Ich kann mir denken, dass Sie als Todesser einiges tun mussten... dann hatte mir ihre Schwester erzählt, dass sie schon so früh das Land verlassen hatte. Und... was Ihr Vater Ihnen angetan hat... weiß ich auch...“ „Einen Scheißdreck weißt du“, murrte Snape, wobei seine Stimme zum Schluss versagte, und er vergrub das Gesicht wieder in den Händen, verharrte dieses Mal aber in dieser Position. Nun musste der Gryffindor doch schlucken. Ja es ging ihm selbst gerade elend, doch Snape schien es wirklich noch viel schlechter zu gehen. Niemals hätte Harry erwartet, Snape mal in so einem Zustand zu sehen und dementsprechend überfordert fühlte er sich. Er musste doch irgendwas tun können. Halb kriechend schleppte Harry sich zur anderen Seite und setzte sich dicht neben den Slytherin, sodass sie sich berührten, um ihm wenigstens irgendwie zu helfen. Reagieren tat der andere jedoch nicht, außer vielleicht, dass sich der Atem etwas beruhigte. Seinen Kopf ließ er weiter gesenkt, Stirn an den Knien und Hände vor dem Gesicht, das ohnehin von seinen Haaren verdeckt wurde. Das war es dann wohl. Sie würden einfach hier sitzen bleiben bis der Tod sie holte. Harry hatte nichts dagegen nun von einem Monster getötet zu werden. Wahrscheinlich würde er sich nicht mehr dagegen wehren. Es fiel ihm sogar schwer den Zauberstab weiterhin erhoben zu lassen, damit sie ein wenig Licht hatten. Erst jetzt kam Harry der Gedanke, dass ein Patronus ihnen gegen diese Dunkelheit in ihren Herzen geholfen hätte, doch nun war es zu spät. In dem Zustand würde er keinen mehr zustande bringen können. Irgendwann legte Harry den Kopf auf den Knien ab und starrte auf den Boden, während er Snape neben sich zittern spürte, wohl eher aus Schwäche als aus Kälte. Der Gryffindor sah zu ihm und überlegte, ob er nicht irgendwie diese Last vom anderen nehmen könnte, doch mehr als ihm das bisschen Wärme zu geben, wenn sie hier so dicht beieinander saßen, fiel ihm nicht ein. Mehr würde Snape wahrscheinlich eh nicht zulassen. Da fiel Harry etwas ins Auge. Neben Snape kam etwas kleines aus der Dunkelheit herbeigekrochen. Gut, jetzt konnten sie endlich sterben. Beim genaueren Betrachten erkannte der Grünäugige, dass dieses Wesen kleiner als ein Elf war und einen riesigen Kopf besaß. Langsam schlich es auf sie zu und Harry wollte es schon zu sich locken, als er erkannte, dass dieses Ding es auf Snape abgesehen hatte. Lange Finger streckten sich nach dem Slytherin aus und aus dem Maul kamen scharfe Zähne zum Vorschein. Plötzlich durchfloss Harrys Körper wieder Energie. Mit einem Satz war er nach vorne gerückt und trat dieses Monster von Snape weg. Es gab ein lautes Quietschen von sich und nun sah auch Snape auf. Eiligst stand der Gryffindor auf und trat erneut nach dem Wesen, welches panisch vor ihm her kroch. Schließlich schockte Harry es und dann passierte etwas seltsames. Als ob ein großer, schwerer, dunkler Mantel von ihm genommen wurde, waren Harrys Gedanken wieder klar, sein Herz wieder leicht und die dunklen Gedanken verschwunden. Bei Snape schien es die gleiche Wirkung zu geben, denn auch er stand auf und kam zum anderen, um sich das Wesen anzusehen. Seine Hände zitterten zwar, als er die Kreatur umdrehte, doch er sah wieder um einiges gefasster aus. „Das ist ein Pogrebin“, stellte der Tränkemeister fest und stand mit finsterem Blick wieder auf. „Das erklärt einiges.“ „Ein was?“, fragte Harry verdutzt. „Ein Pogrebin!“, wurde Snape wütend, anscheinend auf das Wesen. „Diesem Biest haben wir unsere dunklen Gedanken zu verdanken! Es verfolgt Menschen und schickt ihnen negative Gefühle bis sie zusammenbrechen. Danach frisst es die Opfer. Dann hatte ich es mir also doch nicht eingebildet, dieser Stein hinter uns war dieses Vieh!“ Stirnrunzelnd besah Harry sich das Wesen. So hinterhältig sah es gar nicht aus. Und konnte es ernsthaft einen ganzen Menschen verspeisen? Wütend richtete Snape seinen Zauberstab auf das Wesen und sprach ohne zu zögern den Avada aus. „Wir sollten weiter“, sagte er anschließend, wischte sich übers Gesicht und ging los. Etwas perplex folgte der Gryffindor ihm schweigend und warf einen letzten Blick auf den Pogrebin hinter sich. Harry behielt Snape die nächste Zeit genau im Auge. Ihm selbst lag diese ganze Sache noch etwas in den Knochen, belastete ihn jedoch nicht mehr. Das schien bei Snape anders zu sein, denn noch immer war er zittrig und wirkte völlig entkräftet. So war es nicht verwunderlich, dass er schon bald eine Pause einlegte. Einen Schluck aus der Wasserflasche nehmend, setzte Harry sich neben ihn. „Wie hast du das schon wieder gemacht, Potter?“ „Was?“, fragte Angesprochener irritiert. „Wenn ein Pogrebin zum Angriff übergeht, sind seine Opfer eigentlich schon zu schwach, um sich zu wehren“, erklärte Snape ungeduldig. „Warum also hattest du noch die Kraft es anzugreifen?“ „Äh... Ähm...“, stotterte Harry wild los. Was sollte er denn jetzt sagen, verdammt? Wenn er darüber nachdachte, stellte er fest, dass er die Kraft bekommen hatte, weil Snape in Gefahr war. Hätte das Vieh zuerst Harry angegriffen, hätte er sich nicht gewehrt. „Ähm das... das... weiß ich nicht.“ Snape zog eine Augenbraue hoch, fragte jedoch nicht weiter. Als er wieder anfing vor sich hinzustarren, beschloss Harry etwas zu unternehmen. Es fiel ihm zwar noch schwer, doch er dachte an etwas schönes und beschwor seinen Patronus. Überrascht sah der Slytherin auf und betrachtete den Hirsch, der sich quer vor die beiden stellte und ihnen eine Wärme von innen bescherte. Es senkte sogar den Kopf zu Snape, der gedankenversunken die Hand zu den Nüstern erhob, als wolle er das Tier streicheln. Noch immer grübelnd betrachtete Harry ihn. Sein Blick war so abwesend, so leer und er wirkte irgendwie verloren in dieser Welt. Was auch immer dem Tränkemeister eben durch den Kopf gegangen war, es muss schrecklich gewesen sein. „Einen Scheißdreck weißt du.“ Der Tonfall ging Harry nicht mehr aus dem Kopf, ähnlich wie das Flehen und Schreien aus Snapes Erinnerungen. Der Gryffindor wusste zwar mehr als dem anderen lieb war, doch schien es immer noch nicht alles zu sein. So viel Pech konnte man in seinem Leben doch gar nicht haben, oder? „Meine Mutter muss für Sie... sehr wichtig gewesen sein, wenn Sie ihren Patronus haben“, murmelte Harry ruhig, um wenigstens irgendwie von den Geschehnissen abzulenken. Zuerst kam keine Reaktion, stattdessen betrachtete Snape noch immer abwesend den Hirsch vor sich. Schließlich antwortete er ebenso ruhig: „Sie war das einzig Gute in meinem Leben, natürlich orientiert sich der Patronus dann an ihr.“ Skeptisch beobachtete Harry den anderen, der noch immer nichts an seiner Haltung änderte. Waren seine Worte gerade einfach die Folge das Pogrebin, oder meinte Snape das wirklich ernst? Verdammt, er machte es Harry wirklich nicht leicht bei seinem Versuch ihn aufzumuntern. „Ich glaube, ich habe Ihnen noch gar nicht für die Erinnerungen gedankt. Das ist irgendwie bei dem ganzen Chaos untergegangen.“ „Bei unserem ganzen Zoff, meinst du“, grummelte Snape leise. „Keine Sorge, ich habe nichts anderes von einem Potter erwartet.“ Augenverdrehend seufzte Harry auf. Langsam schien es dem Tränkemeister ja besser zu gehen. „Sie brauchen mich nicht gleich wieder anzugreifen. Ich versuche hier nur Sie aufzumuntern.“ „Dann hast du dir aber mit meinem Patronus ein schlechtes Thema ausgesucht“, ächzte der Slytherin und stand auf. Irritiert stand Harry ebenfalls auf und sah fragend zum anderen, der diesen Blick mit einem weiteren Ächzen kommentierte. „Denk mal nach, Potter. Seit ich den Todessern beigetreten war, musste ich meinen Patronus verheimlichen. Er bot mir all die Jahre mehr Gefahr als Schutz.“ Während Snape sich langsam wieder auf den Weg machte, bemühte Harry sich seinen Patronus aufrecht zu erhalten, während er grübelte. „Heißt das die Todesser wissen, welchen Patronus meine Mutter hatte?“ Zu Harrys Verwunderung blieb Snape erneut stehen und sah ihn mit einem seltsamen Blick an, so als ob er am Verstand des Gryffindors zweifeln würde. „Langsam frage ich mich, wie du in deinem angeblichen Lieblingsfach so grottenschlecht sein kannst“, murrte der Slytherin nun schon fast wieder im alten Tonfall. Harry setzte zu einer Antwort an, hatte jedoch keine Ahnung, wovon der andere sprach. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Auf die gedanklich gestellte Frage antwortete der Tränkemeister: „Todesser haben keinen Patronus, aus dem einfachen Grund heraus, weil sie keinen brauchen. Sie stehen auf der Seite der dunklen Kreaturen, warum sollten sie diese also bekämpfen? Warum sollten sie in ihrer Umgebung Glück und Wärme verbreiten wollen? Abgesehen davon, dass die meisten Todesser ohnehin kein sonderlich großes Talent für weiße Magie haben, verständlicherweise.“ Harry biss sich auf die Lippe. So betrachtet ergab das sogar Sinn. Todesser verbreiteten Angst und Schrecken, das genaue Gegenteil von Patroni. Vermutlich waren sie nicht einmal in der Lage positive Energie zu sammeln, um einen Patronus zu erzeugen. „Darüber habe ich eben noch nie nachgedacht“, versuchte Harry sich irgendwie noch zu rechtfertigen. „Denken ist nicht deine Stärke, ich weiß schon“, knurrte Snape und ging weiter. Sofort wollte Harry aufbrausen und den nächsten Streit einleiten, doch er stockte, als er im Blick des anderen sah, dass dieser noch immer nicht ganz bei Kräften war. Na, auf eine gewisse Weise schien sein Aufmunterungsversuch aber geglückt zu sein. Gib einem Severus Snape etwas zum Meckern und schon bessert sich sein Zustand. Typisch. Der Patronus schien dem Tränkemeister ebenfalls zu helfen, daher hielt Harry es für das beste, ihn noch eine Weile aufrechtzuerhalten. Ein bisschen Licht und Wärme konnte ihnen beiden nicht schaden. Bei der Helligkeit fanden sie sogar wieder Wasser, das die Wand herunterlief. Sie füllten ihre Flaschen neu auf, tranken so viel sie konnten und gingen dann weiter. Doch plötzlich machte der Hirsch kehrt und rannte mit gesenktem Geweih den Weg zurück. Verwundert blieben Harry und Snape stehen und sahen ihm nach. Nach einigen Metern war plötzlich ein riesiges Tier zu sehen, das das Ziel des Hirsches war. Er stürmte auf einen Leoparden zu, der den ganzen Tunnel ausfüllte, löste sich jedoch auf, als er gegen ihn stieß und schien dieses Ungetüm nicht im mindesten gekratzt zu haben. Da der Patronus die einzige Lichtquelle gewesen war, wurde es stockdunkel. „Oh bei Merlins...“, war Snape fassungslos, entzündete seinen Zauberstab und schubste Harry voraus. „LAUF!!“ Völlig irritiert gehorchte der Gryffindor und sie beide rannten den Tunnel entlang. Dabei horchte Harry immer wieder hinter sich, doch nichts war zu hören. „Ich glaube es folgt uns gar nicht“, sagte er also. „Ein Nundu bewegt sich lautlos!“, rief Snape nur. Ein Nundu? Davon hatte Harry noch nie gehört. Plötzlich stockten sie, denn vor ihnen war eine weitere Kreatur erschienen. Es sah auf den ersten Blick menschlich aus, doch hatte es dann mehr Ähnlichkeit mit einer Veela. Das konnte nur ein Windgeist sein. Bevor der Grünäugige reagieren konnte, schnappte Snape ihn am Ärmel und zog ihn an die Seite, damit sie an diesem Windgeist vorbeischlüpfen konnten. Damit hatte das Wesen nicht gerechnet und auch Harry nicht. War dieser Nundu so schlimm, dass sie so etwas hier riskieren mussten? Doch da hörten sie schon hinter sich, wie der Windgeist aufschrie und ein Brüllen gesellte sich dazu. Rechts kam eine Abbiegung und Snape zog ihn um die Ecke. Dort lugte er vorsichtig zurück. Auch Harry erkannte nun, dass dieser Nundu das andere Wesen fertig machte und dieses nicht einmal fliehen konnte. „Was ist ein Nundu?“, flüsterte Harry. „Ein Feind gegen den wir nicht die geringste Chance haben“, murrte Snape und lief weiter. „Falls er uns einholt, halte die Luft an, sein Atem verbreitet Krankheiten.“ Harry verzog das Gesicht. „Wieso sind Sie so sicher, dass wir es nicht besiegen können?“ „Hast du nicht gerade gesehen, was das Biest mit dem Windgeist gemacht hat?“, keuchte der Tränkemeister. „Als 100 Zauberer es geschafft haben einen Nundu nur zu schocken, sind sie in die Geschichte eingegangen.“ Nun musste der Gryffindor doch schlucken. So langsam waren die beiden außer Atem, doch sie dachten gar nicht daran stehenzubleiben. Nur einmal kurz drehte Snape sich um und ein lautes Scharren war zu hören. Er hatte mit einer dünnen Steinwand den Gang versperrt, doch bereits nach viel zu kurzer Zeit war ein ohrenbetäubendes Krachen zu hören, da der Nundu durch die Mauer brach. Er war sehr dicht hinter ihnen. Adrenalin durchströmte Harrys Körper und er lief so schnell er konnte um eine Kurve, nur um direkt dahinter erschrocken stehenzubleiben, sodass der Slytherin fast in ihn reingerannt wäre. Er wollte schon protestieren, als er sah, weshalb der andere stehen geblieben war. Eine Sackgasse. „Verdammt!“, schimpfte Snape, zog Harry hinter sich und stellte sich dem Nundu entgegen, der triumphierend auf sie zustapfte. Der Tränkemeister zog den Mantel über seine Nase und der Grünäugige tat es ihm nach. Was nun? Es gab keine Fluchtmöglichkeit mehr und das Biest kam knurrend näher. Hektisch leuchtete Snape den Tunnel ab und dann fasste er einen Entschluss. „Deprimo“, rief er und es gab einen weiteren lauten Knall. Erschrocken sah Harry, wie der Boden unter ihm zerbröckelte und zusammen mit Snape stürzte er hinab. Der Nundu versuchte noch, sie aus der Luft zu schnappen, doch er verfehlte sie. Danach sah Harry nichts mehr, sondern spürte nur noch, wie er in die Dunkelheit fiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)