adventures of my mind von Earu (#aomm) ================================================================================ #Balance - Ouroboros -------------------- Am Anfang war die Welt. Sie war nur für sich, ohne Seiten, ohne Gleichgewicht – sie brauchte keines. Erst als Leben auf die Welt kam, mussten die dunklen und lichten Mächte in Waage gebracht werden. Ein Geschwisterpaar, das erste Geschwisterpaar, wurde auserkoren, diese Bürde zu tragen. Und als sie dieses Leben verließen, gaben sie die Aufgabe an die weiter, die nach ihnen kamen. Damit verdammte die Welt seit jeher zwei Seelen, die auf ihr wanderten dazu, gleich im Geiste und doch verschieden in der Gesinnung zu sein. Und wenn sie sich begegnen, steht alles Dasein am Abgrund. So sagt es die Legende, die ihr alles ruiniert hat. Und ihm sicher auch. Wieso? Warum nur? Warum müssen sie sich jetzt gegenüberstehen, nachdem sie ein halben Leben lang in Frieden waren, Freude verspürten und von Leid verschont blieben. Alles nur, um an diesem Tag das Leid der ganzen Welt auf ihren Schultern zu tragen? Sie wollte nicht, sie weigerte sich, sie konnte es nicht glauben. Doch alles schreien und weinen half nichts – ihr Schicksal wartet auf sie. Und auf ihn. Er muss genauso fühlen. Es gibt keine Möglichkeit, dass es anders ist. Auch ihn hat man aus der Ruhe seiner Welt gerissen, auch seiner eigenen Balance, um die aller anderen aufrecht zu erhalten. Wie kann er diesen Weg mit Freude beschreiten wollen, wenn sie solchen Schmerz dabei verspürt? Und doch … und doch stehen sie sich nun gegenüber, er aufrecht, sie von Gram gebeugt. Er lächelt voller Gespannheit auf das Kommende, ihre Tränen sind noch nicht versiegt. „Bitte ...“, fleht sie und ballt die Hände zu Fäusten, „Adrian, bitte, wir können das nicht tun.“ Ein Schnauben ist seine Antwort, was nur mehr Tränen über ihr Gesicht laufen lässt. Vor nur kurzer Zeit hätte er nicht so reagiert. Zumindest will sie nicht glauben, dass er schon immer so gewesen war. Sie haben sich nicht lange gekannt, aber der Tag und die Nacht, die sie miteinander geteilt haben, ehe man ihnen ihr Schicksal offenbarte – es ist wie Magie gewesen. Es hat sich angefühlt, als ob sie schon seit Jahren Seite an Seite stünden. Trotz ihrer Differenzen ist da etwas gewesen, das sie verband. Nun weiß sie, was es ist. Es ist eine dumme, alte Legende, an die Fanatiker, Verschwörer und Priester glauben. Und nun? Hat er sie angelogen? Hat er die ganze Zeit eine Maske getragen, die er nun abgelegt hat? Wie anders ist es möglich, dass er jetzt und hier nicht einen Funken Mitleid oder Reue zeigen kann? Es müssen die Männer gewesen sein, die ihn abgeholt haben, so wie sie zu Frauen gekommen ist, die sie auf diesen Tag vorbereitet haben. Und dort stehen sie nun, gekleidet in Gewänder, die arme Seelen wie sie schon seit Jahrhunderten tragen, wenn man sie zur Schlachtbank führt, um sie zu etwas zu zwingen, was kein Mensch wollen kann. Meterweise heller und dunkler Stoff, der um ihre Knöchel weht, aufgewirbelt von dem Sturm, der schon vor Stunden aufgezogen ist und über die leere, weite Ebene fegt. Ist dies auch Teil des irrsinnigen Rituals? Die Luft vibriert, Wind peitscht ihnen ins Gesicht, um sie herum knistert es. So viel Bewegung hat sie seit Wochen nicht mehr wahrgenommen, denn die Frauen haben sie in eine abgeschiedene Gegend gebracht und so gut wie nichts zu ihr gesagt. Sie haben sie meditieren lassen – tagelang, ohne Unterbrechung, bis sie jede einzelne Faser ihrer eigenen Aura hat spüren können. Und was hat er tun müssen, während er auf diesen Tag gewartet hat? Das gleiche Drama? Die Tortur, in ewiger Stille mit seinen Gedanken allein gelassen zu werden? Mit dem Leuchten, das seine Hand nun umgibt, ahnt sie, dass dies auf keinen Fall so gewesen sein kann. Er wirft das Licht – was auch immer es ist – direkt vor ihre Füße, sodass Gras, Erde und kleine Steinchen in alle Richtungen davonfliegen. Zurück bleibt nur eine Rauchwolke und ein Loch, das für diese wenige Kraftanstrengung viel zu groß zu sein scheint. Betrug!, schießt ihr durch den Kopf. Er kann kämpfen, sie nicht. Man hat ihn vorbereitet, sie nicht … oder zumindest hat man ihn besser vorbereitet als sie. Warum hat man ihr nicht auch etwas gezeigt, mit dem sie tatsächlich etwas anfangen kann? Die Erkenntnis sinkt in ihr Bewusstsein und breitet sich wie ein flaues Gefühl in ihrem Magen aus. Betrug! Das hier soll Balance sein? Wenn einer von beiden Kontrahenten nur mit seinem Willen so etwas hervorrufen kann und der andere nur beten musste. Das war … Doch bevor sie noch einen weiteren Gedanken vollenden kann, sieht sie das nächste Leuchten auf sich zurasen. DiesesMmal jedoch nicht nur auf den Boden, sondern direkt auf ihr Gesicht. Sie kann sich nicht mehr rechtzeitig ducken, fühlt bereits ihr Ende … doch das Licht verfehlt sie trotzdem. Nur Zentimeter vor ihren im Reflex ausgestreckten Händen zerspringt es mitten in der Luft und löst sich in Nichts auf. „Du kannst ja doch etwas“, höhnt er und beginnt, mit dem Zeigefinger in der Luft herumzurühren, lässt noch mehr Wind entstehen, „mal sehen, wie viel.“ Darauf ist sie auch gespannt. Was haben sie die Frauen gelehrt, von dem sie nichts weiß? Was kann sie? Und wird es sie beschützen? Er scheint übermächtig zu sein, keine Gnade zu zeigen – und er lässt ihr keine Zeit, sich zu sammeln oder über mehr klarzuwerden als nur die rudimentären, nackten Tatsachen. Sofort setzt er nach, bombardiert sie mit was auch immer er dort erschafft, jagt auf sie zu und zwigt sie, immer weiter zurückzuweichen. Er hetzt sie über die Ebene, über Anhöhen und Senken, durch hohes Gras, das in manchen Ecken wuchert, über Schotter und durch flache Wasserlachen. Was man dort von ihnen erwartet, hat man ihnen ebenfalls verschwiegen … oder nur ihr? Weiß er, was er zu tun hat, oder handelt er nach seiner wahren Persönlichkeit? Und sie? Zweifelsohne ist sie in diesem Moment vollkommen sie selbst – lieber nachgeben, als den Kampf zu suchen. Selbst wenn die Balance der Welt auf dem Spiel steht. Und während sie davonrennt, stolpert und sich wieder fängt, auf ihrer feigen Flucht von dem seltsamen Schild beschützt wird, den man ihr eingepflanzt zu haben scheint, trifft sie der nächste Schlag: Sie kann so niemals gewinnen. Sie ist die lichte Seite, er die dunkle. Sie will nicht kämpfen, er schert sich keinen Deut um sie. Er kann tun, was er will – ohne Rücksicht auf Verluste, während sie es nicht über sich bringt, ihm trotz seiner Feindsehligkeit etwas anzutun. Das soll Balance sein? Wie kann das Balance sein? Dieser Gedanke lähmt sie, frustriert sie, demotviert sie. Und es gibt ihm Zeit, sie einzuholen, sich auf sie zu stürzen, um es zu Ende zu bringen. So schnell schon, so einfach? „So einfach hatte ich mir das nicht vorgestellt“, murmelt er, hebt die Hand und sieht ihr direkt in die Augen, die nicht nur voller Tränen sind, sondern auch das Maß ihrer Resignation spiegeln. Was soll sie schon noch tun? Sie hat nicht die Macht. Und was hat man von ihnen erwartet? Dass die Schlacht zwischen zwei ahnungslosen Halbwüchsigen Tage, Wochen oder gar Monate dauern würde? Selbst wenn der Schild all seine Versuche abwehrt – wann soll es dann enden? Kann dies jemals enden. Er hingegen zweifet nicht, ist fest entschlossen, diesen Kampf für sich zu gewinnen und sich dadurch jeden Wunsch zu erüllen, den er sich nur vorstellen kann. Das haben sie ihm gesagt, noch bevor er sie traf – dieses einfältige Mädchen, dem er alles hat vormachen können. Was sie wohl gedachte hat, warum er sich mit ihr abgab? Es kümmert ihn nicht. Nur ihr Tod kümmert ihn. Er stößt die Hand herab, und sie ist bereit, als sie das Leuchten auf sie zukommen sieht. Dies ist das Ende, sie weiß es. Und er auch, denn sein zu einer Grimasse verzerrtes Grinsen sagt nichts anderes aus. Für andere Gedanken ist dort kein Platz mehr. Dann ist da nur noch Schmerz. Sie schreit, weil ihr Körper dort zu zerbersten droht, wo er sie berührt. Doch auch er schreit, so laut wie sie – und es ist nicht aus Freude. Sie sieht genau hin, ihre Blicke treffen sich und sie realisiert, dass man sie beide betrogen hat. Er hat das nicht erwartet. Er hatte alles vor Augen, aber nicht dies. Denn dies hier ist der Tod, der durch ihre beiden Körper fließt, sie erschüttert und alles Leben aus ihnen treibt. Sekunden, nur noch Sekunden. Vielleicht nicht einmal mehr dies. Werden sie ihren letzten Moment überhaupt spüren können? Und als sie diese Welt verließen … Das war also die Wahrheit hinter der Legende: Es ist ein uralter Kampf, und trotzdem endet er nur mit dem Tod. Niemand lernt aus der Vergangenheit, sondern ergibt sich nur in Leid – ob nun gewollt oder nicht. Auch sie müssen schlussendlich sterben, damit andere ihre Aufgabe übernehmen können. Für die Balance der Welt? Aber warum? Warum sie, warum er? Und warum die armen unschuldigen Geschöpfe, die noch kommen werden und den Kampf zwischen Gut und Böse austragen müssen, ohne ihn wirklich zu wollen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)