Twin-Dragon von TheCrazy (Zwillinge mit Drachenblut) ================================================================================ Kapitel 1: Der Drachenmensch ---------------------------- Die Sonne strahlte auf Fay hinab. Es war Sommer, nur einige Wochen vor den großen Sommerferien. Die Bank, auf der sie saß, war mit der Zeit heiß geworden und sie schob ein wenig nach rechts. Dort befand sie sich nun im Schatten der großen Linde, die hinter ihr stand. Von denen gab es viele Gruppen in diesem Park. Fays taillienlange schwarze, glatte Haare waren bei der ständigen Sonne kein großer Vorteil. Ihr Pony bildete knapp über ihren Augenbrauen eine waagerechte Linie und fiel dann stufenweise nach vorn über ihre Schultern, bis er so lang wie das restliche Haar war. Der azurblau-karierte Haarreif brachte Leben in die unendliche Schwärze. Auf ihrer Schule galt sie als das hübscheste Mädchen, unter diesem Umstand würde man erwarten, dass sie ruhig, zurückhaltend und bescheiden ist. Doch dieses Bild passte nicht zu Fay, ihre Verhaltensmuster waren grundsätzlich anders. Aufgedreht. Chaotisch. Aggressiv. Typisch Fay. Jedenfalls für jene, welche sie kannten. Nur in diesem Park kehrte auch bei ihr die Ruhe ein. Er lag zwar mitten in der Stadt, aber es waren außer ihr nicht übermäßig viele Menschen dort. Gerade so viele, dass die Atmosphäre herrlich entspannt war. Vor ihr stand ein großer Springbrunnen. Nur ein Steinweg und kleine Rasenabschnitte trennten sie davon. Fays braune Augen waren auf das Rasenstück zu ihren Füßen gerichtet, auf dem vereinzelt kleine Blumen wuchsen. Plötzlich spürte sie etwas, eine Energie oder eine Aura. Sie wusste zwar nicht, wie sich so was anfühlt oder ob man das spüren kann, aber etwas in der Art musste es wohl sein. Schlagartig richtete sie ihren Kopf auf und wendete ihn in die Richtung, aus der sie die Quelle vermutete. Doch da war nichts. Jedenfalls nichts Auffälliges. Auf den Wegen zogen kleine Menschengruppen vorbei und vereinzelt war auch die Rasenfläche bevölkert. Fay blickte sich noch einmal um. Auf einer der Pfade ging ein Junge, der ihr besonders ins Auge fiel. Er war noch relativ weit weg, aber sie konnte erkennen, dass er blonde zottelige, leicht lockige Haare hatte. Von der Größe her musste er in etwa so alt sein wie sie, also ungefähr 15 und Fay musste sich eingestehen, dass sie diesen Jungen, auch wenn sie ihn nur von weitem sah, attraktiv fand. Sie seufzte. Ihr war bewusst, dass nicht einmal sie so verrückt war und einen wildfremden Jungen vor so vielen Menschen anzuquatschen. Obwohl sie genau das gern getan hätte. Eigentlich wollte Fay sich wegdrehen, doch irgendetwas hielt sie zurück. Das Mädchen beobachtete ihn weiter. Als der blonde Junge näher kam, tat er etwas, dass ihr sehr bekannt vorkam. Er hatte seinen Blick in die Ferne gerichtet als er ruckartig stehen blieb und zeitgleich seinen Kopf hob um danach direkt in ihre Richtung zu sehen. Erschrocken fuhr Fay zurück und blickte sich hektisch um. Nein, es war nichts und niemand da, der für ihn interessant sein könnte. Bis auf sie selbst. Sie blickte wieder in die Richtung des Jungen und nur einige simple Gedankenfetzten gingen ihr durch den Kopf. *Sieht der wirklich mich an? Was mach ich jetzt? Warum hat der die gleichen komischen Bewegungen wie ich gemacht? Was soll ich nur tun?* Der verwirrte Blick des Jungen wich und machte Platz für ein schelmisches Lächeln. Er lief nun wie selbstverständlich quer über die Rasenfläche auf Fay zu. Diese konnte sich nicht vom Fleck rühren. Sie war gebannt von der Situation und starrte auf den blonden Lockenkopf, der sich ihr näherte. Dabei bemerkte sie die seltsame, fast mittelalterlich wirkende Kleidung die er trug. Sie war in unauffälligen Braun- und Beigetönen gehalten worden. Obwohl das in der Stadt eher auffällig wirken würde. Fay stellte eine bemerkenswerte Ähnlichkeit zu den Gewändern von Drachenmenschen fest, welche sie auf Bildern ihres Schulbuches gesehen hatte. Dieser Fakt erinnerte sie unweigerlich daran, dass sie das Thema Drachenmenschen bald in der Schule haben würde. Es wird noch die nächsten letzten Wochen vor den Ferien behandelt und dann das ganze darauf folgende Jahr, denn zu dieser Thematik gibt es viel zu wissen. Aber Fay wusste noch nicht viel und konnte mit dem Begriff Drachenmensch nur sehr wenig anfangen. Der Junge blieb nun neben der Linde stehen und lächelte sie freundlich an. „Hi. Du hast mich auch bemerkt, oder?“ „Ähhh…“ Fragend sah er sie an und er blickte etwas erstaunt zurück. „Sag mal, du weißt nicht wovon ich überhaupt spreche, oder?“ Er legte seinen Kopf leicht seitlich und murmelte, wahrscheinlich zu sich selbst: „Seltsam, dabei war ich mir doch so sicher…“ Der Blonde wollte wieder anfangen zu sprechen, als Fay demonstrativ aufsprang. „Moment mal. Ich habe immer noch keine Ahnung wer du bist, oder was du von mir willst. Also drück dich jetzt klar aus oder ich verschwinde. Und überhaupt, es ist ziemlich frech mich einfach so anzuquatschen und gleich seltsame Fragen zu stellen, findest du nicht?“ *Augenblick, das Selbe hatte ich doch vorhin auch vor, oder? Ach ja… Deine Logik übertrifft sich einmal wieder selbst, Fay.* Ein wenig überrumpelt trat der Angesprochene zurück und fing an zu reden. „Oh, entschuldige. Das war im Nachhinein wirklich unhöflich von mir.“ Er setzte abermals ein atemberaubendes Lächeln auf und deutete eine leichte Verbeugung an. „Mein Name ist Chance.“ Fay schoss bei dieser Geste augenblicklich das Blut in den Kopf. Verlegen stammelte sie ihren Namen und versuchte sich unauffällig ein Stück wegzudrehen, da ihr die ganze Situation jetzt peinlich vorkam. Gleich darauf ballte sie ihre Fäuste vor Wut. Sie hasste so etwas. Doch Chance lächelte sie weiter freundlich an. Er war anscheinend nicht einer von denen, die einen damit aufzogen, dass man rot geworden ist oder einen dann noch mehr ärgerte. Zum Glück. Denn so was konnte Fay gar nicht leiden. „Aaalso gut.“ Sie stand auf, ging um die Bank, lehnte sich an die Linde und verschränkte die Arme. „Jetzt erklär mir das mit dem > Du hast mich auch bemerkt. <“ Chance blickte nachdenklich in die Richtung, aus der er gekommen war und blickte kurz darauf wieder grinsend zu Fay. „Tut mir Leid. Ich hab jetzt leider keine Zeit. Dieser Abstecher war auch gar nicht geplant. Treffen wir uns… übermorgen zur gleichen Zeit hier!“ Fay blickte Chance jetzt direkt an, sie hatte zuvor den Blickkontakt gemieden, doch an seinem Bild störte sie etwas. Sie sah genauer hin… und machte ein erstauntes, fast erschrockenes Gesicht. Seine Augen. Die Iris seiner Augen war pechschwarz, nur zum Rand der Pupille waren einige Farbsprenkel. Diese leuchteten, umgeben von Dunkelheit, gelb, eigentlich schon fast golden. Irritiert zeigte sie auf sein Gesicht. „D… deine Augen!“ „Hm?“ Zuerst wusste er nicht recht, was sie meinte, denn für ihn waren seine ungewöhnlichen Augen schon lange normal. Dann lachte er kurz auf. „Ach so, das meinst du. Na ja, du musst wissen… Ich bin ein Drachenmensch! Also bis Übermorgen!“ Sagte er, machte auf dem Absatz kehrt und ging einfach weg. Bei Fay kam die Botschaft nur langsam an und sie starrte ihn entgeistert an. *Ein Drachenmensch…* Sie flüsterte zu sich selbst: „Er ist ein Drachenmensch... das gibt's doch nicht“ Erst da merkte sie, dass Chance schon einige Meter entfernt war und sie rief ihm hinterher. „Hey, warte doch mal! Wie meinst du das?! Bist du ein echter Drachenmensch?!“ Chance sah über seine Schulte zurück, grinste und rief: „Na ja, größtenteils.“ Fay stand Verständnislosigkeit im Gesicht. *Wie meinte er das jetzt schon wieder?!* Sie wollte gerade etwas erwidern, als er, ohne sie anzusehen, die Hand zum Abschied hob und Fay beschloss es erst einmal dabei zu belassen. Sie hatte Übermorgen noch genug Zeit um ihn mit Fragen zu durchlöchern. Fay lehnte sich mit dem Rücken an den Baum, sah in die Krone der großen Linde und sprach leise mit sich selbst. „Hm. Übermorgen, also Freitag. Dann hab ich noch genug Zeit um meinen Freunden in der Schule alles zu erzählen. Schule… Auf welche Schule Chance wohl geht? Ich hab ihn noch nie in der Gegend gesehen, das hätte ich mir bestimmt gemerkt, er muss also in einem anderen Stadtteil wohnen. Aber warum hab ich ihn noch nie hier im Park gesehen? Der ist sogar etwas weiter von dem Stadtteil entfernt, in dem ich wohne… Dann war er das erste Mal hier?“ Sie stieß sich vom Baum ab und ging Richtung Stadtteil Delta, der Stadtteil, in dem sie zu Hause war. Ihre Heimatstadt war, von oben aus gesehen, kreisförmig angelegt worden, so wie die meisten Städte heut zu Tage. Wenn man die Stadt, geistig gesehen, viertelte und in den großen Kreis noch einen halb so großen Kreis hinein zeichnete, konnte man 8 Teile sehen. Das waren die einzelnen Stadtteile, jeweils nach den ersten 8 Buchstaben im Griechischen Alphabet benannt. Delta lag im inneren Kreis und der Park auf der anderen Seite der Stadt, im äußeren Kreis. Da es keinen anderen Park gab, musste Fay immer einen langen Weg auf sich nehmen um dorthin zu gelangen, aber meistens nahm sie Straßenbahn hin und auch wieder zurück. Die ganze Welt nach diesen Stadtmodellen ausgerichtet. Einige Städte waren größer oder kleiner, mit mehr oder weniger Stadtteilen oder anderen kleinen Unterschieden, wie die Anzahl und Lage der Parks. Und warum rund? Aus einem mysteriösen Grund, den man bis heute noch nicht klären konnte, waren alle Gebiete, welche zur Bebauung geeignet waren, rund, auch alle Inseln in dem riesigen Meer, das als einziges Unregelmäßigkeiten aufwies. Und weil man den vorhandenen Platz so gut wie möglich nutzen wollte, waren alle größeren Städte rund. Die Umgebung um diese Kreise war oft sehr unwirtlich. Wüsten. Steppen. Eislandschaften. Sümpfe. Auch eher ungewöhnliche Landschaften gab es. Erdbebengebiete, deren Boden von zahllosen Rissen und Kluften durchzogen war, hervor gebracht durch katastrophale Erdbeben. Windebenen, in denen kein Tag verging ohne zerstörerische Wirbelstürme und Tornados. Giftzonen, aus deren Böden unheilvolle Dämpfe strömten, meistens giftig oder auf eine andere Weise schädlich und zahllose aggressive und natürlich giftige Tiere. Man könnte noch eine Reihe anderer Gebiete aufzählen. In den Zonen ohne Katastrophengefahr siedelten auch einige kleine Dörfer, mitunter Siedlungen von Drachenmenschen, die sich an das Leben dort gewöhnt und spezialisiert hatten. Von einem großen Meer wurden 5 Kontinente getrennt. Auf jedem Kontinent gab es eine Hauptstadt, jeweils die aktuell größte Stadt. Das alles waren dort die Grundlagen des Lebens, die jeder kannte. Außergewöhnlich aber erträglich, so kannten sie es schließlich. Und ein Großteil dieser Welt war noch weitestgehend unentdeckt, obwohl schon so viel bekannt war. Das Unbekannte lauerte dort hinter jeder Ecke. Kapitel 2: Von wegen Geschwisterliebe! -------------------------------------- Fay lief durch die Straßen. Sie war ein wenig spät dran und musste sich beeilen um zur Schule zu kommen. Diese lag in Beta, gegenüber von Delta im inneren Kreis. Schon von weitem sah sie eine kleine Gruppe von 4 Personen am Schuleingang stehen. Kaum angekommen wurde sie herzlich begrüßt. „Du bist zu spät!“, wurde sie von einem braunhaarigen Jungen angeherrscht. Fay ließ sich nicht beeindrucken und mit gleichgültigem Blick antwortete sie: „Ihr seid zu pünktlich.“ Sie grinste ihn aber danach zur Begrüßung freundlich an. Raym, der braunhaarige Junge, war früher einer ihrer Verehrer und stand so immer mit bei ihren Freunden. Irgendwann hat Fay ihm die Meinung gegeigt und er hat von ihr abgelassen. Aber er durfte weiterhin bei der Gruppe bleiben, da sich alle an ihn gewöhnt hatten und nach kurzer Zeit wurden sie gute Freunde. Hinter Raym kam ein Junge hervor, der ungefähr einen Kopf kleiner als Fay war und begrüßte sie schüchtern. Er trug eine Brille und wirkte etwas verloren in der Gruppe, aber trotzdem ging er in Fays Klasse. Xander hatte zwei Klassen übersprungen, war ein typischer Streber und noch dazu von Natur aus schüchtern. Ein perfektes Angriffsziel für die verblödeten Jungs und Mädchen aus ihrer Klasse. Einmal hatte Raym ihn in Schutz genommen und von da an war Xander sein Anhängsel und gehörte so automatisch zu der Gruppe. Die beiden letzten Mitglieder der Gruppe, neben Fay, waren Cora und Anna. Sie waren Schwestern und schon von Anfang an in der Gruppe. Anna fragte aufgeregt: „Du wolltest uns doch etwas erzählen?“ Ihre Schwester fuhr sie gleich darauf an und machte ihr klar, sie solle nicht so neugierig sein. Die restlichen 3 Zuschauer lachten in sich hinein. So ein Szenario war mal wieder typisch. Fay unterbrach die beiden. „Los, kommt. Wir müssen rein, der Unterricht beginnt gleich. Ich erzähl euch in der Pause was.“ Gesagt. Getan. Die Fünfergruppe quetschte sich durch die Tür und machte sich auf den Weg zum Klassenraum. Nach den ersten beiden Stunden konnten sie auf den Hof gehen und dort erzähle Fay von ihrer Begegnung mit dem Drachenmenschen. Xander hatte bei der ganzen Geschichte ein ungläubiges Gesicht gemacht und fand als erster das Wort wieder. „Ein echter Drachenmensch?!“ Aufgeregt zog er an Rayms Jacke und sah ihn begeistert an. „Raym, ist das nicht toll? Ein Drachenmensch! Und gleich in der nächsten Stunde werden wir genau das Thema behandeln!“ Cora sah Fay skeptisch an. „Bist du dir sicher, dass er ein echter Drachenmensch ist?“ „Na ja, größtenteils.“ Verwirrte Gesichter. Fay hob verteidigend die Hände. „Ich wiederhole nur, was er gesagt hat. Ich erfahre auch erst morgen mehr. Ich versteh das auch nicht. Wie kann man größtenteils ein Drachenmensch sein?“ Raym verschränkte die Arme und sah in die Runde. „Entweder er IST ein Drachenmensch oder er ist KEINER. Er kann nicht größtenteils ein Drachenmensch sein!“ Xander schüttelte den Kopf. „So einfach ist das auch nicht. Genau genommen kann er das. Fast die gesamte Menschheit hat entfernte drachenmenschliche Vorfahren. Wahrscheinlich haben wir alle winzige drachenmenschliche Teile in unserer DNA, doch sie sind so klein, dass wir nichts davon merken. Dieser Junge, Chance, hat wahrscheinlich nähere Verwandte mit mehr Drachengenen, daher kommen dann auch seine seltsamen Augen.“ Stille. „Was denn?“ Irritiert sah Xander die anderen an. Raym deutete einen Schlag auf seinen Kopf an und sagte, das, was allen durch den Kopf ging: „Woher weißt du alles? Hast den Stoff für die nächsten Wochen schon vorgearbeitet, oder was?“ „Ich bin nur engagiert.“ Fay verdrehte die Augen und stieß einen Seufzer aus. Wie konnte man nur so von der Schule besessen sein? Ein ewiges Rätsel. Sie zählte jetzt schon die Sekunden bis zum Ende des Schultages und wollte endlich Chance treffen. Doch dafür musste sie auch noch den morgigen Schultag überleben. Nach der Schule musste Fay noch in den Stadtteil Alpha um etwas für ihre Eltern einzukaufen. Alpha war der modernste Teil der gesamten Stadt und eigentlich ein riesiges Einkaufszentrum. Überall Läden verschiedenster Art. Supermärkte, Kinos, Cafés, Restaurants, Technikläden, Bibliotheken, Discos und andere Geschäfte im Überfluss. Und da Alpha zwischen Beta und Delta lag, war es für Fay lediglich ein kleiner Umweg, weswegen sie es auch nicht groß störte, dass sie oft einkaufen gehen musste. Der Weg auf dem sie ging, war aus lauter kleinen, bunten Steinen zusammen gesetzt worden und war so etwas wie ein Mosaik. Links neben ihr, zwischen Straße und Mosaikweg standen in bestimmten Abständen silberne Laternen, die jetzt noch nicht leuchteten, weil es noch ziemlich hell war. Wenn es dämmerte gingen sie an und ab da strahlten sie zwei Stunden lang warmes gelbes Licht aus. Doch nach den zwei Stunden wechselten sie ihre Farben und strahlten in den unterschiedlichsten Tönen. Das wurde irgendwann mal so eingerichtet, ursprünglich für Feste. Aber nun waren diese Lichter jede Nacht an. Fay ging gerade an einer Reihe Restaurants vorbei, als sie das gleiche Gefühl wie gestern im Park überkam. Sie richtete ihren Blick weiter nach vorn, auf die andere Seite der Straße. Dort, in einiger Entfernung, glaubte Fay Chance zu sehen, denn sie erkannte die Kleidung. Skeptisch beobachtete sie ihn. *Was?! Chance?! Ich dachte er hätte heute keine Zeit. Obwohl… vielleicht hat er etwas hier zu tun und konnte deswegen nicht kommen. Er wusste ja nicht, dass ich heute auch nach Alpha will.* Doch als sie näher kam, verwunderte sie etwas. Der Junge hatte zwar die gleiche Kleidung und Frisur wie Chance, doch seine Haare waren so schwarz wie ihre. Es gab nur eine Möglichkeit um zu überprüfen, ob es wirklich Chance war. Seine Augen. Sie würden den entscheidenden Beweis bringen. Sie ging zu dem Jungen und tippte ihn an. „Ähm… Entschuldigung…“ Der Junge drehte sich zu ihr und sah sie an. Fay erschrak. An diese Augen würde sie sich wohl nie gewöhnen. Erleichtert begann sie zu sprechen. „Hey, du bist es ja wirklich! Sag mal, was ist mit deinen Haaren los? Hast du sie heute färben lasse, oder was? Was hast du überhaupt in Alpha zu suchen?“ Der Schwarzhaarige sah sie komisch an. „Kennen wir uns?“ „Mensch, hast du mich schon vergessen Dummkopf? Wir haben uns gestern im Park kennen gelernt.“ „Wovon redest du? Ich kenn dich nicht. Ich bin erst seit heute in der Stadt.“ „Ach, komm schon Chance! Lass die blöden Wi…“ Weiter kam sie nicht. Der Junge packte sie am Arm und sah sie mit gefährlich funkelnden Augen an. Er wollte etwas sagen, sah sich dann aber auf der viel bevölkerten Straße um und riss sie kurz darauf mit auf einen menschenleeren Platz, auf dem in der Mitte eine Statue stand. Er hielt Fay weiter am Arm fest, doch sie versuchte sich loszureißen. Als er sie wieder anfunkelte erstarrte sie. Die goldenen Sprenkel in seinen Augen vergrößerten sich und vertrieben das Schwarz. Seine Iris leuchtete nun komplett golden. „Was weißt du über meinen Bruder?!“, fauchte er sie an. Fay war zu erschrocken und stammelte, während sie zwischen seinen leuchtenden Augen hin und her sah: „W…wie, dein Bruder? Was meinst du damit?“ „Chance…!“ Voller Hass sagte er den Namen des Blonden. Seine Gedanken schweiften ab und er dachte an das schreckliche Szenario. Ein zerstörtes Dorf. Auf den Straßen lagen Leichen in einem See aus Blut. Sie haben gekämpft. Sie haben verloren. Der Blick des Jungen verlor sich im Nichts. Fay nutzte den Moment um sich loszureißen und eine sichere Distanz zwischen sich und den Typen zu bringen. Er tat nichts dagegen und starrte abwesend auf den Boden des Platzes, bevor er zu der Statue ging und sich auf den Steinkreis, welcher als Abgrenzung diente, fallen ließ und den Kopf in die Hände stützte. Fay ging vorsichtig auf ihn zu und setzte sich in sicherer Entfernung neben ihn auf den Stein. Der Junge schüttelte leicht den Kopf und flüsterte: „Tut mir leid..." Seine Stimme zitterte etwas. Danach: Schweigen. Um die peinliche Stille zu brechen versuchte Fay ein Gespräch zu beginnen. „Wie... heißt du eigentlich?" „Damian" „Ähm..., und Chance... ist dein... Bruder?" Diese Frage stellte sie lieber vorsichtig, wenn sie sich vor Augen hielt, wie er vorhin reagiert hatte. Damian zuckte bei Chance' Namen unweigerlich zusammen, antwortete aber. „Zwillingsbruder" „Ihr ähnelt euch wirklich extrem. Bis auf die Haare." „Ist eben so." Fays Hände verkrampften sich etwas. Diese kurzen, abgehackten Antworten nervten sie langsam. „Du magst deinen Bruder nicht, oder?" Damian sah sie mit einem fast verzweifelten Blick an. Das Gold in seinen Augen war dem ewigen Schwarz wieder gewichen. Nur die goldenen Sprenkel erinnerten noch daran. Ein paar Strähnen seiner Locken hingen ihm im Gesicht. „Ihn nicht mögen?! Ich hasse ihn!" „Aber warum? Er scheint doch sehr nett zu sein." Fay rückte ein Stück näher. Damian kam ihr nicht mehr gefährlich vor. „Hm..." Er sah zweifelnd nach vorn, auf eine der Hausfassaden. *Soll ich ihr davon erzählen? Einem wildfremden Mädchen? ...huh? Wildfremd...?* „Ach ja, wie heißt du eigentlich?" „Fay." *So, jetzt ist sie nicht mehr so wildfremd. Also... kann ich ihr doch davon erzählen...?* Damian seufzte einmal. Sein Gesicht war nach unten gerichtet. „Also, warum hasse ich... ihn?" Er hob seinen Kopf. „Na gut. Wie du wahrscheinlich weißt, sind wir beide Drachenmenschen. Zumindest größtenteils." Fay unterdrückte ein Kichern. Beide hatten die gleiche Art zu sprechen. Beide mit diesem >größtenteils<. „Wir sind keine vollkommen reinblütigen Drachenmenschen, bedeutet also, dass nicht alle unsere Vorfahren Drachenmenschen waren. Jedenfalls lebten wir in einem Drachenmenschen-Dorf in der Steppe." Er senkte den Kopf etwas und sprach leicht gequält weiter. „Und... vor ein paar Wochen... hat Chance das Dorf angegriffen. Und er hat alle getötet. Unsere Familie, Freunde und alle anderen. Grundlos! Er war ohne Ausnahme immer freundlich und nett und konnte keiner Fliege etwas zu leide tun. Dann war er plötzlich so aggressiv. Ich war zu der Zeit nicht im Dorf und bin erst einen Tag danach wieder gekommen, sonst hätte er mich wahrscheinlich auch..." Er ballte die Fäuste. „Dann bin ich seinen Spuren gefolgt und hab ihn nun endlich eingeholt." In seinen Augen brannte unendlicher Hass. Kapitel 3: Verabredung und neue Infos ------------------------------------- Fay saß wie erstarrt auf der Steinkante. Das was er erzählt hatte, das konnte doch nicht wahr sein! „A… aber… Chance scheint doch so nett zu sein... Das… Ich kann das nicht glauben…“ Damian sah sie mit tiefster Überzeugung an. Und immer noch loderte das Feuer in seinen Augen. „Fay. Es ist egal wie er auf dich wirken mag. Ich weiß genau, dass er das er das war und ich werde ihm das nie verzeihen!“ „Ähm…“ Fay fasste sich wieder und schüttelte den Kopf um ihre wirren Gedanken zu ordnen. „Wie kannst du dir so sicher sein, dass er das war?! Du hast gesagt, du warst zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Dorf!“ „Ich hab das ganze Dorf nach Überlebenden abgesucht und habe zum Glück wenigstens einen gefunden, der mir erzählte, was passiert war.“ Sein Blick drohte schon wieder im Nichts zu versinken. „Überlebender…? Wie kann ich das sagen? Er war ja eh schon halb tot…“ Fay sah ihn an. In ihren Augen funkelte Trauer. Sie würde wahrscheinlich nie richtig verstehen können, wie er sich fühlte oder was er durchmachen musste. Dennoch versuchte sie es. Aber trotzdem. Sie konnte sich nicht davon überzeugen, dass Chance das ganze Dorf in Schutt und Asche gelegt haben soll. Irgendwie musste sie der Sache auf den Grund gehen. Morgen hatte sie die Gelegenheit dazu, denn sie wollte sich mit Chance im Park treffen. Fay überzeugte Damian davon, auch morgen in den Park zu kommen, bevor sie sich auf den Heimweg machte. Wohin der Schwarzhaarige Drachenmensch ging, wusste sie nicht, aber der würde schon zu recht kommen. Auf dem Weg nach Hause ging der Schwarzhaarigen viel durch den Kopf. Hatte sie richtig gehandelt? War eine direkte Konfrontation der Brüder wirklich gut? Damian war schon so aggressiv, als sie nur über Chance gesprochen haben. Wer weiß schon, wie er reagieren würde, wenn er seinen verhassten Bruder trifft. Nur jetzt war es wahrscheinlich zu spät, um das zu ändern… Der darauf folgende Schultag hätte für Fay nicht schnell genug vergehen können. Wenigstens hatte sie einigermaßen annehmbare Schulfächer, darunter eine Stunde Drachenmenschenkunde, oder seit neustem D-Kunde. Diese Abkürzung war unter Schülern und Lehrern weit verbreitet, weil fast jeder das andere Wort zu lang fand. In der Stunde von gestern wurde nur erzählt, was sie schon von Xander gehört hatten, aber in dieser Stunde gab es einige neue Informationen. Zum Beispiel hat jeder Drachenmensch einen für ihn bestimmten Lebensraum. Manche gehören in die Windebenen, sie haben spezielle Sensoren, die ihnen sagen, ob ein Wirbelsturm in der Nähe ist. Außerdem können sie Kräfte freisetzen, welche sie sozusagen an den Boden kleben. So werden sie nicht weggeweht, außer sie wollen. Denn sie lassen sich mit Absicht in die Wirbelstürme wehen um zu jagen. Zu dem Zweck haben sie spezielle Taktiken entwickelt, durch die sie nicht von den Stürmen herum geschubst werden und auch heil wieder auf den Boden kommen. Und so gibt es auch Drachenmenschen die in Eislandschaften, Steppen oder sogar in das Meer gehören. Aber sie müssen dort nicht leben, wenn sie nicht wollen. Drachenmenschen können problemlos auch in Gebieten leben, für die sie nicht gemacht sind. Zwar haben sie nicht die Vorteile für das Gebiet, aber meistens geht es. Fays Hefter war nach der Schule voll von Beispielen für Merkmale der unterschiedlichen Gebietsausrichtungen der Drachenmenschen, aber sie fand es trotz der ganzen Schreiberei interessant. Am Schultor sprach sie noch mit ihren Freunden. Das Treffen mit Chance und Damian würde noch etwas dauern. Anna hüpfte schon wieder aufgeregt herum. „Fay, erzähl uns morgen bitte was da so los war. Meine Güte, ich bin so aufgeregt! Bist du auch so aufgeregt?“ Die Angesprochene wedelte mit der Hand um Anna zu bedeuten, dass sie still stehen soll. „Ja ja, sehr aufgeregt.“ Nach außen sah es zwar wirklich so aus, doch im inneren hatte sie Angst vor dem Treffen. Was ist wenn sie plötzlich anfangen zu streiten, oder wenn sie sogar kämpfen?! Vielleicht ist das so bei Drachenmenschen, vielleicht auch nicht. Sie wusste es einfach nicht. Vielleicht sollte sie einfach nicht hingehen… Obwohl das auch nicht das Beste wäre. Dann wäre dort niemand, der sie aufhalten würde. Logischerweise musste sie also zu dem Treffen. Die Sache war demzufolge beschlossen. In ein paar Stunden würde sie sehen, welche Folgen das Aufeinandertreffen haben würde! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)