Bananeneis von Raija ================================================================================ Kapitel 18: Wir --------------- Mit dröhnenden Kopfschmerzen erwachte Mara aus ihrem komatösen Schlaf. Ihr war hundeelend. Als sie sich im Bett aufrichtete, drehte sich die Welt und sie befürchtete, sich erneut übergeben zu müssen. Doch das Schicksal ersparte ihr diese Peinlichkeit. Barfuß tapste sie in den offenen Wohnbereich. Erwin saß, das Profil ihr zugewandt, auf der dunklen Ledercouch. Seine Ellenbogen hatte er auf seine Knie gestützt und sein Kopf lag in seinen Händen. Er sah aus, als habe er die ganze Nacht dort gesessen und gegrübelt. Er wirkte müde und mitgenommen. Sofort bekam Mara ein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich so daneben benommen und er war so gut zu ihr gewesen. Wie konnte sie nur so eskalieren? Sie wusste nicht, wie sie die Entschuldigung, die bitter nötig war, einleiten sollte, also räusperte sie sich kurz. Erwins Kopf schnellte hoch und er erfasste sie mit seinem Blick. „Mara", flüstere er ihren Namen und erhob sich. Ein Schauder lief über ihren Rücken und es schüttelte sie kaum merklich. Doch er hatte es bemerkt. Er nahm eine dünne Wolldecke von der Couch, schritt auf die zu und legte ihr die Decke um die Schultern. „Geht es dir besser?", fragte er. Die Besorgnis in seiner Stimme brachte die feinen Härchen auf ihren Unterarmen dazu sich aufzurichten. „Mir geht es gut", krächzte sie mit belegter Stimme. Er war ihr wieder so nah, dass sie sein Parfum riechen konnte. Alles in ihr schrie danach, sich an seine Brust zu lehnen und diesen Duft zu inhalieren. Stattdessen begaben sie sich zur Couch. Erwin nahm seinen vorherigen Platz wieder ein, während Mara sich neben ihn setzte und die nackten Beine nah an den Körper zog. „Es tut mir leid", begann sie und legte die Decke um ihre Beine. „Ich war letzte Nacht echt ein ganz schönes Miststück." „Wir alle schlagen hin und wieder über die Stränge", sagte Erwin. Mara hob den Blick und sah ihn fragend an. „Du auch?" „Vielleicht." Erwins Mundwinkel zuckten verschwörerisch. Von seiner müden Gestalt war nichts mehr zu erkennen. Er wirkte wach und aufmerksam. „Jedenfalls verstehe ich, wieso du so geheimnisvoll getan hast." Seine Gelassenheit wich augenblicklich. Verunsichert kaute Mara auf ihrer Unterlippe. „Ich kann nachempfinden, warum du es mir nicht gleich sagen wolltest. Solche Intimitäten schreit man nicht in die Welt hinaus. Aber ich bin dankbar, dass du mich eingeweiht hast. Auch, wenn du es dir anderes vorgestellt hast." Noch immer sah Erwin auf die Tischplatte vor ihnen. Noch immer sagte er kein Wort. „Du redest nicht gerne darüber, hab ich recht?", fragte sie zart, bedacht darauf seine Gefühle nicht zu verletzen. Er seufzte. „Die bisherigen Gespräche darüber waren meist nicht sehr erfreulich und endeten im Streit", gab er zu. Endlich sah er sie an. Sie erkannte, wie unangenehm das Thema für ihn war und konnte nur erahnen, welche Probleme es bis dato ihm bereitet hatte. „Verstehst du dich deswegen nicht mit deinen Eltern?" Er hatte ihr einst erzählt, dass seine Eltern den Kontakt zu ihm abgebrochen hatten, weil er ihren Erwartungen nicht gerecht werden konnte. Sollte das der Grund dafür sein? „Ja." Wie grausam. Immerhin war es nicht seine Entscheidung gewesen keine Kinder in die Welt setzen zu können. Um ihn nicht weiter zu quälen wechselte sie das Thema, obwohl dieses auch nicht unbedingt angenehm war. „Und was ist mit Hannah? Wieso hat sie dich abgerufen?", wollte sie nun wissen. „Ich habe vor einem Jahr eine Nacht mit ihr verbracht - nur eine einzige. Seit wir uns vor deiner Haustür wieder begegnet sind will sie mir das Kind aufschwatzen", antwortete Erwin, wobei er sich über das leicht stoppelige Kinn strich. Mara wurde bewusst, dass sie ihn in all der Zeit noch nie so gesehen hatte. Sonst hatte er immer so professionell und unantastbar gewirkt. Nun schien er wirklich alle Karten auf den Tisch zu legen. Er zeigte sich von einer anderen Seite. Eine verwundbare, sensible Seite. „Hast du ihr gesagt, dass das nicht in Frage kommt?" „Nein, aber einen Vaterschaftstest machen lassen, damit sie Ruhe gibt." Er deutete auf einen Brief auf dem Tisch vor ihnen. „Das ist das Ergebnis." Der Brief war noch ungeöffnet. „Du kannst ihn aufmachen, wenn du möchtest", sagte er. Einen Augenblick starrte Mara auf den weißen Umschlag. „Nein, ich glaube dir", meinte sie dann und sah ihm direkt in die Augen. In dieses wunderschöne Blau, das sie jedes Mal aufs Neue verzauberte. Stille breitete sich zwischen ihnen aus. „Empfindest du es als schlimm?", fragte Erwin schließlich in diese Stille. Seine Stimme war fast nur ein Flüstern, als fürchtete er sich vor der Antwort. „Was?" „Meinen 'Makel'?" Mara überlegte. Horchte tief in sich hinein. „Ich habe noch nie wirklich das Bedürfnis verspürt Kinder zu bekommen", antwortete sie ehrlich, wobei sie nachdenklich zur Decke starrte. Als sie Erwin wieder ansah, traf sie die Intensität seines Blickes so heftig, dass sie nach Luft schnappte. „Wirklich?" Sie nickte. „Wirklich." „Und wenn du irgendwann deine Meinung änderst?" „Dann finden wir schon eine Lösung", sagte sie optimistisch. Ein Lächeln legte sich dabei auf ihre Lippen. Ja, sie war zuversichtlich. Noch immer sah er sie so eindringlich an. Suchte wahrscheinlich nach Zweifeln in ihrer Aussage. Doch wurde er nicht fündig. Die nächsten Worte, die er sagte, hätten sie beinahe umgehauen. „Ich liebe dich." In all der Zeit, in all den Monaten, die sie miteinander verbracht hatten, waren diese drei magischen Worte nicht ein einziges Mal gefallen. Überrascht sah sie ihn an, gerührt von diesem Geständnis. Ein Orkan voller Schmetterlinge tobte in ihrem Bauch, während alle Blutkörper in ihren Adern zu tanzen begannen. Ihr war heiß und kalt zugleich. So wie damals, als sie in ihn hinein gerannt war. Wie ferngesteuert legte sie ihre Hände in seinen Nacken und zog ihn zu sich. Kurz bevor ihre Lippen sich berührten hauchte sie eine Antwort. „Ich liebe dich auch." Zwei Wochen später wurde nun endlich Levis Prozess durchgeführt. Mara saß zusammen mit Hanji und Petra, die ihr noch immer Vorhaltungen machten, weil sie in der Silvesternacht einfach verschwunden war, auf den Zuschauerbänken. Isabel und Farlan waren auch anwesend und saßen einige Reihen weiter hinten. Sie alle fieberten auf das erlösende Urteil, damit dieses Drama endlich ein Ende fand. Levi saß neben seinem Anwalt, wirkte uninteressiert wie eh und je, doch konnte Mara sich verstellen, was in ihm vorging. Als hätte er ihren Blick bemerkt, sah er zu ihr hinüber. Aufmunternd lächelte sie ihn an, da lehnte sich sein Anwalt zu ihm hinüber und flüstert ihm etwas ins Ohr. Mara sah zu Hannah, die Levi gegenüber an der Seite ihres Anwaltes saß. Sie war mal wieder aufgedonnert, als wollte sie danach auf den Babystrich gehen. Erbost schüttelte Mara den Kopf. „Schaut euch nur dieses Flittchen an. Kann die sich nicht mal ordentlich anziehen?", knurrte sie gedämpft. „Sagt die Partymaus, die sich auch nicht zu benehmen weiß", flüsterte Petra rechts von ihr. Solche verbalen Ohrfeigen musste sie seit Silvester des Öfteren einstecken. Ja, sie hatte es verdient für ihr ungezügeltes Verhalten bestraft zu werden, aber ihre Freundinnen waren echt nachtragend. Hanji kicherte, da sie sah, wie Mara genervt die Augen verdrehte. „Selbst gewähltes Elend", sagte sie mit boshaften Unterton. Hanji genoss es regelrecht Mara damit aufzuziehen. Bevor diese zum Konter ansetzen konnte, zog der Richter alle Aufmerksamkeit auf sich. „Im Namen des Volkes verkünde ich folgendes Urteil: In der Familiensache Levi Ackerman gegen Hannah Ackerman, geborene Bartel, erkennt das Amtsgericht Trost für Recht: Die am 20.04.2011 vor dem Standesbeamten in Trost geschlossene Ehe der Parteien als geschieden. Da Herr Ackerman nachweislich nicht der Vater des Kindes ist, hat die Antragstellerin keinerlei Anspruch auf Unterhalt." Der Richter nahm einen hölzernen Hammer zur Hand und schlug einmal auf den Pult. „Die Verhandlung ist damit beendet." Alle Angehörigen des nun geschiedenen Mannes atmeten erleichtert auf. Mara konnte den Stein, der Levi vom Herzen fiel, förmlich auf den Boden aufschlagen und zerbröckeln hören. Endlich war dieses Affentheater vorbei. Später traten Levi und Mara aus dem Gerichtsgebäude. Am Ende der steinernen Treppe stand Erwin und blickte zu ihnen empor. Augenblicklich erschien ein breites Grinsen in Maras Gesicht, das sich in Erwins Zügen wiederspiegelte. Levi nahm sie plötzlich bei der Hand. Erstaunt sah sie zu ihrem Bruder. „Wenn er dir noch einmal das Herz bricht, dass breche ich ihm das Genick“, stellte er deutlich klar. Sie lachte. „Du bist der Beste!“ Schnell hauchte sie ihm einen Kuss auf die Wange, ehe sie die Treppen hinunter hastete. Die letzten Stufen ließ sie aus, machte stattdessen einen großen Satz nach vorne. Direkt in Erwins Arme. Dieser fing sie auf und drehte sich einmal um die eigene Achse, bevor sie sich innig küssten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)