Bananeneis von Raija ================================================================================ Prolog: Eine fluchende Lady --------------------------- Eilig tippelte sie durch die automatische Drehtür hinaus auf die belebten Straßen der Stadt Shiganshina. Eisiger Wind und Regen schlugen ihr entgegen, weshalb sie den Kragen ihres Mantels schützend hoch klappte. Vor wenigen Minuten hatte sie ihren letzten Arbeitstag im Reisebüro Rose Adventures, das im Einkaufszentrum lag, hinter sich gebracht und versuchte nun noch rechtzeitig den Bus nach Hause zu bekommen. Wie jedes Mal, wenn sie Feierabend hatte, kaufte sie sich noch ein Bällchen Bananeneis, als kleine Belohnung für den überstanden Tag. Mit der freien Hand kramte sie nach ihrem Smartphone in der Manteltasche, denn sie musste unbedingt ihren Bruder anrufen. Gleichzeitig wandte sie das Gesicht vom Regen ab, der ihr frontal entgegen wehte. Plötzlich stieß sie gegen etwas, prallte ab und landete mit ihren vier Buchstaben auf dem nassen Beton. „Verfickte Scheiße!“, rief sie aus, denn das Eis klebte nun an ihrem Mantel und das Handy schlitterte über den Boden, bis es vor einem gepflegtem Paar Lackschuhe zum Stehen kam. „Eine fluchende Lady“, stellte der äußerst attraktive Besitzer dieser Schuhe schmunzelnd fest und bot ihr seine Hand an, um ihr aufzuhelfen. Perplex starrte sie ihn an, während seine himmelblauen Augen sie neugierig musterten. Eine seiner markanten Augenbrauen zuckte belustigt, da wurde ihr bewusst, dass sie ihn noch immer mit leicht geöffnetem Mund angaffte. „Entschuldigung, ich habe nicht geschaut, wo ich hinlaufe“, sagte sie hastig, ehe sie seine helfende Hand ergriff. Als ihre Finger seine Haut berührten durchfuhr ein Stromschlag ihren Körper. Die feinen Härchen an ihren Unterarmen richteten sich auf, während ein Schauer über ihren Rücken lief. „Und entschuldigen Sie mein Fluchen, das sollte ich mir unbedingt abgewöhnen“, setzte sie hinterher, sobald sie wieder auf ihren Füßen stand. „Schon in Ordnung, wir haben alle mal einen schlechten Tag“, winkte er ab und hielt seinen Regenschirm über ihren Kopf, damit sie nicht weiter durchnässt wurde. Dabei standen sie sich so nahe, dass sie den warmen, holzig-würzigen Duft seines Parfums wahrnehmen konnte. „Was Sie nicht sagen“, stimmte sie zu und musterte seufzend den Fleck auf ihrem Mantel. Das sollte eigentlich das letzte Eis für eine lange Zeit werden, denn morgen schon würde sie in eine andere Stadt ziehen und ob sie da ihr geliebtes Bananeneis bekommen würde, war noch ungewiss. Ein Taschentuch wurde ihr entgegengehalten. Es war aus strahlend weißem Stoff, mit blau eingestickten Verzierungen, die der Farbe seiner Augen glichen. Dankend nahm sie es entgegen und wischte sich die Reste ihrer Leckerei vom Mantel. „Darf ich Ihnen als Wiedergutmachung einen Kaffee ausgeben?“, fragte er mit einem charmanten Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Seine freie Hand strich durch seine Haare, die den Blondton von reifen Bananen besaß. „Danke, aber ich habe es sehr eilig“, wies sie ihn ab, obwohl alles in ihr schrie sich von diesem Mann einladen zu lassen. „Das habe ich gemerkt.“ Wenn ihm ihre Abweisung missfiel, so ließ er es sich nicht anmerken. Noch immer umspielte ein Lächeln seine Lippen. „Verdammt, mein Handy“, bemerkte sie plötzlich. Sie hatte es bei ihrem Sturz fallen lassen. Hektisch suchte sie den Boden mit ihren Blicken ab und drehte sich dabei im Kreis. Der Schirmträger bückte sich in der Zwischenzeit, fischte ihr Handy aus der Pfütze und übergab es ihr. „Danke“, sagte sie abermals. Hoffend, dass das Smartphone noch funktionierte, drückte sie auf den Homebutton und zu ihrem Glück leuchtete das Display auf. Als sie jedoch die Uhrzeit ablas, ließ sie die Schultern sinken. „Den Bus habe ich wohl verpasst“, seufzte sie und ihre Mundwinkel zogen sich nach unten. „Dann lassen Sie mich wenigstens ein Taxi für Sie rufen.“ Schon trat er die wenigen Schritte zur Straße und winkte ein Taxi heran. Als der Wagen neben ihnen hielt, öffnete er die Tür für sie, immer noch darauf bedacht sie mit dem Regenschirm vor dem Wetter zu schützen. Überrumpelt sah sie zwischen ihm und dem Taxi hin und her, widersprach jedoch nicht und stieg ein. „Vielen Dank“, bedankte sie sich erneut. „Keine Ursache.“ Er beugte sich zu dem geöffneten Beifahrerfenster hinab und überreichte dem Fahrer einen Geldschein. „Der Rest ist für Sie“, sagte er und richtete sich wieder auf. Zum Abschied hob er die Hand und zeigte ein weiteres Mal bei einem atemberaubenden Lächeln seine weißen, geraden Zähne. In dem Moment, in dem sie ebenfalls grüßte, fuhr der Wagen los und sie bemerkte, dass sie noch immer sein Taschentuch in der Hand hielt. Tatsächlich war sie so durch den Wind gewesen, dass sie vergessen hatte, es ihm zurück zu geben. Sorgsam faltete sie es auseinander und betrachtete die Stickereien am Rand des Tuches. In einer Ecke waren zwei Buchstaben eingestickt. E.S. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)