Gib dich nicht auf von KatieBell ([Kai x Hiromi]) ================================================================================ Kapitel 5: Vorsicht 2.1 ----------------------- Die letzten drei Stunden waren die pure Hölle auf Erden für ihn gewesen. Auch wenn der Plan leicht durchdacht war, kamen dennoch leichte Probleme hinzu. Kurz bevor er seine Sachen zusammen gepackt hatte und sein Büro wieder verlassen wollte, rief er noch einmal kurz beim Bürgermeister an. Er hatte eigentlich an alles gedacht, aber dass er am folgenden Montag ein Meeting hatte, hatte er natürlich nach der ganzen Aufregung komplett vergessen. So hatte er ihn also am Telefon gebeten, ob man den Termin nicht verschieben könne. Doch er stieß da leider auf sehr viel Ignoranz und Unnachgiebigkeit. Dem Graublauhaarigen blieb also wohl oder übel nichts anderes übrig, als Yuriy die gesammelten Daten zukommen zulassen mit der Notiz – Vermasselt es bloß nicht! Danach war er hinausgestürmt und hatte sein Apartment aufgesucht, in dem er eigentlich so gut wie nie anzutreffen war. Die meiste Zeit hatte er sich in der Firma aufgehalten. Immerhin war das nun sein Lebensunterhalt. Auch wenn dabei nicht allzu viel absprang. Aber durch sein Erbe ließ es sich ganz gut damit leben. Dennoch. Sein Apartment besaß zwei Stockwerke, eine gute Aussicht auf Moskaus Stadtleben, eine komfortable Einrichtung mit allem Schnickschnack, dezente Dekoration und einer schwarzen Streunerkatze, die er aus einer Seitengasse einmal aufgegabelt hatte. Aber auch dieses Kätzchen war nicht häufig hier. Nur bei schlechtem Wetter ließ sie sich hier herab, um sich vor Regen, Wind und Schnee zu schützen. Aber das war in Ordnung so. Er wusste mittlerweile gar nicht mehr, wann er ein Faible für Katzen entwickelt hatte. Es fing jedenfalls schon früh in seiner Kindheit an. Irgendwie, hatte er sich selbst immer mit ihnen verglichen. Denn auch sie waren in den meisten Fällen Einzelgänger, taten nur das was ihnen gefiel, waren nachtaktiv und waren gerade deswegen immer auf der Hut vor Unbekanntem. All diese Eigenschaften traten auch bei ihm auf. Man könnte meinen, er würde sich zu den Katzen verbunden fühlen und deswegen half er ihnen, wenn sie sich zum Beispiel in einer misslingen Lage befanden. Nichtsdestotrotz. Er hatte sich eine Sporttasche geschnappt, ein paar Klamotten zum Wechseln eingepackt und hier und da ein paar Pflegeprodukte. Zu guter Letzt stand er in seinem Schlafzimmer und hatte Minutenlang auf seine Nachttischschublade gestarrt. Seit er wieder in Russland war, hatte er seinen Blade dort hinein gelegt. Er hatte allgemein mit dem Bladen aufgehört. Es hatte ja doch keinen Sinn mehr gehabt. Aufbewahrt hatte er Dranzer dennoch. Sorgfältig in dieser Schublade. Das war jetzt drei Jahre her. Es tat irgendwie weh, ihn so lange nicht mehr in seiner Hand gehalten zu haben. Jeder, der nicht so viel mit dem Beybladen verband, wie Kai – konnte das natürlich nicht verstehen. Aber für ihn war dieser Kreisel sein Leben gewesen. Unglaublich, wie ein einfaches Kinderspiel ihn so versessen werden ließ. Mit langsamen Schritten hatte er sich dem Nachttisch genähert und wollte den Knauf der Schublade berühren, als er kurz innehielt. Er wog ab, ob es Sinn machte, ihn überhaupt mitzunehmen. Doch nicht einmal drei Sekunden vergingen, da hatte er die Schublade geöffnet und sah seinem blauen Blade entgegen. Mit einem kurzen Lächeln, schnappte er sich diesen und verstaute ihn ebenfalls gut verpackt in seiner Sporttasche. Kai hasste Flughäfen wie die Pest. Es waren eindeutig immer zu viele hektische und gestresste Menschen unterwegs. Laut brüllende Kinder, die noch beim Kiosk um die Ecke Süßigkeiten mitnehmen wollten. Erwachsene, die beim Souvenirshop anstanden. Ältere Herrschaften, die sich noch einen Kaffee gönnten und natürlich nicht zu vergessen die Zeitungsboten, die überall an jeder noch so kleinen Ecke standen, um ihre Magazine an den Mann zu bringen. Der junge Mann schnaufte laut aus und winkte nun schon dem fünften Jungsporn ab, eine Zeitung zu kaufen. Er wollte doch nur schnell durch den Check-In, sein Gate aufsuchen und dann darauf warten, dass er sich endlich ins Flugzeug bewegen konnte. Es war mittlerweile schon 11.10 Uhr. Nach dem Ticket, welches Yuriy ihm aufgezwungen hatte, ging sein Flug um 12.05 Uhr. Er hatte also jetzt gerade Mal noch knapp eine Stunde Zeit. Na wenn das nicht knapp werden würde… Als er am besagten Check-In ankam rollte er seine Augen einmal genervt rundherum. Die Schlange die sich vor ihm aufbäumte war gelinde gesagt, beschissen lang. Alle Durchgänge, sechs Stück an der Zahl, waren besetzt und in jeder Reihe versuchten sich die Passagiere durchzudrängeln. Die Zollbeamten in Mitten dieser Maßnahme sahen jetzt schon leicht gestresst aus und mit jedem unfreundlichen Kunden nahm dieser Stress nur noch mehr zu. Kai schulterte sich seine Sporttasche mit der rechten Hand und verstaute leicht genervt seine linke Handinnenfläche in seiner Jeanstasche. Das würde definitiv länger dauern. Und so kam es auch. Alle fünf Minuten konnte er einen größeren Schritt nach vorne vagen. Nervös hatte er sein Smartphone aus der hinteren Hosentasche herausgeholt und sah immer wieder auf die digitale Uhrzeit. Als er zum vierten Mal drauf sah, erkannte er eine Statusnachricht, die er über Whats App erhalten hatte. Schnell hatte er die Navigationsleiste via Touchscreen heruntergezogen und den Messenger geöffnet. Er verhinderte gerade noch so, dass ihm ein lautes Stöhnen entwich, als er Yuriys Namen auf dem Display erkannte. Offenbar hatte der Rothaarige bemerkt, dass er weg war und wollte wahrscheinlich nichts anderes tun, als ihm seine Entscheidung unter die Nase zu reiben. Dem war auch so. Allerdings mit einer weiteren Nachricht, die wiederum ein Grinsen auf seine sonst so kalten Züge erschienen ließ. Der Russe hatte sich über die Daten, die Kai ihm per Mail zugesendet hatte, aufgeregt. Er verstand nämlich absolut gar nichts davon, was der Graublauhaarige die letzten Stunden zusammengefasst hatte. Was auch nicht wirklich verwunderlich war. Yuriy hatte sich bisher immer nur um den Kundenkontakt gekümmert und noch nie zuvor sich in die komplizierten Büroarbeiten hineinversetzt. Meistens hatte Kai Sergej an seiner Seite. Denn ungelogen, war er ein richtiges Mathegenie. Bei diversen Berechnungen hatte er ganz gerne mit ihm zusammen gearbeitet. „Sir?“, fragte eine männliche Stimme und Kai sah auf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er mittlerweile am Eingang des Check-Ins stand und der Zollbeamte ihn aufgefordert hatte seine Tasche aufs Band zu legen. Ohne eine Antwort zu geben hievte er seine Sporttasche auf das Fließband und auch seine schwarze Lederjacke zog er aus, um diese dazu zu legen. Er ging danach unbeeindruckt an dem Mann vorbei. Schnell versuchte er noch eine Antwort für Yuriy zu tippen, in dem er andeutete, dass er zurzeit in Eile war und er anrufen würde, sobald er in Japan gelandet sei. Nachdem Abschicken steckte er sein Smartphone wieder in die hintere Jeanstasche und ging durch die Torsonde. Natürlich musste es gleich anfangen zu piepen, als er hindurch war. Er seufzte und sah einen Sicherheitsdienst der Polizei auf sich zugehen. Er bat ihm alle metallischen Gegenstände in eine Box zu legen und dann noch einmal durch die Torsonde zu gehen. Er tat wie ihm angeordnet wurde und legte sein Handy und seine Geldbörse in die genannte Box. Sowie seinen Gürtel, der auch eventuell dazu beitragen könnte, dass es bei ihm angeschlagen hatte. Nach diesem Schauspiel ging er erneut hindurch und wieder piepte es. „Kommen Sie bitte hier hin, Sir.“, sagte der Beamte und zog ihn aus der Reihe, „Haben Sie noch spitze Gegenstände in den Taschen? Waffen, oder-“ „Nein.“, sagte er wahrheitsgetreu, aber dennoch leicht genervt. „Dann vollführe ich nun bei Ihnen eine Handsonde.“, erwiderte er und begann auch schon mit dem Abtasten an Kais Körper. Er fand das dagegen zwar ärgerlich und zeitraubend, aber okay. Der Kerl machte ja auch nur seinen Job. Die Handsonde ging nicht besonders lange. Vor allem, als er in seiner anderen Hosentasche einen Schlüsselbund herauszog. Kai hätte sich selbst schlagen können. Dass er an den nicht mehr gedacht hatte, war eher peinlich gewesen. Ein leichtes Lächeln des Beamten erfolgte und schickte ihn nochmal durch die Schranke. Diesmal, als wäre es ein Wunder, piepste nichts. – Der Schlüsselbund war also der Attentäter gewesen. Kai nahm danach seine Wertgegenstände wieder auf und bekam am Ende noch seine Sporttasche zurück. Schnell zog er seine Jacke wieder an und machte sich auf den Weg zu seinem Gate. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich zum richtigen Gate durchgeschlagen und stellte sich abermals in einer Schlange an, die die Tickets kontrollierten, um sie danach in den Shuttlebus weiterleiten zu können. Kai gab dem Herrn sein Flugticket und dieser entwertete die Karte mit einem Zwicker. Danach bekam er es wieder und konnte durch den Gang zum Bus laufen. Für die kurze Fahrt hatte er sich keinen Sitzplatz ausgesucht, sondern blieb einfach neben der Bustür stehen. Die Tasche stellte er dafür aber auf den Boden ab und griff zur nächsten Halterung, um sich festzuhalten. Während noch die anderen Passagiere einstiegen sah er sich noch einmal das Flugticket genauer an. Die letzten Stunden hatte er kaum die Zeit gefunden, den Wisch richtig zu studieren. Eben bis auf das Datum und die Uhrzeit. Was ihm nun auffiel, war die Tatsache, dass es sowohl für den Hinflug galt, als auch für den späteren Rückflug. Kai war sich nicht so sicher, was er von der Zeitspanne halten sollte. Genaugenommen hatte er also eine gute Woche Zeit, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Oder… wenn er es versaut, würde er eine gute Woche in Japan festsitzen. Nicht, dass er das Ticket auch umschreiben lassen könnte, falls dieser Notfall eintreten würde. Aber… besser war es doch erst einmal positiv zu denken. Seine linke Hand schoss zur hinteren Jeanstasche und zog abermals sein Smartphone aus dieser. Kurz entsperrte er das Display, um kurz auf die Uhr schauen zu können. Punkt 12.00 Uhr Mittag. Wenn der Flieger pünktlich aus Moskau rausflog, dann würde er zirka kurz nach 21.00 Uhr in Tokyo landen. – Nach russischer Zeit versteht sich. In Japan wäre es dann sogar schon Sonntag, 03.00 Uhr nachts. Er spekulierte dennoch darauf, dass es immer ein paar mehr Minuten werden würden. Das hatte die Fluggesellschaft schon immer an sich gehabt. Gab es zu der heutigen Zeit überhaupt noch öffentliche Verkehrsmittel, die sich strikt an den Zeitplan hielten? Er bezweifelte dies mittlerweile sehr stark. Der Shuttlebus fuhr an und der Graublauhaarige wurde so überrascht, dass er ruckartig nach vorne stolperte. Jedoch fing er sich recht schnell wieder und sah über die gesamte Flugbahn. Hoffentlich würde es bei diesem Flug nicht zu Komplikationen kommen. Denn wenn er ehrlich war, wurde er bei dieser gesamte Sache schon ein wenig mulmig zu mute. Auch wenn seine Befürchtungen eher absurd waren. Man konnte die Tatsache drehen und wenden. Fliegen war immer noch einer der sichersten Verkehrsmittel. Unfälle gab es immer und überall. Und definitiv gab es mehr am Boden, als in der Luft. Das miese Gefühl blieb dennoch… Abgehoben. Endlich. Unruhig aber doch irgendwie befreit von all den Dingen, die ihn in den letzten Monaten beschäftigt hatten, fielen von seinem Herzen herab. Die Flugbahn wurde immer kleiner und die Großstadt war nun nur noch minimal erkennbar. Erleichtert davon lehnte sich der Graublauhaarige in seinen Sitz zurück und schloss seine Augen. Seine Hände ruhten derweil auf den Armlehnen. Ja, verdammt. Er war erleichtert. Erleichtert darüber, alles endgültig hinter sich lassen zu können. Doch irgendwie blieb auch ein bitterer Nachgeschmack. Er öffnete seine Augen wieder und sah wieder aus seinem Fenster zu seiner linken Seite. Mittlerweile waren sie schon durch die Wolkendecke gebrochen und man konnte nur noch die Länder unter ihnen erahnen. Genau darüber nachdenken konnte er jedoch nicht. Ständig fragte er sich, ob er das Richtige tat. War es denn richtig? Nach allem einfach wieder abzuhauen? Er hatte sein Ziel immerhin nicht erreicht. Er war kein Weltmeister, er hatte Takao nicht besiegen können und… sie hasste ihn. – Nicht gerade tolle Aussichten auf die Zukunft. Andererseits,… was hätte er dagegen tun können? Die Weltmeisterschaft war Geschichte, dass wusste er und er könnte es jetzt auch nicht mehr ändern. Er kam einfach nicht an den Blauhaarigen heran. Daran gab es nun nichts mehr zu rütteln. Aber… das mit Hiromi hätte er klären können. Hätte. Hatte er aber nicht. Warum genau wusste er nicht so genau. Er konnte einfach nicht über seinen Schatten springen und konnte daher auch nicht den Schritt auf sie zu wagen. Und dafür gab es reichlich Chancen. Er konnte es einfach nicht. Diesen Mut auffassen, zu ihr zu gehen und sich entschuldigen. Entschuldigen für seine mehr als harten Worte, die er eigentlich gar nicht aussprechen wollte. Sie hatte ihn damals auch zu einer völligen falschen Zeit angesprochen und dann kam irgendwie eins zum anderen. Manchmal… da würde er die Zeit gerne zurückdrehen. Dann hätte er ihr damals nicht den Mund verboten. Wenn sie diesen bedeutsamen Satz hätte sagen können… dann wäre heute mit Sicherheit vieles anders gewesen. Dann wäre es realer gewesen und mit einer Bestimmtheit, die er nicht einfach so ausblenden konnte, oder gar wollte. Zum Beispiel hätte er sich keinen Druck mehr machen müssen. Er hätte sich ihr gegenüber nicht immer so schuldig gefühlt. Er wäre nach der Weltmeisterschaft zu ihr gegangen und wäre vielleicht sogar bei der Braunhaarigen geblieben. Dann würde er nicht jetzt in diesem Flieger sitzen, zurück in eine Heimat, die er eigentlich doch hassen sollte und doch nicht konnte. Es war für Kai der einzige Weg zu alldem Abstand zu gewinnen und sie eventuell zu vergessen. So,… wie er alles immer vergessen und verdrängen wollte. Er würde hier und heute ein neues Leben anfangen. Sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und auch etwas daraus machen. Schluss mit all den negativen Gedanken. Jetzt konnte es eigentlich doch nur noch bergauf gehen. – In seiner alten, neuen Heimat. Russland. * * * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)