Maria saß in einem kleinen Raum, schlicht eingerichtet, helle Farben. Ihr Zimmer. Sie lag auf ihrem
Bett, hatte den Kopf auf ihren verschränkten Armen abgelegt. Ihre dunklen, glatten Haare
umrahmten ihr Gesicht wie ein Fächer. Ihr Blick schweifte ruhelos umher. Es war ein merkwürdiger
Tag gewesen. Es hatte beim Frühstück angefangen, sie war pünktlich gewesen, doch ihre beste
Freundin hatte verschlafen, so dass sie gezwungen war alleine zu essen. Sie kam mit den anderen
Leuten im Internat nicht wirklich klar und hatte es irgendwann aufgegeben Anschluss zu suchen. Maria hatte nur den Kopf geschüttelt, als ein paar der Mädchen über ein anderes hergezogen waren,
weil sie sich die Haare blau gefärbt hatte.
Der Unterricht war in Ordnung gewesen, doch sie hatte sich nicht wirklich auf etwas konzentrieren
können. Es war mal wieder einer dieser typischen Nicht-Tage. Alles kam ihr vor wie ein Traum, leicht
verschwommen, alle Geräusche weit entfernt, wie in Watte gepackt. Fast so als könne sie keinen
Einfluss auf ihre Umwelt nehmen, als würde sie niemand hören können, wenn sie versuchte zu
sprechen. Was sie nicht tat. Sie sprach allgemein nicht viel.
Maria war nicht wie der Rest. Sie wusste nicht ob das gut oder schlecht war. Es war ihr egal was
irgendwelche Stars taten, was sie anzogen, welche Filme aktuell waren und sie machte sich nicht nur
Gedanken um Jungs. Sie hatte großes mit ihrem Leben vor, doch ihr war bewusst, dass es viel harte
Arbeit benötigen würde um ihrem Traum nahe zu kommen. Sie wollte die Welt sehen. Als Pianistin.
Sie mochte erst 14 Jahre alt sein und vielleicht - das gestand sie nur vor sich selbst ein - hatte sie noch
zu wenig Lebenserfahrung um das Ganze rational zu betrachten, doch sie war sich sicher es zu
schaffen. Ihre Eltern redeten ihr gut zu, doch sie wusste nur zu genau, dass sie sie nicht ernst
nahmen. Sie setzten sie gleich, mit all den anderen Mädchen, die von Schauspiel- und
Modelkarrieren träumten. Nur Gerede, nichts weiter als ein schöner, aber abwegiger, Gedanke.
Beeinflusst durch Medien und das luxuriöse Leben, dass mehr Schein als Sein war.
Darum ging es ihr nicht. Nicht um Geld, nicht um Ansehen. Maria seufzte leise.
Sie stand auf, ging zwei Schritte, blieb stehen. Ihre Finger strichen sanft über eine Taste. Das Piano
bedeutete ihr ALLES. Es war ihr Leben. Wenn sie traurig war, glücklich, sich einsam fühlte, war es
allein das Piano welches es schaffte ihr Trost zu spenden. Wenn sie den leeren Gang entlang lief, in
Richtung ihres Zimmers, begann ihr Herz zu klopfen, ihr Blick klärte sich. Als würde sie erst dadurch
lebendig. Alles war stumpf und trostlos, bis sie mit einer leichten Berührung der Tasten damit
begann, dem Piano sanfte Klänge zu entlocken, welche ihr gleichsam Leben einzuhauchen schienen.
Es war wie Atmen.
Manchmal betrübte sie der Gedanke, dass es Niemanden gab der sie verstand. Wie konnten andere
Menschen jemals glücklich sein, ohne dieses Gefühl gelebt zu haben? Überhaupt gelebt zu
haben? Maria stiegen Tränen in die Augen. Das Leben dieser Menschen musste unfassbar traurig
sein.
Sie ließ sich langsam auf den Hocker gleiten. Schloss die Augen. Ihre Finger begannen über die Tasten
zu wandern. Bedächtig lauschte sie den Klängen.
Und mit einem Mal, war alles gut.