Ihr stummes Lied von Raija ================================================================================ Kapitel 2: freudige Stille -------------------------- Kapitel II – freudige Stille Nach dem nervenaufreibenden ersten Ausflug auf die Straßen des Untergrunds, machten Levi und Inara es sich zur Angewohnheit jeden Tag vor die Tür zu gehen. Mit jedem Mal wirkte die Schweigsame entspannter und sicherer. Auch im Haus verhielt sie sich immer weniger schreckhaft. Eines Abends verteilte Farlan den Gewinn der letzten beiden Aufträge unter ihren Kollegen und mahnte sie, nicht alles gleich auf den Kopf zu hauen, bevor sie verschwanden. Während Levi und Farlan sich unterhielten, schnitt Inara das Brot für das Abendessen, als es plötzlich an der Tür polterte. Alle drei sahen sich an und Levi beobachtete, wie Inara den Griff des Brotmessers fest umschloss, so dass ihre Fingerknöchel weiß hervor traten. Mit einer Kopfbewegung schickte er sie ins Nachbarzimmer. Nachdem sie aus dem Raum getreten war, signalisierte er Farlan, der sich neben der Tür positioniert hatte, diese zu öffnen, was er auch sogleich tat. Er hätte mit allem gerechnet, nur nicht mit einem Kind, das ihm vor die Füße fiel. Natürlich hatte die Göre auch noch Dreck am Stecken und ihre Verfolger hierher gelotst. Jedoch konnten sie die Verfolger ohne größere Anstrengung verjagen. Danach stellte sich heraus, dass das Gör einen Vogel an die Oberfläche zurückbringen wollte und nur deswegen solch ein Theater verursachte. Farlan sah nach dem Tier, das sie bis dato an sich gepresst hatte und erkannte, dass seine Flügel verletzt waren. Levi ließ die beiden allein und betrat das Schlafzimmer, in das er Inara geschickt hatte. Seltsamerweise war der Raum menschenleer. Irritiert zog er die Augenbrauen zusammen und überlegte, wo sie sich versteckt haben könnte. „Du kannst raus kommen", sagte er, allerdings rührte sich nichts. Missgestimmt schnalzte er mit der Zunge. Also würde er sie aus ihrem Versteck zerren. Da das Zimmer recht einfach eingerichtet war, gab es nicht all zu viele Möglichkeiten. Sein erster Versuch war das Bett, zog die Bettdecke beiseite, doch es war verwaist. Als nächstes ging er auf die Knie und blickte darunter, nur um dort auch keine Spur von ihr zu finden. Genervt richtete er sich wieder auf und begab sich zum Kleiderschrank. Eine der Doppeltüren stand einen Millimeter breit auf. Diese öffnete er mit einem Ruck, erkannte aber nur Jacken, Hemden und Westen, die von Kleiderbügel hingen. Er schob diese beiseite und sah in Inaras überraschtes Gesicht. Sie hatte sich an die Rückwand gedrückt und hielt das Messer mit beiden Händen fest umklammert. „Ganz sauber in der Birne bist du auch nicht, was?" Unschuldig blickte sie ihm entgegen, gleichzeitig zuckte sie mit den Schultern. Er nahm ihr das Messer ab und half ihr aus dem Schrank. Zusammen kehrten sie in den Wohnraum zurück, wo Farlan die Flügel des Vogels verband. Levi nahm seinen Platz am Tisch wieder ein, Inara hingegen widmete sich dem Abendbrot. Das Gör stellte sich als Isabel vor und bat Levi und Farlan, sie in ihrer Gruppe aufzunehmen, was Levi auf seine Art und Weise bejahte. Etwas später saßen sie am gedeckten Tisch. Inara brachte einen randvollen Topf mit dampfender Suppe, den sie zwischen ihnen abstellte. Levi und Farlan bedankten sich, Isabel hingegen griff sofort nach der Suppenkelle, um sich aufzuschöpfen. Augenblicklich sauste der Kochlöffel, den Inara noch in der Hand hielt, auf ihre Finger nieder. „Au", heulte sie auf und blickte zu der Wortlosen, die sie streng ansah. Auch die zwei Männer am Tisch sahen sie erwartungsvoll an. Angestrengt dachte Isabel nach, ehe es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. „Danke fürs kochen, für das Essen und danke, dass ich hier sein darf", sagte sie und wartet auf eine Reaktion der anderen, die sie ganz schön zappeln ließen. Als Inaras Mund ein Lächeln bildete, atmete sie erleichtert auf. „Und du redest wirklich nicht?", fragte sie die junge Frau neben sich. „Nein, sie redet wirklich nicht", antwortete Farlan für Inara. „Wieso nicht?“ Auf diese Frage bekam sie keine Antwort. Daraufhin wandte Isabel sich Farlan zu. „Vielleicht hat man ihr die Zunge raus geschnitten", überlegte sie laut und sah neugierig zu Inara. Mit einem Ausdruck in den Augen, der fragte, ob das ihr Ernst wäre, öffnete sie ihren Mund einen Spalt breit und ließ ihre Zunge erscheinen. Augenblicklich zog sie sie wieder hinter die Zähne und aß weiter, als wäre nichts gewesen. Isabel lachte. An diesem Tag war ihre Gruppe um eine Seele reicher geworden. Levi und Farlan unterrichteten Isabel im Umgang mit der 3D-Manöver-Ausrüstung, wobei sie sich erstaunlich talentiert anstellte. Eigentlich hatte Levi mit mehr Problemen gerechnet; doch kam es ihm gelegen, dass sie keine Komplikationen bereitete. Was ihn ebenfalls angenehm überraschte war die Tatsache, dass seit Isabels Ankunft bei ihnen auch Inara eine Veränderung durchlief. „ Ich freue mich ja so, dass du mir ein neues Oberteil schneiderst“, teilte Isabel sich munter mit, während sie mit ausgebreiteten Armen in ihrer Stube stand und Inara ihre Maße nahm. Diese lächelte ihr entgegen und machte sich auf einem Zettel Notizen. „Welche Farbe wird es haben?“, wollte sie neugierig wissen. Natürlich bekam sie keine Antwort. Inara tat so, als hätte sie die Frage gar nicht gehört. „Na los, sag schon“, wurde sie gedrängt. Ihre Lippen zogen sich zu einem verschwörerischen Grinsen. Mit zwei Fingern fuhr sie sich über diese und ahmte somit die Bewegung nach, als würde sie einen Reißverschluss schließen. Wenn Levi sie so sah, wie sie scherzte und lachte, vermutete er, dass er einen Einblick auf den Menschen, der sie vor ihrem Zusammentreffen einmal war, bekam. Insgeheim wünschte er sich für sie, dass dieser Mensch sich zurück an die Oberfläche kämpfen würde und sie die Erfahrung, die sie bedauerliche Weise machen musste, verarbeiten konnte. „Och bitte, Ina“, bettelte Isabel nun, was mit einem Kopfschütteln beantwortet wurde und wieder blitzte dieses freche Grinsen auf.. „Gib es auf, sie wird es dir nicht sagen“, versicherte Farlan ihr, der das Schauspiel amüsiert beobachtet hatte. Sie schob die Unterlippe vor. „Na gut, dann lass ich mich eben überraschen“, gab sie sich geschlagen. Kurz darauf verabschiedeten Isabel, die sich bei Farlan einquartiert hatte, und Farlan sich, da sie nach dem Vogel, den sie zur Pflege hatten, sehen wollten. Levi und Inara begleiteten sie nach draußen, denn sie wollten noch einmal auf den Markt gehen. Isabel hüpfte gelassen die Treppe vor dem Haus hinunter, Levi und Farlan folgten. Inara verharrte noch einen Moment auf dem Treppenabsatz, wo sie noch einmal tief durchatmete, ehe sie die Stufen hinab stieg. Dabei bemerkte sie, wie Levi etwas aus der Hosentasche fiel. Auf der entsprechenden Stufe blieb sie stehen und hob den Gegenstand auf. In ihrer Hand hielt sie ein kleines Klappmesser. Sie richtete sich wieder auf, streckte gleichzeitig die Hand nach vorn aus und machte einen Schritt nach vorn. Weil sie es zu eilig hatte, trat sie auf den Saum ihres Kleides, weshalb sie vorn über stolperte. Levi, der in diesem Moment das Ende der Treppe erreichte, wandte sich um, um nachzusehen, wo Inara blieb. Zwar realisierte er noch, dass sie ihm entgegen fiel, hatte jedoch keine Zeit mehr zu reagieren. Unsanft landete er auf dem Rücken, Inara auf ihn drauf. Ihr zarter Körper ruhte auf dem seinen und es erstaunte ihn, wie leicht sie doch war. Auch wenn er sie zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schusseligkeit hätte ohrfeigen können, tat er nichts weiter, als in ihre großen Augen zu sehen und ihren wilden Herzschlag auf seiner Brust zu spüren. Er wusste nicht wieso, aber das dunkle Blau ihrer Augen zog ihn in seinen Bann und er fühlte sich irgendwie mit ihr verbunden. Ohne seinem Körper den Befehl gegeben zu haben, hob er die Hand und strich ihr einige Strähnen ihres Haares hinter ihr Ohr. „Oh, lá, lá, Ina, du gehst aber ran", zerstörte Isabel den Moment. Augenblicklich nahm das Gesicht der Angesprochenen eine tiefrote Farbe an und sie hopste von Levi. Mit den Händen wedelte sie durch die Luft zeigte zur Treppe, deutete auf Levi, gestikulierte wild umher. „Sachte", versuchte Farlan sie schmunzelnd zu beruhigen. „So versteht dich keiner." Sie atmete einmal durch, dann hob sie die Hand an, in das Messer lag, das sie aufgehoben hatte. Sofort griff Levi in seine Hosentasche, nur um zu bemerken, dass sein Messer fehlte. Er nahm es ihr aus der Hand und bedankte sich, dabei blickte er wieder in dieses Blau, das das Tor zu einer anderen Welt zu sein schien. „Na wir lassen euch dann mal allein", vernahm man von Farlan, der Isabel zuzwinkerte. „Bis morgen", sagte diese, wobei ein wissendes Grinsen auf ihren Lippen lag. Der Blick, den Levi ihnen hinterher warf, hätte sie töten können, wenn sie nicht seine Freunde wären. „Bist du in Ordnung?", fragte er dann an Inara gewandt. Diese nickte und schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln. „Mach so einen Scheiß nie wieder", murrte er, während er sich aufrichtete. Kurz darauf zog er sie auf die Beine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)