Phönix von Phoenix_Michie ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe. Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor. (Johann Wolfgang von Goethe) Kapitel 4 Abwesend und mit zusammen gekniffenen Augen verstaute er sein Portemonnaie sowie seinen kleinen Einkauf in der Tasche. Es war Anfang September und einer der heißesten Tage des Spätsommers. Obwohl es noch vor 10 Uhr war, brannte die Sonne bereits erbarmungslos auf die Stadt nieder. Er hatte seine Sonnenbrille zu Hause vergessen, weswegen er auf der Straße kaum was sah. Er warf einen sehnsüchtigen Blick zurück zum Konbini, aus dem er gekommen war. Dort war es wunderbar kühl gewesen, und so hatte er sich ausgiebig Zeit beim Durchstöbern der Regale gelassen. Blinzelnd wandte er den Blick ab und trabte weiter. Nur zwei Häuserblöcke entfernt befand sich das von außen etwas herunter gekommene Gebäude, welches neben dem Probenraum von D’espairsRay auch zwei Musikgeschäfte, verschiedene Büroräume sowie ein kleines Café beherbergte. Als er das erste Mal zur Besichtigung hier gewesen war, hatte allein die graue, leicht verfallene Fassade ihn abgestoßen. Und verwundert. So wenig zahlten sie für den Raum ja nun auch nicht und so hatte er mehr erwartet. Als er sich aber drinnen umgeschaut hatte, war er positiv überrascht worden. Es war nicht gerade der Luxusschuppen, den sie von ihrem früheren Label gewohnt waren, aber genau das gefiel ihm so gut. Es erinnerte ihn an ihre ersten Jahre als Band, in denen sie alles gelassener gesehen hatten. Sie waren mit wenig Sorgen an ihre Aufgaben gegangen, hatten noch lange nicht daran gedacht, dass Musik machen auch mal zur Arbeit werden könnte. Sie hatten keinen Major-Vertrag im Nacken gehabt, der sie für Jahre unter, wie man erst bei schmerzlich genauem Hinschauen feststellte, strengen Vorgaben aufnahm. Seit ihres Debuts hatte er die Freiheit vermisst, die sie mit dem Vertrag eingebüßt hatten. Umso mehr erfreute er sich an ihrem jetzigen Proberaum, der all das ausstrahlte, was er an ihrer Indie-Zeit geliebt hatte. Behutsam öffnete er die Tür und betrat den Raum, der sich im Souterrain des Gebäudes befand. Neugierig warf er einen Blick hinein. Jemand musste schon da sein, sonst wäre die Tür abgeschlossen gewesen. Sein Herz machte einen Satz, als er Tsukasa am Drumset sitzen sah. "Hallo! Du bist früh dran", begrüßte er ihn, während er erleichtert den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss. Der Drummer sah überrascht auf. "Hi. Das könnte ich zu dir auch sagen." Hizumi zuckte mit den Schultern. "Ich hab auf dem Weg schon getrödelt... Bin wohl einfach zu früh los." Auf Tsukasas Lippen legte sich ein leichtes Lächeln. "So wie ich das sehe, bist du einfach nur gern hier und kannst die Proben gar nicht erwarten." Ertappt grinste er ihn an. "Du hast wohl recht." In Ruhe stellte er seine Tasche ab und holte die Sandwiches heraus, die er sich zuvor gekauft hatte. Er machte es sich auf einer der zwei schwarzen Ledercouches gemütlich und wischte sich mit der freien Hand über die Stirn, auf der ein leichter Schweißfilm lag. "Es ist unglaublich heiß da draußen...", murmelte er, woraufhin Tsukasa nickte. "Ich will nicht wissen, wie es um die Mittagszeit sein wird." Der Drummer spielte abwesend mit dem Stick in seiner Hand, während Hizumi das erste Sandwich aß. "Zum Glück haben wir eine Klimaanlage hier drin. Solange wir in den nächsten Stunden nicht rausgehen, sollten wir den heutigen Tag überstehen", murmelte sein Freund und starrte zu den kleinen Fenstern hoch, die knapp über dem Erdboden angebracht waren, sodass sie nicht völlig im Dunkeln saßen. Hizumi nickte leicht und beobachtete ihn, wie er hoffte, unauffällig. Es war gut, jetzt mit Tsukasa hier allein zu sein, statt mit einem der anderen - bei Zero wäre er schnell nervös geworden und bei Karyu hatte er Angst, dass sie doch wieder zu streiten anfangen würden. Zwar lag ihre alkoholische Versöhnung schon um die zwei Monate zurück, aber seitdem hatten sie sich noch nicht allzu oft gesehen. Seit Ende August, kaum dass der Sänger von Zeros und Tsukasas Band gegangen war, fanden für Despa ab und an Proben statt. Hizumi fühlte sich immer noch wie in einem Traum, so ganz konnte er nicht glauben, dass nun doch schon erste Vorbereitungen für ihre Tour liefen. Plötzlich war alles so schnell gegangen. Eben noch hatte er Kopf hängend Karyus Wohnung verlassen, hatte versucht, die Entscheidung der Band zu akzeptieren, dass sie nicht sofort würden loslegen können – und dann, wenige Wochen später, hatte Tsukasa jeden von ihnen angerufen: Es hatte eine Art Konferenzschaltung gegeben, in denen er ihnen erzählt hatte, was ihm widerfahren war. Der Drummer hatte zwei Auftritte für sein Enka-Projekt gehabt und bei einem davon einen alten Bekannten getroffen: Hoshiko-san, den Manager von club zy, einer Website, die Visual Kei-Musik unterstützte und häufig Events veranstaltete. Sie kannten ihn alle recht gut und kamen bei Konzerten ab und an mit ihm ins Gespräch. Soweit war das nicht ungewöhnlich, dass Tsukasa ihm wieder begegnet war, wo er aus der Visual Kei-Branche kam und modernes Enka sang. Die Mischung hatte sich Hoshiko vermutlich einmal ansehen wollen. Nach dem Auftritt waren sie gemeinsam noch mit Bekannten in ein nahe gelegenes Izakaya gegangen. »Es ist viel Alkohol geflossen und dann...« An dem Punkt der Erzählung war Tsukasas Stimme etwas weinerlich geworden und er hatte gezögert, zuzugeben, was als nächstes passiert war. »Irgendwie hat Hoshiko aus mir rausgequetscht, dass ich mich mit euch allen getroffen hatte, mehrmals... Und er hat so lange nachgebohrt, bis ich ihm von unseren Plänen erzählt habe.« An dem Punkt hatte Hizumi verwirrt die Stirn gerunzelt. Natürlich war es nicht so toll, dass ihre privaten, unausgereiften Pläne einfach ausgeplaudert wurden, aber es war verzeihbar. Warum also rief Tsukasa sie deswegen alle an? Eigentlich hatte er sogar eine Verabredung gewollt, damit sie das von Angesicht zu Angesicht klären konnten, aber so schnell hatte keiner von ihnen dafür Zeit gehabt. Daher war es zu der kleinen Telefonkonferenz gekommen. »Ich war so redselig...ich hab nicht drüber nachgedacht, na ja, jedenfalls...Er weiß, dass wir uns entschieden haben, eine Tour zu organisieren.. Dass wir Schwierigkeiten haben... Und...« Tsukasa hatte hörbar geschluckt und kurz gezögert, fortzufahren. »Er sagt, er besorgt uns die Hallen. So viele wie nötig sind. Er bezahlt das.« Daraufhin hatte Hizumi ein entsetztes Keuchen gehört. Ob es von Zero oder Karyu gekommen war, hatte er nicht erkannt, zu abgelenkt war er von der Neuigkeit gewesen. Beinahe wäre ihm das Telefon aus der Hand gerutscht, als sich ihm die Möglichkeiten eröffneten, die Tsukasas Worte implizierten. "Mein Gott", hatte er leise gemurmelt, während er sich hatte setzen müssen. »Ist das sein Ernst?!« Zeros Stimme hatte ganz anders als sonst geklungen, sodass es ihm schwer gefallen war, sie überhaupt als seine zu erkennen. Sie war in die Höhe gerutscht, Unglauben hatte mitgeschwungen. »Ja, ist es... Er hat mich am nächsten Tag kontaktiert und nachgefragt, da ich ihm nicht sofort eine Antwort gegeben hatte... Was machen wir jetzt?« Sie hatten noch am selben Tag entschieden, das Angebot des älteren Mannes anzunehmen, denn sie hatten das Privileg, ihm vollkommen vertrauen zu können. Hoshiko war nicht darauf aus, Vorteile aus ihrer Situation zu ziehen. Im Grunde hatte er schon alles erreicht und widmete sich nur noch der Promotion von den verschiedensten Bands, knüpfte Kontakte, richtete Events aus. Er war überall und nirgends, aber immer ein gern gesehener Gast. Und so hatte sich Hizumi nur wenige Tage später mit seinen Freunden in diesem Probenraum eingefunden. Da Zero am meisten Zeit gehabt hatte, hatte er einen Raum organisiert und Hizumi war zufrieden mit dem Ergebnis. In aller Ruhe sah er sich nochmals um, während er sein mittlerweile letztes Sandwich verspeiste. Dunkles Parkett, drei rot angestrichene Wände, die vierte verspiegelt, zwei schwarze Ledercouches, und gegenüber der schwarz angestrichenen Tür war all ihr Setup aufgebaut - Verstärker, Lautsprecherboxen, Drumset, Gitarren- und Basshalterungen, Mikrofonständer, eine Menge Kabel aller Farben über dem Boden verstreut. Hizumi fühlte sich hier sehr wohl. Er lächelte sich selbst zu und warf seinen Plastikmüll mit einer graziösen Bewegung in den Mülleimer in der Ecke. "Geht es dir gut?", hörte er Tsukasa unvermittelt fragen, weswegen er unwillkürlich zusammen zuckte. Verwirrt sah er zu ihm. "Ja...natürlich, warum auch nicht?" Der Drummer zog die Augenbrauen in die Höhe. "Ich weiß nicht. Ich wollte nur nachfragen." Er zuckte mit den Schultern, während Hizumi ausatmete und ein Lächeln auf seine Lippen zauberte. "Ach so. Du brauchst nicht besorgt zu sein." Er zögerte einen kurzen Moment, bevor er ihn aufmerksam betrachtete. "Und bei dir? Denkst du, du schaffst das? Nicht, dass es dir zu viel wird." Der Drummer hatte ja schließlich noch sein Enka-Projekt. "Ich schaffe das. Selbst wenn Maifo noch aktiv laufen würde, würde ich das." Er lächelte glücklich und stand hinter seinem Drumset auf. "Es geht schließlich um D'espairsRay." Zufrieden erwiderte er den Blick seines langjährigen Freundes und nickte. Dieser setzte sich unvermittelt neben ihn auf die Couch. „Ich hatte da letztens so einen Moment...“, murmelte er leise und sah ihn verschwörerisch an. Leise vor sich hin pfeifend wühlte Tsukasa sich durch den nächsten Berg Unterlagen. Er hatte sich der Planung und Organisation der Tour angenommen – das würde ihnen keiner abnehmen. Nur beim Finanziellen bekamen sie Unterstützung, alles andere würden sie schon selbst erledigen müssen. Das war ja früher nicht anders gewesen, also hatte er diese bestimmte Aufgabe freiwillig übernommen. Seit er am Abend nach Hause gekommen war von einer Enka-Probe, arbeitete er nun daran, in den Städten, die er mit Karyu ausgemacht hatte, Hallen in einem guten Preis-/Leistungsverhältnis herauszusuchen. Er hatte vor kurzem bereits erste Anfragen verschickt und Vorschläge erhalten, die er nun prüfen musste. Wider Erwarten machte das Ganze Spaß. In seinem Kopf stellte er sich bereits die Konzerte vor. Wie die Halle gefüllt mit ihrem Publikum aussehen würde, wie die Stimmung wäre und die Akustik. Er sah auf und grinste. Seine Soundanlage spielte nun ein Lied von D’espairsRay. Maze – einer der Songs, die er selbst geschrieben hatte. Diese liebte er noch mal auf eine besondere Art und Weise. Auf seine Beiträge war er natürlich im Speziellen stolz. Während er Maze lauschte, lehnte er sich zurück und hob die Arme etwas an, formte die Hände zu Fäusten, als würde er Drumsticks halten. Die in diesem Song besonders schnellen, harten Schläge faszinierten ihn nach wie vor. Die Geschwindigkeit, mit der das Lied voran schritt, trieb auch ihn an. Die sich aufstauende Energie war motivierend – ja, gerade mochte er es, Touren zu organisieren. Bevor sie sich weiter über Tsukasas Schlüsselmoment unterhalten konnten, öffnete sich die Tür und Zero trat ein. Dieser hatte die Haare in letzter Zeit etwas wachsen lassen, sodass sie ihm mittlerweile wieder über die Schultern fielen, wie es früher oft der Fall gewesen war. Sie waren frisch nachgefärbt, schimmerten nun goldbraun. Er sah recht ausgeschlafen aus, hatte kaum Augenringe und lächelte entspannt in die Runde. Hizumi fragte sich, wie er so zufrieden wirken konnte, wo doch Maifo nun in Pause hatten gehen müssen, nachdem ihr Sänger Ricky sie verlassen hatte. "Guten Morgen. Bin ich zu spät...?" Hizumi schüttelte den Kopf und erhob sich. "Nein, du bist sogar zwei Minuten zu früh", meinte er schmunzelnd. "Ich frage mich, warum Karyu heute so lange braucht..." Dieser war neben Tsukasa überpünktlich, während Hizumi und Zero ab und an zur Verspätung neigten. "Vielleicht musste er kurz zu Angelo ins Studio? Die Aufnahmen werden ja noch eine Weile laufen", meinte Zero, während er seine Tasche neben Hizumis auf der Couch abstellte, auf der er bis eben noch gesessen hatte. Tsukasa seufzte leise. "Ich hoffe nicht. Ich habe das Gefühl, dass Kirito es ihm absichtlich schwer macht... So habe ich ihn wirklich nicht eingeschätzt." Hizumi wollte sich gerade etwas einsingen, als plötzlich die Tür aufging und krachend wieder ins Schloss fiel, nachdem das letzte Bandmitglied eingetreten war. Alarmiert sahen sie zu Karyu auf. Er war rot im Gesicht, ob von der Hitze draußen oder vor Wut war nicht erkennbar. Wahrscheinlich beides. Hizumi beobachtete den groß gewachsenen Gitarristen, sah, wie die zu Fäusten verkrampften Hände versuchten, sich zu entspannen. Karyu öffnete den Mund, seufzte verärgert, schloss ihn dann wieder. Wortlos hielt Tsukasa ihm seine Drumsticks hin, nachdem er aufgestanden und mit besorgtem Gesichtsausdruck näher gekommen war. Dankbar ergriff Karyu sie und stellte seine Tasche neben der Tür ab. "Kirito macht mich sprachlos", sagte er gepresst und umfasste die Sticks in der Hand fester, schüttelte den Kopf. "Er hat mir doch tatsächlich mit dem Vertrag vor der Nase herum gewedelt! Langsam hat das nichts mehr mit beschützen zu tun, so wie er sich aufspielt." Tsukasa stemmte die Hände in die Hand. "Wovor will er dich denn angeblich beschützen?" "Vor mir selbst", schnaubte Karyu. "Ich würde mir damit nichts Gutes tun, eine Tour mit euch zu machen." "Das kann natürlich sein." Tsukasa zuckte mit den Schultern, während sie ihn überrascht anstarrten. "Da kochen Erinnerungen und Emotionen hoch. Vielleicht fängt alles von vorne an, wenn die Tour sich dem Ende neigt... Die Sehnsucht, der Verlust. Davor will er dich vielleicht bewahren. Aber es ist deine Entscheidung. Er vergisst, dass du erwachsen bist und genau weißt, worauf du dich einlässt." Karyu machte einen verärgerten Laut. "Ich verstehe nicht, wovor er Angst hat. Ich muss noch mal mit ihm reden, aber so langsam habe ich keine Lust mehr darauf. Ich scheine auf taube Ohren zu stoßen." Mit wenigen Schritten durchquerte er den Raum, um sich an Tsukasas Drumset zu setzen. Früher war es oft so gewesen, dass der Drummer ihm als kleine Therapie sein Schlagzeug zur Verfügung gestellt hatte. Immer wenn Karyu wütend gewesen war, sich hatte abreagieren müssen, hatte er sich häufig dort wieder gefunden. Auf etwas einschlagen, wenn man in Rage war, half ja immer. Und das Drumset hielt es aus. Neben Tsukasa konnte Karyu tatsächlich Schlagzeug spielen, sogar recht passabel, das gab selbst der Drummer zu. "Möglicherweise", setzte Tsukasa leise an, "möchte Kirito einfach nicht, dass du mit uns auftrittst." "Weil?" Mit leichtem Stirnrunzeln sah Karyu zu ihm auf. "Weil er befürchtet, dich zu verlieren. An uns." Für einen Moment zeigte Karyu keine Reaktion, sondern erwiderte den Blick des Drummers lediglich emotionslos, dann schnaubte er und schüttelte den Kopf. Ohne auf die Worte seines Freundes zu antworten, umfasste er die Drumsticks fester und begann mit gesenktem Blick zu spielen. Tsukasa hob nur verzweifelt die Hände und verdrehte die Augen, sagte aber nichts, sondern ließ dem Gitarristen erstmal etwas Raum und Zeit. Kurz nagte Hizumi an seiner Unterlippe, dann nahm er den Drummer am Arm beiseite. Dieser sah ihn fragend an. "Ist das nicht absurd...? Ich meine, wie soll Karyu an uns verloren gehen? Wir machen die Tour...und dann war's das. Für immer. Oder nicht?" Tsukasa ließ sich mit seiner Antwort Zeit, betrachtete ihn nur aus großen Augen. Er beobachtete, wie sein Freund die Lippen mit der Zungenspitze befeuchtete und schließlich leicht nickte. "Ja... Ja, da hast du wohl Recht. Ich weiß auch nicht, was genau in Kirito vorgeht." Für einen Moment presste er die Lippen zusammen. "Wenn er das Karyu nicht bald selbst mitteilt, gehe ich hin und erzähl ihm ein paar Takte." Hizumi hob die Augenbrauen. Das waren zwar altbekannte Töne, die er aber so schon seit fünf Jahren nicht mehr gehört hatte - Tsukasa hörte sich wieder wie ihr Leader an. Und das gefiel ihm. Ein leichtes Lächeln konnte er sich nicht verkneifen, auch wenn es unangebracht sein mochte. Er räusperte sich, nickte und schaute zu Karyu, der sich langsam abreagiert zu haben schien. Seine Schläge waren weniger kraftvoll, klangen ausgeglichener, und wenig später hielt er inne. "Willst du weiter drüber reden?", erkundigte sich Tsukasa in seine Richtung gewandt, woraufhin Karyu sich erhob und den Kopf schüttelte. "Nein. Danke." Er gab ihm die Sticks zurück. "Sehen wir zu, dass wir anfangen." Ein Nicken ging durch die Runde, und während Zero und Karyu sich daran machten, Bass und Gitarre vorzubereiten, setzte Tsukasa sich hinter sein Drumset und begann noch mal alles durchzugehen. Hizumi betrachtete den Gitarristen nachdenklich. Wenn er seine Beobachtungen zusammenfasste, musste er feststellen, dass dieser sich verändert hatte. Er war ernster, in sich gekehrter, machte weniger flache Witze. Letzteres hatte Hizumi zwar selten lustig gefunden, aber er vermisste es. Er vermisste den alten Karyu, der gerade bei Problemen angefangen hatte, aufzublühen, sie selbst mit Tränen in den Augen weggeblinzelt und weggelächelt hatte. War das seine Schuld? War er schuld daran, dass Karyu sich verändert hatte, weil er ihren Traum zerstört hatte? Oder war es vielleicht Kirito, der ihn verändert hatte? Hizumi biss sich auf die Unterlippe und blinzelte. Die schlanke, großgewachsene Gestalt des Blonden verschwamm vor seinen Augen, weswegen er sie fest zusammen kniff, bis fünf zählte und sie langsam wieder öffnete. Er sah wieder klar und lächelte flüchtig in den Spiegel. Aber auch das half nicht, sein Herz fühlte sich immer noch an, als wäre es ihm in die Hose gerutscht. *** "Fewww... Ist mir heiß", murmelte der Bassist, nachdem er sein Instrument beiseite gestellt hatte. Hizumi warf ihm einen Blick zu und sah, wie der Brünette sich das Shirt lüftete. "Hmm…" Nachdenklich sah er zur Klimaanlage, die auch Tsukasa betrachtete. "Funktioniert das Ding überhaupt?", warf der Drummer fragend in die Runde, woraufhin Karyu sich über die Stirn wischte und darauf zuging, die Hand vorhielt - und schließlich nickte. "Scheiße, das Ding pustet tatsächlich kalte Luft in den Raum... Und es ist immer noch viel zu warm hier", seufzte der Gitarrist und schüttelte den Kopf. "Puh...." Zero ließ sich auf die Couch fallen. Es war um die Mittagszeit, und sie hatten noch ein wenig zu proben, aber der Bassist sah jetzt schon geschafft aus - sie alle sahen so aus. Hizumi setzte sich neben ihn und griff nach der Wasserflasche, die aus seiner Tasche hervor schaute. Er trank ein wenig und hielt sie Zero hin. "Auch einen Schluck?" Der Bassist nickte und lächelte ihn an. "Danke." Unauffällig beobachtete er ihn beim Trinken, bevor er die Flasche wieder entgegen nahm. "Wir sollten in einer Badewanne voll kaltem Wasser liegen und nicht hier in diesem überhitzten Raum stehen, den nicht mal die Klimaanlage runterkühlen kann", murmelte Tsukasa und nahm auf der anderen Ledercouch Platz. Karyu tat es ihm gleich und grinste. "Ich hab eine Badewanne. Ihr nicht, soweit ich weiß. Soll ich euch einladen?" "Passen wir da zu viert rein?", erkundigte sich Hizumi amüsiert und grinste ihn an. Er hatte die Badewanne nicht mehr ganz im Kopf, wo er sie bisher nur einmal gesehen hatte. Karyu hob eine Augenbraue. "Wooow, ich glaube, für dieses Gespräch bin ich noch nicht bereit." Hizumi lachte. "Das war nur eine normale Frage, ohne Hintergedanken." "Ich glaube ihm sogar", warf Tsukasa schmunzelnd ein, woraufhin Karyu seufzte. "Nein, da passen wir nicht zu viert rein! Du kommst mir da sowieso nur allein rein!" Er schnaubte. "Im Ernst? Ich bin so klein, mit mir passen noch zwei weitere rein! Zero und Tsukasa, da sie nicht wesentlich größer sind als ich." Er musste auflachen, als er die empörten Gesichter sah. "Wir werden auch ohne dich Spaß haben, Karyu. Aber für dich ist es ja nichts neues, die Badewanne allein zu genießen." Dazu fiel auch dem Gitarristen nichts mehr ein und er öffnete beleidigt den Mund, nur um ihn wieder zu schließen. Letztendlich hob er drohend den Finger. "Ich werde mich rächen, verlass dich drauf." Nun mussten auch Zero und Tsukasa lachen, denn es war wie in alten Zeiten. Irgendeiner kabbelte sich immer mit einem anderen, und häufig genug hatte es sich dabei um Hizumi und Karyu gehandelt. "Wir sollten uns wirklich mal zum Spaß treffen", meinte Karyu nach kurzem Schweigen, woraufhin Zero fragend aufsah, die Augen klein, als wäre er bereits müde. "Und das hier ist für dich kein Spaß?" Der Gitarrist musste grinsen, schüttelte aber den Kopf. "Leider nein. Bei der Fülle an Fehlern, die uns unterlaufen... Ich habe ja damit gerechnet, dass wir Probleme mit dem Einsatz bekommen, aber doch nicht bei jedem Lied mindestens drei Mal." Hizumi ließ zeitgleich mit Zero den Kopf hängen. "Da hat der Große Recht", murmelte er, woraufhin Tsukasa schief lächelnd mit den Achseln zuckte. "Keine Panik. Das hier ist erst unsere dritte Probe, was erwartet ihr? Letztes Jahr war es das gleiche. Das braucht eben Zeit, bis wir wieder aufeinander eingespielt sind." "Ich hoffe aber nicht wieder fünf Jahre", kommentierte Hizumi, weswegen der Drummer lachte. "Nein, das glaube ich nicht. Letztes Jahr hatten wir mehr Zeit für die Proben und daher hatten wir es schneller drauf als jetzt, aber das wird schon bald. Außerdem stecken wir ja eh noch in der Planung." Hizumi leckte sich flüchtig über die Lippen. Noch hatten sie ihr Vorhaben nicht öffentlich gemacht. Auch wenn die Tour nun doch schneller als erwartet möglich war, durften sie nichts übereilen. Das sah er auch ein, aber er wünschte sich, ihre Entscheidung endlich bekannt geben zu dürfen. Dann waren sie festgenagelt und konnte nicht mehr zurück. Er dürfte die Abschiedstour erleben, bevor es zu spät war. Erst, wenn alle Termine standen und die Hallen gebucht waren, würden die Tourdaten veröffentlich werden. Sie mussten sich ranhalten, wenn sie ihren Zeitplan, der von ihren jeweiligen anderen Verpflichtungen und Projekten diktiert wurde, einhalten wollten. "Wir können uns ja bei Karyu mit den Hallen beschäftigen", meinte er dann leicht schmunzelnd und sah in die Runde. Das Organisieren hatte ihnen nie viel Freude bereitet, bis auf Tsukasa, der sich früher aber auch nur deswegen erbarmt hatte, weil er es am besten konnte. Irgendwann hatte es sowieso das Management übernommen. Ein bisschen Ahnung hatten sie aber, und es musste getan werden. Die Anderen sahen nicht besonders glücklich über den Vorschlag aus, weswegen er nachsetzte. "Wenn wir fertig sind, springen wir in Karyus Badewanne.“ Amüsiert sah Zero zu dem Gitarristen, der blinzelte und wohl zu überlegen schien, ob ihm die Idee gefiel. "Warum hast du eigentlich keinen Pool?", wollte der Bassist wissen. "Ja, das wäre doch das Mindeste in deiner Luxusvilla“, fügte Hizumi hinzu, weswegen Karyu schnaubte. "Macht ihr euch mal lustig. Ihr seid doch letztens vor Neid erblasst." "Klar", gab Hizumi offen zu und grinste. "Du hast genau das Mietshaus gegenüber liegen, wo die ganzen Weiber sich umziehen, ohne dass sie Vorhänge vor den Fenstern haben." Karyu seufzte und sah zu ihm. "Weil mich das ja auch so interessiert..." Mit einem schiefen Lächeln erwiderte er den Blick, während er sich zurück lehnte. Natürlich erzählte ihm Karyu da nichts Neues, aber manchmal rutschten ihm solche Sätze dennoch raus. "Aber dich interessiert das immer noch?", erkundigte sich Tsukasa neugierig, woraufhin Hizumi mit den Schultern zuckte. "Schon. Warum auch nicht." Er machte eine vage Geste. "Mit irgendwas muss man sich ja über Wasser halten." Karyu schnaubte abfällig, grinste aber dabei. "Soll ich dich bemitleiden?" Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und schlug die Beine übereinander. "Sehe ich so bemitleidenswert aus? Wie kommst du denn über die Runden?" In den Augen des Gitarristen blitzte es und er war sich sicher, die falsche Frage gestellt zu haben - insofern falsch, als dass sie Karyu nicht gefiel. Und ihn interessierte jetzt, warum das so war. Doch Tsukasa ließ ihn nicht nachfragen. "Müssen wir das jetzt besprechen? Wirklich? Im Proberaum?" Karyu seufzte und schüttelte den Kopf. "Nein, müssen wir nicht." "Gut. Das sollte man woanders erörtern und nicht hier", stellte Tsukasa klar. Der Tonfall war gebieterisch - und da widersprach man dem Drummer nie. ================================================== to be continued ================================================== Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)