Phönix von Phoenix_Michie ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Ich bin zwar noch kein Phoenix, aber hier in der Asche liegend kommen die Schmerzen vielleicht daher, dass mir neue Flügel wachsen. (May Sarton) Kapitel 1 Still beobachtete er seine Freunde dabei, wie sie sich miteinander unterhielten, dabei ab und an etwas tranken, oder von den grünen Bohnen, Edamame, in der Mitte des Tisches aßen. Dass er sich seit einer Weile schon nicht mehr zu Wort gemeldet hatte, erregte ihre Aufmerksamkeit nicht - nicht mehr. Seit er vor einigen Jahren krank geworden war, seit das Unheil seinen Lauf genommen hatte, war er ruhiger geworden, in sich gekehrter - aber nicht unbedingt besonnener. Früher hatte er fast genauso viel wie Karyu geplappert, doch das gehörte mittlerweile der Vergangenheit an. Für einen Augenblick nagte er an seiner Unterlippe, während er Zero beim Lachen beobachtete, dann über den Tisch zu Karyu sah, der sich eine grüne Bohne nahm und sie verspeiste. Zuletzt fiel sein Blick auf Tsukasa, der an seinem Bier genippt hatte und nun das Glas abstellte, dann das Thema wieder aufnahm. "Ich schwöre euch, dieser Vogel war frecher als jedes andere Tier! Der hätte sogar Karyus Kater die gelben Augen ausgestochen, Gott hab ihn selig." Tsukasa schüttelte schief lächelnd den Kopf und bemerkte nicht, wie Karyu das Lächeln auf den Lippen gefror, wenn auch nur für einen Augenblick. Den schwarzen Kater hatte der Gitarrist vor zwei Jahren abgeben müssen, da er einfach keine Zeit mehr für ihn gehabt hatte. Ryutarou hatte häufiger Tierpensionen von innen gesehen als sein eigentliches Zuhause. Also hatte sich der Gitarrist wohl nach langem Hin- und Herüberlegen dazu entschlossen, das Tier jemandem zu geben, der sich darum kümmern konnte. Aber davon hatte keiner viel mitbekommen. Sie sahen Karyu nicht so oft. "Aber deine Augen sind noch in Ordnung?", erkundigte sich Zero schmunzelnd und beugte sich über den Tisch, sodass er Karyu verdeckte und Hizumis Blickfeld komplett einnahm. Abwesend befeuchtete er seine Lippen, während er etwas zu lange die dunklen Strähnen betrachtete, die dem Bassisten ins Gesicht fielen. "Ja, danke der Nachfrage. Mir hat das Flattervieh nichts getan, obwohl es sicher öfter kurz davor war." Tsukasa seufzte. Eigentlich war er ja ein Vogelfreund und wenn er über das Tier so sprach, dann musste es wirklich ein dreistes Exemplar gewesen sein. Der Drummer hatte für seine Enka-Karriere vor kurzem ein aufregendes Photoshooting gehabt, über welches sie sich gerade unterhielten. Nur Hizumi trug nichts zu dem Gespräch bei, da seine Gedanken pausenlos um eine wichtige Frage kreisten. Sie brannte ihm auf der Zunge, aber noch wartete er auf den richtigen Moment, um das anzusprechen. Vermutlich gab es diesen gar nicht oder er hatte einfach nur Schiss: Angst vor den Antworten und Reaktionen der Anderen. Ja, bestimmt lag es eher daran, wenn er ehrlich zu sich selbst war. In Gedanken versunken starrte er auf die bereits niedergebrannte Kerze in der Mitte des Tisches - sie saßen wirklich schon eine ganze Weile in dem Izakaya, ganz gemütlich auf indigoblauen, mit Blüten bestickten Kissen, welche sie vom sauberen, gepflegten Tatami-Boden trennte. Der Holztisch, um den sie herum saßen, blitzte und funkelte unter dem Licht der Lampe, unter welcher sie saßen, so blank war er poliert worden. Ab und an kam die Bedienung vorbei, um Gläser oder Geschirr abzuräumen oder neue Getränke zu bringen. Flüchtig sah Hizumi sich um, dabei wusste er, dass niemand sie beobachtete. Das ging im Grunde auch gar nicht. Die Gäste in diesem Izakaya waren in abgegrenzten Bereichen untergebracht. Dünne, bis zur Hüfte reichende Papierwände trennten die Boxen voneinander ab - nur wenn man stand, konnte man zu den anderen Gästen sehen. Eine gewisse Privatsphäre war hier also garantiert, das schätzten sie alle an dem Lokal. Und es gab Hizumi etwas mehr Sicherheit, seine Freunde auf das anzusprechen, was sonst keiner hören sollte. Er sah auf, als Zero sich rüber zu Karyu lehnte und gemeinsam mit diesem auf die Speise- und Getränkekarte schaute. "Also ich glaube", erhob der Gitarrist das Wort und warf einen Blick in die Runde, "ich werde mir noch ein Bierchen bestellen und dann pack ich's für heute." Der Bassist an seiner Seite bekam große Augen. "Was, wir sind doch noch nicht mal richtig betrunken!", beschwerte er sich, woraufhin Tsukasa schnaubte. "Du vielleicht nicht, wir schon." Unbekümmert zuckte Zero mit den Schultern. "Ihr vertragt einfach nichts. War ja schon immer so." "Sei du mal auf deinen Alkoholismus stolz", konterte Tsukasa mit einem Grinsen auf den Lippen, das seine Worte als Scherz kennzeichneten. "Was denkst du, Hizumi?" Überrascht, plötzlich im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, zuckte er zusammen und schaute in Zeros fragendes Gesicht. "Hm?" "Na, wir lassen Karyu doch nicht jetzt schon gehen, oder?" "Ich sagte nicht, dass ich jetzt gehen will", erwiderte der Gitarrist und zog eine Schnute. "Ich gehe nach dem nächsten Bier!" Zero schnaubte und wollte gerade etwas dazu sagen, als Hizumi dazwischen ging, in einem Anflug plötzlichen Mutes. "Wir sollten endlich unser Abschlusskonzert geben." Augenblicklich trat Stille ein. Seine drei Freunde starrten sich für ein paar Sekunden gegenseitig an, dann sahen sie zu Hizumi, was ihm feuchte Handflächen bescherte. "Was?", hakte Karyu nach, während Tsukasa sich räusperte und offenbar nach Worten rang. Einzig Zero saß steif und stumm da, ohne erkennen zu lassen, was er dachte. Vielleicht hielt er ihn für verrückt, vielleicht war er nur überrascht, vielleicht würde er sich jeden Moment über den Vorschlag freuen oder vielleicht aber war er auch gar nicht begeistert davon, weil es ihm jetzt nicht in den Zeitplan passte. "Wir sollten bald unser Abschlusskonzert geben", wiederholte Hizumi ohne zu blinzeln. Seine Stimme klang nach wie vor fest, aber je länger die Anderen schwiegen, umso dümmer kam er sich vor. Sein Herz klopfte unangenehm schnell in seiner Brust. Tsukasa war der Erste, der seine Stimme wiederfand. "Aha? Klär uns doch bitte auf." Seine Freunde waren offensichtlich zu perplex, um etwas Gehaltvolles zu sagen. Hizumi senkte den Blick und drehte das Schnapsglas in seiner Hand hin und her. "Was soll es da zu erklären geben? Ich kann wieder singen, wenn auch nicht zu hundert Prozent, aber dass das nie mehr gehen wird, wissen wir ja. Letztes Jahr hat der Auftritt doch auch perfekt funktioniert. Ich hab mich weiterhin erholt - mehr geht nicht. Also, was denkt ihr? Schaffen wir das dieses Jahr noch? Das letzte Konzert, bevor wir endlich wirklich abschließen mit der Band?" Nun ging ein Ruck verschiedenster Reaktionen durch seine Freunde. Zero schnappte nach Luft, als wäre er mit irgendwas nicht einverstanden, Karyu wurde blass und Tsukasa schaute ihn nur verblüfft an, völlig entgeistert, doch nach ein paar Sekunden runzelte er die Stirn und betrachtete ihn prüfend, als würde er versuchen, sich da auf irgendetwas einen Reim zu machen. Aber brauchte man sich auf Hizumis Worte einen Reim machen? Schließlich hatte der Drummer einst selbst gesagt, dass er ein allerletztes Konzert geben wollte - denn das hatte damals gefehlt. Einen richtigen Schlussstrich hatten sie nie ziehen können. Der Pause war das plötzliche Ende gefolgt, ohne ein letztes Konzert zum Abschied. Das hatte ihnen allen nicht gefallen. Mittlerweile waren zwar vier Jahre ins Land gezogen, aber nachholen konnten sie es immer noch - das hatten sie auch mit dem Auftritt ein Jahr zuvor im Sommer gezeigt. Auf einer Veranstaltung, die von Angelo ausgetragen worden war, hatten auch D'espairsRay gespielt. Dass es sich dabei nur um vier Songs gehandelt hatte, hatte Hizumi selbst am meisten geärgert. Aber mehr hatte man ihm nicht zugetraut, und wahrscheinlich war die Entscheidung sogar richtig gewesen. Er hätte sich sicher doch übernommen, auch wenn er sich das nur unter Schmerzen eingestand. Dass er dann doch länger als gedacht nur dumm angestarrt wurde, gefiel ihm nicht. "Was, habt ihr keine Lust mehr? Ist euch das nicht mehr wichtig?" Nur halb glaubte er wirklich an diese Möglichkeit, dennoch hatte er den Drang aufzustehen. Und nur eine Sekunde bevor er sich wirklich abgestoßen hätte, ergriff Karyu das Wort. "Natürlich ist uns das noch wichtig. Mir auf jeden Fall. Was denkst du denn?", sagte dieser erbost, während er sich etwas über den Tisch beugte. "Allerdings habe ich mit solch einem Vorschlag noch gar nicht gerechnet. Bist du dir denn absolut sicher, dass das in Ordnung geht?" Das Misstrauen in Karyus Gesicht war unverhohlen. Er glaubte ihm nicht mehr so einfach, und Hizumi wusste nicht, ob er deswegen sauer sein oder weiterhin Verständnis zeigen sollte. Zuerst hatte er es ja verstanden. Alle waren wütend und enttäuscht gewesen, dass er ihnen so viel verschwiegen hatte. Aber mittlerweile, nach all den Jahren, wie konnten sie ihm da immer noch misstrauen? Hizumi schluckte und nickte. "Du kannst ja gern mit zu meinen Ärzten kommen, die dir das noch mal persönlich bestätigen." Sein Mundwinkel zuckte, denn so toll fand er die Idee nicht. Er schlug sie eh nur deswegen vor, weil er dachte, dass die Anderen ihm unter der Möglichkeit gleich glauben würden. "Das überlege ich mir, dass du es weißt." Die Worte des Gitarristen waren überraschend kühl, woraufhin Tsukasa seufzte. "Es ist nur ein Jahr vergangen... Es hat bereits Jahre gedauert, bis du überhaupt halbwegs für die Bühne geeignet warst. Wie soll sich das so schnell noch gebessert haben?" Verletzt, dass auch Tsukasa Zweifel hegte, öffnete Hizumi schon den Mund. "Was ist das Problem?", meldete sich da zu seinem Erstaunen Zero, der die beiden Anderen stirnrunzelnd ansah. "Schon letztes Jahr war Hizumi doch in einer guten Verfassung. Die Frage ist wohl eher, was soll sich da verschlechtert haben?" Er wandte ihm den Blick zu. "Ist es denn mittlerweile sicher, dass es nicht ganz ausheilt? Dass deine Stimme nächstes Jahr nicht wieder zu hundert Prozent da ist?" Hizumi presste die Lippen zusammen und erwiderte Zeros Blick für einige lange Sekunden schweigend, bevor er schließlich steif nickte. Der Bassist seufzte, während die beiden Anderen die Blicke senkten. Keiner hörte das gern, Hizumi wollte es am allerwenigsten wahr haben. "Was ich sagen will", nahm Zero den Faden wieder auf, "ist, dass ich im Grunde schon letztes Jahr ein ganzes Konzert mit ihm gegeben hätte. Er ist soweit. Und wir sind es auch, nicht wahr?" Auffordernd sah er in die Runde, doch nur Karyu hob den Blick, sah zögernd zu Tsukasa, welcher keine Reaktion zeigte, dann zuckte er mit den Schultern. Hizumis Augen indes verweilten auf dem Bassisten, denn in diesem Moment kam ihm dieser wie der Ritter in weißer Rüstung vor. Er war ihm wirklich dankbar für seine Worte, und dass er für ihn Partei ergriff. "Na schön", meldete sich plötzlich der Drummer zu Wort und blickte auf. "Nehmen wir mal an, Hizumi hält das durch. Wie stellt ihr euch das vor? Dieses Jahr bekommen wir gar nichts mehr auf die Reihe. Es ist doch schon Juni. Die Hälfte des Jahres ist vorbei, und Karyu ist mit seiner Band doch ständig auf Tour oder bei Aufnahmen. Ich hab mit zwei Projekten gleichzeitig zu tun, Hizumi versinkt doch selbst auch in seinen Aufgaben, um sich über Wasser zu halten. Am flexibelsten ist noch Zero, aber unsere Band hat in nächster Zeit wieder Auftritte und kleinere andere Termine anstehen." Alle schwiegen für einen Moment, dann seufzte Karyu. "Du willst sagen, ich bin das größte Problem hier, oder? Also ich darf daran erinnern, dass Kirito letztes Jahr ja selbst die Idee hatte, D'espairsRay auftreten zu lassen. Er wird nichts dagegen haben, wenn wir ein Abschiedskonzert vorbereiten." "Du denkst, er wird dir die Zeit einräumen?" Tsukasa schnaubte leise. "Nur diesmal wird er überhaupt keinen Vorteil aus der Sache ziehen." "Hey, so ist er nicht!", fuhr Karyu aufgebracht dazwischen, doch der Drummer winkte ab. "Ich sage ja nicht, dass er ein schlechter Mensch ist. Ich bin ihm immer noch dankbar, aber seien wir mal ehrlich. So voll hat er die Hütte doch noch nie gehabt bei diesem Event." Karyus Augen blitzten und er lief rot an, aber er war noch nie ein Streithahn gewesen. Er erwiderte nichts, und dann fiel Hizumi auch auf, warum: Zeros Arm war in seine Richtung gewandert, vermutlich lag unter dem Tisch seine Hand auf dem Oberschenkel des Gitarristen. Hizumi schluckte. "Also, machen wir das nun?", erhob der Bassist schließlich wieder das Wort und sah fragend in die Runde. "Erstmal ist es doch nicht so wichtig, wann genau. Wir sollten klären, ob wir wirklich alle ein Abschlusskonzert wollen. Wenn wir uns dessen einig sind, dann fangen wir mal an, den Anderen davon zu erzählen. Wenn die das auch für eine gute Idee halten, schauen wir, ob wir alle die nötige Zeit dafür aufwenden können." Er lächelte leicht, das erste Lächeln in der Runde seit Hizumi mit dem Thema angefangen hatte. "Die Proben dürften nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen, wenn wir mal ehrlich sind. Wir haben ja bereits gemerkt, dass wir noch ein eingespieltes Team sind, im wahrsten Sinne des Wortes." Nun war es an Hizumi, zu schnauben. "Ich wünschte, deine schmeichelnden Worte würden auch auf mich zutreffen. Aber ich brauche sicher etwas mehr Zeit zum Üben", erinnerte er und seufzte. "Allerdings kann ich ja viel privat machen und brauche uns alle nicht unnötig aufhalten. Die Zeit für unsere Proben wird kostbar sein." Alle nickten, dann trat wieder Stille ein. Nur das Klappern von Geschirr und leise Stimmen waren zu hören. Grübelnd starrten die Vier vor sich hin, hingen ihren Gedanken nach. Ob sie sich wohl fragten, was das alles bedeuten würde, wenn sie seinem Vorschlag zustimmten? Worauf sie sich da einlassen würden? Hizumi betrachtete seine Freunde nervös, während er an seiner Unterlippe nagte. Er hoffte, dass sie Ja sagen würden. Ein Nein würde für ihn bedeuten, dass das letzte Konzert niemals stattfinden würde. Er würde wohl nie wieder eine Bühne betreten, nie wieder vor vielen Menschen singen und vor allem würde er keinen offiziellen, richtigen Schlussstrich ziehen dürfen. Jäh wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als ein Kellner, der sich von der Seite angeschlichen hatte, Bier für Karyu brachte. Kaum war das Glas auf dem Tisch abgestellt, hörte er Zero seufzen. "Wir brauchen noch eine Runde Shochu", sagte er der Bedienung, die sich das nickend notierte, sich hastig bedankte und loszog. Keiner widersprach der Idee, noch etwas Branntwein zu trinken - auch Karyu nicht, der zuvor noch angedeutet hatte, nichts weiter als noch ein Bier trinken zu wollen. Doch die Lage hatte sich ja ohne Vorwarnung dank Hizumi geändert. Ein schlechtes Gewissen hatte er allerdings nicht. Er hätte es bereut, wenn er mit seinem Anliegen noch länger hinterm Berg gehalten hätte. Unruhig spielte er mit seinen Fingern, während er auf eine Reaktion der Anderen wartete. Er war schon kurz davor, das Ticken einer imaginären Uhr zu hören. Mit leichter Ungeduld sah er seine Freunde schließlich an. So schwer konnte die Entscheidung doch nicht sein? "Also?", fragte er nur, während er einen nach dem anderen auffordernd anschaute. Wenn das so lange dauerte, das Ganze überhaupt in Betracht zu ziehen, dann sah es ja nicht so gut aus. Ein erneutes Seufzen von Zero, dann machte dieser eine vage Handbewegung. "Gut, ja, versuchen wir es. Sollte irgendwas doch nicht passen, können wir doch immer noch zurück rudern, oder?" Fragend sah er in die Runde, während sich auf Hizumis Gesicht ein leichtes Lächeln legte. Er hatte ja schon immer eine tiefe Sympathie für ihn gehegt und jetzt gesellte sich pure Dankbarkeit hinzu. Bekräftigend nickte er. "Genau. Es geht doch nicht darum, uns gleich festzunageln. Das war letztes Jahr was Anderes. Diesmal sind wir ganz für uns. Wir müssen es nicht ganz so eng sehen", sprang er auf den Zug auf, aber sogleich erntete er ein finsteres Gesicht von Karyu. "Oh doch. Ich sehe das alles eng. Ich nehme es sehr ernst, wenn du vorschlägst, ein Konzert zu geben und das Anklang findet." "Bist du etwa dagegen?!" "Nein... Natürlich nicht. Jedenfalls nicht grundsätzlich", erwiderte Karyu langsam. "Aber ich lasse nicht zu, dass wir das als Spaßveranstaltung ansehen." "Das habe ich auch so nicht gemeint", verteidigte sich Hizumi, woraufhin Zero sich einschaltete. Er sah den Streit kommen. Es war wie vor fünf Jahren, damals hatten sich Sänger und Gitarrist auch häufig in der Wolle gehabt. "Hey, schaltet mal einen Gang zurück. Ich hab das ebenfalls nicht so gemeint, dass wir die Sache auf die leichte Schulter nehmen sollten. Aber..." Eine tiefschürfende Diskussion entbrach, wie nun was gemeint war, wie ernst sie es nahmen und so weiter und so fort. Im Grunde versuchte Zero, Karyu zu beruhigen und zu überzeugen. Ein Gespräch, aus dem sich Hizumi raushielt - er hatte eher das Talent, den Gitarristen gegen sich aufzubringen. Zero hingegen war schon immer ein guter Schlichter gewesen, er war ein bisschen wie die Schweiz: neutral. Na ja, angeblich jedenfalls. Tsukasa blieb auch erstaunlich stumm und lehnte sich nur zurück, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er schien einfach nur auf die Drinks zu warten - oder auf das Ende dieser sinnlosen Diskussion. Irgendwann hatte er aber genug, verdrehte die Augen und ließ die Hände sinken. "Ich bin auch dafür, dass wir das Abschlusskonzert endlich machen. Wir kriegen das schon irgendwie hin, auch wenn wir wenig Zeit haben. Das haben wir ja immer so gemacht, was? Irgendwie haben wir immer einen Weg gefunden", murmelte er. "Vielleicht hat Hizumi Recht. Warum noch länger warten? Wir sollten es angehen, bevor..." Er zuckte unsicher mit den Schultern. "Bevor uns irgendwas einen Strich durch die schöne Rechnung macht." Hizumi nickte bekräftigend und lächelte dem Drummer aufmunternd zu, welcher fortfuhr. "Wir sollten darum kämpfen! Damit ihr es gleich wisst, auch ich nehme das nicht auf die leichte Schulter. Was wir hier ausmachen, das hat Gewicht. Es ist keine Idee, die einfach mal aufkommt und die wir beim erstbesten Problem wieder verwerfen, habt ihr das verstanden?" Der Blick, mit dem Tsukasa jeden Einzelnen von ihnen bedachte, wirkte beinahe drohend. "Haben wir. Ich sehe es ganz genauso wie du", antwortete Karyu leise. "Ich bin der Letzte, der aufgeben wird." Der Gitarrist senkte den Blick und nagte an seiner Unterlippe, weswegen Zero sich fragend zu ihm beugte. "Was ist?", wisperte er, aber Hizumi - und sicher auch Tsukasa - konnten es trotzdem hören. Sie saßen eben doch zu nah beieinander. Doch der Blonde schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Hizumi wartete darauf, dass noch jemand etwas sagte, aber es wurde still. Fragend sah er Karyu an. "Bist du dabei?" Das Zögern im Gesicht des Gitarristen fiel ihm gleich auf, aber so schnell wie es da war, war es auch schon wieder verschwunden. "Ja...ja, natürlich bin ich dabei", seufzte er und sah auf, da die Bedienung mit dem Shochu kam. Mit hängenden Schultern griff Karyu nach dem Gläschen und nahm einen Schluck. Nicht nur Hizumi war es, der Karyu mit hochgezogener Augenbraue betrachtete. "Du siehst ja begeistert aus", äußerte sich Tsukasa, doch der Blonde winkte ab. Er wollte nicht darüber reden, und das akzeptierten sie erstmal. Die nächsten Minuten schwiegen sie und hingen erneut ihren eigenen Gedanken nach. Hizumi für seinen Teil fühlte sich noch gar nicht so, als hätten sie soeben etwas Wichtiges beschlossen. Dass eine Entscheidung von Gewicht gefallen war. Er fühlte sich fast wie vor vier Jahren, als sie alles beendet hatten - damals war es aber mehr ein schwarzes Loch gewesen, in das er, wie auch die Anderen, gefallen war. Jetzt fühlte sich das anders an. Nicht negativ. Es war einfach nur...unfassbar. Surreal. "Hizumi? Geht's dir nicht gut?" "Was?" Verwirrt sah er auf. "Doch...klar." Er lächelte, und bevor Tsukasa nachbohren konnte, hob Zero sein Glas. "Na, jetzt aber gut mit den Knautschgesichtern. Wir haben was zu begießen, oder nicht?" Einvernehmliches Nicken, alle leerten ihre Gläschen mit zwei Schlucken, sodass nur noch Karyus Bierglas das einzig gefüllte war. Hizumi blickte kurz zu Zero. Dass ausgerechnet dieser es sein würde, der für ihn einstand und schließlich für gute Laune sorgte, war doch etwas überraschend. Oft genug war der Bassist eher der stille und zurück gezogene gewesen - hatte sich das geändert? Er sah ihn zwar öfter als Karyu, aber immer noch selten, daher war ihm eine Veränderung wohl entgangen. Die nächste Runde ging auf Tsukasa, und allmählich besserte sich die Stimmung in der Runde. Sie standen alle etwas neben sich. Statt dass ihr Vorhaben sie beflügelte, betäubte das Bevorstehende sie eher. Aber Hizumi war sich sicher, dass es nichts Negatives bedeutete. Schon morgen würden sie alle motiviert an die Sache rangehen. Sie würden nur etwas Zeit brauchen, um zu realisieren, was da vor ihnen lag. =========================================== TO BE CONTINUED =========================================== Da heute der 09.09. ist, wollte ich das 1. Kapitel endlich hochladen. Ich arbeite schon lange an dieser Story. Es sind schon viele weitere Kapitel geschrieben, aber noch nicht komplett überarbeitet und durchgeschaut. Daher wird es mit den nächsten Uploads noch einige Wochen dauern. Aber einen Vorgeschmack auf diese Story wollte ich zu diesem besonderen Datum schon mal geben. Sollte euch dieses Kapitel gefallen, bleibt bitte unbedingt dran, auch wenn das nächste Kapitel auf sich warten lassen wird. Ihr werdet es nicht bereuen :) Liebste Grüße! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)