Kinder der Freiheit von Raija ================================================================================ Kapitel 8: Der Weg in die Freiheit ---------------------------------- Die Tage vergingen wie im Flug. Freya praktizierte am Vormittag, besuchte den Theorieunterricht mit den Neulingen, trainierte danach mit Levi und fiel abends todmüde ins Bett. Daher war es nicht verwunderlich, dass der Tag ihrer Expedition plötzlich vor der Tür stand. Am Morgen bekam Freya keinen Bissen von ihrem Frühstück runter und seit dem Erwachen fühlte sie diese innere Anspannung. „Du solltest essen. Wer weiß, wann wir das nächste Mal etwas bekommen", riet Levi, der bei ihr saß. Sie sah auf die Spiegeleier und das Brot auf ihrem Teller. Alles sträubte sich in ihr etwas essbares aufzunehmen, doch nahm sie die Gabel zur Hand und schaufelte ihr Frühstück regelrecht in sich hinein. „Oh Gott, ich kotze gleich", sagte sie kauend und schob ihren leeren Teller von sich weg. Levi, der ihr gegenüber saß, hatte die Beine überschlagen und nippte scheinbar seelenruhig an seinem Tee. Schon lange wunderte sie sich nicht mehr über die seltsame Art, wie er seine Tasse hielt, doch genau daran konnte Freya an diesem Tag ablesen, dass er nicht so entspannt war, wie er vorgab zu sein. Sie beobachtete, wie sein Zeigefinger gelegentlich ungeduldig auf den Tassenrand tippte, bis er sich seiner Anspannung bewusst wurde und stoppte. Eigentlich eine wunderbare Gelegenheit ihn zu verspotten, doch war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Erschrocken fuhr sie zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Erwin stand plötzlich hinter ihr. „Es wird bald Zeit die Pferde zu satteln", informierte er. Levi nickte und erhob sich, während Freya einen Moment zögerte, ehe auch sie von ihrem Stuhl aufstand. Sie wandte sich zu Erwin um und sah ihn an. So viele Worte schwirrten durch ihren Kopf, so viel, das sie ihm sagen wollte, doch konnte sie keinen zusammenhängenden Satz bilden, weswegen sie einfach die Arme ausbreitete und um seinen Körper schlang. Erwin erwiderte ihre Umarmung und drückte sie fest an seine Brust. „Wenn wir wieder zu Hause sind, müssen wir unbedingt die Blumenkästen neu bepflanzen", ließ Freya verlauten. Von all dem, was sie hätte sagen können, entschied sie sich für solch banales. Erwin lachte. „Sicher doch", versprach er. Sie lösten sich voneinander. Erwin nickte Levi noch einmal zu und verschwand nach draußen. Während Freya in ihre Jacke schlüpfte, erklang das Signal, um sich für den Aufbruch bereit zu machen. Freya und Levi begaben sich in den Stall, wo sie ihre Pferde sattelten, um sich danach mit ihrer Gruppe zusammen zu finden. Der Aufklärungstrupp ritt nach Shiganshina, wo er sich vor dem Tor der Mauer Maria aufstellte und auf den Befehl des Kommandanten wartete. „Freya", ertönte plötzlich ein Ruf. Die Angesprochene ließ ihren Blick suchend über die Menge Zivilisten, die sich auf den Straßen versammelt hatte, schweifen, bis sie ein ihr bekanntes Gesicht erkannte. Valerie stand auf einer Holzkiste und winkte ihr freudig zu. Lächelnd grüßte Freya zurück, wobei Levi ihr einen irritierten Blick zuwarf, weil er erst dachte, sie würde ihm zuwinken. Sie zeichnete mit den Händen einen Halbkreis von unterhalb ihrer Brust bis zu ihren Hüpften. Damit ahmte sie Valeries dicken Bauch nach, der durch ihre Schwangerschaft fast zu explodieren drohte. Dann bemerkte sie, dass er sie beobachtete und zeigte ihm frech die Zunge. Da erklangen die Glocken und das Tor würde hochgezogen. Der Kommandant brüllte den Befehl und schon preschte der Trupp los. Wie jedes Mal, wenn sie die Mauern verließ, atmete Freya, sobald sie diese verlassen hatte, tief durch. Es war, als könnte sie außerhalb dieses Käfigs befreiter Luft holen. Chapman gab ihnen das Zeichen, sich in ihre Position der Formation zu begeben. So ritt Chapman als ihr Teamführer an der Spitze ihrer kleinen Truppe, gefolgt von drei Neulingen. Freya und Levi bildeten die Nachhut. Ihr Ritt lief problemlos und sie konnten für einige Zeit die atemberaubende Weite außerhalb der Mauern genießen. Gelegentlich wechselten sie die Richtung, galoppierten durch Wälder und offene Felder. Schließlich tauchte der erste Titan auf. Eine 8 Meter-Klasse näherte sich gemächlich zu ihrer Rechten. „Martin, zeig den Frischlingen, wie man das macht“, befahl Chapman. „Levi, gib das Signal, dort hinten kommen noch mehr von den Bastarden.“ „Ja, Sir“, rief diese aus und wendete ihr Pferd. Levi hingegen schnalzte mit der Zunge, ehe er das rote Signalfeuer in die Luft schoss. Augenblicklich folgten andere Soldaten seinem Beispiel und rote Geschosse durchzogen den Himmel vor ihnen. In der Zwischenzeit galoppierte Freya auf den Titan zu. Die Anker versenkte sie im Fleisch seiner Brust und ließ sich durch den Antrieb aus dem Sattel ziehen. Sie sauste auf die 8 Meter-Klasse zu, zwischen seinen Beinen hindurch und schleuderte sich in die Luft, während sie gleichzeitig die Anker löste. Noch ehe der Titan den Kopf heben und nach ihre sehen konnte, hatte sie ihm ein Stück aus dem Nacken geschnitten. Dampfend sackte er auf die Knie und fiel schließlich der Länge nach hin. Zufrieden stemmte Freya die Hände in die Hüften und betrachtete ihr Werk, bis ihr Pferd neben ihr zum Stehen kam. Schwungvoll stieg sie zurück in den Sattel und ritt zurück zu ihrer Gruppe. „Eins zu Null für mich“, zwinkerte sie Levi zu, der genervt die Augen verdrehte. Am späten Nachmittag erreichte der Großteil von ihnen eine alte Burg. Unterwegs waren sie noch einigen Titanen begegnet, wobei manche Kämpfe unausweichlich gewesen waren und sie einige Männer verloren hatten. Nun befehligte Kommandant Shadis seine Soldaten, die Burg bestmöglich vor Titanen zu schützen, denn Ziel dieser Expedition war es, das erste Außenlager für Menschen zu erreichten. Freya schritt mit Levi den breiten Gang auf der Burgmauer entlang zu Erwin, der gerade Befehle an Männer weitergab. Sie passierten einige Rekruten, die hinunter auf die Titanen schauten, die sich vor der Mauer versammelt hatten. Fast hatten sie Erwin erreicht, da ertönte plötzlich ein Knall und die Mauer bebte unter ihren Füßen, sodass sie Mühe hatten, das Gleichgewicht zu halten. Ein Abnormaler war über den Burggraben gesprungen und von der Mauer abgeprallt. Ruckartig wandte Freya sich zu den Neulingen um und sah, wie einer der Jungs von der Mauer stürzte. Sie sah zurück zu Erwin, der ihren Blick auffing, dann sprintete sie los. „Freya, lass das“, hörte sie Erwin noch rufen, da sprang sie dem jungen Soldat hinterher. Schockiert schnappten die wenigen Leute, die diesen Vorfall beobachteten, nach Luft, denn Freya trug keinerlei 3D-Manöver-Ausrüstung am Leib. Sofort hastete Erwin ihr hinterher, warf die Anker aus, die sich in der steinernen Mauer vergruben und stürzte sich ebenfalls in die Tiefe. Levi preschte zum Rand der Mauer und sah zu den Dreien. Der Rekrut landete mit einem lauten Klatschen im Burggraben, während Erwin Freyas Sprunggelenk zu fassen bekam, ehe auch sie ins Wasser eintauchten. Alles war still und für den Bruchteil einer Sekunde schien die Welt still zu stehen. Dann tauchte Erwins Gestalt aus dem Wasser auf, In der einen Hand hielt er Freyas Bein, auf dem ihr restlicher Körper folgte. Diese hatte den Oberkörper des abgestürzten Soldaten fest umklammert. Mittels des Antriebs zog Erwin sie nach oben, wo andere Soldaten bereits herbei geeilt waren, um ihnen zu helfen. Freya stand noch nicht richtig auf ihren Füßen, da riss sie sich von ihren Helfern los und stürzte zu dem jungen Mann, der gerade regungslos auf dem Boden abgelegt wurde. Sofort fühlte sie nach seinem Puls, öffnete seine Lider, um nach seinen Pupillen sehen zu können und legte den Kopf auf seine Brust und horchte nach seinem Herzschlag. Angespannt hielten sie umstehenden Personen die Luft an, als sie die Hände auf seine Brust legte und in regelmäßigen Abständen Druck auf diese ausübte. Gelegentlich unterbrach sie die Herzrhythmusmassage, nur, um Luft in seine Lungen zu pusten. Eile ganze Weile schon versuchte sie ihn wieder ins Leben zu rufen. Levi entging nicht, wie sie immer langsamer wurde und sich feine Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Erwin hockte sich vor Freya und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Sie hielt inne und strich sich den Schweiß von der Stirn, dabei zogen sich ihre Mundwinkel nach unten und Levi befürchtete, dass sie gleich weinen würde. Doch stieß sie die Luft zwischen den Zähnen hervor uns fasste sich wieder. Langsam hob sie den Blick und sah in Erwins blaue Augen. Enttäuschung lag darin und sofort spürte sie einen heftigen Stich in der Herzgegend. Das Letzte, was sie wollte, war Erwin zu enttäuschen. Also setzte sie erneut die Hände auf der Brust des Rekruten an und nahm ihre vorherige Tätigkeit mit neuem Entschlossenheit wieder auf. Erwin beobachtete sie dabei, bis ihm ein kleiner roter Tropfen auffiel, der auf ihrer Hand landete, gefolgt von einem Zweiten, einem Dritten und einem Vierten. Konfus sah er in Freyas Gesicht und erkannte, dass Blut aus ihrer Nase lief. „Freya“, setzte er an, da erklang ein fürchterliches Knacken. Freya hatte dem Soldaten eine Rippe gebrochen. „Ist schon gut, du kannst aufhören“, versuchte er nochmals mit sanfter Stimme zu ihr durchzudringen. Das Blut tropfte unaufhörlich aus ihrer Nase und eine weitere Rippe brach hörbar. „Freya, es reicht“, sagte Erwin nun mit Nachdruck, doch hörte sie nicht auf. Er erhob sich, um sie von dem Mann wegzuziehen, als dieser plötzlich einen Schwall Wasser ausspuckte und hustend nach Luft rang. Erstaunte Ausrufe erklangen aus der Menge um sie, die Erleichterung war deutlich spürbar. „Bringt ihm eine Decke und schafft ihn rein ans Feuer“, verordnete Freya. Sofort wurde der Soldat von anderen hochgehoben und ins innere der Burg getragen. Als die Menschen um sie herum verschwanden, atmete auch Freya entlastet auf. Sie hatte es geschafft, sie hatte Erwin nicht enttäuscht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)