Kinder der Freiheit von Raija ================================================================================ Kapitel 6: Rangeleien --------------------- Am nächsten Morgen stieg Freya die Treppen mit Herzklopfen hinab. Sie musste an den Vorabend denken und daran, zu was sie sich beinahe hatte hinreißen lassen. Hoffentlich würde Erwin sie nicht darauf ansprechen, denn sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Als sie unten ankam, entdeckte sie die gepackten Taschen. Überrascht hielt sie nach Erwin Ausschau, der in der Küche etwas Proviant für den Tag zusammen packte. „Du brichst schon auf?", fragte sie erstaunt. „Ja, denn wir haben noch etwas wichtiges zu erledigen", ertönte plötzlich eine männliche Stimme hinter ihr, die nicht zu Erwin gehörte. Erschrocken drehte sie sich um und sah Mike vor ihr stehen. „Eine ganz scheußliche Angewohnheit, die du da hast", knurrte sie ihn an. Es war nicht das erste Mal, das er die von hinten überraschte und anscheinend gefiel es ihm. „Nur Menschen, die etwas böses im Sinn haben, lassen sich erschrecken", flötete er und schob sich an ihr vorbei. „Die Pferde sind soweit, wir können los", sagte er an Erwin gewandt. Dieser nickte. „Ich komme sofort." Daraufhin verschwand Mike wieder nach draußen. Nun galt seine Aufmerksamkeit Freya. „Der Kommandant hat nach mir geschickt, allerdings weiß ich auch nicht mehr, als dass es wichtig ist", erklärte er. „Du solltest auch bald aufbrechen, es sieht nach Regen aus." „Das werde ich", antwortete sie noch immer überrumpelt. „Außerdem solltest du das Training mit Levi schnellstmöglich aufnehmen, damit ihr bestens vorbereitet seid", wies er sie an. Freya wusste gar nicht wie ihr geschieht. „Was?" „Wir sehen uns dann dort." Sie bekam noch einen kurzen Blick zugeworfen und schon war er aus der Tür verschwunden. Die Tür fiel ins Schloss und sie war allein. Für einen Moment überlegte sie, ob sie ihm nachgehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Stattdessen eilte sie ans Fenster und als sie hinaus lugte, sah sie, wie Erwin sich auf sein Pferd schwang und ohne einen Blick zurück davon ritt. Was habe ich falsch gemacht?, war die Frage, die Freya sich immer wieder stellte. Auch später, als sie auf ihrem Pferd saß, wusste sie keine Antwort auf diese. Hatte sie ihn gekränkt am Vorabend? Oder verhielt er einfach wie der zukünftige Kommandant des Aufklärungstrupps und sie interpretierte zu viel in sein professionelles Verhalten? Sie beschloss bei passender Gelegenheit ihn darauf anzusprechen. Aber vorher solltest du dir deiner Gefühle klar werden, sagte ihr eine innere Stimme. Missgestimmt zog sie die Mundwinkel gen Boden. Gott, war das alles kompliziert. Zu allem Überfluss öffnete in diesem Moment der Himmel seine Schleusen und es begann wie aus Eimern zu schütten. "Auch das noch", grummelte Freya und zog sich die Kapuze ihres Umhangs über den Kopf. Anscheinend taugte Erwin auch als Wetterfrosch. Stunden später kam sie nass bis auf die Knochen an der Donnerburg an, die als momentanes Hauptquartier des Aufklärungstrupps diente. Sie führte ihr Pferd in den Stall, wo sie eine angenehme Wärme empfing. Es roch nach frischem Heu und nach den warmen Körpern der Tiere. Freya führte den Rappen in seine Box, wo sie den Sattelgurt löste. „Wird auch mal Zeit, dass du ankommst", ertönte eine Stimme hinter ihr. Ruckartig wandte sie sich um und machte Levi im Eingang zur Box ausfindig. Warum auch immer, aber ihre Laune erreichte den Tiefpunkt. Das Levi sie aufsuchte konnte nur Arbeit bedeuten. Arbeit, für die sie gerade keinen Nerv hatte. „Hast du mich vermisst oder was?", knurrte sie ihn an, während sie den Sattel vom Pferd hob. „Erwin möchte, dass wir mit dem Training beginnen." Für den Zeitraum eines Herzschlags starrte sie ihn fassungslos an. „Darf ich bitte erstmal richtig ankommen? Wie du siehst, hatte ich keine angenehme Reise." Sie deutete auf ihre Kleidung, die vor Matsch nur so triefte. Das Wetter während ihrer Rückreise war zwischendurch so schlecht geworden, dass sie von Pferd absteigen und es führen musste. An einem schmalen Bachlauf mutierte ihr Hengst zum Esel und sträubte sich über den Wassergraben zu gehen. Freya, die bereits auf der anderen Seite stand, zerrte an den Zügeln und redete auf ihn ein, doch es half alles nichts. „Bist du nicht willig, so wende ich Gewalt an", hatte sie ihm gedroht. Anscheinend hatte er sie verstanden, denn sobald sie zurück auf seine Seite gehüpft war, hatte das Tier einen Satz nach vorne gemacht. Freya, deren Hände die Zügel fest umklammert hielten, wurde mitgerissen und landete der Länge nach mit dem Gesicht voran im Dreck. Levi musterte sie abschätzig und verzog beim Anblick ihrer versauten Kleidung den Mund. „Das kommt davon, weil du dein Pferd nicht unter Kontrolle hast." „Ich habe mein Pferd sehr wohl unter Kontrolle", stellte sie klar, wobei sie die Arme vor der Brust verschränkte. Natürlich musste der Gaul das genaue Gegenteil beweisen. Er stupste Freya mit dem Kopf gegen ihren Rücken, sodass diese das Gleichgewicht verlor und nach vorne fiel. Der erwartete Aufprall blieb aus, stattdessen legten sich zwei starke Arme um ihren Oberkörper. Vorsichtig öffnete sie die Augen und begegnete Levis Blick, der sie regelrecht verspottete. Doch meinte sie noch etwas anderes darin auszumachen. Durch die Wärme, die sein Körper ausstrahlte, bemerkte sie, wie durchgefroren sie war. „So viel zu deiner Kontrolle", murrte er mit tiefer Stimme. Freya glaubte, die Vibrationen seiner Stimmbänder auf seiner Brust spüren zu können, was ihr einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. Sie bekam weiche Knie. Gott Freya, reiß dich zusammen! Der Kerl ist doch völlig bescheuert!, schrie ihr Unterbewusstsein sie an. Langsam schob Levi sie zurück, was sie aus ihrer Trance erwachen ließ. „Pah, als hättest du 'ne Ahnung“, bellte sie ihn an. Hastig drehte sie sich um und begann die Riemen der Trense zu lösen. „Du hast eine Stunde“, äußerte er, „dann fangen wir an.“ Damit machte er auf dem Absatz kehrt und stiefelte hinaus in den kalten Regen. „Vergiss es“, zischte sie ihm noch hinterher. • Nachdem ihr Pferd versorgt war, nahm Freya ein warmes Bad, das sie bitter nötig hatte. Die Kälte war ihr bis in die Knochen gekrochen. Das warme Wasser war eine Wohltat für ihren durchgefrorenen Körper. Danach kuschelte sie sich ins Bett und nahm ihr Buch zur Hand. Sie schlug eine beliebige Seite auf, betrachtete die wunderschöne Illustration und las sorgsam den dazugehörigen Text, auch wenn sie ihn schon in- und auswendig kannte. Es dauerte nicht lange, da flog die Tür zu ihrem Zimmer auf. Ein mehr als nur mies gelaunter Levi stand im Türrahmen und sah ihr feindselig entgegen. „Ja bitte?“, fragte sie mit lieblicher Stimme. „Du hast anscheinend vergessen, dass wir verabredet waren“, knurrte er gefährlich, während er einem Raubtier gleich in ihr Zimmer trat. „Ich erinnere mich dir abgesagt zu haben“, sagte sie zuckersüß. Trotz seiner undurchdringlichen Miene merkte sie, wie sie ihn zur Weißglut trieb. Freya genoss es und grinste amüsiert. Levi ließ sich ganz cool auf einen Stuhl nahe des Fensters sinken, schlug die Beine übereinander und musterte sie skeptisch. Ihm war bewusst, dass sie ihn aus der Fassung bringen wollte, dafür sprach allein schon ihre Bluse, bei der man vielleicht einen Knopf mehr hätte schließen sollen, denn ihr Ausschnitt ließ den Ansatz ihrer Brüste erkennen, wodurch so manche Fantasie geweckt wurde. „Meinst du, ich habe Lust den Aufpasser für dich zu spielen?“ Sie antwortete nicht. Stattdessen verschränkte sie die Arme vor der Brust, was ihren Busen noch mehr betonte, und zog eine feine Augenbraue in die Höhe. Dieses Miststück, fluchte er gedanklich und verengte die Augen. „Wenn ich schon mal da bin, können wir uns auch hier besser kennen lernen“, wiederholte er Erwins Worte, anstatt seine Gedanken auszusprechen. „Du fragst jetzt aber nicht nach meiner Lieblingsfarbe?“ „Nimmst du diese ganze Sache überhaupt ernst?“, stellte er die Gegenfrage. „Ab Morgen, heute habe ich schließlich noch frei“, informierte sie ihn und wandte sich demonstrativ ihrem Buch wieder zu. Erneut musterte er sie. „Du bist störrisch“, stellte er fest. „Ja, ist einer meiner Stärken“, sagte sie ganz nebenbei, ohne den Blick von den Seiten zu heben. „Was sind deine weiteren Stärken?“ Mit zu Schlitzen verengten Augen sah sie ihn an. „Du bist genauso dickköpfig“, maulte sie ihn an. „Antworte!“ Freya legte das Buch in den Schoß und nahm eine aufrechte Position ein. Wenn sie ihn schon nicht vertreiben konnte, dann wollte sie ihn wenigstens noch etwas ärgern. „Ich kenne meinen Körper gut und weiß ihn einzusetzen“, teilte sie mit, wobei sie seine Reaktion genau beobachtete. Wie immer war seine Miene undurchdringlich, doch war ihr nicht entgangen, wie seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde zu ihrem Ausschnitt gehuscht war. Er war eben auch nur ein Mann. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. „Auch auf diese Weise“, flüsterte sie verführerisch. Miststück, hallte es abermals in seinem Kopf wieder. Er durchschaute sie, wusste, dass sie ihr Spielchen mit ihm treiben wollte, und das Ärgerliche daran war, dass sie damit Erfolg hatte. Genau in diesem Moment musste er sich eingestehen, wie sexy er sie fand. Die aufgeknöpfte Bluse, das nasse Haar hochgesteckt, sodass einzelne Locken ihr Gesicht umrahmten, ihre grauen Augen, die flüssigem Silber ähnelten, und dazu das laszive Lächeln auf den vollen Lippen. „Aha“, gab er ungerührt von sich, innerlich tobte er. Am Liebsten würde er ihr dafür den Hals umdrehen. Mit der Zunge schnalzend erhob er sich von dem Stuhl und ging lässig auf sie zu. Mal sehen, ob sie noch so ein großes Maul hatte, wenn er direkt vor ihr stand. Er kam neben ihrem Bett zum Stehen, von wo aus er einen noch verlockenderen Ausblick auf ihr Dekolleté hatte. Dabei fiel ihm das Buch auf, das in ihrem Schoß lag. „Was liest du da?“, fragte er und deutete darauf. Sofort schlug sie die Seiten zu und zog es aus seiner Reichweite. „Das geht dich nichts an“, fauchte sie. Sieh an, hatte er da etwa einen Schwachpunkt entdeckt. Na dann wollen wir den Spieß mal umdrehen. Mit einem Knie stützte er sich auf dem Bett ab, beugte sich vor und griff nach dem Buch. Freya versuchte mit aller Macht ihn davon abzuhalten. Mal wieder brach ein Handgemenge zwischen ihnen aus, in dem keiner der Beiden nachgeben wollte. Zu Levis Überraschung ließ sie urplötzlich das Buch fallen, umfasste mit beiden Händen seinen Nacken und drückte dort den Punkt, wie schon Tage zuvor. Ein Kribbeln fuhr seiner Wirbelsäule entlang, das sich rasant in seinem Körper ausbreitete. Diesen Augenblick nutzte sie, um seine Arme zu packen, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen und unter sich festzunageln. Triumphierend thronte sie auf seinem Bauch und hatte mit ihren nackten Beinen seine Arme eingeklemmt, sodass er sie nicht bewegen konnte. „Habe ich nicht gesagt, dass ich meinen Körper einzusetzen weiß?“, fragte sie, als wäre sie die Unschuld vom Lande. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schenkte ihm ein fieses Lächeln. Leider war sie nicht besonders vorausschauend. Levi rammte ihr eines seiner Knie in den Rücken, weshalb sie nach vorn stürzte und ihren Klammergriff lockerte. Nun war er es, der sie unter sich festhielt. Mit seinem Körpergewicht drückte er sie tief in die Laken, während er ihre Arme mit den Händen oberhalb ihres Kopfes fixierte. Erstaunt sah sie ihn aus großen Augen an. Mit einem Überfall seinerseits hatte sie absolut nicht gerechnet. „Wenn das mit uns funktionieren soll, solltest du mal eine bescheuerten Späßchen sein lassen“, wies er sie zurecht. Wie zuvor im Stall rief der Klang seiner Stimme ihrem Ohr so nahe eine Gänsehaut bei ihr hervor, was durch seinen warmen Atem auf ihrer Haut nur verstärkt wurde. Der Druck seines Leibes auf ihrem, war keineswegs unangenehm. Im Gegenteil. Sie empfand es als aufregend und verlockend, was sie ein wenig erschreckte. Hatte sie ihn nicht kürzlich erst für bescheuert erklärt? Wieso fühlte sie dann dieses berauschende Knistern zwischen ihnen? Sie sah ihm in die dunklen, geheimnisvollen Augen und suchte darin nach einer Antwort. Unerwartet klopfte es an der Tür, weshalb sie sich schlagartig voneinander trennten. Freya hatte ihren vorherigen Platz wieder eingenommen und Levi sich am Fenster aufgestellt, ehe die Tür sich öffnete und Erwin eintrat. Sofort bemerkte dieser die Spannung zwischen beiden, weswegen er sie kritisch musterte. „Bei euch alles in Ordnung?“, fragte er misstrauisch. „Ja, wir sind hier fertig“, antwortete Levi gefasst, wie immer. Ohne ein Wort des Abschieds, schob er sich an Erwin vorbei aus dem Zimmer. Erwin sah ihm nach, wandte sich zu Freya und schloss die Tür. „Alles klar?“ „Ja“, bestätigte sie. „Was habt ihr gemacht?“ Er ließ sich auf der Bettkante neben ihr nieder. „Ich glaube“, begann sie stockend, „wir haben gerade die Rangordnung unter uns ausgemacht.“ • Donnerburg, 845 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)