Prelude of Shadows von yazumi-chan (Die Team Shadow Chroniken) ================================================================================ Amy – Akt 2, Szene 2 -------------------- 7 Jahre vor Team Shadows Gründung   Amy konnte ihren Augen kaum glauben. Ronya hatte ihr geschrieben! Jetzt gerade, vor nicht mal fünf Minuten. Sie öffnete die E-Mail mit zittrigen Fingern. Wie lange war ihre Reise nach Jubelstadt nun schon her? Sechs Wochen? Sieben? Es war so viel in der Zwischenzeit passiert, dass es sich viel länger anfühlte. Aber warum hatte Ronya so lange nicht geantwortet? Wenn sie Amy vergessen hätte, wäre niemals eine Antwort gekommen. Es musste also auch in ihrem Leben etwas passiert sein. Amy schluckte schwer und begann zu lesen.   [LEFT] [/LEFT]   Liebe Amy, Es tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe. Nach meiner letzten Mail ist viel passiert. Ich werde dir die Details ersparen, aber ein Stahlos hat Max schwer verletzt und jetzt ist er querschnittsgelähmt. Max ist psychisch ziemlich mitgenommen (ich auch) und es wird eine ganze Weile dauern, bis wir wieder okay sind, aber zusammen werden wir das hinkriegen. Sybill trainiert sich ihre Pfoten wund, um ihn nächstes Mal besser beschützen zu können. Max‘ Verletzung hat sie sehr mitgenommen. Sie hat Schuldgefühle (ich auch … mal wieder). Ich habe in den Minen bereits ein junges Onix gefangen, mit dem ich ihn langsam in Kontakt bringen werde. Morgen ist der erste Tag. Ich bin nervös, aber Max ist stark. Er ist bereit, und Wyatt ist das ruhigste und gutmütigste Pokémon, das mir je untergekommen ist. Es hat Wochen gedauert, ein Pokémon mit seinem Temperament zu finden, aber jetzt bin ich guter Dinge, dass Max lernen wird, seine Angst zu überwinden. Wenn Wyatt sich irgendwann in ein Stahlos entwickelt, bin ich sicher, dass sie unzertrennlich sein werden. Mein Ziel ist es, sobald wie es Max‘ Gesundheit zulässt, nach Ewigenau zu reisen. Eine Freundin, die ich hier kennengelernt habe, hat sich bereiterklärt, uns dorthin zu eskortieren. Ich hoffe, dass in den Kräuterläden dort etwas verkauft wird, das Max‘ Genesung hilft, aber vor allem will ich in den Ewigwald. Um Max wieder Selbstvertrauen in seinen Körper zu geben, haben wir gemeinsam beschlossen, ihn zu einem Folipurba zu entwickeln. Sie haben den höchsten Verteidigungswert aller Evoli-Entwicklungen, sein Kampfstil eignet sich sehr, um aus der Ferne anzugreifen und es hat viele defensive Attacken wie Synthese oder Gigasauger, sodass Max sich selbst heilen kann. Unser Ziel ist es, ihn wieder ans Kämpfen zu gewöhnen und so stark zu machen, dass niemand ihm mehr Schaden zufügen kann. Bestimmt hast du dich gewundert, warum ich so lange nicht auf deine Nachrichten geantwortet habe. Die Wahrheit ist, dass es mir zu schlecht ging. Ich konnte Max lange nicht alleine lassen, und dann habe ich zwei Wochen in den Minen gecampt … Aber als ich heute zurück ins Pokécenter gekommen bin, habe ich all deine Nachrichten gelesen. Ich wollte dir nicht so viele Sorgen bereiten, aber vielleicht verstehst du jetzt, warum ich nicht antworten konnte. Nimm es mir bitte nicht übel. Du bist die beste Freundin, die ich je hatte, und ich will dich ganz sicher nicht verlieren. Aber genug von mir. Was hat sich in deinem Leben verändert? Du hast angedeutet, dass die Dinge gerade nicht so gut laufen. Erzähl mir davon. Wir können vielleicht nicht zusammen in einem Baum sitzen oder auf der Wiese am See liegen, aber ich will trotzdem für dich da sein. Ich hoffe auf eine Antwort von dir, egal wie lange es dauert.   [LEFT] [/LEFT]   [LEFT]Deine Freundin Ronya[/LEFT]   [LEFT] [/LEFT] Querschnittsgelähmt. Das war das einzige Wort, das zu Amy durchdrang. Sie musste Ronyas E-Mail dreimal lesen, bevor sie verstand, was die Worte ihr sagen wollten. Sie saß immer noch wie erstarrt vor dem Monitor, als ihr Vater in ein großes Handtuch gewickelt aus der Dusche kam und über ihre Schulter schaute. „Oh, hat dir deine Freundin endlich zurückgeschrieben?“ „Papa …“ Amy rutschte zur Seite, unfähig in Worte zu fassen, was gerade in ihr vorging. Sie erinnerte sich an Max, das hyperaktive Evoli mit einem Hang zum Rennen und Klettern. Jetzt nicht mehr. Beim Klang ihrer Stimme wurde ihr Vater sofort ernst. Er scrollte durch Ronyas E-Mail und presste Amy nach wenigen Sätzen mit einem Arm an sich. „Das ist furchtbar“, sagte er. „Aber ich bin froh, dass sie sich wieder stark genug fühlt, dir zu schreiben. Sie hat das dunkle Tal verlassen.“ Er starrte nachdenklich auf den Bildschirm, dann schüttelte er traurig den Kopf. „Ein vierzehnjähriges Mädchen hat mehr Kontrolle bewiesen als dein alter Herr.“ „Er wird nie wieder toben, oder spielen, oder kämpfen …“ „Aber, aber …“ Er deutete auf die Sätze. „Da steht es doch. Ronya wird Max helfen, seine Angst zu überwinden und ihn wieder ans Kämpfen gewöhnen. Und wer sagt, dass man ohne seine Beine keinen Spaß mehr haben kann? Als Tim und du noch kleine Babys wart, konntet ihr euch ohne Hilfe keinen Zentimeter fortbewegen, aber das hat euch nicht vom Spielen und Lachen abgehalten. Was Max geschehen ist, mag schlimm und ungerecht sein, aber ich bin sicher, dass er mit Ronyas Hilfe darüber hinwegkommt. Und das nächste Mal, wenn ihr euch seht, wirst du das mit eigenen Augen sehen.“ Amy schniefte. „Meinst du wirklich?“ „Auf jeden Fall.“ Er küsste ihren Kopf. „Jetzt hol dir ein Taschentuch und etwas zu trinken und schreib ihr zurück. Ich werde hier etwas Ordnung schaffen, und dann geht es ans Malen. Willst du mir dabei helfen, sobald du hier fertig bist?“ Amy nickte energisch. Ihr Papa hatte Recht. Mitleid würde weder Max noch Ronya weiterhelfen. Sie begann zu tippen.     Die nächsten Wochen vergingen für Amy wie im Flug. Nachmittags gab sie Nachhilfe für einige Kinder im Gebäude, danach malten sie bis spät in die Nacht, und frühmorgens trug sie Zeitung aus, bevor sie schließlich total erschöpft einschlief. Wenn sie zwischendurch Zeit fand, beantwortete sie Ronyas E-Mails und tauschte sich mit ihr aus. Statt der extrem langen E-Mails schrieben sie sich nun kurze Texte, dafür teilweise mehrmals am Tag.   Josh, dieser kleine Junge, den ich unterrichte, hat einfach so ein EI AUF MEINEM KOPF AUFGESCHLAGEN!   Max ist heute zum ersten Mal auf Wyatt geritten. Er hat so gestrahlt. Dieser kleine Racker ist jede Mühe wert.   Was soll ich unserem Vermieter heute unter die Zeitung legen? Ohhhh, vielleicht Papas alte Socken! Die stinken schön eklig!   Meghan hat mich heute zum Sternegucken mitgenommen und wir haben eine Sternschnuppe gesehen … Hast du schonmal eine Sternschnuppe gesehen? Was würdest du dir wünschen?   Ich mache mir Sorgen um Tim. Hoffentlich lässt er sich nicht immer weiter von Mama kontrollieren. Was, wenn ich ihn wirklich nie wieder sehe?   Wir reisen morgen früh ab. Ich schreibe dir vorher noch eine Nachricht und dann werde ich erstmal nicht erreichbar sein. Ich vermisse dich jetzt schon.   Amy las die Nachricht mehrmals durch. Sechs Wochen waren einfach so dahingeschmolzen. Wie lange würde Ronya wohl nach Ewigenau brauchen? Sie rief sich die Karte von Sinnoh in Erinnerung. Ewigenau lag auf direktem Wege nördlich von Erzelingen, aber sie konnte nicht abschätzen, wie lange Ronya und Meghan für die Strecke brauchen würden. „Sie reist morgen ab“, sagte sie zu ihrem Papa, der am Fenster an seiner Staffelei stand und malte. Seine fertigen Gemälde türmten sich langsam. Es war ihm zwar gelungen, einige zu verkaufen, aber ohne Mamas Kontakte war es schwer, Abnehmer zu finden. Sie hielten sich gerade so über Wasser, aber Amy sah der nächsten Rechnung bereits mit Furcht entgegen. Lange konnte es nicht mehr gutgehen. „Das ist schön“, sagte er. „Wie geht es Maxwell?“ „Er hat sich mit Wyatt angefreundet und etwas zugenommen. Ronya sagt, dass sie ihn zu sehr verwöhnt und er bald auf Diät muss, wenn er so weitermacht.“ Er lachte herzlich. „Ich bin wirklich froh, dass du auf deiner Reise so eine gute Freundin gefunden hast, Amy.“ Amy dachte schmunzelnd daran, wie sie sich in einer Mülltonne versteckt hatte, um ihrer Mutter zu entgehen und Ronya sofort für sie gelogen hatte. Damals war ihre Freundschaft geboren. „Ich auch, Papa. Ich auch.“ Ich werde dich wiedersehen, schwor sie sich. Egal wann, egal wie. Wir werden uns wiedersehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)