Urlaubsreif von flower_in_sunlight (Seto x ?) ================================================================================ Kapitel 6: 12.2. Donnerstag --------------------------- Beim ersten Blick in den Spiegel wusste er schlagartig, wieso es manchmal auch hieß „es graute dem Morgen“. Er sah fürchterlich aus! Instinktiv fragte er sich, ob er auch diesen Anblick bot, wenn er die Nacht wieder durchgearbeitet hatte. Dabei hatte er doch mindestens fünf Stunden Schlaf gehabt. Allerdings nicht durchgehend. Die ganze Nacht durch hatte sein Magen gesponnen, mal rumort, mal von ihm gefordert, dass er sofort ins Badezimmer rannte, dann lag er wieder im Bett und hatte das Gefühl sich vor Schmerz nicht rühren zu können. Er stellte sich immer noch die Frage weswegen er so reagierte. Es war ein Grummeln aus seinem Bauch zu hören. Doch diesmal klang es irgendwie anders als das Geräusch, an das er sich in den Stunden der Nacht beinahe schon gewöhnt hatte. Es konnte doch nicht etwa sein, dass sein Magen trotz allem nach Nahrung verlangte, oder? Er zog sich um und stellte sich vor die Kontrolleinheit, um sein Frühstück zu ordern. „Guten Morgen“, erklang Shins Stimme gut gelaunt. „Morgen. Hast du irgendeine Empfehlung für jemanden, dessen Magen die ganze Nacht durch verrückt gespielt hat, der aber trotzdem Hunger hat?“ Als Shin nun wieder sprach, klang es fast so als läge ein Hauch von Schuldbewusstsein in seiner Stimme: „Unser Chef hat da ein Geheimrezept. Ich schicke Ihnen Yuki mit allem Notwendigen vorbei. … Was haben Sie denn zuletzt gegessen?“ „Das Apfelmus. Wieso?“ „Ach, nur so. Yuki ist spätestens in 10 Minuten bei Ihnen. Heute Mittag gibt es eigentlich Chili con Carne, aber ich werde für Sie etwas anderes machen, das den Magen etwas mehr schont.“ „Okay.“ Seto war verwirrt. Weswegen war Chili con Carne nicht schonend genug für seinen Magen? „Ich warte dann auf Yuki.“ Damit war das Gespräch beendet und er setzte sich auf das Sofa, auf dem er sich am liebsten zusammengerollt hätte. Vorsichtig betrat Yuki das Wohnzimmer. Die Haustür war geschlossen gewesen und trotz Shins Versicherung, es sei alles in Ordnung, war sie sich ob der Laune des Gastes in Nummer 4 nicht so sicher. Doch da lag er friedlich schlummernd auf dem Sofa. Ein wenig erschrak sie bei dem Anblick, den er bot. Offensichtlich hatte er wirklich nicht gut geschlafen. Nur auf Socken schlich sie in die Küche und packte die Kiste aus, die alles enthielt, was der Chef für Magen-Darm-Probleme aller Art anwendete. Zwieback, eine Thermoskanne mit klarer Hühnerbrühe, eine Wärmflasche und noch ein paar andere Kleinigkeiten. Sie füllte den Wasserkocher und hoffte, dass er vom Geräusch des kochenden Wassers nicht aufwachte. Anschließend goss sie einen Teil in die Wärmflasche und nutze den Rest für eine Kanne Tee. Während er zog, suchte sie im Wohnzimmer eine warme Decke, drückte dem Gast die Wärmflasche zwischen die Arme und deckte ihn zu. Bevor sie ging, entsorgte sie noch die Teebeutel und legte die Anleitung für die weiteren Schritte gut sichtbar daneben. Seto blinzelte. Wieso war ihm plötzlich so warm? Eine Decke? Er hatte sich doch nur kurz hingesetzt und dann … „Yuki?“ Er sah eine Gestalt an der Tür zum Flur, die sich nun prompt umdrehte. „Ja. Es tut mir Leid, falls ich Sie aufgeweckt haben sollte.“ „Nein. Nicht wirklich.“ Er sah an sich herab. Er war tatsächlich zugedeckt. „Hast du...?“ Irgendwie wusste er nicht wie er den Satz fortführen sollte. „Ja, habe ich. Das erprobte Geheimrezept unseres Chefs. In der Küche steht Tee, zusammen mit warmer Hühnerbrühe und Zwieback.“ Sie lief kurz hin und brachte ihm alles. „Erprobtes Geheimrezept?“ „Naja, Shin hat den Rest von uns einmal sehr erfolgreich ausgeknockt, als er ein neues Rezept ausprobiert hat, und der Chef und ich durften sie dann wieder aufpäppeln.“ „Wie viele sind denn der „Rest“ von euch?“ „Drei Leute.“ „Wirklich nur so wenige? Bin ich etwa der einzige Gast?“ „Nein, wir haben noch andere Gäste – auch momentan. Insgesamt sind es nur sechs Häuser. Das garantiert, dass unser Konzept einhaltbar bleibt. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Sonst würde ich jetzt wieder zurück. Mittags komm ich dann mit dem Essen.“ „Ähm, ja. Kannst du mir bitte was zum Lesen geben?“ „Wünsche?“ Yuki fand es keine gute Idee. Viel lieber hätte sie es gesehen, dass er sich bereit erklärte, brav die Brühe zu trinken und danach den Vormittag verschlief. Er sah wirklich nicht gut aus. Dennoch näherte sie sich dem Bücherregal. „Die Schachnovelle.“ Sie hatte das Buch sofort gefunden und einen Augenblick später in der Hand. Doch als sie auf ihn zuging zögerte sie einen Moment. Zwar hatte er für die Buchung einen anderen Namen verwendet, doch war sie sich sicher, dass sein wahrer Name „Kaiba“ war, auch wenn der Chef sich diesbezüglich nicht geäußert hatte. War es wirklich so ratsam ihm ausgerechnet dieses Buch zu geben? Aber dann sah sie wie er eine Hand aus der Decke befreite und ihr entgegen hielt. Schnell drückte sie es ihm in diese und verließ mit den Worten „bis später“ zügig den Raum. Die Wohnzimmertür schloss sie hinter sich. Gründlich band sie sich ihre Schuhe, während sie darauf lauschte, ob nicht irgendwelche verräterischen Laute aus dem Nebenraum drangen. Als es ruhig blieb, öffnete sie die Tür nach draußen und schlug den Weg zurück ein. Insgeheim freute sie sich bereits auf das Hühnchen, dass sie mit Shin noch zu rupfen hatte. Seto überflog mehr als dass er wirklich las. Manche Passagen kannte er bereits vollkommen auswendig, so oft hatte er das kleine Büchlein mittlerweile gelesen. Und eigentlich hatte er sich vorgenommen es während seines Urlaubs nicht zu lesen, sobald er es an seinem ersten Tag entdeckt hatte. Er war zwar immer noch Schachweltmeister, doch mit diesem hatte er sich nie identifizieren können. Sein Geist war niemals so träge gewesen. Stattdessen diente ihm Dr. B. fortwährend als Spiegel. Die Art wie er spielte kam der seinen so nahe, dass er die an Bord des Schiffes gespielten Partie nie aus der Sicht des Erzählers vor sich sah, sondern immer direkt aus seiner Sicht. Doch von Zeit zu Zeit änderte sich der Gegner und er musste sich selbst fragen, ob er irgendwann verrückt gemacht worden wäre, hätte er sich nicht vor so vielen Jahren zum Handeln entschieden. Und schließlich hatte es seine Gründe, weswegen er sich kaum noch an ein Schachbrett setzte. War er Dr. B. vielleicht nicht nur im Spiel ähnlich? Hatte die „Schachkrankheit“ auch auf ihn übergegriffen, ohne dass er es bemerkt hatte? Als Geschäftsmann, als Weiß, plante er immer weit voraus, um seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus zu sein. Aber privat, als Schwarz, wollte er dies auch tun und scheiterte ein ums andere Mal daran. Hämisch machte sich dann Weiß in seinem Kopf breit und er stürzte sich in seine Arbeit, um die eigenen Schwächen zu vergessen. Eher behutsam schlich sich dann Schwarz zurück und wurde zum nagenden Zweifel, ob er nicht auch außerhalb seiner Firma existieren sollte. Seine Hände fingen leicht an zu zittern. Wütend schmiss er das Buch auf den Wohnzimmertisch, bevor das unkontrollierte Rascheln des Papiers seinen Gemütszustand nach außen hin verraten konnte. Er war eh durch. Tief atmete er ein und aus, bis er seinem Körper wieder soweit traute, dass er sich problemlos eine weitere Tasse Hühnerbrühe einschenken konnte. Das sollte er sich dringend für lange Arbeitstage merken. Die Brühe schmeckte hervorragend, würzig, aber nicht versalzen. Während er in kleinen Schlücken trank, dachte er über Yukis Worte nach. Er hätte fragen sollen, was Shin damals gekocht hatte, um zu vermeiden es hier nichts ahnend zu essen. Wahrscheinlich hatte der Hotelmanager ihn erst einmal runter gemacht und ihn dann dazu verdonnert die Brühe zu kochen. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen bei diesem Gedanken. Doch schlich sich etwas Schmerzliches mit hinein, als er sich vorstellte, wie er sich danach fürsorglich um die anderen, ihm unbekannten Mitarbeiter kümmerte. Entschieden schüttelte er den Kopf. So würde er sich bestimmt nicht verhalten haben. Immerhin hatte das Hotel am Laufen gehalten werden müssen, da blieb wohl kaum Zeit sich gleichzeitig um drei Leute mit verstimmten Magen zu kümmern. Yuki war wirklich nett zu ihm gewesen. Nach dem Knabbern eines Zwiebacks kuschelte er sich wieder in die Decke ein. Zwischendurch hätte er beinahe gedacht, Sorge in ihrem Gesicht zu erkennen. Auf jeden Fall fühlte er sich körperlich bereits etwas besser als noch vor zwei Stunden. Also schien das Geheimrezept zu wirken. Er legte die Beine so hoch, dass er hinaus aufs Meer sehen konnte, das wieder bleigrau den Himmel reflektierte. Welle nach Welle sah er auf den Strand zu rollen und sich dann kurz vor dem Flutsaum brechen. Shin fiel fast der Pürierstab aus der Hand, als ihm jemand ins Ohr flüsterte: „Was ist aus dem Chili geworden?“ Er hatte den Chef nicht hereinkommen hören durch den Lärm, der durch das Pürieren der Suppe entstanden war. Leicht Vorwurfsvoll blickte er über die Schulter und erklärte: „Das gibt es gleich als Mittagessen. Aber vorher muss ich mich noch kurz um die Kartoffelsuppe kümmern, bevor Yuki kommt und sie zu Nummer 4 bringt.“ Erstaunt wurde der Blick erwidert. „Gab es eine Sonderbestellung?“ „Nicht direkt. Aber Yuki hat mir versprochen, einen ganzen Monat nicht mehr mit mir zu sprechen, wenn ich nicht für Nummer 4 was Magenschonendes zubereite. Anscheinend hat der ziemlich übel auf das Apfelmus angesprochen.“ „Und deswegen die Suppe?“ „Ja. Außerdem bereits Ihr Geheimrezept.“ „Minimum einen Zentiliter Rum pro Tasse für einen guten Pharisäer an Tagen mit ekeligem Wetter? Ich hege doch gewisse Zweifel, ob Alkohol eine gute Wahl in solch einer Situation ist.“ „Das andere, Chef. Zwieback und Hühnerbrühe, kombiniert mit Tee und Wärmflasche. Achtung! Ich fülle die Suppe um.“ Shin konnte gar nicht so schnell schauen, wie sich in die aus dem Topf laufende Suppe ein Löffel stahl. „Ich hoffe, er weiß, was er da bekommt. Wie immer sehr lecker. Machst du das bitte auch für Sonntag?“ „Natürlich, Chef. Vor oder nach dem Schokoladensoufflee?“ „Davor. Du willst ernsthaft ein schokoladiges Dessert am Sonntag machen? Gehst du davon aus, dass am Samstag nicht sämtliche Gelüste nach Schokolade für die nächsten drei Monate gedeckt sein werden?“ „Doch, vermutlich sogar für vier. Auf der anderen Seite geht Schokolade eigentlich immer und Sonntag habe ich endlich mal wieder genug Ruhe, um hier zu backen. Das ergänzt sich so gut zu den Dampfnudeln für die Suppe.“ „Na dann.“ Kopfschüttelnd verließ der Chef die Küche, um den Rest seiner Mitarbeiter zu suchen und für das Mittagessen zusammen zu trommeln. Sein Geheimrezept also. Hoffentlich half es und sein spezieller Gast kam nicht auf die Idee, sie auf Grund dieses Vorfalls zu verklagen. Denn am Vortag hatte alles noch deutlich erheiternder geklungen. Doch wenn Yuki so vehement auf etwas bestand, hatte man tatsächlich Grund zur Sorge. Kurz überlegte er, ob er persönlich nach dem Patienten sehen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Wo käme er dann da hin, wenn er jetzt einfach zur Tür in Nummer 4 hereinspaziert kam und fragte, wie es ihm ging! Schließlich gab es nur zwei mögliche Reaktionen. Entweder er wurde schroff des Hauses verwiesen, was er in diesem Fall sogar hinnehmen und befolgen würde, oder er würde mit einem Häuflein Elend konfrontiert werden, für das er sich schuldig fühlen würde, weil er selbst, als ihm Shins Plan bekannt war, nichts getan hatte, um diesen Zustand zu verhindern. Als es klingelte, war er mehr als froh, dass sich Matt darum kümmern würde, weil er sich aktuell nicht in der Lage fühlte sich selbst darum zu kümmern. Seine Stirn ruhte auf dem Schreibtisch und er zwang sich ruhig und kontrolliert zu atmen. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er sich zutraute, weiterzuarbeiten. Das zuvor geführte Telefonat war wichtig gewesen, doch war es für ihn furchtbar, wenn es um diesen Inhalt ging. Das Pärchen, das Nummer 5 verwüstet hatte, hatte dies zwar auch zugegeben, doch sah es keinerlei Fehlverhalten auf ihrer Seite. Sie hätten genug Geld bezahlt, da wäre es auch erwartbar, dass sie nicht den Job der Putzfrau übernähmen. Als er sie dann darauf hinwies, dass Cian erstens keine Putzfrau sei, und zweitens auch er selbst geputzt hätte, waren sie noch frecher geworden und hatten ihn ausgelacht, weil er sich niemand weiteren würde leisten können. Auf die Art und Weise war es noch eine ganze Weile weiter gegangen, bis er ihnen schließlich deutlich machen konnte, dass er keine weiteren Reservierungen von ihnen akzeptieren würde. In Mitten der nachfolgenden Schimpftirade, was ihm denn einfalle, man wäre ja nicht auf ihn angewiesen, eher umgekehrt, hatte er aufgelegt. Und nun saß er immer noch auf seinem Schreibtischstuhl und lauschte wie sein Blut in seinen Ohren pulsierte. Er brauchte dringend etwas, um sich zu beruhigen und die Anspannung los zu werden. Sein Blick wanderte zum Walkie Talkie. Ja, das könnte helfen. „Eine Durchsage an alle: Heute Abend wird trainiert!“ Er erwartete keine Antwort. Dann stand er endlich auf. Vielleicht sollte er Matt doch etwas helfen. Er zog sich einen warmen Pullover über sein Hemd und verließ das Haus. 50 Meter näher an der Grundstücksgrenze fand er tatsächlich seinen Gärtner und Cians regelmäßige Unterstützung. Der Gartenbetrieb, bei dem sie alle Bestellungen tätigten, war mit einem kleinen Laster mit offener Ladefläche angerückt, um die ersten Pflanzensamen für den Frühling vorbeizubringen. So wie es aussah, hatten sie gerade erst mit dem Ausladen begonnen. Kurz nahm er Matt zur Seite, der gerade wieder aus dem geräumigen Schuppen trat und fragte: „Kann ich helfen? Die Ladung scheint ja okay zu sein.“ Matt nickte, verzog aber skeptisch das Gesicht. Hätten die anderen schon längst gefragt, was mit ihm vorgefallen war, so war er seit jeher eher wenig gesprächig und hakte nicht nach, solange der andere keine Anstalten machte, von sich aus eine Erklärung zu liefern. „Dann packen Sie mal mit an! Es liegt noch ein Paar Handschuhe links neben der Tür. Und passen Sie auf Ihre Klamotten auf!“, antwortete er schlicht und fuhr mit seiner Arbeit fort. Schnell schlüpfte er in die Handschuhe, die er brauchte, um besser die Säcke mit Grassamen zu greifen, die trotz ihrer Größe doch schwer waren. Zufrieden sah er, dass endlich auch die Eimer mit der speziellen Blumenerde dabei waren, die Matt für die Rhododendren als Dünger hatte haben wollen. So erklärte sich aber auch, weswegen er mit seiner Kleidung aufpassen sollte. Mit dem Zeug konnte man sich wunderbare Flecken einhandeln. Als sie zu dritt den Laster vollständig abgeladen hatten und alles im Schuppen an seinem Platz war, stieg der Gärtnereimitarbeiter wieder ein und fuhr mit brummenden Motor zurück zum Tor. Es würde sich automatisch öffnen und schließen, sobald er das Grundstück verlassen hatte. Matt schloss gründlich die Tür des Schuppens zu, damit sich keine Wildtiere hinein verirren konnten. Es war noch zu früh im Jahr als dass er groß etwas auf der Anlage hätte machen können. Gemeinsam gingen sie das kurze Stück zum Hauptgebäude zurück. „Wir trainieren heute Abend?“ Er nickte. „Ja, wir trainieren. Ich habe mich vorhin über ein paar Gäste zu sehr aufgeregt und außerdem wird es sowieso mal wieder Zeit, dass wir etwas machen.“ Er bekam keine Antwort mehr darauf, sondern nur noch ein Nicken. Dann konnte er sehen wie Matt im Haus die Treppe nach oben nahm, anstatt im Keller nach Cian zu schauen. Wahrscheinlich würde er alles für den Abend vorbereiten. Schnaufend ließ sich Hans nach 100 Liegestützen auf den Teppich fallen, während Matthew neben ihm mit stoischer Gelassenheit zu den nächsten 50 ansetzte. Auch Yuki schien noch nicht aus der Puste. Am liebsten wäre er einfach so liegen geblieben, doch dann fing er den Blick des Chefs auf, der bereits mit Shin über die Ausführung eines bestimmten Hebels diskutierte. Also drehte er sich auf den Rücken und begann mit Sit-ups. Wie er diese wöchentlichen Trainingseinheiten doch hasste! Natürlich waren sie sinnvoll und leider auch notwendig, um fit zu bleiben und notfalls als Bodyguardersatz für die Gäste einzuspringen, doch wurde ihr Chef als Trainer immer zum Teufel persönlich und schien eine gewisse Freude dabei zu empfinden, sie zu quälen – zumindest ihn persönlich. Sein Stolz wurde nur dadurch befriedigt, dass keiner der Männer eine bessere Kondition hatte als Yuki, die sich fast den ganzen Tag über bewegte. „Das sollte zum Aufwärmen reichen“, beendete der Chef fünf Minuten später seine Qual, nur um diese erst richtig beginnen zu lassen. „Shin hat mich daran erinnert, dass wir lange keine Hebeltechniken mehr durchgesprochen haben. Eigentlich hatte ich vorgehabt mit euch Schlagtraining zu machen, doch tut es uns allen ganz gut, wenn wir alle Bereiche regelmäßig wiederholen.“ Hans verzog das Gesicht. Er hatte es noch nie gemocht, den anderen die Arme zu verbiegen, geschweige denn sich seine verbiegen zu lassen. Allerdings sah wenigstens ein Teil von ihm ein, dass diese Technik vor allem für Yuki sehr wichtig war. Und auch er selbst wäre gegen jemanden wie Matt in einem Kampf, der nur über Kraft ging, unterlegen. Daher schaute er dann doch aufmerksam seinem Chef zu, der sich erneut aus Shins festem Griff befreite und dabei erklärte welcher Teil seines Körpers dabei angespannt war und welcher locker. Er führte die Technik ganz langsam vor und allmählich sah man Schweißperlen auf Shins verzerrtem Gesicht. Mit der Andeutung eines Lächelns wurde er endlich zu Boden gelassen, wo er sich jedoch nicht ausruhte, sondern sofort wieder aufrichtete – bereit erneut anzugreifen. Diesmal wurde die Technik schneller durchgeführt und währenddessen erklärt, was ihm augenscheinlich weitaus besser gefiel. Nach vier weiteren Wiederholungen durfte er sich wieder zu den anderen gesellen und wählte sich Hans als Trainingspartner. „Du packst zu lasch zu“, warf er ihm gespielt vor und ließ den Blick hinüber zu Yuki schweifen, während er ihm die Chance gab seinen Griff zu verstärken. Die kämpfte gerade mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen den Chef an, wurde aber auf einen leisen Kommentar seinerseits wieder ruhig und hatte sich fünf Sekunden später vollends befreit. Beim nächsten Mal klappte es sogar noch schneller. Mit einem Hauch von Stolz in der Stimme wandte er sich wieder Hans zu und erklärte: „Ich hab letzte Woche mit ihr trainiert und ihr die Technik genau erklärt. Anscheinend ist doch einiges hängen geblieben. Man muss sie nur kurz wieder daran erinnern.“ Nun setzte er selbst an, Hans mit gekonnten Bewegungen auf den Boden zu bringen und sich so sein Handgelenk frei zu bekommen. Noch nicht einmal das plötzliche, kurze Vibrieren des Bodens störte seine Konzentration. Cian hatte Matt schwungvoll zu Boden geworfen, der allerdings seinen Fuß zu packen bekam und ihn so neben sich beförderte. Kopfschüttelnd stand Hans wieder auf. Es war eine Trainingsstunde wie jede andere. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)