La Vie de Fayette von Sky- (Beloved Enemies) ================================================================================ Kapitel 14: I Hate Being A Coward --------------------------------- Am nächsten Morgen erreichte ich mit leichter Verspätung das Atelier, nachdem mich meine Mutter mal wieder festgequatscht hatte. Zum Glück waren es nur fünf Minuten und als ich am Atelier klingelte, erwartete mich eine hübsche schwarzhaarige Frau, die sich mir als Mallory Whitmore vorstellte, die während Clarissas Sonderurlaub die Vertretung übernahm. Sie war eine resolute junge Frau meines Alters, hatte schwarzes schulterlanges Haar und man sah ihr an, dass sie nicht zu der Sorte Frau gehörte, die einen Mann an ihrer Seite brauchte. „Du bist also Fay, das Model von dem Clarissa gesprochen hat, oder?“ Ich bejahte die Frage und folgte Mallory die Treppe hoch. Aus reiner Neugier fragte ich sie, wie sie denn zu dem Job hier gekommen sei und wie sich herausstellte, war Mallory eine sehr redselige Person und erzählte mir, dass sie in derselben Modelagentur wie Rion früher als Sekretärin gearbeitet hatte. Danach sei sie allerdings ebenfalls ausgestiegen, als Isabelle und Monica starben und arbeitete seitdem in der Firma ihrer Adoptiveltern im Büro. Allerdings half sie auch gerne mal im Atelier McAlister aus, da Clarissa eine sehr gute Freundin von ihr sei. Als ich die Geschichte hörte, konnte ich mir einen Kommentar nicht verkneifen. „Da scheinen ja wohl so einige gekündigt zu haben…“ „Wenn du wüsstest“, rief Mallory und lachte. „Diese Agentur musste dichtmachen, als ans Tageslicht kam, dass sie die Models regelrecht zum Hungern genötigt und sogar Kurpfuscher beauftragt hat, ihnen Medikamente zu verschreiben, mit denen die zu dicken Models möglichst schnell abnehmen. Das Ganze ist erst ans Tageslicht gekommen, nachdem Rion, Clarissa, Ellen, MacKenzie, Lucy, Sunny und ich ausgestiegen sind. Rion hat quasi den Stein ins Rollen gebracht.“ Rion… ich fragte mich wirklich, wie es ihm heute ging und ob er immer noch in so einer schlechten Verfassung wie gestern war. Allein wenn ich an gestern zurückdachte, wo er einfach im Sitzen eingeschlafen war… „Wie geht es Rion eigentlich?“ folgte die Frage von Mallorys Seite aus und etwas unsicher zuckte ich mit den Schultern und antwortete: „Er wirkte gestern ziemlich überarbeitet und ganz schön neben der Spur.“ Die schwarzhaarige Schönheit nickte und ich sah ihr deutlich an, dass es sie nicht sonderlich verwunderte. „Das ist leider immer der Fall, wenn entweder der Todestag seiner Eltern, seines Bruders oder der von Isabelle ansteht. Letztes Jahr habe ich für Clarissa die Vertretung gemacht, weil sie Weihnachten mit ihrer Familie in Vancouver verbracht hat. Da ist er vor Erschöpfung zusammengebrochen und musste ins Krankenhaus. Das ist seine Art, sich abzulenken. Dabei haben Clarissa und ich schon gesagt, dass ihn sein Arbeitseifer noch eines Tages ins Grab bringen wird.“ Wir betraten einen Raum, der allerdings rein gar nichts von einem Atelier hatte. Es sah aus wie ein großer Umkleideraum und ich wurde auch schon von Rion und einem tätowierten Glatzkopf erwartet, der nicht gerade vertrauenserweckend wirkte. Rion wirkte wieder vollkommen fit und es schien so, als hätte es diese gestrige Szene gestern nicht gegeben. Er hatte wieder das gleiche arrogant anwirkende Lächeln und diese kühle und überlegene Ausstrahlung. „Ein paar Minuten zu spät würde ich sagen…“ Ja, er war wieder ganz der alte. Ich seufzte und versuchte, cool zu bleiben. „Jetzt krieg dich mal ein. Das waren gerade mal fünf Minuten. Und wer ist das?“ Ich wies damit auf den tätowierten Glatzkopf, der für mich den Anschein erweckte, als würde er auch in einem Tattoostudio arbeiten. Doch zu meiner Überraschung erfuhr ich, dass Steve Bennett, so der Name des Typen, ein Maskenbildner war und die Aufgabe hatte, das Bodypainting zu übernehmen. „Bodypainting?“ fragte ich überrascht, denn mit so etwas hatte ich jetzt nicht gerechnet. Ich dachte wirklich, ich müsse wieder Frauenkleider anziehen oder nackt posieren. Doch stattdessen sollte ich mich anpinseln lassen? „Äh… okay…“, murmelte ich und sogleich gab mir Steve zur Begrüßung die Hand. „Keine Bange“, versuchte dieser mich zu beruhigen. „Das ist fast dasselbe wie Spray Tanning, das ist die schnellste Methode. Wichtig ist halt nur, dass du still hältst und aufpasst, solange die Farbe noch nicht trocken ist.“ Nachdem sich Mallory verabschiedet hatte, begann nun die Arbeit. Ich musste mich bis auf meine Unterhose entkleiden und daraufhin wurde ich oben rum mit dunkelblauer Farbe eingesprüht. Es war eine etwas kalte Angelegenheit und die Prozedur zog sich knapp eineinhalb Stunden hin, da noch weitere Blautöne dazukamen und dazu noch sehr feine helle Akzente gesetzt wurden, sodass meine Haut an manchen Stellen dezent glänzte. Wirklich jeder einzelne Zentimeter war mit Farbe bedeckt, dass ich mir fast wie der Nightcrawler aus dem zweiten X-Men Film vorkam. Lediglich meine untere Hälfte sah noch ganz normal aus. Nachdem die Farbe vollständig getrocknet war, gingen wir ins Atelier nebenan. Dort war alles vollkommen dunkel und nur wenige Lampen gaben ein sehr schwaches Licht ab. Im Hintergrund hörte ich, wie Ozeanklänge abgespielt wurden. Tatsächlich war alles so hergerichtet, als wären wir auf dem tiefsten Grund des Ozeans. Als Kunststudent war ich wirklich beeindruckt und mir verschlug es glatt die Sprache. „Wow…“, murmelte ich und sah mich um. Alles war in einer so wunderbaren Atmosphäre, dass allein schon das Atelier selbst als Kunstwerk betrachtet werden konnte. „Du machst aber auch keine halben Sachen, oder?“ „Ich bin eben Perfektionist und ein Künstler, das ist das Geheimnis meines Erfolges“, erklärte Rion und führte mich zu einer kleinen Bühne hin, wo ein Scheinwerfer alles gut ausleuchtete. Aus einer dunklen Ecke holte er etwas hervor, das wie eine Schwanzflosse aussah. Ich ahnte so langsam, worauf das ganze hinauslief. „Soll ich etwa die kleine Meerjungfrau spielen?“ fragte ich und dieses Mal war die Frage nicht negativ gemeint, eher im Scherz. Rion schmunzelte leicht und erklärte „Meerjungfrauen sind sehr beliebte Motive. Meist werden die Aufnahmen unter Wasser gemacht, um die Anmut und Eleganz der Frauen zu betonen, aber das gab es meiner Meinung nach schon viel zu oft. Also habe ich mich für ein Tiefseemotiv entschieden und dafür das alles hier dementsprechend hergerichtet.“ Mir stockte der Atem und ich sah ihn ungläubig an. „Das hast alles du gemacht?“ platzte es aus mir heraus. Er nickte und erklärte, dass er den ganzen Samstag bis spät daran gearbeitet hatte. Danach war er direkt nach Hause gefahren und hatte dort an den Fotos gearbeitet. Heute Morgen war er dann um acht Uhr hier und hatte die Beleuchtung eingestellt. Zugegeben, ich war nun noch beeindruckter und kam nicht umhin, ihn zu bewundern. Rion war wirklich ein Genie, nicht nur als Fotograf, sondern auch was die Kulissengestaltung anbelangte. Man sah wirklich, dass er hier sein ganzes Herzblut hineinsteckte. „Viele Fotografen arbeiten mit Effekten und Greenscreen. Ich gehöre da eher zu der altmodischen Sorte, die lieber alles selbst macht, damit es umso authentischer wirkt. So etwas macht einen guten Fotografen auch aus.“ Ja, in der Hinsicht war Rion wirklich ein Künstler. Zu zweit schafften wir es, mich in diese Schwanzflosse reinzubekommen. Danach trug er mich, da ich in dem Ding eh nicht laufen konnte, zu genau dem Platz, wo ich fotografiert werden sollte. Er gab mir genaue Anweisungen wie immer, korrigierte zwischendurch meine Haltung und fotografierte mich von vorne, von der Seite und sogar von oben, da es eine Art Hebebühne gab, von der er aus perfekt Aufnahmen aus der Vogelperspektive machen konnte. Es verlief genauso wie in den letzten Tagen und ich fand immer mehr Spaß daran, vor der Kamera zu posieren. Insbesondere nachdem ich gesehen hatte, wie schön meine Fotos eigentlich waren. Während ich die meiste Zeit still hielt, erledigte Rion die ganze Laufarbeit, trug mich von einem Punkt zum anderen und es war ein einziges hin und her, aber er wirkte nicht eine Sekunde lang hektisch. Als ich dann schließlich von dieser Schwanzflosse befreit wurde und wir eine Pause einlegten, ging ich duschen, da wohl genug Bilder gemacht worden waren. Nach einer ausgiebigen Dusche, bei der ich mir die ganze Farbe vom Körper waschen konnte, ging ich wieder zurück in das Atelier 3, da ich mich nun genauer umsehen wollte, wo ich endlich die Chance dazu hatte. Ich bemerkte schnell, dass hier spezielle Scheinwerfer benutzt wurden, um fließende Lichteffekte zu erzeugen, wie man sie im Meer beobachten konnte. Wirklich alles war perfekt arrangiert und selbst die Atmosphäre stimmte. Rion legte verdammt viel Wert darauf, dass möglichst viel echt war und nur Feinheiten mit dem Computer nachbearbeitet werden mussten. Er war wirklich ein Künstler. Schließlich setzte ich mich in eine Ecke und ließ diese Ruhe auf mich wirken. Es war für mich wirklich so, als befände ich mich auf dem tiefsten Grund des Meeres. „Wie ich sehe, scheint dir die Kulisse hier zu gefallen.“ Ich hob den Blick und war überrascht, Rion zu sehen. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie er hereingekommen war. „Ich finde das Ganze hier beeindruckend. Allein diese Kulisse ist schon ein Kunstwerk und man hat wirklich das Gefühl, hier in der Tiefsee zu sein.“ Rion kam zu mir hin und reichte mir ein Glas Cola. Er selbst hatte einen Latte Macchiato. „Meine Adoptivmutter Susan McAlister war Schauspielerin und konnte mir gute Ratschläge geben. Angefangen hatte sie nämlich im Theater und war mit der Bühnentechnik gut vertraut.“ Er setzte sich zu mir auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken zur Wand. Es war so, als würde diese friedliche und beruhigende Atmosphäre des Raumes auf uns übergehen und die Stimmung deutlich lockern. Und doch waren da immer noch diese Gefühle, die ich nicht einzuordnen wusste und die mich ratlos machten. Eine Weile lang schwiegen wir, dann aber merkte ich, wie meine Beine langsam einschliefen und so stand ich auf und Rion tat es mir gleich. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, als würde das Raubtier sich gleich auf die Beute stürzen. Und tatsächlich stellte er sich direkt vor mir hin, sah mir direkt in die Augen und legte eine Hand an die Wand, als wolle er mich in die Enge treiben. Sein Blick nahm wieder dieses kühle und arrogante an, was ich so an ihm hasste. „Du hast dich lange genug gedrückt, Fayette. Wie lange willst du eigentlich noch davonlaufen?“ Etwas irritiert blickte ich ihn an und verstand erst gar nicht, was er von mir wollte. Und ein wenig fühlte ich mich auch unwohl, dass er mich so in die Ecke drängte. „Was meinst du damit?“ fragte ich ihn, doch da kam Rion mir noch näher, sodass wir einander fast berührten. „Du weißt, was ich meine, Fayette. Warum sträubst du dich so sehr dagegen, dich auf diese Sache zwischen uns einzulassen?“ Ach darum ging es ihm… Nun, wie sollte ich da antworten? Ehrlich gesagt war ich mir selbst nicht mehr so sicher, warum ich mich noch mal so sehr dagegen sträubte. Mir fielen nur meine alten Argumente ein, die ich aber, nachdem ich das von Rions Vergangenheit erfahren hatte, nicht mehr als überzeugend genug empfand. Aber wieder war da mein Stolz, der mich dazu zwang, diese laut auszusprechen: „Na weil wir beide Männer sind, okay? Ich stehe nicht auf Kerle und außerdem warst du es doch, der mich jahrelang schikaniert und herumgeschubst hat. Du hast mich in der Schule ständig wegen meinem Aussehen aufgezogen, mich herumgeschubst und selbst jetzt machst du dich doch über mich lustig, weil ich deiner Meinung wie ein Mädchen aussehe.“ „Ja und weiter?“ Ich wusste nicht, ob diese Frage jetzt provozierend gemeint war oder nicht, aber dem Tonfall nach zu urteilen waren diese Argumente nicht überzeugend genug für ihn. Und das verunsicherte mich wiederum und ich wusste nicht, wie ich ihm weiterhin die Stirn bieten konnte. „Du spielst dich hier die ganze Zeit als arroganter Dreckskerl auf und bei dir wird doch keiner schlau draus, was in deinem Kopf vor sich geht. Woher soll ich wissen, dass diese Aktion nicht vielleicht irgendein mieser Trick ist, mit dem du dich nur mal wieder wie schon so oft über mich lustig machen willst?“ Ich wusste, dass das nicht fair war und ich bereute es auch, dass ich ihm so etwas sagte. Aber ich wollte ihn einfach nur schnellstmöglich abwimmeln und aus dieser Situation schleunigst wieder raus. Und als er mich wieder „Und weiter?“ fragte, da wusste ich endgültig nicht mehr, was ich noch dagegen halten sollte. Rion fixierte mich mit seinen eisblauen Augen wie ein Raubtier, was nun in der Falle saß und seinem Jäger hilflos ausgeliefert war. Ich wusste, dass ich unrettbar verloren war, wenn mir nichts einfiel. Und dann platzte mir etwas heraus, was ich eigentlich nicht sagen wollte und was ich eine Sekunde später auch zutiefst bereute. „Du willst mich doch bloß wieder fertig machen so wie damals und der Sex und diese… diese Situation hier gerade ist doch nur wieder irgendein Mittel für dich, um dich über mich lustig zu machen und mich wieder so herumzuschubsen.“ Und hier veränderte sich der Blick ins seinen Augen. Ich sah Wut und Enttäuschung und ehe ich mich versah, drückte Rion mit einer Hand meine Handgelenke über meinem Kopf gegen die Wand und küsste meinen Hals, während seine andere Hand zwischen meine Beine wanderte. „Traust du mir wirklich so etwas zu, Fayette? Denkst du echt, ich würde zu meinem Vergnügen mit den Gefühlen anderer spielen, um mich selbst zu belustigen?“ Ich drehte den Kopf zur Seite, um zu vermeiden, dass er den Versuch wagen würde, mich direkt auf den Mund zu küssen. Normalerweise hätte ich mich auch befreit und wäre geflüchtet, aber das fiel mir aus irgendeinem unerklärlichen Grund nicht ein und so ließ ich zu, wie Rion nun seine Hand unter mein Shirt schob und mir über die Brust streichelte, bevor er sich dann dazu entschloss, seine Strategie zu ändern. So wurde ich, ehe ich mich versah, zu Boden gerungen und immer noch hielt er meine Handgelenke fest, während er beinahe schon gierig meinen Oberkörper mit seinen Lippen liebkoste und mit seiner Zunge über mein Ohrläppchen fuhr, was sich irgendwie auf eine sehr merkwürdige Weise erregend anfühlte. Ich wehrte mich nicht einmal, als er mein Shirt hochschob und zärtlich meinen Oberkörper liebkoste. Mein Kopf sagte zwar, ich solle diesen verdammten Perversling von mir runterschubsen und abhauen, aber eine andere Stimme stellte sich dagegen. Ja ich wollte mehr… Und in diesem Moment war es mir auch vollkommen egal, wo wir waren und dass wir Gefahr liefen, jemand könnte hier reinkommen und uns stören. War ich denn wirklich bereits dermaßen verkorkst, dass ich es so dringend wollte, dass Rion so etwas mit mir tat? Hatte ich mich so sehr daran gewöhnt, dass ich bereit war, meinen Stolz abzulegen und nicht über die Konsequenzen nachzudenken, die meine Entscheidung mit sich bringen könnte? Wenn ich wenigstens die Antwort darauf hätte. Ich biss mir auf die Unterlippe, um auf die Weise meine Stimme irgendwie zu unterdrücken. Doch Rion machte es mir nicht gerade einfach, das zu bewerkstelligen. Dann aber wurde ich hochgezogen und umgedreht, dann schlang er von hinten einen Arm um mich und biss mir leicht ins Ohr, während er meine Brustwarzen knetete. Ich spürte seinen heißen Atem im Nacken und war völlig hin und her gerissen. „Dafür, dass du nichts für mich fühlst, leistest du erstaunlich wenig Gegenwehr“, bemerkte er und küsste daraufhin meinen Nacken. „So wie ich das sehe, bist du doch nur zu stolz und voreingenommen, um dich darauf einzulassen.“ Es fiel mir schwer, die Worte und die Energie zu finden, um dagegen zu argumentieren. Tief in meinem Inneren wusste ich irgendwie, dass er Recht hatte. Aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich versuchte mich von ihm zu befreien, doch Rion war einfach zu stark und mein Körper war auch schon längst nicht mehr auf meiner Seite und gehorchte nur noch seinem eigenen Willen. Doch als Rion damit begann, meine Hose zu öffnen, schaffte ich es, mich von ihm zu befreien und ihn wegzustoßen. Und meine Reaktion schien ihn mehr als zu verwundern. „Fayette, was ist denn los? Was ist dein Problem?“ „Was mein Problem ist?“ rief ich und war so durch den Wind, dass ich ungewollt laut wurde und auch ziemlich wütend klang. Und ich bereute es auch, dass ich ihn so anfuhr, auch wenn es ja im Grunde seine Schuld war, dass ich so durcheinander war. „Du spielst hier mit mir und bringst mein ganzes Leben durcheinander. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass wir zwei Male miteinander geschlafen haben, du sagst mir auch noch, ich soll mich in dich verlieben. Dabei warst du doch derjenige, der mich damals fertig gemacht und mich als Mädchen bezeichnet hat. Wegen Typen wie dir hab ich doch erst diese ganzen Komplexe. Alles war in Ordnung, bis du wieder aufgetaucht bist und mein Leben in ein einziges Chaos verwandelt hast, sodass ich inzwischen gar nicht mehr weiß, was ich noch denken oder fühlen soll!“ Rion sah mich an und sagte nichts. In seinen Augen lag eine solche Tiefe, dass man sich darin verlieren konnte und ich fragte mich, was ihm wohl durch den Kopf ging, als ich ihm das sagte. Ich jedenfalls wollte einfach nur weg hier und dieser Situation entkommen, solange ich noch die Chance dazu hatte. Ich stand auf und wollte zur Tür, doch Rion hielt mich fest und hinderte mich daran, einfach abzuhauen. „Jetzt warte doch mal, Fayette…“ Doch ich wollte nichts mehr hören. Ich wollte, dass das alles aufhörte und alles so wie früher war. Dass Rion und ich immer noch dieselben Feinde waren, die sich immer stritten, wenn sie sich über den Weg liefen. Ich wollte nichts mehr hören und ich hatte auch ein Stück weit Angst davor, was Rion sagen würde, wenn ich das hier nicht schnellstens beendete. Ja, ich war in diesem Moment ein verdammter Feigling, der vor Tatsachen davonlief, weil er sich diesen nicht stellen wollte. Und das auch nur aus falschem Stolz. Doch als ich Rions Blick sah, zögerte ich. Ich sah so viele Emotionen in seinem Blick. Traurigkeit, Angst, Sehnsucht… den Wunsch nach Nähe. Es war für mich fast wie der Blick eines Kindes, das man ganz alleine in der Dunkelheit zurückgelassen hatte und das verzweifelt nach jemandem suchte, der ihm Trost und Zuwendung spendete. Rion hielt meine Hand fest und ich konnte deutlich sehen, wie er kämpfte. Vor allem mit sich selbst und der Fassade, die er nicht mehr länger aufrechterhalten konnte. „Es tut mir leid…“ Diese vier Worte ließen mich kurz vergessen, dass ich weglaufen wollte. Es war das allererste Mal, dass ich so etwas wie eine Entschuldigung von ihm hörte und das riss mich nun völlig aus der Bahn. Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte und als ich ihn so sah, verspürte ich nur noch den Wunsch zum Weinen. „Glaubst du, damit ist es getan?“ fragte ich und musste mich beherrschen, trotzdem bebte meine Stimme. Wie ich es doch hasste, immer so emotional zu sein wie ein Mädchen. „Seit Jahren schikanierst du mich schon, obwohl ich dir nie etwas getan habe. Du hast meinen betrunkenen Zustand ausgenutzt, um über mich herzufallen… Und dann erwartest du einfach, dass ich alles vergebe und vergesse? Und dann fällst du wieder über mich her und selbst hier noch und bringst mich komplett durcheinander. Ich weiß doch inzwischen gar nicht mehr, was ich denken oder fühlen soll. Auf der einen Seite will ich dich einfach nur für immer aus meinem Leben streichen und dich nie wieder sehen. Und ebenso würde ich dir am liebsten eine reinhauen, verdammt noch mal. Aber auf der anderen Seite machst du mich ganz konfus. Mal bist du der arrogante Dreckskerl, dem ich am liebsten ins Gesicht sagen würde, er soll sich zum Teufel scheren und mich in Ruhe lassen. Und dann bist du wieder so anders… so aufmerksam und einfühlsam und ich kann dich dann nicht hassen. Es ist einfach so verwirrend für mich, okay? Ich kenne dich schon so lange und weiß selbst jetzt noch nicht, wer du wirklich bist.“ Ich hörte auf zu sprechen, da ich befürchtete, dass ich ansonsten noch in Tränen ausbrechen würde. Rion war still und sah mich immer noch mit diesen Augen an, die wie die eines allein gelassenen verzweifelten Kindes aussahen. Er wirkte so verletzlich und so unendlich traurig in diesem Moment. Und es tat mir weh, ihn so zu sehen. Dann aber sagte er mit einer ruhigen und von tiefen Emotionen bewegten Stimme, dass ich mich nicht mehr beherrschen konnte und die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte. „Ich liebe dich, Fayette. Ich habe dich immer geliebt…“ Ich war wie erstarrt und mir war, als würde in diesen Moment eine ganze Welt auf mich herabstürzen und unter sich begraben. Alles kam mir in diesem Moment so falsch und wie eine einzige Lüge vor. Die letzten Jahre des Disputs und der Auseinandersetzungen zwischen uns wirkten nun wie eine fragwürdige Illusion, die ich nicht verstand und ich wusste nicht, was ich in diesem Moment glauben sollte. Das war alles zu viel für mich und ich konnte in diesem Moment nicht vernünftig reagieren. Ich riss mich von Rion los und flüchtete aus dem dunklen Raum. Ich rannte die Stufen hinunter an Mallory vorbei und verließ fluchtartig das Atelier. Natürlich wusste ich, dass das nicht richtig und vor allem auch nicht fair gegenüber Rion war. Aber ich musste einfach raus, weil ich fürchtete, sonst noch völlig erschlagen zu werden. Ich lief die Straße entlang, bis ich mich an einer Bushaltestelle hinsetzte und tief durchatmete. Doch ich konnte mich nicht beruhigen, stattdessen flossen ungehindert Tränen meine Wangen hinunter und ich fühlte mich furchtbar elend. Warum nur hatte Rion mir ausgerechnet jetzt seine Liebe gestehen müssen? Wieso hatte er es überhaupt getan? Das machte alles doch nur noch komplizierter als eh schon und ich wusste nun gar nicht mehr, was ich jetzt tun sollte. Mein erster Gedanke war Flucht. Jetzt, da Rion mir seine Liebe gestanden hatte, konnte ich ihm nicht mehr unter die Augen treten. Wie sollte ich ihm eine ehrliche Antwort darauf geben? Es würde doch eh nicht funktionieren, genauso wie alle meine Beziehungen nicht funktioniert hatten. Früher oder später würde es wie sonst immer darauf hinauslaufen, dass es in die Hose ging. Wieso liebte er mich denn schon? Doch bloß nur, weil ich eben so mädchenhaft aussah und er den Kick suchte, das war doch alles. Und selbst wenn es nicht so war, es hatte einfach keine Zukunft mit uns beiden. Nicht nach den Dingen, die zwischen uns passiert waren. Ich kehrte wieder zurück, holte mein Fahrrad und fuhr nach Hause. Ich wollte so schnell wie möglich weg von Rion und einfach nur alleine sein. Und kaum, dass ich zuhause angekommen war und ich mich in mein Zimmer verkrochen hatte, legte ich mich ins Bett und sprach kein Wort. Ich fühlte mich selbst wie das allerletzte. Ich war einfach so davongelaufen, weil Rion mir seine Gefühle gestanden hatte. Was war ich denn bitteschön für ein unsagbarer Feigling? Ich musste wieder an den Blick denken, mit dem er mich angesehen hatte. Allein der Gedanke daran, wie verletzt er jetzt wohl war, nachdem ich einfach so abgehauen war, tat mir selbst weh. Ich bereute meine Feigheit und wünschte, ich könnte den Mut aufbringen, zurückzugehen und mich zu entschuldigen. Aber ich konnte es einfach nicht tun, weil ich zu viel Angst hatte. Angst davor, dass es wieder nicht funktionieren würde und dass ich es wieder kaputt machen würde. Ich und meine verdammten Komplexe und mein Kussproblem. Seth hatte vollkommen Recht: ich stand mir in wirklich allen Lebenslagen komplett selbst im Weg und bewies mir selbst, was für ein gottverdammter Vollidiot ich eigentlich war. Oh Mann, warum musste auch alles so verdammt kompliziert sein? Sein Geständnis hatte mich völlig aus der Bahn geworfen, aber sonderlich überrascht hatte es mich ja auch nicht so wirklich, wenn ich ganz ehrlich war. Irgendwie war es doch ganz klar gewesen… Aber das Schlimmste an der ganzen Situation war, dass ich noch etwas erkannt hatte: ich liebte ihn auch. Verdammt noch mal ich liebte diesen Scheißkerl und das war das Schlimmste an der ganzen Sache. Wie konnte ich mich denn nur in einen Mann verlieben, obwohl ich doch noch eine Frau liebte? Ich liebte Katherine und dieser Zwiespalt machte mich noch echt fertig. Denn ich wusste nicht, was ich tun sollte. Für wen sollte ich mich entscheiden? Ich stand auf und holte die Aquarellzeichnung von Rion, die ich gemalt hatte. Wieder kamen mir die Tränen, als ich fühlte diesen stechenden Schmerz in meiner Brust. Wie sehr wünschte ich mir in diesem Moment, Rion wäre hier bei mir und er würde mich im Arm halten und mir noch mal sagen, dass er mich liebt. Warum nur musste ich auch immer so eine Angst, dass es schief laufen könnte? Nur weil ich zwei Mal verlassen wurde, weil ich zu mädchenhaft aussah und ich jedes Mal zusammenbrach, wenn es zum Kuss kam? Ja verdammt, ich hatte Angst vor einer Beziehung und ich lief meist immer weg, wenn es ernst wurde. Ich hasste mich selbst für meine Feigheit und meine Angst. Und nun stellte sich mir die Frage, wie ich Rion je wieder unter die Augen treten sollte. Da war immer noch der Vertrag zwischen uns und ich war immer noch für das Fotoshooting engagiert. Sollte ich die ganze Sache endgültig abbrechen und ebenso auch den Kontakt zu Rion vermeiden, selbst wenn ich dann wieder mit einem gebrochenen Herzen da stand? Das alles nur, weil ich Angst davor hatte, dass es nicht klappen könnte und es wegen mir wieder scheiterte? Ach verdammt… Warum musste ich das alles nur immer komplizierter machen, als es ohnehin schon war? Wieder betrachtete ich die Zeichnung. Jene, die Rions warmherziges Lächeln trug. Ich hatte wirklich grausame Dinge zu ihm gesagt, die ich eigentlich nicht so gemeint hatte. Warum nur musste ich ihn auch immer wieder verletzen, nachdem ich doch gesehen hatte, dass er kein schlechter Mensch war und im Grunde mehr zu leiden hatte als ich. Ich jammerte immer nur und war unzufrieden mit mir selbst und was war mit Rion? Er hatte lieblose Eltern, sein Bruder war vor seinen Augen gestorben, während er damals selbst knapp dem Tod entronnen war und dann war auch noch Isabelle gestorben, mit der er gut befreundet gewesen war. Er sehnte sich doch auch nach jemanden, der ihm die Liebe geben konnte, welche er brauchte. Im Grunde waren wir uns in der Hinsicht doch sehr ähnlich. Aber trotzdem gerieten wir immer wieder aneinander und verletzten uns gegenseitig. Ob Rion auch so viel Angst hatte wie ich, dass er versagen könnte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)