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Des Engels Traum

von

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Maryos Traum

Er war schon immer ein Sonderling gewesen. Das Leben in seiner Heimat war deshalb für ihn nicht sonderlich schön, da man ihn immer wegen seinem Aussehen hänselte. Nicht, dass daran etwas Verwerfliches wäre, immerhin sah er wirklich wunderschön aus, aber es waren die Neckereien der anderen, die ihn tief getroffen immer wieder abziehen ließen.

Der junge Mann hatte sich schon oft gewünscht, wie die anderen auszusehen, doch ihm war dies nicht vergönnt. Neidisch blickte er auf die weißen und hellen Wesen, die um ihn herumflogen und blickte in den kleinen Teich, der neben ihm leicht plätscherte.

Einige Tiere waren zu ihm gelaufen oder geflogen gekommen und er pustete auf die Oberfläche des Wassers, damit sein Spiegelbild wieder schnell verschwand. Die Vögel und Hasen, die es sich neben ihm gemütlich gemacht hatten, schienen auf irgendetwas zu warten, doch heute wollte er nicht zu lange hier bleiben.

Er schämte sich für so vieles, für das was mit seinem Körper passierte. Nicht nur, dass er kein weißes Haar und blasse Lippen hatte, viel schlimmer war noch der Fakt, dass er oft mit einer Frau verwechselt wurde. Dies konnte natürlich daran liegen, dass er einem androgynen Volk angehörte.

Engeln war schon lange nachgesagt worden, die schönsten Wesen zu sein. Blasse, porzellanartige Haut, die schon fast weiß war, helles und leuchtendes Haar und blasse Lippen. Doch er gehörte nicht wirklich zu ihnen.

Maryo war das Kind einer verbotenen Verbindung. Seine Mutter ein weißer Engel, sein Vater einer der Gefallenen. Er wünschte sich, dass seine Mutter dieser Verbindung irgendwann nicht mehr nachgegangen wäre, denn sein Leben als Halbling war schon schwierig genug.

Gefallene Engel machten sich daraus berühmt, dass ihre Haut fast schwarz, ihre Haare dunkel glänzend und die Lippen zum Anbeißen rot waren. Maryo hatte seinen Vater noch nicht oft gesehen, aber jeglicher dieser Aspekte hatte er erfüllt.

Deshalb war es für ihn auch fast unbegreiflich, wieso er kein wirklicher Mischling wurde, mit grauen Haaren, grauer Haut und etwas roteren Lippen. Alles an ihm schien so paradox zu sein, auch seine größte Leidenschaft.
 

Die Tiere liefen plötzlich verschreckt weg und ein größerer Schatten verwehrte ihm die Wärme der Sonne. Er wollte schon etwas sagen, doch als er seinen Blick hob, spürte er, wie sich langsam eine leichte Wärme in seine Wangen stahl.

Schnell blickte er zur Seite und schnaubte leicht gereizt: „Ich weiß nicht, was du hier willst Iranyo, aber ich will nicht mit dir reden.“ Iranyo war ein Gefallener, der aber das Privileg hatte noch im schönsten Garten des Paradieses zu leben.

Er hatte einige schlimme Sachen angestellt, doch sein Fall war noch nicht vollständig bearbeitet worden. Auch wenn es schon einige Jahrhunderte her war, seit er den Verrat am großen Vater beging. Seine Haut war dunkler, aber nicht schwarz, seine Haare in einem sanften Farbverlauf zwischen hell und dunkel und seine Lippen glänzten, wie ein frisch polierter roter Apfel.

Auch wenn es Maryo nicht wirklich zugeben wollte, aber alleine die Präsenz des anderen ließ sein Herz fast aussetzen. Ein Rascheln zeigte ihm, dass sich Iranyo neben ihn gesetzt und zu ihm gebeugt hatte.

„Ich hatte gehofft dich hier zu treffen, Mar. Haben die anderen dir wieder übel mitgespielt?“, fragte Iranyo und griff in Maryos langes Haar.

Es war ihm peinlich, dass der andere immer sofort wusste, wann die anderem ihm wieder einen Streich gespielt hatten. Feines Pulver und kleine Tierchen hingen noch immer in seinen Haaren und sein einziger Freund – wenn er ihn so nennen wollte – zupfte jeden Rest davon heraus.

Maryo war in der Zeit fast unfähig irgendetwas zu sagen oder zu tun, denn zu sehr war er damit beschäftigt seine Atmung zu kontrollieren. Er durfte sich nicht von Iranyos Aura einnehmen lassen. Es war bekannt, dass gefallene Engel gerne reine Engel verführen wollten, doch als Mischling konnte er darüber nur herzhaft lachen.

Liebeleien zwischen zwei männlichen Engeln waren auch nicht so abwegig, dennoch war es ein ziemliches Risiko, sollte irgendjemand darüber Bescheid wissen. Seine Wangen verfärbten sich wieder rot und er schloss seine Augen für kurze Zeit.

Nachdem er sich wieder einigermaßen im Griff hatte, blickte er vorsichtig zu seinem Freund und sah, wie er sich lächelnd sonnte. Seine grünen Augen stachen strahlend hervor und Maryo wurde das Gefühl nicht los, als würden sie ihn hineinziehen.

„Ich bin nächste Woche mit meiner Ausbildung fertig Iranyo. Dann werde ich wohl nicht mehr hier sein.“ Maryos Stimme war leise, weil er es wirklich ziemlich schade fand, dass sich ihre Wege wohl in nächster Zeit trennen würden.

Maryo war im letzten Lehrjahr zum Schutzengel. Er hatte es immer schwer gehabt, weil man ihn am Anfang immer wieder ausschließen wollte, weil er der ‚Norm‘ nicht entsprach. Er wusste selber, dass er kein weißer Engel war, aber er war dennoch rein und wie für die Arbeit geschaffen.

„Du weißt, wie ich dazu stehe Mar. Ich will dich nicht verlieren, nur weil du denkst, du könntest einen Sterblichen davor beschützen das Zeitliche zu segnen.“ Iranyos Stimme war leicht wütend und er hatte sich wieder aufgesetzt.

„Am liebsten würde ich dich deiner Reinheit berauben, damit ich dich für immer bei mir behalten kann!“, sagte er und drückte Maryo etwas unsanft auf die weiche Wiese.

Erschrocken blickte dieser zu seinem besten Freund hoch und biss sich leicht auf die Unterlippe. Wie gerne würde er sich von Iranyo beschmutzen lassen, aber er wollte auch seine harte Arbeit nicht umsonst werden lassen. Zu sehr würde er sich nachher Vorwürfe machen, dass er es nicht einmal versucht hatte.

„Bitte, Ira … Mach uns beide damit nicht unglücklich.“ Maryos Stimme war leise, weil er Angst hatte, dass die Trauer, die sich darin befand, zu sehr auffiel.

Er strich sanft über Iranyos Wange und seufzte leise. Dann blickte er zur Seite und hoffte einfach darauf, dass sich sein bester Freund wirklich zurückhielt.

„Hat dir schon Jemand gesagt, wie wunderschön du bist?“, fragte Iranyo und beugte sich etwas tiefer.

„Bitte, Ira …“, flehte Maryo ohne Nachdruck.

„Haut so weiß wie Schnee“, fing Iranyo an und strich sanft über Maryos Wange.

„Lippen so rot wie Blut“, hauchte er und rieb sanft mit seinem Daumen über Maryos Lippen, um sie zu versiegeln.

„Haare so schwarz wie Ebenholz“, schloss er und küsste sanft eine Strähne, die er durch seine Finger gleiten ließ.

„Doch das schönste sind immer noch deine Augen Mar.“ Maryo schüttelte leicht den Kopf, weil er immer noch unfähig war etwas zu sagen.

Maryos Augen änderten ihre Farbe, je nachdem wie seine Gemütslage war. An einem Tag waren sie strahlend Blau, später plötzlich von einem wunderschönen Violett. Wenn er sich wirklich nicht gut fühlte, dann konnten sie sogar ins Schwarze hineinrutschen, doch momentan war er sich sicher, dass sie einfach nur braun waren, weil dies ihre eigentliche Farbe war.

„Iranyo, bitte hör auf damit.“ Maryo wusste nicht, wie oft er nun schon gegen die Gefühle angekämpft hatte, die sich in seiner Brust angestaut hatten, aber es erschien ihm fast unmöglich der ganzen Sache noch einmal standzuhalten.

Wie viele Jahre hatte er sich nun darauf konzentriert ein Schutzengel zu werden? Wie viele davon hatte er damit verbracht sich den gehörigen Respekt zu erarbeiten, daran dennoch nur kläglich scheiterte? Und wie lange sehnte er sich nun schon nach den Lippen des anderen Engels? Er konnte keine der Fragen wirklich beantworten, weil er sich zu sehr für seine Gefühle schämte.

Engel sollten nichts fühlen, nur Gefallenen wurde dies nachgesagt. Er spürte selber den Zwiespalt in sich, doch er konnte nichts wirklich dagegen unternehmen. Das Blut seines Vaters wallte in ihm auf und er strahlte wohl solch eine unbändige Aura aus, dass Iranyo seufzte.

Die Tiere kamen plötzlich wieder zu ihm und strichen um seine Haut. Es fühlte sich so wunderbar an, doch er konnte sich nicht lange darauf konzentrieren. Iranyo kam immer näher und mit letzter Kraft drückte er ihn etwas unwirsch von sich herunter und schüttelte den Kopf.

„Bitte, tu mir das jetzt nicht an. Lass mir meinen Traum noch einige Zeit offen, dann bin ich bereit dir alles zu geben. Ich will die Menschenwelt sehen, meinem Sterblichen helfen und dann werde ich für immer an deiner Seite bleiben Iranyo. Gibst du mir diese Zeit?“ Maryo konnte den anderen nicht anblicken und spürte, wie stumme Tränen seine Wangen herunterperlten.

Er wusste, dass er etwas ungerecht war, doch das sanfte Gefühl von Iranyos Finger und seiner liebevollen Stimmte, trösteten ihn dann doch etwas: „Ich werde auf dich warten, Mar. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue.“

Maryo nickte vorsichtig und fing dann an ein letztes Klagelied zu singen. Denn er liebte es seinen Gefühlen im Gesang freien Lauf zu lassen.
 

**°**°**~°~**°**°** 

 

Keiner der beiden wusste, wie lange sie sich nun nicht mehr gesehen hatten, doch Maryo war sich sicher, dass er sich in der Zeit, als er der Schutzengel dieser einen Frau war, nicht verändert hatte. Sein Entschluss war immer noch der Gleiche, denn nun hatte er das Leben gehabt, das er sich so lange erträumt hatte. Und ab nun würde er nur noch für den gefallenen Engel leben.

Langsamen Schrittes ging er auf den Mann zu, der ihm den Rücken zugedreht hatte und spürte, wie sein Herz immer schneller anfing zu schlagen. Die lange Abstinenz hatte ihn fast wahnsinnig gemacht und er vermisste das Gefühl von Iranyos Fingern auf seiner Haut.

Vorsichtig legte er die Hand auf die Schulter des Mannes und beugte sich zu ihm herunter. Dann flüsterte er ihm sehnsüchtig ins Ohr: „Du bist mein neuer Traum“ und wartete auf eine Reaktion.

Iranyo drehte sich sofort zu ihm um und umfing ihn mit solch einem Lächeln, dass es Maryo fast nicht schnell genug gehen konnte. Ihr erster Kuss war sehr unbeholfen, doch beide hatten sehnsüchtig auf diesen Moment gewartet.

Lachend lagen sich die beiden in den Armen und Iranyo strich sanft über Maryos Wange und sagte dann: „Ich habe so lange auf dich gewartet, um dein neuer Traum zu sein. Deshalb, verlass mich nie wieder.“ Maryo nickte daraufhin nur und lehnte seine Stirn an Iranyos Brust.

Dann hob er wieder seinen Blick und strich sanft über Iranyos Lippen. Dieser schloss die Augen und küsste sanft den liebkosenden Finger. Maryo lächelte daraufhin und stahl dem anderen einen liebevollen Kuss.

Auch wenn er in dieser Nacht seine Reinheit verlor, so war sich Maryo sicher das Richtige getan zu haben. Denn die Liebe, die er für den gefallenen Engel hatte, war unendlich. Und so ward ihr Leben.

 
 

ENDE
 


 



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hikari-Tenshi
2015-04-23T18:41:55+00:00 23.04.2015 20:41
Hallo!
Deine Kurzgeschichte war sehr schön. Man konnte die Gefühle richtig spüren. Das Ende war auch richtig toll. Ich finde auch die gefallenen Engel besser, weil sie Gefühle haben. ( Ich mag sowieso Gefallene lieber.)
LG Hikari Tenshi
Von:  AliceNoWonder
2015-04-19T10:24:56+00:00 19.04.2015 12:24
Hey, erst mal danke für deinen Beitrag ^^
Die Geschichte ist wirklich richtig niedlich. Mir gefällt dein Schreibstil der passt sehr gut zu der Geschichte. Vom Inhalt ist die auch richtig schön. Vor allem, dass es um Engel geht finde ich toll *-*
Das du dir Gedanken über einen Mischling gemacht hast finde ich auch sehr gelungen. Die Szene, wo sie im Gras liegen ist klasse :3 Da kommt richtig gut sein Zwiespalt rüber ^^
Das Ende ist auch richtig niedlich, vor allem das er seine Reinheit verliert ist sehr schön ausgedrückt^^
Fehler habe ich keine gefunden.
Wie gesagt: deine Geschichte ist wirklich richtig niedlich geworden. Da wird einem richtig warm.

Lg Alice


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