Drowning von attackonpsycho (LawxRuffy) ================================================================================ Kapitel 7: Strange Day ---------------------- Manchmal fühlte ich mich einsam und schon fast unsichtbar, in dieser Welt, die voller Menschen war und doch nicht selten leer wirkte. Ich hatte meine Familie, meine Freunde, ich war niemals ganz alleine. Und doch fühlte ich mich in manchen Augenblicken so. Diese Augenblicke waren gefüllt von Traurigkeit, die durch die Einsamkeit mitschwang und sich seltsam kühl anfühlte. Kühl und taub, wie das Gefühl von Schmerz. Ich mochte dieses Gefühl der Kälte nicht, auch, wenn ich es oft verspürte. Wahrscheinlich gewöhnte man sich niemals richtig daran, egal wie oft es einen heimsuchte. Sie war wie ein Bestandteil des Lebens, ein Bestandteil, auf den man gerne verzichten würde. Denn wer mochte schon die stechende Kälte, die einen einsam fühlen ließ und versuchte die Leere in einem zu füllen? Ich kannte niemanden. Auch ich mochte sie nicht, hatte sie noch nie gemocht. Als mein Bruder gestorben war, war es das erste Mal, dass ich diese Kälte, die mich in dieser Zeit immer wieder wie ein dumpfer Schmerz durchstach, richtig spürte. Ich glaubte, dass sie schon lange dagewesen war. Schon als ich in das Waisenhaus abgeschoben und dort schließlich aufgewachsen war. Doch damals war ich noch ein Kind, ich verstand nichts von dem Gefühl des Schmerzes. Erst jetzt, wo ich älter und so viel reifer war, begriff ich, was die Vergangenheit mit mir angerichtet hatte. Das hieß nicht, dass ich heute nicht glücklich war, es bedeutete eher, dass ich jemand ganz anderes sein würde, wenn da nicht diese Ereignisse gewesen wären, die mir gezeigt hatten, was Schmerz war. Die mich in die Tiefe zogen, wenn ich in der Höhe schwebte; die mich erfrieren ließen, wenn mir warm war. Doch wenn man genauer nachdachte, wäre jeder von uns anders, wenn ihm jeglicher Schmerz in der Vergangenheit verwehrt geblieben wäre. Die Menschheit wäre nicht dieselbe. Wir alle wären nicht dieselben. Ich fragte mich oft, ob es gut so war, wie es war. Ob der Schmerz, der die Menschen heimsuchte und die damit einkehrende Veränderung gut war. Allerdings wusste ich es nicht, was wieder ein Grund dafür war, weshalb ich Gedankengänge dieser Art hasste. Sie warfen nur neue Fragen in mir auf, die so dringend beantwortet werden wollten, obwohl niemand die Antwort kannte. Es musste bereits morgens sein, als mich mein klingelndes Handy brutal aus dem Schlaf riss. Durch das Fenster drang viel zu helles Licht, welches unangenehm in meinen Augen brannte, während der Klingelton nun auch noch von einem starken Vibrieren begleitet wurde. Ich verdrehte die Augen als ich nach dem alten Teil fischte und ohne nachzusehen den grünen Knopf betätigte. Was hatte ich mir bitte dabei gedacht, als ich die Vibration auf die höchste Stärke gestellt hatte? „RUFFY“, schrie mir eine bekannte Stimme sofort ins Ohr, woraufhin ich die Augen zusammen kniff. Jemanden so aus dem Schlaf zu reißen, war doch alles andere als normal. Das grenzte nun wirklich an Sadismus. „Ja?“, murmelte ich verschlafen in mein Handy. Eigentlich wollte ich nur noch mein Handy wegwerfen und weiter schlafen. Doch selbst dies wurde mir wohl verwehrt. „Hör zu, ich muss heute mit dir reden, also komm gegen vier bei Zorro vorbei, okay?“, ohne auf meinen abwesenden Zustand zu reagieren, redete die Stimme laut auf mich ein und ließ mich kaum zu Wort kommen. Es gab wirklich schönere Wege, geweckt zu werden. „Wer ist da nochmal?“, fragte ich schlaftrunken nach, während ich mir mit einer Hand durch das Gesicht fuhr. Wie spät es wohl war? Bestimmt noch viel zu früh für mich. Ein Blick auf meine Wanduhr ließ mich allerdings stutzen. Halb Zwei Mittags. Wohl doch nicht so früh, wie gedacht. Und schon wieder hatte ich eine Mahlzeit verpasst! „- hörst du mir eigentlich zu?“, meldete sich die Stimme am anderen Ende zurück, ehe sie theatralisch aufseufzte, so, wie ich es nur zu gut von ihr kannte. „Ja, Nami, 'tschuldigung“, grummelte ich etwas genervt und drehte mich auf die andere Seite. Ich unterdrückte mir ein Gähnen. „Also, du kommst heute Mittag, verstanden?“, fragte sie sicherheitshalber noch einmal nach. Wenn ich ehrlich war, wollte ich nichts lieber tun, als im Bett liegen zu bleiben, mir irgendeinen Film anzusehen und irgendetwas zu essen. Schokolade wäre nicht schlecht. Doch die Stimme der Orangehaarigen ließ keine Widerrede zu, so wie fast immer. „Klar“, entgegnete ich und versuchte die Missmut in meiner Stimme zu verstecken, ehe ich mit einem „Dann bis später“ auflegte. Das Handy zurück auf den Nachttisch legend, vergrub ich meinen Kopf erneut in meinem Kissen. Einschlafen konnte ich allerdings nicht mehr, so sehr ich es auch versuchte. Meine Augen öffneten sich wie von selbst immer wieder. Was Nami wohl wollte? Wahrscheinlich war sie darauf aus, mir jedes Detail der Party zu erzählen. Sicherlich war viel geschehen, als ich weggetreten war. Gleichzeitig kamen damit die Ereignisse der letzten Nacht in mir hoch. Ich drückte meinen Kopf noch fester in die Kissen, als ich spürte, wie mir die altbekannte Hitze wieder in die Wangen schoss, wenn ich an Law dachte. An den Law von letzter Nacht. Verdammt nochmal, was war denn jetzt bitte los? Diese Reaktion konnte ich nun wirklich nicht mehr auf den Alkohol schieben, ich war zu hundert Prozent nüchtern. Umso mehr verwirrte mich das Ganze. Mit einem Seufzen fasste ich mir an den Kopf und richtete mich im Bett auf. Erneut kam mir die Frage in den Sinn, wie genau ich mich bei Law dafür bedanken sollte, dass er so viel für mich getan hatte. Klar, er hätte das nicht machen müssen, ich hatte ihn immerhin nicht darum gebeten. Trotzdem fühlte ich mich so, als wäre ich ihm etwas schuldig. Dieses Etwas löste ebenfalls das Gefühl in mir aus, dass es sehr schwer werden würde, das richtige Dankeschön zu finden und es ihm letztendlich zurückzuzahlen. Wenn man bedachte, dass es um Law ging, war es nicht überraschend, dass dies nicht leicht werden würde. Ich könnte sagen, dass ich Law nicht verstand, dass er ein Rätsel war, doch das war nicht richtig. Für ein Rätsel gab es immer eine Lösung und bei Law war ich mir wirklich nicht sicher, ob eine existierte. Er glich viel eher einem Mysterium. Und trotzdem wollte ich dahinter kommen. Ich wollte wissen, wer er war. Ob er sanft oder ernst war, wann er eine Maske trug und wann nicht. Ich wollte erfahren, warum er gestern so viel für mich getan hatte und so viel Zeit aufgeopfert hatte. Ich stützte meine Stirn auf meiner Handfläche ab und schüttelte kurz den Kopf. Heute war wieder einer dieser Tage, an denen ich viel zu viel nachdachte. Eigentlich war dies ziemlich untypisch für mich, da ich eher von impulsiver Natur war und trotzdem gab es Tage, die ich mit belanglosem Grübeln verbrachte. Irgendwann würde mich das noch zum Ausrasten bringen, da war ich mir sicher. Wacher als zuvor stand ich auf und vermisste beinahe sofort die wohlige Wärme des Bettes, als meine nackten Füße den kalten Fußboden berührten. Ich schlich zu meinem Schrank, fischte frische Unterwäsche, eine Jeans und ein einfarbiges T-Shirt mit V-Ausschnitt heraus, welche ich mir auch gleich überzog. Halbnackt wollte ich sicherlich nicht meinen Mitbewohnern gegenübertreten. Allein der Gedanke daran, ließ mich erneut erröten. Ich verließ mein Zimmer summend und schloss die Tür hinter mir. Im Wohnzimmer war niemand zu sehen, allerdings hörte ich dafür nur zu deutlich, wie jemand in der Küche herumhantierte. Beim Näherkommen konnte ich ebenfalls feststellen, dass irgendetwas verdammt gut Riechendes zubereitet wurde. Als ich die Küche betrat, sah ich Kid, der mit dem Rücken zu mir stand. In seiner Hand hielt er einen Pfannenwender, den er hin und wieder auf die Pfanne hinabsenkte. Ich grinste. Sein Timing war einfach perfekt, anders konnte man es wirklich nicht sagen. „Guten Morgen“, mit einem Blick zu Kid ließ ich mich auf einem Klappstuhl nieder. Der Rothaarige drehte sich sofort um und wedelte mit dem Pfannenwender herum. Seine Augenbrauen hoben sich leicht in die Höhe. „Es ist Mittag“, ließ er mich wissen. Ich zuckte nur mit den Schultern. Erst jetzt, wo ich ihn von vorne sehen konnte, bemerkte ich, dass auch er sich noch nicht ganz erholt hatte. Ihm hatte die letzte Nacht wohl auch zugesetzt, wie ich an den tiefen Augenringen, seiner gekrümmten Haltung und den müden Augen feststellen konnte. Auch seine Kleidung sah nicht so aus, als hätte er lange darüber nachgedacht, was er heute tragen sollte. „Es gibt French Toast“, erklärte er und deutete mit dem Pfannenwender auf den Herd, ehe er diesen abstellte. Der Tisch war schon gedeckt, allerdings nur für zwei Personen. Als Kid sich setzte und uns beiden eine Portion auf die Teller lud, warf ich ihm einen verwirrten Blick zu. „Wo ist Law?“, fragte ich direkt, während ich das Besteck in die Finger nahm. Kids Laune, die sowieso schon nicht berauschend war, schien zu sinken. Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten, ehe er aufseufzte und seine Stirn auf der rechten Hand bettete. „Das ist etwas kompliziert“, meinte er ehrlich, während er in seinem Kaffee herumrührte. Er schien mit seinen Gedanken nicht ganz hier zu sein. Seine Stimme klang in diesem Moment komisch, so trocken und abwesend. Mir war sofort klar, dass irgendetwas passiert sein musste. Seinen Zustand hatte er wohl doch nicht nur dem Alkohol zu verdanken. „Was ist kompliziert?“, fragte ich verunsichert nach. Was sollte denn auch mit Law sein? Ich verstand nicht, was Kid mir sagen wollte. Im Prinzip hätte mir eine einfache Antwort gereicht und nicht eine, die noch mehr Fragen in mir aufwarf und mich neugierig machte. Auch wenn ich nicht vermeiden konnte, mischte sich leichte Besorgnis in meinen Blick. Ich hatte das Gefühl, dass es ernst war. Die Atmosphäre zwischen Kid und mir wirkte plötzlich eigenartig. Als würde ich kaum noch Luft bekommen, als wäre der Sauerstoffanteil auf einmal gering. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten mich. Etwas Undeutliches lag in ihnen, etwas, dass ich wirklich nicht beschreiben konnte. „Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du hier ankamst?“, fragte er mich plötzlich, weshalb ich etwas verwirrt meine Augenbraue anhob. Worauf er hinauswollte, konnte ich nicht ganz nachvollziehen, weshalb ich nur nickte. „Law war nicht da“, erinnerte er mich, „weil wir einen Streit hatten.“ Er seufzte erneut und schob sein schwarzes Stirnband zurecht. Allerdings lagen seine Haare heute platt auf seinem Kopf, sie standen nicht wild ab, wie sonst immer. „Und heute hatten wir wieder einen Streit, wegen demselben Thema.“ Die Erinnerung kam in mir hoch, weshalb ich nickte. Aus irgendeinem Grund war ich auch ziemlich froh darüber, dass er sich mir anvertraute. Es schien, als würde der Sauerstoff langsam den Weg zurück in die Luft finden. „Warum?“, fragte ich den Rothaarigen, der wahrscheinlich nur auf diese Frage gewartet hatte. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er mir alles oder nur einen Teil erzählen würde, doch ganz gleich was er tat, es würde mir mehr Informationen über Law geben. Zwar wusste ich selbst nicht ganz, warum ich mich so sehr für den Schwarzhaarigen interessierte, doch hatte ich in letzter Nacht das Bedürfnis entwickelt, ihn kennenzulernen. Ich wollte nicht, dass er auf ewig ein Mysterium für mich blieb. „Es geht um meinen Vater. Er ist krank“, erklärte Kid kurz. Sofort erinnerte ich mich an Law und daran, wie er Nami im Café gefragt hatte, ob sie den Rothaarigen zu ihrem Vater begleiten würde. Auch das war am Tag meiner Ankunft gewesen. „Was hat er?“, fragte ich mit einem traurigem Unterton in der Stimme nach. Es musste etwas Schlimmes sein, wenn Kid mehrere Worte daran verschwendete. „Lungenkrebs“, sagte er schnell, als würde er es nicht über sich bringen, es in einem normalen Tempo zu sagen. Seine Stimme klang dabei schon fast emotionslos, wäre da nicht das verräterische Glitzern in seinen Augen, welches mir zeigte, dass ihn das Ganze eindeutig mitnahm. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis ihn in den Arm zu nehmen, jedoch ließ ich das lieber sein. Kids Verhalten verunsicherte mich schließlich fast so oft, wie Laws. Mein Blick wandte sich meinem gefüllten Teller zu. So verrückt das auch klang, plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr. „Das tut mir Leid“, flüsterte ich kaum hörbar. Woher hätte ich dies auch wissen können? Er nickte, um mir zu signalisieren, dass er mich verstanden hatte. „Nun ja, ich will ihn besuchen, bevor..“, seine Stimme stockte, „du weißt schon.“ Ich beobachtete ihn dabei, wie er sich zusammenriss, obwohl es mir nichts ausmachen würde, wenn er seinen Gefühlen freien Lauf lassen würde. Vor mir musste er nicht so tun, als würde ihn nichts herunterziehen. Er musste sich nicht so verhalten, als würde er nicht stark wirken, wenn er Gefühle zeigte. Doch das sagte ich ihm nicht. Stattdessen nickte ich erneut, wenn auch nur sehr leicht. „Aber du musst wissen, dass in unserer Heimatstadt einiges vorgefallen ist. Wir sind nicht ohne Grund hierher gezogen.“ Er schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen, was genau sich ereignet hatte. „Jedenfalls will ich Dad trotzdem besuchen und nun ja, ich werde das nicht schaffen, nicht alleine“, gab er monoton zu, „also habe ich Law gefragt.“ Seine Gabel stocherte in seinem kalten Toast herum. „Er ist ausgeflippt und gegangen. Ich glaube, er kommt noch immer nicht mit allem klar.“ Diese Worte verunsicherten mich. Kid würde niemals zugeben, dass er etwas nicht konnte, das passte nicht zu ihm. Ich runzelte die Stirn und wollte nachfragen, als Kid sich plötzlich wieder mir zuwandte. Seine bernsteinfarbenen Augen wirkten hart. „Ich weiß nicht, warum ich dir das erzähle“, meinte er kopfschüttelnd, mit einem amüsierten Ausdruck auf seinem Gesicht. Ich musste lächeln. „Aber wenn du das Law sagst, töte ich dich.“ Mit dem Blick, den er im Moment drauf hatte, würde ich ihm das sogar zutrauen. „Werde ich nicht“, versprach ich ehrlich. Ich wusste zwar nicht, was dagegen sprach, doch wenn Kid dies nicht wollte, würde ich sein Vertrauen auch nicht missbrauchen. „Gut“, antwortete er, bevor er anfing, sein Toast zu essen, welches seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen nicht mehr schmeckte. „Gott, das schmeckt echt scheiße“, bestätigte er meinen Gedanken und grinste schief. „Lass uns lieber eine Pizza essen gehen“, schlug er darauf vor und ich hatte das Gefühl, dass unser Gespräch noch nicht beendet war. „Klar“, versuchte ich zu grinsen, während sich bei dem Wort „Pizza“ mein Magen lautstark zu Wort meldete. Wir verließen die Küche und zogen uns unsere Jacken und Schuhe an, da es draußen regnete. Das wurde auch Zeit. Es hatte schon lange nicht mehr geregnet. Die nächste Pizzeria, die auch am Sonntag aufhatte, war nur wenige Minuten entfernt, weshalb wir uns dazu entschieden, zu Fuß zu gehen. Der Regen prasselte auf den Asphalt und war im Moment das einzige, was man hören konnte, sah man von dem Rascheln der Blätter ab. Heute schien alles so grau und leer, wahrscheinlich hatten sich die meisten in ihre Häuser verzogen, weil der Regen gekommen war. Kleine Flüsse bildeten sich sich an den Straßenrändern, welche kurz darauf in den Abwasserkanal rauschten. Ich konnte nicht vermeiden, bei dem Geruch des kühlen Nass, an Law zu denken. „Weißt du“, plötzlich meldete sich Kid wieder zu Wort. Er hielt an. Etwas überrascht drehte ich mich zu ihm um. Seine bernsteinfarbenen Augen durchschnitten die regnerische Luft wie helles Licht. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mit mir zu ihm fahren würdest.“ Ich musterte ihn, verblüfft über diese Frage. Seine roten Strähnen, die nicht von der Kapuze umhüllt wurden, klebten nass an seiner Stirn, während mehrere Tropfen über sein Gesicht liefen. Der Regen war mittlerweile stärker geworden und peitschte mir unangenehm ins Gesicht. Ich überlegte nicht, als ich antwortete. „Auf jeden Fall.“ Er schien etwas erleichtert und dieser merkwürdige Augenblick war mit einem Mal vorbei. Wir gingen weiter, als wäre nichts passiert, während ich noch immer ein wenig perplex war, was die heutigen Gespräche mit Kid anging. Nami hatte mir noch nie erzählt, dass ihr Vater so krank war, doch das konnte ich ihr nicht übel nehmen. Schließlich erzählte ich ihr auch kaum von Ace oder meiner Zeit in Michigan. Wahrscheinlich wollte sie auch einfach nicht darüber reden. Meines Wissens nach, hatte sie noch nie wirklich viel Kontakt mit ihrem Vater gehabt. Allerdings war es noch ein wenig merkwürdiger zu sehen, wie anders Kid heute war. Ich hatte ihn eher als den mürrischen und nichts wirklich ernst nehmenden Typen abgespeichert und heute bewies er mir das Gegenteil. Doch das Gleiche hatte ich auch gestern noch bei Law bemerkt. Wahrscheinlich waren die beiden sich ähnlicher, als sie es jemals zugeben würden. Trotzdem war ich immer noch neugierig, was seine alte Heimat anging. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, was den Schwarzhaarigen so wütend machte, dass er die Wohnung verließ. Er war sonst immer in Fassung und ließ sich von nichts beeindrucken. Es musste etwas Schlimmes gewesen sein, so viel stand fest. Den Kopf schüttelnd begleitete ich Kid in die Pizzeria und zog mir meine Kapuze vom Kopf. Ich musste dringend den Ausschaltknopf für meine Gedanken finden. Dringend. Während dem Essen einer riesigen Salamipizza, redeten wir kaum. Als ich mich wenig später von dem Rothaarigen verabschiedete, weil ich noch zu Nami wollte, sagte er noch immer nichts. Er hob lediglich seine Hand zum Abschied und lächelte, wenn auch nur ganz leicht. Eigentlich schon fast nicht erkennbar. Mit etwas besorgter Miene machte ich mich auf zu dem Halteplatz der Straßenbahn. Die Sache musste ihn ziemlich mitnehmen, da war ich mir sicher. Ich hatte Glück und die nächste Bahn war schon da, als ich die winzige Haltestelle betrat. Also stieg ich ein und ließ mich auf einem leeren Platz nieder. Dass heute selbst hier wenig los war, war verblüffend. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die Regentropfen dabei, wie sie in einem ungleichmäßigem Rhythmus gegen die Fenster schlugen. Mein Gesicht spiegelte sich in der Fensterscheibe wieder, was mich feststellen ließ, dass ich heute wirklich scheiße aussah, um es noch freundlich auszudrücken. Meine Haare standen wild von meinem Kopf ab, während die vorderen Strähnen ziemlich nass waren und an meiner Stirn klebten. Auch das Verband um meinen Kopf war teilweise durchnässt. Meine Haut wirkte blass, weshalb man die tiefen Augenringe, die sich unter meinen müden Augen verbargen, noch deutlicher sehen konnte. Sie erinnerten mich fast schon an Law, der immer Augenringe hatte, warum auch immer. Ich biss mir bei diesem Gedanken auf die Unterlippe und konnte nicht vermeiden, dass erneut Sorge in mir aufkeimte. Wo er jetzt wohl war? Es dauerte nicht lange, bis ich ausstieg und zu Fuß bei Zorro ankam. Er wohnte mit seiner großen Schwester Tashigi im Zentrum der Stadt, in einer kleinen Wohnung. Ich vermutete ja, dass sie nur im Zentrum wohnten, damit Zorro sich auf dem kurzen Weg zur Schule nicht verlief. Doch als ich ihn mit dieser Vermutung konfrontiert hatte, hatte ich nur einen angesäuerten Blick zugeworfen bekommen. Im Grunde genommen, hatte er mir damit schon geantwortet. Ich betrat das Treppenhaus und ging hinauf in die dritte Etage, ehe ich vor der Wohnungstür mit der Aufschrift „Lorenor“ auf die Klingel drückte. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe die Tür von meiner besten Freundin geöffnet wurde. Sie war wohl die einzige, der man die letzte Nacht nicht ansah. Ihr Styling war wie immer aufwendig und sie schien nicht einmal einen Hauch von Müdigkeit aufzuweisen. „Hey!“, rief sie erfreut und zog mich in eine kurze Umarmung. „Hi“, erwiderte ich grinsend, ehe sie mich in die Wohnung bat. Zorro hatte mir erzählt, dass seine Schwester im Moment ihren Freund Smoker besuchte, weshalb er hier alleine war. Leider sah man dies der Wohnung an. Im Flur lagen bereits Klamotten und Zeitschriften auf den Boden, von denen ich lieber nicht wissen wollte, wie sie ihren Weg dorthin gefunden hatten. Wir betraten das Wohnzimmer und kämpften uns unseren Weg zu der Couch. Der Boden war vor lauter Zeug nicht mehr zu erkennen. Auf der Couch hockten Sanji und Zorro, die sich mal wieder grundlos am Streiten waren. Nichts Neues also. Während Zorro noch nicht ganz bei der Sache wirkte und tiefe Augenringe aufwies, war Sanji hellwach. Ich hatte ihn am gestrigen Abend gar nicht gesehen. „Hey“, meinte ich grinsend und ließ mich auf die linke Seite der Couch fallen, während Nami sich auf dem Holztisch davor niederließ. Meine Freunde begrüßten mich kurz, ehe ich auch schon leicht besorgt von Sanji gemustert wurde. „Wie geht es dir?“, fragte er aufrichtig, während seine braunen Augen den Verband an meinem Kopf musterten. „Gut“, erwiderte ich schnell, wobei mir auffiel, dass ich meine Verletzung schon fast vergessen hatte. „War nicht so schlimm“, fügte ich noch hinzu, was Nami aufseufzen ließ. „Hat allerdings schlimm ausgesehen“, erklärte sie mitfühlend und drehte eine ihrer orangen Strähnen mit ihrem Finger ein. Zorro nickte zustimmend. „Ich frage mich ja immer noch, warum du diesen Urouge eingeladen hast“, gab er ihr zu bedenken. Nami hob abwehrend die Hände. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass er den Alkohol meiner Schwester klaut“, giftete sie ihn darauf an. „Oder, dass sie so ausflippen würde“, fügte Sanji hinzu, wobei sich ein leichtes Grinsen auf seine Lippen schlich. Er schnappte sich eine Zigarette aus seiner Hosentasche und zündete sie an. „Was war das eigentlich für ein Typ, der sich an Vivimaus rangemacht hat?“, fragte er auf einmal angesäuert und nahm einen Zug von seiner Zigarette. Nami kicherte kurz. „Du meinst Cavendish?“, fragte sie nach, während ihre Augen amüsiert funkelten. Auch ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sanjis Beschützerinstinkt jeglichen Frauen gegenüber war eindeutig viel zu ausgeprägt. Zorro musterte währenddessen die Zigarette in Sanjis Hand. „Das ist dieser behinderte Typ, der ständig auf die Titelseite der Schulzeitung will, damit ihm die Frauen hinterher jagen“, erklärte er missmutig. Sanji allerdings lächelte darauf wissend, anstatt ihn, wie eigentlich erwartet, zu verfluchen. „Hast du etwa Angst, dass er der neue Frauenschwarm der Schule wird?“, fragte er stichelnd und wackelte mit seinen Augenbrauen. Er versuchte eindeutig den Grünhaarigen zu provozieren, was ihm allerdings nicht gelang. „Den Platz kann mir keiner nehmen“, entgegnete Zorro darauf überheblich, sodass ich Nami einen vorsichtigen Blick zuwarf. Sie wirkte sauer, versuchte allerdings sich nichts anmerken zu lassen. „Stimmt, niemand nimmt einfach jede Frau, die eine halbwegs annehmbare Oberweite hat“, rollte sie mit den Augen, weshalb Zorro sie grinsend ansah. „Ein Mann muss eben tun, was ein Mann tun muss“, versuchte er sein Verhalten zu erklären, woraufhin Sanji ihm einen zweifelnden Blick zuwarf. „Bist du dir auch sicher, dass du ein Mann bist?“, fragte er mit einem gespielt ungläubigen Blick. „Willst du nachsehen?“, forderte Zorro ihn heraus. Seine Augen blitzten angriffslustig. Der Blonde allerdings verzog daraufhin übertrieben angewidert das Gesicht. „Nein, danke“, murmelte er, ehe er einen erneuten Zug von seiner Zigarette nahm. Plötzlich richtete Nami sich auf und zog mich am Handgelenk. „Wir holen etwas zu trinken“, meinte sie mit einem kurzen Blick zu den Beiden und zog mich in Richtung Küche. Etwas verwirrt sah ich ihr dabei zu, wie sie sich laut aufseufzend gegen die Theke lehnte, ehe sie die Arme vor ihrer Brust verschränkte. Jetzt würde sie mir sicherlich erzählen, warum sie mich ebenfalls hergebeten hatte. „Das gestern ist in die Hose gegangen“, merkte sie leise an, damit unsere beiden Freunde sie nicht hörten. Ich hob meine Augenbrauen an. „Was meinst du?“, fragte ich nach. Keine Ahnung, von was sie da redete. Mir fiel es im Moment sowieso ziemlich schwer, mich auf das Gespräch meiner Freunde zu konzentrieren, wenn mir die ganze Zeit Law, Kid und dessen Vater durch den Kopf geisterten. Genauso wie die Reise, die mir jetzt bevorstand, da ich dem Rothaarigen versprochen hatte, ihn zu begleiten. „Du erinnerst dich daran, dass du gestern auf Zorro aufpassen solltest?“, fragte sie vorsichtig nach. Ihre Stimme klang etwas verzweifelt. Ich nickte, als ich mich an ihre Worte von letzter Nacht erinnerte. „Ich wollte mit ihm reden, wenn er genug intus hatte“, erklärte sie, weshalb sie erneut einen fragenden Blick von mir kassierte. „Allerdings war er gleich verschwunden, als du weg warst“, sie seufzte auf und fasste sich an die Stirn. In diesem Moment erinnerte sie mich schon fast an eine Mutter, die einen Sohn hatte, der sich einfach nicht benehmen konnte. Nun ja, wenn man es genau nahm, hatte Zorro auch kein Benehmen. Zumindest was Frauen anging. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass er schon früher so gewesen war, auch, wenn es mir jetzt nichts ausmachte, dass er sich auf diese Weise verändert hatte. „Worüber wolltest du mit ihm reden?“, stellte ich schließlich die Frage an meine beste Freundin, die mich schon die ganze Zeit über interessierte. Ihre braunen Augen funkelten mich mit einer Mischung aus Traurigkeit und Unwissen an. „Ich habe die Vermutung, dass es einen bestimmten Grund für sein Verhalten gibt“, erklärte sie mir. Dann holte sie vier Gläser aus dem Küchenschrank und füllte sie wortlos mit Wasser. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)