Beyblade N. G. von KradNibeid (Aktuell: Kapitel 15 - Garys Galzzly) ================================================================================ Kapitel 1: Wundersame Mächte ---------------------------- - 25. März, Tokyo - „Er hat immer noch nicht angerufen, Dizzi.“ Mit enttäuschter Miene blickte Kenny auf das Smartphone in seiner Hand, bevor er es seufzend auf die Matratze warf und sich wieder seinem Laptop zuwandte. Es war eine dieser Gewohnheiten, die man nicht so einfach ablegen konnte, die ihn dazu brachte, sich zum Arbeiten immer auf sein Bett zurück zu ziehen; in den Hotelzimmern und Reisebussen, die sie als Bladebreakers auf ihren Fahrten zu den großen Turnieren stets bewohnt hatten, hatte es für ihn keine Schreibtische oder gesonderten Raum für seine Recherchen gegeben, und so hatte er gelernt, dass ein Bett (oder ein Bussitzplatz, solange er nicht wahlweise neben Tyson oder Max oder Daichi oder gar zwischen den Dreien lag) der perfekte Arbeitsplatz sein konnte. „Du weißt doch, wie Tyson ist, Chef. Wahrscheinlich hat er schon wieder vergessen, dass du ihm überhaupt eine Karte geschickt hast“, stichelte das Bitbeast, und Kenny schüttelte den Kopf. „Ich meine das Ernst, Dizzi. Ich habe ihm inzwischen schon vier Mal auf die Mailbox gesprochen, um ihn daran zu erinnern, aber auch darauf hat er nicht reagiert!“ „Da hat wohl jemand Liebeskummer?“ Kaum hatte Dizzi die Worte ausgesprochen, stieg Kenny die Röte ins Gesicht, und er verfluchte sich innerlich – ebenso wie sein vorlautes Bitbeast. „Ich habe keinen Liebeskummer, Dizzi, denn ich bin nicht in Tyson verliebt!“ „Ach ja? Meine optischen Sensoren sagen da aber etwas ganz anderes, Chef; du wirst ja ganz rot – ich habe dich doch nicht in Verlegenheit gebracht?“ Bemüht ruhig atmete Kenny einige Male durch, bevor er antwortete. „Dizzi, du weißt, dass ich immer rot werde, wenn mir jemand eine Beziehung unterstellt, und dass ich dagegen nichts machen kann. Genauso weißt du, dass ich nicht in Tyson verliebt bin. Ich mache mir allerdings Sorgen, denn mein bester Freund ist seit einer guten Woche quasi spurlos verschwunden und nicht mehr zu erreichen.“ „Vielleicht spielt er ja auch einfach den Unnahbaren?“ Mit einem entnervten Seufzen schlug sich Kenny die Hände vor das Gesicht und ließ sich auf sein Kissen fallen. „Weißt du was? Manchmal hasse ich dich, Dizzi.“ „Ich weiß; genauso wie ich weiß, dass deine Worte nur eine Form des unbeholfenen Ausdrucks unendlicher Bewunderung für mich sind.“ Ein leichtes Grinsen legte sich auf Kennys Züge, und angenehmes Schweigen füllte den Raum. Bei all den Abenteuern, die sie als Bladebreakers erlebt hatten, war Dizzi für ihn eine wichtige Gefährtin geworden, die ihm immer mit Rat und Tat (nun gut, eher weniger konkreten Taten, was wohl ihrem Dasein als Gefangene seines Laptops zu verschulden war; dafür ergänzte sie gute Ratschläge stets mit einer gesunden Portion Sarkasmus) zur Seite gestanden hatte. Doch auch nach den Zeiten der Bladebreakers verließ er sich voll und ganz auf ihre Unterstützung, wenn er an seinen Forschungsprojekten arbeitete und recherchierte. Sie war seine beste Freundin, und immer für ihn da – genau wie Tyson. „Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn, Dizzi.“ „Ich weiß, Chef. Aber ich bin mir sicher, er wird da sein – wie immer zu spät, wie immer unpassend gekleidet, aber da.“ Mit einem schiefen Lächeln setzte sich Kenny wieder auf. „Vermutlich hast du Recht, und ich mache mir einfach wieder zu viele Gedanken.“ „Natürlich habe ich Recht! Und jetzt komm zurück zu deiner Arbeit, meine Tasten werden schon ganz kalt, wenn du nicht mit deinen starken Händen auf ihnen tippst.“ „Dizzi!“, empört schnappte Kenny nach Luft, und wieder begannen seine Wangen zu glühen. „Was denn? Auch eine Frau hat eben ihre Bedürfnisse. Nicht, dass mir dieser enge Aluminiumrahmen die Chance ließe, ihnen nachzukommen.“ Während sich Kenny (dessen Gesicht inzwischen tiefrot leuchtete) noch stotternd um eine Antwort bemühte, begann Dizzi bereits damit, einige Aufsätze und Zeitungsartikel aus diversen Online-Archiven zu laden. „Deine Forschungsarbeit schreibt sich nicht von alleine, junger Mann, und ich schreibe sie dir schon gar nicht. Es ist schon schlimm genug, dass ich dir dabei helfe.“ - 25. März, Moskau – Mühelos verschmolz er mit den Schatten der Gebäude, die die enge Straße säumten. Schnee knirschte unter seinen Schuhen, wo niemand sich die Mühe gemacht hatte, ihn beiseite zu schaffen, und setzte sich am Saum seines langen Mantels fest. Diese Gegend der Stadt war heruntergekommen und verlassen; die Menschen, die man hier in den dunklen Gassen beobachten konnte waren allesamt zwielichtige Gestalten, die ihren Unterhalt mit dubiosen Geschäften verdienten. Und genau das machte diesen Ort so perfekt für kritische Transaktionen: unter all den verdächtigen Deals fielen einige mehr oder weniger nicht weiter auf. Ein eisiger Windstoß fand seinen Weg durch die Häuser und griff nach seinem Schal, der sich unangenehm eng um seinen Hals legte. Mit einem unwilligen Schnauben zog Kai die Schlingen wieder etwas auf und beschleunigte dann seinen Schritt. Nur weil dieser Ort für seine Geschäfte geeignet war hieß das nicht, dass er länger hier bleiben wollte als unbedingt nötig. Sein Weg führte ihn noch ein ganzes Stück durch verwinkelte Gassen und verbaute Innenhöfe, bis er schließlich zu einem leer stehenden Haus kam, dessen Dach in diesem Winter unter der Schneelast teilweise eingestürzt war. Die Fenster waren vernagelt, die Wände mit unflätigen Graffitis beschmiert. Er bedachte den Schaden mit einem kritischen Blick, ehe er über die Überreste der Eingangstür trat, die morsch und zersplittert halb unter dem Schnee am Boden begraben lag; jemand hatte sie schon vor langer Zeit aus den Angeln gerissen, und es hatte wohl niemanden gegeben, der den Schaden reparieren wollte – oder konnte. „Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, dass man klopft, bevor man fremde Häuser betritt?“ In der Dunkelheit konnte Kai die Silhouette eines hochgewachsenen Mannes erkennen, der gegen eine der noch intakten Wände im Inneren des Hauses gelehnt stand. Unbeeindruckt hob Kai eine Augenbraue, ging in die Hocke und klopfte auf das durchweichte Stück Holz, auf dem er gerade stand, dann richtete er sich wieder auf und ging zu dem Mann, der ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Respekt ansah. „Du hast eben immer die richtige Antwort auf alles, Hiwatari.“ Die Stimme seines Gegenübers troff geradezu vor Sarkasmus, doch Kai zeigte sich davon unbeeindruckt. „Genau aus diesem Grund bin ich heute da, wo ich stehe – und du nicht.“ Eine kalte Drohung blitze in Kais Augen auf, und der Mann hob abwehrend die Hände. „Schon verstanden. Du bist der Boss, ich bin unwürdig, ich kenne die Geschichte. Verzeih, dass ich dich mit meiner bloßen Existenz belästige.“ Kais Mundwinkel zuckten unmerklich nach oben, als er in Zustimmung knapp nickte. „Du hast es also tatsächlich verstanden – ich hatte die Hoffnung fast aufgegeben. Dennoch hoffe ich, du hast deinen Job erledigt?“ „Wäre ich hier, wenn ich es nicht geschafft hätte?“ Mit düsterer Miene zog der Mann einen Umschlag aus einer Innentasche seines Mantels und reichte ihn an Kai weiter. „Das ist alles, was ich beschaffen konnte, aber ich finde die Sache ziemlich eindeutig. Ich könnte dir jetzt noch davon erzählen, durch welche Strapazen ich mich quälen musste, um dieses Zeug für dich zu sammeln, und wie oft ich mein Leben dabei auf’s Spiel gesetzt habe… Aber dann wiederum weiß ich, dass dich das nicht im Geringsten interessiert.“ „Damit hast du vollkommen Recht“, entgegnete Kai trocken, während er den Umschlag öffnete. Darin befanden sich einige Fotos, sowie sichtbar beschädigte Mikrochips. Konzentriert betrachtete er die Bilder, und mit jedem weiteren schien es ihm, als würde die ohnehin eisige Temperatur noch tiefer fallen. „Es ist also wahr…“ - 27. März, Tokyo – Missmutig blickte Kenny auf den Bildschirm vor sich. Alles, was er noch brauchte, um bei seiner aktuellen Forschungsarbeit über das Transferieren und Freisetzen von Bitbeasts den kritischen Punkt zu überschreiten, waren ein paar genaue Daten über einen speziellen Stein. Nichts großes, nur ein paar simple Messungen – Alter, Energielevel, Zusammensetzung, historische Funktion; wirklich nur ganz grundliegende Dinge. Alles Untersuchungen, die beim Fund eines Steines, in den eindeutig ein Bitbeast gebannt war, selbstverständlich sein sollten. Doch offensichtlich (und entgegen aller Maßstäbe gründlicher archäologischer Arbeit) waren sie das nicht – der Stein war ohne jegliche weitere Prüfung direkt an das Museum of Natural History in New York gegeben worden; es existierten also keinerlei Datensätze über ihn. An sich war das kein Beinbruch; als Angestellter der BBA und aufstrebender Nachwuchs-Wissenschaftler war es keine große Sache, eine Genehmigung einzuholen, die es gestatten würde, den Stein mit einem Forscherteam weiter zu untersuchen. Der einzige Haken bei der Sache: Der Stein war weg. Nein, weg war der falsche Ausdruck: Er war spurlos verschwunden. Keine Hinweise auf Einbrecher, auf Diebe oder korrupte Museumsangestellte – der Stein war einfach nur weg. Und damit auch seine Chance, seine Arbeit in absehbarer Zeit zufriedenstellend abzuschließen. Frustriert scrollte Kenny einige Male über den Zeitungsartikel, den er in seinem Browser geöffnet hatte, ohne ihn wirklich zu lesen; er wusste, was in dem Text stand, denn er hatte ihn in der letzten Stunde mehrmals Wort für Wort durchgearbeitet und recherchiert, in der Hoffnung, dass es sich um einen Fehlbericht handelte, doch mit jedem weiteren Klick, mit jeder weiteren Quelle hatte sich die grausame Wahrheit bestätigt: Die gesamte Forschung der letzten Monate lag ab sofort auf Eis. „Das war’s dann wohl, Dizzi. Bevor dieser Stein nicht wieder auftaucht hat es keinen Zweck, weiter zu machen.“ „Kopf hoch, Chef; ich bin mir sicher, der Stein taucht wieder auf – oder sie finden einen neuen. Inzwischen ist es ja wahrscheinlicher, auf ein Bitbeast zu treffen, als bei einem Preisausschreiben zu gewinnen.“ „Vielleicht auf ein freies Bitbeast, ja. Aber versiegelte Bitbeasts sind dafür umso seltener geworden!“ „Was deine Forschungsarbeit übrigens auch umso sinnloser macht.“ Missmutig blickte Kenny auf Dizzis Statusanzeige, dann begann er damit, die verschiedenen Browser-Fenster mit Aufsätzen und Zeitungsartikeln zu schließen; es war schon spät, und hatte ohnehin keinen Sinn mehr, noch weiter nach Details des Museumsraubes zu suchen. „Du weißt, dass ich diese Arbeit nicht schreibe, um damit groß heraus zu kommen. Mit diesem Stein hätte ich vielleicht endlich den Weg gefunden, dich zu befreien!“ „Ich fühle mich sehr geehrt, Chef, dass du mir eine ganze Forschungsarbeit widmest; aber ich bin nun schon lange genug hier drin, dass es auf ein paar Wochen mehr oder weniger nicht ankommt. Außerdem habe ich erst neu tapeziert – es wäre doch schade, wenn das alles umsonst gewesen wäre, wenn du mich all zu bald hier raus holen würdest.“ Ein schwaches Lächeln schlich sich auf Kennys Gesicht, während er auch das Programm mit seinen bisherigen Erkenntnissen beendete. „Immerhin lässt sich eine von uns beiden von diesem Rückschlag nicht unterkriegen. Ich wollte trotzdem, ich könnte dir schon jetzt helfen.“ Sanft strich Kenny über das Gehäuse seines Laptops, und Dizzi kicherte leise. „Bitte, Chef, du machst mich ja ganz verlegen. Außerdem lässt dir diese Forschungspause vielleicht ein wenig Zeit, um dich mit dem Störsignal zu befassen, von dem ich dir vor ein paar Wochen erzählt habe. Es ist furchtbar anstrengend, dir die richtigen Aufsätze heraus zu suchen, wenn man die ganze Zeit gegen den Strom arbeiten muss – meine Schaltkreise sind schon ganz überspannt!“ Theatralisch seufzte Dizzi auf, und Kenny schüttelte den Kopf. „Du weißt selbst, dass ich schon nach möglichen Ursachen für die Störung gesucht habe und nichts dabei heraus kam.“ „Nur weil du noch keinen Fehler gefunden hast heißt das nicht, dass da keiner ist. Aber natürlich ist dir das egal – du hast ja auch nicht mit diesen schrecklichen Kopfschmerzen zu kämpfen!“ „Kannst du überhaupt Kopfschmerzen bekommen? Immerhin hast du keinen Kopf“, bemerkte Kenny amüsiert und warf dann einen Blick auf die Uhr. „Aber wenn es dich so belastet, dann werde ich mich gleich morgen noch einmal damit befassen – heute ist es eindeutig zu spät dafür.“ „Ich werde dich daran erinnern, Chef. Bis dahin werde ich auch meine Subroutinen etwas schonen. Gute Nacht.“ Noch bevor Kenny antworten konnte, hatte Dizzi ihr Programm beendet, und mit einem gemurmelten „Gute Nacht“ schloss Kenny den Laptop, bevor er sich seiner Kleidung entledigte und in sein Bett stieg. Bitbeasts waren faszinierende Geschöpfe – so viel älter, so viel intelligenter als Menschen, und dennoch bereit, ihnen stets zu helfen, mit Fähigkeiten und Gaben, die das Begreifen und den Verstand eines einfachen Mannes bei Weitem zu übersteigen schienen (er wollte es nicht Magie nennen, doch wenn es um Bitbeasts ging, waren definitiv wundersame Mächte am Werk). Mit einem langgezogenen Gähnen schaltete Kenny das Licht aus und überprüfte ein letztes Mal die Weckzeit auf seinem Smartphone, bevor er sich schlafen legte. Tyson hatte immer noch nicht geantwortet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)