Der erste Eindruck zählt... oder auch nicht?
Sonntag, 03.02., Jahr des Affen
~ Deren ~
Mit skeptischem Blick sah ich mich um, schob meine Brille hoch - die mir ein wenig von der Nase gerutscht war -, umfasste sowohl den Griff meines Rucksackes, als auch den meines Koffers fester und achtete penibel darauf, dass mich keiner dieser Typen anpackte.
Was für Typen fragt ihr?
Diese schwulen Kerle, die sich absofort meine Mitschüler schimpften!
Versteht mich nicht falsch, es ist nicht so, dass ich homophob bin - immerhin sind meine Adoptiveltern schwul und ich mag sie sehr! -, aber von so vielen Jungen umgeben zu sein, die alle homosexuell waren.. da wurde mir dann doch etwas mulmig zu mute.
Leicht stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um auf die Aushängetafel blicken zu können.
Irgendwo müsste dort mein Name stehen.
Erst einmal musste ich wissen, in welchem Zimmer ich eingeteilt war.
Die Klasse war mir vorerst schnuppe.
Sobald es hier ruhiger wäre, könnte ich ohne Bedenken nachgucken.
Ich ließ meinen Blick schnell über die Namen huschen und - siehe da! - bereits beim vieren Zimmer stand 'Fushin Deren', beziehungsweise im 64., da die Zimmer 1-60 noch renovierungsbedürftig waren, wie ich aus einem Gespräch neben mir erlauscht hatte.
Zufrieden darüber, dass ich endlich wusste, dass ich in die zweite Etage und in das Zimmer Nummer 64 musste, kämpfte ich mir den Weg zum Treppenhaus frei, wobei ich nicht nur ein paar Jungs den Ellenbogen in die Seite rammte.
War ja nicht mein Problem, wenn die mir vor der Latichte rumsprangen.
Als ich dann endlich vor den Treppenstufen stand, hatte ich um mich herum wieder etwas Freiraum und konnte so schnell hoch laufen.
Vor der Richtigen Tür angekommen stieß ich sie auf und verfrachtete meinen Koffer, sowie meinen Rucksack einfach auf dem Boden neben dem Bett ganz hinten - das Einzelbett!
Nie im Leben würde ich mich freiwillig zu einem der beiden Hochbetten einordnen.
Viiiiel zu nahe bei einem anderen Kerl!
Als ich mich seufzend auf das zum Glück bereits bezogene Bett fallen ließ, bemerkte ich einen blonden Jungen, der schräg gegenüber von mir oben auf einem der genannten Hochbetten hockte und breit grinste.
"Yo, hi!", grüßte er mich, dabei die Hand hebend, ehe er herunter sprang, strauchelte und knapp vor mir zum Stehen kam.
"Ich bin Zenshin Lin! Nenn' mich ruhig beim Vornamen, ich mag meinen Nachnamen nicht so!", hielt er mir seine linke Hand hin.
Leicht verdattert sah ich ihn an.
".. Hi. Ich bin Fushin Deren.", erwiderte ich dann doch, alles andere wäre unhöflich gewesen.
Aber die Hand reichte ich ihm nicht.
Selbst Schuld, man reichte einem eben nicht die Linke.
~ Lin ~
Mir entwich ein Lachen.
"Chu~ Fushin-kun also, ja?"
Ich senkte meine Hand wieder und vergrub sie dann in meiner Hosentasche.
Warum ich ihm die linke Hand hingehalten habe?
Nun, ich bin Linkshänder!
Rechtshänder geben sich die Rechte, da halte ich nun mal die Linke hin.
Wer damit nicht klar kam, der kam es eben nicht.
Großartig stören tat mich das nicht.
Ich pustete mir einige Strähnen aus dem Gesicht, setzte mich mit zu Fushin-kun auf das Bett und rieb mir dann über den Knöchel.
"Huh, ich glaub, den hab ich mir eben angeknackst."
Das konnte auch nur mir passieren.
Dann sah ich wieder zu Fushin-kun, der mich etwas genervt, aber auch abweisend ansah.
"Heh, sag bloß, ich bin dir zu nahe?", fragte ich ihn mit kichernden Unterton.
Da kann ich nichts für - ehrlich! -, ich bin halt selten ernst.
Dafür forderte es bestimmte Situationen..
Breit grinsend, so wie immer eben, hob ich die Hand und wuschelte durch seine schwarzen Haare, ehe ich mich mit einem Ruck erhob, das leichte Pochen mit einem Lachen verdrängte und wieder nach oben auf mein Bett kletterte, um mich dort hin zu setzen und meine Beine von der Seite aus runter baumeln zu lassen.
"Sag mal, wie alt-", begann ich zu fragen, aber in dem Moment ging die Tür auf und ein kleiner Junge, wohl gerade mal 1,50 groß, betrat den Raum.
Hatte der sich in der Schule geirrt?
Hier ist doch die Oberstufe!
Oder war ich etwa falsch?
Innerlich schüttelte ich den Kopf.
Kann nicht sein, meine Mutter hatte mich hier raus geschmissen und sie hatte sich bis jetzt noch nie geirrt!
Also sprang ich wieder vom Bett runter, legte eine halbe Bruchlandung hin und knuddelte dann gleich mal den kleinen Bengel.
"Hey Kleiner! Hast du dich verlaufen?"
~ André ~
Kleiner? Verlaufen?
Mein Mundwinkel zuckte leicht und ich wandte mich aus der stürmischen Umarmung.
"Nicht, das ich wüsste."
Zuerst musterte ich das Blondchen vor mir, dann den mich ebenfalls musteren Schwarzhaarigen hinten in der Ecke.
"Aber sag du mir doch, ob ich hier richtig bin."
Dem Grünäugigen vor mir entwich ein herzhaftes Lachen, das mich fast ansteckte.
"Hahaha.. na ja.. wir sind hier im Danseidōseiaisha-Internat, Etage 2, Zimmer 64. Gehörst du hier her?"
Ein Nicken meinerseits.
"Allerdings. Ich bin Kowarawa André."
"Uh! Ein André! Endlich mal ein nicht typisch japanischer Name! Deine Eltern sind mir jetzt schon sympatisch!"
Und wieder wurde ich in eine Umarmung gezerrt.
Genervt verdrehte ich die Augen.
"Ja ja, schön und gut, aber lass mich jetzt los du Klette.", murrte ich leise und zog dann mein Gepäck von der Tür weg.
Nicht, dass noch einer darüber flog.
"Sag mal, wie alt bist du eigentlich, Kowa-kun? 13? Oder schon 14?", fragte meine gerade 'ersteigerte', lebendige Klette.
Ein leises Zischen entwich mir.
"Ich bin 17."
Dann war er still.
Bedauerlicherweise nur kurz.
"Waaaas?! Aber dann bist du ja älter als ich?!", stieß er hervor.
"Wird dann wohl so sein..", murmelte ich und setzte mich auf ein Bett, dass noch frei zu sen schien.
Wenn nicht, dann würde man mich wohl noch verjagen.
"Huh! Wie goldig! Ein kleinerer Sempai!", lachte der Blonde.
Ich sah wieder zu dem Anderen im Raum rüber, der aus dem Fenster sah, als wenn dort irgendwas Interessantes zu sehen wäre.
Gut, von meinem Platz aus konnte ich das nicht beurteilen, dennoch bezweifelte ich es.
"Also ich heiße jedenfalls Zenshin Lin! Aber sag einfach Lin! Und das dort ist Fushin-kun."
Ich nickte nur und blickte dann zur Tür rüber, die in dem Moment mit einem leises Knarzen aufging.
~ Nato ~
Unsicher blickte ich in den Raum hinein, ehe ich zuerst mein Gepäck und dann mich selber durch den kleinen Spalt zwängte, die Tür hatte ich immerhin nicht richtig geöffnet.
Das traute ich mich nicht so ganz, wer wusste schon, wie die Anderen im Raum darauf reagieren würden, wenn da plötzlich einer reingepoltert käme.
Verhindern konnte ich dies dann leider doch nicht, da ich von hinten angestoßen wurde.
"Jetzt beweg deinen Arsch und geh da rein!", keifte mich jemand von hinten an.
erschrocken stolperte ich zur Seite, meine Sachen waren zu Boden gefallen und bei meinem Glück war natürlich auch noch mein Koffer aufgesprungen!
Ich hätte doch weniger einpacken sollen, erst mal.. oder mehr Taschen mitnehmen sollen..
Doch jetzt war es zu spät.
"'T-tschuldige.. wollte nicht im Weg sein..", nuschelte ich und kramte meine Sachen schnell zusammen, um sie in eine Ecke zu verfrachten.
Der unfreundliche Schwarzhaarige schnaubte nur und stapfte an mir vorbei.
Na da hatte ich ja direkt einen netten Zimmermitbewohner erwischt.
Hoffentlich waren die Anderen freundlicher.
Still seufzend sah ich von meinen Sachen hoch und kreischte auf, als plötzlich jemand vor mir stand.
"Hey, hey, sachte!", lachte er und hob abwehrend die Hände.
"Ich wollte bloß fragen, ob du Hilfe brauchst? Ich bin Zenshin Lin, aber tu dir keinen Zwang an und nenn' mich einfach Lin.", stahlte er mich an und ich kam nicht drum herum, auch zu lächeln.
"A-ah, schon gut. Ich bin Hedatari Nato.. a-aber wenn du magst.. also, dann darfst du mich auch ruhig Nato nennen.."
Er kicherte.
"Oh, gerne, Nato-kun!"
Er hielt mir die linke Hand hin.
Kurz blinzelte ich verwirrt, reichte ihm aber schließlich meine linke Hand und ließ sie von ihm kurz drücken.
Der Blonde jauchzte dabei glücklich und zog mich in eine Umarmung.
~ Jack ~
Meinen Koffer schmiss ich ohne große Vorsicht einfach auf den Boden - endlich war ich das Teil los! - und setzte mich auf das letzte freie Bett unten.
Sollte diese Heulsuse doch oben schlafen, auf der anderen Seite des Raumes.
Schweigend lauschte ich der männlichen Blondine - Zenshin Lin hieß er also - und merkte mir die anderen Namen, die Zenshin gerade los plapperte.
Der Junge gegenüber von mir hieß Kowarawa und der am Fenster Fushin.
Die kleine Memme hieß Nato, beziehnungsweise Hedatari, denn ich bezweifelte, dass ich ihn mit Vornamen ansprechen durfte.
Dann stand Zenshin vor mir und beäugte mich.
Seine grünen Augen strahlten dabei mit seinem Lächeln um die Wette.
Exender Typ, wie ich bereits jetzt fest stellte.
"Und wie heißt du?"
"Kōsai.", brummte ich und wandte den Kopf von ihm ab.
"Aha. Und dein Vorname? Nicht, dass ich dich so anspreche, das mache ich ja nur, wenn du es mir erlaubst, aber nur so aus dem Interesse her!"
"Jack.", gab ich preis, aber nur, damit er mich in Ruhe ließ.
"Aha! Okay, Kōsai-kun!"
Ich murrte nur wieder.
"Nerv wen anders."
"Gleich, aber vorher wollte ich noch mal ein paar Sätze mit dir wechseln."
"Sagt man nicht 'ein paar Worte'?"
".. Hm.. Mag sein."
Er lachte.
"Aber ich wollte dir nur mal ans Herz legen, etwas freundlicher zu Nato-kun zu sein. Und natürlich auch zu uns Anderen! Immerhin sind wir ab heute alle Freunde!"
Aha.. na, da wusste er mehr als ich.
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ich hoffe, es hat euch gefallen x3