above and beyond von Raija ================================================================================ Kapitel 3: Moment der Wahrheit ------------------------------ „Wieso mussten Madara und Izuna euch zur Hilfe eilen, wobei ihr in einer Gruppe zusammen unterwegs wart?", erklang die energische Stimme meines Vaters. Ich stellte mir vor, wie er einen Ellenbogen auf den Tisch aufsetzte und sich vorn über in meine Richtung beugte. „Wir", setzte ich an, unterbrach mich jedoch, um mir meine nächsten Worte durch den Kopf gehen zu lassen. Noch immer herrschte absolute Ruhe, denn keiner getraute sich einen Murks. „Ich wurde im Kampf am Bein verletzt. Da wir deswegen nur sehr langsam voran kamen, hatte Takeru die anderen voraus geschickt. Als wir zu zweit waren wurden wir überrascht", fasste ich die Ereignisse kurz zusammen. „Und Takeru?", hakte er weiter nach. Ich zuckte nur mit den Schultern. Ich konnte es ihm einfach nicht sagen. Er würde mich nur noch mehr hassen. „Sprich schon!", forderte mein Vater laut. Seine hörbare Wut löste einen heftigen Schmerz an meiner rechten Schläfe aus, weshalb ich aufstöhnte und an eben diese Stelle fasste. „Ich denke, die Strapazen der letzten Tage steckst du doch nicht so gut weg, wie von dir gefordert wird", lenkte Izuna ein und war sofort an meiner Seite. Eine Hand legte er auf meinen Rücken, während er mit der anderen nach meiner Griff, die an meinem Kopf lag. Verwundert wandte ich ihm das Gesicht zu. Irgendwo freute ich mich über seine Besorgnis, denn diese zeigte mir deutlich, dass ich ihm nicht egal war. Am meisten verwirrte mich allerdings die Tatsache, dass mein Vater keine Einwände hervorbrachte. Fühlte er sich durch Izunas Aussage zurechtgewiesen oder beleidigt? Zögernd nickte ich, woraufhin ich auf die Beine gezogen wurde. „Ich bringe dich auf dein Zimmer. Du solltest dich noch ein wenig schonen", erklärte er ruhig. „Danke für die Einladung", ertönte die Stimme Madaras und den Geräuschen nach zu urteilen erhob er sich ebenfalls. „Immer wieder gern", erwiderte meine Mutter noch, bevor ich von den Zweien aus dem Raum geschoben wurde. Izunas warme Hand hielt die meine, während er uns zu meinem Zimmer führte. „Du kennst dich ja bestens aus", stellte Madara hinter mir fest, als wir eben dieses betraten. „Weil ich eben viel Zeit mit Kaya verbracht habe, wenn ich nicht mit dir zusammen war, mein lieber Bruder." Madara entfuhr ein kurzes tiefes Lachen, welches mich elektrisierte. Die feinen Härchen auf Unterarmen und Nacken stellten sich auf. Gleichzeitig lief ein angenehmer Schauer über meinen Rücken. „Na dann", fügte er hinzu. Dachte er etwa, dass mehr dahinter steckte? Es hörte sich zumindest danach an. Ich spürte, wie meine Wangen begannen zu glühen. Wahrscheinlich war ich knallrot angelaufen. Verlegen verdeckte ich eine Wange mit der freien Hand. Plötzlich verspürte ich Druck auf meinen Schultern. „Setz dich", wurde ich aufgefordert und ich ließ mich auf den Boden sinken. „Ist dein Vater immer so schräg drauf?", hörte ich Madara fragen. „Ja", antworteten Izuna und ich im Chor. Ein Kichern konnte ich mir nicht verkneifen und hätte ich in diesem Moment nicht den Verband um die Augen getragen, so hätte ich auch Izuna lächeln gesehen. Seit Kindertagen waren wir schon Freunde und Izuna hatte seit dem schon einige Launen meines Vaters mitbekommen. Takeru war schon immer sein Schatz gewesen und ich wäre wohl besser ein Junge geworden, dann hätte ich es bestimmt nicht so schwer mit ihm. Nur konnte ich nicht ändern was ich war. Izuna hatte deswegen schon einige meiner Tränen getrocknet. Madara kannte ich durch seinen Bruder. Wir hatten nicht viel miteinander zu tun, dennoch konnte ich nicht umhin zu mögen. Vielleicht lag das auch an Izunas Erzählungen, denn er sprach gerne und voller Bewunderung von seinem großen Bruder. Ich lauschte auf die Geräusche, die der Ältere verursachte und schätzte, dass er vor meinem Bücherregal stehen musste. Es war das erste Mal, dass Madara in meinen Zimmer war und sehr wahrscheinlich nahm er nun alles unter die Lupe. Noch immer hielt Izuna meine Hand in seiner und drückte sie leicht, was meine Aufmerksamkeit auf ihn lenkte. „Erzähl mir von deinem Kummer und leugne es nicht, denn ich sehe wie du dich quälst", sprach seine sanfte Stimme. „Ich weiß nicht, ob ich darüber reden möchte." „Bah, Frauen", warf Madara abschätzig ein. „Ignoriere ihn einfach", riet Izuna, als wäre das das Normalste der Welt. Geschlagen atmete ich einmal tief durch. „Im Moment kann ich einfach keinen klaren Gedanken fassten, dann tauchen ständige diese Bilder in meinem Kopf auf, die ich nicht einzuordnen weiß und ich bin nur noch wütend, aber weiß nicht auf wen. Auf mich, auf meinen Vater, auf die Senju? Ich hasse sie derzeit alle! Am meisten mich selbst", gab ich zu und konnte es nicht verhindern, dass sich einige Tränen ihren Weg über meine Wangen bahnten. Vorsichtig strich ein Finger die Tränen weg. „Weine doch nicht", sagte Izuna zärtlich. „Du bist eine ganz schöne Heulsuse, was?", meldete Madara sich erneut zu Wort. „Madara", knurrte sein Bruder. „Schon gut, er hat ja recht", beschwichtigte ich ihn. „Wechselst du mir bitte den Verband?" Behutsam löste Izuna den Knoten, wodurch der Stoff sich lockerte und hinunter rutschte. Es kam mit vor, als traute er sich nicht mich richtig anzufassen, so sachte wie er vorging. „Ich bin nicht aus Zucker", lachte ich auf. Vor meinem geistigen Auge sah ich sein verdutzen Gesichtsausdruck, was mich noch weiter lachen ließ. „Euch Weiber soll einer mal verstehen. Erst heult ihr und dann macht ihr euch vor Lachen fast in die Hose", hörte ich Madara sagen. Izuna brummte zustimmend, kniff mir dabei jedoch zärtlich in den Oberarm. Der Verband war nun vollends entfernt und ich konnte schon fast spüren, wie sie mein Gesicht musterten. Zärtlich fuhren Izunas Fingerspitzen über mein linkes Jochbein. Ich stellte mir die Schwellungen, Blutergüsse und vernähten Wunden vor. Einen schrecklichen Anblick musste ich darbieten, also senkte ich den Kopf ein wenig, wodurch einzelne Haarsträhnen mir ins Gesicht fielen. „Wie lange musst du den Verband noch tragen?“, wollte er wissen. „Zehn Tage.“ „Werden die Narben auch verschwinden?“ „Wenn ich Glück habe, ja.“ „Das hast du in der Regel nicht“, scherzte Izuna. Als Antwort wollte ich ihn auf den Oberarm boxen, doch da ich blind war, konnte ich nicht zielen und traf ihn mitten auf der Brust. Erschrocken stieß er die Luft aus. „Hey“, beschwerte er sich, wobei er sich die getroffene Stelle rieb. „Anscheinend schon“, berichtige Madara seinen Bruder. Seine Stimme klang diesmal näher, vermutlich stand er direkt neben mir. „Und du möchtest mir wirklich nichts sagen?“, hackte der Jüngere erneut nach, während er mir die Augen verband. Zu gerne würde ich dir alles erzählen, dachte ich, verneinte aber auf seine Frage. Ich konnte es einfach nicht. Mit dem Versprechen mich am nächsten Tag auf einen Spaziergang auszuführen, verabschiedete Izuna sich und verließ zusammen mit seinem Bruder mein Zimmer. Sie hinterließen eine unangenehme Stille und das Gefühl von Einsamkeit. Allerdings störte es mich nicht unbedingt in diesem Moment ohne Gesellschaft zu sein, sondern kam ich mir mit meinen Schwierigkeiten allein gelassen vor. Zwar wollte ich nicht darüber reden, doch waren diese Probleme für den Augenblick, an dem die Beiden anwesend waren, wie vergessen gewesen, obwohl sie die ganze Zeit zugegen waren. Betrübt ließ ich den Kopf hängen. „Ich habe meinen Bruder umgebracht“, flüsterte ich die Worte, die auszusprechen vermochte. „Was hast du da gesagt?“, vernahm ich die erstickte Stimme meiner Mutter. Geschockt fuhr ich zu ihr um. „Mutter!“ Schon hörte ich ihre nackten Füße klatschend davonrennen. Panik durchströmte meinen Körper und lahmte mich, machte mich bewegungsunfähig. Jetzt werden sie mich umbringen, war das Einzige, was mir durch den Kopf ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)