Von meiner wahren Liebe von Phoenix_Michie (Fortsetzung zu 'Von unserer Scherbenwelt') ================================================================================ Kapitel 4: Von Geständnissen am Tempel, schmerzhaften Gebeten und einer irren Ex-Frau ------------------------------------------------------------------------------------- Die restliche Woche verlief ereignislos. Satsuki überraschte mich nicht noch einmal mit einem Kuss. Einerseits war ich erleichtert, so musste ich mich nicht peinlichen Gesprächen sowie einem schlechten Gewissen gegenüber Karyu stellen, andererseits war ich ein wenig enttäuscht. Ich mochte Satsuki ja, und es gab schlimmeres, als sich von ihm küssen zu lassen. Ich würde noch eine Weile mit diesem Zwiespalt leben müssen. Nach der ersten Woche hatten wir zwei Tage frei und überlegten uns am Abend davor, wie wir die Zeit verbringen wollten. Satsuki sprach sich für ein Picknick an dem Tempel aus, den wir einige Tage zuvor entdeckt hatten. "Ist das aber nicht etwas kalt dafür?", äußerte ich vorsichtig meine Bedenken. Doch Satsuki lächelte mich unbekümmert an. "Wir nehmen uns eine Picknickdecke mit....und eine Decke, in die wir uns kuscheln können. Und warm genug anziehen sollten wir uns. Oh!", fügte er dann hinzu, "und wir packen eine Thermosflasche ein...mit Tee oder Kaffee, was denkst du?" Verwirrt hielt ich einen Augenblick inne. "Tee passt besser glaube ich...aber...wo willst du das alles herbekommen? Oder hast du Decken und Thermosflaschen mit eingepackt?", erkundigte ich mich und sah ihn fragend an. Grinsend erwiderte er meinen Blick. "Also ich hab tatsächlich eine Thermosflasche dabei. Was die Decken und das Essen angeht, das müssen wir noch kaufen. Aber ein paar Straßen weiter gibt es einen Laden, in dem wir sowas günstig bekommen sollten. Mach dir keinen Kopf." Er war von der Idee nicht mehr abzubringen. Wäre Sommer gewesen, hätte ich es sofort gemacht, aber das war es eben nicht, daher hatte ich so meine Zweifel. Aber er sprach ganz unbesorgt vom dem kleinen Ausflug und je mehr ich darüber dachte, umso geringer wurden meine Bedenken. "Na schön", willigte ich schließlich ein, während ich mich auf den Bauch rollte und den Kopf auf die Handflächen stützte. Ich lächelte ihn leicht an und er legte sich neben mich, sodass wir in aller Ruhe den Tag planen konnten. ==== Ich gähnte. "Ich werde in mein Zimmer gehen." "Du kannst doch hier bei mir schlafen." Ich zögerte für einen Moment, dann schüttelte ich den Kopf. "Nein, da kann ich nicht ausschlafen. Du schlägst mich im Schlaf wieder nur und dann lieg ich schon um 6 wach. Das ist ja unter der Woche ganz hilfreich, aber jetzt nicht." Bei dieser Aussage fielen ihm was die Augen raus. "Ich schlage nicht um mich!" Das tat er tatsächlich nicht. Eher im Gegenteil: er kam immer näher gerutscht und schien im Schlaf kuscheln zu wollen. Ich war mir nicht sicher, ob das wirklich geschah, während er schlief, oder ob er nur so tat und sich ganz absichtlich an mich heran schmiegte. Wenn ich ehrlich war, wollte ich seine Nähe ja. Ich lächelte ihn nur etwas unbeholfen an, anstatt etwas zu erwidern. Mir fiel auch nicht wirklich etwas ein. Ich wollte ihn nicht weiter anlügen, denn genau das war es, was ich eben getan hatte. Fragend sah er mich an, dann fiel das Lächeln von meinen Lippen. "Na meinetwegen. Dann schlafe ich eben hier. Aber wenn du mich nur ein Mal trittst oder schlägst, und wenn das auch nur im Schlaf ist, dann gehe ich", stellte ich klar, bevor ich aufstand und mir das Sweatshirt über den Kopf zog. Satsuki grinste nur zufrieden und hob eine Schulter. "Ich sage ja, ich mache sowas nicht im Schlaf. Ich bin ein ruhiger Schläfer. Meistens… Bisher ist es nur ein Mal vorgekommen, dass ich im Schlaf aus Versehen jemanden getreten haben soll." Ich gab nur ein unverbindliches Brummen von mir, während ich meine Jeans auch auszog. Das musste reichen. Nachdenklich sah Satsuki zu seinem Handy auf dem Nachttisch, dann schenkte er mir ein hinreißendes Lächeln und schlüpfte gleichzeitig mit mir unter die Bettdecke, bevor er das Licht löschte. Ich drehte mich auf die Seite, mit dem Rücken zu ihm, und machte es mir gemütlich, hörte Satsuki gähnen. "Schlaf gut." "Du auch", murmelte ich und starrte eine Weile ins Dunkel. Das Bett bewegte sich leicht, die Bettdecke raschelte nochmals, dann kam auch Satsuki zur Ruhe. Ich schloss die Augen und versuchte, einzuschlafen. Irgendetwas machte mich nervös, aber ich konnte nicht ausmachen, was es war. Es war ein unterschwelliges Gefühl. Ich versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken, und da Satsuki ruhig liegen blieb, kaum hörbar atmete, schaffe ich es wenig später auch, ins Traumland hinüber zu gleiten. Mein letzter Gedanke galt der inständigen Hoffnung, nicht wieder so einen Spezi-Traum von Satsuki zu haben, den ich zuerst für Karyu hielt... ================== Stöhnend hob ich mich den weichen Lippen entgegen, die sich gerade verspielt um meine rechte Brustwarze legten. Eine feuchte Zunge leckte neckisch darüber. Verzweifelt hob ich das Becken an, in dem kläglichen Versuch, mich an dem warmen Körper über mir zu reiben, um meiner Erregung etwas Linderung zu verschaffen. Aber es wurde mir verwehrt, ich hing halb in der Luft mit dem Po. Ein leises Lachen ließ mich die Augen öffnen. Mit einem Grinsen sah mir Satsuki entgegen, hatte die Lippen von meinem Oberkörper gelöst. Doch er war es nicht, der lachte. Verwirrt blickte ich auf und zuckte zusammen, stützte mich mit den Unterarmen auf dem Bett ab. Unweit von uns stand Karyu an die Zimmertür gelehnt und lächelte mir wissend und unbekümmert entgegen. Flüchtig glitt mein Blick über ihn, hängen blieb er an der deutlichen Beule in seiner Hose. Langsam kam Karyu auf uns zu. "Habt ihr noch ein Plätzchen frei für mich...?" "Hahh!" Mit einem Ruck saß ich im Bett und blinzelte. Es war dunkel in dem Zimmer. Hektisch sah ich mich um. Satsuki schien noch neben mir zu liegen und zu schlafen. Gerade, als ich laut und erleichtert ausatmete, dass ich nur geträumt hatte, regte er sich. "Wieder n Albtraum...?", erkundigte er sich verschlafen, woraufhin ich zögerte und ins Dunkle starrte. "Mh...ich glaube schon", murmelte ich und schlug die Bettdecke beiseite. Karyu und Satsuki in einem Raum?! Vor allem in einem Sextraum?! Was sagte das über mich aus..? "Wo willst'n hin..?" "Ich muss pinkeln", erwiderte ich leise und etwas unwillig, während ich aus dem Bett kletterte und ins Badezimmer ging. Ich musste nicht wirklich aufs Klo, aber wo ich schon mal daneben stand, konnte ich es auch benutzen. Nachdenklich verrichtete ich mein Geschäft, wusch mir danach die Hände und spritzte mir etwas von dem Wasser ins Gesicht. Was sollte das nur? Mein Leben war offenbar nicht aufregend und kompliziert genug, jetzt musste ich auch noch merkwürdige Träume bekommen. Da war Satsuki mitschuld. Seit er mich geküsst hatte, war ich sowieso total durcheinander. Ich verstand nur nicht, was jetzt auch noch Karyu in meinen Träumen mit Satsuki zu suchen hatte - ein Kerl reichte vollkommen aus. Seufzend starrte ich mein Spiegelbild an. Egal, wie sehr ich auch darüber nachdenken würde, ich würde mich nicht besser fühlen. Das einzige was helfen würde, wäre, zu wissen woran ich bei Satsuki war. Aber ihn zu fragen um das zu erfahren, traute ich mich nicht. Ich folterte mich selbst. Ich war so feige... Die Angst vor Zurückweisung war schon immer groß gewesen bei mir. Ich schüttelte den Kopf, um ihn frei zu bekommen, dann kehrte ich zurück und schlüpfte zu Satsuki unter die Decke. "Alles okay?" Überrascht sah ich seine schemenhafte Gestalt an. Ich hatte erwartet, dass er wieder eingeschlafen war. "Ja...alles gut. Schlaf weiter", sagte ich möglichst gut gelaunt und kuschelte mich ins Bettzeug. Es roch nicht mehr wirklich anonym nach Hotel, sondern schon erkennbar nach Satsuki. Das war angenehm. Ich beobachtete ihn noch für ein paar Sekunden, auch wenn ich nicht viel erkannte. Langsam wurden meine Lider schwer und ich gab nach, schlief schnell ein. Den Rest der Nacht träumte ich nichts mehr. Satsukis nachdenklichen Blick auf mir spürte ich gar nicht mehr. ==================== "Uff.." Leise ächzend blieb ich vor den Steinstufen stehen, die hoch zum Tempel führten. Den Fakt, dass es unzählig viele Stufen waren, hatte ich allerdings verdrängt. Wie sollte ich da jetzt mit Gepäck im Schlepptau hoch kommen? Leidend sah ich zu Satsuki. "Wir wollen da nicht wirklich hoch oder? wir finden auch einen anderen Ort...die Sonne wird eh schon weg sein, bis ich da oben bin..." Doch er schüttelte unbarmherzig den Kopf. "Komm schon, beim letzten Mal hast du es auch geschafft. Die Sonne geht erst in einer Stunde unter, das schaffen wir locker und können uns das von da oben anschauen." Er lächelte mich aufmunternd an und begann, die endlos lange Treppe hochzugehen. Seufzend schulterte ich meinen Rucksack mit der Picknickdecke dran befestigt, dann folgte ich ihm. Ich sollte mich nicht beschweren, das Wetter war für unseren Ausflug gut, und vor allem waren die temperaturen angenehm. Noch zumindest. Wer wusste, wie das aussah, sobald die Sonne hinter den Horizont gesunken war... Schnaufend erklomm ich die Stufen. Ich würde das Picknick sicher schon nach der Hälfte der strecke gebrauchen können, um mich zu stärken und weitergehen zu können.. Aber noch riss ich mich zusammen und jammerte nicht, da ich nicht als totales Weichei vor Satsuki da stehen wollte. Möglicherweise hatte ich bei ihm ja noch einen Ruf zu verlieren. Wieder einmal war er schneller als ich. Seine Kondition übertraf meine bei weitem. Schwer atmend blieb ich nach nur drei, vier Minuten stehen. "Machst du Sport?", rief ich ihm zu, woraufhin auch er anhielt und sich zu mir umdrehte. "Huch...! Wo bleibst du denn? Nimmst du drei Stufen und gehst dann wieder eine rückwärts?", sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen, ignorierte meine Frage, weswegen ich schnaubte. "Ich bin einfach nicht so schnell wie du! Dieses blöde Treppen steigen ist mir zu anstrengend. Ich kann nicht mehr", maulte ich schließlich doch gegen meine Vorsätze. Er seufzte und kam langsam zu mir runter. "Ich mache Sport, ja", antwortete er mir schließlich. "Ich geh zwei Mal in der Woche joggen." Er zuckte mit den Schultern und nahm meinen Arm, nachdem er mich erreicht hatte. "Und nun komm. Weiter. Wir haben es doch fast geschafft." "Ja, die Hälfte haben wir fast geschafft", erwiderte ich und verdrehte die Augen. Ich musste zugeben, wenn ich so neben ihm stand in dem Wissen, dass er Sport machte und ich nicht, fühlte ich mich schlecht. Auf Sport hatte ich aber einfach keine lust vor oder nach der Arbeit. Und am Wochenende wollte ich dann einfach mal wirklich entspannen. Aber wohin das führte, sah man nun: ich wirkte neben Satsuki wie ein untrainiertes Weichei. Und das war ich auch. "Alles in Ordnung? Du bist so still", riss Satsuki mich unvermittelt aus meinen Gedanken. Ich zuckte nur mit den Schultern und versuchte, mir ein Lächeln abzuringen. Was sollte ich auch sagen? Schweigend ließ ich mich von ihm die Stufen hochziehen. Es war eh schon anstrengend, da musste das Reden kürzer kommen. Es waren vielleicht noch zwanzig Stufen vor uns, da musste ich dann wirklich stehen bleiben. Auch satsuki hielt an und ließ mich los. "Was ist?" Ich schüttelte den Kopf und versuchte, durchzuatmen. "Ich kann wirklich nicht mehr... Können wir nicht hier das Picknick machen?" Anstatt ernsthaft auf den Vorschlag einzugehen, lachte er. Ich zog eine Schmollschnute. "Schön, dann geh schon mal vor. Ich brauche jedenfalls eine Pause. Ich komm in fünf Minuten nach..", murmelte ich beleidigt. Er seufzte leise, lächelte mich aber an. Anstatt weiterzugehen, wie ich es vorschlug, setzte er sich auf die Treppe. " Wir ruhen uns zusammen kurz aus." Mir war auch nach Seufzen zumute, aber ich ließ es und nahm neben ihm Platz. Ich schwieg und starrte zum Fuß der Treppe. Immer wieder spürte ich Satsukis Blicke auf mir, aber er fragte nichts, und das wurde mir dann irgendwann zu blöd. "Tut mir leid, dass ich nicht so sportlich bin." Ich hatte den Rucksack und die eingerollte Picknick-Decke abgenommen, spielte nun an irgendeinem Riemen. "Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen." Ich seufzte leise, nachdem ich einen Moment lang geschwiegen und überlegt hatte. "Weißt du, ich bin genauso jämmerlich, wie es den Anschein hat." Unbedacht verließen diese Worte meinen Mund, dabei hatte ich mich eben noch dagegen entschieden, es zu sagen. Aber ich konnte nicht aus meiner Haut. Manchmal sprach ich die Wahrheit einfach aus, auch wenn ich es besser ließ. Und ich wunderte mich ernsthaft noch, warum mich die meisten Menschen für merkwürdig hielten... Ich starrte vor mich ins leere, und satsuki erwiderte für einige Zeit nichts. Jetzt hatte ich sicher meine Chancen bei ihm verspielt. "Du hast ganz schöne Probleme oder?", wollte er schließlich mit ruhiger Stimme wissen, woraufhin ich mit den Schultern zuckte. "Schätze schon." "Hmm...die hat doch jeder. Nur manch einer kann die verbergen. Ich zum Beispiel bin gut darin. Du nicht." Er stand langsam auf. "Lass uns weiter gehen. Es ist gar nicht mehr so viel." Er hielt mir seine Hand hin und lächelte sachte. Ich überlegte, ob ich ihn nun auf seine Probleme ansprechen sollte, denn ja, er schien nicht wirklich welche zu haben. Auf mich wirkte Satsuki, als sei er mit sich im Reinen. Er hatte mir zwar von seinem komplizierten Schwarm erzählt, doch abgesehen davon hatte er sich nie beschwert oder niedergeschlagen gewirkt. Er schien auch keine Minderwertigkeitskomplexe wie ich zu haben. aber vielleicht reichte das komplizierte Verhältnis schon, das er hatte, um genug Probleme zu verursachen. Ich kannte das ja eigentlich auch. Ich ergriff Satsukis Hand und ließ mich hochziehen. Gemeinsam nahmen wir den Rest der Steintreppe in Angriff. Vielleicht würde es einen anderen Zeitpunkt geben um nachzufragen. Möglicherweise schon nachher beim Picknick. Denn jetzt war ich neugierig und da wollte ich das ungern auf morgen oder sonstwann verschieben. Erschöpft betrat ich das Gelände des Tempels. Ich war heilfroh, endlich oben angekommen zu sein. "Noch mal komme ich nicht hier hoch", informierte ich Satsuki gleich, welcher nur lachte. "Ich schau mir den Tempel mal genauer an", sagte er. "Jetzt im Hellen sieht man ihn um einiges besser." Das stimmte allerdings. Als wir den einen Abend hier gewesen waren, war dieser nicht beleuchtet gewesen. Ich folgte ihm zum Tempel. Ein schmaler Pfad gesäumt von Bäumen führte uns hin. Jetzt sahen die Bäume etwas trostlos aus, da die paar Blätter, die sie noch hatten, braun oder rot gefärbt waren. Aber im Sommer musste es hier richtig schön sein. Es war ruhig auf dem Tempelgelände. Wir begegneten niemandem, nicht mal einem Mönch. Nach nur wenigen Minuten standen wir vor dem Tempel. Er musste schon älter sein, vermutlich stand er hier schon viele Jahrzehnte. Das Rot, mit dem ein Großteil des Holzes gestrichen worden war, war verblasst, blätterte teilweise sogar ab. Dennoch war er imposant. Groß, mit vergoldeten Streben. Als Satsuki seinen schweren Rucksack abstellte, senkte ich den Blick wieder und sah fragend zu ihm. "Wo wir schon mal hier sind, können wir doch beten." Verblüfft sah ich zu, wie er zur Gebetsstelle ging. Ich überlegte nicht lange und stellte meinen Rucksack zusammen mit der Decke ebenfalls auf den Boden, bevor ich Satsuki folgte. "Ich hab schon ewig nicht mehr gebetet", murmelte ich leise, woraufhin er leicht nickte und mir zulächelte. Ging ihm wohl auch so. Ich zog am Seil der Glocke und faltete die Hände, schloss automatisch die Augen. Ich hatte gar nicht überlegt, wofür ich beten wollte. Aber lange nachdenken musste ich nicht. Tempel, Schreine, Gebete - das, was religiös war, führte mich sowieso immer zu meinen Eltern. Als sie gestorben waren, hatte ich angefangen zu beten. Jetzt, wo ich um einiges älter war, erinnerte mich diese Handlung viel zu sehr an den schmerzlichen Verlust, dass ich vermied es zu tun. Ich betete ungern, es hatte nichts Tröstliches mehr. Aber ich wollte Satsuki jetzt nicht alleine da stehen lassen. Ich verbeugte mich und trat zurück, nahm meinen Rucksack wieder auf. Schweigend wartete ich auf Satsuki, der etwas länger brauchte, weswegen ich mich nach einem geeigneten Plätzchen für das Picknick umsah. In den Wald wollte ich mich nicht setzen. Da krabbelte vielleicht noch etwas rum... "Hey, wollen wir uns an die Treppe setzen?" Ich schrak zusammen und drehte mich zu Satsuki um. "Schleich dich doch nicht so an...", murmelte ich und hob dann eine Schulter. "Ja, warum nicht..." Er stupste mich lächelnd an. "Alles in Ordnung? An der Treppe haben wir eine gute Aussicht auf die Stadt. Hier am Tempel fände ich es nicht richtig." Ich nickte. Da hatte er recht, also setzte ich mich in Bewegung. "Hab ich was Falsches gesagt?" Ich sah ihn von der Seite an, während wir den Weg zurück gingen. "Nein, wieso?" "Du bist so kurz angebunden...oder bilde ich mir das ein?" Ich rang mir ein gequältes Lächeln ab. "Ist schon gut, du hast nichts gemacht." Ich versuchte zu grinsen. "Ich hab Stimmungsschwankungen." Wieder etwas, was ich besser nicht sagen sollte. Satsuki hob eine Augenbraue und machte nur 'Aha..', während wir oben an der Treppe anhielten. Er wartete sicher darauf, dass ich ihm das jetzt näher erklärte. Schweigend breitete ich aber erstmal die Picknickdecke aus, dann setzten wir uns und ich kramte meine Schachtel Zigaretten hervor. "Du auch?" Fragend hielt ich sie Satsuki, welcher kurz überlegte und dann schulterzuckend eine nahm. "Danke." Ich winkte ab und zündete mir meine Kippe an, dann machte ich das gleiche bei ihm. "Ich hasse beten", sagte ich schließlich, weswegen er mich verwundert ansah. "Warum hast du es dann gemacht?" Ich blinzelte. Das war eine gute Frage. Ich hatte aber eher erwartet, er würde nach dem Grund meiner Abneigung fragen. Ich hob die Schultern. "Ich hab's schon lange nicht mehr gemacht und dachte, es wäre okay... Und ich wollte nicht doof neben dir stehen und dich allein beten lassen", antwortete ich schließlich und nahm einen Zug, stieß den Rauch langsam wieder aus. "Du hast dich also gezwungen gefühlt?" Ich seufzte. "Schätze schon." ich aschte ab und sah ihn von der Seite an. "Mach das nie wieder. Meinetwegen hättest du nicht beten müssen, okay?" Er lächelte mich schief an und schüttelte den Kopf. "Du bist komisch." Meine Alarmglocken schrillten. Das hatte schon mal jemand zu mir gesagt. Warum musste Satsuki mich jetzt an Karyu erinnern...? Ich versuchte, ihn ein bisschen zu vergessen! "Darf ich fragen, warum du beten nicht magst? Einfach so?" Ich schüttelte leicht den Kopf. "Nein, das hat schon seinen Grund..." Ich überlegte, ob ich es ihm erzählen sollte. Mir war es immer unangenehm, über den Tod meiner Eltern zu reden. Meistens kam ich um die Verlegenheit herum, aber ganz selten gab es eben die Momente, wo man es sagen musste. Ich wusste nicht, warum ich so ein Problem damit hatte, darüber zu sprechen. Vielleicht waren es einfach diese simplen Worte. 'Sie sind tot'... Es konnte gut sein, dass diese Aussage nach wie vor schmerzte. dass mir wieder klar wurde, wie allein ich war, und wie ungerecht die Welt war. Ab und an hatte ich mich schon sagen hören, sie wären nicht mehr da. Das ließ nicht zwangsläufig den Schluss zu, dass sie tot waren. Sie konnten auch einfach ganz woanders leben. Ich schluckte und schlug den Blick nieder. Jetzt hatte ich schon wieder darüber nachgedacht und fühlte einen Kloß im Hals, da konnte ich auch gleich drüber reden. "Ich habe früher viel gebetet. Als Kind und Jugendlicher.." Ich räusperte mich. "Nachdem meine Eltern gestorben waren, habe ich damit angefangen..." "Oh...", machte Satsuki leise, während ich nickte. "Ja... Mittlerweile bete ich nicht mehr gerne. Es erinnert mich einfach an diese Zeit... Die ersten Jahre ohne sie." Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte, nicht allzu sehr daran zu denken. Satsuki summte leise. "Das war sicher nicht einfach. ...ich hätte nicht fragen sollen." Ich zuckte mit den Schultern und zog wieder an der Zigarette. "Schon gut, du konntest es ja nicht wissen." Ich fummelte an meiner Jacke und holte den Taschenaschenbecher raus. Wir taten unsere Zigaretten hinein und machten uns daran, das Essen für das Picknick auszupacken. "Ich weiß, aber..." Er schüttelte hilflos mit den Schultern. "Über so etwas redet sicher niemand gerne. Ich wollte nicht bohren. Du hättest es mir nicht erzählen müssen“ Ich musste schwach lächeln. "Ich hätte auch nichts gesagt, wenn ich es wirklich nicht gewollt hätte. Mach dir keinen Kopf." "Hmmm..." Ich sah ihn fragend an, da ich mir sicher war, dass er noch etwas dazu wissen wollte. Aber er stellte mir keine weitere Frage. Ich hakte auch nicht nach. Es war vielleicht besser, das thema nicht weiter zu erläutern. Es tat nur unnötig weh. Selbst mit Karyu hatte ich nie groß darüber gesprochen. Gemeinsam stellten wir die Bentoboxen und Plastikbehälter auf. Wir hatten uns bereits fertige Bentos gekauft, da wir im Hotel schlecht kochen konnten, es aber auch nicht gewollt hätten. Obst hatten wir uns auch etwas gegönnt, geschnittenes Gemüse, Sandwiches und Nachtisch in Form von Pudding und Snacks. Was wir jetzt nicht schafften, konnten wir abends im Hotel immer noch essen. "Am Ende des Tages kuller ich als Murmel ins Bett", meinte Satsuki grinsend und nahm sich sein Gyoza-Bento. Ich konnte ihm da nur zustimmen. Rasch griff ich nochmals in meinen Rucksack. "Hier, das ist der Tee, und hier der Kaffee...", murmelte ich. "Hätte ich fast vergessen." "Oh, ich auch." Er lachte und nahm die Thermosflaschen entgegen, um sie auf der Decke zu platzieren. "Findest du es eigentlich kalt?" "es geht noch", antwortete ich. "Brauchst du die Decke jetzt?" Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich bin nicht so eine Frostbeule wie du." Er grinste, während cih die Augen verdrehte. Vorsichtshalber hatten wir noch eine Decke mitgenommen, in die wir uns kuscheln konnten, sollte es doch zu kalt werden. Da wir ja saßen, ging das ja noch schneller, dass einem die Kälte in die Knochen kroch. hungrig nahm ich mein Chicken-Katsu-Bento in die Hände und begann zu essen. Es war mittags und Zeit für Essen! Während ich das zarte Fleisch mit Teriyaki-Soße genoss, schaute ich die Treppen hinab. Der Platz war leer, auf den Straßen aber fuhren einige Autos. An diesem Sonntag war nicht allzu viel los in der Stadt. In aller Ruhe verspeisten wir unsere zahlreichen Vorräte. Ich konnte gar nicht so viel essen, wie ich es gern getan hätte. Nach dem Bento, zwei Sandwiches, einem Apfel und einem Pudding, gönnte ich mir etwas heißen Tee, um mich wieder aufzuwärmen, dann ließ ich mich seufzend auf die Picknick-Decke fallen. "Ich wünschte, ich könnte mir jetzt den Bauch streicheln...", murmelte ich. "Ich glaube, ich platze gleich.." Aber die kalte Hand wollte ich mir dann nicht unter Jacke, Pullover und Shirt schieben. Das war mir dann doch zu viel Fummelei. Satsuki wandte sich mir grinsend zu und tätschelte meinen Bauch kurz, während er an einer Karotte nagte. "Das wird schon. Ruh dich einfach aus. Mach ein Verdauungsschläfchen." Ich musste lachen. "Dann erfriere ich bestimmt!" "Ach was, ich werde dich schon wärmen." Er schob sich das letzte Stückchen Karotte in den Mund, dann legte er sich zu mir, während ich leicht lächelte. "Ich glaube, jetzt können wir die Decke brauchen..", murmelte er und tastete mit den Händen danach, breitete sie dann über uns aus. Das war wirklich zu gemütlich! Ich zog den leeren Rucksack heran und nutzte ihn als Kopfkissen für uns. Er war natürlich nicht so gemütlich wie ein weiches Kissen, aber für ein paar Minuten würde es reichen. "Man kann den Mond schon sehen", murmelte Satsuki und deutete in den blauen Himmel. Ich folgte seinem Blick. "Vollmond...", sagte ich leise. "Den mag ich am meisten." "Ich auch..." Für eine Weile sahen wir schweigend hinauf. "Soll ich dir nachher ein Bier ausgeben? Oder einen Wein?" Ich drehte ihm den Kopf zu und sah ihn fragend an. "Wieso das denn?" Er erwiderte meinen Blick mit leicht hochgezogenen Augenbrauen. "Du trinkst doch so gern, sagst du." Ich schnaubte. "Ja, wenn ich mich allein fühle... Denkst du, ich fühle mich jetzt allein?" Er summte leise und sah wieder hinauf. "Du siehst so aus." Er machte eine kurze Pause und sah wieder so nachdenklich drein. Als würde es hinter seiner Stirn intensiv arbeiten, als überlege, ob oder was er sagen sollte. Ich seufzte. "Was ist denn? Raus damit." Er schaute mich wieder an und sah irgendwie zerknirscht drein. "Ich will ja nicht drauf rumreiten, aber...du vermisst deine Eltern sicherlich, oder? Deswegen siehst du jetzt so traurig aus. ich will dich nur aufmuntern." Nun war ich es, der die Augenbrauen in die Höhe zog. "Hör mal, das ist ja nett von dir, aber...ehrlich, ich brauch niemanden, der Babysitter spielt oder Mutti oder so..." Vielleicht reagierte ich da jetzt etwas gereizt, aber ich wollte kein Mitleid. Das hatte ich nie gewollt und es half mir auch nicht weiter. Hatte es noch nie. "Ich will auch nichts spielen...", erwiderte er, während ich mich wieder aufsetzte, die Decke zurecht zog. Die Sonne würde bald untergehen. "Ich möchte dich aufmuntern." Er seufzte und richtete sich ebenfalls auf. "Jeder hat sein beschissenes Päckchen zu tragen. Wir können uns alle gegenseitig bemitleiden oder versuchen, uns zu unterstützen." Ich schloss für einen Moment die Augen. Ich wollte ihn nicht anfahren. "Bitte, hör auf... Du klingst wie mein Freund. ..Ex-Freund", murmelte ich. An den wollte ich nicht denken. Er hatte mir auch immer noch nicht auf meine Nachricht geantwortet. Aber was hatte ich auch erwartet. Während ich mir eine weitere Zigarette aus der Schachtel nahn, hörte ich Satsuki leise seufzen. "Sei nicht sauer auf mich, ok? Ich bin sicher kein Weltverbesserer. Manchmal geht es mit mir durch." Ich schüttelte den Kopf. "Ich bin nicht sauer", versicherte ich ihm. "Gibst du mir auch noch eine?" Er deutete auf meine Zigarettenschachtel, woraufhin ich nickte. "Bitte...nimm ruhig." Ich schmunzelte ihn leicht an. "Ich hoffe, ich mache dich hier nicht zum Kettenraucher..." Zu meiner Beruhigung winkte er ab. "Ach was, das ist mir viel zu teuer! Geld, das ich nicht habe", erwiderte er lächelnd und nahm sich noch eine Erdbeere aus der Obstbox. Für einen langen Moment schwiegen wir, dann sah ich ihn vorsichtig an. "Und welches Päckchen hast du zu tragen...? Wenn ich fragen darf...", hörte ich mich zögerlich nachhaken. Dabei wusste ich es doch so viel besser. Es ging mich nichts an und wir kannten uns für sowas doch eigentlich zu wenig. Satsuki schenkte mir ein mildes Lächeln. "Ich habe eine irre Ex-Frau." Schon da wurden meine Augen groß. Ex-Frau?! "Ich hab schon mit 21 geheiratet. Es war eher eine spontane Aktion. Sie war einfach so besitzergreifend und hoffte, mich damit endgültig fest an sich binden zu können, ich habe es gemacht, um mir zu beweisen, nicht schwul oder bi, sondern rein hetero zu sein." Er zog an seiner Kippe. "Ich hatte früher ein Problem mit meiner Orientierung. Ich wollte nicht schwul sein, aber ich sag dir, spätestens wenn man in einer Ehe mit so einer Hexe ist, wird man freiwillig stockschwul..." Meine Augen weiteten sich noch mehr. „Ich hab es nur ein Jahr mit ihr ausgehalten und die Scheidung eingereicht. Es folgte ein Rosenkrieg und selbst jetzt, nach fast vier Jahren, hab ich mit ihr immer noch Probleme.“ Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. Wie erstarrt musterte ich ihn und musste das erstmal sacken lassen. Er rauchte in Ruhe vor sich hin, sah mich nicht an und ließ mir Zeit, darüber nachzudenken. Langsam atmete ich aus. "Oh... Das klingt furchtbar." "Es ist sogar schlimmer als nur furchtbar. Ich bin ja der Meinung, dass sie eine Stalkerin ist, aber keiner glaubt mir und ich kann nichts dagegen machen. Wegen der musste ich schon drei Mal umziehen, aber sie schafft es immer wieder, mich aufzuspüren." Ein bitteres Lächeln legte sich auf seine Lippen. "Man sagt das ja normalerweise den Männern nach. Aber Frauen können genauso sein. Du glaubst gar nicht, was das hier für eine Wonne ist, in Morioka zu sein." "Weil sie dir nicht hierher folgt?" Wenn ich ehrlich war, war mir doch etwas bange. "Vielleicht steht sie ja aber morgen vor dem Hotel..." Seufzend nickte er und sah mich an, während er sich eine zweite Zigarette aus meiner Schachtel nahm. "Das fürchte ich auch. Keine Ahnung, wie sie das macht. Zieht mir das Geld aus der Tasche wegen angeblicher ehebedingter Nachteile... Ich darf ihr Unterhalt zahlen, weil sie einfach nichts auf die Reihe bekommt. Und dann rennt sie mir auch noch hinterher.. Entweder will sie mir nur die Hölle heiß machen oder mich zurück haben - oder sie tut so, als wolle sie sich versöhnen und geht mir dadurch auf den Sack, so sehr, dass ich mich aus Verzweiflung noch umbringe - oder sie." Er verdrehte die Augen. "Tut mir leid", sagte ich nach einer Weile leise. Dann kamen ja noch die Probleme mit seiner neuen Flamme dazu. "Weiß sie denn, dass du auf Männer stehst?" "Ja...das hat sie ja auch total fuchsig gemacht. Sie denkt vielleicht, ich würde das nur erfinden, um sie loszuwerden. Allerdings hat sie schon mal eine Szene gemacht. Ich hab dir doch von dem Kerl in Tokyo erzählt, den ich mag?" Ich nickte nur. "Eines Tages stand sie vor uns beiden und hat ihn angekeift... Das war peinlich." Zögerlich hob ich eine Hand und drückte tröstend seine Schulter. "Und das geht nun schon Jahre so?" Er nickte. "Ich war schon bei der Polizei. Einen Anwalt kann ich mir mittlerweile nicht mehr leisten. Um die Alte loszuwerden, muss ich wahrscheinlich auswandern." Ich schluckte. Dass er diesen Terror überhaupt so lange durchhielt. Er sah mich matt lächelnd an. "Ich denke, wir haben für heute genug über unsere Probleme gesprochen, oder?" Ich nickte. "Ja, da stimme ich dir zu. Zeit für einen Themenwechsel." Ich sah auf. "Die Sonne geht unter..." Nach vorn blicken, im doppelten Sinn, war wohl erstmal besser. "Jetzt ist mir nach einem Drink", verkündete Satsuki schmunzelnd, weswegen ich lachte. "Mir auch." "Dir doch sowieso immer, oder?" Ich schnaubte und stieß ihm leicht in die Seite. "Pass bloß auf!" Er grinste nur. Seufzend lehnte ich mich mit dem Kopf an seine Schulter. Für einen Moment hatte ich gezögert, aber ich wollte das jetzt. Und Satsuki beschwerte sich zum Glück auch nicht. Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht der einzige Mensch mit Problemen war. "Weißt du..im Vergleich zu deinen Problemen erscheinen mir meine gar nicht mehr so groß." "Meinst du?" In seiner Stimme schwang ein leichtes Lächeln mit. "Mh-hmm...", machte ich nur und schmiegte mich leicht an ihn. Es war der klägliche Versuch, ihn zu trösten. Wenigstens ein bisschen und wenigstens für diesen Moment. Zu meiner Überraschung legte er seine Hand auf meine und drückte sie sanft. Kurz blickte ich auf unsere Hände, dann hob ich wieder den Kopf und betrachtete stumm den Horizont, wo die Sonne langsam hinter verschwand. Ich blieb an Satsuki gelehnt sitzen und genoss die Ruhe, die uns umgab. Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen. Gerade fühlte ich mich pudelwohl. Und geborgen. Ein Gefühl, dass ich schon seit Langem vermisste. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)