Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 4: Ein neues Outfit macht keinen neuen Menschen ------------------------------------------------------- Kapitel 4: Ein neues Outfit macht keinen neuen Menschen Eine Woche später saß Kankurou wieder einmal vor der Flimmerkiste und konsumierte höchst amüsiert seine Lieblingsserie. „Dein Leben muss ja echt kläglich sein, wenn du jeden Tag immer nur der nächsten Folge entgegenfieberst“, stichelte Temari aus ihrer Laune heraus los. „Na, wenigstens hab ich im Gegensatz zu dir etwas, worauf ich mich freuen kann“, gab er Kontra. „Wenn du erstmal ein Kind hast – was ich in den nächsten zehn Jahren doch arg bezweifle – wirst du jede neue Folge deiner Lieblingsserie als Belanglosigkeit abstempeln.“ „So was im Sinn Kitschiges kann auch nur eine junge Mutter von sich geben.“ „Und wenn du selbst Vater bist, wirst du das genau so unterschreiben.“ „Von mir aus“, erwiderte er gelangweilt. „Bis dahin bleibe ich aber meinem Nerdtum treu, gucke die beste Serie aller Zeiten weiter und freue mich tierisch auf jede Episode, wenn du erlaubst.“ „Wie du meinst. Meinen Segen hast du“, sagte Temari belustigt. „Matsuri steht übrigens auch auf den Quatsch da. Ihr könntet also ein paar interessante Rollenspiele machen.“ „Sorry, aber von Dorfmatratzen halte ich mich lieber fern“, meinte Kankurou. „Ich bevorzuge es, gesund zu bleiben.“ „Du hast aber schon mal was von Kondomen gehört?“, fragte sie. „Die sind nicht schließlich nur da, um Schwangerschaften zu verhüten.“ „Du alte Kondomexpertin musst gerade reden!“ Er warf einen Blick zu Kairi hinüber. „Lass deine Nichte aus dem Spiel. Sie entstammt einer langjährigen Beziehung.“ „Die lange vor ihrer Geburt in die Hose gegangen ist.“ „Darum geht’s ja nicht.“ „Dann um deinen schludrigen Umgang mit der Pille, die dein Kind erst möglich gemacht hat?!“ Mist, das war ein Volltreffer … „Nein, ich“ – sie brach kurz ab – „Ach, das geht dich doch überhaupt nichts an.“ Kankurou schnaubte humorlos. „Kaum zu glauben, dass meine eigene Schwester genauso blöd wie diese Teenager ist, die gedankenlos herummachen und sich dann wundern, warum sie auf einmal ein Kind an der Backe haben! Von deinem hohen IQ merke ich in dem Punkt leider nicht viel.“ „Ich bin schon lange kein dummer Teenager mehr und stehe zu meinen Fehlern“, legte Temari fest. „Außerdem solltest du aufhören, die praktische Intelligenz von einem Menschen an seinem IQ festzumachen.“ „Würde ich das tun, würde der Bastard von deinem Exfreund in meiner Gunst ganz oben stehen“, gab er zurück. „Und wie du dir vorstellen kannst, steht er da ganz sicher nicht.“ Er knirschte mit den Zähnen. „Das sagst du doch nur, weil er nicht seine Sachen gepackt und hierher gezogen ist, als ich ihm von der Kleinen geschrieben habe.“ „Selbst vorher hab ich nicht viel von ihm gehalten. Und du bist die Bestätigung, dass ich mich nicht getäuscht habe.“ Sie widersprach nicht. Dieses Thema hatten sie schon tausend Mal durchgekaut und langsam verlor es seinen Reiz, Shikamaru zu verteidigen. Sie wusste ohnehin nicht, wozu sie sich die Mühe überhaupt machte, wenn er sich sowieso nicht blicken ließ. Sollte Kankurou eben seinen Groll gegen ihn hegen. „Themawechsel“, sagte sie. „Könntest du ein Stündchen auf Kairi aufpassen?“ „Wieso denn?“ „Ich brauch dringend ein paar neue Klamotten.“ „Deine alten sind doch in Ordnung. Reine Geldverschwendung.“ „Erstens ist es mein Geld, zweitens hab ich die Schnauze voll von dem Schlabberlook, den ich wohl oder übel seit über einem Jahr tragen muss.“ „Und was ist mit dem Kram, den du vor der Schwangerschaft getragen hast?“ „Ich wiege nun zehn Kilo mehr und hab keine Lust wieder abzuspecken, da ich mir so ganz gut gefalle“, antwortete sie. „Ergo, die alten Sachen passen mir nicht mehr und neue müssen her.“ „Du siehst echt besser als vorher aus“, bemerkte ihr Bruder. „Okay, verzieh dich. Viel Spaß!“ Sie drückte ihm das Babyfon in die Hand und eilte in den Flur. „Ach ja, und grüß Koutarou von mir!“, rief er ihr mit einem süffisanten Grinsen nach. --- Matsuri beäugte kritisch die Sachen, die Temari sich gekauft hatte. „Okay, das ist tatsächlich eine optische Verbesserung – eine gewaltige sogar – aber ein bisschen zu bieder wirkst du immer noch auf mich. Von deiner früheren Sexyness bist du echt noch meilenweit entfernt.“ „Als ob ich die jemals angestrebt hätte“, gab sie zurück. „Tja, mit zehn Kilo mehr auf den Rippen muss man eben Prioritäten setzen!“ Ihre beste Freundin fing sich einen schmerzhaften Ellenbogenhieb von ihr ein. „Au!“, stöhnte sie auf. „Wofür war das denn?“ „Das weißt du ganz genau.“ „Du hast nun mal keine Modelfigur mehr“, sagte sie. „Aber damit wollte ich auch nicht sagen, dass du zu dick bist.“ „Wäre ja noch schöner, wenn du eine erwachsene Frau bei einer Größe von einem Meter fünfundsechzig und einem Gewicht von zweiundsechzig Kilo als zu dick bezeichnen würdest.“ „Aber schlank ist trotzdem was anderes.“ „Ich bin normalgroß und normalgewichtig. Irgendwelche Einwände?“ „Nein.“ „Gut. Ich bin nämlich auch nicht hier, um mich von dir wegen meines nicht vorhandenen Gewichtproblems beraten zu lassen. Bring du erstmal eine Schwangerschaft hinter dich, dann können wir das Thema vielleicht wieder anschneiden.“ „Okay, okay. Ich sag ja schon nichts mehr.“ Und selbst wenn: Von einer dürren Bohnenstange wie Matsuri musste sie sich gar nichts erzählen lassen. „Und? Warum kleidest du dich ausgerechnet jetzt neu ein?“, fragte die Jüngere neugierig. „Willst du für den Barfutzi gut aussehen?“ „Ne…in“, stammelte Temari. „Ich hab nur einfach keine Lust mehr, mich so gehen zu lassen.“ „Erwischt!“ Matsuri setzte ihr süffisantestes Lächeln auf. „Glaubst wohl doch, je schicker du dich anziehst, desto eher reißt er dir die Klamotten von Leib, was?“ „Du verstehst das völlig falsch. Ich bin immer noch nicht auf schnellen Sex aus.“ „Aber du scheinst längerfristig drauf aus zu sein.“ „Sex ist für mich fester Bestandteil in einer Beziehung.“ „Dann stellst du dir schon eine Beziehung mit ihm vor?“ „Natürlich nicht, dafür kenne ich ihn einfach zu wenig.“ „Dann lerne ihn besser kennen.“ „Ja, aber ich muss erst noch ein paar Tage darüber nachdenken, ob –“ „Nichts da! Du gehst jetzt sofort zu ihm und machst ein Date aus!“ „Aber –“ Ihre Freundin hielt ihr den Mund zu. „Keine Widerrede! Wir machen es auf meine Weise.“ Schon wieder, dachte Temari. Doch vielleicht war das zumindest in diesem Fall gar nicht so verkehrt … --- Etwas nervös zupfte sie ihren Rock zurecht. „Wenn du so weitermachst, franst das Ding gleich aus“, tadelte Matsuri, die es schon den ganzen Weg über beobachtet hatte. „Außerdem waren die Klamotten, die du letztes Mal anhattest, viel knapper. Es ist also sinnlos, dich zu genieren.“ „Nervosität ist dir wohl ein Fremdwort, was?“ Ihre Freundin antwortete nicht und schubste sie vor sich her. „Sieh zu, dass du da hinein kommst“, sagte sie. „Der Kerl wird nicht ewig auf dich warten.“ Temari wollte widersprechen, gab aber klein bei und ging zur Tür. Sie drückte die Klinke herunter und zog. „Verschlossen“, meinte sie. „Ich versuch’s später noch mal.“ „Verarschen kann ich mich auch selbst!“ Ihre Freundin trat an ihr vorbei, betätigte ebenfalls die Klinke und schob die Tür nach innen auf. „Voilà!“ Sie starrte Matsuri an und wusste nicht, ob sie dankbar oder wütend sein sollte. „Und jetzt rein da mit dir!“, sagte ihre Freundin. „Ansonsten schultere ich dich und trag dich persönlich zu ihm.“ „Nicht nötig!“ Temari überlegte nicht länger und betrat den Raum. --- Unsicher sah sie sich um. Die Terrasse bot eine prima Fluchtmöglichkeit, doch diese Idee verwarf sie. Sie musste unbedingt aufhören, sich mit dämlichen Vorwänden selbst zu sabotieren. Sonst jammerte sie Shikamaru in fünf Jahren immer noch nach und nahm sich so jeglichen Spaß am Leben. Auch alleinerziehende Mütter hatten schließlich das Recht, sich zu amüsieren – es musste nur nicht unbedingt auf Matsuris Weise sein. Aber ein neuer, fester Partner – warum nicht? Vielleicht nicht in diesem Moment, doch für die nähere Zukunft war es eine Option, die sie nicht ignorieren konnte. Nicht nur für sie, sondern vor allem für Kairi. Temari fasste sich ein Herz und sprach die junge, hübsche Kellnerin an, die gerade einen Tisch abräumte. „Entschuldigung“, setzte sie an und ihr Puls stieg in Höhen, die er nicht oft erreichte, „ist Koutarou zufällig da?“ Jetzt war es raus! Aber was, wenn gleich ein „Ich kenne keinen Koutarou“ oder „Verzieh dich, ich bin seine Freundin!“ kam? Nein, ihre Fantasie spielte ihr bloß einen Streich. Der Mann hatte einen guten, vernünftigen Eindruck auf sie gemacht und baggerte garantiert keine anderen Frauen an, wenn er vergeben war. Und falls sich herausstellte, dass er doch so ein Typ war, konnte sie ihn ohnehin in der Pfeife rauchen und zu ihrem Ex auf die Menschen-die-es-wert-sind-sie-zu-vergessen-Liste setzen. Die Kellnerin sah auf, kicherte, und rief: „Hey, Koutarou, deine Freundin ist hier!“ „Otae, hör auf, mich zu verarschen, ich hab keine –“ Er verstummte, starrte Temari überrascht an – und sie starrte genauso perplex zurück. Seine Kollegin prustete los und ertränkte ihren stichelnden Kommentar in einem Lachanfall. Temari stieg die Hitze in den Kopf. Sie kam sich wie ein kleiner, dummer, verliebter Teenager vor und schaffte es vor Scham kaum, der Kellnerin nicht auf der Stelle eine Ohrfeige zu verpassen. Was für ein doofes Kicherweib … Solche waren ihr schon immer die Liebsten gewesen. Genau aus dem Grund war sie auch mit Ino nie richtig warm geworden. Angetrieben durch die Wut auf ihre zweite Heimat und Miss Ich-lach-über-jeden-Scheiß! ging sie zu Koutarou herüber, der immer noch unter Wortfindungsstörungen litt. Dann fing sie eben an zu reden. Vor ihrer gescheiterten Beziehung hatte sie damit schließlich auch keine Probleme gehabt. „Hey“, sagte sie und lächelte gezwungen, was in Anbetracht der musikalischen Hintergrunduntermalung nicht einfach war. Wahrscheinlich sah sie gerade zum Wegrennen aus, aber ein Mann, der vor einem gruseligen Lächeln flüchtete, war es ohnehin nicht wert. Die Zeit zog sich in die Länge, ohne dass er eine Antwort gab – in Wirklichkeit waren es nur ein paar Sekunden – und sie nutzte den Augenblick, um ihn zu mustern. Besonders auffällig war der Drei-Tage-Bart, den er bei ihrer ersten Begegnung noch nicht getragen hatte, doch er stand ihm. Generell war der Typ mit seinen hellbraunen, mittellangen Haaren und den grauen, entschlossen dreinblickenden Augen ein wunderbarer Kontrast zu ihrem Ex. Merkwürdig, dass ihr erst jetzt auffiel, dass er optisch ganz nach ihrem Geschmack war – im Gegensatz zu Shikamaru, der zwar auch nicht furchtbar aussah, aber in den sie sich in erster Linie wegen seines Charakters verliebt hatte. Temari kam sich wie eine oberflächliche Kuh vor. Aber nur weil sie nun alleinerziehende Mutter war, musste sie ihre Ansprüche ja nicht auf ein Minimum herunterschrauben und sich auf einen pickligen, buckligen Troll einlassen. Endlich schien Koutarou seine Fassung wiederzuerlangen, schenkte ihr ein schelmisches Grinsen und sagte: „Was für eine nette Überraschung! Du hast mich ja ganz schön schmoren lassen.“ „War doch bloß eine Woche“, konterte sie und bekam große Lust, auf diesen offensichtlichen Flirt einzugehen. Das erste Mal seit vier Jahren. „Neun Tage“, verbesserte er und sie lachte. Das Eis war gebrochen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)