Keine Nacht wie jede andere von Sydney (2. Platz beim Fanfiction-Wettbewerb der Nippon Nation 2014 - Überarbeitete Version) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Keine Nacht wie jede andere Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus. Seras Victoria hatte nicht viele Kindheitserinnerungen. Doch sie wusste, dass ihre Mutter diese Redewendung oft benutzt hatte. Wirklich verstanden hatte Seras sie nie. Selbst als es noch richtigen Schatten in ihrem Leben gegeben hatte und nicht nur unterschiedliche Abstufungen von Dunkelheit. Viel Leid wäre ihr erspart geblieben, hätte es Anzeichen für die bevorstehenden Ereignisse gegeben.   Der vertraute Geruch von Kaffee, der ihr in die Nase stieg war das erste Gefühl, dass sich in ihr Bewusstsein schlich als die neue Nacht anbrach. Eines Abends, nach einer frustrierenden Begegnung in der Küche, hatte der Franzose damit angefangen ihr eine dampfende Tasse vor die Tür zu stellen. Sehnsüchtig hatte sie damals auf die dunkle Flüssigkeit in seinem Becher gestarrt, deren Duft sie aus dem Keller an die Oberfläche gelockt hatte. Es war einer der Momente gewesen, in der ihr ihre Lage nur allzu deutlich bewusst war. Und der Captain hatte nichts besser zu tun gehabt, als sie aufzuziehen als er ihren Blick bemerkte. "Du kannst mein Blut haben Mon-Cherie - das ist voll mit Koffein." "Uhh. Nein Danke. Ich mache mir Sorgen um das Nikotin, den Alkohol und was sonst noch da drin rumschwimmt", hatte sie das Angebot abgelehnt. "Ich will einfach nur ein bisschen an der Tasse riechen."   Seit diesem Tag an funktionierte der koffeingesteuerte Weckruf besser und schonender als jeder Wecker, den Seras jemals besessen hatte. Trinken konnte sie ihn selbstverständlicherweise immer noch nicht. Doch der Duft brachte ein kleines bisschen Normalität und Geborgenheit in das kalte, unpersönliche Teetrinker-Anwesen.   Schon seit einiger Zeit verspürte sie eine  zunehmende Nervosität, gegen die weder der beruhigende Effekt koffeinhaltiger Heißgetränke noch etwas anderes half. Lange hatte sie den Grund für dieses Gefühl nicht gefunden. Und das erste Mal fragte sie sich, ob in den Worten ihrer Mutter nicht doch eine Weisheit steckt, die ihr bisher verborgen geblieben war. Ein Jahr war vergangen und gerade erst war so etwas wie Routine in ihr verrücktes Dasein eingekehrt. Abends aufstehen. Trainieren. Sich demütigen lassen. Den nervtötenden Franzosen in seine Schranken weisen. Das war das Prozedere in den ruhigen Nächten. Einsätze in den anderen. Es hatte gedauert, bis ihr die subtilen Veränderungen aufgefallen waren. Gespräche, die unterbrochen wurden, sobald sie sich näherte. Menschen, die etwas vor ihr zu verbergen schienen. Und was noch viel beunruhigender war: Dinge, die nicht an ihrem gewohnten Platz lagen. Erst kürzlich hatte sie ihre Schranktür offen vorgefunden. Seras war sich sicher sie verschlossen zu haben. Sie hatte Walter darauf angesprochen. Doch der hatte diese Vorkommnisse auf neues Personal geschoben. Pip hatte etwas von ihrer atemberaubenden Schönheit gesäuselt, die jeden Mann sofort zum Verstummen brachte, sobald er sie erblickte. Als sie schließlich ihren Meister darauf angesprochen hatte, hatte dieser sie nur verächtlich angesehen und ihr geraten sich endlich an Blut zu gewöhnen und ihre vampirische Seite anzunehmen. Dann wären ihre Sinne scharf genug um sich nicht von Menschen übertölpeln zu lassen.   Die Luft war kalt und es hing ein Hauch von Frost darin als sie sich auf den Weg zum Trainingsgelände machte. Es hatte tagsüber geregnet und wie sie das englische Wetter kannte, würde es auch bald erneut regnen. Trübsinniges Wetter, das gut zu ihren trübsinnigen Gedanken passte.   *   "Es ist sinnlos. Ich schaffe es einfach nicht."   Erschöpft ließ sie sich zu Boden sinken. Das normale Training hatte Seras für heute beendet. Für das Schießen und den Nahkampf hatte sie Talent. Jetzt war die Demütigung an der Reihe. Eigentlich stand Gestaltwandeln auf dem Plan. Doch dies war gleichbedeutend mit Demütigung. Seit Monaten versuchte sie sich unter dem strenge Blick ihres Meisters daran eine andere Form anzunehmen. Eine für beide Seiten gleichermaßen enttäuschende Angelegenheit. Hie und da begannen ihre Umrisse zu verschwimmen. Aber vielleicht bildete sich das auch nur ein. Dass sie gerade andere Dinge im Kopf hatte, machte es auch nicht einfacher. Enttäuschend. Peinlich. Inkompetent. Die harten Worte ihres Meisters nahm sie sich kaum mehr zu Herzen. Ihr eigenes Versagen nagte jedoch an ihrem Selbstbewusstsein.   "Wenn das heute nicht funktioniert, dann wirst du morgen die ganze Nacht Durch-die-Wand-gehen üben." Da waren sie wieder. Die stets präsenten Drohungen.   Nichts war deprimierender als stundenlang gegen eine Wand aus Ziegelsteinen zu laufen. Denn natürlich durfte sie nicht mit den Armen voran an die Mauer treten. Nicht genug Motivation, pflegte Alucard zu sagen. Er hatte leicht reden. Es war schließlich nicht seine Nase, die darunter litt. Alleine der Gedanke ließ ihr Gesicht schmerzen und ihre Laune verdüsterte sich weiter. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Vielleicht sollte sie in erster Linie daran arbeiten die Form ihrer Nase zu verändern...   "Alucard, sagt dir das Konzept der positiven Motivation etwas?", wurden sie von Walter unterbrochen. "Wir alten Männer neigen dazu, die Dinge so anzugehen, wie wir es selbst beigebracht bekommen haben. Aber es spricht nichts dagegen in manchen Angelegenheiten mit der Zeit zu gehen. Vielleicht würde Miss Victoria größere Fortschritte machen, wenn sie eine Belohnung statt einer Strafe in Aussicht hätte." Er zwinkerte ihr zu. "Werden da etwa meine pädagogischen Fähigkeiten in Frage gestellt?" Ein bösartiges Lächeln breitete sich auf Alucards Zügen aus. "Wobei... Einen Versuch ist es wohl wert." Sein kalter Blick traf Seras. "Eine Belohnung also." Er tat so, als würde er überlegen. "Wenn du es schaffst deine Form zu verändern, dann darfst du... deine lächerliche Existenz noch ein wenig behalten." Der Vampir wandte sich an Walter. "Besser?" Der alte Butler schüttelte den Kopf. "Ich habe es zumindest versucht", schien sein Blick zu sagen, während er sich räusperte. "Wie auch immer. Miss Victorias Anwesenheit wird verlangt. In dreißig Minuten im Besprechungsraum. Ich empfehle, dass sie sich etwas frisch macht."   Seras fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Normalerweise wurde sie gerufen, wenn es um Einsätze ging. Dafür musste sie sich jedoch nicht frisch machen. Ein offizieller Anlass konnte es auch nicht sein. Davon hätte sie gewusst. Doch sie stellte keine Fragen und nutzt die Gelegenheit ihrem Meister zu entkommen bevor es sich noch jemand anders überlegte.   *   In Gedanken versunken machte sie sich wenig später auf den Weg zum Besprechungszimmer. Es herrschte Stille in dem großen Anwesen. Nichts deutete darauf hin, dass es heute noch etwas Wichtiges zu tun gab. Kein Männer, die hektisch Munitionskisten zu den Fahrzeugen transportierten. Keine Integra, die das Treiben überwachte. Keine Menschenseele zu sehen. Auch von den Barracken kam kein Lebenszeichen. Ungewöhnlich für diese Zeit. Seras versuchte telepathisch Kontakt mit ihrem Meister aufzunehmen. Erfolglos. Sie konnte den kalten Schauer, der ihr über den Rücken lief nicht unterdrücken.   Unsicher blieb sie vor der schweren Eichenholztür stehen. Hier fühlte sie eindeutig die Anwesenheit von mehreren Menschen. Den Drang zu lauschen unterdrückend, klopfte sie. Als auch nach kurzem Warten keine Antwort ertönte, nahm die blonde Vampirin sich ein Herz und drückte die Klinke herab.   "Überraschung!", ertönte mehrstimmiges Gebrüll. Etwas undefinierbares, Buntes flog ihr um die Ohren. Verwirrt blieb Seras im Türrahmen stehen. Selbst mit ihren vampirischen Sinnen dauerte es, die Szenerie vor ihr zu verstehen. Die ganze Belegschaft schien sich in den Raum gedrängt zu haben. "Happy Deathday!", prangte auf einem Transparent, das quer durch den Raum gespannt war. Sie musste nicht lange Nachdenken, um zu wissen, wer für diese Geschmacklosigkeit verantwortlich war. Viel mehr beschäftigte sie die Frage, wie Captain Bernadotte es geschafft hatte, sein Vorhaben bewilligen zu lassen. Verrückter Kerl! Das Konfetti hatte noch nicht vollständig den Boden berührt - sie hatte das bunte Zeug nun erkannt - als Besagter verrückter Kerl sich anschickte sie in eine Umarmung zu ziehen. "Was zur Hölle...?", murmelte sie gegen seine Brust als seine Arme sich um ihren Körper schlangen. "Alles Gute!", rief er fröhlich und sichtlich schon angeheitert. Sie ließ ihn kurz gewähren und schob ihn erst von sich, als er ihrem Gesicht gefährlich nahe kam. "Aber Mignonette! Das Gebu... Todestagskind hat sich doch einen Kuss verdient! Und ich mir doch auch, dafür, dass ich diese Feier organisiert habe." "Jetzt weiß ich wenigstens, was dieses Theater soll!", kicherte sie und hielt ihn auf Abstand. "Ach komm schon Herzchen!", rief einer der Männer. "Der Captain hat sich so viel Mühe gegeben! Hat sogar deine Sachen durchsucht um die richtige Größe zu finden." Seras konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Doch für die Heimlichtuerei würden sie büßen. "Ich wusste doch das jemand in meinem Zimmer war, der dort nichts verloren hat", merkte sie an. "Aber Mignonette! Ich konnte dir doch nicht einfach irgendwas schenken!", rief der Franzose empört, in seinen Händen ein Päckchen haltend. Das Logo einer Unterwäsche-Firma prangte auf dem Papier. Ihr Lachen ging in ihre beste Alucard-Imitation über. "Das", sie nahm das Paket mit spitzen Fingern und begutachtete es "nehme ich sicher nicht an." Sie warf ihm das Geschenk an den Kopf. Die Männer gröhlten vor Lachen als ihr Anführer getroffen zu Boden sank und das Grinsen von seinen Zügen verschwand. "Nachdem Pralinen keine Option waren,...", begann er sich herauszureden. "Option? Option?! Einfach fragen wäre eine Option für's nächste Jahr!" "Und mir den Spaß entgehen lassen? Das ist sowas von unromantisch!" "Unromantisch ist es, das Zimmer einer Dame zu durchsuchen. Und ihr einfach so Unterwäsche zu schenken. Perversling!" "Nun gut Mignonette, wenn das so ist...", er wirkte geknickt. "Was wünscht du dir für's nächste Jahr?" Sie wusste womit sie ihn strafen konnte. "Eine neue Uniform", begann sie, um nach einer kurzen Pause hinzuzufügen: "Mit mehr Stoff." "Um Gottes Willen! Alles nur nicht das!", riefen die Söldner einstimmig.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)