Rise of an eagle von LynethNightmare ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Wenige Wochen zuvor in Venice: „Bueno sera.“, raunte eine Stimme. Kurz wanderte Antonios Blick in die finstere Seitengasse zu seiner Rechten, in deren sicherem Schatten sich eine vermummte Gestalt verborgen hielt. Alleine an der Stimme hatte Antonio ihn erkannt, weswegen er beiläufig die Arme vor der Brust kreuzte und ein schiefes Lächeln aufsetzte. „Bueno sera. Wir hörten du hast Schwierigkeiten einen Brief zu beschaffen.“, gab der Santavenere schlicht zurück, nicht ohne einen Hauch Schalk in seinen Worten mitklingen zu lassen. „Kommt mit. Die Wände haben Ohren.“, gab der Mann aus der Gasse zu verstehen, ehe er leichtfüßig auf den harten Steinplatten in der Dunkelheit verschwand. Auch Mario, der direkt neben Antonio gestanden hatte ließ ein schelmisches Lächeln durchblicken, ehe er seinerseits die Verfolgung aufnahm. Schneller, als gedacht hatten sie die stillgelegte Kanalanlage Venices erreicht, wo sich ein unauffälliger Abstieg in Form eines Brunnens befand. Mit seinem geübten Auge trat Antonio an die Front und löste den Schalter aus, der die Vorrichtung dazu brachte den Weg in die Tiefen des Untergrundes freizulegen. Ohne einen weiteren Blick zurück begann der Santavenere den Abstieg. Die wenigen Fackeln, die den langen Tunnel mit ihrem schummrigen Licht ausleuchten sollten, waren schon bis auf die Grundstöcke heruntergebrannt, so blieb den drei Gefährten nichts anderes übrig, als sich durch das undurchdringliche Dunkel immer weiter voran zu kämpfen. Antonio genoss einen weiteren Vorteil, denn er kannte die Wege des Untergrundes, sowohl in Firenze, als auch in Venice, wie das Innerste seiner Hemdtasche. „Rechts.“, brummte der Santavenere nur, als er der Abzweigung folgte und sogleich in einen helleren Seitenraum einbog. Der Wandstruktur nach befanden sie sich im Zentrum Venices unter der Parkanlage, die ebenfalls einen Abstieg für Assassinen beinhaltete. „Nun?“, wollte Mario wissen, als auch der Nachzügler den Raum betrat. Mürrisch schritt er den kleinen Raum auf und ab, als er bereits mit den Armen versuchte seiner Stimmung Ausdruck zu verleihen. „Giovanni? Was ist los?“, hakte nun auch Antonio hinterher, der das Schauspiel nur mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet hatte. „Die Gerüchte um die Verschwörung sind wahr. Der Duca di Milano Sforza soll beim heiligen Christfest zum Gedenken an Sankt Stefano beim zwölften Glockenschlag, wenn der Chornachhall am lautesten ist, durch einen Dolch sterben.“, begann Giovanni sich zu erklären. „Die Informationen scheinen sehr präzise. Woher hast du sie?“, wollte Mario sofort wissen. Giovanni schüttelte betäubt den Kopf. „Ich habe einen Informationsmann aufgegriffen. Lorenzo de Medici hat die Neuigkeiten aus ihm heraus gefoltert. Ich bin mir sicher, dass es stimmt.“, bekräftigte der Auditore, während sein Bruder verständlich nickte. „Warum hast du nach uns gerufen, Giovanni?“, hakte Antonio nach. Er kannte Giovanni bereits lang genug, um zu wissen, dass er nur selten Hilfe beanspruchte. „Die Verschwörung ist weit größer, als wir uns ausgemalt haben, Antonio. Ich hätte euch nicht gerufen, wenn es sich nur um den Anschlag auf Sforza gehandelt hätte. Während wir uns hier unterhalten ist Rodrigo Borgia, ein Spanier und das Oberhaupt der Templer, auf den Weg hierher. Sein Ziel ist nicht nur die Eroberung Venices, sondern auch die Firenzes. Ein Brief soll Aufschluss auf die Pläne der Templer geben. Er trägt Babarigos Siegel.“, gab Giovanni zu verstehen. „Während du dich um den Anschlag auf Sforza kümmerst, sucht Mario nach dem Brief und stellt ihn sicher. Ich klemme mich an die Fersen von Rodrigo Borgia, sobald er in Venice ankommt. Wir treffen uns nach dem heiligen Christfest wieder hier. Dies ist der Raum unterhalb der venezianischen Parkanlage. Ihr findet den Zugang hinter dem Brunnen in einem eingelassenen Sockel.“, beschloss Antonio, während er die Riemen seiner verstecken Klingen enger um die Handgelenke zurrte. „Va bene. (Jawohl.)“, stimmte Mario zu. Er war der Erste, der sich seine Kapuze tiefer ins Gesicht zog und ein siegessicheres Lächeln aufsetzte. „Mario, halte dich an Babarigo. Sein Haus befindet sich direkt in der Innenstadt. Du kannst es nicht verfehlen. Es ist schwer bewacht. Achte auf deinen Kopf.“, folgerte Giovanni, der die Lage in Venice noch am Besten einschätzen konnte. Seine Informationsbeschaffung war schon immer ein großer Vorteil für die Bruderschaft gewesen. Der jüngere Auditore war für sein Adlerauge und seine genaue Arbeit hoch geschätzt. Antonio nickte schlicht, als sich Giovanni ihm zuwandte. „Antonio, laut meiner Informationen wird Borgia heute Nacht mit der dritten Kutsche direkt aus Roma hier anreisen. Ich weiß nicht, was er vorhat, noch warum er hier auftaucht, aber mein Gefühl sagt mir, dass er alles daran setzten wird, dass wir ihm nicht in die Quere kommen. Er hat sicherlich einige Wachen und kleinere Templer an der Seite. Du musst vorsichtig sein.“, bekräftigte der Auditore. Wieder nickte Antonio schlicht. Rodrigo Borgia war für den Santavenere kein unbeschriebenes Blatt. Schon vor einigen Jahren, als er in seiner Rache nach Roma aufgebrochen war, hatte er das Vergnügen einer kurzweiligen Begegnung mit dem Templer gehabt und zu seiner Schande hätte er diese beinahe mit dem Leben bezahlt. So ein Fauxpas würde dem Meisterassassinen sicher nicht noch einmal unterlaufen. Dieses Mal war er vorbereitet und sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben, dann würde er die Templer ihres Anführers berauben. Hoch über den Mauerwerken saß Antonio, lauernd, wie eine Raubkatze, auf seine Beute, während der eiskalte Regen auf ihn herab fiel. Schon vor wenigen Stunden war er bis auf die Knochen durchnässt gewesen. Zwar eine sehr unangenehme Lage, aber nichts, was ihn zu einem Abbruch seiner Aufgabe führte. Noch immer war in der dunklen Umgebung Venices keine weitere Kutsche zu erkennen. Die ersten Beiden waren schon längst angekommen. Antonio seufzte angestrengt, als er sich über das müde Gesicht fuhr und während seine Augen weiterhin den Horizont sondierten wanderten seine Gedanken nach Hause. Einerseits zu seiner treuen Haushälterin, die dank seiner vorschnellen und unüberlegten Aktion in jugendlichen Jahren ein Leben in Einsamkeit und Verschwiegenheit fristen musste. Nicht, dass sie sich jemals darüber beschwert hätte, doch Antonio wusste, was sie damals für ihn aufgegeben hatte. Vielleicht wäre sie heutzutage Haushälterin einer großen Familie mit vielen Kindern und Enkel, denen sie getrost einige ihrer Weisheiten weitergeben konnte. Glücklich. Andererseits wanderten seine Gedanken zu dem Mädchen, das vom Dach fiel. Eine heimatlose, namenlose Unbekannte, deren tödliches Schicksal einfach von ihr abgelassen hatte. Seine Gedanken wollten immer noch nicht verstehen, wie sie diesen Sturz und all die Verletzungen überhaupt überleben konnte. Ob sie nun ein besseres Leben führen würde? In Einsamkeit und Gefangenschaft in seinem Unterschlupf? Ausgegeben, als eine Person, die sie nicht war. Wie lange könnte er die Geschichte aufrecht erhalten? Vermutlich nicht einmal lange genug, bis ihre Erinnerungen zurückkehren würden. Aber würde sie ihm verzeihen, dass er sich nur um ihre Gesundheit besorgt gefühlt hatte? Sie nicht einfach wieder dem Schicksal der Straße und deren Gefahren aussetzen wollte? Er konnte es sich nicht erklären, auch wenn er bedacht darauf war keine enge Bindung zu dem Mädchen aufzubauen, so musste er sich eingestehen, dass sie bereits jetzt eine deutlich wichtige Rolle in seinen Gedankengängen spielte. Resigniert stellte er fest, dass sein Herz einfach zu gutmütig war. Dieses Mädchen war eine Gefahr. Für ihn und die gesamte Bruderschaft, dennoch sagte ihm sein Instinkt, dass er sie beschützen musste. Vielleicht ein Überbleibsel seines Familienwunsches, der sich niemals erfüllen würde. Eine Ersatztochter der richtigen Tochter, die er niemals haben würde. Egal, wie gefährlich es sein könnte, Adrianna war nun ein Teil der letzten Santavenere und vielleicht könnte er ihr zu einem Leben verhelfen, dass sie auf der Straße niemals gehabt hätte. Jedenfalls war für ihn klar, dass er die Bruderschaft so lange, wie es ihm möglich war, aus ihrem Leben heraus halten würde. Seine Gedankengänge brachen jäh ab, als heftiges Hufgetrappel die Ankunft der letzten Kutsche verkündete. „Willkommen in Venice, Rodrigo Borgia.“, knurrte Antonio, bevor er sich auf einen kleinen Dachvorsprung fallen ließ, sich kurz fing und eine lange Mauer entlang, bis kurz vor den venezianischen Stallungen, folgte. Dort verharrte er und ließ seinen Blick durch den Menschenauflauf gleiten, der sich binnen Sekunden entwickelt hatte. „Was soll das heißen, Idiota? Gibt es einen Beweis, dass sie tot ist? Solange ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe, dass ihr eure Aufgabe erledigt habt, solange werdet ihr auch kein Gold bekommen. Ihr wisst, welche Wichtigkeit es besitzt.“, fauchte der großgewachsene Mann im dunklen Umhang. Sein Gesicht war vor neugierigen Blicken geschützt, indem er sich die Kapuze übers Haupt gezogen hatte. Aber Antonio brauchte den Anblick seiner Visage nicht, um ihn zu erkennen. Seine Stimme alleine reichte vollkommen aus. Giovanni hatte mit seinen Informationen nicht geirrt, der Templer war soeben tatsächlich in Venice eingetroffen. Der Hauptmann der Wache verneigte sich leicht vor seinem Kommandanten, ehe er sich abwandte und resigniert davon stapfte. Welchen Tod musste er beweisen? Hatte die Bruderschaft einen etwa einen weiteren Schlag zu verbuchen? Wären solche Neuigkeiten nicht sofort zu Antonio weitergeleitet worden? Zumindest schien es sich dabei um eine Angelegenheit zu handeln, die dem Templer die Sorgenfalten ins Gesicht trieb. Jeder Schlag, den sie gegen ihn verbuchen konnten, bedeutete einen kleinen Sieg für die Bruderschaft, also beschloss Antonio kurzerhand die Aufmerksamkeit auf den Hauptmann der Wache zu legen und ihm heimlich über die Dächer Venices zu folgen. Mühselig schleppte er sich immer weiter durch die dunklen Gassen, völlig ahnungslos, dass er bereits über einige Stunden verfolgt wurde. Welches Ziel er wohl verfolgte? Antonio wollte nicht unüberlegt vorgehen. Ein falscher Schritt bedeutete nicht nur das Aus für seine Aufgabe, sondern könnte auch seine beiden Gefährten verraten. Deswegen folgte er seinem Ziel in geringem Abstand weiter durch die Nacht, bis dieser kurzerhand in eine Gaststätte einkehrte und sich am Fensterplatz niederließ. Ihm gegenüber saß eine weitere Wache, die stumm den Krug in die Luft hielt. Antonio ließ zunächst ein paar Minuten verstreichen, ehe er den Abstieg wagte und eilig über die Straße huschte. Er musste in ihre Nähe gelangen, um das Gespräch belauschen zu können. Er runzelte die Stirn, legte aber bereits seine Hand auf den Türknauf. Vorsichtig öffnete er die Tür der Spelunke und durchschritt zielstrebig den Schankraum, ehe er sich am Tresen niederließ und einen Krug Wein orderte. Die beiden Wachen saßen am Ecktisch schräg hinter ihm. Als der Wirt ihm geordertes Getränk vor die Nase stellte, senkte er den Kopf, legte ein paar Florin auf das polierte Holz und symbolisierte dem Mann, dass er verschwinden sollte. Mit versteinerter Miene nahm der Wirt das Bestechungsgeld und entfernte sich sofort von dem Assassinen. Antonio umklammerte den Krug mit beiden Händen, während er aufmerksam versuchte den Gesprächsfetzen der Wachen zu lauschen. „... kein Gold solange wir keinen Beweis bringen...“, knurrte der Hauptmann genervt. „Einen Beweis? Sollen wir den toten Korpus suchen und ihm vor die Füße legen? Wie stellt er sich das vor? Einen solchen Sturz überlebt kein Mensch.“, fauchte der Zweite aufgebracht. „Merda. Ich weiß selbst, dass es unmöglich ist den Korpus wiederzufinden. Tötet doch ein anderes Kind. Seht zu, dass die Leiche entstellt genug ist, dass man sie nicht mehr erkennt.“, kläffte der Hauptmann gereizt, jedoch mit gedämpfter Stimme. „Darauf wird er nicht reinfallen. Ein Mädchen zu finden, das ihr ähnlich sieht wird noch viel schwieriger, als die Besorgung des Korpus. Mit viel Glück sollten die Überreste noch irgendwo Außerhalb Firenzes auf einem Haufen liegen, ehe sie verscharrt werden.“, gab die Wache wieder. „Es ist mir völlig egal, wie ihr es anstellt. Bringt mir einen Korpus. Von mir aus ohne Kopf und Glieder. Hauptsache wir bekommen die versprochenen zehntausend Florin. Wir haben das Gör nicht umsonst durch ganz Firenze gejagt.“ Antonios Gesicht verfinsterte sich augenblicklich, als sein Kopf die Fragmente des Gesprächen zusammensetzte. Ungläubig rieb er sich über die Stirn, ehe er sich erhob und eilig aus dem Schankraum schritt. Tausend Bilder zuckten durch seine Gedankengänge. Der Sturz des Mädchens, die vielen Wachen, die sich auf den Dächern ringsum gescharrt hatten. Er hatte all dem keine Bedeutung geschenkt. Hatte es abgetan als Hetzjagd eines einfachen Diebes, der Firenze schon lange terrorisiert hatte. Einen geplanten Mord hätte er dahinter niemals vermutet. Doch warum war Rodrigo Borgia, dem Oberhaupt der Temper, dem gefürchtetsten Mann in Roma, der Tod eines einfachen Mädchens, einer heimatlosen Diebin so wichtig? Was versteckte sich hinter der Identität eines unscheinbaren Mädchens, dass die Templer sie tot sehen wollten? Eilig erklomm Antonio die Mauerwerke eines einfachen Wohnhauses, nur um sich am Dachrand niederzulassen und weiter über die seltsame Wendung zu grübeln. Es ergab keinen Sinn in seinen Augen. Noch nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)