Rise of an eagle von LynethNightmare ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Vor der kleinen dunkelbraunen Mahagonitüre hielt der Mann inne. In seinen Armen noch immer der erschlaffte Körper des Mädchens, welches sich eisern am Leben festhielt. Er konnte es fast selbst noch nicht glauben, dass sie den gesamten Weg bis zu seinem Anwesen durchgehalten hatte. Doch irgendwann würde doch der letzte Rest Kraft aus ihr weichen müssen. Mit seinem rechten Bein trat er zweimal fest an die Türe. Den letzten Schlag zögerte er eine Weile hinaus, als Erkennungszeichen, dass er es war. Schwungvoll wurde die Tür aufgemacht, als ihm bereits ein vertrautes rundes Gesicht entgegen leuchtete. Das strahlende Lächeln der Wiedersehensfreude verblasste jedoch abrupt, als ihre nussbraunen Augen auf das Häufchen Elend in seinen Armen fiel. „Antonio, 'per l'amore di Dio! (Um Gottes Willen!)“, rief sie aufgescheucht aus, als sie bereits einen flüchtenden Schritt zur Seite machte und ihrem Herren somit den Eingang gewährte. Stumm trat er an ihr vorbei und ließ die Tür hinter sich ins Schloss gleiten. Der gewohnte Geruch von Kräutern und altem Holz drang in seine Nase. Ein Gefühl von Heimat breitete sich in ihm aus. „Antonio?“, hinterfragte die kleine rundliche Dame. Ihr Gesicht war zu einer entsetzten Grimasse verzogen. Sie wedelte verzweifelt mit den Armen, ehe sie sich die Finger an die Lippen legte. „Sie ist von den Dächern gestürzt.“, gab der großgewachsene Mann rau von sich. „Wir müssen...“, begann die Frau hektisch. Bereits an ihrem Gesichtsausdruck besah er, dass sie sich in ihrem Kopf sämtliche medizinische Objekte zurecht legte. Deswegen unterbrach er sie geschwind. „Sie wird sterben. Einen solchen Sturz kann kein Mensch überleben. Ich konnte sie lediglich nicht in der Hintergasse liegen lassen.“ Er war sich der Schwere seiner Worte bewusst, doch ohnehin würde es nicht viel nützen die ganze Geschichte schön zu reden. „Ma sei matta? (Bist du denn verrückt?) Doch nicht vor dem jungen Ding. Leg sie auf die Liege. Ich werde mich darum kümmern, Antonio.“, herrschte die rundliche Frau. Er schnaubte resigniert, tat jedoch was seine treue Maria von ihm verlangte. Sie hatte ihn noch nie enttäuscht. Er besaß keine Familie. Keine Frau und keine eigenen Kinder. Lediglich Maria war nie von seiner Seite gewichen. All die Jahre, selbst nach dem schrecklichen Schicksal, dass seinen Eltern und Geschwistern widerfahren war, diente sie weiterhin treu seinem Hause. Sie war seine Haushälterin, seine Amme und vielleicht in manchen Zeiten eine Art Ziehmutter, auch wenn er dies in seinen mittleren Jahren nicht mehr gebrauchen konnte. Ihre angegrauten Haare hatte sie sich streng am Hinterkopf zu einem sorgsam verknoteten Dutt gebunden, während ihre Figur in einem einfachen Kleid steckte. Sie beugte sich sorgsam zu dem Mädchen hinab, welches Antonio auf der Liege im hinteren Bereich des Wohnraumes gelegt hatte. Er selbst zog sich auf einen einfachen Holzsessel zurück und entfachte eine Pfeife, während seine Augen jeder Bewegung seiner Haushälterin folgten. Sie wandte sich mit tadelndem Blick herum. „Antonio! Sitz nicht einfach so herum. Bring mir eine Schale Wasser und das Bündel Kräuter aus der Küche.“, befahl sie streng. Da war sie wieder. Die Ziehmutter. „Si, Maria.“, murrte er. „Balm für die letzte Salbung?“, fügte er beiläufig hinzu. „Antonio!“, entkam es ihr erschreckt. Er hob abwehrend die rechte Hand und machte sich daran die ihm zugewiesenen Gegenstände zu besorgen. Als er nach dem Bündel Kräuter griff versuchten seine Gedanken zu verstehen, warum sich jeder vor der Erlösung des Todes fürchtete. Es war völlig abwegig, dass dieses Mädchen genesen würde, geschweige denn diese Nacht überlebte. Seufzend fuhr er sich durch den sorgsam drapierten Kinnbart, ergriff das Bündel Grün und schritt in den Wohnraum zurück. Er legte die Porzellanschale auf dem kleinen Tisch neben Maria ab und reichte ihr die verlangten Kräuter, als sie ihm dankend zunickte. „Jeder ihrer Knochen muss gebrochen sein.“, bemerkte der Mann schlicht. Maria schnaubte, während sie den Leinenlappen ins klare Wasser tauchte. „Sie ist noch ein Kind.“, gab sie wieder. „Sie wird diese Nacht nicht überleben.“, widersprach ihr Antonio, als ihn ein Keuchen zusammenzucken ließ. Unwillkürlich ballte sich die linke Hand des Mädchens zur Faust, ehe sie wieder erschlaffte. Wohl nur eine Zuckung, die ihr sterbender Körper von sich gab, versuchte er sich zu beruhigen. Maria schwieg eisern, als sie sich daran machte den Schmutz und das Blut von der Haut des Mädchens zu tupfen. Sie kümmerte sich mütterlich um jede Stelle und Antonio befiel ein beklemmendes Gefühl beim Anblick dieser Szene. Auch Maria hatte keine Familie. Keine Kinder, um die sie sich kümmern konnte. Wie leer dieses riesenhafte Anwesen war wurde ihm das erste Mal bewusst. Er verzog das Gesicht düster, ehe er sich abwandte. „Ich hole den Arzt.“, knurrte er. Maria senkte den Blick dankend und fuhr in ihrem Tun fort, als ihr Herr bereits aus der Tür trat. Sie wusste, dass er zur Besinnung kommen würde. Er mochte ein gefürchteter Mann sein, doch niemand ohne Herz. Er konnte das Mädchen nicht sterben lassen, das bedeutete alleine die Tatsache, dass er sie hierher gebracht hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)