Der Rabe in der Hand von Hotepneith (Der 26. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 8: Erkenntnis --------------------- Sesshoumaru nahm sich zusammen. Aufgeben, noch dazu in dieser Lage, kam nicht in Betracht. Es musste einfach etwas geben...etwas, IRGENDETWAS, Logisches. Moment. Wie hatte die Dame das so nett formuliert? Die Erfahrung aus so einigen Kriminalfällen half ihm nun: „Lady Hasu, Ihr sagtet, Ori habe nichts Ungewöhnliches getan oder gesagt. Wie läuft dieser Ausflug ab? Ihr geht mit Euren Damen aus Eurem Raum...“ Wenn der Tote eben nur das Gewöhnliche getan hatte – was war das? „Ja, zu einer festgelegten Zeit.“ Mit einem wehmütigen Lächeln ergänzte sie: „Damit alle gewarnt sind, Lord Sesshoumaru.“ „Ori verneigte sich und schloss sich Euch an.“ Ein unwillkürlicher Blick der Lady zu ihrem Gatten ließ ihn etwas anderes vermuten: „Vor dem Vorraum verabschieden sich bereits Eure Damen, sofern Lord Karasu nicht dabei ist.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Das war nur gehaucht: „Sie..sie haben so wenig Freizeit....“ Nett gemeint, aber kaum im Sinne ihres Ehemannes. Obwohl, der hatte Ori ja vertraut und seine Frau offenkundig auch. „Also ging Ihr gemeinsam mit Ori aus dem Schloss und nahmt Eure wahre Gestalt an, in der Ihr, wie erwähnt, nicht sprechen könnt.“ „Ja.“ „Danach kehrtet Ihr beide zum Schloss zurück. Wo warteten Eure Damen nach ihren...gleichzeitigen Ausflügen von ihrer Pflicht?“ „Vor....vor dem Vorzimmer.“ „Und auf dem Weg aus und in das Schloss sagte Ori nichts.“ „Nichts Ungewöhnliches, Lord Sesshoumaru.“ Die Rabendämonin strich sich unwillkürlich durch das schwarze Haar. Ah, da lag der Vogel begraben und Hasu wollte damit nicht raus. Vermutlich fürchtete sie ihren Ehemann. So erklärte der erfahrene Ermittler leise: „Lady Hasu, entweder Ihr sprecht mit mir darüber oder mit Lord Karasu. Ich ermittle auf seinen Wunsch.“ Die Dame zupfte unwillkürlich an ihrem roten Kimono und warf erneut einen Blick beiseite. Da sie den Hausherrn aber im halblauten Gespräch mit dem Hundefürsten entdeckte, murmelte sie: „Nun, er pflegte immer zu sagen, dass er sehr erfreut sei, mir diesen Dienst leisten zu dürfen. Und froh darüber sei, dass er nicht dem Bann unterliegt. Wie es mir gehe....So in etwa. Die Strecke ist nicht sehr weit.“ „Und auf dem Rückweg?“ „Ori bedankte sich für den angenehmen Ausflug und meinte noch, es freue ihn zu sehen, wie gut er mir getan hatte.Ich sähe nach diesen Flügen stets so...ja, er sagte, ich sähe schön aus. Aber das hatte nichts mit dem Fluch zu tun.“ Nein? Sesshoumaru dachte kurz nach, ehe er weiter fragte: „Die Damen warteten und schlossen sich Euch an. Dann ging Ihr in Eure Gemächer und Ori blieb draußen im Vorraum. Als Ihr kamt – war da ein Wächter im Vorraum?“ „Ja, ein junger Krieger, der sich vor mir und dann auch vor Ori verneigte, und dann auch wartete, bis wir weiter gegangen waren. Sie...ich denke, sie schätzten ihn alle.“ Sie atmete durch und blickte zu dem jungen Hundedämon auf: „Ichigo sagte mir, dass er sich selbst getötet hat, weil etwas gestohlen wurde für das er die Verantwortung trug, und das Ganze ein schrecklicher Irrtum gewesen sei, weil es ja gar nicht gestohlen wurde. Stimmt das?“ „Es sieht nach Selbstmord aus, ja, Lady Hasu.“ Er sah beiseite: „Hotaru!“ Das Küken, das neugierig zwischen den beiden Gruppen hin und hergesehen hatte, ohne die leisen Gespräche zu verstehen, sprang so hastig auf, dass es fast purzelte. Kaum ging es ihm an die Federn schon lernte wer dazu: „Geh zu Hibari, eurem Heiler. Ich will ihn sprechen.“ „Äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Hotaru wäre um ein Haar davon gestürzt, bedachte dann, dass der Herr der Vögel und der Hundefürst auch noch anwesend waren und verneigte sich hastig vor diesen: „Äh, ich darf...?“ „Ja,“ erwiderten beide gleichzeitig, ehe sich ihre fragenden Blicke trafen. Dieses vorlaute Kind schien Respekt – oder eher Angst - zu haben, obwohl keine Verletzung vorlag. Und beide beschlossen getrennt voneinander da mal nachzuhaken, später, wenn alles abgeschlossen war. Sesshoumaru wandte sich unterdessen wieder der Dame zu. Lady Hasu erkannte, dass es ihr bedeutend lieber gewesen wäre, wenn diese seltsamen Hundeaugen sie nicht derart fixiert hätten. Sie kam sich fast wie Beute vor. Und das, obwohl dieser Halbwüchsige ja offenkundig nicht auf ihren Fluch reagierte. Was war das nur für ein unheimlicher junger Mann? Seine Eisigkeit dachte an den Zwischenfall in der Heilerschule. Menschen zumindest mussten sich nicht in jemanden verlieben, es gab auch andere Möglichkeiten. Womöglich galt das auch für diese eigenartigen Vögel: „Lady Hasu, wäre es möglich, dass Ori zwar nicht Eurem Fluch unterlag, aber dennoch für Euch schwärmte?“ „Ich...ich kann mit diesem Wort nichts anfangen, Lord Sesshoumaru,“ gestand sie dann: „Ihr meint, dass er mich mochte ohne dem Fluch zu unterliegen? Nein, er blieb immer schicklich, und wahrte meine Ehre und die Lord Karasus. Wirklich. Es kam nie zu einem Zwischenfall, auch nur im Mindesten.“ Das schloss sich nicht aus, unbedingt. Diese Piemätze hatten anscheinend unter ihren Kopffedern einige Ideen ausgebrütet, auf die kein anderer Dämon kam. Und da musste er nur an Buki und Chokawa denken. Aber er neigte höfisch den Kopf: „Ich danke Euch, Lady Hasu.“ „Ihr....schweigt?“ „Mein Auftrag lautet den Grund für Oris Tod herauszufinden. Genau das werde ich tun.“ „Danke.“ Das war immerhin das Versprechen sie und ihre Damen nicht bei Lord Karasu hinzuhängen, sofern es nicht notwendig war. Und das wagte Lady Hasu doch zu bezweifeln. So verneigte sie sich höflich und schritt hinüber zu ihrem Angetrauten und dessen hochrangigem Gast, wo sie sich erneut verbeugte. Sesshoumaru wandte sich ab und trat zum vergitterten Fenster, dabei Gastgeber und eigenem Vater den Rücken zukehrend. Zur Hölle mit der höfischen Etikette! Was war hier passiert? Der Mord an Buki hatte sich als Selbstmord mit Hilfe des dümmsten Freundes aller Zeiten entpuppt. War der Selbstmord Oris nun ein Mord? Hatte Buki sein Vorbild ermordet? Nach Lady Hasus Aussage waren sie und ihre Damen gegangen, während die beiden Krieger allein im Vorraum blieben. Gehört konnten die Damen praktisch nichts haben. Buki hatte den Vogelstein zu diesem Zeitpunkt vermutlich an sich verborgen. War das Ori aufgefallen? Wie hatte dieser törichte Junge den Stein nur zurückbringen wollen? Chokawa wusste dazu ja nur, dass er einen Plan hatte. Buki und ein Plan...nun, immerhin hatte der den Vogelstein ja auch stehlen können. Die Rückgabe spielte letzten Endes ja auch keine Rolle. Mehr, zumindest. Chokawa als zweifachen Mörder konnte er praktisch ausschließen. Erstens hatte der nichts im Vorraum zu suchen und der wachsame Ori wäre misstrauisch geworden, hätte Abwehrverletzungen. Zweitens jeder Mörder, gleich was für ein Narr er sonst war, hätte doch versucht Bukis Tod als Selbstmord dastehen zu lassen und nicht umgekehrt. Das war eine gedankliche Schlinge. Er kam nicht weiter. Und im Prinzip würde auch Hibari ihm jetzt nicht mehr weiterhelfen können. Sollte das der erste Fall werden in dem er versagte? Ausgerechnet bei diesen Piepmätzen und vor den Augen seines verehrten Vaters? Mühsam unterdrückte er das seltsame, unangenehme Gefühl, das sich in ihm breitmachte. Nüchtern und logisch bleiben, das war alles. Immer rational bleiben, das hatte ihm nicht nur sein Vater sondern auch sein Lehrer für Strategie stets gesagt. In einer Schlacht war es wichtig aus Andeutungen logische Schlüsse zu ziehen und diese wohlüberlegt umzusetzen. Welcher Gedanke hatte ihn da gerade gestreift, so rasch, dass er ihn nicht zu fassen vermochte? Logik, Strategie.... Er wandte sich um. Tatsächlich war soeben der Heiler hereingekommen und verneigte sich tief vor dem eigenen Herrn und dem der westlichen Gebiete. Lady Hasu war verschwunden. „Gehe zu Lord Sesshoumaru,“ wies ihn Lord Karasu an. Hibari gehorchte und verneigte sich, ließ sich dann aber lieber zu Boden sinken und wartete. In der Miene dieses Halbwüchsigen lag etwas Mörderisches und er hoffte nur nicht derjenige zu sein, der diesen Zorn hervorgerufen hatte. „Ori – definitiv Selbstmord?“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Keine Abwehrverletzungen, der Einstich verläuft nach oben....“ Immerhin verstand der was von seinem Fach. „Buki, auch Selbstmord?“ „Vermutlich. Auch bei ihm zeigen sich keine Abwehrverletzungen. Allerdings bitte ich zu bedenken, dass ich erst einen Hocker holen musste...“ „Das ist geklärt,“ geruhte Seine Lordschaft zu sagen, da ihm eine Idee kam, wo sein eigener Fehler gelegen haben könnte. Ja, Logik und Strategie. „Sind Selbstmorde unter Vögeln recht häufig?“ „Unter Kriegern, Euer Lordschaft.“ Oder was diese jämmerlichen Dämonen dafür hielten. Hm. Das sollte Vaters Verhandlungen jetzt wirklich erleichtern. Lord Karasu war kaum in der Lage Chokawa, Buki und wohl auch andere zu erklären. Nun gut. Zum Glück hatte er selbst ja nur ermitteln sollen was geschehen war, nicht, wer der Mörder war, sonst könnte es doch noch unangenehm für ihn enden. „Wo ist Hotaru?“ „Er...ich denke, er wartet vor der Tür, Lord Sesshoumaru. Soll ich ihn hereinschicken?“ Da das natürlich erst gelingen würde, wenn er selbst gehen durfte, erkannte der Heiler entsetzt, wenn auch verspätet, dass er sich gerade eigenmächtig verabschiedet hatte, ein bei einem Prinzen durchaus schmerzhafter Fehler. Aber Sesshoumaru schüttelte nur ein wenig den Kopf, ehe er hinüberblickte: „Falls Ihr ihn nicht zwingend benötigt, verehrter Vater, kann er zu Hato gehen.“ Das bedeutete wohl die Aufklärung der Zwischenfälle, dachte der Inu no Taishou befriedigt. Doch, diesbezüglich war auf seinen Sohn Verlass. Und dieser bedachte inzwischen sogar, dass das Küken nicht alles mitbekommen musste. Obwohl Hotaru ungemeinen Respekt vor Sesshoumaru zeigte, hatte der ihn wohl nicht zu hart bestraft. Gut. „Richte ihm das aus, Hibari.“ Als die drei Herren unter sich waren, sah der Hundefürst zu seinem Sprössling: „Du weißt, was geschehen ist.“ Darin lag keine Frage. Ein wenig geschmeichelt darüber neigte der Dämonenprinz etwas den Kopf, was der Schlossherr zum Anlass nahm zu sagen: „Bitte, setzen wir uns doch, ehe Lord Sesshoumaru zu berichten geruht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)