Stumme Sehnsucht von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Auftrag ------------------ Schatten huschten durch die Nacht, schnell und unauffällig. Die Dunkelheit war der beste Schutz für sie. Leidenschaftliche Revolutionäre, richteten ihre Gewehre auf alles, was sich bewegte. Die Männer fürchteten um ihre Frauen und Kinder, denn zu viele waren bei dem Sturm auf die Bastille ums Leben gekommen. Die Bevölkerung war schutzlos. Jeden Tag konnten, im Auftrag der Königsfamilie, neue Truppen in Paris einziehen. Grand lief durch das nächtliche Paris. Unterschwellig kroch aus den Gassen der Geruch nach Blut und Verderben. Er konnte die Menschen verstehen. Aber sein Zorn über die Gewaltausübungen von Seiten des Königs, war nichts gegen den Zorn den er für Robespierre empfand. Doch er war ihm verpflichtet und so befolgte er auch diese Nacht dessen Anweisungen. Mit starrem Blick und angespannten Körper folgte er Jean-Luc über den Place St. Denis. Grand wusste, wohin es in diese Nacht ging, aber er stand ihrem Ziel mit gespaltenen Gefühlen gegenüber. Jean-Luc suchte die Umgebung mit konzentriertem Blicke ab, um zu vermeiden erkannt zu werden. Diese Nacht wirkte Paris trügerisch ruhig. Ohne es zu bemerken, waren beide Spitzel an ihrem Auftragsort angekommen. Grand rempelte gegen seinen Begleiter, als dieser plötzlich stehen blieb. "Pass doch auf! Wir müssen leise sein...", zischte Jean-Luc. "Merdé, er ist zurückgekehrt. Robespierre hatte unrecht." Er kniff unwillig die Augen zusammen. Grand blickte ihn verständnislos an. Erst als er auf das prunkvolle Haus vor ihnen blickte, begriff er Jean-Luc's Worte. Eine Kutsche stand auf dem Hof und man hatte Kerzen in den Laternen, entlang des Weges zur Villa entzündet. Aber es schien, als schliefen immerhin seine Bewohner. "Von wegen unbewohnt ..." brummte der blonde Spitzel. "Wir werden unseren Auftrag dennoch erfüllen; egal ob sich, dieser Hurenbock, Bettwärmer der verdammten Österreicherin noch immer in der Stadt aufhält oder nicht. Robespierre wird keine Verzögerungen dulden. Aber der Schönling verdient meinen Respekt. Das er in Paris bleibt, hätte ich ihm wirklich nicht zugetraut. Wenn die Bevölkerung seine Anwesenheit in Paris bemerkt, und glaube mir, ich werde dafür sorgen, dass sie es bemerken werden, dann muss er nicht nur um sein hübsches Haus, sondern noch mehr, um sein hübsches Gesicht bangen." Er lachte grimmig, ging voraus und ließ einen entsetzten Grand zurück. Wenn dieser loyale Spitzel von Robespierre etwas derartiges voraussagte, dann trat dies meist ein. Auch wenn man es nicht glauben wollte, aber Jean-Luc besaß mehr Macht, als man ihm eigentlich zugedacht hatte, denn er hatte eigene Spione im Untergrund, die nur zu Tage traten, wenn er es für richtig hielt. Und er wusste diese in richtigen Momenten einzusetzen. Grand wusste nun, was er zu erledigen hatte. Er hatte soeben einen neuen Auftrag erhalten...von seinem Gewissen. Er musste seinen einstigen Freund warnen. Auf der Rückseite der Villa öffneten sie eine Tür. Die langen Umhänge hinterließen schleifende Töne, als sie etwas gebückt in das Haus eintraten. Drinnen war alles still und dunkel, nur schwer konnte man die Umrisse einzelner Gegenstände ausmachen. Die beiden Einbrecher merkten, dass der Hintereingang direkt in die Küche führte. Doch das war nicht ihr Ziel. Schnell fanden Jean-Luc und Grand eine Anschlusstür, durch welche sie in die eigentliche große Eingangshalle gelangen konnten. Hier konnten sie mehr erkennen, denn durch hohe Fensterbogen fiel das kalte Licht des Mondes direkt auf den Marmorboden der Halle. Es bestätigte sich, dass das Haus aus zwei Etagen bestand. Inmitten des Nachtlichts, das durch die Kristallscheiben schien, erblickte Grand eine Treppe, welche sich an der rechten Seiten, die Wand entlang zum zweiten Stock hinauf führte. Von der Galerie führten die Räumlichkeiten des Hausherren ab. Die Bediensteten ruhten in den unteren Räumen. Jean-Luc stieg bereits die Treppe hoch, um in die oberen Gemächer zu gelangen. Grand blieb keine weitere Zeit sich näher umzusehen. Er folgte Jean-Luc. Nun hieß es Vorsicht über alles andere zu stellen. Sie mussten das Arbeitszimmer ausfindig machen. Dies bedeutete alle Türen zu öffnen, auch wenn sich dahinter schlafende Bewohner befanden. Doch bereits die erste Tür öffnete sich zu dem gesuchte Zimmer. "Wir haben Glück," flüsterte der blonde Spion, mehr zu sich selbst, als zu Grand. Er nickte ihm kurz zu. Das Zeichen, dass Grand seine gewohnte Aufgabe übernehmen sollte; Obacht zu halten und Jean-Luc bei der Erfüllung des Auftrages zu schützen, indem er ihn vor ungewöhnlichen Geräuschen oder sonstiges warnte. Meist tat er dies, indem er dann schlicht kurz mit dem Schuh auf dem Boden klopfte. Dies war dann das Zeichen für Jean-Luc, dass sich Gefahr näherte. Er verschwand im Zimmer. Grand ahnte was folgen würde. Der Hausherr würde später sein Gemach nicht wiedererkennen. Grand schlich sich weiter, weg von seinem Begleiter, der sich voll und ganz seiner Aufgabe widmete. In der oberen Etage war es noch dunkler als unten. Bald verschluckte ihn die Finsternis. Grand konnte kaum seine Hand vor Augen sehen. Plötzlich wurde er zurückgerissen. Ein Arm schlang sich hinten um seinen Hals und hielt ihm einen Dolch an die Kehle. "Wer seid Ihr und was sucht Ihr hier? Sprecht rasch, wenn Ihr nicht wollt, dass diese Klinge zum Einsatz kommt!" zischte es in Grands Rücken, kaum hörbar. Trotzdem erkannte Grand die Stimme gleich. "Nehmt den Dolch runter, Graf von Fersen, wenn Ihr eine Auseinandersetzung mit meinem Begleiter vermeiden wollt ... Er könnte Euch hören!" Auch von Fersen erkannte die Stimme seines Gefangenen und gab ihn frei. Verblüfft sah er Grand an. "Von Fersen, hört mich an," hauchte Grand und versuchte das Gesicht seines Gegenüber in der Dunkelheit auszumachen. "Ihr befindet Euch in größter Gefahr. Man weiß jetzt, dass Ihr Euch noch in Paris aufhaltet. Ihr müsst die Stadt, am besten gleich das Land verlassen! Ihr seid hier nicht sicher." Hans-Axel von Fersen sah lediglich verwirrt drein. André hätte er nicht als nächtlichen Einbrecher erwartet. Das ergab keinen Sinn. "Was tut dieser Mann in meinen Gemächern? Und was tut Ihr hier, André?" "Er sucht nach Briefen oder sonstigen Schriftstücken, die Euch mit Marie Antoinette in Zusammenhang bringen könnten...," Grand überging die letzte Frage. "Ich hoffe, dass Ihr keine Schriftstücke in Eurem Arbeitszimmer aufbewahrt oder überhaupt noch darüber verfügt." "Ich bewahre sie an einem sicheren Ort auf...," Grand unterbrach ihn. "Nein, von Fersen, kein Ort ist zur Zeit sicher. Befolgt meinen Rat und vernichtet alles was Euch an die Königin erinnert! Bilder, Briefe oder Schmuckgegenstände, die Ihr in früherer Zeit von Ihrer Majestät erhalten habt. Ihr seid ein offenes Buch für das französische Volk! Vermeidet, dass es die Liebesbeziehung wirklich beweisen kann und verlasst Paris!" Grand fuhr zusammen, denn er hatte Geräusche aus dem Zimmer, in dem sich Jean-Luc befand, vernommen. Er schien fertig zu sein und wenn er von Fersen und ihn so vorfinden würde, wären sie beide in tödlicher Gefahr. "Versteckt Euch!" "Andre? Ich hörte, dass Oscar verstorben ist. Es tut mir leid. Sie war ...," die körperlose Stimme des Grafen brach. ".. warum sie? Oh Gott, gebe mir etwas von ihrer Stärke!" Grand schwieg. Seine Augen im Halbdunkeln wurde starr. Er drehte sich abrupt um und beeilte sich wieder in die Nähe der Treppe zu kommen. Fersen flüchtete in den Schatten zurück. Grand schritt an dem Zimmer vorüber, aus welchem Jean-Luc heraustrat. Beide schüttelten lautlos den Kopf, Zeichen, dass sie nichts gefunden hatten. Es war Zeit die Villa wieder zu verlassen. Als sie die Treppe hinunterschlichen, betete Grand, dass es von Fersen schaffte, die Stadt sicher zu verlassen. Graf Hans Axel von Fersen war ein edler Mensch, auch wenn lange Zeit der Schmerz, Oscars Zuneigung bei ihm zu wissen, tief saß und Risse durch sein Herz zog. Grand wusste, dass er ihn niemals wiedersehen würde. So, wie sie das Anwesen von Graf von Fersen betreten hatten, so verließen sie es auch wieder, wenn auch nicht so unbemerkt, wie es Jean-Luc annahm. Was keiner der beide bemerkt hatten, war dass sie seit dem Place St. Denis verfolgt wurden. Im Schatten einer riesigen Birke verborgen, wartete jemand auf ihre Rückkehr. ...Jemand der André erkannt hatte. *** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)