Schmerzliche Wahrheit von Lilithen ================================================================================ Kapitel 1: Verleugnung ---------------------- Schmerzhaft trafen die lauten Stimmen der Mitschüler auf sein Trommelfell. Wie man so laut durch den Tag gehen konnte, war dem jungen Mann schleierhaft. Denn es war, um es mehr als nur gelinde auszudrücken, nervtötend. Von überall her ertönte die Frage, was am Wochenende bei wem stattfand, und ob man sich möglicherweise einklinken könnte. Am liebsten hätte der Schwarzhaarige seine Sachen gepackt und wäre gegangen. Aber so etwas tat ein Uchiha nicht, niemals. Also war alles was ihm übrig blieb, genervt in den Raum zu starren und zu atmen. Diese Taktik hatte bis jetzt immer geholfen die Anderen auf Distanz zu halten. Jeder hielt sich an die unausgesprochene Warnung, aber wie so oft im Leben gab es auch hier eine Ausnahme. Ohne Zögern näherte sich sein blonder Sitznachbar, der gerade noch in der ersten Reihe mit Hinata geredet hatte. Kurz bevor er den Schwarzhaarigen erreicht hatte, schnappte er sich seinen Stuhl. Gekonnt drehte er diesen und ließ sich rittlings darauf fallen, seine Arme sicher auf der eigentlichen Rückenlehne gestützt. „Was machst du am Wochenende?“ Jeden Freitag in der letzten Stunde, stellte Naruto ihm die selbe Frage. „Ich habe keine Zeit.“ Und jeden Freitag bekam er von Sasuke die selbe, monotone Antwort. Für gewöhnlich beließ der Blauäugige es dann dabei, aber nicht heute. „Wir haben die komplette nächste Woche frei, du wirst ja wohl einen Tag Zeit haben“, empörte sich sein Nebenmann. „Nein.“ „Nächstes Wochenende? Bitte!“ Überrascht sah der Uchiha in die bettelnde Miene des Blonden. „Es ist Halloween“, wurde er voller Vorfreude aufgeklärt und es fiel Sasuke wirklich schwer, sich nicht von dem breiten Grinsen des Chaoten anstecken zu lassen. „Na und? Willst du, dass ich mich mit dir als Pirat verkleide und wir Süßigkeiten sammeln?“ „Also wirklich, wenn dann schon als Ninja und auch nur, wenn du das Zeug auch isst.“ Sofort breitete sich einen unangenehme Gänsehaut auf seinem Körper aus und ließ ihn kurz frösteln. Eine Reaktion, die der Blonde mit einem Auflachen quittierte. Sasuke mochte kein Süßes und das wusste Naruto genauso gut wie er. „Wie klingen Horrorfilme und gesalzenes Popcorn?“ „Gut.“ „Super, dann um 20 Uhr bei mir!“ Triumphierend warf der Ältere seine Faust in die Luft. „Nein“, kam es tonlos über die feinen Lippen des Uchiha. Egal wie verlockend das Angebot auch klang, er konnte wirklich nicht. „Du kannst auch bei mir schlafen.“ Sanft strichen die dunklen Haarspitzen seine Wange, als er verneinend mit dem Kopf schüttelte. „Mein Vater kommt heute von seiner Geschäftsreise zurück.“ Nebensächlich fand der erhobenen Arm des Uzumaki den Weg zurück auf die Holzkante. Verschwunden war jeder Hauch der anfänglichen Euphorie. „Halloween ist nächsten Samstag, Sasuke.“ „Ich weiß, aber wir wollten -“ , weiter kam er nicht. „Einen Ausflug machen?“, beendete Naruto für ihn den Satz. Auch wenn die Worte des Uzumaki ungewöhnlich hart klangen, konnte er ihm nicht böse sein. Sie waren schon immer die besten Freunde gewesen. Damals als Nachbarskinder, dann zusammen im Kindergarten, bis in die Schulzeit. Egal ob Wünsche oder Ängste, es hatte nie Geheimnisse zwischen ihnen gegeben. Sie hatten sich immer alles erzählt. Das waren die Zeiten, die Sasuke immer am meisten gemocht hatte. Weil er die Gewissheit hatte mit jemanden reden zu können, der ihn verstand. In all den Jahren war der Uchiha nicht ein einziges Mal vom Älteren belächelt worden. Deshalb hatte er sich auch gefreut, als der Uzumaki ihm erzählt hatte, dass er sitzen bleiben würde. Nicht auf die gehässige Art, sonder für sich selbst. Denn es bedeutete, dass sie sich öfter sehen würden. Nicht nur in den Pausen und den wenigen Momenten zwischen seinen Lernphasen. Sasuke hatte sich wirklich gefreut. Aber nun war es anders. Er freute sich nicht mehr über den neuen Klassenkameraden, der ihm schon seit Wochen diesen einen bestimmten Blick zuwarf. Jedes Mal, wenn er ihm absagte. Genau wie heute. Die blauen Augen seines Nebenmannes taktierten ihn. Nicht sein Gesicht, sondern ihn. Es war schwer zu beschreiben, aber es schien so, als wären sie wieder Kinder. Nur sie beide, allein auf dem harten Boden in seinem Zimmer, kurz nachdem klar war, dass Itachi nicht wieder nach Hause kommen würde. Es war diese leise Ahnung, dass der Andere wusste was los war, ohne dass man selbst irgendetwas sagen musste. Und so sehr er sich damals an dieses Gefühl geklammert hatte, so sehr engte es ihn nun ein. Der Uzumaki würde es nicht verstehen, nicht dieses Mal. Wie auch? Sasuke verstand es ja selber noch nicht einmal. Zweifelsfrei würde sein Freund die Situation jedoch missverstehen, sie aufbauschen und ihr Eigenschaften zuordnen, die an den Haaren herbei gezogen wären. So war Naruto nun einmal, ein überfürsorglicher Vollidiot, der nichts auf sich beruhen lassen konnte. Kaum merklich zuckte der Schwarzhaarige zusammen, als das laute Klingeln der Schulglocke sich über die Stimmen seiner Mitschüler hinwegsetzte. Es war Wochenende. So wie jeden Freitag nach der sechsten Stunden. Er würde nach Hause gehen, wie jeden Tag. Nur, dass es diesmal nicht für ein paar Stunden, sondern für neun Tage war. Dieses Mal würde er es nicht so leicht verstecken können. Und auch, wenn es schon zur Gewohnheit geworden war Naruto anzulügen, wünschte sich ein kleiner Teil von ihm, dass er es nicht getan hätte. Aber dafür war es jetzt zu spät. Er war gerade dabei aufzustehen und nach seiner Tasche zu greifen, als der Blonde nach seinem Handgelenk griff „Ich bin da.“ Sasuke wusste nicht, ob es an den Worten oder an dem Blick lag, der sich in seine Schulter bohrte, aber es tat weh. Nicht körperlich, aber irgendwo tief in ihm riss etwas auf und erschwerte ihm das Atmen. Nur ein kleiner Kratzer, von dem er genau wusste, dass er schlecht war. Denn er war ein Uchiha und in dieser Familie gab es keine Schwachstellen. Heftig riss er sich los, bemerkte sehr wohl, dass Naruto unter der Wucht leicht nach vorne gezogen wurde. „Es geht mir gut.“ Damit schnappte er sich seine Tasche und ging zu Tür. Die überraschten Blicke der Anderen blendete der Schwarzhaarige aus. Sie sahen ohne hin nicht ihn an, sondern achtete nur auf den Blonden, der ihm lautstark folgte. „Genauso gut wie letzten Monat, als dein Arm gebrochen war?“ Die Stimme des Uzumaki war viel zu nahe. „Oder davor, als du dir beim Klettern das Knie verletzt hast?“ Sie hatten schon lange das Schulgelände hinter sich gelassen. Sie befanden sich nun auf einem schmalen Pfad, zwischen einzelnen Wohnhäusern. Aber das machte es nicht besser. Fest biss Sasuke sich auf die Unterlippe, beschleunigte seinen Schritt in der Hoffnung Naruto dadurch abhängen zu können. „Nicht zu vergessen deine Rippenprellung, weil-“, kurz unterbrach der Blauäugige seine Ausführung, „Ach was weiß ich weswegen!“ Wütend trafen die Worte auf sein Gehör, lenkten ihn kurz von der unangenehmen Enge in seinem Hals ab. „Denkst du ich bin bescheuert? Nur weil ich die Klasse wiederhole, heißt das nicht, dass ich dämlich bin.“ Er ignorierte es. Versuchte es wirklich, aber der nächste Satz traf ihn direkt. „Was meinst du würde Itachi davon halten?“ ~ Laut hallte die Frage in seinem Kopf wieder, während er ausdruckslos in die Schwärze seines Zimmers blickte. Es war Montag, vor drei Tagen hatte er sich all das von Naruto anhören müsse. Und vor genau drei Tagen hatte er den Blonden, für den Namen Itachi, ins Gesicht geschlagen. Es war dem Uchiha egal gewesen, dass sein bester Freund danach auf dem Boden gehockt und mit dem Handrücken versucht hatte sein Nasenbluten zu stoppen. Der Uzumaki hatte es verdient, voll und ganz. Warum also fühlte er sich schlecht? Hastig versuchte er den Kloß in seinem Hals runter zu schlucken und musste bei dem metallischen Geschmack, der sich auf seiner Zunge ausbreitete, einen angewiderten Laut unterdrücken. Was würde er davon halten, dass es dir ganz und gar nicht gut geht? Immer und immer wieder hörte er die Stimme seines Freundes, sah ihn direkt vor sich, wie er auf dem Boden kniete, ihn ansah und ihm genau diese Frage stellte. Warum konnte er das alles nicht vergessen? Ein unangenehmes Brennen schlich sich in seine Augen. In dem verzweifelten Versuch die aufkommenden Gefühle zu verdrängen, biss er sich mit aller Kraft auf die Lippe. Itachi würde es nicht wissen, selbst wenn er hier wäre. Denn es würde ihn kein Stück interessieren. Es hatte seinen Bruder nie interessiert, wie es ihm ging. Die Arbeit war immer vorgegangen, alles war vorgegangen. Ein anderes Mal, Sasuke. Frustriert musste der Schwarzhaarige feststellen, wie sich die ersten feuchten Bahnen auf seine Wangen zogen. Verbissen versuchte der er seine Atmung wieder zu normalisieren. „Ich kann nichts dafür.“ Sanft wurden ihm die Worte ins Ohr geflüstert, bevor rauen Lippen auf seinen Hals gedrückt wurden. Augenblicklich versteifte sich der schmale Körper. „Ich weiß“, kam es brüchig über die Lippen des Schülers. „Du siehst ihr so ähnlich.“ „Ich weiß.“ „Du fühlst dich sogar an wie sie.“ Der tiefe Bass klang verzweifelt. „Ich weiß.“ Fest wurde er an der Schulter gepackt und auf den Rücken gedreht. Das Rascheln der Decke wirkte in dem dunklen Raum viel zu laut. „Dafür liebe ich dich.“ Sanft strichen die breiten Finger die frischen Tränenspuren beiseite. „Ich weiß, Otou-San.“ Unaufhaltsam wanderten die Finger weiter, vorbei an der feinen Kinlinie, bis hin zum blassen Hals. Genau an die Stelle, wo gerade noch seine Lippen gewesen waren. Der anfänglich sanfte Druck wurde stärker, schmerzhaft. Erneut ertönte der leise Ton von aufeinander reibenden Bettwäsche, als Fugaku sein Gewicht verlagerte, um über ihm knien zu können. Sasuke wurde schlecht bei dem Gedanken, dass es für heute noch nicht vorbei war. Aber er würde es ertragen, so wie er es immer tat. Denn es war seine Schuld, dass sein Vater so war. Wenn er nicht so ein Egoist gewesen wären, hätte sich seine Mutter nie in das Auto gesetzt, um ihn abzuholen. Sie hätte weiter das Essen gemacht und wäre nicht zu schnell gefahren. Sie hätte nicht das Auto übersehen, wäre nicht von der Straße abgekommen. Der Schwarzhaarige hätte einfach nur die halbe Stunde laufen müssen. Denn dann wären sie alle noch da. Seine Mutter, Itachi und den Vater den er kannte. Aber das waren sie nicht und das war ganz allein seine Schuld. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)