Initiationsriten von herzausglas (Wichtelgeschichte für Ren_Koumei) ================================================================================ Kapitel 1: One-Shot ------------------- Das Hotel, in dem Sam und Steve für die Nacht abgestiegen waren, war noch schlechter als das in dem sie die vorherige Nacht verbracht hatten. Die Suche nach Steves verschwundenen Freund aus Kindheitstagen alias Hydras Geheimwaffe Winter Soldier zog sich jetzt schon seit einigen Monaten durch mehrere Bundesstaaten Amerikas. Sam hatte nicht erwartet, dass sie besonders schnell voran kommen würden. Ihre Ressourcen waren mehr als begrenzt, nicht zuletzt dadurch, dass Steve möglichst wenig Leute in ihr Vorhaben eingeweiht hatte. Davon abgesehen wunderte es Sam nicht, dass der Winter Soldier es ihnen nicht ganz einfach machte. »Wann will sich Sharon mit dir treffen?«, fragte Sam und warf seine Reisetasche auf das linke Bett. Wahrscheinlich gab es hier Bettwanzen und Kakerlaken und ähnlich eklige Viecher. Nicht, dass er da empfindlich wäre, er hatte im Krieg fast täglich neben Ratten geschlafen (sowohl wortwörtlich als auch metaphorisch). »In einer halben Stunde. Und ich hab ihr gesagt, dass wir beide kommen.« Steve stellte seine Tasche neben das andere Bett und schaute danach probeweise in das kleine Badezimmer. »Hier sieht es schlimmer aus, als in einer Militär-Baracke.« »Das überrascht mich überhaupt nicht«, antwortete Sam etwas lauter damit Steve ihn auch im Bad verstehen konnte. »Von mir aus kannst du dich auch alleine mit ihr treffen. Wäre es sicher gut für dich mal mit jemand anderem Zeit zu verbringen. Und dann auch noch mit so einer netten Dame.« Steve steckte den Kopf aus der Badezimmertür und musterte Sam mit gerunzelter Stirn. »Hast du Agent Carter schon mal getroffen? Nein, warte, lass mich raten: Natasha hat dich beauftragt ihre Kuppelversuche stellvertretend für sie weiterzuführen, oder?« »Alter, war das echt so offensichtlich?« Sam unterdrückte den Impuls eine beleidigte Schnute zu ziehen. »Du könntest wenigstens so tun, als würdest du ein Date in Betracht ziehen. Wer weiß, was Natasha mit mir anstellt, wenn ich ihr keine Ergebnisse vorlege!« Steve verdrehte als Antwort nur gespielt genervt die Augen. --- Sam hatte eine Sonnenbrille aufgesetzt um inkognito zu bleiben, doch wenn man mit Captain America durch die Gegend lief machte das eigentlich kaum noch einen Unterschied. Zwar hatte Steve seinen Schild nicht dabei, aber er wurde trotzdem von Fußgängern erkannt als sie auf dem Weg zu ihrem Treffpunkt mit Agent 13 waren. Die Bar, die Sharon ausgesucht hatte, lag in Brooklyn, wo Steve sich anscheinend recht gut auskannte. Sam wäre total aufgeschmissen gewesen, weil er sich zum ersten Mal in New York befand. Eine Veteranenrente allein reichte nicht um durch mehrere Bundesstaaten zu reisen. Am Treffpunkt angekommen dauerte es nicht lange bis sie Agent Carter an einem Tisch an der Wand entdeckt hatten. Sie trug eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt, ihre blonden Haare hingen ihr offen über die Schultern. Irgendwie hatte sich Sam einen ehemaligen SHIELD-Spion anders vorgestellt, aber sie war sicher sehr begabt darin ganz normal auszusehen. Als sie Sam und Steve reinkommen sah stand sie auf und hielt Sam zur Begrüßung die Hand entgegen. Sie stellten sich kurz einander vor, dann wandte sich Carter mit einem Nicken und »Captain« an Steve. Sie setzten sich alle zusammen an den kleinen Tisch. Steve räusperte sich verlegen. »Danke, dass du dich so kurzfristig mit uns treffen konntest. Wir sind für jede Hilfe dankbar, die wir kriegen können.« Agent Carter lächelte. »Bedanken könnt ihr euch, wenn die Informationen euch überhaupt weiterhelfen können. Und dafür kann ich nicht garantieren.« »Was machst du denn so seit SHIELD-«, setzte Sam an und war sich nicht ganz sicher, wie genau er die Umstände von SHIELDs Zerstörung in einer normalen Unterhaltung unterbringen sollte. »Na ja, du weißt schon.« »Erst mal wurde ich von lauter Regierungsleuten ins Kreuzverhör genommen. Einige Gerichtsverhandlungen laufen auch immer noch, deshalb muss ich morgen früh zurück in DC sein.« Carter hielt inne als eine Kellnerin zu ihnen an den Tisch kam und drei dampfende Tassen vor ihnen abstellte. »Aber ich bin nicht arbeitslos, falls du darauf hinaus wolltest. Es gibt schließlich noch andere... spezielle Arbeitgeber, die nach fähigen Leuten suchen.« »Was hast du denn für uns?«, fragte Steve nachdem die Kellnerin wieder verschwunden war und Sam konnte einen leicht ungeduldigen Unterton in seiner Stimme hören. Wahrscheinlich ging er im Stillen schon alle möglichen Phrasen durch mit denen er hoffte bei seinem früheren Freund Erinnerungen wecken zu können. »Seit es SHIELD nicht mehr gibt arbeite ich auf eigene Faust daran die verbliebenen Überreste von Hydra ausfindig zu machen. Dass alle SHIELD-Akten ins Internet gestellt wurden vereinfacht die Sache leider nur geringfügig. Hydra hat zumindest auf dem Papier kaum Spuren hinterlassen.« Sharon beugte sich verschwörerisch zu Sam und Steve herüber und senkte die Stimme. »Doch ich bin durch Zufall auf ein paar Gebäude aufmerksam geworden, die definitiv nicht zu SHIELD gehören. Es handelt sich vermutlich um Treffpunkte von Hydra-Agenten.« »Was hat das mit unserem... Freund zu tun?«, fragte Sam im Flüsterton. »Jemand hat diese Gebäude und die verbliebenen Informationen, die gegebenenfalls noch dort gelagert wurden, dem Erdboden gleichgemacht. Die meisten der Häuser sind komplett ausgebrannt und müssen bald abgerissen werden, da sie nun einsturz gefährdet sind. Ich denke, dass jemand den Auftrag bekommen hat alles zu Nichte zu machen, das die nächsten Schritte von Hydra enthüllen könnte.« Sam bedachte Steve mit einem kurzen Seitenblick. Seine Miene wirkte besorgt und ihm schien überhaupt nicht zu gefallen in welche Richtung Sharons Vermutungen gingen. »Ich vermute, dass Hydra einen Sitz oder einen Unterschlupf auf Long Island hat.« »Kannst du uns die Adresse geben?« Agent Carter zog einen kleinen Notizzettel hervor und schob ihn über den Tisch zu Steve. »Viel Erfolg, Captain.« »Dann mal los«, sagte Sam und setzte sich seine Sonnenbrille wieder auf. »Noch etwas: es wurden auch verbrannte Leichen in den Häusern gefunden. Unabhängig davon ob es sich tatsächlich um den Winter Soldier handelt, solltet ihr also vorsichtig sein.« --- Für ihren Aufenthalt in New York hatte Sam einen neuen Leihwagen besorgt (von seinem eigenen Auto war nach der Begegnung mit einem gewissen Metallarm nur noch ein Schrotthaufen übrig geblieben) mit dem sie sich nun langsam durch den zähen Feierabendverkehr quälten. Ihr Ziel lag auf Long Island in einem Industriegebiet in der Nähe des LaGuardia-Flughafens. Steve saß auf dem Beifahrersitz und war verdächtig schweigsam. Es war nicht das erste Mal, dass sie einer vermeintlich heißen Spur nachgingen, die sie vielleicht zum Winter Soldier führen könnte und Sam konnte sich nicht vorstellen, wie schrecklich das für Steve sein musste. Wenn er sich vorstellte, dass er seinen besten Freund sterben sah (diesen Teil hatte Sam selbst erlebt und das wünschte er absolut niemandem) und dann die Chance bekam ihn wiederzusehen, doch so verändert und manipuliert... Unweigerlich wurde Sam wieder an den Inhalt der Winter Soldier-Akte erinnert, die Natasha für Steve aus Kiew besorgt hatte. Sam hatte nur die ersten paar Seiten gelesen, die mit Notizen von Forschungsexperimenten gefüllt waren, deren Methoden man nur als Folter bezeichnen konnte. So sehr er es sich auch für Steve wünschte, dass sie Bucky fanden, war er sich gleichzeitig sicher, dass sich niemand von diesen Erlebnissen erholen konnte. Als sie knapp drei Stunden später endlich etwas von ihrem Ziel entfernt anhielten war es bereits dunkel. Das Industriegebiet schien verlassen und das Gelände war weitläufig mit einem Zaun abgesperrt worden. Das große »Zutritt für Unbefugte verboten«-Schild wurde von Sam und Steve einfach ignoriert, als sie über den Zaun kletterten und gebückt zu einem Container schlichen. Von dort aus war auf dem weiten Platz bis zu dem flachen Fabrikkomplex niemand zu sehen. Steve und Sam wechselten einen kurzen Blick bevor sie gleichzeitig hinter dem Container hervorkamen und auf den Eingang des Gebäudes zugingen. Die Tür war mit einem dicken Vorhängeschloss und Ketten gesichert worden, doch das Schloss lag aufgebrochen auf dem Boden. Die schwere Tür quietschte leise, als Steve sie aufschob und einen prüfenden Blick hinein warf. Einige Sekunden später drehte er sich zu Sam um und nickte, bevor er im Inneren verschwand. Wenn Sam gesagt hätte, dass er ein mieses Gefühl bei dieser Sache hatte, wäre das immer noch eine maßlose Untertreibung gewesen. Wahrscheinlich liefen sie geradewegs in einen Hinterhalt. Auch wenn sich alles in ihm dagegen sträubte folgte Sam Steve in das verlassene Fabrikgebäude. Im Inneren erstreckte sich eine große Halle, die mit unzähligen Kisten gefüllt war. Sam vermutete, dass dieser Teil des Gebäudes früher einmal der Lagerung gedient hatte (falls das gesamte Gelände nicht von vorn herein ein geheimer Hydra-Stützpunkt gewesen war). Am Ende der Halle schien ein kleiner, abgegrenzter Raum zu sein, in dem Licht brannte. Genau diese Richtung steuerte Steve zielsicher an und Sam hätte ihn am liebsten mitsamt dem Schild, den er jetzt auf dem Rücken trug, wieder vor die Tür gezerrt und gezwungen das Ganze noch mal zu überdenken und mit Verstärkung zurückzukommen (denn ernsthaft, wofür war Captain America sonst in einem Team mit den Avengers?!). Doch Sam wusste genau, dass eine solche Aktion zu nichts führen würde und es wäre nicht das erste Mal, dass sie bei der Suche nach dem Winter Soldier über mehr oder weniger organisiertes Verbrechen stolperten mit dem sie gut zu zweit fertig wurden. Mit einigen Metern Sicherheitsabstand zu dem beleuchteten Raum versteckten sie sich hinter einigen übereinander gestapelten Kisten. Sam fiel auf, dass jede Kiste mit einem Code aus verschiedenen Buchstaben und Zahlen versehen war. Er hätte gerne eine der Kisten aufgebrochen um sich deren Inhalt anzusehen, doch genau in diesem Augenblick konnten sie von ihrem Versteck aus erkennen, dass zwei Männer den beleuchteten Raum betraten. So plötzlich wie sie aufgetaucht waren ging Sam davon aus, dass der Raum zu einer weiteren Halle führte aus der die Männer gerade gekommen waren. Die beiden schienen in ein Gespräch vertieft von dem Sam auf die Entfernung leider kein Wort verstehen konnte. Als einer der beiden einen Blick über die Schulter in den dunklen Lagerraum warf, erkannte Sam Brock Rumlow, den ehemaligen Anführer von Hydras Strike-Team, bevor er sich hinter die Kisten ducken musste um nicht entdeckt zu werden. Bei dem Chaos im Triskelion hatte Sam schon einmal das Vergnügen gehabt Rumlow näher kennenzulernen (und damit meinte er, dass er ziemlich verprügelt worden war) bis einer der Inside-Helicarrier in das Gebäude gestürzt war. Sam hatte es nur knapp geschafft zu entkommen und war eigentlich davon ausgegangen, dass Rumlow dieses Ereignis nicht überlebt haben konnte. Sam spürte wie sich Steve neben ihm anspannte und Anstalten machte den beiden zu folgen, als sie wieder aus ihrem Blickfeld im beleuchteten Raum verschwanden. Sam packte Steve am Oberarm und sah ihn eindringlich an. »Was?«, zischte Steve und Sam war sich sicher ihn noch nie so wütend gesehen zu haben. »Was-«, setzte Sam ebenfalls an, bevor ihm ein Licht aufging. »Hast du etwa gehört, was sie gesagt haben?« Diese supermenschlichen Fähigkeiten waren echt unfair. Steve guckte einen Moment überrascht, dann nickte er. »Sie erwarten jemanden. Entweder uns oder Bucky.« Damit waren für Sam die letzten Zweifel ausgeräumt, dass sie definitiv mitten in einen Hinterhalt geraten waren. »Nur fürs Protokoll: das ist 'ne echt beschissene Idee«, sagte er und lies Steves Oberarm wieder los. »Aber wenn's unbedingt sein muss.« Steve schenkte ihm ein kurzes Lächeln und stand auf um Rumlow und dem anderen Mann zu folgen. Sam begleitete ihn widerwillig. Es stellte sich heraus, dass der beleuchtete Raum eine Art Büro war, mit einem Schreibtisch auf dem ein alter Röhrenbildschirm mit einem passend antik aussehenden Rechner stand. Daneben stand ein Regal, das mit verschiedenen Aktenordnern gefüllt war. Sam zog wahllos einen heraus und öffnete ihn. Darin waren nur leere Blätter abgeheftet. Soviel zu seiner Vermutung, dass dieses ganze Fabrikgelände nichts weiter war als eine Hydra-Tarnung. Es gab auch noch eine zweite Tür durch die Rumlow und der andere Mann gegangen sein mussten. Als Steve die Klinke herunterdrückte und durch die Tür trat, ging alles so schnell, dass Sam keine Zeit blieb um adäquat zu reagieren. Er hörte wie ein Schuss fiel und sah wie Steve vor ihm zu Boden ging. Unmittelbar danach rammte ihn etwas von hinten und er knallte mit dem Kopf so hart gegen die Wand, dass Sterne vor seinen Augen explodierten. Das letzte was Sam sah, bevor er bewusstlos wurde, war der Metallarm des Winter Soldiers. --- Sam erwachte mit höllischen Kopfschmerzen. Er fühlte sich, als wäre er von einem Panzer überfahren worden (nicht, dass er sich mit dieser Erfahrung so genau auskannte, aber es kam ihm wie ein passender Vergleich vor) und wurde sich dumpf bewusst, dass er auf einem Stuhl saß an den seine Hände und Füße gefesselt waren. In seinem Mund befand sich ein Knebel, der ihn leicht würgte und es schwierig machte zu atmen. »Wer ist der andere?« »Der Soldat mit den Flügeln. Hat Cap und Widow dabei geholfen Jasper Sitwell zu entführen und Projekt Inside zu stoppen.« Sam blinzelte in ein helles Licht. Vor seinen Augen verschwamm alles, doch eine der beiden Stimmen erkannte er eindeutig als Rumlows. Die Silhouetten der beiden Männern bewegten sich auf ihn zu. »Ah, ich erinnere mich. Sehr interessante Technik, die die amerikanische Luftwaffe mit diesen Flügeln entwickelt hat. Äußerst bedauerlich, dass er sie nicht dabei hat, wenn er schon mal hier ist.« Die andere Stimme gehörte sicher zu dem Mann, den Steve und Sam vorher mit Rumlow beobachtet hatten. Sam glaubte einen europäischen, vielleicht sogar deutschen, Akzent zu erkennen. »Soweit ich weiß wurden sie im Kampf mit dem Winter Soldier zerstört.« »Hmm«, machte die unbekannte Stimme nachdenklich. »Wo wir gerade darauf zu sprechen kommen. Sollte Ihr kleines Projekt scheitern, würde ich Sie bitten sich auch der Waffe zu entledigen. In diesem Zustand stellt sie nur noch eine Sicherheitslücke für Hydra dar.« Langsam verschärfte sich Sams Blick etwas. Die beiden Männer bewegten sich nun wieder in eine andere Richtung. Vor etwas auf dem Boden liegendem blieben sie stehen. »Was ist mit dem Arm?« »Wenn Sie Verwendung dafür haben sehe ich keinen Grund, weshalb Sie sich nicht bedienen sollten.« »Vielen Dank, Sir.« Der Raum nahm endlich Gestalt an und Sam erkannte, was vor Rumlow und dem anderen Mann auf dem Boden lag. Der rote Stern auf dem Metallarm war kaum noch zu erkennen, so als ob jemand versucht hatte ihn unkenntlich zu machen. Abgesehen davon konnte Sam nicht viel vom Winter Soldier sehen, da der Lichtkegel nicht so weit reichte. Was Sam jedoch auch im Schatten sehen konnte war, dass er mit dem Gesicht nach unten lag und sich eine Blutlache unter seinem Körper ausbreitete. Der menschliche Arm war in einem ungesunden Winkel verdreht und zweifellos an mehreren Stellen gebrochen. Sam drehte den Kopf weg, als ihm schlecht wurde. Wenn das zu Hydras Methoden gehörte jemanden aus den eigenen Reihen zu empfangen wollte er gar nicht wissen was ihn noch erwarten würde. Erst jetzt fiel ihm auf, dass in der Mitte des Raumes, direkt unter der hellen Lichtquelle, wegen der Sam die Augen etwas zukneifen musste, einige Gerätschaften aufgebaut waren, die an einen Operationssaal erinnerten. Bei näherem Hinsehen wurde ihm bewusst, dass er diese Apparaturen bereits einmal gesehen hatte: in Hydras Akte über den Winter Soldier. Doch wo auf den alten Versuchsfotos noch Bucky Barnes auf einem Folterinstrument ähnelnden Stuhl gefesselt gewesen war, befand sich nun Steve. Rumlow und andere Mann gingen nun zu ihm herüber. Im Vorbeigehen warf Rumlow Sam einen lauernden Blick zu bei dem es Sam kalt den Rücken runter lief. Von weitem hatte er es vorher nicht erkennen können, doch Rumlows Gesicht und Hals waren stark vernarbt und es sah aus, als hätte er üble Verbrennungen erlitten. Der andere Mann machte einen unversehrten Eindruck und trug ein einzelnes Brillenglas über dem rechten Auge. Er beugte sich vor und tätschelte Steves Wange. Sam wäre am liebsten auf die beiden losgegangen, doch in seiner derzeitigen Position konnte er nur hilflos zusehen. »Captain, können Sie mich hören?« Der Mann wurde etwas energischer bis Steve sich regte und seine Augen sich langsam auf die beiden Männer vor ihm fokussierten. Zum Glück machte er auf Sam nicht den Eindruck, dass er ernsthaft verletzt worden war. »Sie sind anscheinend noch etwas benebelt. Herr Rumlow versicherte mir, dass das Betäubungsmittel stark genug sei um ein Pferd zu töten. Ich hoffe doch sehr, dass Sie keinen bleibenden Schaden davon tragen werden. Erlauben Sie mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Wolfgang von Stucker. Ich bin einer der leitenden Köpfe von Hydra.« Er machte eine kurze Pause, anscheinend, damit Steve diese Informationen verarbeiten konnte. Als Steves Blick durch den Raum wanderte und er Sam, an den Stuhl gefesselt, entdeckte, weiteten sich seine Augen. »Sie sind sicher mit der Symbolik dahinter vertraut«, fuhr Stucker seelenruhig fort. »Schneidet man einen Kopf ab, wachsen zwei weitere nach.« Zu Sams großer Bewunderung übersprang Steve jegliche Phrasen wie »Was wollen sie von uns?« oder »Welchen bösen Plan verfolgen Sie diesmal?«, sondern kam direkt zur Sache. »Wo ist Bucky?« Stucker lächelte. »Wie Sie inzwischen begriffen haben sollten, befindet sich Sergeant Barnes seit längerer Zeit nicht mehr unter uns. Was Sie mit Ihrem Freund verwechseln ist Hydras Geheimwaffe, die im Augenblick leider nicht ganz einsatzbereit ist.« Er trat zur Seite und machte eine vielsagende Handbewegung in die Richtung wo der Winter Soldier im Schatten auf dem Boden lag. Rumlow ging zu ihm herüber und zog den leblosen Körper an den langen Haaren ins Licht damit Steve ihn sehen konnte. Sam konnte Steves Gesicht nicht sehen, da Stucker sein Blickfeld versperrte, doch bei dem grollenden Tonfall, den Steves Stimme anschlug, stellten sich ihm die Nackenhaare auf. »Dafür werden sie beide sterben. Das schwöre ich.« »Wir werden sehen«, sagte Stucker leichthin und bückte sich um zwei prüfende Finger auf die Halsschlagader des Winter Soldiers zu legen. »Erstaunlicherweise schlägt sein Herz immer noch.« Das Gesicht des Winter Soldiers war kreidebleich und schmerzhaft verzogen. Sam war sich sicher, dass ein normaler Mensch an seinen Verletzungen sofort gestorben wäre. Sam sah zu Steve auf und ihre Blicke trafen sich. Steve zitterte vor Wut und sein ganzer Körper war sichtbar angespannt. Bei der kleinsten Gelegenheit würde er seine Drohung wahr machen und Rumlow und Stucker bezahlen lassen. »Sie sollten gleich mit Ihrem Projekt beginnen wenn Sie auf maximalen Erfolg aus sind, Herr Rumlow.« »Sicher.« Es gab ein lautes Quietschen, dass Sam als das Öffnen einer schweren Tür identifizierte und mehrere Schritte hinter ihm. Eine weibliche Stimme meldete: »Gelände ist gesichert. Wir sind allein.« »Gute Arbeit«, rief Rumlow zurück und ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Stucker wandte sich wieder Steve zu. »Bedauerlicherweise muss ich mich an diesem Punkt von ihnen verabschieden. Ich werde Sie nun der fähigen Obhut von Herrn Rumlow und seinem Team überlassen.« Stucker nickte Rumlow zu und sah ihn erwartungsvoll an. Rumlow verdrehte kaum merklich die Augen und winkte jemandem zu, den Sam hinter seinem Rücken nicht sehen konnte. Ein paar Schritte verrieten ihm, dass jemand auf Rumlows Befehl hin näher gekommen war. »Drei von euch bringen den Baron zum Flughafen, die anderen kontrollieren weiter das Gelände. Ich komme hier allein zurecht.« Stucker machte daraufhin einen sehr zufriedenen Eindruck und schritt von dannen. Die Tür fiel hinter ihm und dem Rest von Rumlows Team mit einem erneuten Quietschen ins Schloss. Sam erwartete nichts Gutes als Rumlow auf ihn zu kam und in einer viel versprechenden Geste seine Finger knacken lies. Der erste Schlag ging mitten ins Gesicht. Einige Augenblicke wurde Sam schwarz vor Augen, als die Kraft hinter Rumlows Faust seinen Kopf nach hinten fliegen lies. Im Nachhinein konnte Sam nicht sagen wie lange sich Rumlow an ihm verausgabte. Er war sich vage bewusst, dass Steve Rumlow wütend anbrüllte und ihm Zeter und Mordio für seine Taten versprach. Er erinnerte sich an eine ähnliche Situation während seines letzten Einsatzes in Afghanistan. Riley und er waren beide von ihrer Einheit getrennt und gefangen genommen worden. Sie wurden mehrere Tage lang verhört. Das hatte Sam zumindest später aus dem offiziellen Bericht erfahren nachdem sie gerettet worden waren. Die Militärärztin sprach von »Dissoziation« und erklärte ihm, dass Sams Gehirn ihn vor dieser Erfahrung beschützte indem es die Erinnerungen daran abspaltete. Die Ärztin gab ihm bei ihrem nächsten Zusammentreffen (nach der Mission, die für Riley tödlich geendet hatte) die Adresse des Veteranenzentrums in Washington, DC. Sam nahm es wie ein Ausstehender wahr, dass Rumlow plötzlich von ihm ab lies und sich fluchend umdrehte. Der Winter Soldier - oder... Bucky?! - war wieder bei Bewusstsein und hatte einen von Rumlows Knöcheln mit seinem Metallarm gepackt. Was als nächstes passierte, lief vor Sams Augen so ab, als würde er einen Film in Zeitlupe ansehen. Ein Pfeil flog durch die Luft und streifte die Fesseln um Steves rechten Arm. Danach war es einfach für Steve diese Hand frei zu bekommen und anschließend die restlichen Fesseln zu lösen. Rumlow riss sich von dem Winter Soldier los und stapfte auf Steve zu während er mit seiner Waffe auf ihn zielte. Bevor er abdrücken konnte wurde ihm ein Pfeil durch die Hand geschossen woraufhin die Waffe zu Boden fiel. Zeitgleich knallte hinter Sam die Tür auf und im nächsten Moment spürte er wie seine Fesseln gelöst wurden. Haare kitzelten seinen Nacken, aus dem Augenwinkel sah er, dass sie rot waren. Er hörte Natashas Stimme, aber ihre Worte konnte er nicht verstehen. Im nächsten Augenblick wurde er auf die Beine gezogen und alles um ihn herum drehte sich. Er glaubte noch zu erkennen wie Rumlow durch sein Sichtfeld flog bevor er zum zweiten Mal an diesem Tag bewusstlos wurde. --- Sam erwachte von einem schmatzenden Geräusch. Als er die Augen öffnete sah er einen Mann mit einer Chipstüte. Der Mann war Tony Stark und er krümelte sein Iron Maiden-T-Shirt voll. »Bruce, er ist aufgewacht.« Sam hörte wie jemand durch den Raum wuselte und wollte sich in dem Bett aufsetzen, doch sein Kopf protestierte bei der kleinesten Bewegung mit stechendem Schmerz, also ließ er es vorerst bleiben. Ein weiterer Mann tauchte auf und lächelte Sam an. »Wie fühlen Sie sich, Mr. Wilson? Ich bin Dr. Banner und-« Der Mann hielt inne und musterte Stark genervt. »Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du in den Patientenzimmern nicht mit Essen durch die Gegend laufen sollst? Das ist sehr unhygienisch.« »Immer mit der Ruhe.« Stark reagierte vollkommen gelassen und streckte in einer versöhnlichen Geste die Tüte zu Banner herüber. Dabei verteilte er sehr viele Krümel auf Sams weißer Bettdecke. Dr. Banner seufzte und nahm seine Brille ab um sich mit einer Hand den Nasenrücken zu massieren. Sam wollte gerade etwas sagen, als die Tür geöffnet wurde und Natasha hereinkam. Hinter ihr streckte jemand den Kopf zur Tür herein, den Sam als den Bogenschützen der Avengers erkannte. »Yo, Stark. Hill verlangt nach dir. Hast du schon wieder Scheiße gebaut?« Stark grummelte etwas vor sich hin und ging auf den Flur wo Hawkeye ihm prompt die Chipstüte wegnahm. Natasha schloss hinter den beiden die Tür bevor sie sich auf Sams Bettkante setzte. »Na, wie geht's?« Sam kam erst mal nicht dazu ihre Frage zu beantworten, da Dr. Banner darauf bestand ihn kurz durchzuchecken und mit einer kleinen Taschenlampe in Sams Augen leuchtete. Anscheinend war mit Sams Zustand zufrieden, denn sobald er fertig war, verschwand er aus dem Zimmer. »Nimm ihm das bitte nicht übel«, sagte Natasha und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Er hat mit dem Winter Soldier und Steve alle Hände voll zu tun.« Bei ihren Worten wurde Sam sich wieder der letzten Ereignisse bewusst und setzte sich ruckartig auf. »Was- Ist-« »Nein, nein. Alles okay.« Natasha drückte ihn mit sanfter Gewalt wieder zurück in die Kissen. »Ich meinte damit, dass die beiden für Bruce anstrengend sind, weil Steve sehr besorgt ist.« Sie zog viel sagend die Augenbrauen hoch, doch Sam war sich immer noch nicht ganz sicher, was sie ihm damit sagen wollte. »Und Rumlow?« »Wurde von Steve verprügelt. Clint hat ihn danach bei der NYPD abgeliefert wo er einsitzen wird bis ihm der Prozess gemacht wird. Ich nehme an, dass Rumlows eigentliche Absicht war, den Erstellungsprozess des Winter Soldiers an Steve zu wiederholen.« Sie sah Sam eindringlich in die Augen und Sam sah darin die stille Aufforderung ihm die Geschehnisse aus seiner Sicht zu schildern. Die nächsten Minuten hörte ihm Natasha aufmerksam zu und stellte einige Zwischenfragen. Als Sam mit seiner Erzählung fertig war lächelte sie. »Was denn?« »Denkst du, du bist bereit ein bisschen enger mit den Avengers zusammen zu arbeiten?« Sam blickte sie ungläubig an und hoffte, dass ihm vor Überraschung nicht der Mund offen stand. Natashas Lächeln wurde breiter. »Ich will mal nicht zu viel versprechen, aber das wird deinem Leben eine ziemlich neue Richtung verpassen.« Darauf fiel Sam nur eine Antwort ein. »Ich denke, ich bin bereit für ein wenig Umschwung.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)