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Angels Guilt

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Am Anfang mag das Kapitel recht seltsam sein, aber bitte einfach drauf einlassen ^^
Danach ist das nicht mehr so... Sprunghaft. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte so einige Schwierigkeiten mit dem Kapitel. Aber irgendwie musste ich es in Gang bringen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hatte mich mal mit Kiro über Zeitsprünge unterhalten. Und ich hab drüber nachgedacht…
Letztendlich wurde es mit meiner persönlichen Ratgeberin besprochen und wir kamen zu dem Schluss, dass es Zeitsprünge geben wird. Unnötig in die Länge ziehen, passt einfach nicht zu mir ^^
Letztendlich dreht sich alles um Artemis! Und letztes Kapitel kam sie gar nicht vor xD
Deshalb werd ich, wenn ich es für nötig halte, Zeitsprünge einbauen. Alles was unter Umständen relevant zwischen den Zeitsprüngen wird, wird entweder von einem Charakter nacherzählt oder als Flashback erscheinen. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Die Geschichte nimmt endlich eine Wende... Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Lang lang ist es her. Genießt das neue Chapter ^^ Komplett anzeigen

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Prolog

Akte 3/87-00582

[…]

tauchten Dämonen auf. Das Team nahm sofort Verteidigungsstellung ein, […]

Schwere Schäden am Schiff zu verzeichnen. […]

Gesamtverlust:

Luftschiff „Eternal Arc“ komplett zerstört;

37 Tote;

4 Schwerverletzte – nicht Dienstfähig.

[…]

 

Akte 2/035-077

[…] Rechtes Auge vollständig beschädigt. Nicht heilbar. […]

[…] keine psychische Störung zu verzeichnen. […]

Für dienstfähig beurteilt.

 

Akte 2/035-064

[…] mittlere psychische Nachwirkung festgestellt. Therapie angesetzt. […]

Nach Therapie erneute Beurteilung.

[…]

Nach erneute Beurteilung für dienstfähig eingestuft.

 

Akte 2/035-079

[…]Schwere körperliche Verletzung. Geringe psychische Nachwirkung. […]

Erneute Beurteilung vorgemerkt.

[…]

Nach erneuter Beurteilung für dienstfähig eingestuft.

 

Michael legte die Akten zur Seite. Das „Eternal Arc – Massaker“ wie es von manchen bezeichnet wurde, war wieder in aller Munde.

Es fing alles damit an, als er die überlebenden und dienstfähigen Engel dieses Vorfalls als Supervisor für die Neulinge einsetzen wollte.

Proteste kamen von allen Seiten, ignorierte er jedoch.

„Du denkst zu viel darüber nach“, merkte Ariel an. Beide waren Kriegskameraden, Ariel mittlerweile nicht mehr im Dienst.

„Ich kann diesen Berichten nicht wirklich glauben schenken.“ Ariel schnaubte verächtlich.

„Vergiss nicht warum. Und glaube mir, sollte die Wahrheit rauskommen, wird dir nicht dein Rang oder Ähnliches helfen. Mir und Malahidiel ebenso nicht. Also reiß dich zusammen! Nicht mal Raphael zweifelte meine Beurteilung an!“ Michael musste seiner Freundin zustimmen. Die Akten waren einwandfrei, fast schon zu perfekt.

„Du wirst sie einsetzen, oder?“, fragte Ariel nach einer Weile.

„Es spricht nichts dagegen“, antwortete er, „solange man den Akten Glauben schenkt. Doch der normale Verstand sagt einem, ich sollte es nicht tun.“

„Dein Verstand war noch nie der Hellste. Vielleicht ist das auch der Weg zur Heilung“, überlegte Ariel laut. Sie zog sich eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und hielt sie Michael hin. Dieser nahm dankend eine an.

„Wir sollten nicht rauchen“, meinte sie, als ob es von Bedeutung wäre. Sie selbst zündete sich ihre an und nahm einen Zug von der Zigarette.

„Sagt die Kettenraucherin“, spottete Michael. Ariel grinste daraufhin. Er hatte Recht. Sie war wirklich eine Kettenraucherin. Aber es entspannte sie auch und ließ sie den Stress, welchen sie ab und zu durchmachte, besser erleben.

„Stressabbau nenn ich das.“ Ariel zog einmal kräftig an der Zigarette und atmete dann den Rauch aus.

„Wovon bist ausgerechnet du gestresst?“

„Meinem Leben? Ich hab meinen Dienst beendet, habe eine Auszeichnung bekommen. Und obwohl es meine eigene Entscheidung war, zieht es mich trotzdem immer wieder hierher.“ Ariel schaute wehmütig aus dem Fenster.

„Du klingst wie eine alte Frau, die etwas in ihrem Leben bereut.“

„Mag sein, aber… Waren meine Entscheidungen richtig?“ Michael antwortete ihr nicht, sondern verpasste ihr einen Schlag auf den Hinterkopf.

„Du hast Heimweh alte Schachtel. Du weißt, dass du jeder Zeit zurückkommen kannst. Und was war, das war. Mach dir keinen Kopf mehr drum.“

„Danke."

Alptraum

„Artemis!“

Die junge Frau, die auf den Namen Artemis hörte, drehte sich um.

„Was gibt es, Cas?“, fragte sie.

„Du bist ja noch gar nicht fertig!“, stellte Artemis‘ Gegenüber fest. Castiel, ihr bester Freund, sah sie erstaunt an. Normalerweise war Artemis die Erste, die in ihrer Uniform war.

„Falls du nicht blind bist, würdest du sehen, dass ich fertig bin. Hab nur die Jacke nicht an. Und die Rüstung auch nicht“, stellte sie fest.

Castiel musterte sie nochmal von oben bis unten.

„Tatsache, mein Fehler. Wollen wir dann los? Tris ist mir Sicherheit schon dort und fährt das System hoch.“

Ohne zu antworten, setzte Artemis ihren Weg zur Basis fort, Castiel neben ihr. Die beiden waren zusammen mit ihren gesamten Akademie-Jahrgang ins Militär eingetreten. So etwas war noch nie vorgekommen.

Mittlerweile waren sie seit zwei Jahren ein fester Teil der Himmlischen Heerscharren. Heute würden sie selbstständig Patrouille an der Grenze zwischen Himmel und Hölle halten.

Als sie bei der Basis ankamen, zog sich Artemis auch ihre Jacke an. Sie war für diese Patrouille die Kommandantin, also wollte sie auch professionell auftreten.

Auf dem Weg zum Luftschiff wurden Artemis und Castiel von den älteren Kollegen gegrüßt. Das erste was sie lernten, als sie den Heerscharren beitraten, war der Zusammenhalt und Vertrauen, aber auch Disziplin.

Ihre Vorgesetzten legten nicht viel Wert auf Förmlichkeiten, wenn sie nicht auf Missionen waren. Sie scherzten viel und keiner nahm dem anderen was übel, meistens zumindest. Es gab einige die sich nicht wirklich leiden konnten, dennoch kamen sie miteinander aus. Sie gingen sich bloß aus dem Weg.

Artemis empfand es als sehr angenehm. Jedoch musste auf jeder Mission Disziplin herrschen. Heute sollte sie beweisen, dass sie geeignet war in einigen Jahren Kapitän zu sein oder auch höher.

Zusammen mit Castiel ging sie zur Merkabah, welche ihnen für die Patrouille zur Verfügung stand – Eternal Arc.

Zusammen mit Castiel bahnte sie sich ihren Weg zur Brücke. Dort wurde sie schon von Calatrisa erwartet.

„Meine Güte, endlich! Sag mal, hast du die Zeit vergessen oder was?!“ Das Mädchen war völlig aufgebracht.

„Calatrisa, beruhig dich. Ich bin ja da.“ Versuchte Artemis ihre Freundin etwas ruhiger zu stellen.

„Ja ja, die ganze Vorbereitungsarbeit überlässt aber mir“, grummelte sie.

„Schon fertig?“, mischte sich auch nun Castiel ein.

„Wir können jederzeit starten“, antwortete Calatrisa stolz. Sie hatte alles bereits eingerichtet, Systeme waren online.

„Na dann, Calatrisa schalte bitte das Intercom frei.“ Artemis setzte sich in den Kommandantensitz der Merkabah.

„Hier spricht Artemis, euer Captain für diese Mission. Alle Crew-Mitglieder auf ihre Posten. Wir starten in fünf Minuten.“

Nach der Ansage schaltete Artemis das Intercom wieder aus. Calatrisa war Pilotin bei diesem Flug, Castiel der Navigator.

Artemis schloss ihre Augen und holte noch einmal tief Luft.

Als sie ihre Augen öffnete, sah sie eine zerstörte Landschaft vor sich.

„Artemis!“, hörte sie Calatrisa rufen.

„Tris! Zieh die Merkabah hoch! Sofort!“, gab die rosahaarige den Befehl. Calatrisa versuchte ihr bestes, dennoch wurden sie von dem gegnerischen Schiff der Dämonen getroffen.

„Verdammt!“

Das nächste was Artemis noch wahrnahm war eine Explosion. Ihre Sicht verschwamm.

Das nächste was sie scharf erkannte, war eine komplett zerstörte Merkabah und Tote.

„Tris?! Cas?!“, versuchte sie ihre beiden Freunde ausfindig zu machen. Sie entdeckte Castiel unter Merkabah-Teilen eingeklemmt. Eine Blutlache um ihn hatte sich gebildet.
 

Das nächste was Artemis wahrnahm, war ihr Bett. Sie weinte und sie war vollkommen durchgeschwitzt. Ihre Kehle tat weh. Hatte sie geschrien? Die rosahaarige wusste es selber nicht.

Sie hatte erneut einen Alptraum gehabt. Sie wischte sich die Tränen weg, konnte jedoch nicht aufhören zu weinen. Sie zog ihre Knie an und stützte ihren Kopf drauf ab.

„Castiel…“, schluchzte sie.

Nachdem sie sich halbwegs beruhigt hatte, stand sie auf und ging in ihr Badezimmer um zu duschen. Das Wasser nahm sie kaum war, vor ihrem inneren Auge spielten sich die Bilder der Mission ab.

Artemis gab sich immer noch die Schuld an dem was passiert war. Die Tatsache, dass sie auf dem rechten Auge nun blind ist, ist aber nicht Strafe genug für sie. Sie sollte tot sein. Und die anderen sollten alle leben.

Als sie auf den Boden blickte merkte sie wie Blut sich mit dem Wasser vermischte.

„Scheiße!“, fluchte sie. Ihr war bewusst was passierte, aber sie tat es immer unbewusst. Artemis hatte wieder an ihren Armen geschrubbt und teilweise gekratzt, bis sie blutete. Sie stellte das Wasser ab und schnappte sich ihr Handtuch, welches sie um ihren Körper wickelte. Sie suchte nach ihrem Erste-Hilfe Kasten und schnappte sich zwei Verbände. Sie spülte nochmal das Blut ab und fing an sich ihre Arme zu verbinden.

Ihr war bewusst, dass sie krank war. Es wurde ihr gesagt, Calatrisa versuchte regelmäßig sie von einer Therapie zu überzeugen. Aber sie wollte nicht, sie schob es auf ihren Stolz und ihre Sturheit.

Artemis war gerade auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz als Calatrisa auf sie zu gerannt kam. Sie musste zugeben, dass Calatrisa wesentlich besser wieder aussah, die Therapie hatte ihr anscheinend gut getan.

„Artemis! Wunderbar das ich dich sehe! Ich muss dir unbedingt was erzählen.“ Calatrisa strahlte ihre Freundin regelrecht an.

„Sorry Tris, aber ich bin schon etwas spät dran. Können wir das beim Mittagessen klären?“ Calatrisa schaute Artemis erst etwas enttäuscht an, aber freute sich dennoch auf das gemeinsame Essen mit ihrer Freundin. Dann fiel ihr Blick auf Artemis Arme. Sie hatte rote Stulpen an. Artemis trug nie Armstulpen. Irgendwas stimmte nicht.

„Artemis? Was ist mit deinen Armen?“ Diese schaute schuldig in eine andere Richtung.

„Nichts.“ Calatrisa ließ sich nicht beirren. Stattdessen griff sie nach Artemis‘ Arm und zog die Stulpe etwas nach oben. Darunter war ein Verband versteckt.

„Was ist passiert?“

„Nichts. Bin gestolpert… Mit ‘nem Messer in der Hand.“ Calatrisa sah sie zweifelnd an.

„Sag die Wahrheit.“ Artemis sah ihrer Freundin direkt in die Augen.

„Keine Ahnung wie das passiert ist, ok?! Als ich aufgewacht bin, hab ich einfach geblutet. Vermutlich hatte ich mich im Schlaf gekratzt, bis es eben blutete.“

„Erzähl kein Scheiß! Du hast dich bei einer Panikattacke selbst verletzt. Was bedeutet, du hattest wieder einen Alptraum“, schlussfolgerte Calatrisa. Artemis riss ihren Arm los und richtete ihre Stulpe wieder, sodass der Verband nicht mehr sichtbar war.

„Und wenn schon. Ist egal.“ Für Artemis war das Gespräch beendet und sie beeilte sich, um noch rechtzeitig an ihren Arbeitsplatz zu kommen.

Nach diesem Mal, kam es noch öfters vor, dass Artemis sich selbst verletzt hatte. Doch es wurde zunehmend unbewusster. Anfangs war es ihr noch bewusst. Es wurde zur Gewohnheit, dass sie Armstulpen trug um die Verbände zu verstecken. Doch mittlerweile wusste fast jeder, was los war. Viele hatten versucht sie zu einer Therapie zu überreden. Jedoch lehnte Artemis stets ab und versicherte, dass es ihr gut ging. Täuschen konnte sie jedoch niemanden, dennoch wurde sie weitestgehend in Ruhe gelassen.

Als ihre Arme verbunden waren, suchte sie sich ihre Uniform aus dem Schrank. Sie hasste es, die Standard-Uniform zu tragen, Artemis wurde ausnahmsweise dazu gezwungen.

In voller Montur, schritt sie durch die Militärbasis. Sie suchte nach Calatrisa, die sie kurzerhand in der Kantine fand. Artemis setzte sich zu ihrer besten Freundin. Die zog ihre Augenbraue nach oben, ein wortlose Frage, wieso die volle Montur.

„So gut du auch bei Koordinaten und Merkabah-System bist, dein Zeitgefühl ist nicht das Beste. Heute sollen doch die Neulinge kommen. Und wir, du bist also mit eingeschlossen, sollen sie fürs erste Jahr an die Hand nehmen. So hat es jedenfalls Michael ganz nett ausgedrückt.“ Calatrisa entgleisten kurz die Gesichtszüge.

„EH?! Wie jetzt?! Ich auch? Mist! Ich muss mich umziehen, ah scheiße!“ Calatrisa wollte gerade losstürmen, doch Artemis zog sie wieder zurück.

„Beruhig dich doch mal. Alles in bester Ordnung. Ich bin für die Pfeifen verantwortlich, du sollst mir nur behilflich sein.“

„Michael ist aber nicht auf den Kopf gefallen, oder? Du hasst doch Anfänger. Letztes Jahr hast du einen so verschreckt, dass er sich nicht mehr in deine Nähe traut.“ Artemis grinste. Sie war stolz darauf. Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrem Kopf.

„Deswegen ist das auch der Grund, warum sie ausgewählt wurde“, erklang eine Stimme hinter ihr.

„Malahidiel, ich schwöre, wenn du meine Haare durcheinander bringst, kriegst du eine verpasst!“, drohte die rosahaarige. Sofort verschwand die Hand von ihrem Kopf und neben ihr setzte sich Malahidiel.

Der Engel war weitaus älter als die beiden und bekleidete einen ebenso weitaus höheren Rang. Trotzdem verstand er sich sehr gut mit Calatrisa und Artemis und konnte sich so manchen Scherz erlauben. Er war auch einer der wenigen, bei denen Artemis früherer Charakter wieder zum Vorschein kam.

„So, und warum wurde Artemis nun dazu bestimmt die Neuen zu betreuen.“

„Weil sie der Armee persönlicher Hausdrache ist“, lachte Malahidiel, was sich als Fehler rausstellte, als er Artemis Ellbogen in seiner Seite spürte. Sie hatte ihm vermutlich eine Rippe leicht angeknackst.

„Nenn mich noch einmal Hausdrache und ich brech dir was.“ Malahidiel sah sie entschuldigend an.

„Wie dem auch sei. Lieutenant, Sie werden im Konferenzraum C erwartet.“ Artemis stand auf und machte sich auf den Weg zum besagten Raum.

„Wie geht’s ihr heute?“, fragte Malahidiel. Calatrisa sah ihrer Freundin noch nach.

„Keine wirklich Anzeichen, dass es ihr schlecht geht. Aber manchmal trügt der Schein. Ihre Arme waren wieder verbunden.“ Calatrisa war tatsächlich die einzige die jegliche Details von Artemis Beschwerden erkannte. Malahidiel sah Artemis besorgt nach.

„Ich weiß nicht ob das so eine gute Idee war, gerade sie dafür einzuteilen.“

Während sich Malahidiel und Calatrisa sich noch unterhielten, war Artemis bereits auf dem Weg zum Konferenzraum.

An einer Tür stoppte sie. Die Neuen waren dort platziert worden und sollten warten. Artemis stellte sich an den Türrahmen und beobachtete die Gruppe. Unter ihnen entdeckte sie tatsächlich einige die sich für den Job bei den Heerscharren eigneten, jedoch auch einige die sie für nicht geeignet hielt. Der Schein konnte jedoch auch trügen. Calatrisa bewies es des Öfteren.

„Habt ihr gehört, angeblich soll unser Instruktor ein Lieutenant sein?“

„Ich hab gehört, er hat eine gesamte Dämonen-Legion zerschlagen.“

„Sie. Angeblich ist unser Instruktor eine Frau.“ Plötzlich wurde es still im Raum.

„Eine Frau? Ehrlich? Die muss echt was drauf haben.“

Artemis zog eine Augenbraue hoch, als sie diese Bemerkung hörte. Sie wusste nicht ob sie es als Kompliment nehmen sollte oder den Engel für dämlich halten. Natürlich musste sie Grips und Kraft besitzen um zu überleben.

Sie drehte sich um und marschierte davon, in Richtung ihres eigentlichen Ziels.

Beim Konferenzraum C angekommen, trat sie ein. Sie fand nur Michael und Chamuel vor. Sie salutierte und nahm den beiden gegenüber platz.

„Ich hab dich lange nicht in einer Uniform gesehen“, stellte Michael fest. Artemis verengte ihr gesundes Auge.

„Spar’s dir. Die Unterlagen bitte.“ Michael schob ihr die Unterlagen zu. Artemis sah sich stichprobenartig die neuen Soladten an.

„Ich hab freie Hand, was ihre Ausbildung angeht?“ Michael nickte.

„Egal was für Beschwerden über meine Methoden kommen, ich darf es durchziehen?“ Erneut kam ein Nicken vom General.

„Wenn ich glaube, dass einer komplett nicht geeignet ist, darf ich ihn rausschmeißen?“ Der Punkt war Artemis am wichtigsten. Die Heerscharren brauchten keine Soldaten die zu nichts taugten.

„Ich würde es begrüßen, wenn du vorher nach anderen Möglichkeiten suchst.“ Artemis nickte und stand auf, nahm die Unterlagen und verabschiedete sich.

„Glaubst du es war die richtige Entscheidung?“, äußerte Chamuel ihre Bedenken.

„Wieso fragen mich das neuerdings wieder alle?“

„Weil es sich hier um einen temperamentvollen Engel handelt, wenn nicht sogar hochexplosiven, wenn es um Wut geht. Zudem leidet sie an posttraumatischer Belastungsstörung und will es sich nicht einmal eingestehen, dass sie immer noch nicht vollkommen gesund ist.“

Darauf sagte Michael nichts mehr. Er hoffte lediglich darauf, dass Artemis in nächster Zeit realisierte, dass sie Hilfe brauchte. 

Rekruten

Artemis schritt mit den Akten in der Hand den Gang entlang. Wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, wollte sie diesen Job nicht. Ablehnen konnte sie es nicht mehr, also musste sie dort wohl durch.

Am Saal angekommen, wo sich die neuen Rekruten befanden, ging sie geradewegs zum Pult. Im Saal wurden normalerweise allgemeine Strategien einer neuen Mission erläutert. Heute dürfte sie die Rekruten einweisen.

Geräuschvoll ließ sie die Akten auf die Ablage fallen und blickte die Engel vor ihr an. Es war weder erwartungsvoll noch begeistert, Artemis war genervt.

Die Rekruten sahen sie an als hätte sie zwei Köpfe. Artemis überblickte den Raum und ließ sich nicht von den Blicken beirren. Sie nahm sich einen der Portfolio in die Hand und schlug die erste Seite auf.

„Visca.“ Artemis sah sich um und wartete auf eine Reaktion. Ein junger Engel, nicht wesentlich größer als Calatrisa, möglicherweise sogar kleiner, machte sich bemerkbar. Sie hatte violette Haare und ebenso violette Augen. Von der Statur wirkte sie sehr zierlich und nicht geeignet für das Militär. Ihre Haltung war unsicher, unter Umständen sogar eingeschüchtert.

Artemis musterte sie von oben bis unten und gab dann ein seufzen von sich.

„Wo bin ich hier bloß gelandet?“, murmelte sie, jedoch noch hörbar für die erste Reihe.

„Na schön, also gut. Hört gut zu, denn ich werde mich nicht wiederholen! Um eins klar zu stellen. Ihr seid hier nichts! Rein gar nichts, euer Leben ist nichts Wert. Würdet ihr sterben, wäret ihr lediglich ein Name und eine Zahl auf dem Papier. Da aber Papierkram verdammt lästig ist, wäre es nett von euch, wenn ihr es unterlasst auf dem Schlachtfeld zu krepieren.

Ihr steht ganz unten auf der Nahrungskette! Ihr tut was eure Vorgesetzten euch sagen, beschwert euch auch nicht darüber. Solltet ihr deswegen Überstunden machen müssen, dann nehmt ihr das so hin. Ihr habt in eurem ersten Jahr kein Anspruch auf Urlaub. Ihr habt eigentlich so gut wie keine Rechte. Ich weiß, im Handbuch steht was anderes, aber merkt euch wohl das Wichtigste: Euer Vorgesetzter hat immer Recht! Wir drehen die Tatsachen so nach unserem Belieben, das ihr dann doch die Aufgabe tun müsst, dass ihr doch kein Urlaub bekommen könnt.

So, und dann noch etwas Wichtiges. Ich bin nicht euer Babysitter! Ich mag zwar euer Betreuer oder Ausbilder oder wie ihr es auch nennen wollt, sein, aber ich werde nicht eure Seelensorge sein. Das bedeutet, jegliche Beschwerden könnt ihr euch Sparen, es interessiert mich nicht! Sucht euch dafür jemand anderen oder behaltet es für euch.

Noch Fragen?“ Artemis musterte jeden Einzelnen und achtete besonders auf die Gesichtsausdrücke. Schon allein aus deren Körperhaltung und ihren Gesichtern konnte man ablesen, wer dieses eine Jahr durchhalten würde und wer nicht. Es war tatsächlich so, dass man sich seinen Werdegang nach der Akademie aussuchen konnte, jedoch hatte jeder Bereich seine eigenen Prüfungen, welche die ungeeigneten Engel raus filterte. Einige wirkten entschlossen, alles zu tun, andere wirkten unschlüssig, und wiederum andere wirkten schockiert bis hin zu verängstigt.

Im ersten Jahr im Militär wurden die Rekruten strapaziert bis ans Äußerste, viele besaßen die Motivation der oder die beste des Jahrgangs zu werden. Meistens waren es die ersten, die dem Druck nicht standhielten oder aus Erschöpfung zusammenbrachen. Wer jedoch die goldene Mitte fand zwischen Arbeit und eigenen Fähigkeiten und Ausdauer, konnte sich durchsetzen.

Nach kurzer Zeit erhob sich einer aus der Gruppe und fragte:

„Miss, wie heißen Sie?“ Einige sahen den Engel schockiert an, dass er es sich überhaupt traute zu fragen, die anderen mit Bewunderung, aus dem vorher genannten Grund.

„Es heißt nicht Miss, sondern Lieutnant. Das erkennst du auch an der Uniform“, sie zeigte auf das Emblem auf der Uniform, welches symbolisierte, welchen Rang man trug. Der junge Engel hätte sie dafür ohrfeigen können, dass konnte Artemis aus seinem Gesicht ablesen. Wer je behauptete, es gäbe keine dummen Frage, hat entweder nie eine gestellt bekommen oder stellte dauernd dumme Fragen und benutzte den Ausspruch nur als Ausrede.

„Um auf deine Frage aber zurück zu kommen, ich bin Artemis. Und ich heiße euch herzlich Willkommen in den Himmlischen Heerscharren.“ Es war für jeden deutlich hörbar, dass sie sich über sie lustig machte. Ihr süffisantes Lächeln bewies es. Allen wurde klar, dass das ihre persönliche Hölle werden würde. Würden sie jedoch durchhalten, wären sie ein vollwertiges Mitglied der Heerscharren.

Chamuel stand am Türrahmen und beobachtete Artemis. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie ihre Aussage hörte. So etwas ähnliches, hatte damals sie zu den Rekruten gesagt. Unter ihnen war auch Artemis. Und Chamuel konnte das Gefühl nicht unterdrücken, sie war Stolz auf Artemis. Denn trotz dessen, was ihr wiederfahren war, blickte sie nach vorne und entwickelte sich weiter. Artemis verlor den Fokus nicht vor den Augen.

Dennoch bereitete gerade eben das Chamuel sorgen. So stolz sie auch auf die Rosahaargie war, sie konnte das Gefühl der Besorgnis nicht abschütteln. Und es war auch ein Gefühl der Vorahnung. Irgendetwas wird noch passieren, dass Artemis vollständig zerbrechen lässt. Und jemand würde diese Scherben wieder zusammen kleben müssen. Würde es soweit sein, wäre Chamuel da.

Artemis hatte Chamuel längst bemerkt. Dennoch sagte sie kein Wort und blickte auch nicht zu ihr. Sie fokussierte ihr Aufmerksamkeit auf die Gruppe vor ihr.

„Da das wichtigste ja nun geklärt ist, können wir ja fortfahren. Ihr werdet in eurem ersten Jahr im Rotationsverfahren verschiedene Bereiche besuchen. Ihr wurdet hierfür bereits in Gruppen aufgeteilt. Tausch der Gruppe ist verboten!“

Auf den Gesichtern der neuen Rekruten waren gemischte Gefühle zu erkennen. Einige schienen enttäuscht zu sein, dass sie nicht alle zusammen bleiben würden. Andere scheinen eher wütend darüber. Doch bei wieder anderen, den wenigsten, sah man Desinteresse daran.

„Wie ihr wisst gibt es vier Abteilungen bei den Himmlischen Heerscharren. Wir haben euch zu jeweils Dreier-Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe hat vier Mitglieder. In den Abteilungen habt ihr Ansprechpartner, da ich nicht in allen Abteilungen zur gleichen Zeit sein kann.

In die erste Abteilung, der Armee, wurden zugeteilt: Ashariel, Cruciel, Suriel und Visca. Ich werd euer Ansprechpartner sein, da ich auch in dieser Abteilung bin.

Der zweiten Abteilung, der Air Force, wurden Ecanus, Jazar und Kyora zugeteilt. Lieutenant Calatrisa wird für euch verantwortlich sein.

Azael, Colopatiron und Jade werden zuerst in der dritten Abteilung, der Technik- und Entwicklung, unterkommen. Euer Ansprechpartner wird dort General Abrinael sein. Da diese Abteilung prozentual gesehen, eine der kleinsten ist, hat er sich bereit erklärt euch dort anzulernen, auch wenn er viel zu tun hat. Macht ihm also keine Probleme!

Die letzen drei, also Anthevel, Cerviel und Eloa sind zuerst in unserer medizinischen Abteilung. General Haniel wird dort eure Verantwortliche. Der Fall ist derselbe, wie bei den vorigen drei. Die Abteilung ist prozentual klein, daher kümmert sich Haniel selbst um euch. Macht ihr möglichst keine Probleme.“

Wie auf’s Stichwort kam eine Blondine rein und lächelte jeden im Raum freundlich an.

„Wenn man vom Teufel spricht, das ist General Haniel“, stellte Artemis den Engel vor. Diese sprang ihr regelrecht an den Hals.

„Ach Artemis-Schätzchen, sei doch nicht so formell. Nenn mich doch endlich mal nur Haniel“, schmollte diese. Artemis verdrehte die Augen. Sie mochte Haniel ja, aber sie war eine verdammte Klette und das war nervig. Die Rosahaarige befreite sich von der Umarmung.

„Wie dem auch sei, ich nehm du hast nur auf deinen Namen gewartet. Dann kannst du deine Welpen ja mitnehmen.“ Haniel richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Rekruten.

„Sind ja doch paar Süße vorhanden. Na dann, wer alles mir zugeteilt wurde, kann mir bitte folgen“, strahlte sie. Mit gemischten Gefühlen folgten ihr Anthevel, Cerviel und Eloa.

Artemis Aufmerksamkeit richtete sie wieder auf die Gruppe vor ihr. Sie hoffte, dass nicht noch jemand hier reinplatzen würde, speziell dachte sie an einen bestimmten General. Die Rosahaarige verwarf den Gedanken schnell wieder, unwahrscheinlich, dass er auftauchen würde.

„So, nachdem das abgearbeitet ist, kann ich ja fortfahren“, setzte Artemis, wurde jedoch unterbrochen.

„Alle Air Force Leute, können gleich mitkommen. Bin gerade auf dem Weg dorthin.“ Artemis wünschte ihm jegliche Krankheit und Pest an den Hals. Strafen tat sie ihn jedoch mit Stille und eisigem Blick. Die neuen Rekruten blickten unsicher zwischen den beiden hin und her. Sollten sie es riskieren und auf den ihnen unbekannten Engel hören oder doch lieber auf Artemis Reaktion warten.

„General Malahidiel, ich wusste nicht, dass ihr so viel Zeit besitzt, sich um die neuen Rekruten zu kümmern. Soweit mir bekannt ist, sollte sich Lieutenant Calatrisa um die Neuen kümmern.“ Ihr Ton verriet unterdrückte Wut.

„Sei doch nicht so förmlich Artemis. Calatrisa erledigt gerade was für mich, deswegen hole ich die Rekruten ab. Dann muss du sie nicht erst abliefern“, grinste Malahidiel sie an. Er machte sich einen Spaß draus, die Rosahaarige zu ärgern. Artemis bemerkte auch, wie Chamuel an der Tür ein Grinsen unterdrückte. Es fühlte sich an, als ob all ihr näher stehenden Vorgesetzten es darauf abgesehen haben, sie zur Weißglut zu treiben!

„Ja bestimmt deinen Papierkram“, knurrte Artemis leise.

Es war eine Win-Win-Situation für Malahidiel und Calatrisa. Die Türkishaarige erledigte den Papierkram und konnte etwas Zeit auch mit Malahidiel verbringen. Der Schwarzhaarige konnte sich zurücklehnen und nebenbei Calatrisas Gesellschaft genießen.

„Ihr habt ihn gehört. Verzieht euch!“, kommandierte Artemis die Rekruten rum. Sie wollte Malahidiel so schnell wie möglich raus haben. Gott musste sie hassen, dass er ihr solch einen Tag bescherte.

Sie blickte misstrauisch zur Tür. Wenn hier jetzt noch Abrinael erscheinen würde, würde sie ausrasten. Dann war es aus mit der Geduld. Chamuels Blick verriet ihr jedoch, dass niemand da war. Artemis atmete einmal tief ein und tief aus um wieder eine gewisse Ruhe einkehren zu lassen.

„Na schön, nach den überraschenden Unterbrechungen könnten wir ja weiter machen. Plan war, dass ich euch nacheinander abliefere. 50% davon sind erledigt, bleibt ihr übrig. Azael, Colopatiron und Jade, ich werde euch in der dritten Abteilung abliefern, die anderen können Colonel Chamuel folgen.“ Als Artemis Chamiuel erwähnte, zeigte sie zur Tür, wo Chamuel immer noch an den Türrahmen gelehnt stand.

„Na dann ihr kleinen Welpen, wollen wir mal anfangen“, grüßte die Schwarzhaarige. Die Rekruten, spezieller Ashariel, Cruciel, Suriel und Visca, ahnten nichts Gutes. Recht widerwillig folgten sie Chamuel. Der Rest blickte ihnen etwas mitleidig hinterher, als sie jedoch den Blick von Artemis sahen, wurde ihnen ihre Lage bewusst. Sie waren mit dem Rosahaarigen Dämon allein geblieben.

„Worauf wartet ihr noch? Auf geht’s! Ich hab heute auch noch Arbeit zu erledigen!“, weckte Artemis die Verbliebenen aus ihren Gedanken.

Der Weg zur Wissenschaft- und Technik-Abteilung verlief still. Artemis war dankbar, denn ihre Nerven waren für heute schon genug strapaziert. Und ein leichtes Schwindelgefühl machte sich ebenfalls in ihrem Kopf breit.

„So da wären wir“, Artemis blieb vor einer großen Tür stehen, die eher einer Pforte glich.

„Und jetzt?“, fragte Jade.

„Jetzt geht ihr durch die Tür und sucht nach jemanden, der sich um euch kümmert. Ich geh da nicht rein.“ Der letzte Satz klang schon fast trotzig. Aber Artemis verstand sich nicht ganz so gut mit den Leuten aus dieser Abteilung. Sie vermied es meistens auch nur in die Nähe zu kommen. Nur zu Abrinael hatte sie ein neutrales Verhältnis, aber sie schob es eher auf sein professionelles Verhalten.

Artemis wartete ab, bis die drei hinter der Tür verschwanden. Dann drehte sie sich um und ging in Richtung der Docks. Sie musste sich unbedingt irgendwo ausruhen und sie wusste auch wo.

Bei der Air Force angekommen, wurde sie von viele gegrüßt. Bei einem machte sie kurz halt.

„Hey Muriel, wo find ich Calatrisa?“ Der Engel überlegte kurz.

„Die dürfte auf der Celes sein.“ Artemis bedankte sich und ging zur genannten Merkabah. Auf der Brücke fand sie dann auch ihre beste Freundin.

„Hey Calatrisa. Die Merkabah ist noch in der Wartung, oder?“

„Ja, bin den ganzen Tag heute allein auf der Brücke, kannst ein Nickerchen hier halten“, antwortete Calatrisa halb abwesend. Sie tippte etwas in die Konsole ein, Artemis fragte aber nicht weiter nach. Sie setzte sich in den Sitz des Kapitäns und kaum schloss, sie ihre Augen, wanderte sie ins Land der Träume.

Calatrisa unterbrach kurz ihre Arbeit und blickte zu Artemis. Sie stand dann auf um eine Decke zu holen und Artemis damit zu zudecken. Sofort kuschelte sich Artemis ein, was Calatrisa ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Sie ist immer noch dieselbe Artemis, wie früher.“

„Ja, das ist sie. Schade, dass sie es nicht mehr zeigt“, antwortete Calatrisa der Stimme. Es war Michael.

„Irgendwann wird sie wieder sie selbst sein.“ Calatrisa nickte als Zustimmung und machte sich an die Arbeit. Wurde jedoch unterbrochen, kaum hatte sie angefangen, wieder etwas in die Konsole einzugeben.

„Kann ich helfen?“ Michael brauchte Ablenkung und er hoffte er könnte diese beschaffen, indem er Calatrisa half.

„Weißt du denn, wie das aufsetzen eines Merkabah-Systems funktioniert?“, fragte sie den rothaarigen General herausfordernd. Ein spielerisches Grinsen auf ihrem Gesicht machte sich bemerkbar. Michael grinste zurück und machte sich an die Arbeit.

Anfang

Ashariel, Cruciel, Suriel und Visca.

Chamuel achtete nicht darauf, ob sie Schritt mit ihr hielten, sie erwartete es einfach. Sie konnte an den Schritten erkennen, dass sie recht dicht hinter ihr waren. Immerhin eine zufriedenstellende Sache. Aus Erfahrung wusste die Schwarzhaarige, dass Rekruten sie fürchteten. Ihr war durchaus bewusst, dass sie eher wie ein S-Klasse Dämon aussah, anstatt eines Engels. Doch schon lange war es ihr egal. Mittlerweile nutzte sie es zu ihrem Vorteil.

Sie neigte leicht ihren Kopf, sodass sie aus den Augenwinkeln die Rekruten hinter ihr begutachten konnte. Ashariel, Cruciel und Suriel hatten einen recht unsicheren Ausdruck auf ihren Gesichtern. Als ob sie nicht wüssten, was sie zu erwarten haben. Was Chamuel erstaunte, war die Violetthaarige Rekrutin, Vicsa. Ihr Gesichtsausdruck war gleichgültig, als ob ihr vollkommen egal wäre, was kommen wird. Es war eher ein untypischer Ausdruck bei Rekruten. Sie würde die Violetthaarige im Auge behalten.

Visca bemerkte wie Chamuel sie musterte. Sie war von ihr nicht so eingeschüchtert, wie von Artemis. Es war nicht die Tatsache, dass sie weniger bedrohlich aussah, nein, tatsächlich sah sie furchteinflößender aus. Jedoch hatte sie nicht diese bedrohliche Aura wie die rosahaarige. Die Schwarzhaarige hatte eine starke Aura, dass konnte sie nicht bestreiten, aber etwas war anders. Und genau dieses anders bei Artemis machte Visca Angst.

Ashariel beugte sich so zu Visca rüber, dass er in ihr Ohr flüstern konnte.

„Wollen wir wetten?“, fragte er sie. Ein Spiel aus der Akademie. Die Violetthaarige war eine der wenigen weiblichen Engel, die eher die Gesellschaft der Männer suchte, anstatt Frauen. Ihr genetischer Code war eher der eines Soldaten, das wurde ihr auch bei Tests bestätigt. So kam es auch, dass sie sich für die Himmlischen Heerscharren entschied.

Sie blickte Ashariel skeptisch an, fragte ihn stumm ob er es ernst meint. Er sah sie erwartungsvoll an. Auch Cruciel und Suriel sahen sie nun interessiert an. Visca verdrehte die Augen.

„Danke, aber ich verzichte.“ So sehr es ihr gefallen hätte zu wetten, es erschien ihr nicht als guter Zeitpunkt.

Der weitere Weg zu dem Hauptgebäude der Armee fühlte sich für die Rekruten ewig an. Chamuel sagte kein Wort, blickte auch nicht hinter sich. Die Rekruten trauten sich nicht irgendetwas zu frage oder untereinander zu reden.

Als die Schwarzhaarige vor einer Tür, welche eher einer Pforte glich, stehen blieb, kamen auch die vier Engel hinter ihr zum Halt. Sie drehte sich zu ihnen um.

„Was ihr sehen werdet, ist anders. Obwohl ihr Rekruten seid, werdet ihr hier dennoch als Kameraden betrachtet. Ich will nicht Artemis Worte widerlegen, sie sagt die Wahrheit. Euer erstes Jahr hier wird wirklich hart. Aber dennoch werdet ihr hier schnell Freunde finden. Wendet euch nicht davon ab nur weil es euch unter Umständen als unorthodox erscheint.“

Die vier Engel sagen sie mit gemischten Gefühlen an. Einerseits waren sie an der untersten Stelle der Nahrungskette, aber anderseits waren sie dennoch von Bedeutung? Konnte das denn stimmen? Selbst wenn es nicht so sein sollte, Chamuel konnte genau sehen, dass es der kleinen Gruppe etwas mehr an Selbstvertrauen und Entschlossenheit gab. Somit drehte sie sich um und öffnete die massive Tür.

„Dann wünsch ich euch viel Spaß und vor allem Erfolg! Stürzt euch in die Arbeit!“, verabschiedete sich die Schwarzhaarige und ließ die Rekruten einfach stehen. Was sie in der großen Halle brüllte, haben die Rekruten nicht verstanden. Nicht, weil sie es akustisch nicht verstanden, sondern eher, weil sie den Inhalt nicht verstanden.

„Leliel! Schick ‘ne Nachricht an die AF, die sollen hochfahren. Ich will heute noch raus!“ Der angesprochene Engel führte den Befehl sofort aus.

Die Gruppe war in diesem Moment überfordert. Was sollten sie nun tun? Plötzlich wurden sie von jemanden hinter ihnen angesprochen.

„Ihr seid bestimmt die Welpen.“ Cruciel verdrehte die Augen. Er fing an es zu hassen, als Welpe bezeichnet zu werden. Alle vier drehten sich um.

„Wieso bezeichnen uns alle als Welpen?!“ Die Person verzog überrascht das Gesicht. Sie hatte schwarze Haare und tiefblaue Augen. Sie passte nicht wirklich in das Heerscharrenbild mit ihrem Kleid.

„Oh, sie mal einer an. Welpen die bellen, das ist neu.“ Die Frau lächelte die Rekruten an, jedoch verrieten ihre Augen nicht das geringste Gefühl. Visca versuchte die Aura zu deuten, jedoch sah sie nur blau, was ihr seltsam vorkam. Doch nach einigen Überlegen fiel es ihr ein.

„Sie sind Gabriel!“, platze es aus ihr raus.

„Welpen die intelligent sind, na sieh mal einer an.“ Gabriel machte sie eindeutig über die Gruppe lustig. Ehe einer der Rekruten etwas sagen konnte, lachte Gabriel auf einmal auf.

„Tut mir Leid, aber eure Gesichter sind einfach zum Schießen. Welpen auf den Arm nehmen war meine Lieblingsbeschäftigung in meiner Heerscharren Zeit. Ich nehm an ihr wurdet einfach ins Kalte Wasser geschmissen.“ Keiner aus der Gruppe fand es witzig, dass sie so verarscht wurden. Visca war jedoch weniger wütend, eher neugierig. Jedoch würde sie ihre Neugier vorerst verdrängen. Sie konnte praktisch die Blicke von Ashariel auf sich spüren und wie er ihr mitteilen wollte, dass sie jetzt lieber nichts sagen sollte.

„Ich hab leider keine Zeit euch ein wenig zu helfen, muss was Wichtiges mit Michael besprechen. Aber viel Spaß noch“, verabschiedete sich Gabriel.

„Na wunderbar, und was machen wir jetzt?“, fragte Suriel in die Runde. Visca seufzte.

„Wir werden uns in die Arbeit stürzen. Los geht’s Jungs, wir haben noch viel vor.“
 

Anthevel, Cerviel, Eloa

Haniel war äußerst freundlich, dass mussten ihr die Rekruten lassen. Vielleicht wäre ihr erstes Jahr doch nicht die Hölle? Zumindest die ersten Monate in der medizinischen Abteilung.

Ebenso wie Chamuel führte Haniel sie aus dem Gebäude raus und führte sie in Richtung ihrer Abteilung.

„Sagen Sie mal, ist das irgendwie Mode bei blonden Engeln? Dieses helle Blau und die Armbinde?“, fragte Cerviel. Er hatte bemerkt, dass sich Haniel und Eloa recht ähnlich sahen.

„Zufall“, antwortete Haniel. Sie schenkte ihm ein Lächeln, jedoch war sie etwas angespannt. Natürlich war ihr diese Ähnlichkeit nicht entgangen. Sie würde wohl mit ihr reden müssen.

„Aber findest du denn nicht, dass uns dieses Blau steht?“, stellte sie gleich auch die Gegenfrage. Wenn diese Engel nur halb so gut waren, wie Artemis‘ Jahrgang, dann würde es bald ungemütlich werden. Die Blondine musterte kurz Eloa. Nein, es würde nicht ungemütlich werden, es wird mit Sicherheit Probleme geben.

Haniel blieb vor einem riesigen Gebäude stehen, mit einer riesigen Tür.

„Eins muss man der Heerscharren lassen… Was Gebäude und Gelände angeht, ging es wohl nicht kleiner“, flüsterte Anthevel zu Cerviel, welcher als Zustimmung nickte.

„Artemis erzählte euch sicher wie schwer es wird. Und sie wird Recht behalten. Im Gebäude hinter mir, nein, in dieser Abteilung gibt es keine Zeit für Ränge. Sekunden können über Leben oder Tod entscheiden. Aber auch über die Zukunft eines Soldaten. Merkt euch das.“ Haniel drehte sich somit um und öffnete die Tür. Sie wurde von allen begrüßt und ebenso die drei Neuankömmlinge wurden sofort begutachtet.

„Wir haben momentan nicht sehr viele Verletzte hier, was gut ist. Deswegen kann es euch etwas langweilig vorkommen. Sucht euch dann einfach eine Beschäftigung.“ Haniel ging zum Empfangstresen wo sie sich kurz mit einem anderen Engel unterhielt, der ihr drei Pager in die Hand drückte. Diese übergab sie an Anthevel, Cerviel und Eloa.

„Klingeln diese Pager dann rennt ihr, denn davon kann das Leben eurer Kameraden abhängen. Aber für den Anfang gibt es erstmal eine kleine Führung durch mein Krankenhaus. Folgt mir.“ Und somit begann die kleine Krankenhaus-Tour.

„Wir waren gerade am Empfang, dort bekommt ihr auch immer Auskunft. Falls ihr auch mal Fragen habt oder nicht klar kommt, könnt ihr dorthin und euch helfen lassen. Keiner beißt hier. So weiter geht es.“ Haniel führte sie durch die einzelnen Gänge und erklärte wo sich was befand. An einem Zimmer blieb Haniel stehen.

„Dieses Zimmer ist für euch tabu. Hier können nur autorisierte Personen eintreten. Also unter keinen Umständen hier rein gehen!“

Keiner stellte zusätzliche Fragen, denn Haniel sah sehr angespannt aus. Als ob ihr der Raum selbst auch nicht ganz Geheuer war.

„Na gut, also ran an die Arbeit. Als erstes machen wir die Visite.“

Ecanus, Jazar und Kyora

Malahidiel konnte nicht anders als Grinsen. Artemis hatte eine Show hingelegt, die der von Chamuel Konkurrenz machte. Die beiden waren sich unglaublich ähnlich, zumindest bis zu einem bestimmten Punkt.

„Irgendwelche Fragen, während wir unterwegs sind?“, fragte er in die Runde. Die Rekruten waren sich etwas unsicher, aber wenn er es ihnen schon anbot.

„Wie viele schaffen es im Durchschnitt durch das erste Jahr?“, fragte Kyora. Lange rosa Haare ebenso rosa Augen. Was machte so jemand bei den Heerscharren? Vielleicht sollte sich Malahidiel irgendwann anders darüber Gedanken machen oder erst gar nicht darüber nachdenken. Eine Rekrutin mit rosa Haaren hatte er schon mal unterschätzt.

„Also im Durchschnitt, alle. Sofern sie nicht sterben.“ Kyora wünschte sich, sie hätte nicht gefragt. Sie wurde wieder aufmerksam als Malahidiel weiter sprach.

„Es gibt dennoch Ausnahmen. Einige entscheiden für sich selbst zu gehen. Jedoch… Ach, nicht so wichtig.“ Für einen kleinen Moment sah Kyora etwas Seltsames in den Augen von Malahidiel, ebenso hatte sich seine Stimme leicht verändert. Als ob er darüber nicht sprechen wollte oder auch das Thema nicht weiter vertiefen wollte. Kyora musterte ihn, ob sie noch weitere Zeichen sehen konnte. Jedoch erkannte sie nichts mehr.

Jazar musste schmunzeln, als Kyora leicht schmollte. Ecanus konnte sich ein Grinsen ebenso nicht verkneifen.

„Du hast zu lange damit verbracht dich mit Psychologie zu beschäftigen“, kommentierte Jazar. Ecanus konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Es war allseits bekannt, dass Kyora sich ausgiebig mit Psychologie beschäftigt hatte. Und es ging so weit, dass sie jegliche Engel analysieren konnten anhand derer Haltung, Mimik, Gestik, Tonlage, Tonhöhe.

„Psychologie? Bist du dann nicht etwas falsch bei den Heerscharren?“, klinkte sich Malahidiel wieder ein. Kyora antwortete ihm leicht trotzig.

„Hab keine Lust unter die Irren zu gehen.“ Damit hatte sie alle drei Männer in ihrer Runde zum Lachanfall gebracht. Sie selbst bemerkte nun den Fehler an ihrem Satz. Denn für jegliche Engel, waren die Heerscharren die Irren.

Ehe sich die Gruppe versah standen sie vor dem Gebäude der Air Force.

„Tja, damit endet der Weg. Dort drinnen überlass ich euch Calatrisa. Ich schick sie zu euch. Solange stellt keinen Mist an.“
 

Azael, Colopatiron und Jade

Als die drei von Artemis praktisch durch die Tür geschoben wurden, waren die drei eindeutig verloren. Es war nicht so, dass es unheimlich war.

„Na toll, und jetzt?“, meckerte Jade. Sie war aber anscheinend so laut, dass jemand auf die Gruppe aufmerksam wurde. Eine junge Frau kam auf sie zu.

„Ich nehm an, ihr seid die Rekruten. Mein Name ist Kiana und bin gerade im zweiten Jahr. Falls ihr Fragen habt oder Tipps braucht, könnt ihr euch gerne an mich wenden.“

„Hallo Kiana. Das sind Colopatiron und Jade, mein Name ist Azael. Du warst vor einem Jahr also an unserer Stelle?“

„Ja. Aber so schlimm ist es nicht, wie alle behaupten“, beantwortete sie die Frage.

„Wie wär’s mit einem Rundgang? General Abrinael ist momentan noch beschäftigt“, bot sie den neuen Rekruten auch an. Kiana konnte sich noch gut dran erinnern, wie es ihr in dem ersten Jahr erging. Es war hart, aber dennoch erinnerte sie sich gerne daran.

„Ja das wäre nett, Lieutenant Artemis hat uns hier einfach abgesetzt ohne jegliche Worte.“ Kiana starrte die Rekruten erschrocken an.

„Artemis?! DIE Artemis?!“

„Gibt es etwa mehr als eine? Sie ist für uns verantwortlich.“ Man konnte Kiana’s Gehirn arbeiten hören, verschiedene Gefühle spiegelten sich auf ihrem Gesicht wieder. Colopatiron meldete sich dann wieder zu Wort.

„Moment, wieso flippen alle wegen Lieutenant Artemis so aus?“ Kiana wurde nun leicht panisch. Es stand ihr nicht zu darüber zu reden.

„Wenn ihr wissen wollt, was es mit dieser Geschichte auf sich hat. Beziehungswiese, die Legende um Artemis, dann fragt sie selbst. Oder findet es auf anderem Wege heraus. Denn euch wird keiner erzählen, was es mit ihr auf sich hat.“ Enttäuschung war bei den Rekruten zu erkennen. Dennoch hakten sie nicht weiter nach.

„Also, wollen wir dann anfangen?“ Kiana drehte sich und ging vorraus, Azael, Colopatiron und Jade folgten ihr. Unterwegs erklärte Kiana wo sich welcher Raum befand und was die Rekruten zu beachten hatten.

„Am Anfang wirkt der Komplex recht groß, aber man gewöhnt sich sehr schnell dran. Allgemein ist Abrinael für euch verantwortlich, jedoch scheut euch nicht davor jeden anderen zu Fragen, wenn ihr nicht klar kommt. Respektiert jedoch bitte, wenn jemand schwer beschäftigt ist und euch einfach so aus dem Labor rausschmeißt.“

Ruhe vor dem Sturm

2 Monate später…

 

Artemis sah sich den monatlichen Bericht über die Rekruten aus den anderen Abteilungen an. Manche zeigten tatsächlich Potential, jedoch müsste an ihnen noch geschliffen waren. Sie konnte sich erinnern, wie Chamuel ihr einst erzählte, dass Rekruten wie Rohdiamanten waren. Man müsste sie erst schleifen und polieren, damit sie was Wert sind. Unrecht hatte die Schwarzhaarige eindeutig nicht.

Sie schloss gerade die letzte Akte, als es an ihrer Bürotür klopfte. Ausbilder sein, brachte schon Vorteile. Unter anderem ein eigenes Büro.

„Herein!“ Als Artemis aufsah, musste sie lächeln. Es war selten, aber wenn sie allein waren, kam es ihr fast so vor, als ob sie noch auf der Akademie wären. Calatrisa schlich sich rein.

„Ich hab dir was mitgebracht“, strahlte die türkishaarige und hielt einen Picknickkorb hoch.  Wo hatte sie den denn ausgegraben? Die rosahaarige sah ihre Freundin fragend an, welche den Korb auf den Schreibtisch abstellte. Jetzt hatte sie einen guten Blick drauf, was alles dort versteckt war. Jede Menge süßes Gebäck und Kaffee. Artemis sah Calatrisa leicht entgeistert an.

„Ist das dein Ernst? Du warst-?!“ Doch weiter fragte sie nicht sondern seufzte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Sie wusste, dass die türkishaarige manchmal etwas irrsinnig war, aber dass sie Regeln brach? Ihr musste wohl wirklich langweilig sein oder etwas beschäftigte sie. Artemis stand auf um die Tür abzuschließen. Erstens, es musste keiner wissen, was Calatrisa getan hat und zweitens, musste keiner wissen, dass sie ab und zu gerne mal Leckereien von der Erde aß.

Fünf Minuten später, war der Schreibtisch von jeglichen Papierkram befreit und hatte sich in einen Kaffeetisch verwandelt.

Die Beiden saßen sich gegenüber und genossen die Süßigkeiten. Besonders gerne aß Artemis die Schokoladenmuffins.

„Sage mal, wie bist du an das ganze Zeug gekommen?“, fragte sie nach einer Weile. Calatrisa grinste.

„Das, meine Liebe, bleibt mein Geheimnis.“ Artemis verdrehte die Augen. Sie konnte alles drauf verwetten, dass Calatrisa eine Patrouillen-Runde dafür missbraucht hat.

„Um aber auf ein anderes Thema zu kommen. Wie läuft’s mit den Rekruten?“

„Welpen sind Welpen. Manche sind vielversprechend, manche nervig. Wie es jedes Jahr eben ist.“

„Gibt es welche mit speziellen Fähigkeiten?“ Es gab immer mindestens einen Engel mit speziellen Fähigkeiten, manchmal auch mehr. Doch oftmals ist es schwierig diese einzuschätzen.

„Laut den Berichten nein. Jedoch… Ich bin mir da nicht so sicher. Irgendwas sagt mir, dass uns einige noch überraschen werden. Sofern sie nicht verschwinden.“ Artemis Blick wanderte in die Ferne. Unbewusst fasste sie sich an ihre Augenklappe. Calatrisa wandte ebenfalls ihren Blick ab und spürte ein leichtes Kribbeln am Rücken. Beide hatten Verluste erlitten. Sie waren die einzigen Überlebenden die noch im Dienst waren. Ein Klopfen an der Tür unterbrach die kurze Trauer der beiden.

Artemis zog eine Augenbraue hoch und sah Calatrisa fragend an. Diese zuckte ahnungslos mit ihren Schultern. Die rosahaarige stand langsam auf, darauf bedacht so wenig Geräusche wie möglich zu machen, was sich bei ihren Absatzschuhen als schwierig erwies.

Sie öffnete die Tür einen Spalt breit und setzte ein grimmiges Gesicht auf. Meist reichte es um unerwünschte Besucher los zu werden. Es gab jedoch paar wenige Ausnahmen. Eine davon stand vor der Tür.

„Ich habe Kaffee gerochen. Und Zucker!“ Das engelsgleiche Lächeln sah bei Chamuel unheimlich aus. Es war eindeutig was die schwarzhaarige wollte – Kaffee. Kaffee den Calatrisa und Artemis versteckten. Artemis steckte ihren Kopf kurz aus der Tür um nach links und rechts zu sehen. Dann öffnete sie die Tür so weit, dass Chamuel eintreten konnte. Sobald sie drin war schloss Artemis wieder die Tür ab. Kaum hatte sie sich umgedreht schon saß Chamuel auf einem Stuhl, ihre Jacke über den Stuhlrücken gehängt. Calatrisa goss ihr strahlend Kaffee ein.

„Hat schon Vorteile Ausbilder zu sein, nicht wahr?“, fragte Chamuel grinsend. Sie konnte sich gut an ihre Zeit als Ausbilder erinnern. Sie nutzte alles aus, was der Job an Vorteilen zu bieten hatte. Ihre beiden ehemaligen Schülerinnen nickten als Bestätigung. Die Besitzerin des Büros setzte sich wieder in ihren Bürostuhl, was schon eher einem sehr bequemen Chefsessel glich.

„Ich wollte mich mal erkundigen wie es so läuft. Naja, und nebenbei hab ich den Kaffee gerochen“, gestand Chamuel den wahren Grund ihres Besuchs. Während Calatrisa weiter an ihrem Cookie knabberte, überlegte Artemis wie sie antworten sollte. Es gab Zeiten wo sie die Rekruten in Stücke reißen wollte, aber auch Momente, wo sie das Potential in ihnen sah. Doch deren Arroganz, Schüchternheit oder andere Charaktereigenschaften, die denen glichen, versteckten dieses Potential. Schließlich fand sie eine Antwort.

„Allgemein ist es ein guter Jahrgang. Aber ich überlege manchmal ob ich mir nicht die Arbeit einfach mache und sie kurzerhand ums Eck bringe. Aber dann wiederum denke ich an die talentierten Rekruten. Was wenn uns dadurch was entgehen würde?“ Plötzlich brach Chamuel in Gelächter aus, beinahe verschluckte sie sich an ihrem Kaffee. Calatrisa und Artemis sahen sie schockiert an.

Es dauerte ein wenig bis sich die Schwarzhaarige wieder eingekriegt hatte und sie einigermaßen wieder regelmäßig atmete.

„Was denkt ihr wie oft ich an Mord gedacht habe? Ihr wart unausstehlich! Artemis musste ihren Dickschädel immer durchsetzen und du, Calatrisa, du warst eine richtige Pest!“ Bei den Erinnerungen musste Chamuel wieder lachen. Die beiden waren sowas wie Töchter für sie geworden, trotz der schwierigen Anfänge. Allerdings fanden es die beiden erwähnten gar nicht witzig. Calatrisa schmollte. Sie wollte gerade eine bissige Antwort geben, als der Alarm plötzlich ausgelöst wurde.

„Ist das ihr verfickter ernst?!“, fluchte sie stattdessen. Alle drei machten sich auf Richtung Merkabah-Docks. Calatrisa fluchte den ganzen Weg über und jeder der nicht von ihr an die Wand geworfen werden wollte, machte Platz. Chamuel und Artemis kam das ganz gelegen, da sie dadurch auch schneller an ihr Ziel gelangten.

Bei den Docks angekommen, trennten sich die Wege der drei. Chamuel ging zu ihrer Merkabah, während Calatrisa zu Malahidiels Merkabah lief.

Artemis hingegen hatte bereits einen gewissen General ins Auge geschnappt und bahnte sich den Weg durch die Soldatenmenge. Als sie bei ihm ankam, blickte sie ihn fragend an.

„Frag lieber nicht. Die mussten das wohl schon eine Weile geplant haben“, beantwortete Michael ihr die Frage. Die Rosahaarige verdrehte ihr gesundes Auge.

„Na wunderbar, also kein Probealarm. Das hat uns gerade noch gefehlt.“

„Sammel die Rekruten ein“, befahl er ihr. Entsetzt blickte sie ihn an.

„Ist das dein Ernst? Die sind noch nicht soweit!“

„Kämpfen können sie nicht, aber zusehen.“

„Das können sie auch von der Zentrale aus!“ Michael verengte die Augen, sie wirkten auf einmal eiskalt.

„Das war kein Vorschlag Lieutenant Artemis. Das war ein Befehl.“ Die Frau knirschte mit den Zähnen. Wenn der oberste General einen Befehl gab, folgte man ohne Widerworte. Sie salutierte und machte sich auf die Rekruten einzusammeln. Es war jedoch recht einfach, sie standen Abseits von dem ganzen Trubel. Sie wirkten verängstigt.

„Wieso steht ihr hier so rum?“, fragte Artemis die Gruppe.

„Die anderen meinten, dass wir hier bleiben sollen. Und auf eine Anweisung ihrerseits warten sollen.“ Artemis murmelte etwas unverständliches, was so viel heißen sollte wie:

„Natürlich wieder ich…“

„Gut, hier sind meine Anweisungen. Ecanus, Jazar und Kyora, ihr geht auf die Celes, dort ist Calatrisa. Anthevel, Cerviel, und Eloa, Haniel wurde informiert und dürfte bald mit einem kleinen Team hier ankommen. Das bedeutet ihr bleibt hier und sobald Verletzte eintreffen, werdet ihr die Erstversorgung vornehmen.

Ashariel, Cruciel, Suriel und Visca, ihr folgt mir. Azael, Colopatiron und Jade geht in die Kommandozentrale A. Ihr werdet als Coordinator eingesetzt. Ach und falls die in der Zentrale rumzicken, sagt ich schicke euch. Also, los geht’s. Vergeigt es nicht… und viel Glück.“

Artemis war besorgt. Ängste der Vergangenheit krochen wieder in ihr hoch. Aber es konnte eigentlich nichts schief gehen, richtig? Das versuchte sie sich jedenfalls einzureden. Sie blickte kurz nach hinten um sich zu vergewissern, dass ihr kleines Grüppchen auch hinterher kam. Als sie kurz Viscas Blick einfing, glaubte die rosahaarige ein leichtes Leuchten darin zu erkennen. Visca brach aber so schnell den Augenkontakt ab, dass Artemis sich nicht sicher war, ob es nicht doch nur eine Einbildung war. Doch im Hinterkopf sagte ihr irgendetwas, dass sie die violetthaarige im Auge behalten sollte.

Als sie wieder nach vorne blickte, sah sie wie Michael sich mit jemanden noch unterhielt. Erkennen wer dieser jemand ist, konnte sie nicht. Sie achtete jedoch nicht weiter darauf, als sie an der Merkabah von Chamuel eintrat. Artemis schritt sofort in Richtung Brücke. An einer Tür machte sie jedoch halt und drehte sich zu den Rekruten um.

„Rein mit euch. Ihr könnte von hier den Kampf beobachten.“

„Aber dann sehen wir ja nichts von der richtigen Action auf der Kommandobrücke“, meckerte Cruciel. Artemis verengte die Augen und sah ihn wütend an.

„Das hier ist kein Wunschkonzert. Ich war dagegen, dass ihr mitkommt! Denn ihr seid nicht soweit. Aber Befehl vom General ist nun mal Befehl. Aber wenn ich schon nicht verhindern konnte, dass ihr mitkommt, kann ich wenigstens so gut es geht für eure Sicherheit sorgen. Also rein mit euch. Hier sind genügend Monitore installiert, dass ihr alles mitbekommt.“

Somit ließ Artemis die Rekruten in dem  Raum zurück und bahnte sich weiter ihren Weg zur Brücke, wo sie auch schon von Chamuel erwartet wurde.

„Michael hat den Verstand verloren.“ Chamuel sah die rosahaarige aus den Augenwinkeln an. Es war nichts neues, das Artemis nicht gut auf Michael zu sprechen war, aber so eine Aussage war neu.

„Was ist denn passiert, dass er nun den Status eines Irren erreicht hat?“

„Er meinte, die Rekruten sollen mit“, antwortete Artemis. Chamuel drehte ihren Kopf zu Artemis.

„Der Herr scheint auch langsam alt zu werden“, meckerte die schwarzhaarige. Das Thema war nun aber beendet, als sich die Merkabah in Bewegung setzte.

„Na dann lasst uns ein paar Dämonen den Arsch aufreißen“, lachte sie. Ihre Crew stimmte ihr zu.

 

                                                                                                                                                                                         

 

„Es ist zu ruhig.“

„Was meinst du damit, Ash?“

„Überlege doch mal, wir sind jetzt schon eine Weile unterwegs. Guck dir die Koordinaten an.“ Die vier Rekruten, die auf Artemis Merkabah mit waren, sahen gleichzeitig zum Monitor. Laut Koordinaten wären sie bald an der Grenze.

„Wir sind noch keinen Dämonen in die Falle gelaufen. Es kann doch nicht sein, dass es Alarm gab und dann nichts. Kein Dämon weit und breit“, erklärte Ashariel.

„Der Alarm wird tatsächlich nur aktiviert, wenn sich eine bestimmte Zahl an Dämonen bzw dämonischer Astralenergie geballt an einem Punkt der Grenze sammelt, oder die Grenze überqueren“, stimmte Cruciel zu. Er sah erwartungsvoll zu Visca, diese schüttelte den Kopf.

„Ich kann nichts spüren. Wenn ich zumindest freies Blickfeld hätte.“

Die Vier sahen sich gegenseitig an. Es stimmte etwas nicht, jeder von ihnen konnte es spüren. Dieses Gefühl als ob gleich etwas schief gehen würde. Plötzlich spürten sie eine gewaltige Explosion, welche die Merkabah vom Kurs abkommen ließ.

„Sie haben einen der Antriebe getroffen“, stellte Suriel fest, als er den Monitor ansah. Ashariel sah leicht panisch zu ihm rüber, ebenso Cruciel. Doch ihre Blicke fielen auf Visca als sie ihre Stimme hörten.

„Sie kommen. Die hohen Zwölf erwachen.“ Cruciel fasste sie an den Schultern und rüttelte sie leicht. Keine Reaktion.

„Visca, hör mir zu. Dreh um! Egal was du siehst, dreh um. Komm zurück“, versuchte er auf sie einzureden.

„Was ist hier los?“, erklang überraschend die Stimme von Artemis. Die drei Engel schauten schockiert zu ihr.

„Lieutenant Artemis, was machen sie hier?“, fragte Ashariel.

„Euch babysitten, was denn sonst? Was ist los mit ihr?“ Artemis zeigte auf Visca, welche immer noch in die Leere starrte. Die Jungs sahen sich gegenseitig an, dann auf Visca, dann wieder zu Artemis.

„Sie dürfen es keinem erzählen. Versprechen Sie es!“ Artemis sah die drei verwundert an, ihr Unterbewusstsein jedoch sagte, dass sie ihnen das Versprechen sollte. Die rosahaarige nickte als Bestätigung.

„Visca ist eine dieser speziellen Engel. Sie kann Dinge sehen, die andere nicht sehen. Bei ihr hat es sich weitesgehen…“

Artemis bekam den Rest nicht mehr mit, denn in ihrem Kopf pochte auf einmal ein unheimlicher Schmerz. Ohne es zu bemerken, fing sie an zu weinen.

 

„Verdammt Cas! Du darfst nicht sterben!“, flehte Artemis, als sie ihren besten Freund im Arm hielt.

„Hey, nicht weinen Kleine. Wir hatten uns doch drauf geeinigt, du wirst irgendwann General. Und Generäle weinen nicht“, versuchte er sie zu beruhigen. Doch das Blut, welches aus seinem Mund floss, war keine Hilfe. Es fühlte sich an, als ob er langsam am eigenen Blut ersticken würde. Castiels Augen fielen zu. Doch er öffnete sie wieder, als Artemis leicht an ihm rüttelte. So stark um ihn wach zu halten, aber so leicht um ihm keine weiteren Schmerzen zu bereiten.

„Du musst wach bleiben, hörst du mich! Der Rettungstrupp wird bald da sein. Halt durch! Bitte!“, flehte ihn Artemis an. Castiel lächelte sie an.

„Ich hab es gesehen. Ich hab gesehen wie es endet. Aber für dich und Tris geht es weiter. Such sie! Finde sie! Überlebt zusammen. Versprich es mir.“ Artemis sah ihn geschockt an. Er wusste, dass er sterben würde? Wieso hatte er nichts gesagt?

„Cas, wieso hast du… Warum? Du hättest…“, doch sie konnte die Frage nicht aussprechen. Sein Blick sagte alles. Er wollte sie beschützen, sie und Calatrisa. Artemis sah ihn an und begriff, dass es für ihn keine Rettung mehr gab. Sein Tod war ein Fixpunkt in den Chroniken.

„Ich versprech es dir. Ich werde Tris finden. Und wir werden leben, für dich Castiel.“

„Danke.“

 

„Lieutenant Artemis?“, holte sie die Stimme von Ashariel zurück. Sie sah etwas desorientiert die Rekruten an. Und dann sah sie Visca an. In ihren Augenwinkeln waren Tränen. Artemis trat näher an sie ran und kniete sich hin, sodass sie auf Augenhöhe mit Visca war.

„Du hast es gesehen, nicht wahr? Meine Vergangenheit.“ Visca sah sie verängstigt und mitfühlend zugleich an. Sie war so einen Schmerz nicht gewöhnt. Und es brach wie ein Damm aus ihr raus. Artemis nahm sie in die Arme und flüsterte ihr ins Ohr:

„Es wird alles wieder gut. Atme ganz ruhig ein und aus. Alles wird wieder gut, keine Sorge.“ Die rosahaarige setzte sich mit Visca in den Armen in eine bequemere Position und streichelte ihr leicht übern Rücken.

„Ashariel, geh auf die Brücke und sag Chamuel, wir müssen uns zurückziehen. Wenn sie fragt wieso, sagst du ihr >übertragener Code P-Yellow<. Sie wird wissen, worum es geht.“ Er nickte nur und machte sich auf den Weg zur Brücke.

„Was ist mit Visca passiert?“, fragte Suriel. Artemis sah ihn leicht müde an, sie hasste es, wenn plötzlich Erinnerungen über sie einbrachen. Besonders die, die am schlimmsten waren oder die, die sie am meisten erschöpfen.

„Sie sah meine Erinnerung. Und das hat sie gebrochen, weil sie nie zuvor solchen Schmerz gespürt hatte. Ich habe vermutlich mehr gelitten, als ein Soldat in meinem Alter hätte leiden sollen. Aber das kann man nicht mehr ändern. Und ich will euch davor bewahren.“ Artemis wollte noch etwas sagen, aber entschied sich dagegen, als eine Durchsage kam, dass die Merkabah umkehren würde.

„Kein Wort zu den anderen. Verstanden? Je weniger ihr wisst, desto besser.“

Ruhe vor dem Sturm II

Als die Merkabah zurück beim Hauptquartier war, nahm Artemis Visca hoch und bahnte sich den Weg Richtung Ausgang. Ashariel, Suriel und Cruciel folgten ihr.

Aus der Merkabah raus, begab sie sich Richtung Shuttle. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, dass Chamuel ihr folgte.

„Rein mit euch“, wies Artemis die drei Rekruten an. Als sie sich platziert hatten, übergab sie ihnen Visca. Artemis nahm den Platz am Steuer ein. Doch bevor sie starten konnte, kam Chamuel bei ihnen an.

„Was ist passiert?“, fragte sie besorgt. Sie wusste, dass es Artemis Erinnerung betraf, dafür wurde schließlich der Code entwickelt. Um, sollte es zu so einem Fall kommen, Artemis schnellstmöglich beruhigt oder unter Umständen vom Schlachtfeld gebracht werden konnte. Die Schwarzhaarige konnte jedoch nicht verstehen, wie es ein übertragener Code sein sollte.

Artemis schüttelte nur den Kopf, sie wollte und konnte nicht darüber reden. Vielleicht würde sie es Chamuel später erklären, aber jetzt musste erstmal Visca in Sicherheit gebracht werden. Idealerweise ein Ort wo sie sich ohne Störung ausruhen konnte und die rosahaarige kannte so einen Ort.

„Nicht jetzt Chamuel. Später vielleicht“, gab sie als Antwort, startete das Shuttle und ließ ihre Mentorin zurück.

Chamuel sah ihr nach. Sollte sie ihr folgen oder für den Augenblick vertrauen und glauben, dass alles in Ordnung war? Sie wusste es selbst nicht, entschied aber für die zweite Variante.

 

Im Shuttle war Stille. Artemis konzentrierte sich drauf schnellstmöglich nach Hause zu kommen, während die anderen drei nicht so recht wussten, was sie hätten sagen sollen. Visca war immer noch bewusstlos.

Als Artemis einigermaßen ihre Gedanken geordnet hatte, drängten sich ihr dennoch einige Fragen auf und jetzt schien ein guter Augenblick um darauf Antworten zu bekommen.

„Wie lange hat sie schon diese Fähigkeit?“ Ashariel, Suriel und Cruciel waren verwundert über die plötzliche Frage. Keiner von ihnen wusste so recht, was sie antworten sollten.

„Wissen wir nicht genau. Aber seit Mitte der Akademie Zeit ungefähr. Jedenfalls hat sie es uns dann erzählt“, antwortete Cruciel wahrheitsgemäß. Artemis überlegte kurz, gab es nicht an der Akademie sowas wie Circumspector?

„Wurde es nie gemeldet? Es gibt doch diese komischen Gestalten die da rumlungern“, allein beim Gedanken an die Circumspector schauderte es ihr. Einmal glaubten diese Engel, Artemis hätte eine spezielle Fähigkeit. Es war lästig um es einfach auszudrücken. Die rosahaarige hat mehrere Monate gebraucht, bis die geschnallt haben, dass da nichts war. Abgesehen von ihrer Auffassungsgabe und schneller Entscheidungsfreudigkeit. Um es kurz zu fassen, sie konnte Situationen in kürzester Zeit optimal analysieren. Aber das konnte fast jeder gute Soldat.

„Meinen Sie die Circumspector?“

„Ja was denn sonst?“

„Wir haben Visca immer gedeckt. Niemand hatte es bemerkt und auch generell nutzte sie die Fähigkeit eher selten in der Akademie oder auf dem Gelände.“ Artemis schaute aus den Augenwinkeln zurück.

„Circumspector sind nicht nur auf dem Akademiegelände. Sie sind wie Aasgeier. Erweckst du einmal Ihr Interesse, lassen sie nicht locker. Sie folgen dir bis in deine Wohneinheit. Beobachten jeden deiner Schritte. Es gibt nur eins das lästiger ist als die. Und selbst dieses lästige etwas bevorzuge ich über die Circumspector.“

„Was denn?“

„General Haniel.“ Die drei Engel wussten nicht wie sie reagieren sollten. Lachen oder entsetzt sein? Wohl eher verwirrt. Was genau hatte Artemis gegen Haniel?

„Dürfen wir Ihnen eine persönliche Frage stellen?“, traute sich Suriel zu fragen. Artemis wägte kurz das für und wider ab. Viel passieren konnte nicht, beantworten musste sie die Frage ja nicht.

„Die wäre?“

„Was ist da genau zwischen General Haniel und Ihnen? Sie scheinen nicht gut aus General Haniel zu sprechen zu sein.“ Artemis hätte ihren Kopf geradewegs auf die Lenkung schlagen können. Wieso erlaubte sie den Rekruten Fragen zu stellen. Es war nicht so, dass sie Haniel hasste oder generell nicht mochte. Es war eher die Art, wie Haniel mit ihr umging.

Haniel war ein unheimlich freundlicher Engel. Sie erhob nie das Wort, war stets freundlich und gut gelaunt. Oftmals besorgt um die Soldaten an der Front. Man könnte meinen sie wäre die reinste Seele der Himmlischen Heerscharren. Aber da gab es eine gewisse Eigenschaft, welche Artemis an Haniel nicht leiden konnte. Die Anhänglichkeit, Besorgnis. Versteckt unter zu viel Freundlichkeit.

„Versteht mich nicht falsch, ich mag Haniel. Aber hältst du nicht eine gewisse Distanz zu dieser Frau, klettert sie dir auf den Kopf. Du wirst sie nicht mehr los. Also guter Tipp für die Zukunft: Bloß nicht von ihr einlullen lassen.“

„Wieso haben sie General Haniel so förmlich angesprochen damals?“, bemerkte Cruciel.

„Distanz. Hätte ich sie Haniel genannt, wäre das mein Untergang gewesen. Ich wäre sie nicht losgeworden. Aber genug von ihr. Wir sind vom Thema abgekommen. Visca und ihre Fähigkeit.“

„Da gibt es nicht viel zu sagen.“ Artemis verdrehte die Augen.

„Eurer Meinung nach, ich bin da anderer Meinung.“

Artemis landete das Shuttle auf dem Hof ihres Appartement-Block. Sie stieg als erste aus und nahm den drei Engeln Visca ab und machte ihnen deutlich sie sollten ihr folgen. Ohne ein weiteres Wort trug Artemis die Violetthaarige auf ihrem Arm in Richtung ihrer Wohnung.

Ihre Wohnung war mit einem Augenscan gesichert. Engel achteten in der Regel die Privatsphäre des anderen, aber besonders Mitglieder der Heerscharren entwickelten ein Misstrauen, welches sie dazu veranlasste dennoch ihre Wohneinheiten zu schützen.

 

In der Wohnung legte Artemis Visca auf die Coach. Ashariel, Cruciel und Suriel staunten nicht schlecht, als sie die Wohnung betrachteten. Die Wohnung war riesig im Vergleich zu deren Wohnheim.

„Wie haben Sie denn die Wohnung ergattert?“, fragte Suriel. Artemis verzog ihre Augenbrauen, erst dann wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich eine recht große Wohnung hatte, für jemanden mit ihrem Rang.

„Arbeit. Entschädigung, teilweise glaub ich“, antwortete die rosahaarige. Sie glaubte, dass Chamuel und Michael da ihre Finger im Spiel hatten. Kurz nachdem sie wieder aus den Krankenhaus entlassen wurde, führte Chamuel sie hierher und meinte, die Wohnung gehöre jetzt ihr. Die Wohnung war komplett eingerichtet gewesen, Artemis gefiel es sogar. Sie spekulierte sogar, dass es Chamuels alte Wohneinheit war, da Chamuel ein eigenes Haus besaß. Seltsamerweise kurz bevor Artemis diese Wohnung bekam. Die Einrichtung ähnelte verdächtig der von Chamuel. Sie hatte jedoch nie nachgefragt und nahm es damals einfach hin.

„Zurück zum Thema! Ich will alles über Viscas Fähigkeit wissen!“, verlangte Artemis. Die drei Engel fühlten sich auf einmal komplett eingeschüchtert. Zum einem klang Artemis äußerst streng und zum anderen befanden sie sich in ihrem Heim!

„Visca kann Auren erkennen. Wobei das unter Umständen auch die Astralenergie sein kann. Aber mehr ist uns auch nicht bekannt. Jedoch ist da noch etwas…“, erklärte Ashariel. Artemis musterte ihn misstrauisch und wies ihn an fortzufahren. Er jedoch blickte zu Boden, als wollte er nichts weiter erzählen. Die rosahaarige sah nun die anderen beiden an. Cruciel gab schließlich nach.

„Sie scheint so eine Art Visionen zu haben. Oder instinktiv oder irgendwie auf eine seltsame Art und Weise unbekannte Auren zu identifizieren. Oder etwas das in Zukunft auf uns zukommt. Keine Ahnung wie das funktioniert, aber sie hat auch unser Treffen mit Colonel Chamuel vorhergesehen. Visca beschrieb sie damals als dämonischer Engel der Zeit.“

„Dämonischer Engel der Zeit?“, hakte Artemis nach.

„Es geht doch das Gerücht um, dass Colonel Chamuel in die Zukunft sehen kann. Oder stimmt das nicht?“ Artemis seufzte. Was kursierten eigentlich für Gerüchte außerhalb der Heerscharren über die Heerscharren?

„Es stimmt nicht ganz. Sie kann einige Sekunden vorhersehen. Selten Minuten. Aber in kritischen Momenten reichen auch Sekunden aus“, erklärte sie Chamuels spezielle Fähigkeit.

„Ist sie auch eine dieser Engel der besonderen Art?“

„Es gibt keine Engel der besonderen Art. Sie sind wie wir, komplett normal. Sie unterscheiden sich nur mit einer Ansicht, sie besitzen eine ausgeprägte Fähigkeit.“

„Da scheinen das manche aber anders aufzufassen“, widersprach Cruciel. Ashariel und Suriel stimmten ihm zu.

„Ja, die idiotischen Politiker. Alles Angsthasen. Könnte ja nochmal jemand wie Luzifer auftauchen“, meckerte Artemis. Tatsache war jedoch, dass Luzifer nie eine ‘spezielle‘ Fähigkeit besaß und das Argument, dass man deshalb alle solche Engel unter besondere Beobachtung stellen sollte, somit nichtig wurde. Anscheinend ist es aber immer noch nicht zu den hochrangigen Engeln durchgedrungen.

„Ich behalte Visca für heute hier. Ihr geht wieder zurück zum Hauptquartier und geht da eurer Arbeit nach. Die Kleine ruht sich hier aus und morgen wird sie hoffentlich wieder fit sein“, beschloss Artemis. Das war dann das Zeichen für die drei Rekruten zu gehen. Artemis begleitete sie noch zum Shuttle, welches sie für den Rückweg nutzen würden.

„Noch etwas. Kein Wort zu den anderen Rekruten, verstanden? Am besten kein Wort zu niemanden.“

„Was ist mit Colonel Chamuel und Lieutenant Calatrisa?“

„Erlaubt, aber sagt ihnen, ich brauch keine seelisch-moralische Unterstützung, okay? Kann ich jetzt echt nicht gebrauchen.“ Als Bestätigung bekam sie ein Nicken. Dann startete Suriel das Shuttle. Kurz blickte Artemis ihnen noch hinterher, bis sie sich wieder in ihre Wohnung begab.

 

Artemis setzte sich in einen Sessel, von dem sie Visca beobachten konnte. Die Violetthaarige schien friedlich zu schlafen. Artemis hoffte für sie, dass ihr Schlaf traumlos war, denn des Öfteren war ihr das nicht vergönnt. Nachdem Artemis sich an etwas erinnerte und sie bewusstlos wurde, plagten sie Alpträume, aus welchen sie sich nicht selbst befreien konnte. Und ist sie aufgewacht, fühlte es sich immer noch wie ein Alptraum war.

An dem Tag hatte sie fast alle Freunde verloren, die einzige die ihr wirklich geblieben war, war Calatrisa. Die anderen beiden wollten nicht mehr zurück und haben sich weites gehend zurückgezogen. Es war nicht so, dass sie Artemis schuldig machten, dafür was passiert war. Sie konnten es einfach nicht ertragen zu sehen, wie Artemis alles in sich behielt und sich selbst verantwortlich machte. Teilweise wollten sie aber auch nicht an das Massaker erinnert werden. Die rosahaarige konnte es ihnen nicht verübeln. Es gab immer nur einen Tag im Jahr wo sie sich sahen, aber dennoch kein Wort miteinander wechselten.

Es war der Jahrestag des Eternal-Arc-Massakers. Jedes Jahr, ohne sich abzusprechen, trafen sie die vier Überlebenden im Mausoleum. Sie wussten, dass dort nicht die Überreste ihrer Kameraden lagen, nur ihre Namen waren in Marmor gemeißelt. Aber dennoch tat es gut zu wissen, dass sie nicht vergessen werden würden.

Immer zur selben Zeit trafen sie sich dort und standen einfach nebeneinander, schweigend. Erinnerten sich an die besten Zeiten mit ihren Freunden. Nur durch die bloße Anwesenheit spendeten sie sich ein wenig Trost. Doch lange verblieben sie nicht zusammen, zu groß war der Schmerz und so trennten sich ihre Wege recht schnell.

 

Artemis wurde plötzlich aus ihren Gedanken gerissen, als es an ihrer Tür klopfte. Sie stand auf um die Tür zu öffnen, begrüßt wurde sie von Calatrisa.

„Hey“, versuchte Calatrisa zu lächeln. Doch es gelang ihr nicht ganz, vermutlich hatte Chamuel ihr bereits erzählt, was vorgefallen war. Die rosahaarige trat zur Seite um ihre Freundin reinzulassen. Calatrisa trat ein und steuerte geradezu auf die Coach zu, auf welche sie es sich gemütlich machen wollte. Vorfinden tat sie dort jedoch Visca.

„Du hast sie also doch mitgenommen. Hätte vermutet, dass du sie ins Krankenhaus bringst“, kommentierte die türkishaarige und setzte sich in einen der Sessel. Artemis gesellte sich zu ihr.

„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee gewesen wäre. Sie hat eine Erinnerung von mir gesehen. Stell dir vor, sie hätte es irgendwem im Krankenhaus erzählt, dass mich immer noch Erinnerungen plagen.“

„Daher also das abrupte abhauen. Verstehe. Was hast du jetzt mit ihr vor?“ Bewusst ging Calatrisa nicht drauf ein, was für eine Erinnerung es war. Würde Artemis es wollen, würde sie es erzählen.

„Je nach ihrer Reaktion, entweder ihr das Versprechen abnehmen nichts zu sagen oder sie komplett unter meine Fittiche nehmen.“ Calatrisa musterte Artemis und schaute dann auf die schlafende Visca. Sie hielt es für keine gute Idee, dass die violetthaarige Bescheid wüsste.

„Ariel“, brummte Calatrisa als Protest. Artemis hob die Augenbraue, hatte sie richtig gehört? Calatrisa nahm den Namen Ariel freiwillig in den Mund?

„Was ist mir ihr?“, hackte die rosahaarige nach. Calatrisa sah leicht schmollend weg. Sie konnte nicht zuordnen warum, aber sie hegte ein kleine Abneigung gegen Ariel.

„Sie könnte Viscas Gedächtnis diesbezüglich löschen“, erklärte die türkishaarige. Insgeheim wollte sie Artemis für sich selbst haben, niemand sollte Artemis zu nahe kommen, ausgenommen Chamuel, die eine Ausnahme war.

Calatrisa und Artemis waren seit Anfang der Akademie befreundet. Als sie sich das erste Mal in die Augen sahen, konnten sie spüren, dass sie irgendetwas verband. Man könnte die beiden Freundinnen fast als Seelenverwandte bezeichnen. Niemand hätte ahnen können, wie weit diese Verbindung reichte. Sie wussten es beide selbst nicht. Ersichtlich war jedoch, dass Calatrisa wesentlich stärker von Artemis abhängig war, als andersherum. Wo Artemis war, fand man auch oftmals die Kleinere vor. Artemis verspürte aber nicht zwangsläufig das Bedürfnis immer, zu jeder Zeit, in der Nähe ihrer besten Freundin zu sein. Jedoch ganz von ihrer Freundin ablassen konnte sie nicht.

Als Chamuel dann plötzlich in ihre Leben trat, wurde die Kleinere der beiden, wieder sehr anhänglich. Sie wurde territorial. Doch Chamuel hatte es geschafft hinter die Fassade zu schauen und bewies Calatrisa, dass sie ihr Artemis nicht wegnehmen wollte oder sich zwischen die beiden drängen. Die Schwarzhaarige hatte ihr vielmehr geholfen, sie auch anderen Personen gegenüber zu öffnen und unabhängig von Artemis zu werden. Es hat auch geholfen, die türkishaarige wurde unabhängig und schloss neue Freundschaften. Aber manchmal kam noch ihre Abhängigkeit gegenüber ihrer besten Freundin zum Vorschein. Ehe sie sich versah, hatte sie aber auch eine Abhängigkeit zu Chamuel entwickelt.

Und jetzt in dieser Situation fühlte sie sich ein wenig durch Visca bedroht. Nach dem Massaker hatte sich Artemis abgeschottet und es hat Zeit gekostet, wieder komplett zu ihr durchzudringen.

Und Calatrisa war der Meinung, Artemis brauchte niemand mehr als Chamuel und sie. Doch tief im Inneren wusste sie, dass dieser Gedanke falsch war.

„Du willst, wohlgemerkt freiwillig, dass ich Ariel herhole nur um das Gedächtnis der Kleinen zu löschen?“, fragte Artemis leicht ungläubig nach. Doch sie ahnte woher die Idee kam. Es war ihr nicht entgangen, dass ihre Freundin oft, vermutlich ohne es zu merken, territoriales Verhalten an den Tag legte.

Calatrisa nickte als Bestätigung. Ihre Gegenüber seufzte. Vielleicht war es ja keine verkehrte Idee. Sie war kein Fan von Ariel, aber dennoch respektierte sie den blonden Engel.

„Na schön, ich werd sie benachrichtigen“, gab Artemis nach. Ihre Freundin lächelte zufrieden.

„Super. Ich muss leider wieder weg. Protokoll und so. Und wahrscheinlich darf ich die Rekruten für dich übernehmen“, verabschiedete sich die türkishaarige.

 

Als Artemis wieder alleine, mit einer schlafenden Visca war, überlegte sie, wie sie am besten Ariel kontaktierte. Es wäre nicht schwierig, aber sie hatte nie die Blondine privat kontaktiert. Sie griff zu ihrem Tablet und gab Ariels ID ein.

Eins musste sie den Menschen lassen, sie waren durchaus erfinderisch. Und wieso sollten die Engel den technischen Fortschritt nicht nutzen? So manches erwies sich als nützlich. Geräte mussten modifiziert werden, aber dennoch funktionierten sie grundlegend wie die Technik der Menschen.

Erstaunlicherweise antwortete Ariel recht schnell auf ihren Videoanruf.

„Hallo Ariel“, begrüßte Artemis die Blondine. Diese zog verwundert eine Augenbraue hoch.

„Artemis? Wie kann ich helfen?“

„Kannst du vorbeikommen? Dann kann ich es erklären.“ Überraschung machte sich auf Ariels Gesicht erkennbar. Was wollte Artemis von ihr?

„Ich bin gleich da.“ Ohne weiteres beendete die Blondine den Anruf. Jetzt hieß es für Artemis warten bis Ariel kam.

Kollaps

Ariel stand vor Artemis Tür. Was war passiert, dass sie so weit ging die Blondine zu kontaktieren und sogar zu bitten, zu ihr zu kommen. Ariel konnte es sich nicht erklären.

Sie klopfte an der Tür und wartete bis Artemis diese öffnete. Keine Begrüßung, dennoch machte Artemis deutlich, dass sie willkommen war und eintreten sollte.

„Was ist nun der Grund, dass du mich hergebeten hast?“, fragte Ariel. Sie drehte sich weder zu der rosahaarigen noch trat sie weiter in die Wohnung. Artemis ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer und blieb an der Coach stehen. Ariel folgte ihr und entdeckte Visca.

„Sie hat die Fähigkeit sich in Erinnerung einzuklinken. Wobei ich glaube, dass das nicht mal das gesamte Ausmaß ihrer Fähigkeiten ist. Jedenfalls, sie hat eine meiner Erinnerungen gesehen“, erklärte Artemis. Ariel hob ihre Augenbrauen. Das war interessant.

„Du beherrscht die Fähigkeit Erinnerungen zu löschen“, stellte Artemis nach einer kurzen Pause fest. Ariel begriff langsam worauf sie hinaus wollte.

„Bist du dir sicher?“

„Du kannst meine vielleicht nicht löschen, aber ihre an meine schon.“ Ariel sah auf Visca. So jung und so schwach, das Bild kam ihr bekannt vor.

„Angenommen ich tue es, was dann?“

„Das Leben geht wie gewohnt weiter.“ Gerade jetzt war einer dieser Momente, wo Ariel die Möglichkeit hatte die Zukunft entscheidend zu ändern. Aber sich dennoch immer dagegen entschied. Wieso sollte es jetzt anders sein? Sie würde Artemis ihren Frieden lassen, oder?

 

Ohne, dass es die beiden Frauen merkten, war Visca bereits wach und hörte ihnen zu. Zumindest soweit, dass sie mitbekam, dass ihre Erinnerungen an Artemis Vergangenheit gelöscht werden sollte. Jetzt konnte sie sich entscheiden. Es zulassen und ihr gewohntes Leben führen, ohne sich vermutlich an hier und jetzt erinnern? Oder doch die andere Richtung wählen und ins Ungewisse begeben?

 

Die Entscheidung wurde Visca abgenommen.

„Wann willst du endlich deine Augen öffnen?“, fragte Ariel. Artemis schaute verwundert erst Ariel an, dann runter zu Visca. Die violetthaarige fühlte sich ertappt, dennoch öffnete sie ihre Augen und setzte sich auf.

„Ich nehm an du hast mitbekommen, worum es ging“, fuhr Ariel fort. Sie hatte bemerkt, dass Viscas Atmung nicht mehr gleichmäßig war, wie beim Schlaf.

„Na dann, wenn du so freundlich wärst“, bat Artemis. Ariel schaute wieder auf die rosahaarige. Und in diesem Moment erkannte sie es. Wenn sie jetzt nicht handelte, würde sie nie wieder so eine Chance bekommen.

„Wieso lassen wir die Kleine nicht entscheiden?“, fragte die Blondine. Artemis schaute Ariel sauer an.

„Wie kommst du auf die Idee?! Es betrifft schließlich meine Erinnerungen!“, protestierte sie.

„Aber es betrifft auch sie. Also wäre das fairste auch ihre Meinung anzuhören“, entgegnete Ariel vollkommen ruhig. Schon fast zu ruhig, dass selbst Artemis stockte. Beide sahen erwartungsvoll zu Visca, was dieser eine unangenehme Gänsehaut bereitete. Sie fand nicht nur Artemis unheimlich, auch Ariel war ihr nicht Geheuer.

„Ich… Also…“, fing sie an, fand jedoch nicht die richtigen Worte. Sie holte nochmal tief Luft.

„Ich würde gerne die Erinnerungen behalten. Ich möchte nicht, dass irgendetwas gelöscht wird.“

„Gut, dann werde ich nichts machen“, entgegnete Ariel. Artemis war ratlos.

Visca beobachtete Ariel noch weiter. Etwas stimmte nicht, doch sie konnte nicht erkennen was es war.

„Spar dir deine Kräfte. Es bringt dir nichts“, meinte Ariel, Augen auf die violetthaarige gerichtet. Diese sah erschrocken der blonden in die Augen.

„An dir haftet die Hölle“, entgegnete Visca. Sie wusste, dass Artemis nicht zulassen würde, dass ihr was passiert. Oder zumindest hoffte sie es. Aber sie hatte ein Gefühl, dass einige Wahrheiten ans Licht kommen, wenn sie jetzt ein wenig weiter Druck ausübt.

Ariel hob erstaunt die Augenbrauen. Die Violetthaarige wurde immer interessanter.

„Tut sie das? Hm, woran mag das wohl liegen?“, fragte Ariel spielerisch. Artemis beobachtete den Austausch.

„Visca, geh nach Hause. Ruh dich aus. Drei Tage will ich dich nicht bei der Arbeit sehen“, befahl Artemis ohne die Augen von Ariel abzuwenden. Die Violetthaarige sah etwas verwirrt zwischen den beiden hin und her, jedoch entschloss sie sich auf Artemis zu hören. Sie hatte etwas ausgelöst, aber sie wusste nicht was. Und das machte ihr etwas Angst.

Keine der beiden unterbrach den Blickkontakt als Visca sich entfernte und aus dem Appartement raus war.

„Was für ein Spiel spielst du?“, fragte Artemis. Ihr Gehirn versuchte ein Puzzle zusammen zu setzen, aber es schien, als ob große Teile noch fehlen würden.

„Jetzt denkst du in die richtige Richtung“, lobte Ariel. Artemis sah Ariel fragend an.

„Ich bin nicht die einzige die ein Spiel spielt“, antwortete Ariel auf die stumme Frage. Sie setzte sich auf einen der Sessel und zeigte Artemis, dass sie sich ebenso setzen sollte. Die rosahaarige setzte sich Ariel direkt gegenüber und sah sie erwartend an.

„Es gibt zwei Möglichkeiten jetzt. Nummer eins, ich gehe jetzt und wir vergessen das Thema. Möglichkeit Nummer zwei, ich werde dir alles erzählen. Wirklich alles. Jedoch, fange ich einmal an, erzähle ich die Geschichte zu Ende. Ich werde nicht mittendrin aufhören, nur weil es dir vielleicht nicht passt oder du mir nicht glaubst. Aber sei dir bewusst, gelangt auch nur ein Bruchteil dieser Geschichte an die Öffentlichkeit, kann ich nicht für deine Sicherheit garantieren. Bleibt es unter uns, kann ich für deine Sicherheit garantieren. Das verspreche ich“, erklärte Ariel.

„Wieso sollte ich dir trauen?“

„Weil ich die Einzige bin, abgesehen von Calatrisa und Chamuel vielleicht, der du trauen kannst.“

„Was hast du je für mich getan, dass du so vertrauenswürdig bist?“

„Dein Leben gerettet. Das von Chamuel. Das von Calatrisa. Ich habe euch drei gerettet. Und ich werde euch beschützen, solange es mir möglich ist.“ Artemis lehnte sich zurück, den Blick nicht von Ariel abgewendet. Artemis war eine Meisterin der Entscheidung, doch in diesem Moment wusste sie nicht weiter. Ariel war der erste Engel den sie damals interessant fand. Sie bewunderte in ihrer Akademiezeit Ariel. Doch irgendwann verschwand diese Bewunderung. Woran das lag, konnte sie sich nicht wirklich erklären. Vielleicht weil sie damals selbst den Alltag in der Armee lebte. Oder auch weil Ariel nicht die war, die sie nach außen hin vorgab zu sein.

Artemis herzte raste. Sie fühlte sich plötzlich unter Druck gesetzt, fast derselbe Druck den sie damals verspürte, als sie die Merkabah ins Unglück kommandierte. Doch sie wusste, es gab in dem Moment kein richtig oder falsch. Sie wollte den Schaden minimieren und hat eine falsche Entscheidung getroffen. In ihrer jetzigen Situation ging es nun auch darum, den Schaden zu begrenzen, oder?

Ariel wartete geduldig und beobachtete jede kleinste Bewegung von Artemis.

„Sag mir die Wahrheit.“

Die Entscheidung war somit gefallen.

 

„Um dir die Wahrheit zu erzählen, muss ich ganz von vorne anfangen, bei unserer Schöpfungsgeschichte. Dir ist sicherlich bekannt, dass unser Vater uns erschaffen hat. Und danach die Erde welche wir beschützen und die Lebewesen dort.

Und sicherlich hast du auch von Luzifers Fall gehört, wie er gegen unseren Vater rebellierte und zum König der Hölle wurde. Und viele Engel mit ins Unglück riss.“

Artemis nickte zu Bestätigung, verstand jedoch nicht wieso das nun so wichtig war. Doch sie ahnte, dass es einen Grund haben musste, wieso Ariel so weit zurück in der Geschichte anfing zu erzählen.

„Ich erzähl dir jetzt eine Geschichte von zwei Geschwistern. Ein Bruder und eine Schwester. Sie waren mächtige Wesen, die eine Welt zusammen erschaffen wollten. Also erschufen sie unser Universum, die Sterne, die Planeten. Und einer dieser Planeten war Eden, heute auch unter dem Namen Assiah oder Erde bekannt.

Doch es gab Unstimmigkeiten zwischen den Geschwistern, also trennten sich deren Wege. So erschuf die Schwester eine Welt neben Assiah. Und dort erschuf sie ihre Kinder mit dem Titel Götter. Zwölf an der Zahl, die ihre mächtigsten Kinder in der Geschichte wurden und ihre persönliche Leibwache. Doch bei zwölf hörte es nicht auf. Sie erschuf mit ihren Kräften mehr Kinder, doch waren sie nicht so mächtig wie die Götter. Sie liebte dennoch alle gleich.

Der Bruder wurde eifersüchtig. Er war neidisch, dass seine Schwester von Wesen umgeben war, die sie liebten und sie verehrten. Er hingegen war allein. Aus Eifersucht erschuf er sich auch ein Reich, sein persönliches Paradies über welches er regieren würde. Ebenfalls erschuf er Wesen, die ihn verehrten sollten. Wie bei seiner Schwester waren die ersten zwölf die mächtigsten unter ihnen. Doch bei zwölf hörte er ebenfalls nicht auf. Er erschuf mehr von ihnen, Hunderte! Doch etwas fehlte trotzdem. Er spürte eine Leere in sich. Doch wenn er seine Schwester beobachtete, konnte er nie diese Leere erkennen. Sie strahlte stets und schenkte jedem ein Lächeln.

Von Eifersucht geblendet, erklärte er sie zum Feind. Er nannte sie Monster, Feinde der Engel, Dämonen.“

Artemis Augen weiteten sich, als sie begriff was Ariel ihr offenbarte.

„Du hast es richtig erkannt. Diese zwei Geschwister sind Lilith und unser Vater, YHWH.

Lilith war unglaublich gutmütig und wollte Frieden, doch YHWH wollte fortan ihren Tod. Als wir so gegen sie kämpften, kamen Zweifel. Luzifer traf sich öfters mit ihr im Geheimen. Ich vertraute Luzifer, also half ich ihm. Wir entwickelten einen Plan, Magna Carta Pax. Ein Friedenspakt, niedergeschrieben auf Papier der gelten sollte. Und dann kam Michael und es war alles vorbei. Er erschoss Lilith und ihr Reich wurde wahrlich zur Hölle, eine Welt wo nie mehr die Sonne schien. Dunkle Wolken zogen auf, jegliche Pflanzen verschwanden. Doch Luzifer blieb zurück. Er übernahm Liliths Aufgabe die Welt zu stützen und so wurde er zum Fürsten der Hölle. Der König der Engel, Luzifiel, fiel. Und mit ihm viele Anhänger, welche ähnlich wie wir dachten. Seitdem schwor er, das Reich Liliths zu beschützen.

Nur wenige blieben zurück, unter anderem ich. Luzifer wollte nicht das ich mitgehe, ich sollte bleiben.“

Ariel weinte. Die Erinnerungen waren schmerzhaft für sie, denn damals verlor sie ein Großteil ihrer Familie. Artemis wusste nicht wie sie darauf reagieren sollte.

„Das ist noch nicht das Ende der Geschichte. Du wolltest die Wahrheit wissen.

Luzifer und ich haben uns danach nie wieder persönlich gesehen. Ein Engel blieb damals zurück mit mir, sie wurde jedoch verurteilt und in den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses gesperrt.

Viele Jahrhunderte lebten wir also dieses Leben. Und ich beobachtete. Irgendwann fing ich an zu vergessen. Der Schmerz verflog und ich habe mich sogar mit Michael angefreundet.

Und dann kam Chamuel. Sie erinnerte mich so sehr an meine beste Freundin, dass Gefühle der Freundschaft, Schmerz, Trauer und vieles mehr zurückkam. Doch sie war schwach. Sie wurde als neuer Engel der Zeit erschaffen, jedoch wurde ein gravierender Fehler begangen. Der alte Engel der Zeit lebte immer noch. Sie geriet in Vergessenheit und dadurch wurde der Fehler ermöglicht. Ich nahm mich also Chamuel an und zog sie groß, so wie ich einst von meiner besten Freundin groß gezogen wurde. Aber irgendwann lebten sich Chamuel und ich auseinander. Ich hab ihr nie erzählt, wieso ich mich ihr angenommen habe. Und dann fand sie ein Bild von mir und jemanden der ihr sehr ähnlich sah. Ich hab ihr nie geantwortet wer sie ist und so zeriss das Band zwischen uns.

Und dann kamst du. Ein Engel der nie geboren werden sollte, nicht unter diesem Namen. Aber ich hab es geschafft dich zu retten. Und alles, wirklich alles, kam auf einen Schlag zurück, der Wille nach Rache, der Funke einer Hoffnung auf Vergeltung. Doch ich konnte dich nicht erreichen, es war mir nicht möglich. Also musste ich Umwege gehen.“

Ariel sah Artemis in die Augen und alles was die rosahaarige darin sah war Schuld und die Bitte um Vergebung.

„Es tut mir Leid, Artemis.“

Die Ältere musste nichts weiter sagen, denn auch ohne es zu sagen war Artemis klar, worum es ging. Ariel war mitschuldig für das Eternal-Arc-Massaker.

Etwas in ihr zerbrach. Es war wie eine Wand aus Glas die plötzlich zersplitterte und jegliche Gefühle frei ließ. Wut, Hass, Schmerz, Trauer, Verlust.

„WIESO?! WOFÜR?! Wieso ich? Wieso mussten alle sterben?! Wieso hast du es zugelassen?!“, schrie sie Ariel weinend an. Sie stand auf und zog Ariel am Kragen hoch. Ariel weinte ebenfalls.

„Wieso?“, schluchze Artemis und sank mit Ariel zu Boden. Diese umarmte die rosahaarige.

„Für dich“, flüsterte sie ihr ins Ohr. Artemis heulte auf. Alles was sie bis jetzt in sich verschlossen hielt, kam wie eine Flutwelle raus. Sie krallte sich in Ariel Oberteil und weinte und schrie. Ariel hielt sie fest. Sie strich ihr über den Rücken um sie zu beruhigen, aber auch um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war und das es ihr Leid tat.

 

 

Es vergingen Stunden. Weder Ariel noch Artemis wussten, wie lange sie auf dem Boden saßen. Artemis hatte sich bereits vor einiger Zeit beruhigt, dennoch ließ sie Ariel nicht los.

Ariel hatte sich an die Coach gelehnt und hatte ihre Arme immer noch um Artemis, welche ihren Kopf auf Ariel Schulter positioniert hatte. Zeitweise hatte Ariel das Gefühl, dass die jüngere eingeschlafen war, dennoch bewegte sie sich kein Stück. Sie hatte der rosahaarigen mittlerweile auch ihre Augenklappe abgenommen. Sie konnte sich daran erinnern, als sie ihr sagen musste, dass ihr Auge nicht heilbar war. Artemis reagierte kaum darauf damals, sondern nahm es einfach hin. Ariel wollte damals am liebsten dem Dämon, welcher diese Wunde verursachte, sofort umbringen. Leider war dies nicht so einfach und sie bezweifelte auch, dass sie ihn je finden würde. Sie würde mit Luzifer nochmal reden müssen, ob er eine Lösung hatte.

Artemis fing an wieder unruhig zu werden. Sie drehte ihren Kopf so, dass sie die Ältere ansehen konnte, sagte jedoch nichts. Mehrere Minuten vergingen ohne das eine von beiden was sagte oder sich bewegte.

„Erzähl mir mehr über dich. Und Luzifer. Und deine beste Freundin.“, brach Artemis die Stille. Sie setzte sich etwas auf, dennoch blieb sie an Ariel gelehnt. Diese überlegte kurz, wo sie anfangen sollte.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war eine durchschnittliche Schülerin. Ich war schon immer von den Heerscharren fasziniert. Die Wächter des Himmels, so wurden wir damals bezeichnet. Wenn man es rein geschafft hat, wurde man automatisch respektiert. Luzifer war damals der General der Heerscharren und gleichzeitig Captain einer Spezialeinheit. Irgendwann schien ich wohl interessant für diese Einheit geworden zu sein. Und so wurde ich von Luzifer und meiner später besten Freundin angesprochen. Ich weiß bis heute nicht, wieso ich Part diese Einheit war, aber anscheinend sahen die beiden in mir etwas, was ich nicht sehe. Und so lebten wir vor uns her, bis dann der Krieg kam und der Fall der Engel. Es war kein Krieg zwischen uns und denen. Es war ein Krieg zwischen Engeln. Eine Fraktion versuchte die andere zu töten. Also entwickelte unsere Einheit einen Plan, Magna Carta Pax. Doch meine beste Freundin, die auch der Engel der Zeit ist, sah verschiedene Wege für die Zukunft. Und so wurden noch Plan B und C entwickelt. Plan B kam zum Einsatz.“

„Wie heißt deine beste Freundin?“

„Eth.“

„Den Namen hab ich noch nie gehört.“

„Er wurde aus jeglichen Registern gelöscht. Ihre Kraft basiert auf Wissen, Wissen das sie existiert. Also wurde sie einfach ausgelöscht und kaum jemand weiß noch wer sie ist oder was sie eigentlich ist. Du kennst sie aber eventuell unter einem anderen Namen. Prisoner Zero.“

Artemis zuckte kurz zusammen bei dem Namen. Sie hatte Geschichten gehört, dass dieser Gefangene so gefährlich und bösartig wie Luzifer sei.

„Sie war diejenige die Calatrisa aus dem Koma geholt hat“, erzählte Ariel weiter.

„Dann können die Geschichten nicht stimmen, oder? Dass sie Hochverrat begang.“ Ariel schüttelte den Kopf.

„Nein. Den Hochverrat begangen die Engel, die ihre Brüder und Schwestern töteten. Und diese Sünde lastet auch auf Michael. Ich wünschte ich könnte das beweisen oder was an der Gesamtsituation ändern.“ Artemis lächelte die Blonde an.

„Du kannst, du brauchst nur etwas Hilfe.“

Puzzle

Mehrere Tage vergingen seit Artemis die Wahrheit erfuhr. Und es fühlte sich an, als ob ihr Leben in den Heerscharren eine Lüge gewesen wäre. Sie sah die Engel um sich herum plötzlich in einem völlig anderen Licht. Wobei ihre Vermutung war, dass der Großteil den damaligen Krieg nicht mal miterlebt hat.

Die Rosahaarige ging insbesondere Michael und Malahidiel aus dem Weg. Es half auch nicht das Calatrisa etwas übrig hatte für den letzteren. Seit Tagen überlegte sie, wie sie ihrer besten Freundin erzählen konnte, was sie erfahren hatte. Diese hatte eine Abneigung gegen Ariel, was sie auch nie versteckte.

Ein weiteres Problem war Chamuel, welche ebenfalls nicht gut auf Ariel zu sprechen war. Wobei dies sogar zu beheben wäre, denn soweit sie es verstand ging es nicht unbedingt um einen Vertrauensbruch. Ariel verschwieg der schwarzhaarigen nur die Wahrheit und hatte auch Angst diese zu offenbaren.

Und dann war da noch ein Unsicherheitsfaktor: Visca. Die Rekrutin war von der Arbeit weggeblieben, wie Artemis es befohlen hatte. Als sie wiederkam schien sie aber unsicher wie sie sich Artemis gegenüber zu verhalten hatte. Einerseits konnte sie nun die kalte Art von ihrer Vorgesetzten nachvollziehen. Andererseits hatte sie Angst irgendwann etwas auszuplaudern.

Die Rosahaarige musste nun aber Prioritäten setzen. Und die besten Chancen hatte sie im Moment mit Calatrisa und Chamuel. Doch ihr fiel die Wahl schwer. Chamuel hatte bereits eine Vorgeschichte mit Ariel, aber da gab es viel Nachholbedarf. Calatrisa hingegen besaß eine natürliche Abneigung gegen Engel die Artemis zu nahe kamen. Wer war nun einfach zu überzeugen?

Artemis Grübeln wurde unterbrochen, als es an der Tür bei ihr klopfte. Mit einem „Herein“ bat sie den Besucher in ihr Büro. Sie war schockiert als sie erkannte, wer zu ihr gekommen war.

„Einen schönen Tag Lieutenant Artemis. Es ist schön dich einmal persönlich kennen zu lernen“, begrüßte der Gast die schockierte rosahaarige.

„Wie ich sehe hat es dir die Sprache verschlagen. Das ist nicht weiter schlimm. Eine gemeinsame Freundin bat mich dir etwas zu geben.“

Artemis nahm den ihr ausgestreckter Umschlag entgegen. Darauf stand nur ihr Name und er war mit einem ihr unbekannten Siegel versehen.

„Es ist ein Durchgangspass für Prisoner Zero, jedoch nicht nur das. Aber ich denke ich sollte nicht alles verraten. Auf ein baldiges Wiedersehen“, verabschiedete sich der Besucher.

Artemis war vollkommen verwirrt. Was war hier grad passiert?

Sie öffnete den Brief vorsichtig und tatsächlich befand sich daran ein Durchgangspass für den Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses in Form einer ID-Card. Doch diese Karte sah etwas anderes aus, als die gewöhnlichen. Sie entdeckte erneut das ihr unbekannte Siegel, diesmal in Form eines Symbols, teilweise in die Karte graviert.

Vielleicht sollte sie die Angelegenheit komplett anders angehen?

 

 

2. Himmelssphäre – Raqia

Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses

Artemis war sich nun doch nicht mehr so sicher, ob es die richtige Entscheidung war. Aber andererseits war sie nun doch neugierig.

Sie machte sich Gedanken, würde die ID-Card auch wirklich funktionieren? Doch sie kam durch jegliche Kontrollen problemlos durch. Und so stand sie nun vor Prisoner Zero.

„Dich kenne ich nicht“, wurde Artemis begrüßt.

„Eth.“

„Du kennst meinen Namen? Jetzt wird’s interessant. Fahre fort.“

„Ich kenne die Wahrheit. Über Luzifer, Lilith, dich und den ganzen verdammten Rest. Ariel war bei mir. Ich will ihr helfen, aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Aber anscheinend wusste jemand wo ich einen Ansatz finde. Und gab mir den Durchgangspass zu dir“, erklärte Artemis und zeigte die ID-Card hoch. Eth beäugte die ID-Card und ihre Augen weiteten sich. Die Erkenntnis traf sie wie ein Blitzschlag. Es war nicht exakt das alte Symbol. Es war ein neues, aber das alte war mit eingearbeitet.

„Wer hat dir diese Karte gegeben?“

„Spielt das eine Rolle?“

„Weißt du was dieses Symbol bedeutet?“ Artemis schaute sich das Symbol auf der Karte nochmal an, dann schaute sie wieder Eth an und schüttelte den Kopf.

„Es ist nicht exakt das gleiche, aber ich denke das war auch nicht das Ziel. Suche in den Militärarchiven nach dem Symbol. Dann findest du mehr raus.“ Eth grinste spielerisch. Vielleicht war gerade Artemis die Lösung. Das Ende des alten Spiels und der Beginn eines neuen.

Artemis seufzte genervt. Wollten sie denn alle verarschen? Von Uriel wurde sie hergeschickt und nun schickte Eth sie ins Archiv. Sie konnte momentan echt irre werden.

„Mein Name ist Artemis“, stellte sie sich letztendlich vor und hielt ihr die Hand durch das Gitter hin. Eths Augen weiteten sich vor Verwunderung, das hatte sie nicht erwartet.

„Weißt du was du da machst?“

„Ich habe keine Ahnung, was ich tue oder tun soll. Ich fühle mich als ob ich in ein endlos, tiefes, schwarzes Loche falle und es nicht schaffe mich aufzuraffen. Ein endloser Fall ohne Flügel und keiner der mir helfen kann. Aber ich versuche es trotzdem, ich versuche meine gebrochenen Flügel auszuweiten und nach oben zu fliegen, hinaus, zurück ins Licht. Aber ich schaff es einfach nicht“, antwortete Artemis unter Tränen. Dennoch blickte sie Eth fest in die Augen. Und in dem Moment erkannte die schwarzhaarige was sich hinter der Maske einer Soldatin versteckte.

Eth lächelte und griff nach der Hand der rosahaarigen und zog sie näher an sich, sodass sie in ihr Ohr flüstern konnte.

„Folge dem Pfad auf den wir dich führen. Und am Ende erblickst du das Licht. Das verspreche ich dir.“ Artemis erstarrte vor Schock. Oder war es doch eher Angst? Sie konnte es nicht genau beschreiben, aber irgendwo in ihrem Inneren spürte die kleine Flamme der Hoffnung aufblitzen, dass sie aus der Dunkelheit gezogen werden würde. Aber noch versuchte sie diese Flamme zu ersticken.

Eth ließ Artemis wieder los und wies sie an zu gehen.

Nachdem Artemis aus dem Trakt austrat, wurde sie von einem der Wächter misstrauisch beäugt. Doch im Moment hatte sie nicht einmal Lust ihn darauf anzusprechen. Sollte sie Eths Worten Glauben schenken? Nun, sie würde es nur rausfinden, wenn sie sich ins Militärarchiv begeben würde. Doch wonach sollte sie suchen? Symbolen? Abzeichen? Wappen?

 

 

6. Himmelssphäre – Makon

Militärarchiv

Beim Militärarchiv angekommen, wusste Artemis nicht so recht wo sie anfangen sollte. Vielleicht hätte sie sich doch lieber Unterstützung holen sollen. Aber andererseits, wem konnte sie sich anvertrauen? Ariel? Sie glaubte nicht, dass Ariel ihr weiterhelfen würde im Moment. Diese hatte genug eigene Probleme. Seit ihrem letzten Treffen hatten beide kein Kontakt mehr miteinander. Und die rosahaarige glaubte nach Eths Worten, dass es noch eine Weile dauert bis sie wieder mit Ariel sprechen wird.

Sie suchte im Archiv nach Einträgen mit alten Wappen, Symbolen und Abzeichen aber mit ihrer Anmeldung gab es keine passenden Treffer.

„Verfluchter Mist“, ärgerte sie sich möglichst leise. Sie brauchte niemanden, der sich erkundigt ob alles in Ordnung sei. Doch ihr fiel ein, dass nicht alle alten Schriften digitalisiert wurden. Das Archiv wurde nach dem Fall Luzifers neu strukturiert. Viele alte Schriften wurden in eine Datenbank hochgeladen und man konnte sie in Terminals abrufen. Es war um einiges bequemer und weniger zeitaufwendig, wenn man nach etwas auf der Suche war. Nachdem die Einrichtung der Datenbank abgeschlossen war, wurden jegliche Bücher, Schriftrollen und andere Schriften in ein gesichertes Archiv gebracht. Einige wurden frei zugänglich aufbewahrt und andere wiederum in abgeschlossene Bereiche, welche sich nach Sicherheitsstufen gliederten.

„Wenn ich etwas wäre, was nicht in der Datenbank ist und im Militärarchiv aufbewahrt werde… In welchem Trakt würde ich mich befinden?“, überlegte Artemis. Das Symbol auf der ID-Card war nicht in der Datenbank. Es bedeutet es ist auf jeden Fall in einem abgesperrten Bereich. Den Gefängniswächtern war das Zeichen auch unbekannt, das konnte sie an deren Gesichtern erkennen. Andererseits war es Uriel und auch Eth bekannt. Was bedeutet, es war auf jeden Fall vor Luzifers Fall bekannt. Stand das Symbol den nun aber Uriel oder Eth näher. Artemis tippte Uriels Namen ins Terminal. Und tatsächlich gab es einen Militärvermerkt zu ihr – Rang: General. Artemis grinste. Sie hatte gerade einen persönlichen Jackpot geknackt.

Sie wollte sich gerade vom Terminal abmelden, als ihr Communicator piepte. Sie sah kurz auf das Display und sah Calatrisas Namen aufblinken, also nahm sie ab und sofort hörte sie die leicht verärgerte Stimme ihrer besten Freundin.

„Sag mal wo treibst du dich den ganzen Tag rum?! Chamuel hat deine Aufgabe notgedrungen übernommen, sonst wären die verflixten Rekruten nur im Weg. Michael macht sich auch schon Sorgen!“ Bei dem Namen des Generals verdrehte Artemis die Augen. Einerseits fand sie es angenehm, dass er sich nach dem Massaker persönlich um ihr Wohlbefinden kümmerte, aber andererseits hasste sie es. Und nun kam auch die Sache mit Ariel hinzu. Ganz zu schweigen von seiner Neigung mit jeglichen Frauen zu flirten.

„Beruhig dich Tris. Mir geht’s gut und dir? Der Womanizer braucht sich auch keine Sorgen zu machen, ich komm schon klar. Bin ein großes Mädchen. Bin noch ein Weilchen unterwegs, wäre also schön, wenn du mir den Rücken freihalten könntest.“ Artemis konnte spüren, wie Calatrisas Haltung sich veränderte und ihre Stimme war gesenkt.

„Was hast du vor?“

„Ich kann es dir nicht per Communicator sagen. Und auch noch nicht jetzt. Sobald ich aber sicher bin, dass ich gefunden habe, wonach ich suche, werde ich es dir sagen. Versprochen.“

„Du machst nichts dummes, oder?“

„Vertrau mir bitte. Halt mir den Rücken frei, sag Michael so wenig wie möglich. Am besten gar nichts, wenn er nicht explizit fragt. Halt Chamuel auch ein Weilchen hin. Und auch kein Wort zu Malahidiel!“

Calatrisa seufzte. In was hatte sich Artemis da bloß verfangen?

„In Ordnung. Ich vertrau dir. Pass auf dich auf.“ Damit beendete sie das Gespräch. Artemis schaute noch paar Sekunden auf das Display, steckte es weg und meldete sich vom Terminal ab.

Danke Tris, bedankte sich Artemis in Gedanken. Sie konnte immer auf ihre beste Freundin zählen.

Damit macht sie sich auf in den geschlossenen Trakt. Sie wollte ihren Jackpot-Gewinn abholen.

Vor dem geschlossenen Trakt gab es keine Wachen nur ein Terminal. Jetzt würde sich rausstellen ob die ID-Card, die sie von Uriel bekam zu mehr gut ist, als nur dem Gefängnis. Sie konnte es selbst kaum glauben als sie die Freigabe für die höchste Sicherheitsstufe freigeschalten auf dem Terminal sah.

„Verflucht, was bedeutet dieses Zeichen?“, fragte sie sich und beäugte nochmal das Symbol auf der Karte. Und wie um Himmels Willen konnte Uriel so eine Freigabe erzielen für Artemis? Lange darüber nachdenken, konnte Artemis aber nicht. Sie spürte wie sich ihr Engel näherten und sie wollte nun wirklich keinen Kontakt.

Sie ging gezielt zum Gang mit der höchsten Sicherheitsstufe und musste dort nochmal ihre Karte scannen lassen.

Dieser Teil des Archivs war recht verstaubt. Es schien als ob hier ewig keiner mehr gewesen wäre. Aber das kam der rosahaarigen ganz recht, so konnte sie auch ungestört suchen. Sie ging entlang des Regals und beäugte die verschiedenen Buchtitel. Keines sagte ihr was. An einem blieb sie jedoch stehen, welches den Titel “Ars Goetia“ trug. Sie glaubte den Namen schon mal gehört zu haben. Sie nahm es auf dem Regal und blätterte es durch. Als sie die Namen betrachtete, die auf den Seiten eingetragen waren, stockte ihr Atem. Es waren die Erzdämonen, die Luzifer direkt unterstanden. Sie stellte das Buch zurück auf’s Regal, jedoch merkte sie sich, wo sie es wiederfinden würde. Es wird ihr noch von Nutzen sein. Im Moment war das Symbol aber wichtiger. Sie ging weiter das Regal entlang und fand die Chroniken, sogar einige die auf die Zeit vor Luzifers Fall datiert waren. Sie zog willkürlich eine der Chroniken raus und blätterte es langsam durch. Ihr Blick fiel auf einen bestimmten Eintrag. Er berichtete über eine Spezialeinheit unter Luzifers Führung. In der Chronik war ein Verweis auf ein Namensregister. Artemis legte die Chronik beiseite, die Seite immer noch geöffnet und beäugte die Regale. Wo würde sie ein Namensregister einer bestimmten Gruppe einordnen? Wo würde generell Namensregister in der großen Sammlung an Schriften anordnen? Doch eher an den Anfang, oder? Sie ging zurück zum Anfang des Ganges und sah sich das gegenüberliegende Regal nochmal an. Tatsächlich waren dort Register eingeordnet. Sie zog das entsprechende Register raus und suchte nach dem speziellen Eintrag. Und tatsächlich, so wie es in der Chronik stand, befand sich der entsprechende Eintrag an der genannten Stelle.

Ganz oben auf der Seite erschien ein Symbol, das dem auf ihrer ID-Card verdächtig ähnlich sah. Es fehlten allerdings die Silberelemente links unten. Artemis konnte ihren inneren Triumph nicht unterdrücken. Sie ging die Namensliste durch: Luzifiel, Ariel, Gabriel, Uriel, Haniel, Camael, Lehtiel. Ein Name in der Liste war durchgestrichen, aber Artemis ahnte, dass es Eth ist. Ihr Name wurde also auch hier gelöscht, zumindest wurde es versucht.

Camael und Lehtiel sagten ihr nichts, also vermutete sie, dass diese beiden im Kampf gefallen sind. Sie hatte also mehrere Anhaltspunkte. Luzifer stand außer Frage, mit Ariel, Uriel und Eth hatte sie bereits Kontakt. Blieben also noch Gabriel und Haniel übrig. Zu Haniel hatte sie ein engeres Verhältnis, als zu Gabriel. Aber wer würde ihr den nächsten Hinweis liefern. Beide hatten einen guten Draht zu Michael, also konnte sie dies nicht als Ausschlusskriterium nutzen. Gabriel war schwer zu fassen. Manchmal tauchte sie wie aus dem Nichts auf und so schnell verschwand sie auch wieder.

Artemis räumte das Register wieder an den vorgesehenen Platz und ebenso die Chronik. Hier würde ihr nichts mehr weiterhelfen. Die Entscheidung musste sie selbst treffen oder sie würde warten ob Gabriel in den nächsten paar Stunden oder zwei Tagen bei ihr auftaucht. Das wäre ein Hinweis für sich.

Aber nun hieß es abwarten. Das Grinsen würde ihr aber über den Tag hinweg nicht vergehen.

„Zeit paar Rekruten zu quälen“, beschloss sie.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Was sich hinter den Akten verbirgt und was wirklich hinter dem Gespräch steckt, wird noch aufgeklärt.
Ich hoffe das der Prolog ein wenig neugierig macht ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ein etwas lockeres Ende. Ich wollte es nicht irgendwie drückend beenden.
Sondern auch mal die Beziehung der Angel untereinander bisschen beleuchten. Natürlich ist das nicht alles, was deren Beziehung ausmacht, aber dennoch ein Teil. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Schwere Geburt. Ernsthaft. Ich musste einiges in der Story umschmeißen. Und teilweise das Kapitel dementsprechend umschreiben. Artemis ist gegen Ende etwas ungewöhnlich, als bis jetzt. Ich sag’s so… Das ist ihr altes Ich! Artemis hatte ‘ne große Persönlichkeitsveränderung nach dem bestimmten Ereignis. Aber zeitweise, in solchen Momenten ist sie ganz die alte. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächstes Mal gibt es historisches Hintergrundwissen :) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls sich einige wundern sollten... Artemis ist ein Entscheidungsgenie. Zur Erinnerung: Sie durfte am Ende ihrer Rekrutenzeit eine gesamte Patrouille kommandieren. Das es in die Hose ging ist nicht unbedingt ihre Schuld. Aber dennoch ist sie durchaus fähig eins und eins schnell zusammen zu zählen, andernfalls wäre sie glaube recht falsch bei den Heerscharren. Deswegen fällt es ihr recht einfach mit logischen Denken das Puzzle nach und nach zusammen zu setzen. Und man sieht ein wenig ein Teil ihrer ehemaligen Persönlichkeit, zumindest den leicht arroganten Teil xD Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  KizuYukiha
2014-08-29T22:54:23+00:00 30.08.2014 00:54
Uiui Artemis ist echt hart :D Aber ich freu mich zum ersten mal von Visca, Haniel und Eloa zu lesen xD Visca tut mir ja jetzt schon leid XD Ich muss echt sagen dass sich deine Texte sehr angenehm lesen lassen <3
Von:  KizuYukiha
2014-07-17T00:13:39+00:00 17.07.2014 02:13
Wuhu endlich fand ich mal Zeit rein zu lesen *v* Ich mag deine Engel, das ist wieder ganz anders als bei meinen x3 Ich bin gespannt wen Artemis vor die Nase gesetzt bekommt :D Bestimmt Visca, die Arme XD Wie kamst du eigentlich auf die Idee aus den Engeln eine Armee zu machen? :3
Antwort von: abgemeldet
17.07.2014 13:11
Lass dich überraschen ^^
Nicht alle Engel sind in der Armee, aber ein Großteil. Da gibt es noch paar andere Bereiche, wie zB Politik, Justiz, und Gesundheitswesen (oder sowas in der Art xD) Aber größtenteils dreht sich die Geschichte um die Armee^^
Die Idee kam durch, ja, gute Frage xD Ich denk mal Angel Sanctuary und der ewige Krieg zwischen Engel und Dämonen.


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