Broken Genius von caladriuss ================================================================================ Kapitel 3: Anzeige ------------------ Das tat ich auch. Am nächsten Tag ging ich ihn pünktlich zur Mittagszeit besuchen. Überraschenderweise war das Essen in der Krankenhauscafeteria nämlich ausgezeichnet. Also verleibte ich mir erst einmal einen Burger ein. Vielleicht sollte ich Kaiba auch etwas mitbringen. Im Vergleich zum Essen in der Cafeteria sah das Krankenhausessen nicht ganz so lecker aus. Aber was aß der Kerl eigentlich? So schlank wie der war bestimmt nur Salat. Also brachte ich ihm Salat mit. Als ich eintrat, standen Kaiba und der Arzt in der Mitte des Raumes. Naja, der Arzt stand. Kaiba hingegen schien wohl gerade Bekanntschaft mit seinen Krücken zu machen. Etwas unbeholfen stützte er sich damit, darauf bedacht, mit dem Gips nicht den Boden zu berühren. „Das klappt doch schon wunderbar“, lobte Hikawe, „Anfangs wird Ihnen das Laufen damit vielleicht schwer erscheinen, aber Sie gewöhnen sich sicherlich schnell daran.“ Kaiba bedachte die Krücken nur mit einem misstrauischen Blick. Er mochte die Dinger nicht. Aber was trug er da eigentlich? Kein Krankenhauspyjama mehr, aber auch nicht sein typisches Geschäftsmannoutfit. Nein er trug eine schwarze Jogginghose und ein weißes Hemd. Allein die Kombination sah schon seltsam aus, aber Kaiba in so einer Hose war einfach zum Brüllen komisch. „Nettes Outfit“, ich grinste ihn unverschämt an, als er mir einen finsteren Blick zuwarf. „Spotten Sie nicht!“, fuhr mich Hikawe streng an. „Schon gut“, abwehrend hob ich die Hände. „Schon mal probiert, mit einem Gips in normale Hosen zu kommen?“, knurrte Kaiba. Er starrte mich immer noch böse an, nahm mir den Spruch wohl wirklich übel. Kein Wunder. Normalerweise war er ja schon fast krankhaft auf sein Äußeres fixiert und nun wurde er zu Schlabberhosen verdammt. Ich sollte ihn lieber ablenken, bevor er mich mit seinem Blick erdolchte. „Salat“, triumphierend hielt ich mein Mitbringsel hoch. „Ich habe dir Salat mitgebracht“ „Oh Salat, wirklich?“, fragte er gespielt begeistert. „Na wenn ich Salat habe, ist ja alles wieder gut. Da sieht die Welt doch gleich anders aus!“ Ich blinzelte verwirrt. „I-ist das sarkastisch gemeint?“ Schnaufend humpelte er zum Bett und sank darauf nieder, wobei er mich mit einem vernichtenden Blick bedachte. „Rate doch mal“ „Vermutlich schon, ja“ „Darf ich bitten?“ Hikawe sah uns beide strafend an. Dabei hatte ich ja gar nichts gemacht. „Also um fortzufahren. An das Laufen mit den Krücken werden Sie sich schon gewöhnen. Denken Sie daran, den Fuß die ersten Tage immer schön hochzulegen und nicht aufzutreten. Am besten halten Sie das ganze Bein so ruhig wie möglich.“ Kaiba nickte. „Schon klar!“ „Über die Medikamente wissen Sie auch Bescheid…“, er nickte zufrieden. „Sobald Ihr Bruder da ist, können Sie gehen – also mit den Krücken meine ich. Wenn Sie noch Fragen haben, können Sie jederzeit anrufen. Und wenn nicht, sehen wir uns in zwei Wochen“ Kaiba nickte nur leicht. Hikawe lächelte zum Abschied noch einmal, dann ging er hinaus. Hatte ich das richtig verstanden? Kaiba war entlassen? Ich fragte ihn danach. „Was kümmert es dich?“, fragte er nur mürrisch. „Ich wollte es nur wissen.“ Seufzend stellte ich den Salat auf den Nachttisch. Er warf einen neugierigen Blick darauf, aber was er sah, schien ihn nicht zu begeistern. Dabei war der Salat gar nicht schlecht. Gurke, Tomate, Salat Möhren, Mais… Alles, was gut und lecker war. Doch Kaiba verschmähte ihn, ja er warf ihm sogar einen geradezu feindseligen Blick zu. „Sehe ich aus wie ein Hase, oder was?“, zischte er giftig. „Ich hab es doch nur gut gemeint!“ Was hatte der Kerl denn für miese Laune? Sollte er doch froh sein, dass er nach Hause konnte. „Wann kommt Mokuba denn?“ „Sobald er fertig ist!“, raunte er. Er startete einen neuen Versuch, aufzustehen. Dabei sah es ziemlich wackelig aus, als er sich aufstützte. Gekonnt war anders. Und so ganz vertraute Kaiba seinem eigenen Können mit den Stützen wohl auch nicht, denn er verharrte auf einer Stelle. „Willst du denn nicht versuchen, zu laufen?“, fragte ich. Er sah missmutig auf. Seit wann war er denn so zögerlich? Als hätte Angst vor dem ersten Schritt. Ich versuchte es ein wenig einfühlsamer. „Soll ich dich stützen? Dann geht es bestimmt leichter.“ Seine Augen flackerten leicht zwischen diesem wahnsinnigen Blau und seinem eiskalten Blick hin und her. Ohne auf eine Antwort zu warten ging ich näher an ihn heran. Ich legte meinen Arm um seine Taille. Dann nahm ich ihm vorsichtig die linke Krücke weg und legte seinen linken Arm um meine Schultern. „Versuch, zu laufen. Wenn du fällst, werde ich dich schon halten, keine Sorge.“ Ich mochte es nicht, wenn ihm etwas Angst machte. Kaiba war immer stolz und stark gewesen und das sollte er nicht meinetwegen verlieren. Er sah mich fast schon schockiert darüber an, dass ich es wagte, ihn so zu bevormunden. Aber das war mir egal. So nah hatte ich seine Augen noch nie gesehen. Dieses Blau war aus der Nähe noch viel unglaublicher als sowieso schon. So Blau, als könnte man darin ertrinken. Unwillig schüttelte ich den Kopf, konzentrierte mich darauf, ihn dazu zu bewegen, zu laufen. Ich musste ihn fast schon ziehen, damit er gezwungen war, den anderen Fuß und die Krücke nachzuziehen. Er knurrte leicht, ganz und gar nicht begeistert. „Komm schon“, meinte ich sanft. „Das wird schon. Du musst nur ein bisschen üben“ Ich umfasste seine Taille noch ein bisschen fester, übte leichten Druck darauf aus, damit er sich endlich in Bewegung setzte. Und es funktionierte. Er schob die Krücke ein Stück vor, ehe er sehr zögerlich den gesunden Fuß vom Boden löste und einen Schritt machte. Er stützte sich dabei auf der Krücke und mir auf und seine Finger krallten sich fast schon schmerzhaft in meine Schulter. „Siehst du? Das geht doch ganz gut.“, ermutigend lächelte ich ihn an. „Komm, noch ein paar Schritte, ja?“ Er nickte zögerlich. Und so drehten wir eine kleine Runde durch das Zimmer. Von Schritt zu Schritt wurde er sicherer. „Und jetzt versuch es, mit beiden Krücken“ Er drehte noch eine weitere Runde mit beiden Krücken. Langsam kam er damit zurecht, auch wenn er immer noch ziemlich langsam ging. „Das ist anstrengend“, schnaufend ließ er sich wieder aufs Bett fallen. Ich setzte mich neben ihn. „Die ersten Tage sollst du ja sowieso lieber stillhalten Und immerhin kannst du jetzt damit laufen“ Seine Augen richteten sich auf mich, musterten mich nachdenklich. „Wieso hilfst du mir?“ „Damit du zurechtkommst“ Er nickte „Also willst du dein Gewissen beruhigen“ „Was? Das ist nicht wahr!“, fuhr ich hoch. Okay, vielleicht war das ein minimaler Grund, aber inzwischen kümmerte ich mich sogar fast schon gerne um ihn. Es war irgendwie aufregend und ich fand es toll, wenn er handzahm wie gerade beim Laufen wurde. Ich musste ihn mal Fragen, welches Aftershave er benutzte. Sein Geruch war nämlich ziemlich betörend. „Ich denke, ich will dir einfach nur helfen, damit du schnell wieder zu deiner alten Form findest.“, meinte ich nachdenklich. Ich grinste ihn frech an. „Ich kann mich ja nicht mit einem Krüppel streiten. Das wäre doch unfair.“ „Zu freundlich“, er schnaubte leicht. Endlich kam Mokuba. Er hatte die Limousine vorfahren lassen, damit Kaiba auch wirklich keinen Schritt zu viel machen musste. Trotzdem blieb ich lieber dicht an seiner Seite, falls er fiel. Zum Glück gab es im Krankenhaus Fahrstühle, denn ich bezweifelte, dass Kaiba schon in der Lage war, Treppen zu steigen. Als er ziemlich unbeholfen darum bemüht war, in die Limo zu steigen, fragte ich mich, wie er eigentlich in sein Zimmer kommen wollte. Ich war nur einmal zu Mokubas Geburtstag in der Villa gewesen, aber wenn ich mich richtig erinnerte, lag Kaibas Zimmer in der oberen Etage im linken Seitenflügel. Absolute Sperrzone für Besucher. Nur wie wollte er die elendig lange Treppe erklimmen? Eigentlich war das ja nicht mehr mein Problem. Zuhause hatte Kaiba genug Angestellte, die sich um ihn kümmern konnten. Da würde er meine Hilfe bestimmt nicht mehr wollen. Aber noch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, packte mich Mokuba einfach an der Hand und zerrte mich in die Limousine. Ich wollte protestieren, doch da fuhren wir auch schon los. Und dann musste ich auch noch rückwärts sitzen. Während Mokuba und ich entgegengesetzt der Fahrtrichtung saßen, hatte Kaiba auf der anderen Bank sein Bein hochgelegt und musterte mich skeptisch. „Gibt es einen Grund dafür, dass du mitfährst?“, fragte er argwöhnisch. „Wüsste ich auch gern“ Überrascht hob er eine Augenbraue. „Wie soll ich das verstehen?“ „Wir brauchen ihn noch“, warf Mokuba ein. „Wofür? Als Wachhund?“ „Du bist so reizend, Kaiba“ „Ich weiß“ Wir warfen uns während der restlichen Fahrt giftige Blicke zu, und ich genoss es. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal seine Sticheleien vermissen würde. Aber es zeigte mir, dass er langsam wieder zu seiner alten Form zurückfand. Stark und arrogant, so kannte ich ihn. Als die Limousine vor der Villa hielt, war ich sogar so freundlich, Kaiba galant meine Hand zu reichen und ihm aus dem Wagen zu helfen. Erstaunlicherweise schien er mir in der Hinsicht zu vertrauen. Er war nicht misstrauisch und hatte auch keine Angst, wenn ich ihn hielt. Und er ließ sich auch ohne zu zögern von mit stützen, während der Chauffeur die Krücken aus dem Kofferraum holte. Mir war das nur recht. Mir gefiel der Gedanke, dass er meine Nähe nicht scheute. Mokuba rannte schon vor, während ich bei Kaiba blieb, der im Schneckentempo in die Villa humpelte. Obwohl ich schon mal zu Besuch gewesen war, erschlug mich diese gigantische Vorhalle fast. Staunend lief ich Kaiba hinterher. Er humpelte in ein großes gemütlich aussehendes Wohnzimmer und ließ sich auf eine große rote Couch fallen. Der kurze Weg schien ihn bereits angestrengt zu haben, denn er sah ein wenig erschöpft aus. Da kam Mokuba wieder. Er warf Kaiba ein schwarzes T-Shirt zu. Als dieser fragend aufsah, meinte der Kleine nur streng. „Entweder leger oder elegant. Aber der Mix sieht total dämlich aus.“ Kaiba warf ihm einen finsteren Blick zu. „Wen kümmert das schon?“ „Wir kriegen gleich Besuch. Also zieh dich um“ „Besuch? Wen?“ „Wirst du ja dann sehen“, damit rannte Mokuba schon wieder weg. Der Junge war ein wahrer Wirbelwind. Seufzend zog Kaiba das blütenweiße Hemd aus und dafür das T-Shirt an. Netter Oberkörper. Wirklich äußerst nett. Er war überraschenderweise gar nicht so schlaksig wie ich immer gedacht hatte, sondern doch recht gut definiert. Nein wirklich, seine Muskeln wirkten sehr filigran und doch gut ausgeprägt. Besonders sein Bauch war äußerst ansprechend. Flach, mit durchschimmernden Bauchmuskeln und einem ziemlich niedlichen Bauchnabel. Die Haut sah champagnerfarben, warm und weich aus. War es verrückt, dass ich Kaiba schön fand? Das war er wirklich. Ich hätte immer gedacht, dass sein Körper noch recht knabenhaft sein würde, vielleicht sogar mit Hühnerbrust. Aber er war doch angenehm gut entwickelt. Ich hätte immer gedacht, er würde keinen Sport treiben, aber bei dem Anblick den er bot, musste er doch irgendetwas machen. Unwillig schüttelte ich den Kopf. Ja, er war schön, aber das war nichts, worüber ich nachdenken sollte. Mokuba kam wieder. Und diesmal hatte er zwei Polizisten im Schlepptau. Eine noch recht junge Frau vielleicht Mitte zwanzig und ein älterer Kollege. Nicht nur ich staunte nicht schlecht, auch Kaiba wirkte vollkommen perplex. Wie aus einem Reflex stand er auf. Anscheinend fiel ihm zu spät ein, dass er mit dem linken Fuß besser nicht auftreten sollte, aber da stand er schon. Er sog scharf die Luft ein vor Schmerz, blieb jedoch stehen, um sich keine Blöße zu geben. Ich sah, wie er den Gips ganz leicht wieder vom Boden löste, wenige Zentimeter darüber schweben ließ. In diesem Fall war Kaibas krankhafter Stolz für ihn wohl ziemlich schmerzhaft. Aber er überspielte es gut. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er kühl. „Wir sind hier, um Ihnen zu helfen“, erwiderte der eine Polizist freundlich. Mokuba wies ihnen zwei Sessel zu. „Setzen Sie sich doch“ Dann ging er um den Glastisch, der zwischen den Sitzmöbeln stand, herum, stieß seinen Bruder unsanft zurück auf die Couch und verschwand erneut. Irritiert sah Kaiba ihm nach. Scheinbar verstand er die Welt nicht mehr. Sein sonst so lieber kleiner Bruder hetzte ihm nicht nur die Polizei auf den Hals, nein, er schubste ihn auch noch um. Seufzend zog er sein lädiertes Bein auf die Couch. An seinen Augen sah ich, dass es wohl doch noch vom Auftreten wehtat. Selber Schuld! „Also wieso sind Sie hier?“, fragte er geschlagen. „Ihr Bruder erzählte uns, dass Sie Anzeige erstatten möchten“, erklärte der Mann. Er deutete auf Kaibas Gips. „Deswegen“ Sofort wanderte sein Blick zu mir. Er starrte mich durchdringend an und das mit diesen vor Schmerz hellblauen Augen. Wie hypnotisiert starrte ich zurück. Wollte er etwa, dass ich mich äußerte? Dann sollte er gefälligst wegschauen! Ich konnte nicht denken, wenn mir seine Augen das Gehirn einfroren. Auch Kaiba erkannte, dass er von mir gerade nichts erwarten konnte. Seufzend wandte er sich wieder den Beamten zu. „Und jetzt möchten Sie, dass ich eine Aussage machte“ „So richtig. Wir bräuchten Ihre Aussage und die von Mr. Wheeler auch, da er ja wohl Zeuge ist“ „Und wenn ich nicht will?“ Der Mann zuckte mit den Schultern. „Dann gibt es auch keine Anzeige.“ Mokuba kam wieder. Er trug ein Tablett mit Kaffee. Vor jedem von uns stellte er eine Tasse ab, ehe er sich zu Kaiba auf die Couch setzte. „Mein Bruder möchte aber aussagen“, sagte er bestimmt. „Möchte ich?“, Kaiba sah den Kleinen böse an. „Wann wolltest du mir das mitteilen?“ „Jetzt“, der Junge erwiderte den Blick, der ihn scheinbar im Gegensatz zu mir vollkommen kalt ließ. „Wenn du keine Anzeige erstattest, kommt der Typ einfach so davon. Das ist nicht fair!“ „Und wenn ich Anzeige erstatte, passierte ihm auch nicht viel mehr. Dann wird er eine Strafe zahlen müssen, aber eingesperrt wird er dafür sowieso nicht!“ „Das ist so nicht richtig“, warf die junge Polizistin ein. Ihre Stimme war hell und nicht sehr autoritär, aber ziemlich angenehm. „Der Tatverdächtige hat bereits ein langes Vorstrafenregister. Ihre Anzeige könnte ausreichen, um ihn in Jugendarrest zu schicken“, sie lächelte Kaiba freundlich an. Ein bisschen zu freundlich für meinen Geschmack. „Außerdem können Sie Ihre Schadensansprüche geltend machen. Die Behandlung eines gebrochenen Knöchels kann schnell mal 10.000-20.000 Dollar kosten.“ „Sehe ich aus, als wäre ich auf sein Geld angewiesen?“, fragte Kaiba grimmig. Mokuba stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Für dich mag es nicht viel sein, aber für den Typen schon. Mit der Anzeige kannst du ihn ordentlich einseifen“ Er grummelte leicht, aber schließlich gab er Mokubas forderndem Blick nach. „In Ordnung“, murmelte er nur. „Sehr schön“, die Polizistin lächelte erfreut. „Dann werde ich Ihre Aussage aufnehmen und mein Kollege befragt Mr. Wheeler“ Getrennte Befragung, war ja klar. Im Prinzip hatte ich ja auch nichts dagegen, aber die Frau schien ein bisschen zu begeistert darüber, Kaiba befragen zu dürfen. Kopfschüttelnd folgte ich dem älteren Kollegen in ein Nachbarzimmer. Ich erzählte ihm, was sich an dem Abend zugetragen hatte. Er fragte immer mal wieder nach Kleinigkeiten, die mir gar nicht so wichtig schienen, für ihn aber wohl doch von Belang waren. Der Mann war wirklich geduldig dabei. Wenn ich zu schnell wurde, bat er mich höflich, zu wiederholen. Ich sah ihm an, dass mein diffuser Gedankengang ihm missfiel, aber er blieb trotzdem höflich, schaffte es sogar, meine Gedanken in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Er schrieb meine Aussage fein säuberlich auf und ließ sie mich unterschreiben. „Das war es schon“, er lächelte mich freundlich an, erleichtert darüber, dass wir doch noch eine vernünftige Aussage zustande gebracht hatten. Wir gingen zurück in das große Wohnzimmer. Kaiba war scheinbar auch schon fertig. Auf dem Tisch lag seine Aussage. Ich wollte einen Blick darauf werfen, aber die Polizistin zog das Schriftstück schnell an sich. „Das wärs dann soweit von uns.“, erklärte der Ältere. „Wir leiten alles Weitere in die Wege“ Kaiba wollte aufstehen, um die Polizisten zu verabschieden, doch der Mann drückte ihn wieder auf die Couch, bevor er überhaupt die Chance erhielt, wieder mit dem lädierten Fuß aufzutreten. „Bleiben Sie ruhig sitzen. Wir finden den Weg schon selbst.“ Kaiba nickte nur matt. Er sah ein wenig erschöpft aus. „Gute Besserung“, die junge Polizistin zwinkerte ihm nochmal zu, dann gingen sie. Ich geleitete sie zur Tür, einfach nur der Höflichkeit halber. Aber sie achteten gar nicht wirklich auf mich, also taperte ich nur hinterher. „Man könnte meinen, du hättest mit dem Jungen geflirtet“, neckte der Ältere seine Kollegin. „Ist ja auch ein hübsches Kerlchen“, sie stritt es nicht mal ab. „So schöne blaue Augen… hach, wenn ich nochmal siebzehn wäre…“ „Dann heirate ihn doch, wenn du ihn so toll findest. Ein schlechter Fang ist er ja nicht, wenn ich mir die Bude so anschaue“ Sie lachte glockenhell. „Klar, dann hätte ich ausgesorgt. Aber er ist mir zu jung und ein bisschen wortkarg.“ „Schade. Ich dachte, ich könnte dich dann besuchen und diesen riesigen Swimmingpool benutzen“ War ja schön, dass die das alles so unbekümmert sahen. Seufzend schlug ich die Tür hinter ihnen zu. Das wäre erledigt. Die zwei waren zwar erstaunlich nett gewesen, aber irgendwie vermittelte mir Polizei immer ein seltsames Gefühl. Ich schleppte mich wieder zurück ins Wohnzimmer und ließ mich in einen Sessel sinken. Kaiba saß nach wie vor auf der Couch und starrte finster vor sich hin. „Alles deine schuld!“, murrte er. „Dass die Polizei hier war?“ „Alles!“ „Was alles?“, was meinte er denn? „Einfach alles Schlechte, was diesen Planeten jemals heimgesucht hat!“ Er wirkte irgendwie ziemlich beleidigt. Dabei hatte ich ihm gar nichts getan. Vielleicht war er auch nur schlecht drauf, weil sein Knöchel wehtat. Aber dafür konnte ich ebenfalls nichts. Er hätte ja damit nicht auftreten müssen. „Schon klar!“ Sollte er mir doch die Schuld an allem geben, wenn es ihm half. „Wenn dir das so klar ist, dann verschwinde!“, raunte er. „Bitte?“ Den Zusammenhang verstand ich jetzt nicht. Aber vielleicht hatte er auch nicht mehr die Energie, logisch zu denken. „Geh nach Hause!“, er zog den Fuß wieder aufs Sofa, betrachtete den Gips. „Ich brauche keinen Babysitter“ Vielleicht hatte er recht. Es wäre ziemlich schwachsinnig, ihn auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Er musste auch allein zurechtkommen. „In Ordnung“, langsam stand ich auf. „Dann lasse ich dich in Ruhe.“ Er nickte, sah mich abwartend an. „Dann schon dich die nächsten Tage. Ich bringe dir dann die Hausaufgaben“ Er wollte protestieren, aber bevor er dazu kam, verließ ich zügig die Villa. Mir war klar, dass das ziemlich unsinnig war, da er vor den Sommerferien eh nicht wiederkommen würde. Aber so hatte ich wenigstens einen Vorsatz, ihn bald wieder zu besuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)