Rise of the Titans von Raija ================================================================================ Kapitel 28: Kein Alkohol ist auch keine Lösung ---------------------------------------------- Kapitel 29 – Kein Alkohol ist auch keine Lösung Nervös kaute ich am Fingernagel meines Daumens, während mein rechtes Knie unaufhörlich auf und ab wippte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf einen in verschiedenen Blau- und Gelbtönen gestreiften Teppich. Dabei dominierte nur zwei Worte meine Gedanken: worst case. Kurz nach Levis Gespräch mit Mike war er ins obere Stockwerk verschwunden. Seine Gedanken ordnen, hatte er gesagt. Seitdem saß ich auf einem hölzernen Stuhl am Esstisch und verfiel immer mehr meiner Angst. Wir würden es niemals bis nach Deutschland schaffen, geschweige denn die Mauern erreichen. Wir waren zum Tode durch blutrünstige menschenfressende Monster verurteilt. Bilder quälten mich. Vor meinem inneren Auge sah ich erneut den Helikopterabsturz, die Gestalt hinter meiner Mutter auftauchen, das Gemetzel bei dem Austreiben des Nestes, den Tod meines Vaters. Etwas berührte meine nackten Unterschenkel. Mein Herz schien stehen zu bleiben und all mein Blut in den unteren Bereich meines Körpers zu stürzen. Ruckartig sprang ich vom Stuhl und trat einige Schritte weg von ihm. Als ich mich umdrehte, machte ich den Kater unter dem Stuhl aus, der mich mit klopfenden Schwanz ansah. „Scheiße“, stieß ich aus, verärgert über meine eigene Schreckhaftigkeit, und begann im Raum auf und ab zu gehen. Was sollten wir nur tun? Irgendwann fiel mir auf, dass immer die selben Bodendielen mehr nachgaben als andere. Argwöhnisch schob ich den Teppich zur Seite und deckte eine Falltür auf. Sie war so gut wie unsichtbar, da sie aus dem selben Holz wie der Fußboden bestand und sich in keinster Weise vom übrigen Boden abhob. Lediglich die Ritzen um sie herum machten auf sie aufmerksam. Unsicher schob ich die Finger in eine Ritze und zog an der Tür, die sich problemlos öffnen ließ. Ich rechnete schon fast damit, dass mir ein Titan entgegen hüpfen würde, doch nichts geschah. Ich hatte lediglich einen weiteren Raum freigelegt. Es war der Platz, der durch das Podest, auf dem das Haus stand, zwischen Erdboden und dem Haus, welcher ebenfalls als Rumpelkammer genutzt wurde. Finnen sind ja solche Messies. Mit dem Smartphone leuchtete ich nach unten, entdecke eine Angelausrüstung, Campingstühle und weiteren Nippes, den man sich in den Garten stellen konnte. In einer Wand war eine kleine Tür eingelassen, damit man auch von draußen aus diese Kammer erreichen konnte. Kurzerhand stand ich auf, verließ das Haus durch die Terrassentür und ging um das Mökki, bis ich die Tür sah. Sie war nicht mal hüfthoch und durch kein Schloss oder Riegel gesichert. Ich zog sie auf und sah hinein. Licht drang durch die offen stehende Falltür in die Kammer. Da riss etwas meine Aufmerksamkeit an sich. Zwischen all dem Zeugs zog ich eine Flasche Rotwein hervor. „Mh, kein schlechtes Versteck“, murmelte ich. „Ein kleines Glas zur Beruhigung darf ich mir doch sicher gönnen.“ Mit der Flasche in der Hand dackelte ich wieder zurück ins Haus, wo ich die Falltür wieder sorgsam schloss und unter dem Teppich versteckte. In der Küche suchte ich nach einem Korkenzieher, griff mir eine Tüte Chips aus dem Schrank und ging wieder nach draußen. Unter einer alten Fichte, nahe dem See, ließ ich mich ins Gras sinken, öffnete die Chipstüte und zog den Korken aus der Flasche. Da fiel mir auf, dass ich gar kein Glas mitgenommen hatte. „Da wird eh niemand mehr draus trinken“, sagte ich zu mir selbst und nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche. Ich schmeckte seinen vollen und fruchtigen Geschmack und schloss einen Moment genießerisch die Augen. Mit der freien Hand stopfte ich Chips in meinen Mund und ließ meinen Blick umherschweifen. Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen, die Wasseroberfläche glitzerte einladend und eine leichte Brise forderte die Blätter in den Bäumen zum Tanz auf. Lange blieb ich nicht unentdeckt und Meisen gesellten sich zu mir. Ich zerdrückte einige Chips in meiner Hand und schmiss sie ihnen entgegen. Freudig hüpften die Vögel darauf zu und picken die Krümel auf. Da befiel mich die Melancholie. Würde ich jemals wieder in meinem Leben so unter einem Baum sitzen und Vögel füttern können? Ich dachte an mein Leben bevor ich von den Titanen wusste. An all die Reisen, die ich unternommen hatte. Würde ich, gesetzt dem Fall wir würden die Mauern erreichen, je wieder etwas von der Welt sehen? Da realisierte ich, was ich alles verloren hatte. Mein Zuhause, meine Hunde, meine Freunde, meine Familie. Ich würde niemals dorthin zurückkehren können. Nie mehr mit meinen Tieren arbeiten können. Keinen meiner geliebten Menschen um mich haben, denn es gab sie nicht mehr. Mein altes Leben nicht mehr leben können. Plötzlich flatterten die Meisen los und flogen davon. Der Kater war aufgetaucht und machte Jagd auf die Vögel. Allerdings gab er schnell auf und krabbelte stattdessen auf meinen Schoß, wo er sich zusammen rollte. Zärtlich streichelte ich ihn. Falls wir das überleben sollten, würde ich allein sein, denn Levis Aussage nach wollte er getrennte Wege gehen, sobald wir nicht mehr aufeinander angewiesen waren. „Du bist alles, was mir bleibt“, flüsterte ich dem Kater zu, wobei meine Stimme brach und Tränen sich ihren weg über meine Wangen bahnten. Ich nahm noch einen Schluck von dem Spätburgunder. Dann fummelte ich mein Smartphone aus der Hosentasche und sah mir die Bilder an, die darauf gespeichert waren. Ich weiß nicht, wie lange ich so da saß, doch der Flascheninhalt wurde weniger und die Tränen mehr, bis ich Levis Stimme hörte. „Wir sollten aufbrechen“, sagte er, während er auf mich zu schritt. „Du trinkst Wein?“, stellte er unnötigerweise fest, wobei seine Meinung darüber nicht zu überhören war. Es gefiel ihm nämlich gar nicht. „Rum wäre mir auch lieber“, lallte ich. Dabei wendete ich den Blick nicht von dem Display meines Mobiltelefons. Das Handynetz war schon seit unserem Rückzug vom Nordkapp tot, also diente das Gerät lediglich als Erinnerung an eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung war. Zumindest bis der Akku den Geist aufgab. „Ständig muss man auf dich aufpassen, Dummkopf!“ „Ich weiß“, nuschelte ich und setzte abermals die Flasche an. Doch bevor ich sie anheben konnte, wurde sie mir aus der Hand gerissen und Levi feuerte sie in den See. Ich wehrte mich nicht, schimpfte nicht, dazu war ich zu antriebslos. Levi setzte sich neben mich. Auch wenn er nichts sagte und seine übliche ungerührte Miene aufgelegt hatte, spürte ich, wie er innerlich brodelte. „Du kannst mich auch einfach hier sitzen lassen, wenn ich dir zu anstrengend bin“, eröffnete ich ihm. Ungläubigkeit stand in sein Gesicht geschrieben. „Willst du mich verarschen?“ „Wieso soll ich denn hier weg gehen? Es gibt nichts innerhalb der Mauern, weshalb ich dort hingehen sollte. Ich wäre doch nur allein“, sagte ich, den Blick aufs Wasser gewandt. „Da bin ich lieber hier oben einsam.“ „Wie kommst du auf diesen Mist?“, knurrte er. „Du willst mich auch verlassen, wenn wir angekommen sind.“ Ich hörte, wie er mit der Zunge schnalzte. Kurz darauf wurde das Katerchen von meinen Beinen gescheucht. „Du solltest ausnüchtern, bevor wir dieses Gespräch führen“, äußerte er sich genervt, ehe er einen Arm unter meine Knie schob und einen um meine Schultern legte. Bevor ich wusste, was passieren würde, hob er mich hoch und ging mit mir zurück ins Haus. „Was machst du da?“, fragte ich aufgebracht. „Halt einfach den Schnabel!“ Beleidigt schob ich die Unterlippe vor, was er jedoch gar nicht beachtete. Schnell gab ich das Schmollen auf und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Deutlich vernahm ich seinen beruhigenden Herzschlag und synchronisierte meine Atemzüge mit seinen. Eine behagliche Vertrautheit vertrieb all meine Zweifel und ließ meinen Geist zur Ruhe kommen. Viel zu schnell erreichten wir das Schlafzimmer, wo Levi mich auf dem Bett ablegte. „Schlaf jetzt“, forderte er mich auf und wandte sich um gehen. Ich hielt ihn am Ärmel zurück. „Bleib bei mir“, bat ich ihn. Er sah mich an und ich meinte in seinen Augen erkennen zu können, wie er mit sich selbst rang. „Bitte.“ „Nein“, wies er mich schließlich zurück. „Magst du mich denn gar nicht mehr?“, fragte ich wie ein dummes kleines Mädchen. Levi setzte sich auf die Bettkante neben mich und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. Dabei war er mir so nahe, dass ich von dem Dunkel seiner Augen in den Bann gezogen wurde. „Ich kann meine Finger nicht von dir lassen, Ivory“, erklärte er mir. Vorbei war es mit der Ruhe. Mein Herz schlug wild in meiner Brust und für einen Moment blieb mir die Luft zum Atmen weg. In meinem Bauch flatterte mein Magen ganz aufgeregt, während ein Schauer den Nächsten über meine Haut jagte. „Dann lass sie nicht von mir“, flüsterte ich grade laut genug, dass er es hören konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, er würde mich küssen und öffnete erwartungsvoll die Lippen, da stand er plötzlich auf. „Du bist betrunken“, erinnerte er mich und riss mir damit die rosa Brille vom Gesicht, „und wir haben im Moment schwerwiegendere Probleme.“ Damit verließ er das Zimmer und ließ mich, zitternd vor Enttäuschung, allein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)