Sikuyo von Suzame ================================================================================ Kapitel 1: I ------------ Widmung Für Luisa und Linda – in Erinnerung an unsere Kindheit in Lagos und unsere Liebe zu „Hatari“, wo uns allen nie genug Liebe drin vorkam! Sikuyo Tansania in den 60er Jahren Die Luft war stickig und schwül. Elaina D'Allessandro stand verloren mitten in Arusha. Genau dort, wo sie aus dem Bus gestiegen war, der sie aus Mombasa hierher gebracht hatte. Sie sah sich eine Weile um. Irgendwo hier musste er ja sein! Arusha war nicht groß und er hatte in seinem Brief versprochen, dass er sie hier abholen würde. Und pünktlich war sie. Der richtige Tag und sogar nur zwei Stunden Verspätung, was gut war, wie sie aus seinen Briefen wusste. Er musste doch gemerkt haben, dass der Bus angekommen war...Und doch sah sie keinen Mann, der ihrem Vater auch nur ansatzweise glich. Nun...dem Vater an den sie sich erinnern konnte. Francisco D'Allessandro war vor acht Jahren nach Afrika gegangen, hierher nach Tansania. Da Elainas Mutter sich standhaft weigerte ihrem Mann in die Savanne auf eine abgelegene Farm zu folgen, verließ er Frau und Tochter in Italien, um auf der Kijiji Lodge zu leben. Elaina wusste, dass ihre Mutter es Francisco nie verziehen hatte, dass er gegangen war und das sie ihn nie hatte wiedersehen wollen, doch sie, Elaina, hatte ihren Vater immer vermisst. Immer hatte sie gehofft, dass er zurückkehren würde oder ihr zumindest Briefe schreiben würde. Doch sieben Jahre blieb er für sie ohne ein Lebenszeichen verschwunden. Sie hatte schon begonnen nicht mehr an ihn zu denken, als sie erfuhr wo er war, all die Jahre gewesen war. Es war vor fast einem Jahr. Es war der Todestag ihrer Mutter. „Signorina D'Allessandro? Kommen Sie doch bitte herein.“ Die Testamentseröffnung war eine sehr private Angelegenheit im kleinen Kreise. Neben Elaina waren da nur noch eine Tante und der Onkel und Magdalena Rivera, eine sehr gute Freundin ihrer Mutter, die Elaina und Maria in der schweren Zeit begleitete. Es gab auch nichts Besonderes zu erben. Die kleine Wohnung in der Mietkaserne war nur solange ihre, wie die monatlichen Zahlungen regelmäßig eingingen. Auch zurücklegen konnte ihre Mutter nicht sonderlich viel. Das Leben der beiden, vor allem auch Elainas Bildung, hatte das karge Einkommen verschlungen. Nur der Schmuck ihrer Mutter, Erbstücke von ihrer Großmutter und Geschmeide von der Mutter ihres Vaters Francisco, waren in dieser Versammlung von Interesse. Der Anwalt räusperte sich, als sich alle Beteiligten gesetzt hatten. „Danke für ihr Erscheinen. Ich werde nun das Testament der Maria Isabella Julietta D'Allessandro verlesen.“ Er setzte sich eine runde Brille auf die Nase und begann zu lesen. „Letzter Wille. Hiermit verkünde ich, Maria Isabella Julietta D'Allessandro, geborene Maira, das ich bei vollem geistigen Verstand bin und meinen letzten Willen. Ich wünsche, dass alle Erbstücke der Familie sowie meine Ersparnisse an meine Tochter Elaina Aurora D'Allessandro als einzige Begünstigte gehen. Desweiteren verfüge ich, dass das Paket welches ich zu treuen Händen Magdalena Rivera gegeben habe mit Verlesung dieses Testament an Elaina weitergeben wird. Maria Isabella Julietta D'Allessandro“ Es ist eine Liste der Wertgegenstände beigefügt, sowie die Daten für ein Konto auf dem ihre Frau Mutter Geld hinterlegt hat, Signorina“, wandte der Anwalt sich an Elaina, die einfach stumm nickte. Magdalena legte ihr einen Arm, um die Schulter. „Komm, gehen wir heim. Ich habe noch mit dir zu reden. Es betrifft die letzten Wünsche deiner Mutter und das im Testament erwähnte Paket.“ Elaina folgte Magdalena hinaus. Sie nahmen den Bus, da Magdalenas Haus auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt lag. Elaina war während der Fahrt sehr still. Der Tod ihrer Mutter traf sie äußerst hart, denn außer ihrer Mutter war ihr keiner geblieben und nun war auch sie fort. Elaina stand nun völlig alleine da. Sie würde ihre Träume vom Studieren begraben müssen und vielleicht auch den Schulabschluss, da sie das Schulgeld kaum mehr aufbringen könnte. Alles starb mit ihrer Mutter, die sie schon jetzt schmerzlich vermisste. Ihr Lachen, die warmen braunen Augen und die Begleiterin in allen Lebenslagen. Magdalena schüttelte sie sacht an der Schulter, als sie ihre Haltestelle erreichten. „Wir sind da, Elaina.“ Gehorsam nickte diese wieder und stieg aus. Bis zu Magdalenas Haus war es nicht weit. Sie lebte allein, vor Jahren verwitwet, in einem Häuschen von dem Elaina nur träumen konnte. Es hatte sogar einen winzigen Garten mit Sommerblumen. „Der Sommer ist vorbei“, bemerkte sie und blieb stehen. „Es wird kälter.“ „Ja, in der Tat. Aber auch Herbst und Winter sind auf ihre Art verzaubernd und schön. Und dann ist auch schon wieder Frühling, Kind“, sagte Magdalena, während sie gedankenverloren neben ihr stand. „Ich weiß. Komm, lass uns reingehen. Ich mag die sterbenden Blumen nicht mehr ansehen.“ Mitleidig ging Magdalena voraus, um die Tür zu öffnen. Elaina tat ihr Leid. Sie wusste, was Verlust bedeutet und sie vermisste das Mädchen hinter der traurigen Maske. Wenn auch ruhig war Elaina doch stets fröhlich gewesen. Nun war sie einfach still. „Setz dich in die Bank. Ich mache uns Kaffee und dann komme ich auch“, erklärte die Ältere und Elaina setzte sich auf die Eckbank an den Küchentisch, während Magdalena Wasser aufsetzte. Es war still im Raum, nur gelegentlich klapperte Magdalena bei der Kaffeezubereitung mit Löffeln und Tassen, stellte Milch und Zucker auf den Tisch. Elaina wartete geduldig bis sie fertig war und sich setzte. Dann sah sie sie erwartungsvoll an. Gedankenverloren sagte Magdalena: „Deine Mutter, möge sie in Frieden ruhen“, Magdalena bekreuzigte sich, als gläubige Christin, bevor sie fortfuhr, „Hat mir etwas gegeben, dass ich an dich weitergeben soll.“ Sie stand wieder auf und holte eine unscheinbare Pappkiste vom Regal und stellte sie auf den Tisch. Elaina sah die Kiste irritiert an. Ihre Mutter hätte sie ihr doch auch persönlich geben können. Ihre Krankheit hatte diesen Ausgang voraus gesagt. „Ich gehe ins Wohnzimmer, dann kannst du dich in Ruhe mit diesem Erbe auseinandersetzten. Wenn du mich allerdings brauchst, dann ruf einfach, meine Kleine.“ Mütterlich strich Magdalena Elaina über den Kopf. Dann ging sie hinüber in ihr Wohnzimmer. Elaina betrachtete die Kiste skeptisch. Dann gab sie sich einen Ruck und öffnete die Schachtel. Ihr Blick fiel auf einen Stapel unscheinbarer Umschläge, die mit Packband zusammengehalten wurden. Darauf lag ein zweimal gefalteter Bogen grünen Papiers. Das Lieblingsbriefpapier ihrer Mutter, das sie nur für besondere Anlässe benutzt hatte. Elaina schluckte. Ihre Mutter musste diesen Brief geschrieben haben, während die Krankheit sie langsam dahin siechen ließ. Doch die restlichen Briefe waren ihr ein Rätsel. Die Handschrift hatte sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen. Sie nahm den Stapel aus der Kiste und faltete den Brief ihrer Mutter auseinander. Als sie begann zu lesen bekam sie einen dicken Kloß im Hals. „Meine liebe Elaina, mein wunderbares Kind, wenn du diesen Brief liest, habe ich das irdische Leben wohl bereits verlassen. Ich hoffe, es geht dir den Umständen entsprechend gut, mein Herz. Bitte trauer nicht zu sehr, sondern erfreue dich deines jungen Lebens. Versuch deine Träume zu verwirklichen. Lass dich nicht entmutigen, auch wenn du vielleicht Rückschläge erleiden musst. Du kannst das schaffen, was ich nie erreicht habe. Was ich sagen will: Ich habe nie bereut deinen Vater geheiratet zu haben und dich damit bekommen zu haben. Doch ich bereue nicht mehr aus meinem Leben gemacht zu haben. Einem Mann zuliebe. Einem Mann zuliebe, der uns verlassen hat, um in Afrika ein neues Leben zu beginnen...Elaina, es tut mir Leid, dass ich es dir nie erzählt habe, doch die Wahrheit war zu schmerzhaft für mich, mein Kind. Dein Vater, Francisco D'Allessandro lebt noch und ich wusste all die Zeit davon und auch, wo er war. Er versuchte mich zu überreden mit ihm zu gehen, ihm zu folgen, doch ich konnte nicht. Nie, auch nach seinen Briefen nicht in denen er wiederholt darum bat, dass wir zu ihm kommen mögen. Und, dass er Kontakt zu dir haben wollte. Er schickte uns auch Geld, dass ich auf dem Konto hinterlegt habe von dem im Testament die Rede ist. Ich konnte es nicht benutzten. Die Briefe in dem Päckchen sind alle von ihm. Ich habe sie all die Jahre gesammelt. Bitte lies sie nun sorgfältig und triff für dich die Entscheidung, die ich dir nie geben konnte...nie gegeben habe aus Angst dich dann zu verlieren. Es ist keine wirklich Entschuldigung, doch bitte verzeihe mir meine Fehler, meine Ignoranz. Doch das alles tat ich in dem Glauben, dass es das Beste für dich sei. Und auch für mich, egal wie egoistisch das klingt. Bitte verzeih mir das. Lies seine Briefe und schreib ihm, wenn du möchtest. Oder besuche ihn. Nutze die Ersparnisse dafür, meine Fehler an dir wiedergutzumachen. In Liebe, Mama“ Als sie den Brief beiseite legte, rannen Elaina die Tränen über die Wangen und sie schluchzte leise. Magdalena setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm, um die Schulter. „Ach, meine Kleine, ich habe dein Schluchzen nicht mehr ertragen“, flüsterte sie und Elaina fiel in ihre Arme. „Sie hat es all die Jahre gewusst.“ „Ich weiß, Kleine, ich weiß. Aber sie wollte nur das Beste für dich. Sie hat es nicht mit böser Absicht getan. Und sie hat es bereut auf ihrem Sterbebett, als sie dich alleine ließ“, sagte Magdalena und Elaina schluchzte noch mehr. Die Ältere tätschelte ihren Rücken, bis Elaina sich langsam wieder beruhigte. „Ist ja gut, Kind, ist ja gut.“ Elaina wischte sich über die Augen. „Danke, dass du da bist. Ich weiß nicht, was ich alleine tun sollte.“ „Ist schon gut. Und nun komm, lies die Briefe deines Vaters, Schätzchen. Du hast doch immer darauf, gehofft, dass er sich meldet.“ Elaina nickte und putzte sich die Nase. Dann griff sie nach dem Stapel mit den Briefen. Sie zögerte sie zu lesen, doch dann überwand sie sich. Es waren zweiundzwanzig Briefe. Im ersten und zweiten Jahr hatte er je fünf Briefe verfasst, im dritten nur noch vier, dann drei in denen er, um das Wohlbefinden ihrer Mutter und auch um ihres fragte und in denen er versuchte, seine Frau nach Kenia zu holen. Im fünften Jahr fragte er nur noch nach ihrem Befinden und aus den anderen drei Jahren gab es nur drei Briefe. An jeden ihrer Geburtstage hatte er gedacht. Im letzten Brief war auch noch eine kleine goldene Kette mit einem Elefanten als Anhänger. Ein Geburtstagsgeschenk. Elaina ließ die Kette durch ihre Finger gleiten und betrachtete sie nachdenklich. Elaina lächelte kurz und griff nach der Kette, die unter ihrer Bluse versteckt war. Sie wunderte sich, wie leicht es ihr gefallen war sich zu entscheiden. Sie hatte noch am gleichen Abend einen Brief an ihren Vater geschrieben, indem sie ihm alles erklärte. Vier Wochen hatte sie auf Antwort gewartet und dann hatte sie einen Brief von ihm enthalten. Er bekundete erst sehr höflich sein Beileid und fragte, wie es ihr ging. Elaina war schon enttäuscht, wie distanziert dieser Brief klang, als es sich änderte und er sie bat, sie zu sehen. Aber auch, dass er nicht weg konnte von der Kijiji Lodge auf der er lebte, da nun bald die Saison wieder begann, doch dass er es vielleicht zu Weihnachten schaffen würde nach Italien zu kommen. Kurzentschlossen antworte Elaina, dass sie ihn auch gerne sehen würde und, dass sie nach Afrika kommen würde. Die Neugier trieb sie und eine nie gekannte Abenteuerlust bemächtigte sich ihrer. Es zog sie in diese fremde Welt, wo sich ihr die Gelegenheit bot. Und nun stand sie hier in Arusha, mutterseelenallein. Wieder sah sie sich um, doch keiner in Sicht. Doch sie entdeckte eine Taverne mit Namen Marousha Square Bar. Vielleicht konnte man ihr dort weiterhelfen. Zumindest würde sie dort etwas zu trinken bekommen. Es war unglaublich warm hier und sie schwitzte mehr, als im Sommer in Italien. Die Hitze war drückend und schwül. Sie seufzte. Dann nahm sie ihren Rucksack, ihre Tasche und den Koffer. Entschlossen marschierte sie auf die Bar zu, als ein junger Mann zu ihr trat. „Madmoiselle D'Allessandro?“, fragte er und sie nickte unsicher, doch der Lockenschopf lächelte nur verbindlich. Er streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin Nicolas de la Court. Ihr Vater, Franc, hat mich beauftragt sie hier abzuholen. Er ist verhindert. Es gab einen Unfall bei der Jagd.“ Er sah den Schreck in ihren Augen und setzte hinzu. „Franc fehlt nichts. Es hat den Boss erwischt.“ Elaina nickte unfähig ein Wort herauszubringen. Wenn sie gedacht hatte ihre Reise sei bisher abenteuerlich gewesen, dann hatte sie sich wohl geirrt. Das Ganze ging jetzt erst los. „Alles in Ordnung, Madmoiselle?“, fragte Nicolas sie schließlich, als sie noch immer nichts sagte. Elaina nickte eilig. „Natürlich. Das war gerade etwas viel, glaube ich nach der langen Reise. Entschuldigen Sie bitte, Mr. De la Court.“ „Ja, dass ist wirklich hart, wenn man es nicht gewohnt ist. Und nennen Sie mich doch bitte Nick. Wir sind hier unten nicht so förmlich“, sagte er lächelnd, wobei er eine Reihe schneeweißer Zähne zeigte. „Ich bringe Sie jetzt zu ihrem Vater. Kommen sie.“ Er griff nach ihrem Koffer und der Tasche, die Elaina ihm nur liebend gerne überließ, und ging auf einen zerschrammten, offenen Jeep zu. Sie folgte Nicolas, wenn es ihr auch merkwürdig erschien einem Fremden derart zu vertrauen. Doch Nicolas schien sehr nett zu sein und er kannte ihren Vater. Sonst hätte er nicht gewusst, wie sie hieß, wie er hieß und wann sie hier sein sollte. Nur warum ihr Vater ihn schickte und nicht selber kam, dass verstand sie nicht ganz. Elaina beschloss direkt zu sein. „Warum lässt mein Vater mich von ihnen abholen und kommt nicht selber, Nick?“ „Nun der Boss, Liam MacAran, ist sein Freund. Sie verbindet sehr viel und es steht nicht gut um ihn im Moment. Er hat sehr viel Blut verloren und Franc wollte unbedingt dort sein. Er hat gehofft, sie würden das verstehen, Elaina“, erklärte Nicolas und startete den Jeep. Elaina nickte. „Natürlich.“ Sie fuhren durch die Straßen von Arusha. „Wir fahren zur Krankenstation. Von dort aus wird Franc sie zur Farm bringen.“ „Ja, gut.“ Elaina lächelte, dann fragte sie: „Wie kam es zu diesem Unfall?“ „Wir wollten einen Büffel fangen. Wir hatten ihn schon beinahe ihm Laster, als das Biest sich losgerissen hat und auf Liam losgegangen ist. Hat ihm fast den Arm zerfetzt“, sagte Nicolas und Elaina sah ihn erschrocken über die grausame Beschreibung der Verletzung an. Beruhigend sagte Nicolas. „Entschuldigen Sie, Madmoiselle. Hier ist es leider oft an der Tagesordnung, dass es Verletzungen gibt, darum habe ich nicht auf meine Wortwahl geachtet. Doch verlassen Sie sich darauf: Doktor Connors ist ein Meister seiner Arbeit und der Boss hat bestimmt nicht vor so leicht aufzugeben. Er wird schon durchkommen.“ Elaina nickte. „Das ist erfreulich.“ Sie hatte das Gefühl, dass sie nicht mitfühlend genug war, doch sie kannte diesen Mann ja nicht einmal. Dennoch hatte sie ein schlechtes Gewissen. Doch Nicolas schien nichts daran zu finden. Unbeirrt fuhr er weiter, trat kräftig auf die Hupe, als eine Herde Ziegen ihm den Weg versperrt und hielt dann vor einem Gebäude, dass die Aufschrift „Arusha Hospital“ trug. „Kommen Sie, Madmoiselle“, sagte er, während er ihr seine Hand reichte. „Franc wartet bereits.“ „Ich danke Ihnen.“ Elaina folgte ihm in das Gebäude hinein. Drinnen war es schattig und kühl. Elaina genoss es einen Moment, dann schlug sie die Augen wieder auf. Nicolas wartete und führte sie dann in einen Nebenraum. Als er die Tür öffnete, schlug ihr Herz schneller. Jetzt würde sie jeden Moment ihrem Vater gegenüber treten. Das hatte sie bisher aus ihrer Vorstellung gestrichen, denn sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie es sein würde ihm gegenüber zu stehen. Als Elaina den Raum betrat fand sie sich nicht ihrem Vater, sondern gleich fünf ihr unbekannten Männern gegenüber wieder. Alle sahen zu ihr auf und Elaina blieb stocksteif stehen. Erst als sich ein Mann mit dunklen Haaren sich zu ihr umdrehte und ausrief: „Elaina!“ Wagte sie es sich wieder zu rühren. Trotzdem sie ihn seit all den Jahren nicht mehr gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort wieder. Er hatte sich kaum verändert, nur sein Haar war nun von grauen Strähnen durchzogen. „Papa.“ Francisco stand auf und kam auf sie zu. Er sah aus, als würde er sie in seine Arme schließen wollen, doch dann räusperte er sich und legte ihr nur eine Hand auf die Schulter. „Schön, dass du hier bist, Elaina. Ich wollte dich abholen, doch der Doc war gerade aus dem OP gekommen. Ich hoffe, du kannst mir das verzeihen.“ Elaina nickte, unfähig ein Wort herauszubringen. Francisco räusperte sich wieder. Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und wandte sich an den Rest der Gruppe: „Freunde, dass ist Elaina, meine Tochter.“ Die Männer erhoben sich. Ein gutaussehender junger Mann mit glattem, pechschwarzem Haar kam sofort auf sie zu: „Schön Sie kennenzulernen, Signorina. Wir haben schon viel von Ihnen gehört. Ich bin Juan Miguel Javier Garcia.“ Er reichte ihr die Hand, die Elaina sogleich schüttelte. „Ich danke Ihnen, Mr Garcia.“ Er lächelte und wollte schon weiter reden, als er von dem großen Blonden unterbrochen wurde: „Garcia, halt die Luft an. Du wirst noch genug Gelegenheit haben, dein spanisches Temperament zu zeigen.“ Er wandte sich a Elaina. „Nehmen Sie sich vor dem in Acht, Miss. Mein Name ist übrigens Fred, Fred Meier.“ „Schön sie kennenzulernen und vielen Dank für die Warnung“, sagte Elaina mit einem Lachen, als er ihr die Hand gab. Der nächste, der ihr vorgestellte wurde war ein Mann mit einem Zopf im Nacken. Ihr Vater sagte: „Das ist Leland Red Eagle, Elaina.“ „Sehr erfreut. Papa hat mir bereits von ihnen geschrieben, als sie von dem Oryx beinahe aufgespießt worden sind“, sagte Elaina, die sich an den Brief bestens erinnern konnte, weil sie so erschrocken war, dass ihr Vater das Ganze als eine äußerst amüsante Situation dargestellt hatte. Und zu ihrem Erstaunen lachte auch Leland. „Oh ja, das war eine sehr witzige Geschichte. Zu meinem Glück war der Spießbock noch in den Seilen gefangen und ist über seine eigenen Beine gestolpert.“ „Das ist erfreulich“, erwiderte Elaina, als ihr Blick auf den letzten Mann der Runde fiel. Er war noch sehr jung, vielleicht gerade 25 Jahre alt. Und der Blick mit dem er sie bedachte, war alles andere als freundlich. Er hatte die Arme verschränkt und lehnte seit ihrem Eintreten unverändert an der Wand. Und doch, als sich ihre Augen trafen fühlte sie sich von ihm angezogen. „Und das ist Reed“, stellte ihr Vater ihn vor, als er ihren Blick bemerkte. „Er ist der Sohn von Liam und Rowena, denen die Kijiji Lodge gehört und er lebt mit uns dort seit er von der Schule ist.“ Elaina lächelte ihn an und Reed stieß sich von der Wand ab. Er gab ihr die Hand, doch das Lächeln erwiderte er nicht. Dennoch war sein Händedruck fest und einen Moment sah er ihr tief in die Augen. Elainas Herz begann einen schnelleren Takt zu schlagen und Wärme sammelte sich in ihrem Körper, die von seiner Hand direkt durch ihren Arm und tiefer schießen zu schien. Sie blinzelte einmal und leckte sich über ihre plötzlich trockenen Lippen. In diesem Moment ließ Reed ihre Hand los und der Bann war gebrochen. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich wieder ab und verließ den Raum. „Sieh es ihm nach, Elaina. Er war noch nie ein Mann der großen Worte mit Fremden und die Sorge um seinen Vater macht es nicht besser“, erklärte Fransisco das seltsame Verhalten des jungen Mannes. Abwesend nickte Elaina. Sie sah noch auf die Tür aus der er verschwunden war. Die Begegnung hatte sie überrascht. Zwei Stunden später fand Elaina sich in einem alten Chevrolet Truck an Reed MacArans Seite wieder. Sie waren auf dem Weg zur Kijiji Lodge, wo Reed seine Mutter abholen sollte. Das ausgerechnet sie nun mitfuhr, hatte sie ihrem Vater zu verdanken, denn er war der Meinung gewesen sie sollte die Gelegenheit haben sich frisch zu machen und ihr Gepäck loszuwerden. Außerdem war Elaina sich sicher, dass er für den Moment noch mit ihrer Anwesenheit überfordert war und ein wenig Zeit für sich brauchte. Genau aus diesem Grund hatte sie auch nur zugestimmt mit dem grimmig dreinblickenden Reed ins Auto zu steigen. Sie wollte ihrem Vater Zeit geben sich an ihre Anwesenheit zu gewöhnen, denn eine gute Beziehung zu ihm aufzubauen war ihr erklärtes Ziel geworden und dafür würde sie auch selber zurückstecken. Sie musste trotzig das Kinn gereckt haben, denn Reed sagte plötzlich: „Alles okay bei Ihnen, Miss?“ Überrascht sah Elaina Reed an. Mit dieser Frage hatte sie nun keineswegs gerechnet, dennoch nickte sie eilig. „Ja, ja, natürlich.“ „Nun sie sahen...aus als ob sie jemandem etwas beweisen müssten." Seine Augen blitzen amüsiert, während seine Mundwinkel sich nach oben zogen. Das Grinsen hatte etwas Überhebliches. Die Betonung bei jemandem ließ darauf schließen, dass er sich selber meinte. Elaina strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die vom Fahrtwind jedoch sogleich wieder davon geweht wurde. Ein wenig von seiner Arroganz und Selbstgefälligkeit verärgert, sagte sie schnippisch: "Ich denke nicht, dass ich Grund habe irgendjemandem etwas zu beweisen." Das irgendjemandem betonte sie so, dass es genauso herausstach, wie aus seinem Satz zuvor. "So? Ich denke, Sie haben jedem hier etwas zu beweisen - das Sie diesem Land gewachsen sind." Seine Miene war wieder genauso grimm, wie zu Beginn der Fahrt. Elaina wollte sich verteidigen, sicher, dass es für sie keine Schwierigkeit sein würde in Tansania klarzukommen, doch unbeirrt fuhr Reed fort: "Sind Sie dazu wirklich in der Lage?" Seine Anmaßung schon nach solch kurzer Bekanntschaft ihren Charakter einschätzen zu wollen, machte Elaina wütend. Sie suchte nach Worten, doch sein Blick hielt sie ab, auch nur eine Silbe zu finden. Und wie sie in der Lage war, sich diesem neuen Leben zu stellen! Entschlossen entschied sie es ihm zu beweisen, und wenn nur um ihm vor Augen zu führen, wie impertinent er war und seine Großspurigkeit auszuradieren! Ihre Sprachlosigkeit schien ihm nicht viel auszumachen. Er steuerte den Wagen in raschem Tempo über eine staubige Straße, die den Namen kaum verdiente. Es war eher eine Sandpiste mit einer Vielzahl von Schlaglöchern. Jedes Mal, wenn sie eines trafen, rumste der Wagen, doch Reed drosselte sein Tempo nur bei den wirklich tiefen Löchern, wenn er sie nicht umfahren konnte. Mit aller Kraft krallte Elaina sich schließlich an der Tür des Wagens fest, um nicht, wie ein Flummiball auf und nieder zu hopsen. Trotzdem konnte sie den Kontakt zu einigen harten Teilen des Autos nicht verhindern, was ihr sicherlich einige blaue Flecken garantierte. Als es ihr alles zu viel wurde, wollte sie Reed für sein rüpelhaftes Verhalten anzufauchen, als er den Wagen endlich langsamer werden ließ. Sie passierten ein Tor, das zu einem großzügig eingezäunten Anwesen führte. Wohin man auch sah, waren Gehege und Käfige aufgestellt. In manchen schritten Tiere umher, andere waren noch leer. Elaina erhaschte jedoch nur kurze Blicke auf die fremden Tiere, während Reed auf ein niedriges, weißes Haus zuhielt. Eine Veranda mit dunklen Holzplanken und einem ebenso gefärbten Geländer zog sich an der Vorderseite des Hauses entlang und führte zu einer großen Eingangstür. Rechts und links davon waren große Fenster mit strahlend weißen Vorhängen zu finden. Das Dach war mit dunkel getrocknetem Schilf oder Stroh gedeckt, Elaina war sich nicht ganz sicher, um was für ein Material es sich handelte, doch sie war beeindruckt von dem Gebäude. Es war wunderschön und von einigem Grün umgeben, wo doch der Rest des Geländes nur mit struppig, grau-braunen Gras bedeckt war. Reed hielt direkt vor der Veranda. Er sprang aus dem Wagen und bevor Elaina noch die Tür eröffnet hatte stand er an ihrer Seite des Wagens und übernahm eben dies für sie. Dabei hielt er ihr die Hand entgegen, die sie geflissentlich übersah. Alleine kletterte sie aus dem Wagen und Reed schenkte ihr etwas, dass sie wohl als Grinsen deuten mochte, wenn es auch nicht so ausgeprägt war. In seinem Gesicht sah sie einen Flug von Anerkennung. "Reed?" Neugierig wandte Elaina sich der Frau zu, die auf die Veranda getreten war. Das musste Rowena MacAran sein, Reeds Mutter. Sie schien jünger zu sein, als Elaina es erwartet hatte. Dunkelrote Locken kringelten sich über ihre Schultern bis hin zu ihrer schmalen Taille, um die Elaina sie sofort beneidete. Ihre Hände und Unterarme waren mit Mehl bestäubt, ebenso wie ihr Rock und die Bluse. In ihrem Gesicht stand eine Mischung aus freundlicher Neugier und tiefer Sorge, die sich vertiefte, als Reed sein Erscheinen erklärte. Er war zu seiner Mutter gegangen und mit jedem seiner Worte überzog die Sorge ihr Gesicht mehr, dennoch blieb sie ruhig und ließ Reed die Situation in allen Einzelheiten erklären. Dann nickte sie und wandte sich an Elaina. "Willkommen auf der Kijiji Lodge, Elaina! Ich hoffe sehr, dass du dich schnell wohlfühlst bei uns. Ich bin Rowena MacAran. Nenn mich doch bitte Rowena, Elaina!" Sie reichte Elaina die Hand und gab ihr einen festen, warmen Händedruck. „Leider sind die Umstände grade ein wenig unglücklich, sodass ich dich leider nicht wirklich herumführen kann, aber wir holen das nach, sobald ich aus dem Krankenhaus zurück bin. Reed und ich werden in einer halben Stunde zurück nach Arusha fahren. Du kannst uns gerne begleiten oder aber dich hier ein wenig von der Reise erholen." "Vielen Dank, Rowena." Der Name fühlte sich seltsam an, als sie ihn aussprach. Es war fremd jemanden so schnell bei seinem Vornamen zu nennen, doch es war ein positives Gefühl befand Elaina schnell. "Ich würde sehr gerne mit zurückfahren." Alleine auf der Farm zu bleiben behagte ihr nicht. Rowena schien das schnell zu merken und begrüßte ihre Antwort. "Dann schlage ich vor, dass wir nur schnell deine Koffer in dein Zimmer bringen und du dich eben frisch machst, damit wir sofort loskönnen." Sie lächelte Elaina freundlich zu, trotzdem tiefe Sorge, um ihren Mann in ihren Augen stand, die einverstanden nickte. Rowena gab Reed den Auftrag das Gepäck reinzubringen und hakte Elaina dann bei sich unter. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer, fragte Rowena Elaina über ihre Reise aus und bekundete ihr Beileid über den Tod ihrer Mutter. "Das war eine sehr große Entscheidung hierherzukommen, Kind. Das hätten sich nicht viele Menschen getraut. Dein Vater war sehr, sehr froh und stolz über deine Wahl." Elainas Wangen wurden rot über das Kompliment. Die Entscheidung war groß gewesen - keiner ihrer Bekannten hatte verstanden, warum sie ging. Sie hatte gerade einen Arbeitsplatz als Sekretärin in einer großen Lederfabrik bekommen, wo sie gut verdient hätte, doch sie hatte das Angebot zurückgewiesen und war abgereist. Das Unverständnis war groß, ebenso die Vorwürfe. Dennoch hatte nichts sie aufhalten können sich in dieses Abenteuer zu stürzen. Und bisher bereute sie ihre Wahl kein bisschen! Rowena ließ sie alleine, um sich ebenfalls umzuziehen und Elaina betrachtete das Zimmer. Die Fenster waren groß und ließen Blick auf eine knorrige Akazie, wenn die hölzernen Läden geöffnet waren. Luftige Vorhänge schafften Privatsphäre. Die Möbel waren aus einem glattgeschliffenen, dunklen Holz gearbeitet. Elaina war über den Schminktisch mit eingelassenem Spiegel und das Vier-Pfosten-Bett mit Himmel begeistert. Sie fühlte sich gleich wohl und konnte kaum glauben, dass das Zimmer ihr alleine vorbehalten war. Es musste mindestens doppelt so groß sein, wie ihr Zimmer in der Mietwohnung, die sie mit ihrer Mutter bewohnt hatte. Ihre Kehle schnürte sich zu. "Mögest du in Frieden ruhen, Mama!" Sie bekreuzigte sich mit geschlossenen Augen. Tränen traten in Elainas Augen - sie hatte sich ihr Leben lang an ihre Mutter gehalten und die Beklommenheit machte sich wieder einmal breit, als sie daran dachte, dass sie von nun an völlig auf sich gestellt war. Nun nicht völlig - da war noch ihr Vater, der ihr jedoch trotz allem noch sehr fremd war. Doch sie war entschlossen das Beste aus dieser Situation zu machen. Es war ihre Chance die Beziehung zu ihrem Vater aufzubauen, wie sie sich immer gewünscht hatte. Mit neuem Mut schwang sie ihre Tasche auf das Bett und öffnete sie. Oben auf lagen ihre Pflegeutensilien in einem bestickten Beutel. Sie holte die Haarbürste hervor und legte sie auf den Schminktisch, um ihren Dutt zu öffnen. In einem Schwall dunklen Haares fielen die Strähnen herunter und Elaina bearbeitete sie mit kräftigen Zügen. Geschickt flocht sie sich einen Zopf, den sie mit Hilfe einiger Haarklammern wieder in einem Dutt an ihren Hinterkopf befestigte. Im Anschluss schlüpfte sie in eine frische Bluse, schloss die Knöpfe bis oben hin und in einen passenden Rock. Als sie ihre Sandalen anzog klopfte es laut an der Tür. "Herein!" Reed öffnete die Tür und lehnte sich an den Türrahmen. "Wir wollen los. Sind Sie soweit?" "Natürlich." Schnell stand Elaina auf und strich ihren Rock glatt. Dann wandte sie sich mit einem Lächeln an den jungen Mann vor ihr. "Sollen wir?" "Nach Ihnen." Er wies mit der Hand auf den Flur und sie trat an ihm vorbei. Ohne sich umzusehen ging sie ins Wohnzimmer, wo Rowena stand und einem dunkelhäutigen Mann Anweisungen erteilte. Sie sprach schnell, sodass Elaina nur wenig von den englischen Worten aufnehmen konnte. Erleichtert, dass sie bisher keine Kommunikationsschwierigkeiten gehabt hatte, beschloss Elaina mit ihrem Vater darüber zu reden, dass er mit ihr üben sollte. Sie war zwar in Sprachen immer gut gewesen, doch nun bemerkte sie, dass sie lediglich auf Theorie zurückgreifen konnte. Rowena winkte ihr zu und holte sie so aus ihren Gedanken. Eilig trat sie neben die ältere Frau auf die Veranda. Reed hatte den Wagen gestartet und beide Frauen stiegen ein. Dieses Mal fuhr Reed sehr viel achtsamer als zuvor und als sie in Arusha ankamen bedachte Elaina ihn mit einem vorwurfsvoll-wütendem Blick. Ein breites Grinsen erschien auf seinen Zügen, als er ihr aus dem Truck helfen wollte und sie seine Hand mit einem Stoß zur Seite schob. Rowena hob eine Augenbraue in einer fragenden Geste, doch Reed übersah es geflissentlich, während Elaina zu beschäftigt war vom Rücksitz auszusteigen ohne ihm einen Blick bis unter ihre Röcke zu gewähren, um darauf zu achten. Als sie festen Boden unter den Füßen hatte und sie das Krankenhaus betreten hatten, fand sie sich sogleich in der Gesellschaft von dem jungen Mann, der sie von der Haltestelle aufgesammelt hatte - Nicholas, nein Nick - und des dunkelhaarigen Garcías wieder. Sie waren auf dem Weg nach draußen, um zu rauchen. Frederick - Fred - war ebenfalls bei ihnen, wandte sich jedoch gleich an Reed. "Deinem alten Mann geht es den Umständen entsprechend erstaunlich gut, sagt der Doc. Sie hatten Glück, dass Franc die gleiche Blutgruppe hat. Hat einiges an Ärger erspart. Liam wird wohl die nächste Zeit das Bett hüten und dann den Arm in einer Schlinge tragen müssen, aber der Doc hat ihn wieder soweit zusammengeflickt, dass es keine Gefahr mehr ist. Er schläft jetzt, aber ihr könnt ihn sicherlich sehen. Franc und Leland sind noch bei ihm und sprechen mit dem Doc." Er klopfte Reed auf die Schulter und bei ihm ließ sichtlich einiges an Anspannung nach. Auch auf Rowenas Gesicht spiegelte sich dieser Ausdruck und sie lächelte. Reed legte ihr einen Arm, um die Schulter und sie gingen gemeinsam den Flur hinunter zu dem Zimmer, das Nick ihnen nannte. Die Männer luden sie ein mit ihnen hinauszugehen und eine zu rauchen, doch sie lehnte dankend ab. Ihre Mutter wäre schockiert, dass man es ihr überhaupt angeboten hatte, dachte Elaina mit einem Lächeln, als sie alleine in dem sterilen Warteraum zurückblieb. Nach einiger Zeit hörte sie Schritte auf dem Flur und wandte sie um. Leland und ihr Vater kamen mit Reed den Flur entlang. Sie waren in ein Gespräch vertieft, doch als Franc sie sah, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und er kam sofort zu ihr herüber. „Elaina, schön, das du hier bist. Ich…warum bist du denn ganz alleine hier drin?“ Ein missbilligender Ausdruck trat in seine Züge. „Na den Jungs werde ich was erzählen!“ Elaina musste unwillkürlich lachen. „Das habe ich selber entschieden. Sie haben mich gefragt, ob ich sie begleiten möchte – zum Rauchen. Ich habe abgelehnt.“ „Wirklich? Nun gut, dann muss ich ja nicht wettern.“ Er zwinkerte ihr zu. „Das beruhigt mich sehr.“ Elaina legte den Kopf schief. Ja, er schimpfte nicht gerne. Sie erinnerte sich plötzlich daran, dass er niemals ihr gegenüber die Stimme gehoben hatte als Kind. Stattdessen hatte er ihr stets ruhig erklärt, wenn er enttäuscht war oder er sie vor einer Gefahr schützen wollte. Das war immer sehr viel eindringlicher, als jedes Schimpfen und Verbot ihrer Mutter es jemals gewesen ist. Sie lächelte und sagte leise: „Papa, es ist so schön wieder bei dir zu sein.“ Sie wurde rot, als sie noch einmal über diesen sehr kindlich klingenden Satz nachdachte, doch Franc sah sie mit einem Blick der seine Rührung sehr deutlich zeigte. Stumm ergriff er ihre Hand und drückte sie, als er keine Worte fand, die ihm angemessen erschienen. Elaina lächelte. Sie verstand ihn. Dann räusperte Franc sich lautstark. „Nun, sicherlich bist du schon am Verhungern. Ich denke, wir sollten die Gelegenheit nutzen und im Square essen gehen zur Feier des Tages.“ Er sah dabei von Elaina zu Leland und Reed. Der Indianer hatte bis dahin so getan, als ob er die Szene zwischen Vater und Tochter nicht bemerkt hatte, doch er lächelte wissend. Reed dagegen sah nachdenklich aus und schien jede Einzelheit im Kopf noch mal zu überdenken. Dennoch nickte er. „Ich warte auf Mutter. Wir kommen nach. Bestellt schon mal - das Übliche.“ Franc und Leland nickten. Franc harkte Elaina unter und tätschelte ihre Hand mit einem Lächeln und führte sie aus der Krankenstation hinaus. Draußen schlug ihnen die Hitze, wie eine Wand entgegen und Elaina kniff die Augen gegen das helle Sonnenlicht zusammen. „Man gewöhnt sich schnell daran“, waren die aufmunternden Worte ihres Vaters. Elaina war sich nicht so sicher, hoffte dennoch, dass er Recht hatte. Draußen wurden sie von den drei jüngeren Männern begrüßt, die neben dem Truck standen und jeder eine Zigarette in der Hand hatten. Sie wurden in den Plan in der Marousha Square Bar zu Abend zu essen eingeweiht und schienen von der Idee sehr angetan. Warum stellte Elaina später am Abend fest. Das Essen war hervorragend – und die Männer genossen den freien Abend in der Taverne mit Drinks. Ausgelassen feierten sie ihre Ankunft und tranken auf die schnelle Genesung ihres „Bwanas“, ihres Bosses. Sie hatten es sich bequem gemacht und ein Abendessen bestellt, als Rowena und Reed zu ihnen Stießen. Sofort beanspruchte Rowena den Platz neben Elaina, den ihr Garcia zögernd überließ, während Reed dem Barmen zurief: „Einen doppelten Whiskey, Abasi.“ Elaina beobachtete, wie er sich neben ihrem Vater in den leeren Stuhl fallen ließ und scheinbar entspannt, die langen Beine unterm Tisch ausstreckte. Während Rowena den Gesundheitsstand ihres Gatten in der Runde wiedergab, nutze Elaina die Zeit und betrachtete Reed weiter. Auch, wenn sein Benehmen ihr gegenüber nur als leidlich höflich und wenig freundlich zu betrachten war, kam sie nicht darum festzustellen, wie attraktiv er war. Er war groß, stattlich – und fühlte sich ziemlich offensichtlich sehr wohl in seiner Haut. Aus jeder seiner Bewegung sprach Sicherheit, jedoch ohne die Arroganz, die sie vorher an ihm meinte festgestellt zu haben, jetzt, wo er von seiner gewohnten Gesellschaft umgeben war. Er hatte sich Fred neben sich zugewandt und sie sprachen über eine Schießübung, die sie wohl für die nächsten Tage geplant hatten. Reed hatte das Glas mit dem Whiskey in der Hand und ließ die Eiswürfel darin wirbeln, während er immer wieder einen Schluck nahm und nickte oder etwas erwiderte. Wenn er nickte fielen ihm Strähnen seines schwarzen Haares, dass ihrer Meinung ziemlich lang war, in die Stirn. Sie fragte sich grade, was seine Augen für eine Farbe hatten, da sie es in dem Licht nicht erkennen konnte, als sie den Blick von Rowena bemerkte. Prompt wurde sie rot. Die Hitze stieg ihr bis in die Haarwurzeln, da war sie sich sicher, doch Rowena überging die Reaktion und begann stattdessen sie mit Smalltalk abzulenken. Franc beteiligte sich ebenfalls bald an dem Gespräch und alle am Tisch erzählten ihr von Tansania und ihren Erfahrungen dort. Je weiter der Abend fortschritt desto angeheiterter wurde die Gesellschaft. Außer Franc und Leland langten die jüngeren Mitglieder des Teams nicht nur beim Essen kräftig zu, sondern auch bei den Drinks. Zu Elainas Überraschung trank auch Rowena nach dem Essen ihren Whiskey mit Genuss, wobei sie es bei dem einen beließ. Doch, als Nick ihr ebenfalls ein Glas der goldenen Flüssigkeit anbot war sie ein wenig schockiert. Hilfesuchend sah sie zu ihrem Vater, der ihr nur zu grinste und ihr die Entscheidung selber überließ. Vehement schüttelte sie den Kopf. Als ihr Blick auf Reeds traf bemerkte sie das spöttische Lächeln, dass seine Mundwinkel umspielte. Er prostet ihr zu, bevor er sein Glas mit einem Schluck leerte und es mit einem hörbaren Klacken auf den Tisch stellte, um sich eine Zigarette anzuzünden. Elaina beobachtet die Szene die sich vor ihr bot mit einer Mischung aus Amüsement und – Abneigung, wobei diese nicht so stark war, wie sie es wollte. Sicherlich wären alle ihre Bekannten entsetzt über solches Verhalten in Gegenwart eines jungen Mädchens. Doch dann hatte sie sich von der altmodischen Einstellung ihrer Umgebung mehr als einmal eingeengt gefühlt – die Freude am Leben, die Unbekümmertheit und die Freiheit in dieser Runde machte sie neugierig und gefiel ihr, auch wenn es sie noch irritierte, wie sie sich verhielten. Als sie schließlich um kurz nach elf die Bar verließen, schwankten die jungen Männer beträchtlich, waren jedoch so vergnügt, dass sie ein Lied nach dem anderen anstimmten – während der gesamten Heimfahrt. Rowena hatte sich neben Elaina auf die Rückbank des Trucks gesetzt, den Leland fuhr. Neben ihm hatte sich Fred das Funkgerät gegriffen und sang nun darüber mit den anderen im Jeep weiter. Selbst Leland und Franc, die fuhren und nichts getrunken hatten, stimmten mit ein, während Rowena vergnügt mit summte. Elaina konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Es war einfach zu verrückt – der ganze Abend war verrückt gewesen, ach was sagte sie! Die letzte Zeit war verrückt gewesen, doch sie war schon lange nicht mehr so glücklich gewesen. Das Klopfen an ihrer Tür weckte sie am nächsten Morgen. Eilig richtete sie sich auf und griff sich ihren Morgenmantel bevor sie die Tür öffnete. Gut gelaunt stand ihr Vater dort und begrüßte sie. „Guten Morgen. Ich hoffe du hast gut geschlafen?“ „Sehr sogar.“ Franc nickte. „Sehr gut, sehr gut. Wir frühstücken gleich – ich dachte, vielleicht möchtest du dabei sein.“ Er sah hoffnungsvoll aus, als ob er eine Ablehnung erwarten würde. „Wir werden den ganzen Tag unterwegs sein heute. Wird spät werden bis wir zurück sind.“ Schnell verstand Elaina. Keineswegs wollte sie die Chance verpassen ein wenig Zeit mit ihm zu verbringen, also beeilte sie sich mit dem Anziehen und schloss sich der Frühstücksrunde an. Als sie ins Esszimmer kam waren bereits alle versammelt – auch wenn man einigen die Nacht ansah. Nick de la Court saß vor einem leeren Teller und hatte den Kopf in Händen, während Fred sich Aspirin in einem großen Glas Wasser auflöste. Mit Genugtuung sah sie, dass Reed ebenfalls unter den Nachwirkungen der Nacht litt. Er saß stumm auf seinem Platz und zerkrümelte einen Toast zwischen seinen Fingern. Seine Haare standen ihm noch wirr vom Kopf ab. Nur Garcia hatte sich den Teller gefüllt – mit einem wahren Berg – und schaufelte Eier, Speck, Würstchen und Toast in erstaunlichem Tempo in sich hinein. Als er sie sah winkte er ihr fröhlich zu und rief: „Gutn Morgn!“ Einige Silben waren undeutlich, da sein Mund noch nicht leer war, doch die Fröhlichkeit war ansteckend. Lächelnd begrüßte Elaina die Runde und ließ sich auf dem Stuhl nieder, den ihr Vater für sie zurechtrückte. Sofort reichte Garcia ihr eine Schüssel mit Frikadellen. „Springbock“, sagte er. „Das sind die besten Frikadellen, die du in ganz Tansania finden wirst! Du musst sie unbedingt probieren, Bombón*!“ „Garcia, kannst du endlich die Klappe halten?“ Reed sah ihn mit einem durchdringenden Blick an und auch Fred meldete sich zu Wort: „Das du nach so einer Nacht schon so fröhlich sein kannst um diese Uhrzeit ist einfach ein Alptraum für jeden in deiner Umgebung!“ Schmollend wandte Garcia sich wieder seinem Teller zu und machte sich daran weiter zu essen, jedoch nicht ohne Elaina noch einen temperamentvollen Blick aus dunklen Augen zuzuwerfen. Sein Lächeln war nur als charmant zu bezeichnen. Solche Aufmerksamkeit nicht gewohnt, machte Elaina sich daran ihren Teller zu füllen, um eine gewisse Unsicherheit zu überspielen. Nach und nach kam ein Gespräch über die Pläne dieses Tages in Schwung. Neugierig hörte Elaina zu, als sie besprachen, wer wie eingesetzt werden sollte. Als sie die Details geklärt hatten, beendeten sie das Frühstück und gingen nach und nach hinaus. Als vor dem Haus Stimmen laut wurden lief sie neugierig hinaus. Reed stand mit Nick neben einem LKW auf den eine monströse Holzkiste geladen war. Oben auf dem Ungetüm kletterte ein junger schwarzer Arbeiter hin und her und befestigte Seile, damit die Kiste nicht während der Fahrt zu Boden stürzte. Mehr als ein Dutzend weiterer Arbeiter standen daneben und beobachtete den Vorgang. Elaina betrachtete die fremden Gesichter. Sie hatte während ihrer Reise inzwischen einige der Einheimischen gesehen, doch ihre Unsicherheit hatte ihr nicht erlaubt sie genauer zu betrachten. Garcia stand neben ihr an einen Stützpfeiler der Veranda gelehnt und beobachtete das Spektakel interessiert. „Was ist das für eine Kiste?“, wollte Elaina wissen und er erklärte geduldig, dass sie in diesen Kisten die Tiere, die sie gefangen hatten nach Kijiji transportierten. So erfuhr sie, dass sie heute eine junge Giraffe fangen wollte. Eine Herde hielt sich zurzeit in der Nähe auf und sie hatten sie die letzen Tage beobachtet. Einige der Tiere waren alt genug, um von der Mutter getrennt zu werden, jedoch noch jung genug um einen Transport zu ermöglichen. Elaina wollte mehr erfahren, doch dann gab ihr Vater das Zeichen zum Aufbruch. In einer Sprache, die Elaina noch nie gehört hatte, gab Reed einen Befehl auf den hin die Arbeiter alle zu den Autos eilten und auf die Ladeflächen stiegen. Garcia tippte sich an die Stirn zum Abschied und kletterte dann ebenfalls auf die Ladefläche des Trucks mit den roten Türen auf denen mit Schrammen übersät der Schriftzug „Kijiji Lodge“ prangte. Reed und Nick hüpften in den Jeep, während Leland den LKW steuern sollte. Franc kam zu Elaina hinüber. „Bis heute Abend, mein Mädchen.“ Er lächelte und umarmte sie etwas linkisch. Schnell ließ er sie los, doch Elaina lächelte. „Bis heute Abend, Papa. Viel Erfolg!” “Danke.” Er setzte seine Kappe auf und tippte sich an den Rand. „Bye.“ Dann stieg er in den Truck und startete den Motor. Die Kolonne wendete und fuhr über den Hof. Elaina winkte ihrem Vater zu. Garcia winkte ebenso angeregt zurück, wie er, wenn nicht mehr. Elaina unterdrückte ein Lachen. Der Spanier, war ein sehr unterhaltsamer Geselle. Sie wollte schon zurück ins Haus gehen, als Rowena um die Ecke trat. „Ah, Guten Morgen, Elaina.“ “Guten Morgen.“ Elaina lächelte und betrachtete die Ältere. Sie war in ein Paar enge Hosen gekleidet mit festem Schuhwerk. Um den männlichen Eindruck von Hosen zu trotzen trug sie eine Bluse mit Rüschen und einer figurbetonten Form. Bewundernd, vielleicht ein wenig neidvoll, seufzte Elaina leise. Rowena trug sich mit einer eigenen, selbstbewussten Art, die durch und durch sie war. „Bist du bereit für eine Tour über das Gelände?“ Rowena winkte einen der Arbeiter zu sich. Kurz gab sie ihm Anweisung nach einem kaputten Zaun zusehen, bevor sie sich wieder an Elaina wandte. Die nickte begeistert und sie starteten die Tour ohne Umstände. Rowena zeigte ihr die Gehege und klärte sie über die fremden Tiere darin auf. Viele hatte Elaina noch nicht einmal in einem Buch gesehen und war umso neugieriger aus diesem Grund. Jede ihrer Fragen, beantwortete Rowena geduldig und ausführlich. Darum beantwortete Elaina ihre ebenso, als sie im Anschluss der Führung über das Gelände schlenderten: Das Antworten fiel ihr so leicht, als ob sie Rowena schon ewig kennen würde. Sie war völlig ehrlich und hielt nicht hinter dem Berg – und Rowena hörte aufmerksam zu, als Elaina auch all ihre Sorgen in ihre Erzählung einfügte. Im Gegensatz zu ihrem Sohn schien sie sicher, dass Elaina genau richtig in Tansania wäre und zerstreute gleichzeitig einige Sorgen im Bezug auf die Beziehung zu Franc. Elaina war Rowena dankbar dafür, dass sie sich ihrer annahm. Auch in den nächsten Tagen verbachten sie viel Zeit miteinander, da die Männer jeden Tag von Morgens bis Abends unterwegs waren. Franc entschuldigte sich immer wieder dafür, doch Elaina hatte Verständnis. Er hatte von Anfang an klar gemacht, dass es Jagdsaison war und er viel zu tun haben würde. Sie hatte das gewusst, als sie beschlossen hatte nach Tansania zu kommen. Genau darum freute es sie umso mehr, wenn er abends versuchte immer Zeit mit ihr zu verbringen. Sie sprachen viel und er versuchte die verlorenen Jahre ebenso aufzuholen, wie sie es tat. Nur über ihre Mutter sprach er nicht – erwähnte sie niemals auch nur mit einer Silbe. Manchmal wollte Elaina ihn darauf ansprechen – sie hatte das Bedürfnis über alles, auch den Tod ihrer Mutter zu sprechen. Doch je mehr Zeit verging, desto näher kamen Vater und Tochter sich wieder, auch wenn noch immer eine gewisse Reserviertheit übrig blieb. Doch Elaina gab der Sache Zeit und so begrüßte sie es, als die anderen sich nach und nach immer öfter zu ihnen gesellten. Sie spielten Karten – Nick verwendete drei Abende darauf Elaina das Pokern mit Bluffen beizubringen – und waren immer ein vergnügter Haufen. Manchmal holte Garcia seine Gitarre hervor, während Fred das Klavier spielte. Auch Leland war musikalisch begabt und unterhielt sie manchmal mit poppigen Stücken auf dem Piano. Bald traute Elaina sich einige der Lieder auf dem Klavier zu klimpern, die Rowena ihr mit Engelsgeduld beibrachte. Es war einer dieser Abende, als Reed seinen Vater nach Hause brachte. Der Doc hatte sie am Morgen angefunkt und sie gebeten ihn „So schnell, wie möglich hier wegzuholen, denn ein so launischer und eigenwilliger Patient, wäre für ihn einfach zu viel!“. Ein „Verdammte Schotten!“ war als Murmeln zu hören und alle hatten gelacht. Reed hatte nach dem Funkspruch gegrinst und sich schnell auf den Weg gemacht seinen Vater einzusammeln. Franc begleitete ihn auf der Fahrt und so lernte Elaina nach fast zwei Wochen auf der Farm auch endlich den Besitzer dieser kennen. Ein Hupen kündigte die Ankunft an und alle liefen hinaus um den Boss zu begrüßen. Rowena war die erste am Wagen. Liam hatte die Tür geöffnet und griff sogleich nach seiner Frau und zog sie an sich. Er drückte sie mit dem unverletzten Arm an sich und küsste sie ziemlich leidenschaftlich auf den Mund. Neben sich hörte Elaina Nick und Garcia pfeifen, während die anderen lachten, als Rowena ihnen mit dem Zeigefinger drohte. Das Lächeln auf ihren Lippen strafte die Geste jedoch Lügen. Sie half ihrem Mann aus dem Auto und er stütze sich auf sie, den Arm um ihre Schultern gelegt. Immer wieder hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn. Elaina dachte unwillkürlich an ein frischverliebtes Paar, aber die beiden waren schon seit mehr als zwanzig Jahren verheiratet, wie sie wusste. Es war rührend anzusehen. Liam begrüßte sein Team mit guter Laune. Als er dann bei ihr stehen blieb, lächelte sie zu ihm auf. Genauso, wie Reed überragte er sie um fast einen Kopf und sah sie mit den gleichen Bernsteinfarbenen Augen freundlich an. Franc trat neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. Stolz stellte er vor: „Liam, darf ich dir endlich meine Tochter Elaina vorstellen? Elaina, dass ist Liam MacAran, unser bester Mann hier.“ Liam lachte laut auf. „Freut mich dich kennenzulernen, Kind.“ Er reichte ihr die Hand seines unverletzten Armes und drückte fest. „Hoffe du hast dich in der Zwischenzeit hier gut eingelebt. Gibt für uns keinen besseren Platz auf der Welt - aber für manche ist es eine Herausforderung hier zu leben.“ Er sah sie aufmerksam an und sie hatte das Gefühl eine Prüfung bestehen zu müssen. Sie sah ihn offen an und sagte dann: „Ich fühle mich sehr wohl. Es ist alles manchmal noch sehr ungewohnt, aber herrlich abenteuerlich und aufregend. Und alle sind sehr freundlich hier, da muss man sich wohl fühlen!“ Liam nickte. Seine Augen blickten wieder freundlich und er drückte ihre Hand noch einmal. „Freut mich zu hören.“ Dann wandte er sich an seine Frau. „Der Doc hat mir weiterhin allerstrengste Bettruhe verordnet. Begleitest du mich?“ Er grinste sie an und Rowena lachte. „Nichts lieber als das, Liebling.“ Ein Lachen begleitete sie hinein. Elaina blieb unsicher zurück. Als Reed zu ihr trat, wollte sie gehen, doch er sprach sie an. „Mach dir nichts aus ihnen. Sie sind…sehr offen in ihrem Benehmen.“ Er verdrehte die Augen, doch sie sah, die Zuneigung in seinen Augen. Elaina widersprach seinen Befürchtungen: „Sie scheinen sehr glücklich miteinander zu sein. Du musst eine wundervolle Kindheit gehabt haben.“ „Ja, muss ich wohl. Auch, wenn ich mehr als einmal lieber aus Scham gestorben wäre, als mit ihnen weiter unter einem Dach zu leben.“ Er grinste sie an und sie sah, dass er seine Worte nur zum Teil ernst meinte. „Ich war ziemlich froh, als dein Vater hier hergezogen ist. War mein großes Vorbild und eine Stütze in der Zeit bevor ich nach England zur Schule gegangen bin.“ „Wirklich?“ Elaina sah ihn überrascht an und versuchte den Schmerz aus ihrer Stimme zu halten. Hier stand Reed vor ihr und erzählte ihr, dass er zusätzlich zu seinen wundervollen Eltern noch ihren Vater für sich gehabt hatte. Dabei hatte sie ihn auch gebraucht! Es war nicht mehr das Selbe gewesen nachdem er fort war. Ihre Nachbarn hatten sie mit diesen Blicken betrachtetet - und dann auch ihre Mitschüler und sogar die Lehrer. Selten war etwas vor ihr gesagt wurden, aber die Gerüchte waren immer präsent gewesen. Gerüchte darüber, dass ihr Vater ihre Mutter verlassen hatte – eine Schande. Manchmal war auch von Mafia und Gefängnis die Rede gewesen. Dann wieder von einer neuen Familie und einer Scheidung. Einfach war es nie gewesen. Erst nach Jahren war es stiller geworden, als es neue Skandale und Ereignisse gab. Tränen sammelten sich in Elainas Augen, doch sie hielt sie zurück. Dennoch mussten sie verräterisch geschimmert haben, denn Reed wurde auf einmal ernst. Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken und blickte sie scheinbar zerknirscht an. „Oh shit, Elaina. Tut mir Leid. Ich wollte dir nicht auf die Füße treten. Das sollte dich nicht…an etwas Trauriges erinnern.“ Von seiner Entschuldigung und Einfühlsamkeit überrascht, rang sie sich ein Lächeln ab und nickte. Um das Thema zu wechseln sprudelte sie heraus: „Du siehst aus, wie er. Weißt du das?“ „Was? Wie dein Vater?“ Gespielt schockiert sah er sie an. Sie lachte unwillkürlich. „Nein, natürlich nicht. Wie dein Vater, meine ich.“ „Das beruhigt mich jetzt. Und ja, dass stimmt wohl.“ Reed sah sie spöttisch an und stieß sich von dem Pfosten ab, an dem er gelehnt hatte. Seine nächsten Worte konnten nur als zynisch bezeichnet werden. „Sie haben eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, Miss D’Allessandro. Hoffen wir, dass das nicht Ihre einzige Fähigkeit ist.“ Dann ging er hinein. Elaina blieb sekundenlang verstört stehen. Erst war er freundlich und dann machte er sich wieder über sie lustig! Dieser Mann war ihr ein Rätsel – und sie wollte ihm immer noch beweisen, dass sie ihm und allem hier gewachsen war! Der würde schon sehen! Sie eilte hinein, doch Reed war verschwunden. Nur Nick und Fred saßen noch am Esstisch und spielten Karten. Entschieden wünschte sie ihnen eine gute Nacht und zog sich in ihr Zimmer zurück. Nachdenklich machte sie sich bereit zum Schlafengehen, als es an der Tür klopfte. Sie streifte ihren Mantel über und öffnete. Garcia stand dort und grinste sie an. „Buenas noche, Bombón! Entschuldige die späte Störung, doch ich hab noch etwas für dich.“ Er holte ein Paket aus seiner Hosentasche und hielt es ihr entgegen. Neugierig nahm Elaina es in die Hand und öffnete die Schachtel. Ein Sammelsurium an Haarklammern schimmerte ihr entgegen. Garcia grinste über ihren überraschten Gesichtsausdruck. „Meine Schwestern beschweren sich immer, dass sie ihre Haarklammern verlieren und als du letztens zu Rowena gesagt hast, dass du auch bald welche brauchst…nun ich dachte du kannst die gebrauchen.“ „Vielen Dank. Das ist sehr charmant von dir.“ Sie lächelte ihn an. Das Geschenk freute sie ehrlich – und es war wirklich praktisch. Garcia lächelte schief. „Buenas noche, Elaina!“ „Buonanotte.“ Er ging den Flur zu seinem Zimmer hinunter. Elaina wollte die Tür schon schließen, als sie Reed sah, der vor seiner Zimmertür stand. Er hatte einen merkwürdigen Ausdruck auf dem Gesicht, nickte ihr jedoch zu, bevor er in seinem Zimmer verschwand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)