Aus der Asche wiedergeboren
Es war fast fünf Uhr morgens, als Naruto von seinem ruhelosen und von Alpträumen geplagten Schlaf aufwachte. Schweren Mutes seufzte er, zog sich an und ging frühstücken.
Sein bescheidenes Reisegepäck beinhaltete einen Rucksack mit einigen Wechselklamotten, ein paar Nahrungsmitteln, einer Decke, mehreren Schriftrollen und einigen Waffen.
Nachdem er sein Frühstück beendet hatte, schnappte Naruto das Gepäck, das auf dem Bett lag, und ging Richtung Tür. Erst da fiel ihm das Bild seines Teams auf. Er nahm das Foto in die Hand und starrte es an.
Der alte Fotograf hatte so eben die Kamera fertig vorbereitet und starrte die Genin nun ungeduldig an. Kakashi musste die zwei Jungs beruhigen, wenn er das Bild noch heute aufgenommen haben wollte.
„Okay, gut! Lasst uns ein Foto machen, setzt euch also hin“, sagte Kakashi zu seinen neuen und äußerst schlecht gelaunten Schülern.
„Warum muss ich auf 'nem Foto neben ihm sein?“, murmelte Naruto und zeigte mit dem Finger wütend auf Sasuke.
„Das sind meine Zeilen, Idiot“, murmelte Sasuke grimmig.
„Hey, kommt schon, das ist die Vorschrift“, sagte Kakashi, während er versuchte, sie weitestgehend zu beruhigen.
„Also, ich bin glücklich, mit Sasuke auf einem Bild sein zu können.“ Sakura drehte sich zu Sasuke und lächelte so gut, wie sie konnte. Naruto lächelte sofort.
„Ich … Ich auch. Ich bin froh, mit Sakura auf 'nem Bild drauf zu sein!“, sagte er.
Sakuras Lächeln verflog. „Sensei“, sagte sie, „lassen Sie Naruto einfach weg.“
„Ah, nein!“, schrie Naruto, entsetzt von der Idee. Sasuke gluckste, und Naruto drehte sich zu ihm. „Lach net!“, brüllte er verärgert.
„Was?“, antwortete Sasuke zurück und runzelte die Stirn.
Kakashi seufzte. Er betete zu allen Göttern, dass das Team sich verbessern würde, oder sonst müsste er früher in den Ruhestand gehen. Sie sollten Ninja sein und kein Haufen verwöhnter Bälger.
Als der Fotograf die Fotoaufnahme vorbereitete, packte Kakashi die Köpfe der beiden Jungs und zwang sie, ruhig zu bleiben.
„Hört auf, ihr Beiden“, sagte der Sensei und drehte ihre Köpfe gen Kamera. „Ihr stört den Fotografen bei seiner Arbeit, seht ihr das denn nicht? Das soll hier 'ne Erinnerung werden, also lächelt.“
Sakura stand in ihrer Mitte, lächelte strahlend für die Kamera, während die zwei Jungs sich zornig anstarrten.
„Lächeln, bitte!“
Und so nahm der Fotograf das Bild auf.
Naruto lächelte über die Erinnerung und schaute auf die Uhr. Es war 5:30 morgens.
Er öffnete die Schrankschublade und legte das Foto mit der Vorderseite nach unten rein.
Als Naruto das Dorftor erreichte, war er darauf vorbereitet, auf jemanden zu stoßen, der ihn kannte und über seine Mission Bescheid wusste. Tsunade hatte ihm ihr Wort gegeben, dass sie ihn alleine gehen und niemanden über seinen Verbleib oder seiner Mission wissen lassen würde. Niemand würde eingreifen.
Als er durch das Tor ging, vergewisserte er sich, dass niemand ihm gefolgt war, und versteckte sich in den Bäumen.
Aus altruistischen Gründen wollte er seinen Freunden nichts von seinem Vorhaben erzählen. Denn wenn sie davon wüssten, würden sie mit ihm gehen und ihm helfen wollen. Es war nicht so, dass er ihre Hilfe nicht anerkannte, oder dachte, ihnen überlegen zu sein, nein, ganz im Gegenteil. Naruto wollte nicht riskieren zu sehen, wie sie von Sasuke getötet wurden; er könnte mit der Schuld niemals leben. Wenn jemand sterben musste, dann er.
Vergib mir, Sakura-chan, dachte er verbittert. Vergib mir dafür, dass ich derjenige bin, der unseren Traum beendet, um unser Team zurückzubekommen.
Als er spürte, wie seine Augen brannten, verfluchte Naruto sich selbst und wischte seine Tränen mit der Rückseite seiner Hand weg.
Hör auf, so ein Baby zu sein! Weinen bringt einen auch nicht weiter!
Dank seiner hohen Ausdauer brauchte er keine zwei Wochen, um das Land der Berge zu erreichen, einem sehr klein besiedelten Land im Feuerreich. Er zwang sich selbst zum Essen und Schlafen, weil er wusste, dass er es brauchte, aber wann immer er ein verwüstetes Dorf oder einen kummervollen Überlebenden sah in eines der vielen Dörfern, die das Land ausmachten, reiste er solange weiter, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach.
Laut Tsunades Berichten griff Sasuke die Dörfer vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung an – und immer nachts bei Vollmond. Er versuchte, das Klan-Massaker nachzubilden. Naruto hatte aufgehört verstehen zu wollen, wie Sasukes Kopf arbeitete, aber er wusste, dass dessen Herz danach verlangte, andere leiden zu lassen, wie er es ertragen musste. Außerdem wusste Sasuke, dass Naruto sich früher oder später einmischen würde.
Er hält mich für dumm und durchschaubar.
Während einer kurzen Rast bei einem Wirtshaus hörte Naruto Gerüchte über einen jungen Ninja, der sich nach Westen begab, zu den höchsten Bergen im Reich. Die Menschen waren besorgt. Was, wenn es der Verbrecher war, der die Dörfer angriff?
Naruto starrte auf einen Kalender, der in einem Souvenir-Geschäft hing, und merkte, wie sein Hals sich zusammenzog. Es war der 22. Juli und Vollmond. Sasukes Geburtstag. Naruto vergaß das Frühstück und stürmte los und sprang nun auf die Bäumen.
Es war schon nachts, als er den aufsteigen Rauch im dunklen Himmel sah. Narutos Füße fühlten sich wund an, aber er mühte sich ab, schneller zu laufen. Die Wirkung der Soldatenpille hatte vor einigen Stunden nachgelassen, und er verfluchte sich, keine weiteren mitgebracht zu haben.
Es war zu spät, das Dorf zu retten; keines der kleinen Häuser hatte die Katon-Jutsu überstanden. Naruto spürte, wie sein Magen sich drehte, als er den Geruch verbrannten Fleisches wahrnahm. Beim Betreten des Dorfes musste er sein Gesicht mit den Armen schützen. Die Hitze war zu stark, um zu atmen, aber er musste sicherstellen, dass die Dorfbewohner überlebt hatten.
„Ist jemand hier?“, schrie er so laut, wie er konnte.
Als er unter seinen Füßen etwas spürte, zuckte Naruto fast zusammen. Die Leiche eines jungen Mädchens lag genau vor ihm. Sie wurde seziert. Er schaute nach, was von ihren Eingeweiden übriggeblieben war.
„Sasuke, nein, nein, nein …“
Bevor Naruto reagieren konnte, hörte er einen verzweifelten Schrei mitten unter dem ohrenbetäubenden Geräusch des brennenden Holzes. Den Schreien folgend (und die Leichen ignorierend), kam er an einer übriggebliebenen Villa an, die dem Dorfführer gehören musste. Eine Frau kniete auf dem Flur und hielt einen Jungen fest, der nicht mehr als fünf Jahre alt sein mochte. Sie waren beide mit Ruß und Blut bedeckt, die – so vermutete Naruto – zu den Körpern gehörten, die genau vor ihnen lagen: ein Mann und ein älterer Junge.
Und dann sah er ihn. Uchiha Sasuke stand vor der brennenden Villa. Sein Schwert zeigte auf die Frau. Er war schlanker, als Naruto in Erinnerung hatte. Seine Haare waren schmutzig, seine Kleidungsstücke mit Ruß und Blut verdreckt. Aber am schlimmsten war sein Gesicht. Sein Sharingan war aktiviert, und er hatte ein großes, zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht – wie ein Dämon aus der Hölle.
„Bitte, habt Gnade“, schluchzte die Frau an seinem Fuß, das Kind an sich gezogen. „Bitte.“
„Gnade? Warum sollte ich dich verschonen? Ich habe alle anderen getötet, warum sollte ich ausgerechnet dich verschonen?“, fragte Sasuke, während er die Frau anblickte, als wäre sie Müll.
„Mein Sohn, bitte verschone meinen Sohn. Du kannst mich töten, aber … nicht Kosuke. Ich tue alles. Bitte! Ich habe doch schon meinen Mann und meinen ältesten Sohn verloren.“
Sasukes Blick enthüllte nichts als Verachtung für die Frau und ihren Sohn, der sich an ihrem T-Shirt klammerte und schluchzte. Sein Lächeln verblasste und sein gewohnter, gleichgültiger Ausdruck kehrte zurück.
„Du verdienst meine Beachtung nicht“, sagte Sasuke kalt. „Verschwinde, bevor ich's noch bereue!“
Zitternd packte die Frau ihren Sohn und rannte die Straße runter. Als sie gerade dabei war, die Ecke zu erreichen, setzte Sasuke Chidori Nagashi frei und zielte auf ihren Rücken. Doch im letzten Augenblick griff Naruto nach seinem Handgelenk, und die überraschte Frau fiel auf den Boden.
„Renn!“, schrie Naruto. „Renn, solange du noch kannst!“
Ohne eine weitere Aufforderung stand sie auf und verschwand im Rauch. Naruto ließ Sasukes Handgelenk los und wich dem Kunai aus, das Sasuke mit seiner anderen Hand zum Angreifen benutzt hatte. Aus einer sicheren Distanz schaute Naruto in die Augen seines besten Freundes.
„Du bist also doch noch gekommen. Ich habe mich gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bist du auftauchst“, sagte Sasuke mit einem spöttischen Grinsen. Naruto blieb ruhig. Es gab nichts mehr zu sagen. Sasuke mochte die Reaktion überhaupt nicht. „Hast du denn nichts mehr zu sagen, Naruto? Nach all den Monaten treffen wir uns endlich wieder, und du hast nichts mehr zu sagen? Keine Schreie? Willst du denn nicht fragen, warum ich all diese Menschen töte? Hast du nicht vor, mich davon zu überzeugen, zu unserem ehemaligen Dorf zurückzukehren, sodass wir nun endlich ein scheiß verficktes, glückliches Team sein können?“
Naruto schloss seine Augen und atmete tief ein, bevor er antwortete. „Es gibt nichts mehr, das ich dir noch sagen könnte, Sasuke. Ich weiß, dass jetzt –“
„Willst du einen auf weise machen, Naruto? Wer bist du, dass du glaubst, mir was vormachen zu können? Du glaubst, du bist was Besonderes, weil du mich besiegt hast, nicht wahr? Du bist noch nicht mal 'n Scheiß wert. Ohne Kyuubi wärst du nur ein zweitklassiger Ninja!“
Naruto blieb still.
Kakashi hatte ihm erzählt, dass Sasuke ein Überlegenheitskomplex hatte. Daher hielt er sich selbst über alle anderen gegenüber überlegen, aber brach dafür vollkommen zusammen, wenn er besiegt wurde. Er verachtete diejenigen, die schwächer als er waren, und hasste die, die stärker waren. Er war geradezu besessen, darüber nachzudenken, wie er Letztere töten könnte, und überzeugte sich selbst immer wieder als der Stärkere.
Narutos Stille strapazierte die wenige Geduld des Uchiha. Deswegen stürzte Sasuke sich in den Kampf mit einer Taijutsu, gefolgt von mehreren Chidori Nagashi. Naruto verschwendete keine Zeit und ging in den Sennin Modus, wobei er die Energie von eines seiner Klone außerhalb des Dorfes verwendete.
Der Kampf war intensiv, und beide bewegten sich ein wenig vom Dorf weg. Sasuke hatte schon Susanno heraufbeschworen, aber Naruto würde nicht Kyuubis Macht benutzen.
Er hatte Glück gehabt und wurde nicht von Amaterasu getroffen, aber er wusste, dass sein Glück bald endete. Sein Verdacht bestätigte sich, als er den Fehler machte, Sasuke in die Augen zu schauen. Sein ewiges Mangekyo Sharingan war bereit für den nächsten Angriff.
„Tsukuyomi!“
Dann passierte es. Naruto wusste augenblicklich, dass etwas mit dem Genjutsu schief gelaufen war. Anstatt eine Umgebung der Folter vorzufinden, wurden Sasuke und er von tausenden von schwarzen Federn umgeben. Das Seltsame daran jedoch war, dass sie aus seinem Körper kamen.
Sasuke schaute ihn an, seine Augen weit offen.
„Was tust du da, Naruto?“
„Ich, ich weiß es nicht.“
Die Federn änderten ihre Richtung und hüllten Sasuke komplett ein, wirbelten um ihn herum wie ein Tornado. Sasuke versuchte, Susanno zu benutzen, um sich zu befreien, aber sobald es die Federn berührte, stieß die Kreatur einen animalischen Schrei aus und verschwand vollkommen.
„Nein, verdammt, nein! Was tust du da, Naruto? Du Hurensohn, was zum Teufel ist das für eine Technik? Ich kann Susanno nicht aktivieren.“
Naruto war genauso erstaunt wie Sasuke. „Ich tue doch gar nichts!“
„Lügner!“
Bevor Naruto dagegen argumentieren konnte, hörten die Feder auf, seinen Körper zu verlassen. Die, die nicht um Sasuke gewirbelt waren, begannen, zu einer schwarzen Form zu verschmelzen.
Narutos und Sasukes Augen waren weit vor Erstaunen. Die schwarzen Figuren hatten eine menschliche Figur geformt, von der sie dachten, sie niemals wieder zu sehen: Uchiha Itachi.
„Nii-san?“, schrie Sasuke ungläubig.
Naruto konnte nicht umhin, sie für ein Genjutsu zu halten. Itachi war tot! Es war unmöglich! Das letzte Mal, als sie sich gesehen hatten, war, als Kabuto ihn mittels Edo Tensei beschwor.
Konnte es Sasukes Genjutsu sein? Wenn es eins war, warum war er so überrascht? Inwiefern könnte Itachi Naruto quälen?
„Lange her, Naruto-kun“, sagte Itachi sanft.
„Itachi? Du, du bist gestorben. Ist das ein Genjutsu?“, fragte Naruto.
„Es ist kein Genjutsu“, erklärte er ruhig, ohne seinen jüngeren Bruder anzuschauen. „Wobei man sagen könnte, dass ich dank Sasukes Genjutsu nun hier bin.“
„Was meinst du damit?“
„Itachi! Hör auf, mit ihm zu reden!“, unterbrach Sasuke. Doch Itachi ignorierte ihn.
„Erinnerst du dich an unser letztes Treffen?“
Naruto begriff mit einem Mal alles. Das alles hier lag an dem Rabe, den er an jenem Tag geschluckt hatte. Das war die 'Macht', die Itachi ihm gegeben hatte.
„Um die Macht zu aktivieren, hat Sasuke auf dich Tsukuyomi eingesetzt, indem er meine Augen benutzt hat. Das waren die notwendigen Bedingungen.“
„Du meinst also diese Krähe mit dem Auge deines Freundes?“, fragte Naruto.
Itachi nickte.
„Ja, du warst so entschlossen, Sasuke zu retten. Also habe ich dir für den Fall eine zweite Macht überlassen.“
„Nii-san!“, schrie Sasuke hinter ihnen. „Nii-san! Lass uns ihn zusammen töten, Nii-san! Wenn er stirbt, können wir Konoha zerstören! Sie werden nie wieder lachen, wir werden sie alle zusammen töten und den Uchiha Namen reinigen. Tou-san wird so stolz auf mich sein, er wird mich endlich anschauen!“
Itachi starrte seinen Bruder an, seine Augen voller Traurigkeit.
„Ich wollte diese Sachen nie auf diese Weise enden, Naruto-kun“, erklärte er. „Alles, was ich für Sasuke wollte, war, dass er als Held nach Hause zurückkehrte. Er war der Einzige von unserem Klan, der nicht durch Gier korrumpiert wurde. Daher habe ich alle meine Hoffnungen auf ihn gesetzt.“ Naruto wusste nicht, was er sagen sollte. Itachi meinte es ernst, er wusste es. „Unser Vater war so von Macht besessen, dass er mich dazu zwang, das Dorf zu verraten. Während er sicherstellte, dass ich stark und dem Klan treu ergeben war, wurde Sasuke fast ignoriert. Es spielte keine Rolle, ob Sasuke der Klassenbeste an der Akademie war oder ob er ein Familienmitglied zum Begleiten brauchte. Unser Vater hat ihn nie wirklich angesehen. Er war zu besessen davon, den Klan als neue Führungsposition von Konoha zu etablieren.“
„Hör auf, mit ihm zu reden! Sie haben uns immer beiseite geschoben“, brüllte Sasuke und ignorierte, was sein Bruder gesagt hatte abgesehen von dem, was er hören wollte. „Sie haben die Uchiha immer verachtet! Wir sind stärker, klüger und weitaus talentierter als irgendjemand in diesem dummen Dorf. Aber sie werden bezahlen, richtig, Nii-san? Sie werden wünschen, sich niemals mit den Uchiha angelegt zu haben.“
Auf einmal fingen die schwarzen Feder an, sich schneller zu drehen. Ein Strahl aus weißem Licht kam aus dem Tornado und griff nach Sasukes Arm. Danach fasste es Sasukes Bein. Innerhalb weniger Sekunden wurde Sasuke durch die Lichtseile vollkommen bewegungsunfähig gemacht.
„Naruto-kun, es tut mir so leid für all das Leid, das ich dir verursacht habe. Ich hoffe, dass du mir eines Tages vergeben kannst. Von heute Nacht an wirst du nicht mehr gegen Sasuke kämpfen müssen.“
Sasuke versuchte vergeblich, sich von den Seilen zu befreien. „Nii-san! Was passiert da nur?“, schrie er. Die seltsame Situation beängstigte ihn. Seine Gedanken, mit Wahnsinn verflochten, begriffen allmählich, dass Itachi ihn nicht nur ignorierte, sondern auch etwas mit den schwarzen Federn zu tun haben könnte.
Ein weißes Licht umgab Naruto, und er bemerkte die kleinen, blauen Kugeln, die aus seinem Körper rauskamen und auf Sasuke zusteuerten. Naruto wurde ein wenig schwindlig und fühlte sich auf einmal sehr müde.
Bevor er das Bewusstsein verlor, schaffte Naruto es noch, Itachi anzuschauen, der ihn mit seiner gewohnten Freundlichkeit anlächelte.
„Bitte, kümmere dich um meinen kleinen Bruder.“
Und dann wurde Naruto ohnmächtig. Sasuke dagegen versuchte weiterhin, sich von den Seilen zu befreien, aber sie schienen ihn nur umso stärker festzuklammern. Mehrere blaue Kugeln, die sein Sharingan als Chakra identifizierte, umgaben den Tornado aus Federn. Sasuke fühlte einen elektrischen Schock, der von Kopf bis Fuß strömte, und plötzlich fühlte sich sein Kopf leichter an.
Itachi näherte sich seinem Bruder und sah tief in seine Augen. Anfangs waren Sasukes Lippen mit Wut gepresst, und er starrte ihn mit glühenden Augen an, aber sie verschwanden allmählich und machten Platz für einen verwirrten und erschöpften Ausdruck.
Sasuke fühlte, wie er wütend, traurig, verraten wurde, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, warum. Sein Bruder schaute ihn weiterhin teilnahmslos an. Warum half er ihm nicht? „Nii-san … Was …?
„Schhhh… beruhig dich, Sasuke“, erwiderte er. „Alles ist in Ordnung.“
Sasuke wusste, dass er nicht festgehalten werden sollte, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wie es dazu gekommen war. Hatte es einen Kampf gegeben? Er erinnerte sich nicht mehr, gekämpft zu haben. Sein Bruder war mit ihm da, also war alles in Ordnung, richtig? Es gab da noch jemanden, oder hatte er sich das nur eingebildet?
Sasuke war so verwirrt.
Itachi war gestorben … nein … er war am Leben, er war ein Spion für Konoha gewesen und hatte mit Madara alle Mitglieder des Klans getötet … Itachi hatte den Klan getötet … Sasuke musste töten und sie alle rächen … das war auch der Grund, weshalb er sich Akatsuki angeschlossen hatte? Nein, er hatte sich Orochimaru angeschlossen und Konoha verlassen, um stärker zu werden … Naruto war ihm gefolgt, um ihn aufzuhalten … Itachi war hinter Naruto in Konoha, und er war ihnen gefolgt … Gaara war von der Chūnin Prüfung geflohen, und er musste ihn besiegen, aber Naruto und Sakura waren auch da … Kakashi brachte ihm Chidori bei, aber er konnte es nur dreimal am Tag benutzen … das verfluchte Siegel gab ihm die Kraft, aber es war sehr schwer zu kontrollieren … der Schlangenmann biss ihm in den Hals … das ganze Team war am Sterben, der Schlangenmann war zu mächtig … er wollte an den Chūnin Prüfungen teilnehmen, aber hatte keine Hauptanliegen, die einzigen Gegner, um die er sich sorgte, waren Gaara und Lee … Er hatte die Nadeln des maskierten Jungen überlebt … Naruto wäre eventuell gestorben, wenn er nicht schneller gehandelt hätte … der Mann, gegen den Kakashi gekämpft hatte, war sehr stark … Zabuza … Naruto war fast gestorben auf dem Weg zu ihrer ersten Mission außerhalb des Dorfes, was für ein Idiot … warum musste er zu einem Team voller Idioten gehören? Gottverdammtes Team … ein Idiot und ein nerviges Mädchen … er brauchte kein Team! Er arbeitete besser alleine, er musste dieses Jahr graduieren, er konnte keine Zeit verschwenden … wann würde er graduiert werden? Konnte er es wirklich schaffen?
Itachis Augen blickten prüfend Sasuke, als sein Leben sich rückwärts drehte, als die Jahre aus dem Körper seines Bruders verschwanden und seine Gedanken klarer wurden. Sasuke vergaß Madara und Akatsuki, die Wahrheit über die Uchiha; er vergaß den Kampf gegen Itachi und all die Techniken, die er von Orochimaru gelernt hatte. Und schließlich vergaß er, dass er Konoha verraten hatte.
Sasukes Augen, welche bisher mit dem aktivierten ewigen Mangekyo Sharingan übriggeblieben waren, änderten sich in einen ausgereiften Sharingan mit drei Tomoe, dann zwei, eins, bis seine Augen schwarz wie Kohle wurden. Sasuke hatte vergessen, wie man das Sharingan aktivierte.
Seine Arme und Beine wurden zunehmend kleiner, seine Knochen zogen sich zusammen, die Muskeln, die er nach Wochen von Training bekommen hatte, ließen nach, wurden kleiner und schneller, bis sie von seinem T-Shirt und seiner Hose verschluckt wurden, die drohten, zusammen mit dem Seil, das er als Gürtel benutze, auf den Boden zu fallen.
Sein Gesicht war weniger definiert, riefen die Erscheinung eines Kindes hervor. Die Stimmbänder schrumpften, machten seine tiefe, ausgereifte Stimme höher. Die Behaarung, die er während der rückwärtsgehenden Pubertät erlangt hatte, verschwanden, hinterließen nur einen leichten Flaum. Seine bleibenden Zähne kamen zurück ins Zahnfleisch: erst die Backenzähne, dann die Eckzähne und schließlich die Schneidezähne. Babyzähne kehrten zurück, aber schließlich kehrten sie zu ihrem Platz über dem Erwachsenengebiss.
Sasukes Hose fiel auf den Boden, und sein Shirt klebte kaum noch an seinem zunehmend kleiner werdenden Körper. Seine Haare wuchsen zurück in ihren Schädel und hinterließen nur rabenschwarzes Haar auf dem Kopf. Seine Beinmuskelwn wurden schwächer, und er fiel in eine sitzende Position. Babyspeck erschienen nun auf seinen Oberschenkeln, Oberarmen und Hals.
Schließlich war Sasuke nun unfähig zu sitzen und fiel auf seinen Rücken mit seinem jetzt gigantisch großen Shirt, das ihn bedeckte. Seine Arme und Beine verloren ihre Koordination, als seine Muskeln an Stärke und Kontrolle verloren. Seine Bewegungen wurden weit und holprig.
Sasuke vergaß alle Ninja-Techniken, die er gelernt hatte; er vergaß, was es bedeutete, ein 'Ninja' zu sein. Er wusste seine Adresse nicht mehr, wie man mathematische Rechnungen führte, wie man las und schrieb, wie man zeichnete, wie man den Zeitablauf unterschied, wie man Menschen und Objekte auseinanderhielt, wie man sich anzog … Er vergaß den Namen seines Bruders und seiner Eltern, vergaß die Namen der Dinge … sie waren Objekte mit Farben, Farben ohne Namen … vergaß seinen eigenen Namen … er vergaß alle Wörter …
Sein Körper vergaß, wie man sich selbst fütterte. Er vergaß, wie man atmete, als die Lungen entleert und mit Fruchtwasser gefüllt wurden …
Und schließlich umgab ihn Dunkelheit. Er wusste nichts mehr.
Naruto wachte mit großen Kopfschmerzen auf. Immer noch perplex fragte er sich, auf was für einem Bett er geschlafen hatte. Er hatte seinen Hals gedreht, und sein Rücken schmerzte.
Als er sich erhob, durchfuhr ihn ein scharfer Schmerz im Hinterkopf, ließ ihn stöhnen und seine Hand zur Wunde führen.
„Hab ich mich mit meinem Kopf angestoßen?“, fragte er, bevor er realisierte, dass er draußen im Gras geschlafen hatte. „Was zum Teufel?“
Die Sonne stieg gerade hinter den Bergen auf. Ihre Strahlen erhellten die kleine Lichtung, in der Naruto sich befand, und ließen ihn die Stirn runzeln, sodass er sich erst einmal an das Licht gewöhnen musste. Er konnte die Wasserströme in der Nähe hören und den Tau feuchtem Gras riechen. Er konnte auch den unverkennbaren Geruch verbrannten Holzes riechen.
Dorf … verbrannte Häuser … Sasuke.
Als er sich schließlich in Erinnerung rief, was letzte Nacht passiert war, stand Naruto mit einem Sprung auf und schaute um sich. Die Lichtung war verlassen, und es gab keine Anzeichen von Itachi und Sasuke. Die Feder, die aus seinem Körper kamen, waren ebenso verschwunden.
Habe ich nur geträumt?, dachte er. Nein, es war kein Traum. Aber, wo ist dann Sasuke? Hatte Itachi seinen Bruder getötet? Wenn ja, wo war sein Körper? Was ist letzte Nacht passiert?
Er bemerkte auf einmal einen kleinen Kreis im Gras einige Schritte von ihm entfernt. Sasukes Schwert, immer noch nass vom Tau und befleckt mit Blut, lag neben ihm.
Naruto steuerte auf den Kreis zu. Die Erinnerung an den schwarz gefederten Tornado kam zu ihm zurück wie ein Blitz; was auch immer Sasuke geschehen war, es war dort passiert. Als er näher kam, spürte Naruto, wie sein Herz schneller schlug, er fühlte sich außer Atem. Dann sah er die Kleider …
Sie waren Sasukes Kleider, er hatte keine Zweifel. Das weiße Shirt war mit Blut, Erde und Dreck befleckt, seine lila Hose lag darauf. Eines seiner Sandalen war durch die Hose freigelegt, während die andere darunter versteckt war. Der Besitzer des Kleidungsstückes war nirgends zu sehen.
Naruto lief weiter, sein Kopf war voller unbeantworteter Fragen. Wo war Sasuke? Was hatte Itachi getan? Wollte er Sasuke verschwinden lassen? Er war sich keiner Technik bewusst, mit der man eine Person verschwinden lassen konnte, ohne eine Spur zu hinterlassen … Aber Itachi war als Genie bekannt; er könnte eine Technik erschaffen haben. Das Sharingan war zu allem fähig.
Sasukes Kleidungsstücke waren genau vor ihm. Für einen Moment lachte Naruto bei dem Gedanken eines wütenden Sasuke, der nackt herumlief und seine Bekleidung zurückforderte. Die Vorstellung, dass Sasuke gestorben war, traf ihn mit der Stärke eines Kunais in seine Brust. Aus dem Gelächter wurde ein Schluchzen, und Naruto fiel auf die Knie vor den Kleidern, die seinem besten Freund gehörten. Tränen rannen seinen Wangen herunter, fielen auf den bereits nassen Boden. Die Schluchzer wurden zu Schmerzensschreien.
Die Augen des blonden Ninja waren so geschwollen, dass er nicht einmal die kleine Bewegung unter Sasukes Shirt bemerkte. Etwas Kleines versuchte, sich von dem schmutzigen Kleidungsstück zu entledigen. Naruto unterdrückte das Schluchzen, als er genau vor ihm ein gedämpftes Wimmern hörte.
In Verwirrung blinzelnd, blickte Naruto um sich, suchte nach demjenigen, der das Geräusch verursachte. Einige Sekunden später hörte er einen Schrei. Den Klängen folgend, bemerkte er, dass der Schrei aus Sasukes Shirt kam. Er bemerkte schließlich die Bewegungen unter dem Stoff. Mit seinen zitternden Händen nahm Naruto ihn und zog etwas weg.
Seine Augen weiteten sich vor Überraschung und Unglaube. In der Mitte des Shirts liegend und mit all seiner Kraft schreiend, lag ein neugeborenes Baby. Seine lila Haut war bedeckt mit einer Art von durchsichtigem Schleim und Blut; seine Augen waren eng geschlossen und mit Tränen gefüllt, seine winzigen Arme und Beine fuchtelten hilflos in der Luft.
Ein Kind war in diese Welt geboren worden.