Er will mich, er will mich nicht ... von Fara_ThoRn ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 6 - Ist er …, oder ist er nicht? --------------------------------------------------- Kapitel 6 - Ist er …, oder ist er nicht? ~Chase~ Seit gut einer halben Stunde schweigen wir uns an. Unsre Münder haben auch definitiv etwas besseres zu tun, als zu reden. Zum Glück! Denn reden möchte ich nicht wirklich. Nur habe ich das dumme Gefühl, dass mein Gegenüber genau aus diesem Grund bei mir ist. Peter kam heute Abend vorbei und brachte was vom Italiener mit. Meinem Italiener wohlgemerkt. Ohne einen Ton zu sagen lächelte er mich an, hielt die Tüten voll leckerem Essen hoch und lief an mir vorbei in die Küche. Leider habe ich gerade einfach keinen Appetit, so gut mir die Nudeln auch schmecken. Seit gestern schon esse ich nur das Nötigste. Seit der Begegnung mit Sean. Sein verletzter Blick geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Jener Blick, den ich bei ihm gesehen habe, als er über Andy geredet hatte. Mir wird schlecht und die Nudeln bleiben mir im Hals stecken. Ich räuspere mich und trinke ein Schluck Wasser, was für Peter wohl so eine Art Startschuss ist. "Willst du mir jetzt erzählen, was das für ein Auftritt gestern von dir war und wieso du diese Ziege mitgebracht hast?", beginnt er und legt seine Gabel beiseite. "Nicht wirklich." "Ach Mensch Chase! Ich dachte ehrlich, du wirst langsam mal erwachsen! Und dann machst du sowas!" "Motz mich nicht an! Annes Geplapper war Strafe genug. Ich bekomme immer noch Kopfschmerzen, wenn ich daran denke." "Nicht nur du. ... Und? War sie wenigstens gut im Bett?" "Kann ich nichts zu sagen." Frustriert rühre ich die Nudeln über den Teller. "Dir ganze Aufregung war also umsonst?" Peter lacht gekünstelt. "Wollte sie dich nicht ranlassen?" "Doch." "Wieso habt ihr dann nicht ...? Sag bloß, du wolltest nicht?!" Wütend lasse ich meine Gabel fallen. "Ja! Stell dir vor! Ich wollte nicht! Zufrieden?" Peters Augen werden groß und er hebt entwaffnet die Hände. "Ist ja gut! Kein Grund zu brüllen!" Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. "Oder hast du keinen hoch beko..." "Unsinn!", herrsche ich ihn an und stehe wütend auf. "Daran lag es nicht!"Sauer über mich selbst, fange ich an meinen Geschirrspüler einzuräumen. Der restliche Appetit, sofern der überhaupt vorhanden war, ist mir jetzt erst recht vergangen. Wieso schafft Peter es, mich so hochgehen zu lassen? Dabei weiß ich doch, dass das ganze Theater meine Schuld war. Peter steht auf, ich höre seinen Stuhl über den Fußboden kratzen, und stellt sich neben mich. "Was ist los mit dir?" Seine Hand legt sich auf meine Schulter. "Nichts! Es war einfach nicht mein Tag." "Chase? Raus mit der Sprache. Ich kann dir ganz genau ansehen, dass mit dir was nicht stimmt." Oh manchmal hasse ich ihn! Aber soll ich es ihm wirklich sagen? Das mit dem Beinahekuss? Falls ich es tue, dann weiß ich schon ganz genau, was er dazu zu sagen hat. 'Magst du ihn etwa? ... Probiere es doch einfach mal aus! ... Da muss doch was zwischen euch sein! ... Ging es von dir oder von ihm aus? … Sean ist doch so ein Süßer! … Sicher mag er sich auch! …' Und so weiter und so fort. "Nun?", fragt er leise und zwingt mich ihm in die Augen zu schauen. "Lass uns ein Bierchen zischen und vor die Glotze hauen", schlage ich vor. Peter lächelt und nickt, denn das heißt bei uns: Ja ich erzähle dir alles. Aber Achtung! Es könnte länger dauern und dir vielleicht nicht gefallen. Naja. Ihm gefällt das wohl eher besser, als mir. Peter wartet schon im Wohnzimmer auf mich. Ein Bein lässig auf das Andere geschlagen und zappt durchs Programm. "Hier." Ich reiche ihm eine Flasche kaltes Bier. "Danke. Dann mal prost!" "Prost." Wir stoßen an. "Was läuft?" "Dokus, Nachrichten, Soaps und anderer Müll." "Hmm", brumme ich. Wieder schweigen wir uns an, trinken unser Bier und sehen uns irgendeine dämliche Soap an. Ich muss all meinen Mut sammeln, um es ihm zu beichten. Muss mir den Satz immer wieder in Gedanken vorsagen, bevor ich mein Hirn ausschalten, und es ihm sagen kann. "Wir hätten uns fast geküsst", platzt es endlich aus mir heraus. Kurz und fast schmerzlos. Peter sagt erstmal nichts, starrt weiterhin auf den Bildschirm, spitzt aber die Ohren. "Sean und ich. Nachdem ich ihn nach Hause gebracht hatte." "Verarschst du mich?" Peters Kiefer reiben aufeinander. "Nein." Ich schaue Peters Profil an. Noch immer würdigt er mich keines Blickes. "Ich wusste nicht, wie ich ihm beim Brunch begegnen sollte, also habe ich jemanden auf dieser Flirtseite gesucht und habe Anne gefunden." "Und wegen einem Beinahekuss ruinierst du fast unseren Brunch?" "So schlimm war sie nun auch nicht", blaffe ich ihn an. "Nein! Sie war schlimmer!" Endlich schaut er mich an. "Du hast recht", gebe ich zu. "Eine blonde Doofbratze." Wie auf Kommando lachen wir laut los. Doch Peter verstummt gleich wieder, grinst aber noch leicht und schaltet den Ton vom Fernseher aus. "Und wieso habt ihr euch dann nicht geküsst?" "Wir ... Es war ... Keine Ahnung!" Etwas überfordert von Peters merkwürdigem, mehr als zurückhaltenden Fragen, seufze ich hilflos auf. "Wir haben beide gemerkt, was wir da gerade im Begriff waren zu tun und sind erschrocken voneinander abgerückt. Ich habe mich entschuldigt und bin stiften gegangen. Seitdem haben wir nicht mehr miteinander geredet." "Und deshalb Anne?" "Ja", gebe ich geknickt zu. "Hätte ich gewusst, dass ich Sean damit so in Rage bringe, hätte ich es sein lassen, und wäre zuhause geblieben." Peter legt seine Hand auf mein Bein, klopf mir aufmunternd drauf. "Mach dir keine Gedanken. Ich hab größeren Mist gebaut." "Wirklich?" "Und wie", seufzt er und erzählt mir dann von diesem Gero, mit dem ich keine zwei Worte gewechselt hatte, und klärt mich auf, dass Sean wegen ihm vorher so ausgeflippt war, und auch wieso. "Ich hätte ihn doch niemals eingeladen, wenn ich das gewusst hätte! Aaron sah auch nicht begeistert aus. Er wurde richtig still und wirkte total abwesend. So habe ich ihn noch nie gesehen." "Also trifft uns beide die Schuld", schlussfolgere ich. "Sieht so aus." Ich atme tief ein und trinke einen Schluck Bier. Die Sache mit dem Beinahekuss nimmt er ja mehr als locker. Gut. Bleibt nur noch eins, was mir auf der Seele brennt. "Sag mal ... Weißt du, was es mit diesem Andy genauer auf sich hat?" "Hm. Ehrlich gesagt, ja. Aber ich kann nicht drüber reden." Sofort werde ich hellhörig. "Du hast Geheimnisse?! Vor mir?" "Reg dich ab. Das geht uns auch gar nichts an." Peter stellt den Fernseher wieder lauter. "Es geht mich nichts an?!", rufe ich aufgebracht und entreiße ihm die Fernbedienung. "Ich habe dir eben gestanden, dass ich fast einen Mann geküsst hätte, ihn seitdem nicht mehr aus dem Kopf bekomme, und du verheimlichst mir diese geheimnisvolle Sache von Seans Ex?!" Peter hält die Luft an, mustert mich fast schon aufdringlich intensiv. "Du bekommst Sean nicht mehr aus dem Kopf?", fragt er leise und stellt sein Bier ab. Habe ich das etwa laut gesagt? "Du meine Güte! Bist du etwa verkn..." "Wage es ja nicht!" Mahnend hebe ich meinen Zeigefinger. "Das war ein schwacher Moment. Und ich habe nicht vor ..." "Und ich habe noch gedacht: Man muss Chase besoffen gewesen sein! Aber das warst du gar nicht! Oder? Du bist ja an dem Abend Autogefahren!" Peter schlägt sich mit der Handfläche gegen die Stirn. "Das bedeutet, du magst ihn! Du magst einen anderen Kerl!" Sauer erhebe ich mich von der Couch. "Ich ... Peter! Das war ganz anders! Ein schwacher Moment, den es nie wieder geben wird!" Lässig mit einem selbstgefälligen Grinsen lehnt sich mein bester Freund zurück und verschränkt seine Arme. "Ein schwacher Moment? So wie damals auf dem Herrenklo?" "Fang jetzt nicht damit an!", kreische ich. Peter schüttelt leicht seinen Kopf. Dieses Thema hatten wir damals schon zu genüge ausdiskutiert. Darauf habe ich jetzt wirklich keinen Bock mehr. Außerdem verdränge ich dieses 'Ereignis' lieber schnell wieder. "Und er geht dir seitdem nicht mehr aus dem Kopf, was?", grinst dieser miese Schuft selbstgefällig. Oh wie ich ihn manchmal hasse! "Verschwinde Peter!" "Sicher? Es gibt niemand besseren als mich, um über sein nahendes Outing zu sprechen." "Hier wird es kein Outing geben! Weder jetzt, noch in naher Zukunft! Und falls du mir nichts anderes raten kannst, dann verschwinde jetzt besser!" Ich bebe vor Zorn. Bestimmt ist mein Gesicht rot angelaufen. Aber was stört es mich? Soll er ruhig sehen das ich mehr als angepisst bin. Doch Peter jucken meine Launen nicht im geringsten. Haben sie noch nie wirklich, es sei denn, mir ging es mies und ich brauchte eine Schulter zum ausweinen. Aber in Sachen schwule Küsse kann ich von ihm allem Anschein nach keine tröstende Schulter erwarten. Gelassen steht er auf und kommt langsam auf mich zu. "In Ordnung. Ich gehe. Melde dich aber, wenn du dich wieder abgeregt hast und mit mir über Sean reden willst." "Penner!", rufe ich ihm nach. "Schwuchtel!", ruft er zurück und lacht. "Ahhh!" Manchmal könnte ich ihn ... ~Sean~ "Kommst du auch wirklich allein klar?" "Natürlich. ... Sean hör auf mich so zu bemuttern!" "Ist ja schon gut!" Noch nicht mal Sorgen kann man sich um den werten Herr machen! "Wenn was ist, ruf an." Aaron grinst und drückt mich an sich. "Danke für Unterkunft, Speise und Trank. Aber ich muss wirklich nach Hause." "Okay. Fahr vorsichtig." "Ja, Mutter Theresa." Ich grinse ihn schief an. "Bye." Ich bekomme einen Kuss auf die Wange und dann ist er weg. Einmal tief einatmen und weiter geht's! Ich muss dringend an meiner Arbeit weiterschreiben. Auch wenn es schwer fällt jetzt an etwas anderes zu denken, als an Aarons Befinden oder Chases merkwürdigen Gefühlen in Bezug auf Homosexuelle. Je mehr ich eigentlich darüber nachgrüble, desto weniger scheine ich es zu verstehen. Und das Aaron so lange blieb, erstaunt mich immer noch. Sonst haut er immer gleich wieder ab. Das heißt, Geros Erscheinen hat ihn mehr mitgenommen, als er zugibt. Warum kann mein Leben nicht unkompliziert und einfach sein? Am liebsten würde ich ... Es klingelt. Sicher Aaron! "Hast du was verges... Peter?" "Hallo. Sorry das ich so spät noch störe. Kann ich reinkommen?" "Klar." "Danke." Ich geleite Saschas Partner in mein Wohnzimmer. "Ist was mit Sascha?", frage ich nach, denn warum sonst besucht Peter mich? "Mit Sascha? Nein. Dem geht es gut." "Schön. Dann willst du mich einfach mal so besuchen?" "Nicht so richtig", sagt er und setzt sich. "Ich will mich bei dir entschuldigen. Wegen der Sache mit Gero. Ich wusste doch nicht, dass ihr euch nicht leiden könnt!", erklärt er mir sogleich. "Nicht leiden ist noch zu nett ausgedrückt", knurre ich. "Er ist wirklich der letzte Mensch auf Erden, den ich sehen will! Aaron war komplett durch den Wind!" "Es tut mir so leid!", entschuldigt Peter sich nochmal und sieht dabei wirklich bemitleidenswert aus. "Du konntest es ja nicht wissen", beruhige ich ihn. "Vergessen und vergeben." "Danke. Das lag mir wirklich schwer im Magen. ... Und Aaron? Wie geht's ihm?" Ich lächle bitter. "Na ja. Die Sache mit Gero scheint er gut verdaut zu haben. Leider hat das nicht gerade dazu beigetragen, seine Schuldgefühle endlich zu verringern." "Er verkraftet es immer noch nicht?" "Nein. Er gibt sich immer noch die Schuld an allem." "Und ich dachte, es ginge ihm besser! Ach verdammt! Ich Idiot!" "Nur die Ruhe. Er muss damit klar kommen. Müssen wir alle." "Habt ihr ihm schon mal eine Therapie vorgeschlagen?" Ich verziehe das Gesicht und lege den Kopf schief. "Da ginge er nie im Leben hin. Aaron redet noch nicht mal mit mir über alles. Höchstens mal mit Sascha. Aber das war es schon." Peter nickt. Er kennt das Spiel schon gut genug. Mindestens einmal im Monat muss Sascha herhalten und ihn aus irgendeiner Kneipe zerren. Stockbesoffen. Einmal sogar vom Polizeirevier, weil er jemanden eine verpasst hat. "Er hat Andy beleidigt! Er hat ihn eine kranke Schwuchtel genannt!", hat er immer wieder gerufen. Es war furchtbar. "Ich bin aber nicht nur wegen Gero oder Aaron hier", sagt Peter leise und fixiert mich abwartend. Ich kann mir denken um was, oder besser gesagt, um wen es geht. "Chase", flüstere ich. "Erraten." Da ich nicht erahnen kann, was Peter alles zu dem Thema schon weiß, warte ich still ab. "Ich war eben bei ihm." Ich schweige weiter. "Er hat mir von eurem Fastkuss erzählt. Erst hielt ich das für ein kleines, peinliches Geständnis und gleich würde er mir sagen, er habe das nur dem Suff zu verdanken. Aber das hatte er nicht. Oder?" "Nein. Er war nüchtern." Ich verstehe immer noch nicht, was Peter von mir will. Er nickt und starrt nun einen unsichtbaren Punkt in der Ferne an. "Ich kenne Chase schon ewig. Anfangs war ich sogar mal in ihn verknallt." Er lacht leise. Höre ich da eine Spur Sehnsucht heraus? "Und ich bildete mir ein, Chase ging es genauso. Ich weiß nicht wieso, aber ich dachte, er sei auch schwul. Also gestand ich ihm, dass ich auf Jungs stehe. Er reagierte erst gar nicht drauf, sah mich mit großen Augen an und nickte. 'Kein Problem! Wir sind doch Freunde! Mir macht das nichts aus.' Wir sind doch Freunde, war das letzte, was ich von ihm hören wollte." Peter stockt und knetet seine Hände. "Warum erzählst du mir das alles?" Es ist ja nett, dass er mir seine Coming-Out-Geschichte erzählt. Doch wo soll das hinführen? "Weil ich dir was klar machen will. Chase ist unumstritten ein Weiberheld." Ich lache laut auf. "Das brauchst du mir erst gar nicht klar machen!" Auch Peter grinst. "Damit meine ich, er sucht verzweifelt nach etwas, das er all die Jahre einfach noch nicht gefunden hat." "Und was?", frage ich leise. "Liebe." Ich schlucke hart. "Er wollte meine nicht. Konnte es vielleicht auch gar nicht. Und ... Du kennst das doch bestimmt auch. Dieses sichere Gefühl, dass ein Kerl eben schwul ist." "Du meinst, unsere Antennen?" "Ja." "Falls du meinst, Chase könnte auf Kerle stehen, dann sind meine Antennen kaputt", sage ich leise. "Außerdem hat er so große Angst im Velvet gehabt, ihm könnte einer 'unserer Sorte' zu nahe kommen." "Genau. Das liegt aber an einem früheren Erlebnis und nicht an seiner sexuellen Ausrichtung. Und wer weiß, wie er jetzt wäre, wenn das damals nicht passiert wäre." Peter sieht mich tiefgründig an. "Und jetzt mal ganz ehrlich: Das Chase zugestimmt hatte, mit dir in einem Hotelzimmer zu übernachten, dass hat mich total verblüfft. Ich kenne ihn schon ewig und ich hätte meine ganze Habe verwettet, dass er das niemals tun würde. Aber er hat es ohne zu murren. Er hat bloß mit den Schultern gezuckt und gut war's. Er mag dich. Das sehe ich ihm an." "Nein! Chase ist doch nie im Leben ..." Ich erinnere mich daran, was Aaron gesagt hatte. Und der abgebrochene Kuss? Eine unerfüllte Sehnsucht, die er seit Jahren unterdrückt? "Shit!" "Als ich Chase vorhin darauf angesprochen habe, ging er hoch wie eine Granate." "Du hast ihm gesagt, er sei schwul?!" "Nicht direkt. Er hat mich trotzdem rausgeschmissen." "Oh. Und jetzt?" Peter winkt ab. "Wir zoffen uns häufiger. Der kriegt sich wieder ein." "Wieso ist er eigentlich so ... verkorkst, was das Thema angeht? Doch nicht nur, weil er eine Klemmschwester sein soll? Was war das für ein Erlebnis?" Peter lacht laut. "Klemmschwester? Lass ihn das nicht hören!" "Bestimmt nicht", sage ich und muss selbst grinsen. "Um deine Frage zu beantworten: Es gab da mal einen Zwischenfall in einem Club. Chase ging mit mir in diesen angesagten Szeneclub, der Name fällt mir nicht mehr ein. Ist ja auch jetzt egal. Jedenfalls waren wir ausgiebig am feiern und trinken. Chase flirtete sogar heftig mit einem anderen Kerl. Ich schluckte meinen Ärger darüber hinunter, ich war immer noch in ihn verknallt, und versuchte es zu ignorieren." Peter macht eine kleine Pause, taucht in Erinnerungen ab. Eine merkwürdig bedrückende Stimmung baut sich auf. Peter war mal in Chase verschossen ... Der Gedanke gefällt mir nicht und ich ertappe mich dabei, dass ich tatsächlich einen leichten Anflug von Eifersucht verspüre. Deshalb räuspere ich mich. Einmal um das nagende Gefühl aus meiner Magengrube zu verjagen, und zum anderen, um Peter zum weiterreden zu bewegen. Es hilft. "Ich begnügte mich also anderweitig, ließ Chase seinen Spaß und bekam nicht mit, dass er mit dem Typen verschwand. Kurzum: Er wurde auf der Toilette anscheinend übelst von ihm angemacht. Du musst wissen, da war er noch nicht dieser durchtrainierte Riese. Eher ein schmaler Lulatsch mit blasser Haut und Akne." "Das will ich mir ja gar nicht vorstellen!", kichere ich. Natürlich drängen sich mir sofort eben diese Bilder in den Kopf. "Gruselig!" "Och. Er war eigentlich ein ganz Süßer. Naja. Er entkam dem Typen nochmal gerade so und geht seit dieser Begegnung jedem fremden Schwulen aus dem Weg. Auch bei meinen Freunden bleibt er noch immer skeptisch." "So hat das also alles angefangen. Aber das er immer noch so einen Aufstand macht deswegen." Ich bin auch schon öfter als einmal dumm angemacht worden. Wird doch jeder mal. "Früher war es sogar noch schlimmer. Etwas hat sich sein Verhalten schon gebessert. Dank dir vor allem." "Dank mir?!" Am liebsten würde ich Peter den Vogel zeigen. "Du hast ihn doch dazu gebracht mit dir zu tanzen. Er war mit uns ein Wochenende weg und sogar danach im M. Und danach hat er dich sogar nach Hause gefahren. Und um dem noch die Krone aufzusetzen: Er ist mir in deine Wohnung gegangen. Aber dieser Beinahekuss, der toppt alles. Glaub mir. Er mag dich mehr als dieser Dummkopf selbst weiß. Das beweist allein diese Blondine, die er uns beim Brunch aufgetischt hatte." Ich verdrehe die Augen. "Ich wette, sie hatten noch ordentlich Spaß danach zusammen. Damit wäre ich dann ja vergessen." "Chase, der Weiberheld, blieb keusch wie ein katholischer Priester!" Ich hebe eine Augenbraue. "Das kann man jetzt so oder so verstehen." "Wie ein anständiger katholischer Priester", lacht Peter. "Chase steht sich selbst im Weg. Lass dich davon nicht unterkriegen." Ich schaue Peter nachdenklich an. "Warum glaubst du eigentlich, dass ich überhaupt was von deinem Kumpel will? Hat Sascha was ausgeplaudert?" "Ich habe doch Augen im Kopf", lacht er und zwinkert mir zu. "Das musste mir noch nicht mal mein Schatz flüstern." *** ~Chase~ Tick tack. Tick tack. Ob es helfen würde, wenn ich den Wecker aus dem Fenster schmeiße? Bestimmt nicht. Schließlich ist er nicht schuld daran, dass ich nicht einschlafen kann. Peter ist der Schuldige. Ebenso Sean. Der kleine, blonde Sean. Mit den großen, blauen Kulleraugen. Dieser Giftzwerg! "Oh nein!" Jetzt denke ich schon wieder an ihn! "Ich bin nicht verknallt! Ich bin nicht verknallt!" Ich beiße mir die Lippe blutig vor lauter Anspannung. "Peter hat unrecht! Ich bin nicht verknallt!" Als ich diesen Satz das erstmal aussprach, erschrakt ich richtig vor dem Klang dieses unmöglichen Wortes. "Verknallt ... Verknallt ... Ich.Bin.Nicht.Verknallt!" Bleibt die Frage, warum dieses Gefühl einfach nicht verschwindet? Jedes mal zieht sich mein Herz erschrocken zusammen. Es hat genauso viel Angst davor, wie mein Bauch. Der grummelt nämlich dann so dolle, als würde ich schlimme Darmprobleme bekommen. Durchfall wäre mir auch lieber als ... "Verknallt. ... Unmöglich! Ich bin nicht in diesen blonden Zwerg verliebt!" Abrupt setze ich mich auf. "Verliebt ... Das ist ja noch schlimmer! Ahhh!" Ich lande kopfüber in meinem Kissen. Federn fliegen. Noch immer habe ich kein neues Kissen gekauft. Irgendwann liege ich nur auf meinem schlabbrigen Kissenbezug. Ein One-Night-Stand von mir hatte solche Kissen, die sich der Wirbelsäule anpassen. Die waren nicht schlecht. Ach, was denke ich da wieder für dummes Zeug?! "Ich muss mit ihm reden", brumme ich mein Kopfkissen an. "Und zwar bald!" Diese Einsicht scheint mein Hirn zu beruhigen, denn ich merke, wie ich endlich langsam in den Schlaf gleite. "Du siehst kacke aus." Der Mistsack mir gegenüber im Spiegel glotzt nur doof zurück. Wie lächerlich er aussieht, mit den tiefen Augenringen, der blassen Haut und dem unrasierten Kinn. Schon lange habe ich mich nicht mehr so beschissen gefühlt und auch danach ausgesehen. Den Plan, zu Sean zu gehen, vergesse ich lieber. Nicht wegen meinen Augenringen. Ich traue mich nicht. Seit ich wach geworden bin, wird der Gedanke an ein Treffen mit ihm immer furchteinflößender. Was soll ich ihm auch sagen? 'Sorry Sean. Ich wollte dich nur kurz sehen um mich zu vergewissern, dass ich dich nicht ...' "Klasse", flüstere ich. "Jetzt kann ich dieses Wort noch nicht mal in Gedanken aussprechen." Mein Hirn brennt sicher bald durch. Der Spiegel-Chase schaut noch eine Spur trauriger. Nach einer heißen Dusche geht es mir schon ein klein wenig besser. Ich koche mir einen starken Kaffee, toste mir zwei Scheiben Toast und setze mich mit meinem Laptop an den Küchentisch. Ein wenig Arbeit wird mich hoffentlich ablenken. Doch weit gefehlt! Ich bin unkonzentriert, erwische mich immer wieder dabei, wie ich einfach nur auf den Bildschirm starre und nichts tue, außer über Sean nachzugrübeln. Immer wieder sehe ich ihn vor mir. Wie verletzt er beim Asiaten aussah. Das wollte ich nicht! Ganz bestimmt nicht! Ich wollte ihm doch nur klar machen, dass ich auf keinen Fall etwas mit einem Kerl anfangen werde. Das kann ich einfach nicht! Und was ist das überhaupt nur für eine Sache mit seinem Ex? Dieser Aaron scheint auch eine nicht unerhebliche Rolle in dem Ganzen zu spielen. Wieder sehe ich die Beiden vor mir: Sean, wie er mich erschrocken und enttäuscht anschaut. Dann Aaron. Teilnahmslos, irgendwie in Gedanken und hängt an Seans Seite, ihre Hände fest umklammert. 'Als gehören sie zusammen ...' "Nur Freunde!", brumme ich in meinen Kaffee. "Das ich nicht lache!" Mein Toast fliegt auf den Teller. Ein bitteres Gefühl breitet sich in meinem Bauch aus und schnürt mir die Kehle zu. Ich weiß was das für ein Gefühl ist! Und es gefällt mir gar nicht! "Scheiße!" Ich klappe meinen Laptop zu. "So wird das nichts!" Ich laufe zurück ins Schlafzimmer und schnappe mir mein Handy. "Peter? ... Kannst du zu mir kommen? Ich muss mit dir reden." *** ~Sean~ Genervt puste ich mein Pony aus den Augen. Die Schrift ist so schon unlesbar genug. Nicht zu fassen, aber ich kann meine eigene Handschrift nicht lesen! "Äpfel, Käse, Gemüsefont, ..." "Du hast das Fleisch vergessen." Peter und Sascha stehen plötzlich vor mir. Ich strecke ihnen die Zunge raus. "Ich esse kein Fleisch." "Sag bloß!", lacht Sascha und drückt mich an sich. "Erledigst du deinen Wocheneinkauf?" "Notgedrungen. ... Hat sich Aaron bei dir gemeldet?" "Nein. Bei dir?" "Seit Dienstag nicht mehr", erwidere ich. "Er verkriecht sich wieder." "Der Muffkopf braucht Abwechslung. Wie wäre es mit einem Essen bei mir?" Sascha klatscht in die Hände. "Gerne." Abwechslung tut mir bestimmt auch ganz gut. "Super! Dann lasst uns mal einkaufen!" Einkaufen zu dritt ist definitiv besser, als allein das Gekritzel meines Einkaufzettels zu entziffern. Und vor allem klingt ein Abendessen mit Freunden viel besser, als heute Abend allein das Gemüse zu schälen, nur um wieder keinen richtigen Bissen hinunter zu bekommen. Ich mache mir viel zu viele Gedanken, seit dem Wochenende schon. Die Unterhaltung mit Peter ließ sich einfach nicht mehr aus meinen Kopf, und was noch schlimmer ist, aus meinen Träumen verbannen. Am liebsten hätte ich Chase angerufen. Hätte ich genug Mumm dazu gehabt und seine Nummer. ... Letzteres wäre das kleinste Problem gewesen. Während ich langsam mit Peter hinter Sascha herzockle, (Sascha ist einer von den schnellen Einkäufern) und den Wagen lenke, räuspert sich Peter mehrmals. "Erkältet?", frage ich ihn. "Ähm. Nee." "Hört sich aber so an." Peter lächelt schmal und schiebt seine Hände in seine Hosentaschen. "Da ist was, was ich dir gerne sagen würde. Nur ..." Er stockt. "Was denn?" "Vielleicht sage ich es lieber doch nicht." "Jetzt hast du schon gegackert. Dann leg auch das Ei", quengle ich und remple ihn sanft mit meiner Schulter an. "Na gut. Du musst mir aber versprechen, dass Chase nichts davon erfährt! Wenn er rausbekommt, dass ich dir erzähle, was er mir letztens gesagt hat, dann ..." Da werde ich doch sofort hellhörig! "Ja, ja! Ich sage keinen Ton!" Es geht also um Chase. Wieso dachte ich mir das bereits? "Er rief mich vor ein paar Tagen an. Er meinte mit mir dringend sprechen zu müssen und ich sollte mich beeilen." "Lass mich raten: Es ging um mich." "Um wen sonst?" Peter lacht und ich greife mir nervös zwei Joghurts. Chase denkt also auch an mich! "Zuerst mal hat er sich bei mir entschuldigt, was wirklich selten vorkommt. Danach hat er etwas herumgedruckst, bis er mich schließlich über dich ausgefragt hat. Zwar lies er es so beiläufig wie möglich klingen, aber das nahm ich ihm nicht ab." "Was wollte er denn über mich wissen?" Das gefällt mir nicht. Schon wieder mache ich mir Hoffnungen und frage mich, ob da doch mehr ist, als es den Anschein hat. Peter fährt fort und ich kann es kaum erwarten, endlich alles zu hören. "Erst fragte er nur wie es dir so geht. Wegen dem Asiaten-Debakel." "Macht er sich darum immer noch Gedanken?" "Sean! Das war doch nur ein Vorwand. Er war nervös, sah mir nicht in die Augen und stotterte sogar ein paar mal." "Er hat gestottert?" Jetzt muss ich lachen. Ein stotternder Chase. Lustige Vorstellung. "Ich kenne Chase besser als jeder Andere. Und ich sage dir nochmal, voller Überzeugung, er hat was für dich übrig." Das ist ja alles schön und gut, aber "Was bringt mir das? Er lässt keine Männer an sich ran. Schon vergessen?" Ich will mich nicht mehr in schöne Wunschvorstellungen flüchten. Wir werden nicht zusammenkommen! Besser, ich schminke mir das so schnell wie möglich ab. "Er hat mich gebeten, ein Treffen zu organisieren." "Er hat was?!" Mir fällt der Pack Käse aus der Hand und purzelt zurück ins Kühlregal. Peters Worte lassen meinen Entschluss bitter ins schwanken geraten. "Chase will sich bei dir entschuldigen. Offiziell gesagt. Inoffiziell will er dich einfach nur wiedersehen." "Ach? Und das weißt du so genau?", frage ich, will die Antwort eigentlich gar nicht hören. "Oh ja. Weil er nämlich danach anfing, mich über Aaron auszufragen. Er klang, wie soll ich es am besten sagen? Leicht schnippisch. Er glaubt wohl, zwischen euch könnte sich was anbahnen. Vielleicht kannst du das ja ausnutzen." Peter zwinkert mir zu. "Was hältst du davon, wenn ich Chase nachher mal anrufe. Er hat bestimmt auch hunger heute Abend." Peter wartet erst gar nicht auf eine Antwort von mir, sondern eilt zu Sascha, dem er ungeniert einen Kuss auf die Wange drückt. Oh, mein dummes, leichtgläubiges Herzlein. Wieso nur lässt du dich so schnell aus der Fassung bringen?! ****** Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)