Black Butler- Schicksal von F88 ================================================================================ Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Kapitel 7   Nachdenklich saß Ciel auf seinem Bett und beobachtete, wie am nächtlichen Himmel vereinzelt Blitze die Schwärze durchbrachen. Er lauschte dem Heulen und Klagen des Windes. Dem Konzert des herabfallenden Regens, dessen Monotonie nur von dem gelegentlichen Grollen des Donners unterbrochen wurde. Er genoss diese beruhigenden Geräusche der Natur. Früher, als er noch ganz klein war, hatte er unglaubliche Angst vor solchen Gewittern gehabt. Nur zu gut wusste Ciel noch, wie er weinend und verängstigt die dunklen Flure entlang geeilt war, bis er das Zimmer seiner Eltern erreicht hatte. Sanft lächelnd hatte seine Mutter ihre Arme ausgebreitet und den verängstigten Jungen in den Arm genommen, ehe sie Ciel zu sich und seinem Vater ins Bett gelegt hatte. Dort hatten  ihn beide liebevoll umarmt und ihm Schutz und Wärme gegeben, bis er in ihren Armen eingeschlafen war. Für einen Moment nahmen Ciels Augen einen wehmütigen, traurigen Glanz an. Wie schon vor Stunden wurde ihm klar, wie sehr sie ihm doch fehlten. Wie sehr er sich nach dieser Art Nähe sehnte. Er wollte umarmt und geliebt werden. Wollte das Ein und Alles für eine Person sein. Sich sicher und behütet wissen.   Energisch schüttelte Ciel sein Haupt. Himmel, was war denn heute nur los mit ihm? Hatte er seinen melancholischen Tag oder was? Er musste schnell wieder zu seiner üblichen Kälte zurückfinden ehe Sebastian noch etwas mitbekam. Der Junge seufzte. Sebastian. Sein personifizierter Tod, sein Vertragspartner, sein Butler. Warum nur hatte dieser ihn so angefasst? Was sollte dieser Blick, mit welchem sein Butler ihn angesehen hatte? Was dachte sich der Teufel nur? Das erste Mal, seit er Sebastian kannte, machte sich der junge Herr so viele Gedanken um seinen Diener. Und um sich selbst. Er war ein Earl und stand immer im Fokus des öffentlichen Interesses. Er konnte keine Liaison mit seinem Butler eingehen! Das Verbot sein Stand, sein Ansehen und wohl nicht zu guter Letzt seine Familie. Er war verlobt! Und, was wohl noch erschwerend hinzu kam und sich keinesfalls abstreiten ließ: Männlich! ...Warum machte er sich eigentlich solche Gedanken darüber? Wie wahrscheinlich war es denn bitte, dass sich ein Teufel in einen Menschen verliebte? //Sehr unwahrscheinlich.// Dessen war sich Ciel sicher. Langsam bettete er seinen Kopf auf seine angewinkelten Knie. Für seinen teuflischen, hübschen Butler, war er nichts weiter als Beute. Sein Futter. Und mal ehrlich, er würde sich auch nicht gerade in sein Steak verlieben! Sanft bewegte Ciel sein Haupt. Ein verächtlicher Laut huschte dem jungen Earl über die feinen Lippen. So langsam sollte er sich damit abgefunden haben, das zwischen ihm und seinem Butler nie etwas anderes entstehen würde, als die bereits existierende Diener-Herr-Beziehung. Warum sollte Sebastian auch ihn erwählen? Es gab dutzende Menschen, vor allem Frauen, die viel besser zu seinem Butler passen würden. Er war doch erst dreizehn Jahre alt. Dazu auch noch Sebastians Herr. Er hatte Sebastian nie einen Anlass dafür gegeben, dass dieser ihn hätte mögen sollen. Ciel befahl und sein Diener musste folgen. Ende. So war es immer gewesen. Der junge Earl lächelte traurig. Es gab wirklich keinen Grund für Sebastian, dass er ihm sein Herz schenkte. Obwohl…eine Möglichkeit den Butler zu bekommen gab es. Jedoch…Ciel schreckte stets vor dieser zurück. Man könnte sagen, er hatte Angst von dieser Gebrauch zu machen. Angst davor, so weit zu gehen nur um Sebastian besitzen zu können. Das änderte sich auch nach dem Gespräch mit Raven de Silver nicht. Ravens Worte…Ciel brach ab. Er konnte, wollte nicht an ihre Worte denken. Das war zu grausam und zerfetzte ihm förmlich sein Herz. Ein tiefer Seufzer entrang sich aus den Tiefen seiner Kehle. Das Schicksal, so schien es ihm fast, musste ihn wirklich hassen. Oder es genoss es in vollen Zügen, ihn leiden zu sehen. Wie viel musste er denn noch mitmachen? Wie viel konnte er wohl noch ertragen, ehe ihm alles zu viel wurde? Was würden wohl seine verstorbenen Eltern dazu sagen, wenn sie wüssten, wem ihr einziger Sohn so zugetan war? Für wen sein Herz schlug…oder für was. Bitter lachte Ciel auf. Wie sehr wünschte er sich eine Person herbei, mit der er über diese ganzen verwirrenden Emotionen und Gedanken reden konnte. Aber…es gab niemanden. Nun ja, so ganz stimmte das nicht. Es gab eine Person, welche er sich anvertrauen konnte, ohne Gefahr zu laufen, nicht ernst genommen zu werden. Nur…sollte er es wirklich wagen mit dieser zu reden? Andererseits, das meiste wusste diese doch eh schon. Ob er das wohl dürfte? Mit ihr reden und seine Seele ein wenig erleichtern? Er hatte doch sonst immer nur sich selbst. War es gewohnt stark zu sein und alleine alles regeln zu müssen…gut, abgesehen von Sebastians Hilfe in bestimmten Angelegenheiten. Aber über Gefühle oder seinen Empfindungen, konnte er mit seinem Diener sowieso nicht reden. Selbst wenn es nicht um den Butler selbst gehen würde. Dafür war der Teufel nun wahrlich nicht der rechte Gesprächspartner.   „Hör auf so zu denken. Das bringt doch eh nichts.“, flüsterte Ciel leise zu sich selbst. „Könnt Ihr nicht schlafen, junger Herr?“ Diese Frage war leise und sichtlich interessiert gestellt worden. Ciel fuhr leicht zusammen. „Wie lange stehst du schon da?“, fragte er angriffslustig und sah, über seine Schulter hinweg den Butler unfreundlich an. Sebastian grinste leicht. „Nur seit dem Ende Eures Monologes, Herr.“ Wütend krallten sich Ciels Finger in sein Bettlaken. „Und du gedenkst nicht dich bemerkbar zu machen.“, stellte der Junge fest und sah seinen Diener aufgebracht an, als er sich vollends zu diesem umwandte.   Dieser lächelte amüsiert. Da war es wieder. Dieses Funkeln in den ungleichen Augen seines Herrn, welches den Butler so sehr faszinierte und es schaffte, ihn in ihren Bann zu schlagen. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass Ihr meine Anwesenheit längst bemerkt habt. Wenn dem nicht so war, tut es mir natürlich leid.“, spottete Sebastian aus den Schatten heraus. Leise knurrte Ciel und blickte in die Richtung, aus welcher die samtene Stimme des Teufels erklang. Er hätte dieser stundenlang lauschen können. „Reiß dich zusammen!“, ermahnte ihn seine innere Stimme. „Lügner.“ Tadelnd wedelte der Teufel mit seinem Zeigefinger ehe er sprach: „Aber junger Herr, Ihr wisst doch, das ich Euch nicht belügen kann.“   Manchmal hasste er seinen Butler aus tiefstem Herzen. So wie jetzt, wenn er das Gefühl vermittelt bekam, dass dieser mit ihm spielte, ihn testete und jede Reaktion auf eine Goldwaage zu legen schien. Nach was suchte der Butler eigentlich? Nach Schwäche? Nach einer Chance um ihn zu demütigen?   Amüsiertes Rubinrot sah aus der Dunkelheit zu, wie der Junge sich sichtlich abmühte gelassen zu bleiben. Die Lippen des Teufels verzogen sich zu einem hämischen Grinsen. Wusste der Junge denn immer noch nicht, dass er ihn durchschaute? Dass es nichts brachte sich vor ihm zu verstellen? Er sah nur zu gut Ciels Wut. Schließlich krallte sich der Junge dermaßen in seinen Bettbezug, dass seine Knöchel weiß hervortraten.   Natürlich entging dem jungen Herrn dieser Blick nicht. Wie es schien hatte sein Vertrauter gerade wirklich viel Spaß.  Aber bitte ohne ihn! Nicht auf seine Kosten!  Er sah gar nicht ein für die Belustigung seines Butlers herhalten zu müssen. „Es ist spät, ich bin müde und nicht im geringsten darauf erpicht, jetzt mit dir zu diskutieren. Also, was willst du von mir, Sebastian?“, erklang die genervte Frage des jungen Herrn. So schnell wie möglich wollte er diese Angelegenheit hinter sich bringen. Er verspürte nicht die geringste Lust, sich jetzt mit seinem Diener auseinandersetzen zu müssen.    Sebastian sah wie müde und ausgelaugt Ciel wirkte. Was auch immer der Grund für dessen Schlaflosigkeit sein mochte, es nahm seinen jungen Herrn sichtlich mit. Der Earl wirkte abgekämpft, blass, und dunkle Ringe lagen unter seinen Augen. Nein. Ciel fühlte sich alles andere als wohl. Das erkannte der teuflisch gute Butler sofort. Der Blick des Teufels wurde besorgt. Nicht, dass sich sein Herr doch noch erkältet hatte. Wundern würde es Sebastian nicht. Schließlich hatte sein Herr ja die absolut schwachsinnige Idee gehabt, sich stundenlang nass regnen zu lassen! Und das, wo dieser doch gerade erst von einer schweren Lungenentzündung genesen war. Nie wieder wollte der Rotäugige solch eine Angst um seinen Vertragspartner verspüren. Er wusste nun wie es sich anfühlte, wenn Ciel in seinen Armen lag und langsam das Leben aus dessen Körper wich. Wie es war, mit ansehen zu müssen, wenn eine wichtige Person mit dem Tod rang und zusehends schwächer wurde. Er wusste noch zu gut, wie er sich schwach und hilflos vorgekommen war. Nicht in der Lage seinem Herrn beizustehen. Wie machtlos er doch in diesem Moment gewesen war. Eine ungewohnte Situation für ihn, der er doch sonst immer alles unter Kontrolle hatte und stets im Voraus plante. Und dazu diese unerklärliche Angst, welche in ihm gewütet und ihm fast die Luft zum Atmen genommen hatte. Unter keinen Umständen wollte der schwarzhaarige Butler, dass sich solch ein Vorfall wiederholte. Kurz schloss Sebastian seine Rubine und versuchte die Bilder, welche sich in seinen Geist drängten, wieder zu verbannen. Der Teufel wollte sich nicht erinnern, wie schwach und kraftlos Ciel in diesem Moment gewesen war. Wollte seine eigene Schwäche und Angst, welche er verspürt hatte, zurück in die tiefsten Tiefen seines Unterbewusstseins verdrängen. Tief und sich selbst beruhigend, schöpfte Sebastian Atem ehe er seine Lider langsam öffnete. Das war nicht der rechte Moment um an vergangene Ereignisse zu denken. Sein junger Herr brauchte ihn jetzt. Ein warmes Augenpaar sah fürsorglich seinen Herrn an. „Ich bin nur hier weil ich Euch dies hier geben wollte, junger Herr.“, erklang die warme, weiche Stimme des Butlers und reichte dem Jüngeren eine Tasse dampfenden Tees.   Einen Augenblick lang konnte Ciel nicht anders, als auf die ihm dargebotene Tasse zu starren, ehe er diese wortlos und sichtlich überrascht, entgegennahm. Verwirrt sahen seine ungleichen Augen von der reich verzierten Teetasse in seinen Händen, herauf zu seinem vor ihm stehenden Bediensteten. Sebastian störte seine nächtliche Ruhe, weil ihm dieser eine Tasse Kräutertee bringen wollte?! Aber warum tat sein Butler das? Er hatte nichts dergleichen angeordnet. Was also bewog seinen perfekten Butler dazu, ihm dies zu bringen?   „Ich dachte mir, dass Euch der Tee etwas beruhigen würde, damit Ihr für diese Nacht doch noch erholsam schlafen könnt, Herr.“, erklärte Sebastian mit ruhiger Stimme auf die stumme Frage seines jungen Herrn. Der schwarzhaarige Earl nickte verstehend und ließ seinen Blick zurück auf die Tasse in seinen Händen gleiten. Genießend schlossen sich Ciels Augen und er atmete das herrliche Aroma des Kräutertees ein. Ein angenehmer, wohltuender Duft hatte das Schlafgemach des jungen Herrn erfüllt. „Lavendel?“ „Ja, Lavendel ist für seine beruhigende Wirkung bekannt. Und diese Ruhe, so hatte ich den Eindruck, könnt Ihr heute Nacht gut brauchen, Herr. Außerdem, wenn man den Tee richtig zubereitet, verbreitet dieser einen äußerst angenehmen Geruch, welcher das Wohlbefinden fördern soll.“   Während der Teufel von einem Butler dies mit seiner dunklen, wohlklingenden Stimme erklärte, nahm sein Herr einen Schluck des dampfenden Getränkes zu sich. Ein flüchtiges, von seinem Vertrauten unbemerktes Lächeln, glitt über Ciels Lippen. Diese Wärme tat unglaublich gut und er genoss diese unsagbar. Nicht nur die Wärme des Tees hob die Laune des Earls, sondern auch die Fürsorge seines Butlers erwärmte sein Inneres. Es geschah vermutlich nur aus Pflichtbewusstsein, aber dies war Ciel völlig gleich. Er wollte diese sanfte Nähe, das Gefühl von Geborgenheit und der Gewissheit, dass es doch jemanden gab, der sich um ihn sorgte. Und dies würde er in vollen Zügen bis zum Schluss auskosten. Viel zu lange war es schon her, dass sich der junge Herr wohlgefühlt hatte. Doch endlich, seit einer geschätzten Ewigkeit, genoss er die Anwesenheit und Nähe seines hübschen Raben wieder.   Noch immer ruhte Sebastians Blick auf seinem, vor ihm im Bett sitzenden, jungen Herrn. Ein sanftes, erfreutes Lächeln lag auf seinen feinen Lippen. Wie es schien fand seine Eingebung mit dem Kräutertee bei Ciel Anklang. Der Rotäugige konnte förmlich spüren wie sich sein Herr entspannte. Dennoch fragte sich Sebastian, was in letzter Zeit mit seinem Vertragspartner nur los war. Sein junger Herr wirkte seit einigen Tagen so in sich gekehrt und verschlossen. Ja, regelrecht einsam. Etwas, was Sebastian tief traf und besorgte. Der Schwarzhaarige wollte nicht, dass es Ciel schlecht ging. Und entgegen seiner Natur und seines gesellschaftlichen Standes zum Trotz, ging der Teufel vor seinem Herrn in die Hocke, um diesen besser in Augenschein nehmen zu können. Sofort blickte ein fragendes Augenpaar in das seine. Sanft und fürsorglich wurde der Blick des Jungen erwidert. „Was ist los mit Euch, Herr?“, fragte Sebastian leise und legte dabei unbewusst seine rechte Hand auf das Knie des Jüngeren. Diese Geste quittierte Ciel lediglich mit dem Hochziehen einer Augenbraue und schwieg ansonsten zu dieser ungehörigen Berührung. Dazu freute er sich viel zu sehr über diese sanfte Geste von seinem Butler. Nach außen hin gab er sich gewohnt unnahbar. „Ich weiß nicht was du meinst.“, entgegnete Ciel auf die Frage seines Dieners und nahm einen Schluck seines Tees. Was hätte er auch groß sagen sollen? Die Wahrheit?  Ha, ha, das war ja lächerlich!   Leise seufzte der Angesprochene. Natürlich. Als wenn sein junger Herr es ihm so leicht machen würde. „Ich wollte von Euch wissen, was Euch so sehr beschäftigt, dass Ihr die ganze Nacht wach liegt.“, gab Sebastian doch zu und musterte seinen Herrn eindringlich. Er sah wie sich die Augen des Jüngeren ungläubig weiteten, als dieser Sebastians Geständnis hörte. Damit schien Ciel nicht gerechnet zu haben.   Überrascht sah der junge Herr, über den Rand seiner Tasse hinweg, Sebastian an. Sein Butler machte sich um ihn Gedanken? Hieß das, Sebastian zeigte an ihm Interesse? Eindringlich prüfend sah der junge Earl seinem Butler in die Augen. Doch da war keine Spur von dem üblichem Spott oder seiner sonst so gern zur Schau gestellten Überlegenheit zu erkennen. Es hatte ganz den Anschein, als meinte es der Teufel ernst mit seinem Interesse. Eine Tatsache, welche Ciel wirklich erstaunte. Damit hatte er nicht gerechnet. Und dennoch fiel seine Antwort gewohnt sachlich aus.    „Schon gut, es ist nichts.“, wiegelte Ciel leise ab und reichte seinem Butler die inzwischen geleerte Teetasse. Resigniert nahm Sebastian diese entgegen und erhob sich. „Ihr wisst doch, dass Ihr mich nicht anlügen könnt. Ist es wegen einem Eurer Albträume?“, fragte er wie nebenbei und stellte die Teetasse zurück auf das mitgebrachte Silbertablett.   Der junge Herr hatte sich gerade müde über seine Augen gestrichen als er diese Frage vernahm, und ließ nun langsam seine Hand wieder sinken. Seine Albträume. Natürlich waren sie der Grund für seine Schlaflosigkeit. Seit jenem Dezembertag, seinem Geburtstag, hatten sich die schrecklichen Ereignisse jener Nacht, und den darauffolgenden Monaten, tief in seinem Bewusstsein eingebrannt. Noch heute erwachte er schreiend, wenn er das damals Erlebte wieder vor seinem geistigen Auge sah. Seit der junge Herr jedoch seinen teuflischen Diener an seiner Seite wusste, waren diese Träume mit den schrecklichen Bildern und Erinnerungen, welche so frisch in diesen aufleuchteten wie am ersten Tag, weniger geworden. Ja, es war beruhigend zu wissen, dass Sebastian an seiner Seite Wache stand und ihm nun nichts mehr geschehen konnte. Aber seit einiger Zeit hatten sich seine Albträume verändert und eine geradezu grausame Wendung bekommen. Jede Nacht wurde sein Herz und seine Seele in tausende Teile zerfetzt, ohne dass sich der schwarzhaarige Junge auch nur ansatzweise wehren konnte. Ciel bemerkte, dass Sebastian ihn zu beobachten schien und sah zu diesem herüber.   Mit verschränkten Armen und nachdenklichem Blick betrachtete der Teufel seinen Herrn. Lässig hatte er sich mit seinem Rücken leicht an die kleine Kommode, auf welcher auch das Serviertablett stand, gelehnt. Schweigend wartete Sebastian darauf, dass Ciel ihm eine Antwort auf seine Frage geben würde. Aber ob diese wirklich ehrlich ausfiel, wusste der Rotäugige nicht zu sagen.   Als Butler wusste Sebastian natürlich von den Albträumen seines Herrn. Früher hatte dieser solche fast jede Nacht gehabt. Und nicht selten war Ciels Erwachen mit einem panischen Schrei begleitet worden. Somit brauchte sein junger Herr erst gar nicht versuchen zu leugnen.   „Ja.“, erklang es leise aber ehrlich von dem Earl. Auch er wusste nur zu gut, dass es nichts brachte diese Tatsache zu leugnen. Und Ciel versuchte es auch gar nicht erst. Warum sollte er auch, wenn sein Diener den Grund für seine Schlaflosigkeit bereits erraten hatte? Wenn er nun verneint hätte, wäre sein Verhalten wirklich kindisch und unreif gewesen. Und der junge Herr war sich sicher, dass Sebastian nicht gezögert hätte ihm dieses Verhalten unter die Nase zu reiben. Diesen kleinen Spaß wollte der Earl seinem Butler nicht gönnen. Nicht heute Nacht! Ein wenig war der Teufel über diese ehrliche Antwort erstaunt. Hatte er doch angenommen, dass sein Herr alles leugnen würde. //Da habe ich mich geirrt.//, gestand sich Sebastian ein und stieß sich leicht von der Kommode ab. Langsam näherte sich der Butler wieder dem Bett seines Herrn. Noch immer schweigend, nahm sich der Rotäugige die Zeit seinen Herrn zu mustern. Ciel hatte seine Beine wieder dicht an seinen Körper herangezogen und seine Arme um diese geschlungen, während er Sebastian unverwandt anblickte. Leicht legte Sebastian seinen Kopf schräg als er seinen Blick über den Körper des Jüngeren gleiten ließ. Ciel wirkte im Moment so verloren, einsam und schutzbedürftig, wie es dem Teufel vorher nicht aufgefallen war. Warum jetzt? Vielleicht weil er zum ersten Mal wirklich für den Jungen da sein wollte. Nicht aus Pflichtgefühl heraus oder weil der Vertrag dies von ihm als Butler verlangte, sondern weil er es wollte. Ohne darüber nachzudenken setzte sich der teuflisch gute Butler neben seinem Herrn aufs Bett. Noch immer sprachen beide kein einziges Wort miteinander. Dennoch war diese Stille zwischen Herr und Diener nicht unangenehm oder gar angespannt. Es war angenehm ruhig und sowohl Ciel als auch Sebastian taten in diesem Moment nichts anderes, als den jeweils Andern anzusehen. Müdes und doch unerwartet sanftes dunkelblau und violett traf auf warmes, fürsorgliches rubinrot. Nur das gelegentliche Grollen des Donners durchbrach die Stille im Schlafgemach des jungen Herrn. Nach einigen Minuten senkte Ciel seinen Blick hinab auf seine Knie, als er fühlen konnte, wie sich eine verräterische Röte auf seine Wangen schlich.  //Auch das noch!// Musste das denn jetzt sein? Warum musste er ausgerechnet jetzt rot werden?  //Bitte lass Sebastian nichts bemerkt haben. Bitte, lass ihn nichts bemerkt haben.//, betete Ciel im Stillen.   Ein frommer Wunsch, welcher ihm jedoch nicht erfüllt wurde. Der Butler hätte schon blind sein müssen um dies nicht zu bemerken. Ein verschmitztes Grinsen huschte über seine Lippen als er dies sah. Jedoch schwieg Sebastian lieber zu seiner unverhofften Beobachtung. Sowieso wunderte er sich bereits das Ciel nichts sagte, weil er sich einfach neben ihm aufs Bett gesetzt hatte. „Herr, würdet Ihr mich bitte ansehen?“, hauchte Sebastian leise.   Überrascht wegen dieser sanften Bitte, hob Ciel seinen Kopf ein Stück an und begegnete den schimmernden Rubinen seines Vertrauten. Eine Bitte! Sebastian bat so selten um etwas. Wohl weil sein teuflischer Diener der Ansicht war, dass es ihm als Butler nicht zustand seinen Herrn um etwas zu bitten. //Eigentlich schade.//,  wie Ciel fand. Denn dadurch hätte er unauffällig mitbekommen, was seinem Butler wichtig war, oder dieser gerne besitzen würde. Doch meist beschränkten sich Sebastians Wünsche auf Kleinigkeiten. Wie zum Beispiel, dass er seine Augen schloss, damit er nicht die wahre Gestalt seines Teufels sah. Oder er bat ihn um eine Katze. Ein Wunsch, welcher Ciel seinem Butler aus zwei Gründen verweigerte. Erstens: Er war gegen Katzen allergisch und zweitens: Sebastian würde sich darüber freuen. …Nun ja…Punkt zwei sprach inzwischen schon für die Katze. Vielleicht…   Als Ciel seiner kleinen, leicht zu erfüllenden Bitte nachkam, wurden die Augen des Butlers weich und er musste unwillkürlich lächeln. Doch als Sebastian zu sprechen begann war sein Gesicht ernst. Er hatte sich wohlweislich überlegt, wie er die Sache angehen wollte. Was Sebastian nun seinem Herrn zu sagen hatte, war ihm äußerst wichtig und der Teufel wollte, dass Ciel dies auch wusste. Als seine dunkle, wohlklingende Stimme die Stille in dem Raum zerteilte, klang aus ihr geradezu feierlicher Ernst heraus.   „Herr, ich weiß nicht, was Euch so sehr in Angst versetzt das Ihr nicht schlafen könnt. Aber wenn Ihr darüber reden möchtet, sollt Ihr wissen, dass ich für Euch da bin und Euch zuhören werde. Wenn Ihr dies wünscht.“ Diese Worte waren voller Wärme und in einem geradezu liebevollen Ton erklungen. Etwas, was Sebastian gar nicht bewusst bemerkte. Er hatte lediglich Ciel zu verstehen geben wollen, dass er für diesen da war.   Doch dem jungen Herrn fiel der Unterschied in der Tonlage von Sebastians Stimme sofort auf. Und er freute sich über diese, doch überraschenden Worte. Er fühlte, dass sein Vertrauter dieses Angebot ehrlich meinte. Ein sanfter, dankbarer Ausdruck legte sich in die ungleichen Augen des jungen Herrn. Ja, er war seinem Butler für dieses Angebot äußerst dankbar. Auch wenn er dies nie zugeben würde, so waren dies doch die Worte, welche Ciel mehr hören wollte als alles andere auf der Welt. Sein teuflischer Vertrauter würde für ihn da sein! Und das ganz ohne Befehl Seinerseits. Ein gutes Gefühl.  //Wenn ich reden möchte.//   Verloren. Genau das hatte Sebastian in diesem Augenblick. Der teuflische Butler sah zwar, dass sein Herr über sein Angebot nachzudenken schien. Aber als er Ciels Blick bemerkte und im Anschluss sah, wie dieser verneinend sein Haupt bewegte, da war Sebastian bewusst geworden, dass sein junger Herr nicht mit ihm reden würde. Was auch immer den Jungen quälen mochte, er würde es nicht erfahren. Zumindest nicht heute Nacht und schon gar nicht von dem Jungen selbst. Warum nicht? Der Teufel meinte seine Worte durchaus ernst. Andernfalls hätte er seinem jungen Herrn dieses Angebot gar nicht erst unterbreitet. Warum redete Ciel nicht mit ihm? Diese Frage nagte so sehr an dem Butler, dass er gar nicht anders konnte als zu fragen: „Warum sagt Ihr mir nicht was Euch beschäftigt? Vertraut Ihr mir wirklich so wenig, mein junger Herr?“   Er verstand nicht wieso, aber dass Ciel ihn nicht ins Vertrauen zog, wenn es diesem schlecht ging, hatte den Teufel wirklich verletzt. Er wollte, dass sein junger Herr mit ihm über solche Dinge sprach. Sebastian wollte, dass Ciel sich ihm anvertraute! Verstand der Bengel denn nicht, dass er für ihn da sein wollte? Hatte er etwas getan, womit er das Vertrauen seines jungen Herrn verloren hatte? Nein. Nein, das konnte nicht sein. Hatte er doch erst heute Abend auf die Seele des Bengels verzichtet. Was, wenn nicht diese Geste, zeigte deutlich, dass Ciel ihm vertrauen konnte? Was wollte der Junge denn noch von ihm?   Ein kleines, gequält aussehendes Lächeln umspielte die Lippen des Earls. Allerdings war es genauso rasch wieder verschwunden wie es erschienen war. Was für eine Frage. Der schwarzhaarige Herr musste schwer schlucken. Ob er seinem Diener vertraute? Wusste der Butler dies nicht inzwischen? //Vertrauen? Oh Gott, Sebastian! Du weißt gar nicht wie sehr ich dir vertraue mein hübscher, geliebter Rabe. Ich vertraue dir mehr als ich sollte. Mehr als ich dürfte! Verdammt, Sebastian, jetzt sieh mich nicht so an! Mach es mir bitte nicht so schwer, kalt zu dir zu sein!//, dachte sich Ciel verzweifelt. Ja, es fiel dem Jüngeren unerwartet schwer sich nun unnahbar zu geben. Nur mit äußerster Anstrengung gelang ihm dieses kleine Kunststück. „Mach dich nicht lächerlich, Sebastian. Du weißt genau, dass ich dir vertraue. Aber dies hier ist eine Sache mit der ich selbst fertig werden muss. Du brauchst dir also keine Gedanken machen.“ „Seid Ihr Euch sicher das ich Euch nicht behilflich sein kann, Herr?“, hakte sein Bediensteter noch einmal nach.  „Tz. Das vermag ich zu bezweifeln.“, entgegnete Ciel leise. Wobei er es vermied seinem teuflischen Butler weiterhin in die Augen zu schauen. Er konnte es einfach nicht. Der Earl war sich nämlich sehr sicher, dass Sebastian seine Lüge sofort erkannte, wenn er diesen weiterhin ansah.  Natürlich hätte sein Butler einiges dazu beitragen können, dass er besser schlief. Ciel bräuchte ihm nur erzählen wovon er jede Nacht träumte. Was ihn aus dem Schlaf schrecken ließ und ihn in schiere Panik versetzte. Er hätte dem Butler sagen können was er für diesen fühlte… Aber nichts von alledem tat der junge Herr. Er wollte es nicht. Er konnte es nicht…er durfte es nicht.   „Verstehe.“, murmelte Sebastian leise und erhob sich von dem Bett seines jungen Herrn. Wie es schien wollte Ciel einfach nicht mit ihm reden. Gut. Ganz wie der Junge wollte. Er würde sich nicht aufdrängen. „Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?“, erkundigte er sich pflichtbewusst. Kurz sah der junge Herr ihn an. Es schien beinahe so, als würde Ciel zögern seine Forderung Sebastian gegenüber auszusprechen. Doch noch während sich der Butler zu wundern begann, öffneten sich die geradezu verführerischen Lippen des Jungen. „Nimm mich in den Arm.“   Es war kein Befehl gewesen und kam bei Ciel einer Bitte gleich. Er hatte leise gesprochen und es vermieden den Butler anzusehen als er dies sagte. Doch nun blickte er in ein vor Unglauben weit aufgerissenes Augenpaar. Sebastian öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, aber er schloss ihn wieder. Er war absolut sprachlos und konnte nicht anders, als seinen jungen Herrn anzustarren. Für Minuten war es still zwischen ihnen, ehe der Butler seine Sprache wiederfand. „Was?“, fragte er besonders geistreich nach. Sein Herr konnte diese Worte unmöglich gesagt haben. Ciel jedoch sah ihm nur stumm entgegen und wartete auf eine Reaktion seines Butlers. Er würde sich nicht wiederholen. Allerdings fiel es dem jungen Herrn doch schwer, bei Sebastians Gesichtsausdruck nicht laut los zu lachen. Er hatte seinen sonst wortgewandten Butler noch nie sprachlos erlebt. Wie es schien hatten seine Worte Sebastian aus der Bahn geworfen.   Als Sebastian klar wurde, dass der junge Herr seine Worte nicht wiederholen würde, und er den soeben erlittenen Schock einigermaßen überwunden hatte, fragte er wieder in ganz gewohnter Manier: „Zeigt Ihr etwa Schwäche vor mir?“ „Pf, keineswegs. Mich hatte lediglich deine Reaktion, auf diese Worte, interessiert. Als ob ich mir so etwas wünschen würde, und dann auch noch von dir. Mach dich nicht lächerlich.“, versetzte Ciel leise und sah seinem Butler spöttisch entgegen. //Dieser Mistkerl.//, dachte sich Sebastian. Der Bengel musste wirklich immer das letzte Wort haben. „Wenn Ihr mich dann entschuldigen würdet, Herr.“, sagte Sebastian wieder ganz der Butler, der er war, und verneigte sich mit einem typischen Lächeln, ehe er das Silbertablett, auf welchem Ciels Teetasse stand, ergriff und sich zum Gehen umwandte. „Der Tee war wirklich gut.“ Gerade hatte sich seine behandschuhte rechte Hand um den Griff der Schlafzimmertüre gelegt, als Sebastian jedoch mitten in der Bewegung verharrte und sich langsam erneut seinem Vertragspartner zuwandte. „Vielen Dank. Das freut mich zu hören, Herr.“, entgegnete er leise mit einer knappen Verbeugung. „Sebastian.“ „Ja?“, fragte er in Erwartung darauf, dass Ciel nun doch noch einen Wunsch an ihn hätte, welcher der Butler seinem Herrn erfüllen sollte. Doch stattdessen lächelte ihn der junge Herr nur voller Liebe an und sagte fast nicht hörbar: „Danke.“   Als Sebastian dies hörte schlug sein Herz ein wenig schneller. Ja, er freute sich wirklich über dieses von Herzen kommende ’Danke’, seines jungen Herrn. Sprach dieser ein Dankeschön doch eher seltener ihm gegenüber aus. Und auch dieses unverhofft sanfte Lächeln des Jungen tat sein übriges, um die Stimmung des Butlers drastisch zu heben. Doch als Sebastian seine Stimme erhob klang diese ganz normal. Auch er war schließlich ein Profi darin sich zu verstellen. Nicht nur sein Herr.   „Es ist nicht nötig mir zu danken. Ich tue nur das, was für mich als Euer Butler selbstverständlich ist, junger Herr.“, entgegnete Sebastian. Doch ganz genau sah Ciel das kleine erfreute Lächeln, welches sich auf die Züge seines Butlers gelegt hatte. „Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Herr.“, verabschiedete sich Sebastian leise, wandte sich erneut von dem Earl ab, und schloss hinter sich die Schlafzimmertüre. Für einen Moment sah Ciel seinem Teufel von einem Butler nach und schmunzelte sanft. „Dir auch, mein geliebtes Teufelchen.“   Hosted by Animexx e.V. 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