Die Zeit deines Lebens von dattelpalme11 ================================================================================ Kapitel 2: Momentaufnahmen. --------------------------- Guess things aren't always what they seem. In Real Life, Unbroken. Demi Lovato, 2011. Sie küssten sich wild und der Alkohol pulsierte durch ihre Adern. Sie vergrub ihre langen Finger in seinen langen blonden Haaren und stöhnte laut, als er ihren Hals liebkoste. Hikari wusste nicht mehr was sie eigentlich noch tat. Ihr Gehirn war wie vernebelt und ihre Beine begangen langsam an zu zittern, als er an ihrer Unterwäsche zupfte. Ihr war heiß. Ihre Atmung wurde immer flacher und die Lust nach ihm wurde immer größer. Er küsste die auf den Mund und saugte leicht an ihrer Unterlippe, als er ihr gleichzeitig den BH öffnete. Sie zog ihm gierig sein T-Shirt über den Kopf und glitt mit ihren Fingern herab zu seiner Hose. Sie hatte leichtes Spiel und öffnete zuerst den Knopf und dann den Reißverschluss, während sie seine Brust entlang küsste. Der Blondschopf atmete scharf ein, als sie immer weiter hinab glitt und seine Hose hinunterzog. Er wusste selbst nicht, warum er das eigentlich tat. Es war einfach der Moment, der ihn in diese Situation getrieben hatte. Okay vielleicht auch das ein oder andere Glas Wodka, dass er gemeinsam mit ihr getrunken hatte. Doch sie wusste genau, was sie hier tat. Das alles wünschte sie sich schon eine Ewigkeit. Sie wollte ihm nah sein. Ihn fühlen, berühren, küssen und in ihren Armen halten. Er sollte ihr gehören. Yamato hingehen hatte ganz andere Gedanken, die er versuchte zu verdrängen. Immerhin war sie die kleine Schwester seines bestens Freundes und auch er wusste, dass sich TK und Kari ebenfalls wieder etwas näher gekommen waren, seit sie in Japan war. Kaum zu übersehen, dass sein kleiner Bruder sie immer noch liebte. Und was tat er? Er war gerade im Begriff mit ihr zu schlafen. „Ich kann das nicht“, sagte er plötzlich und stieß sie sanft weg. Kari sah ihn erschrocken an und musterte ihn kurz. „Was? Warum?“ „Du weißt genau, das TK das hier sehr verletzen würde und außerdem ist Tai dein Bruder und mein bester Freund“, antwortete er geleitet von seinem schlechten Gewissen. Die junge Yagami verrollte die Augen und zog ihn wieder näher heran. „Vergiss sie. Dieser Moment gehört nur uns“, erwiderte sie und küsste ihn hungrig. Doch er entfernte sich von ihr und drückte sie sanft zur Seite. „Das ist ein Fehler. Wir sollten das nicht tun“, sagte er bestimmend und stand auf. Sie saß vor ihm, halbnackt. Noch nie hatte ein Mädchen so zerbrechlich gewirkt wie sie. „Du solltest besser gehen“. In ihren Augen bildeten sich Tränen und sie zog beschämt ihr danebenliegendes Shirt vor ihren nackten Oberkörper. Sie bückte sich und raffte ihre Wäsche auf, als sie danach schnurstracks an ihm vorbei lief. Er konnte ihr noch nicht mal in die Augen schauen. Auch sie schämte sich. Warum sollte auch gerade Matt auf sie stehen? In seinen Augen würde sie wohl immer, das kleine Mädchen bleiben. 31.Juli 2009. New York, USA. Universitätscampus. Schon fast zwei Wochen war sie in New York. Schon fast zwei Wochen war sie von ihrer Familie und ihren Freunden getrennt. Nicht das sie Heimweh hatte, aber ihr war langweilig. Die meisten Studenten würden erst nächste Woche allmählich eintrudeln. Sie war extra so früh geflogen, um sich schon ein wenig einzuleben. Das Semester würde nicht vor Mitte August beginnen. Hikari wusste im Moment nicht, was sie sich dabei gedacht hatte. Sie befand sich auf dem Universitätscampus, der fast wie leer gefegt war. Nur ein paar Studenten liefen an ihr vorbei. Sie saß alleine am Brunnen und begutachtete ihre neuen Schuhe, die sich gestern ebenfalls aus der Langeweile heraus gekauft hatte. Sie waren schwarz und hatten einen leichten Keilabsatz. Sie schlug die Schuhe an den Hacken zusammen – genauso wie Dorothy aus der Zauberer von Oz. Nur das ihre Schuhe rot und glitzernd waren. Und die magischen Kräfte besaßen, sie wieder nach Hause zu bringen. Die Brünette wusste, dass bei ihr das Zusammenschlagen der Hacken nur ihre Fersen wund rieb. Sie würde dadurch nicht wieder nach Hause kommen. Eigentlich wollte sie das auch gar nicht. Aber sie wünschte sich, dass sie wenigsten ein paar nette Studenten kennen lernen würde. New York war wundervoll, doch auch sehr einsam, wenn man absolut niemanden kannte. Sie setzte sich in den Schneidersitzt und legte ihr Kinn in ihre Handflächen und bemerkte gar nicht, wie sich ein blonder Mann neben sie setzte. „Du siehst aber ganz schön mürrisch aus“, sagte er zu ihr und sie wand ihm ihre Aufmerksamkeit zu. „Ich bin nicht mürrisch, mir ist nur langweilig“, verteidigte sie sich. Der Blonde lachte nur und war sofort von ihrer Art fasziniert. Irgendwie war sie richtig süß, wenn sie „nicht mürrisch“ war. „Warum unternimmst du nichts, wenn dir langweilig ist?“ „Ich kenne noch keinen. Ich bin erst seit zehn Tagen hier“, erklärte sie ihm und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Oh verstehe. Bist wohl wie ich, auch etwas zu früh dran“. Wieder lachte er herzlich und schaute sich die Umgebung an. Der Campus hatte wirklich eine wundervolle Grünanlage, die in allen bunten Farben erstrahlte. Am Wasser schienen sie wohl wirklich nicht zu sparen. Plötzlich wand sich der Blonde seiner Gesprächspartnerin wieder zu und streckte die Hand aus. „Ich bin übrigens Wallace“. Verdutzt blickte sie auf seine Hand und ergriff sie einen kurzen Moment später. Wie höflich er war. Vollkommen ungewöhnlich zu den Zeiten von Facebook und Twitter. „Ehm ich bin Hikari, aber du kannst mich gerne Kari nennen“. „Schöner Name. Du kommst aus Japan richtig?“ Kari sah wirklich nicht wie eine typische Japanerin aus. Ihre Urgroßeltern waren damals nach Japan ausgewandet – ursprünglich stammten sie aus Europa. Bei ihren Vater und ihrem Bruder fiel es sogar noch mehr auf, da ihre Haut um einiges dunkler war, das bei den typischen Japanern. Sie hatte einfach einen guten Mix erwischt. Nur ihr Name konnte einigermaßen auf ihre Herkunft schließen, obwohl die Namen heutzutage immer verrückter wurden. Wer nannte schon sein Kind Apple? In Hollywood wohl üblich. Da war wohl normal derjenige, der einen verrückten Namen trug. Erst jetzt merkte sie, dass Wallace sie ganz gespannt ansah. Sie hatte vollkommen vergessen, ihm zu antworten. „Oh ja! Ich komme aus Japan und wo kommst du her?“ Er grinste leicht und fuhr sich durch seine Haare. „Du bist ja echt verpeilt! Ich komme aus Chicago. Meine Tante heißt ebenfalls Hikari. Sie wohnt in Osaka“. „Interessant“, sagte sie und nickte gespielt begeistert. Er erzählte wohl sehr gerne. Eine Eigenschaft, die ihr manchmal schnell auf den Wecker gehen konnte. Deswegen hatte sie auch mit Davis Schluss gemacht. Ok gut. Auch Matt spielte eine größere Rolle bei diesem Entscheidungsprozess. Irgendwie erinnerte Wallace sie ein bisschen an ihn. Die blonden Haare und diese ausdrucksstarken Augen... „Hey! Wollen wir vielleicht etwas trinken gehen?“ Kari strich sich abermals die nervige Strähne aus dem Gesicht und lächelte verschmilzt. Wallace grinste breit. „Klar, warum nicht. Dann ist es dir bestimmt auch nicht mehr so langweilig“, erwiderte er mit einem Lächeln und stand auf. Hikari befreite sich selbst aus dem Schneidersitz und stieg schwungvoll von dem Brunnen. Beide gingen ein Stückchen und lächelten sich gegenseitig zufrieden an. Vielleicht hatte sie in Wallace ihren ersten wahren Freund gefunden. Allein war sie jedenfalls nicht mehr. 25.Mai 2010. Odaiba, Japan. Hotelzimmer. Mürrisch blickte sie aus dem Fenster und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit sie in Japan angekommen waren, regnete es unaufhörlich. Das Plätschern des Wassers war deutlich zu hören und weckte die junge Yagami aus ihrem Schlaf. Mimi schien mittlerweile auch wach geworden zu sein, auch wenn sich das Jetlag bei beiden Frauen bemerkbar machte. „Wie fühlst du dich?“, fragte die Ältere und kletterte zur Bettkante. Kari runzelte nur die Stirn und blickte immer noch aus dem Fenster. Wie sollte es ihr wohl gehen? Mimi hatte sie regelrecht überfallen. „Ich weiß es nicht. Es ist komisch“. „Vielleicht solltest du mal jemanden anrufen. Deine Eltern und Tai freuen sich bestimmt über deinen Besuch“. Die Brünette ließ ihre Füße aus dem Bett baumeln und hatte weiterhin nur die Rückansicht ihrer Freundin im Blick. Das Fenster spiegelte jedoch ihren angestrengten Gesichtsausdruck wieder. Wollte sie überhaupt wieder hier sein? Sie fühlte sich so fremd – obwohl sie hier aufgewachsen war. „Wenn du darüber sprichst, wird’s leichter“, meinte Mimi und unterbrach ihre Gedankengänge. „Das ist alles so falsch! Ich gehöre hier nicht mehr hin!“, nuschelte sie und wand ihr ihre Vorderansicht zu. „Was redest du da? Du bist hier aufgewachsen. Deine Familie und Freunde wohnen hier!“ „Und weiter? Ich fühle mich hier so fremd“. Sie ging ein Stückchen auf sie zu, ließ sich jedoch auf dem anderen Bett nieder. Mimi kräuselte die Lippen und wollte gerade etwas darauf erwidern, als Kari ihr zuvor kam. „Ich glaube, es war ein Fehler wieder zurück zu kommen“. Die 21-Jährige fuchtelte plötzlich wie wild mit ihren Armen und sprang wie von der Tarantel gestochen auf. „Nein! Es ist gut, dass du wieder hier bist. In Amerika bist du vollkommen außer Kontrolle geraten!“ „Und Japan soll das wieder ändern?“, fauchte sie spitz und ließ sich auf die Matratze fallen. Mimi setzte sich sanft neben sie und fuhr ihr über ihr braunes, Haar. „Nein nicht Japan. Aber die Menschen, die hier leben!“ Kari streckte wieder nach oben und schaute Mimi tief in die Augen. „Du darfst Tai und den anderen nichts von der Geschichte erzählen! Versprich mir das!“ „Das ist nicht meine Aufgabe. Und ich werde dich ganz sicher nicht bei deinem Bruder oder den anderen reinreiten. Ich möchte dich später wieder mitnehmen!“, witzelte sie und schloss sie in eine Umarmung. „Du bist doch meine beste Freundin und Freundinnen halten immer zusammen“. Hikari drückte sie fest und beide jungen Frauen verweilten einen kurzen Moment in ihrer Umarmung. Mimi war wirklich die einzige, der sie noch blind vertrauen konnte. Sie war für sie dagewesen, nahm sie in den Arm und hörte ihr zu, wenn sie mal wieder nicht mit den Dozenten oder Kommilitonen zurechtkam. Ihre Freundschaft war echt. Und das letzte, was sie wollte, war sie zu zerstören. 20. August 2009. New York, USA. Semestereröffnungsfeier. Hikari stand am Rand. Vor ihr ersteckte sich ein Pool voller Menschen, die sich ausgelassen unterhielten und tanzten. Das Semester war noch keine drei Tage alt und die alljährliche Eröffnungsfeier war ein Ritual für eigentlich jede Uni. Doch irgendwas störte die junge Yagami. Wallace kam ihr gerade entgegengetänzelt und balancierte mit zwei Bechern Wodka-O, die er mit seinem gefälschten Ausweis geholt hatte. In Amerika anscheinend Gang und Gebe. Doch außer Wallace hatte die 18-Jährige noch keinen weiteren Anschluss gefunden. Und Wallace war noch nicht mal ein neuer Freund. Nach einigen Gesprächen wurde schnell klar, dass sich beide vor Jahren schon einmal begegnet waren. Damals besuchte sie gemeinsam mit TK Mimi in New York. Sie hatte ihn nur kurz gesehen. Zweimal wenn sie sich recht erinnerte. Doch das hatte sie nach all den Jahren einfach vergessen. Damals war sie knapp zwölf gewesen. Mittelweile war sie achtzehn und hatte kaum Erfahrungen im Erwachsenenleben gesammelt. Die einzige Beziehung, die sie hatte, war ein knappes Jahr her. Sie und Davis waren für ungefähr acht Monate ein Paar gewesen. Viele fragten sich damals nur, ob sie von allen guten Geistern verlassen war. Davis freute sich selbstverständlich wie ein kleines Kind mitten im Zuckerrausch. Er hatte sich diese Beziehung schon seit Jahren gewünscht, merkte jedoch schnell, dass Kari ihn nur als Mittel zum Zweck benutzte. Sie war in Matt verliebt. Den Musiker mit der blonden Wallemähne. Diese Erkenntnis hatte ihn wahnsinnig verletzt, weshalb er die letzten Monate eher auf Abstand ging. Er hatte sie noch nicht mal richtig verabschiedet. Selbst auf ihrer Abschiedsparty glänzte er mit Abwesenheit. TK hatte er eine Stunde vorher eine SMS geschrieben, dass er sich den Magen verdorben habe. Komisch an der ganzen Sache war, dass er sich mit Takeru auf einmal blendend verstand und sie nur noch ignorierte. Sie hatte das Gefühl, dass Davis sie komplett aus seinem Leben verbannt hatte. Und jetzt war sie hier und trauerte ihren Freunden nach, weil sie in Amerika keinen Anschluss fand. Es war wirklich skurril. „Hier ist dein Drink“, sagte Wallace lächelnd und reichte ihn an sie weiter. Sie nickte dankend und hoffte, dass der Alkohol ihre schlechte Stimmung mit hinunter spülte. Wahrscheinlich würde sie erst nach dem dritten Glas irgendeinen Effekt bemerken. Sie trank den bitteren Saft in einem Zug aus und zog ihr Gesicht zusammen, nachdem die Flüssigkeit brennend ihre Speiseröhre hinunter lief. „Du scheinst ja wirklich Durst zu haben“, japste ihre Begleitung und nippte ebenfalls an seinem Getränk. „Holst du mir noch was?“, fragte sie und hielt ihm den Becher vor die Nase. „Klar, warum nicht“, meinte Wallace und tauschte mit ihr die Behältnisse, um sich gleich danach wieder in die Menge zu stürzen. Ohne darüber nachzudenken trank sie einen Schluck aus seinem Becher. Aus einem Schluck wurden schnell viele weitere. Nicht mal fünf Minute dauerte es und sie hatte auch den zweiten leer. Langsam bemerkte sie den Alkohol. Er war warm und vernebelte ihr langsam den Kopf. Sie war es einfach nicht gewöhnt so harte Sachen zu trinken, besonders nicht direkt hintereinander. In Japan kamen sie meist nicht so leicht an Alkohol. Dennoch wollte sie die eindeutigen Stoppsignale, die ihr Körper ihr sendete diesmal ignorieren. Sie war in New York. Da musste sie doch mal richtig auf den Putz hauen. Gelangweilt stand sie neben ihrem Freund, der sich mit seinen Footballfreunden angeregt unterhielt. Sie war mal wieder Luft für ihn. Genervt stöhnte sie laut auf und tippte ihm auf die Schulter. „Man Michael, wie lange müssen wir noch hier umstehen. Ich will endlich tanzen“, erinnerte sie ihn fordernd. „Gleich, noch fünf Minuten“, gab er zurück und wand sich wieder seinen Kumpels zu. „Das sagst du schon seit zehn Minuten“, knurrte sie grimmig und verschränkte die Arme vor der Brust. Doch er reagierte mal wieder nicht. Mimi verrollte die Augen und stapfte ein paar Schritte weiter. So behandelte er sie schon seit sie hier waren. Als hätte er keinen Bock auf sie. Als wäre sie die nervige kleine Schwester, die man loswerden wollte. Doch mit Mimi Tachikawa sollte man sich besser nicht anlegen. Neben ihrem Talent divenhafte Auftritte hinzulegen, war sie eins besonders: nachtragend. Wenn er heute Abend wirklich noch auf Sex bestand, würde sie ihn eiskalt abblitzen lassen. So sprang man eben nicht mit ihr um. „Ich geh jetzt tanzen“, verkündete sie und wand ihm und seinen Freunden den Rücken zu. Michael reagierte noch nicht mal. „Was für ein Idiot“, grummelte sie und sah ihm nach, als sie plötzlich in jemanden hineinlief und prompt nassgespritzt wurde. „Man, kannst du nicht aufpassen“, blaffte sie und schaute auf ihr nasses Shirt. „Tut mir leid, war keine Absicht“, verteidigte sich die Person und kramte ein Taschentuch aus ihrer Tasche. „Hier bitte“. Erst als ihr das Taschentuch hingehalten wurde, wand sie ihren Blick von dem Fleck und starrte in ein sehr bekanntes Gesicht. „Oh mein Gott! KARI!“, kreischte sie und umarmte die Jüngere fröhlich. „Was machst du denn hier in New York“, wollte die Brünette wissen, nachdem sie ihr fast die Luft abgedrückt hatte. Kari reichte ihr mit einem Lächeln das Taschentuch, was sie dankend annahm. „Ich studiere hier. Also seit diesem Semester.“ „Wirklich? Hier? Nicht dein ernst!“, gackerte sie albern und tupfte sich den Fleck trocken. „Doch, sieht wohl so aus. Ich studiere Tanz und Schauspiel!“ Mimi kicherte leise und nahm ihre Hand. „Ich fasse es nicht. Ich studiere ebenfalls Schauspiel und Gesang“. Kari grinste. Etwas anderes hatte sie wohl auch nicht von Mimi erwartet. Sie war immer eine Dramaqueen gewesen. Das Rampenlicht rief förmlich ihren Namen. Langsam fragte sie sich, warum sie sich nicht direkt an Mimi gewandt hatte. „Oh Scheiße. Der Fleck geht nicht raus. Ich denke, ich werde mich schnell umziehen gehen. Kommst du mit?“ Auffordernd sah sie zu ihr. Kari wusste, dass sie sich mit einem normalen Nein wohl nicht zufrieden gab. „Ehm, eigentlich warte ich noch auf einen Freund. Er wollte was zu trinken besorgen!“ Mimi wank schnell ab und schielte kurz zu ihrem Taugenichts von Freund. „Er wird schon klar kommen. Schreib ihm einfach ne SMS“. „Aber ich..“. „Kein Aber. Ich wohne nur fünf Minuten von hier. Also los!“, sagte sie und zog sie einfach mit sich. Karis Blick suchte nebenbei immer noch nach Wallace, den sie nicht einfach so stehen lassen wollte. Es kam fast so rüber, als würde sie ihn für jemand besseren stehen lassen. Sie hoffte, dass er wenigstens nicht allzu böse auf sie war. Er war der einzige der sich für sie interessierte. Okay abgesehen von Mimi, die wohl hier anscheinend das Sagen hatte. Dennoch war sie gespannt. Denn mit Mimi würde es bestimmt nie langweilig werden. Wo war sie nur hingegangen? Sie hatte ihn doch darum gebeten, noch etwas zu trinken zu holen. Und jetzt war sie auf einmal weg. Wallace hielt die zwei Becher in der Hand und suchte die Mengen nach Hikari ab. Wo war sie nur hingelaufen? Sie hatte bisher ja noch nicht sonderlich groß Anschluss gefunden. Wie auch. Die meisten waren gut betucht, Wallace und Kari waren da wohl eher die Ausnahme. Sie hatten das Glück ein Stipendium bekommen zu haben. Ganz ohne, hätte sich Wallace die Juilliard nicht leisten können, auch wenn seine Mom etwas für ihn gespart hatte. Von Kari wusste er nur, dass sie sich über ihre Schule beworben hatte. So ein spezielles Förderprogramm für junge Talente. Getanzt hat sie schon seit Jahren. Bisher hatte er sie noch nicht tanzen gesehen, aber wenn sie genommen wurde, musste sie wohl sehr gut sein – besonders weil sie nur wenige Stipendiaten aus dem Ausland nahmen. Für sie sicher eine Ehre. Schade, dass er sich wohl heute Abend nicht mehr mit ihr darüber unterhalten konnte. Sie war praktisch wie vom Erdboden verschluckt. Plötzlich bemerkte er wie sein Handy vibrierte. Er stellte einen der Becher auf eine Mauer und kramte es aus seiner Hosentasche. „Bin gleich wieder da. Habe eine alte Freundin getroffen. Warte bitte solange auf mich“. Eine alte Freundin? Wahrscheinlich war er doch nicht der einzige, den sie hier kannte. Er verstaute sein Telefon wieder in der Hosentasche und wollte gerade nach dem zweiten Becher greifen, als er feststellte, dass er sich nicht mehr auf der Mauer befand. „Was? Ich habe ihn doch da hingestellt?“ Er blickte sich verwirrt um. Hatte ihm wirklich jemand das Bier geklaut? Oder litt er an kurzweiliger Demenz? „Ich kann es gar nicht fassen, dass du hier bist“, quietschte sie vergnügt und öffnete ihren Kleiderschrank. Kari staunte nicht schlecht, als sie ihr Zimmer sah. Es war wirklich sehr...pink. „Wohnst du hier allein?“, fragte sie verblüfft. „Ja, ich habe wirklich keine Lust, mit einer völlig fremden Person, das Bad zu teilen“, sagte sie Augenverrollend und kramte ein neues Shirt hervor, dass sie sich überzog. Kari musste automatisch an ihre Mitbewohnerin denken. Sie hieß April und kam aus Connecticut. Sie war nicht der gesprächigste Mensch, sondern spielte meist auf ihrem Cello. Kari würde lügen, wenn sie sagen würde, dass sie bereits einen Draht zu ihr gefunden hätte. Mimi ließ sich auf einmal ganz galant auf ihrem Bett nieder und forderte sie auf sich neben sie zu setzen. Irgendwie waren diese Semesterfeiern immer gleich. Es wurde gesoffen, rumgehurrt und am nächsten Tag ganz grantig nach einer Kopfschmerztablette verlangt. Entweder war Mimi für so etwas zu alt, oder sie war es mit der Zeit einfach leid geworden. „Erzähl doch mal. Wie kam es dazu, dass du dich hier angemeldet hast. Ich dachte du wolltest, immer Kindergärtnerin werden“. Die junge Yagami setzte sich und hoffte, dass Wallace nicht ganz allein irgendwo herum stand und verzweifelt auf sie wartete. „Wollte ich ursprünglich auch werden, aber ich war Jahrelang im Tanz- und Ballettverein unserer Schule tätig“, erklärte sie, während Mimi ihr gespannt zuhörte. „Und meine Trainerin hat eigentlich alles in die Wege geleitet“. „Dann musst du ja verdammt gut sein. Und wieso hast du für dein Zweitfach Schauspiel gewählt?“ „Ich war zwei Jahre in der Theatergruppe. Yolei hat mich dazu gezwungen“, antwortete sie lachend. Auch wenn sie es nicht zugeben wollte, sie vermisste ihre Freunde. Besonders TK, der ihr auf ihre letzte E-Mail immer noch nicht geantwortet hatte. Mimi bemerkte ihr nachdenkliches Gesicht sofort und schlussforderte ihre ganz eigene Theorie daraus. „Denkst du gerade an deinen Freund?“ Kari zuckte zusammen und schüttelte schnell den Kopf. „Ich habe keinen“. Die Brünette zog provokant die Augenbraun nach oben. „Wirklich? Ich habe immer gedacht, das zwischen dir und TK mal etwas laufen würde“. Augenblicklich lief sie rot an. Viele hatten ihr schon etwas mit TK angedichtet, doch sie waren wirklich nur Freunde. Eine rein platonische Sache. „Er ist nur mein bester Freund“, sagte sie bestimmt. „Das sagen sie alle und dann heiraten sie auf einmal. Freundschaft ist wirklich der wichtigste Grundbaustein für eine Beziehung, Schätzchen“. Sie ließ sich auf ihr Bett fallen und streckte sich. Auffällig gähnte sie und rieb sich über ihre Augen. „Hey wie wär’s wenn wir einen Mädels-Abend machen? Ich denke wir haben uns noch viel zu erzählen“, schlug sie vor und schnellte nach oben. „Aber Wallace wartet doch...“. „Ach er wird das schon verstehen. Oder er kann auch einfach vorbei kommen, wenn er will. Ist er denn heiß?“, fragte sie lachend und rückte ein wenig näher an sie heran. Kari verrollte nur die Augen und tippte eine Nachricht, die sie gleich versendete. „Hast du eigentlich einen Freund?“ Mimis Gesicht veränderte sich auf einmal und sie ließ sich wieder auf die Matratze fallen. „Ja. Er heißt Michael und ist anscheinend so helle wie ein Vollkornbrötchen“. Michael. Der Name kam ihr bekannt vor. „Ist das DER Micheal, den du uns mal vorgestellt hast?“ Sie nickte knapp. Es war DER Michael. Damals waren sie nur miteinander befreundet gewesen. Okay sie waren auch vierzehn, da war besonders bei ihm das Interesse am anderen Geschlecht nicht sonderlich groß gewesen. Zusammen kamen sie als Mimi siebzehn wurde. Davor hatte er sich schon sehr verändert. Er war auf ihrer High School immer sehr beliebt gewesen. Ein richtiger Mädchenschwarm eben. Er konnte wirklich alle haben und er hatte auch die meisten. Nur Mimi hielt ihn immer auf Abstand, bis zu ihrem 17. Geburtstag. Manchmal hatte sie wirklich das Gefühl, dass er nur mit ihr zusammen gekommen war, um sie als eine Art Prestigeobjekt vor der Schule vorzuführen. Insgeheim war Mimi froh gewesen, dass sie ihr erstes Mal nicht mit ihm erlebt hatte. Er war nicht der Romantiker der sie auf Händen trug. Er war meist sehr rau und egoistisch. Obwohl ihr erstes Mal auch nicht in eine Top Ten Liste gehörte. Sie war betrunken. Er war betrunken. Mimi erinnerte sich an diese Nacht kaum noch. Was sie noch wusste war, dass es an Silvester passierte. Und das sie sich kurze Zeit vorher von ihrem allerersten Freund Ethan getrennt hatte. Wahrscheinlich war sie deswegen so leichte Beute für ihn gewesen. Doch es lohnte sich kaum noch darüber nach zu denken. Sie war mit Michael zusammen. Sie sollte glücklich sein. Eigentlich. 26.August 2009. Odaiba, Japan. Wohnungsbesichtigung. Er konnte es nicht fassen, das er ausgerechnet mit Davis auf Wohnungssuche ging. Die bescheuerte Idee hatte ihm sein Bruder in den Kopf gepflanzt. „Versuch es doch mal mit einer WG! Bei Tai, Izzy und mir hat es doch auch geklappt!“ Er war sich nicht sicher, ob diese Idee wirklich so gut war. Matt lebte erst kurz mit Tai und Izzy zusammen. Und keiner konnte wissen, ob sie miteinander harmonieren würden. Tai und Davis waren sich in vielen Dinge sehr ähnlich. Reibungspunkte waren ganz klar vorprogrammiert. Außerdem hatten Davis und er anfangs Probleme miteinander gehabt, die auf deren Zuneigung zu Kari zurückzuführen war. Als sie mit ihm zusammen kam, fragte sich Takeru manchmal, was das Ganze eigentlich sollte. Oft hatte sie ihm schöne Augen gemacht. Oft hatten sie in einem Bett geschlafen. Oft hatte er sie beschützt. Vielleicht zu oft. Wahrscheinlich sah sie in ihm immer nur einen weiteren Bruder. Doch nachdem auch die Beziehung von Davis und Kari in die Brüche ging, änderte sich einiges. Karis wahre Intension kam zum Vorschein. Erst wollte er gar nicht glauben, als sie ihm den Grund erzählte, warum sie sich von Davis trennte. Takeru dachte wirklich sie wolle ihn verarschen. Davis ging es sicher genauso. Da sagte sie tatsächlich, dass sie sich in seinen Bruder, Yamato, verliebt hatte. Er wusste noch nicht mal, dass sie viel Zeit miteinander verbracht hatten. Sie war abwechselnd mit ihm und Tai auf seine Konzerte gegangen. Manchmal war sie mit ihrem Bruder und Matt zusammen unterwegs gewesen. Aber es waren alles nur winzig kleine Momentaufnahmen, die sie mit ihm erlebte. Mit Takeru verbrachte sie mehr als die Hälfte ihrer Zeit. Selbst mit Davis verbrachte sie mehr Zeit als mit Matt. Er konnte sie einfach nicht mehr verstehen und das brach ihm fast das Herz. Oft heulte sie sich bei ihm aus, dass Matt sie ja nur als kleines Mädchen wahrnahm. Sein Herz zog sich jedes Mal schmerzlich zusammen und er verstand allmählich, warum Davis sich von ihr distanzierte. Als sie ihm berichtete, dass sie ihn den USA studieren würde, war er einerseits sehr traurig, da er seine beste Freundin nicht mehr Tag für Tag sehen konnte. Andererseits war er auch froh. Er konnte sich von seinem Schmerz erholen und vielleicht würde er sie nach vier Jahren wieder nur als seine beste Freundin sehen. Er hoffte es. Genauso wie Davis, der sich noch nicht mal von ihr verabschiedet hatte. Beiden wurde das Herz gebrochen. Eine Tatsache, die sie offensichtlich verband. Sie waren Kari-geschädigt. „Also die Wohnung ist eindeutig zu teuer!“, motzte Davis und ließ sich auf der nächsten Bank nieder. „Die Erste war doch recht schön“. „Das zweite Zimmer war so groß wie ein Wandschrank“, kommentierte er und stöhnte laut. „Wie wäre es mit der zweiten?“, fragte er und setzte sich neben ihn. Davis wusch sich den Schweiß von der Stirn und verfluchte schon wieder den August für seine Hitze. „Ich weiß nicht. Für uns beide ist sie zu groß!“ „Wir könnten doch Ken fragen, ob er zu uns ziehen will. Du hast selbst gesagt, dass er etwas sucht, das näher an seinem Arbeitsplatz ist.“ „Das stimmt, aber trotzdem wäre noch ein Zimmer übrig. Und Cody ist definitiv zu jung!“, bemerkte der Igelkopf ratlos. Takeru rümpfte die Nase und dachte sofort an seine extravagante und laute Nachbarin. „Wie wäre es mit Yolei?“ „Auf gar keinen Fall. Mädchenfreie Zone!“, knurrte er und wedelte mit den Händen wild umher. „Aber sie ist für ein Mädchen doch recht unkompliziert“. „Ja und laut!“ „Hast du denn eine bessere Idee? Die anderen beiden sind entweder zu teuer oder zu klein“, erinnerte ihn den Blondschopf. „Gib ihr doch eine Chance. Nicht jedes Mädchen ist so wie...“. Er stoppte abrupt. TK wusste, dass Davis immer noch sehr allergisch auf ihren Namen reagierte. Aber er fand, dass eine weibliche Komponente durchaus für den WG-Frieden förderlich sein konnte. Yolei war ohnehin Chaos gewohnt, da sie jahrelang mit ihren älteren Geschwistern und ihren Eltern unter einem Dach wohnte. Warum also nicht? „Okay. Wir werden sie fragen. Aber dafür bekomme ich das größte Zimmer. Das mit dem Balkon!“ TK grinste. „Typisch Davis“, dachte er. „Abgemacht!“, sagte er und hielt ihm die Hand hin. „Abgemacht“, wiederholte Davis und schlug ein. Sie merkte, dass sie sich von ihm entfernt hatte. Zwar spürte sie dieses altbekannte Kribbeln, das sich in ihrem Bauch immer weiter ausbreitete, doch sie spürte es nicht länger bei ihm. Sondern bei seinem besten Freund. Sora wusste nicht, wie sie damit noch länger umgehen sollte. Am besten wäre es wirklich, wenn sie und Taichi miteinander Schluss machen würden. Seit seine Schwester nach Amerika gegangen war, hatte sie immer mehr das Gefühl, dass sie sich nicht mehr allzu viel zu sagen hatten. Manchmal verbrachte Sora auch die Nachmittage mit Kari, wenn er im Fußball Training war. Doch das Blatt hatte sich komplett gewandelt. Tai hatte einen Job angenommen, um mit Izzy und Matt zusammen ziehen zu können. Sie war sogar recht froh gewesen, dass er nicht auf die dumme Idee kam, mit ihr zusammen ziehen zu wollen. Dafür war sie einfach noch nicht bereit. Ihr Studentenzimmer war genügend Freiheit, die sie brauchte. Mit jemandem zusammen zu ziehen, bedeutete gleichzeitig auch immer eine Verpflichtung einzugehen. Sie war zwar erwachsen, aber noch nicht erwachsen genug, um einen solchen Schritt zu wagen. Eigentlich kam die WG Idee von Matt, der mit Izzy schon seit einem Jahr zusammen wohnte. Ihr gemeinsamer Mitbewohner zog mit seiner Freundin zusammen und das dritte Zimmer stand leer. Irgendwie schon ein wenig ironisch. Doch Tai konnte nicht mehr länger mit seinen Eltern unter einem Dach wohnen. Seit Kari nicht mehr da war, fühlte er sich wie im Belagerungszustand. Egal was er gerade machte, seine Eltern hatten andere Pläne mit ihm. Es war einfach nur nervig für den 21-Jährigen. Als Matt mit dem freien Zimmer und die Ecke kam, griff er selbstverständlich sofort zu. Da er noch etwas angespart hatte, konnte er sofort einziehen, was er auch tat. Seit drei Wochen arbeitete Tai auf verschiedenen Messen, die meist bis in die Nacht gingen. Zwar verdiente er reichlich Geld damit, aber Sora fühlte sich noch mehr vernachlässig als sonst. Irgendwie fand sie in Matt denjenigen, der sie ein wenig aufheiterte. Anfangs dachte sie sich auch wirklich nichts dabei. Sie hatten schon oft etwas gemeinsam unternommen, doch in den letzten paar Tagen häuften sich ihre Zusammentreffen. Izzy war zurzeit ebenfalls nicht da. Er besuchte mit seinen Eltern Verwandte in Yokohama und würde erst in einer Woche wiederkommen. Es hieß also nur Sora und Matt. Und beide hatten wirklich nur sehr wenig zu tun. Sora arbeitete tagsüber in einem kleinen Café, während Matt seinen Nebenjob erst in ein paar Wochen anfangen würde. Zwischenzeitlich hatte er einige Auftritte mit seiner Band, wodurch er sich auch weitestgehend über Wasser halten konnte. Die Abende verbrachten sie meist zusammen vor dem Fernseher mit alten schwarz-weiß Schinken und warteten auf den erschöpften Taichi, der meist gleich nach seiner Ankunft ins Bett verschwand. Es war seltsam. Sie vermisste es noch nicht mal mit ihm Zeit zu verbringen. Manchmal fand sie es mehr verkrampft und gezwungen, als entspannt und freudig. Deutliche Signale zeigten auf, dass sie ihn wohl nur noch als EINEN Freund liebte und nicht mehr als IHREN Freund. Die Gefühle für Tai hatten sich verändert, genauso wie die Gefühle für Matt. Knapp gesagt, sie befand sich mitten Chaos. Und Sora hatte keine Ahnung, was sie noch tun sollte. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)