Berliner Nächte von Jeschi ================================================================================ Kapitel 13: Krieg gegen die Welt -------------------------------- „Ja?“, frage ich, kaum dass ich abgenommen habe. Die Nummer kenne ich nicht. Das irritiert mich ziemlich, weil ich eigentlich nicht leichtfertig Nummern vergebe, sondern immer penibel darauf achte, dass nur die Leute sie erhalten, die ich auch kenne und mag. Allerdings kann ich nicht verhindern, dass andere Leute meine Nummer ohne mein Wissen weitergeben. So muss es auch jetzt sein, denn ich habe schon eine geraume Weile niemanden mehr meine Nummer gegeben und wenn, dann frage ich meistens auch gleich nach der des Anderen, so dass gar nicht erst ‚Unbekannte Nummer’ erscheinen kann. Am anderen Ende der Leitung ist es kurz still und ich möchte gerade wieder auflegen, als ein leises Stimmchen ertönt: „Hallo.“ Ich runzle die Stirn, weil mir die Stimme nichts sagt. Kann aber auch sein, dass ich sie einfach nicht richtig zuordnen kann, weil sie so leise ist, dass ich kaum etwas verstehe. „Hi,“ erwidere ich dümmlich. „Ähm… wer bist du?“, hake ich dann nach und blicke zu Dominik, deute ihm an, dass ich nicht weiß, wer es ist, als hätte er das aus meiner Frage nicht schlussfolgern können. Interessieren tut es ihn nicht wirklich. Er zuckt nur mit den Schultern, steht auf und räumt unseren Kram in die Spüle. Ich sehe ihm zu, wie er Wasser einlaufen lässt, während sich meine Gesprächspartnerin – dass es ein Mädchen ist, habe ich sogar schon vorher gemerkt – endlich zu erkennen gibt. „Ich bins, Stefanie,“ sagt sie und ich runzle die Stirn. Ich weiß nicht, ob ich eine Stefanie kenne, denke aber eher, dass dem nicht der Fall ist. „Wer?“, frage ich also verwirrt und am anderen Ende ist es wieder still. Wahrscheinlich war das die falsche Frage. Unter Umständen ist sie vielleicht in mich verknallt und hatte gehofft, sie sei mir auch schon aufgefallen. „Stefanie. Von der Uni. Ich helfe manchmal in der Bibliothek dabei, Bücher zu sortieren. Du hast mal ein Buch bei mir ausgeliehen.“ Ich kann mich nicht daran erinnern, mal bei einer Stefanie ein Buch ausgeliehen zu haben, sage aber dennoch: „Ach so, die Stefanie.“ Dominik wirft mir einen Blick zu und ich bedeute ihm, dass ich keine Ahnung habe. Er grinst und widmet sich wieder dem Geschirr. „Hab ich das Buch nicht wieder abgegeben?“, frage ich, weil ich davon ausgehe, dass sie deswegen anruft. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich das vergessen hätte. Ich höre Dominik leise lachen und richte meinen Blick wieder auf ihn. Mein Blick wandert an seinem Rücken herunter und mir fällt zum ersten Mal auf, dass er eine wirklich gute Figur hat. Männlich, aber dennoch nicht zu stark. „Nein, ich wollte fragen, ob du vielleicht mal Zeit hast, diese Woche,“ sagt sie und klingt dabei ziemlich unsicher. Ich versuche, mich wieder auf Stefanie zu konzentrieren. „Zeit?“, echoe ich dämlich, weil mir nichts anderes einfällt. Ich habe ihr nicht richtig zugehört, ich weiß gar nicht, warum ich Zeit haben sollte. „Ja, weil ich mir gedacht habe, wir könnten zusammen was unternehmen,“ erklärt sie mir und ich blinzle hektisch. Wenn ich auf etwas keine Lust habe, dann auf ein weiteres schreckliches Date, wie dass mit Elisa oder das mit Anne. „Ich weiß nicht,“ antworte ich also, was so ziemlich die dümmste Antwort ist, die man einem Mädchen auf so eine Frage geben kann. Weil mir das selbst auffällt, sage ich schnell: „Also, ich weiß nicht, ob ich diese Woche Zeit habe.“ Dominik dreht sich wieder zu mir um und blickt mich erwartungsvoll an. Keine Ahnung, warum es ihm so wichtig ist, dass ich mich mit Stefanie treffe, aber er sieht mich drängend an und ich seufze. „Also… wann denn?“ Stefanie klingt mit einem Mal ganz anders, total aufgedreht und erfreut. „Wie wäre es gleich Morgen?“, fragt sie und ich fühle mich ziemlich unter Druck gesetzt. „Okay,“ sage ich einfach zu, ohne überhaupt zu überlegen, ob ich da wirklich kann. Sie freut sich nur noch mehr und macht einfach mal fest, dass wir uns am Nachmittag vor der Uni treffen. Ich stimme zu und als ich auflege meint Dominik sofort. „Und?“ „Du hast doch eh gelauscht,“ maule ich und er grinst breit und nickt. „Ich dachte, dass du dir vielleicht eher darüber klar wisst, was du willst, wenn du dich mit einem tollen Mädchen triffst,“ erklärt er mir und ich nicke abwesend und stelle mir schon mal vor, wie grausam das Date werden wird. In meinen Horrorvisionen gefangen, werde mir seine Worte erst nach und nach bewusst. Ich sehe ihn wütend auf. „Du hast meine Nummer weitergegeben?“ Er zuckt nur unberührt die Schultern. „Ich bin der Meinung, es könnte dir helfen,“ erklärt er mir nur und verlässt die Küche. „Und wobei soll mir das bitte helfen?“, brülle ich ihm nach und bin immer noch sauer, dass er einfach meine Nummer weiter gibt. Was ist da überhaupt für eine blöde Anmerkung? Als würde mir ein Date bei irgendetwas helfen. Missmutig blicke ich auf mein Handy und bin geneigt, Stefanie anzurufen und ihr abzusagen, traue mich das aber nicht. Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm. Immerhin ist das Date nur von Domi arrangiert worden und wahrscheinlich findet sie mich scheiße und ist genauso froh wie ich, wenn das Date vorbei ist. „Dominik hat dir ein Date besorgt?“, fragt Leon nach und lacht herzlich. Ich sehe ihn wütend an. „Was ist daran denn bitte witzig?“, fauchte ich und sieht mich entschuldigend an. „Die Situation ist einfach ein wenig bizarr,“ klärt mich Jonas auf, auch wenn ich keine Ahnung habe, was daran bizarr ist. „Wieso?“, gifte ich deshalb und die Beiden wechseln einen Blick. „Wir haben eben gedacht, dass Dominik auf dich steht und da passt seine Partnervermittlung so gar nicht ins Bild,“ erläutert mir Leon und ich verkneife mir einen Kommentar in die Richtung, dass alle nur davon ausgegangen sind, Dominik würde auf mich stehen, weil er nie seine Fresse halten kann. Ich weiß nicht genau, warum ich schon den ganzen Tag so schlecht gelaunt bin. Obwohl es schlecht nicht trifft. Ich bin miserabel gelaunt. Ich führe Krieg gegen die gesamte Welt und am meisten gegen mich selbst. Keine Ahnung, was mich daran stört, dass Dominik mir ein Date mit Stefanie besorgt hat. Einerseits ist das ja ein feiner Zug von ihm. Andererseits stören mich seine Beweggründe. Dass ich mir darüber klar werde, was ich will. Was soll das denn bedeuten? Dass er denkt, ich würde doch auf ihn stehen und mir nur über ein Date darüber klar werden können? Ich schnaube leise. Das würde bedeuten, er macht sich doch Hoffnungen und dass eben doch nicht alles so toll ist, wie er es mir weiß zu machen versucht. Was ziemlich gemein von ihm wäre. Warum lügt er mich dann an? Soll er mir doch ins Gesicht sagen, dass er sich verliebt hat. Und wenn dem nicht so ist, soll er sich gefälligst aus meinem Privatleben heraushalten. Hinzu kommt, dass ich gar nicht weiß, wer Stefanie ist. Am Ende ist sie so eine hässliche Kuh, die keiner auch nur von hinten angucken möchte. Mir ist zwar bewusst, dass dieses Denken absolut oberflächlich ist, aber ich habe einfach die Schnauze voll von diesem Chaos, dass sich mein Leben schimpft. Ich frage mich, was sich Dominik eigentlich dabei gedacht hat und am liebsten würde ich ihn jetzt suchen und durchschütteln. Mir ist natürlich bewusst, dass das ziemlich lächerlich ist. Eigentlich ist die Sache weniger brisant, als ich sie gerade darstelle, aber ich habe das Gefühl, meine Nerven liegen blank. Ich habe mindestens zwanzig Mal probiert, Stefanie abzusagen, und im letzten Moment doch wieder gekniffen. Dass ich mit Dominik seitdem kein Wort mehr rede, brauche ich wohl nicht erwähnen. Ihn scheint das aber gar nicht zu stören. Es verstehe einer diesen komischen Jungen. Am Ende freut er sich noch, wenn es zwischen Stefanie und mir funkt und fungiert dann als unser Hochzeitsplaner. Aber erst Wind um so einen dummen kleinen Kuss machen. Der hat sie doch nicht mehr alle. Genauso wenig wie Jonas und Leon, die alles auch noch amüsant finden. Amüsant! Als wäre ich ein Trottel in irgendeiner Comedyshow auf RTL. Erneut ziehe ich mein Handy aus der Tasche, um Stefanie abzusagen, lasse es dann aber doch. Darauf warten sie doch alle. Dass ich ihr absage und sie mit mir dann Therapiegespräche in die Richtung ‚es ist vollkommen normal, dass du auf Jungs stehst! Wir verstehen das und wir lieben dich trotzdem’ führen können. Und genau um ihnen zu beweisen, dass dem nicht so ist, werde ich mich mit Stefanie treffen. Und dann werden wir Sex haben und ich werde ihnen schon zeigen, dass ich nichts an Jungs interessant finde. Nicht mal an Dominik. Trotz seinen tollen Augen, den süßen Lächeln und dem perfekten Körper. Weil das nämlich jeder andere auch so wahrnimmt und trotzdem nicht auf ihn steht. Jawohl! Stefanie ist sogar recht hübsch, gar kein Gesichtsfasching, wie ich zunächst befürchtet habe. Sie steht vor dem Gebäude und fummelt nervös an ihrer Handtasche herum. Als sie mich erkennt, kommt sie auf mich zu. Ich bin froh, dass sie zumindest zu wissen scheint, wer ich bin, ich hätte sie nämlich nicht erkennt, wenn sie nun nicht so zielstrebig zu mir marschieren würde. „Hallo,“ sagt sie leise und ich erkenne die schüchterne Stimme vom Telefon wieder. „Hallo,“ begrüße ich sie und versuche, nett zu lächeln. Es gelingt mir nur ein schiefes Grinsen. „Was wollen wir machen?“, fragt sie, weil es ihr sicher unangenehm ist, dass alle uns neugierige Blicke zuwerfen. Manchmal habe ich das Gefühl, die Uni ist ein Dorf. Jeder scheint jeden zu kennen. „Weiß nicht,“ antworte ich und versuche, ich zusammenzureißen. Ich sollte mich schon ein wenig anstrengen, wenn ich sie verführen will. Und das ist mittlerweile mein Plan. Ich muss mir langsam mal selbst beweisen, dass ich noch auf Frauen stehen und dass Dominik mir am Arsch vorbeigeht. Zumindest beziehungstechnisch. „Essen?“, schlage ich vor. „Ich bin nämlich ziemlich hungrig.“ Sie stimmt zu und wir machen uns auf den Weg zu einem netten kleinen Restaurant, nahe der Uni. Wenig später unterhalten wir uns. Naja, sie unterhält mich und ich höre zu, während sie von ihrer Arbeit in der Bibliothek erzählt. Ehrlich gesagt interessiert es mich nicht und ich habe Mühe, mir mein Desinteresse nicht anmerken zu lassen. Ich möchte nicht, dass das Date endet wie das mit Elisa. Wenigstens scheint sie nicht primär auf mich zu stehen, sondern möchte einfach einen netten Abend verbringen. Das macht die ganze Situation tatsächlich relativ angenehm und ich fühle mich gleich ein wenig besser. Ich schätze, wir sind beide nur hier, weil Dominik das so wollte und kommen uns beide gleichermaßen bescheuert vor. Andererseits kann man auch aus Scheiße noch Gold machen, wenn man sich nur clever anstellt. Deswegen versuche ich, ihr Interesse vorzuspielen, mich mit ihr zu unterhalten und sie noch auf einen Drink einzuladen. Irgendwann, als sie ihre erste Scheu überwunden hat, merke ich, dass die Gute eigentlich ein recht sympathischer Mensch ist und man sicher viel Spaß mit ihr haben könnte – freundschaftlicher Natur, versteht sich. Naja, und vielleicht im Bett. Irgendwann versuche ich, ihr eindeutige Signale zu geben. Ich muss zugeben, dass ich im verführen relativ schlecht bin, weil es eigentlich nicht meine Art ist. Aber wir haben ja beide schon gemerkt, dass es nur für Freundschaft reichen wird und es spricht doch nichts dagegen, die Freundschaft mit Sex zu besiegeln. Sie blickt mich an und ich lächle verführerisch und beuge mich ein wenig näher zu ihr. Glücklicherweise scheint sie zu verstehen, dass sie tut es mir gleich und in wenigen Sekunden wechselt unser Gespräch von unverfänglichen Geplauder zu einem heißen Flirt. Interessanterweise stellt sich dabei heraus, dass Stefanie gar nicht so schüchtern ist, wie ich es gedacht habe. „Eigentlich ist das ja nicht meine Art, aber…“, sie bricht ab und kichert dämlich, blickt mich dabei aus einem Schlafzimmerblick an, der alle weiteren Wort unnötig macht. „Wir sollten zu mir gehen,“ schlage ich vor und sie nickt und kichert erneut und ich bezahle. Während ich das Geld abzähle, fällt mir auf, dass ich mich so gar nicht selbstsicher fühle, auch wenn ich ihr das gerade vormachen will. Ich habe gar keine Lust auf Sex mit ihr und komme mir dämlich vor, sie nur flachlegen zu wollen, weil ich mir selbst etwas beweisen muss. Und Dominik natürlich auch. Ich frage mich, ob er sich nicht doch einen anderen Ausgang dieses Dates erhofft hat und jetzt den Schreck seines Lebens kriegt, wenn ich sie nebenan flachlege. Andererseits ist er selbst Schuld, wenn er so eine Scheiße in die Wege leitet. Ich packe Stefanies Handgelenk und ziehe sie mir mit mir. Sie kichert die ganze Zeit nur dämlich vor sich hin und ich frage mich, ob sie vielleicht von einem einzigen Gin Tonic schon so betrunken ist, dass sie sich gar nicht mehr unter Kontrolle hat. Am Ende halst sie mir noch eine Klage wegen Vergewaltigung auf oder so. Aber ich habe ja den Barkeeper als Zeugen, dass sie nicht betrunken sondern nur bescheuert ist. Sie läuft auch noch normal, als wir auf den schnellsten Weg zur WG rennen und ich letztlich aufschließe. Ich bin sicher, Dominik ist noch wach, auch wenn in seinem Zimmer und sonst wo in der Wohnung kein Licht brennt. Oder er ist noch gar nicht zu Hause. Jedenfalls ist die Uhrzeit noch nicht sonderlich weit fortgeschritten. Ich führe Stefanie in mein Zimmer und bitte sie, es sich bequem zu machen, während ich uns was zu trinken hole. Eigentlich sollten wir gleich zur Tat schreiten, aber ich bin wahnsinnig gut darin, Zeit zu schinden, weil ich mir noch immer unsicher bin. „Danke,“ meint sie, als ich ihr ein Getränk hinstelle und mich dann neben sie setze. Sie hockt auf meinem Bett und betrachtet die Mathebücher, die überall herumfliegen. „Studierst du echt Mathe?“, fragt sie mich ungläubig und ich bin es Leid, auf diese Frage zu antworten, also nicke ich nur und nehme einen großen Schluck Wasser. „Also dann,“ meint sie und im nächsten Moment sitzt sie auf meinem Schoß und ich bekomme Panik. Ich weiß gar nicht mehr, wie man Sex hat. Ich habe das Gefühl, seit der Sache mit Maria habe ich es total verlernt. Ich mag gar nicht. Wirklich nicht. Hilfe suchend sehe ich mich in meinem Zimmer um, als könnte mich dort etwas retten. Ich sehe die Schlagzeile schon vor mir: Student von sexgeiler Bibliothekarin vergewaltigt! Dominik! Er könnte jetzt nach Hause kommen, nichts ahnend in mein Zimmer platzen und mich so vor der Katastrophe retten, aber er tut es nicht. Dieser Arsch. Stattdessen tut Stefanie etwas, nämlich ihr T-Shirt hochziehen und mir ihre Brüste präsentieren. Naja, eigentlich ihren BH, aber der fällt Sekunden später zu Boden. Ich gebe mir einen Ruck und berühre sie und versuche, so zu tun, als wäre alles super. Das ist es natürlich nicht. Ich komme mir pervers vor und sie kommt mir vor, als wäre sie eine Nutte. Wahrscheinlich ist sie das sogar und die Bibliothekssache ist nur erfunden. Wenig später ist sie gänzlich nackt und ich bin es fast und komme mir total bescheuert vor. Wenigstens bin ich steif, ansonsten hätte ich mich nirgendwo jemals wieder blicken lassen können. Ihr scheint sogar zu gefallen, was ich so tue, denn sie stöhnt und windet sich und ich frage mich, was sie wohl für Drogen genommen hat. Irgendwann wird sie ungeduldig und fummelt an einen Kondom herum, zieht es mir über und zwingt mich dazu, mit ihr Geschlechtsverkehr zu haben, indem sie die Sache einfach selbst in die Hand nimmt. Ich versuche, die Sache zu genießen und kann es doch nicht. Von mir selbst entsetzt, stelle ich mir vor, dass es nicht sie ist sondern irgendein hübscher Junge. Glücklicherweise macht es mir dennoch nicht mehr Spaß und ich muss mich langsam fragen, ob bei mir nicht irgendetwas kaputt gegangen ist und ich nie mehr Lust oder gar Liebe empfinden werde. Tatsächlich dauert es ewig, bis ich komme, aber sie scheint das gut zu finden, weil Frauen glaube ich eh länger brauchen. Andererseits stöhnt und schreit sie die meiste Zeit so, dass ich mich fragen muss, wie viele Orgasmen sie eigentlich hatte. Irgendwann ist der Spuk vorbei und sie zieht sich an. „Zugegeben, ich habe mir das Ganze anders vorgestellt, aber am Ende war es doch ziemlich heiß, oder? Hat sich definitiv gelohnt,“ grinst sie, ehe sie geht und mich einfach alleine lässt. Kaum dass die Tür ins Schloss gefallen ist, renne ich splitternackt über den Flur und unter die Dusche und spüle all das Grauen des Abends von mir ab. Als ich mich wenig später in ein Handtuch wickle, tritt Dominik ungefragt ins Badezimmer und ich starre ihn entsetzt an. „Ich bin nackt!“, rufe ich und er blickt unbeeindruckt auf mein Handtuch, mit dem ich so gar nicht nackt bin. „Und?“, fragt er, obwohl er sich genau gehört hat, dass wir Sex hatten. Ich zucke also nur mit den Schultern und warte darauf, dass er etwas sagt. „Was willst du denn hören?“, frage ich ihn also entnervt und er zuckt mit den Schultern. „Ich habe mehr gehört, als ich hören wollte,“ erläutert er mir und ich erröte. „Warum hast du sie mir auch auf den Hals gehetzt? Die Frau ist notgeil, das sage ich dir!“, schnauze ich ihn an und er schmunzelt leicht. „Genau deshalb. Ich habe gedacht, es hilft dir,“ erklärt er mir und ich sehe ihn wütend an. „Wobei denn eigentlich?“ „Bei deiner Krise wegen dem Kuss,“ mault er und weicht zurück, als ich zu ihm stürme und ihn den Finger in die Brust piekse. „Ich habe keine Krise. Und ich wäre dir dankbar, wenn du aufhören könntest, mir solche Weiber auf den Hals zu hetzen!“ Damit lasse ich ihn stehe und knalle meine Zimmertüre zu. Ich dachte immer, ich wäre komisch, aber Dominik übertrifft momentan einfach alles. Jonas und Leon erzähle ich natürlich, wie wahnsinnig geil die Nacht gewesen ist, dass ich ihr das Hirn rausgevögelt habe und dass sie noch niemals besseren Sex hatte, wie mit mir. Reichlich übertreiben. So übertrieben, dass sie mir es wahrscheinlich eh nicht glauben, weil solch ein Gelaber eigentlich nicht meinen Mund verlässt. Aber sie sind so höflich, nichts zu sagen und nachdem Stefanie mir beim Mittagessen ein paar verführerische Blicke zuwirft, merken sie zumindest, dass meine Geschichte nicht komplett an den Haaren herbei gezogen ist. Leider hilft mir das immer noch nicht bei meinem Problem, dass ich dank Dominik habe. Ich bin unfähig, Sex zu haben. Ich bin unfähig, mich zu verlieben. Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt noch existiere. Irgendwie läuft gerade alles aus dem Ruder und bei all den komplizierten Dingen, die momentan geschehen, ist es trotzdem noch Dominik, der mein ruhender Anker in der ganzen Situation ist. Als würde er zeitlichgleich alles ins Wanken bringen und mir dennoch Sicherheit vermitteln. Als Leon gegangen ist, spreche Jonas auf mein Problem an, was mir so gar nicht leicht fällt. „Weißt du, der Sex war schon echt gut, aber irgendwie hatte ich trotzdem keine Lust darauf. Ich habe in letzter Zeit überhaupt keine Lust mehr auf Sex. Und jemanden toll finden, kann ich schon ewig nicht mehr. Ob irgendwas bei mir kaputt ist?“ Ich sehe ihn an und er blinzelt verwirrt, weil er sicher mit allen gerechnet hat, nur nicht damit. „Was willst du mir eigentlich sagen?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Ganz egal, ob Elisa oder Anne oder jetzt Stefanie – sie sind alle wirklich toll, aber ich kann mich einfach nicht auf sie einlassen. Wenn ich mir vorstelle, mit ihnen Sex zu haben, dann graut es mich. Und so ein Kribbeln im Bauch hat auch nicht eingesetzt, wenn ich sie gesehen habe. Das war ja nicht mal Vorfreude auf das Date,“ erläutere ich ihm und er runzelt die Stirn. „Vielleicht setzt du dich selbst unter Druck,“ überlegt er und ich frage mich, ob das stimmen kann. Andererseits wüsste ich nicht, dass ich mir wirklich totalen Druck mache. „Die Sexgeschichte mit Stefanie passt ja auch nicht wirklich zu dir. Trotzdem hast du es getan. Warum?“, fragt er und ich zucke mit den Schultern. „Um Dominik zu beweisen, dass ich nicht auf Jungs stehen?“, frage ich und er sieht mich überrascht an. Notgedrungen erzähle ich ihm von meiner Unterhaltung mit Dominik und dass er der Meinung ist, ich könnte mir unbewusster Gefühle klar werden. „Ich habe das aber schon ausprobiert, weißt du. So… Pornos angeguckt und geschaut, ob ich Jungs toll finde. Aber da hat sich bei mir auch nichts getan. Es ist einfach, als wäre ich innerlich tot. Nicht mehr fähig, etwas zu fühlen.“ Die Aussage lässt seine Mundwinkel zucken, aber er ist so schlau, nicht zu lachen. „Schon mal daran gedacht, dass du niemand etwas beweisen musst? Weder dir selbst noch Dominik noch Leon und mir. Vielleicht versuchst du es einfach damit, wieder in den Tag zu leben, wie vor einigen Wochen. Vor der Sache mit Maria.“ Ich schüttle den Kopf. „Aber das geht nicht. Es ist zu viel passiert und es wurden zu viele Vermutungen geäußert, denen ich nun auf die Spur gehen will.“ Er sieht mich musternd an. „Soll ich dir meine Einschätzung geben?“, fragt er und ich nicke irritiert. Ich wusste nicht, dass er sich solche Gedanken um meine Situation gemacht hat, um mir eine klare Analyse der Lage zu geben, aber genau das tut er. „Eine ganze Zeit lang gab es für dich nur noch Dominik, dann hast du wieder angefangen, etwas mit Mädchen zu machen und gemerkt, dass es nicht klappt. Jetzt, da sich die Situation verschärft hat, versuchst du dir selbst zu beweisen, dass du nicht auf Jungs sondern auf Mädchen stehst. Aber das ist doch völliger Unsinn. Du weißt doch eigentlich, wer du bist und solltest dich nicht von äußeren Einflüssen verunsichern lassen.“ Ich blicke betrübt zu Boden. „Also meinst du, es ist Quatsch zu denken, ich wäre in Dominik verliebt. Und das mir dieser Gedanke vielleicht alles kaputt macht?“ Er überlegt eine Weile und zuckt dann mit den Schultern. „Ich denke, dass du dich Sache einfach auf dich zukommen lassen sollst.“ Ich verziehe den Mund, weil mir die Aussage nicht gefällt. Sie beantwortet meine Frage nicht. Das sage ich ihm auch und er muss lachen. „Jonas, ernsthaft. Du glaubst also, ich bilde mir nur ein, vielleicht in ihn verliebt zu sein, weil alle das sagen?“ Er steht auf und schnappt sich sein Tablett. „Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur gesagt, dass du am besten weißt, wer du bist.“ Mit diesen Worten verschwindet er und ich bin geneigt, ihn richtig schlimm zu hassen. So eine Aussage bringt mich einfach nicht weiter. Missmutig stehe ich ebenfalls auf und räume das Tablett weg. Ich hatte mir erhofft, von Jonas einen Ratschlag zu bekommen. Stattdessen erzählt er mir irgendwelche Geschichten über Selbstfindung, als hätte ich vergessen, wer ich bin. So ist es nämlich nicht. Ich habe nur einfach Angst, dass ich nicht mehr der bin, der ich eins war. Das ich mich verändert habe. Und dass diese Veränderung vielleicht nicht unbedingt das ist, was ich gerne für mich selbst hätte. Als ich am Abend nach Hause komme, ist Dominik bereits dort. Er guckt seine blöde Soap und nimmt mich erst wahr, als ich mich neben ihn fallen lasse. „Wie war dein Tag?“, frage ich belanglos und er zuckt nur mit den Schultern. „Ich habe mir überlegt, dass wir Morgen etwas zusammen unternehmen könnten,“ erläutere ich ihm und er blickt mich nun doch an. „Hast du Lust?“, frage ich ihn und er nickt langsam. „Klar,“ stimmt er zu und ich sehe ihm an, dass etwas nicht stimmt. „Alles okay?“, frage ich und er weicht meinem Blick aus. „Die Sache mit Stefanie war reichlich blöd, oder?“, fragt er dann nach einiger Zeit und ich muss schmunzeln. „Ohja,“ stimme ich zu und er lacht. „Ich habe das nur getan, weil ich so sauer auf dich war, nach dieser Sache mit dem Kuss. Ich dachte mir, dass du so was unterlassen solltest, wenn du es nicht ernst meinst und dass du vielleicht mal wieder mit einer Tussi zusammen sein solltest, um dir darüber klar zu werden, dass du nicht tun und lassen kannst, was du willst.“ Er sieht mich entschuldigend an. „Dabei habe ich leider vergessen, dass an der Sache auch zu knabbern hattest und meine Aktion eigentlich total lächerlich gewesen ist.“ Ich muss lächeln und winke ab. „Eigentlich war sie sogar gut. Ich habe deswegen heute noch einmal mit Jonas über alles geredet und gemerkt, dass ich aufhören sollte, mir wegen jedem Mist Gedanken zu machen.“ Er nickt und ich merke, wie diese Lektion so langsam fruchtet. Früher hat mich all das gar nicht gestört. Die Gerüchte um Dominik und mich, es ist einfach an mir abgeprallt. Wann aber hat es eigentlich angefangen, mir doch etwas auszumachen? Vielleicht, als ich mir selbst nicht mehr sicher sein konnte. „Was machen wir denn dann morgen schönes?“, will er wissen und sieht mich neugierig an. Ich zucke mit den Schultern. „Kino?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)