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Das Lied im Automaten

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Teil I
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Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich bin mir nicht sicher, ob das Kapitel wirklich dem ersten entspricht, vielleicht fange ich hiermit noch einmal ganz von vorne an (die Zeitspanne war einfach zu lang).
Jedenfalls euch trotzdem viel Spaß mit dem Kapitel! Komplett anzeigen
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Das Kapitel ist (eigentlich) chronologisch richtig verfasst worden. Komplett anzeigen
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Teil II
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Teil III
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Das Erbstück

 Die junge Halbelfe Alyne starrte das Erbstück fassungslos an. Als ihr Vater, ein Mensch, ihr an seinem Totenbett erzählt hatte, sie würde das Kostbarste und für sie nützlichste aus seinem Besitz bekommen, dachte die Kampflustigste der insgesamt vier Geschwister eher an sein Schwert Flire, welches trotz zahlreicher Kämpfe nie geschliffen werden musste und immer noch so scharf wie in seinen besten Tagen war und fast alles mühelos durchtrennen konnte. Seinen Dolch Shil hätte sie auch noch als akzeptabel und passend empfunden, da Shil wie ein Magieverstärker wirkte und so etwas hatte sie mit ihren Halbelfenkräften dringend nötig, um in Magie mit den anderen Elfen mithalten zu können.

Aber es wurde nichts von beidem. Ihre Vorstellungen wurden komplett zerstört, als Nihit, der engster Vertraute ihres Vaters, ihr das Erbstück übergeben hatte. Nun lag es auf dem Boden in ihrem Zimmer. Es war eine hölzerne Kiste aus einem dunklem Holz, sie vermutete Ebenholz, mit etlichen Griffen und Hebeln verschiedenster Größe. Es stand auf vier einfach gehaltenen Füßen, jeder davon etwa anderthalb Handspannen groß, sodass auch am Boden noch viele Hebel sein konnten. Deutlich zeichneten sich ihre und Nihits Fingerabdrücke auf der dicken Staubschicht ab.

Was hatte sich ihr Vater dabei gedacht? Sie konnte keinen Rat mehr bei Reoli, ihrer Elfenmutter, suchen, denn diese hatte sich direkt neben dem Grab ihres Mannes in einen schützenden Baum verwandelt, um immer bei ihm sein zu können, geistig sowie körperlich. Sie bewirkte, ob ihr Geist nun im Baum war oder nicht, dass sein erkalteter Körper nicht verweste, solange sie dort stand. Es war ein unerklärliches Phänomen, das aus dem Band der Liebe zwischen zwei Wesen, die sich glichen und doch vollkommen anders waren, entstand.

Bis heute waren ihre Eltern ein Rätsel für Alyne, ebenso ihre Geschwister, doch dies beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Jedes Familienmitglied und sogar Nihit konnte in ihr lesen wie in einem offenem Buch. Sie war eben eine sehr emotionale Person mit viel Temperament und Kampfgeist, dessen Gefühle sich offen in ihrer Körperhaltung und Mimik zeigten.

Auch äußerlich entsprach sie keineswegs dem Bild der stillen, wunderschönen Elfen, aber auch nicht dem eines normalem Menschen. Ihre Haare waren für elfische Verhältnisse zu auffällig, aber auch Menschen besaßen nicht diese feuerrote Haarpracht, die von silbernen Strähnen durchzogen wurde. Alyne trug ihre Haare immer offen - mittlerweile reichten sie der Halbelfe bis zur Mitte des Rückens -, anders als ihre gleichaltrigen Genossinnen, die ihre silbernen, braunen oder schwarzen Haare immer zu aufwendigen Frisuren zusammenbanden oder flochten.

Wenn es jedoch um reine Kraft ging, war sie dank hartem und immerwährendem Training die Stärkste, doch was Magie betraf bildete sie das Schlusslicht. Egal wie viel sie übte, richtig gelingen wollte ihr nichts mit dieser mysteriösen Kraft, die überall war. Es lag wohl in ihrem Blut, und oft hasste sie dieses dafür. Wieso konnte oder wollte dieser Körper keine Magie hervorbringen? Ihre anderen Geschwister konnten sie doch auch wie die Elfen und ähnelten auch mehr Elfen als Menschen, wieso also war sie so, wie sie war?

Es gab nun aber niemanden, den sie um Rat fragen könnte. Sie war die jüngste von den Geschwistern. Nicht einmal ihre Brüder und ihre einzige andere Schwester befanden sich in ihrer geringen Reichweite, da diese sich alle nach dem Tod ihrer Eltern in die Welt verstreut hatten. Wen konnte sie um Rat fragen? Niemanden, wirklich niemanden.

Seufzend ließ sie sich auf den Boden sinken, starrte immer noch gedankenverloren ihr Erbstück an. Es schien ein sogenannter „Automat“ zu sein, ihr Vater hatte ihr immer mit leuchtenden Augen von ihnen erzählt. Es war ein von Menschen gemachtes Etwas, bei dem ein bestimmter Mechanismus betätigt werden musste, der wiederum eine weitere Reaktion auslöste. Als Beispiel hatte ihr Vater immer Uhren genommen, also etwas wie Kuckucksuhren. Aber was sollte sie, eine kämpferische Halbelfe, damit anfangen?

Es klopfte nun zum zweitem Mal an der Tür. Widerstrebend erhob sie sich von ihrem Platz und marschierte mit mürrischem Gesichtsausdruck zu der Tür ihrer kleinen Einzimmerwohnung. „Wer ist da?“, fragte sie laut und schaute durch das kleine Loch in ihrer Eichenholztür. Sie erblickte einen nervös aussehenden, jungen Mann, der wohl ein Elf sein musste. Seine Ohren spitzten sich in der typisch elfischen Art.

„Ähm... Ich bin gestern nebenan eingezogen und wollte... ähm... kurz 'Guten Tag' sagen“, stotterte er mehr schlecht als recht leise und kaum verständlich als Antwort. Er strich sich die ganze Zeit mit sehr nervösen Blicken in der Luft eine Strähne seines schwarzen Haares zurück. Er hatte seine schulterlangen Haare bis auf eben dieser Strähne an seiner Linken zu einem lockerem Pferdeschwanz gebunden. Er trug das normale, elfische Gewand in Grüntönen mit goldenen Stickereien.

„Aha.“ Alyne öffnete die Tür, um den Besucher näher in Augenschein nehmen zu können. Vielleicht hoffte sie aber auch, dass er, wenn er ein Gesicht zum Ansehen hat, diesen nervös wandernden Blick unterließ. Da irrte sie jedoch gewaltig.

„H-h-hall-llo“, stotterte er, eingeschüchtert von ihrem direktem Blick, der einen Hauch genervt wirkte.

„Hallo.“ Sie musterte den schmächtig wirkenden Elf genau, woraufhin er jedoch nur noch nervöser wirkte. Seufzend sah sie in eine andere Richtung, in der Hoffnung, er würde sein Zittern und Stottern unterlassen. Sie konnte, da sie ihre Augen abgewandt hatte, nicht sehen, wie das endlos scheinende Zittern sich endlich beruhigte.

Sein Tonfall jedoch verriet ihr, wie erleichtert er war. Ruhiger und entspannter fuhr er mit der Begrüßung fort: „Ich heiße Feliff, und du?“

„Ich heiße Alyne.“ Sie reichte ihre Hand in die Richtung, in der sie Feliff vermutete. Das war keine ihrer besten Ideen, wie sich sogleich herausstellte. Die Richtung stimmte zwar, aber als er ihre Hand ergriff und schüttelte, war da wieder dieser Zitterkrampf, außerdem schwitzte seine Hand anormal viel. Schnell beendete sie die Geste des Händeschüttelns und warf einen trockenen Kommentar in den Raum: „Du scheinst nicht gut im Kommunizieren zu sein, was?“

Sie hatte keine Antwort erwartet, doch als eine kam, wurde ihr Blick, der dem Türrahmen gewidmet war, immer erstaunter und sie war versucht, sich umzudrehen.

„Diese Frage kann ich leider nur Bejahen, ich habe in meinem Leben noch nicht viel mit anderen Halbelfen, Elfen oder Menschen zu tun gehabt.“

Ihre Verwunderung galt der Auflistung der Wesen. Sie fragte sich nicht, wieso er nicht von Wesen im Allgemeinem sprach, sondern vielmehr warum er, ein Elf, seine Rasse nicht zuerst nannte. Elfen waren, was ihre eigene Rasse anbelangte, sehr eigen und stolz. Selbst die gütigste Elfe konnte es sich nicht verkneifen, bei einer Aufzählung der menschlich anmutenden Rassen ihre zuerst zu nennen. Es war einfach in ihrem Denken so festgelegt. Dass es nicht nur das schnelle Erinnern an seine eigene Rasse war, hatte man schnell bewiesen, indem man einige Elfen wie Menschen aufzog und sie auch im Glauben ließ, ein Mensch zu sein. Als dann die Auflistung dran war, hatte jedes der Elfenkinder „Elfen“ als erstes gesagt, und nicht „Menschen“.

„Ich weiß, dass es nicht der Norm entspricht, aber ich bin in solchen Punkten nun mal sehr eigen. Außerdem liegt es mir in solchen Dingen näher, die Rasse meines Gegenübers zuerst aufzuzählen.“ Sie spürte ein warmherziges Lächeln von ihm ausgehen, konnte es jedoch nicht sehen. Sie ahnte auch, dass, wenn sie sich nun umdrehen würde, er wieder in seinen großen Zitterkrampf bekommen würde, also seufzte sie nur tief.

„Was ist los?“

„Ich frage mich nur, wieso du so extrem nervös reagierst, wenn du angeschaut wirst.“ Fragend sah sie den Türrahmen an, dessen Maserung sie langsam in- und auswendig kannte.

„Sagte ich nicht bereits, dass...“, fing er an, wurde aber sofort von ihr unterbrochen: „Deine Sprache scheint aber sehr gehoben und höflich zu sein.“ Ein lautes Seufzen erreichte ihre Ohren.

„Ja, ich weiß auch nicht warum...“ Seine Stimme hatte einen frustrierten Unterton, er fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Vorsichtig blickte er kurz in ihre Richtung, sah aber sofort wieder weg. Doch in diesem kurzem Moment, den er von ihrem einzigem Zimmer erhascht hatte, bemerkte er etwas, was sein Interesse weckte. „Ähm... Dieser Kasten in deinem Zimmer... Dürfte ich ihn mir vielleicht näher ansehen?“, fragte er schüchtern, aber dennoch mit Nachdruck und Neugierde.

Irritiert schwenkte ihr Blick nun doch zu ihm hinüber. „Der Kasten...? Wovon weißt du denn davon?“ Die Verwunderung in ihrer Stimme war nicht zu überhören, eben so wie das Zittern seinerseits nicht zu übersehen war. Sie wandte ihren Blick wieder ab, er setzte zur Antwort an: „Ich habe einen kurzen Blick darauf erhaschen können, als du die Tür aufgemacht hast...“, log er, da ihm die richtige Antwort dann doch irgendwie peinlich war.

Kritisch musterte sie ihn, ehe sie seufzte und ihm bedeutete, hineinzugehen. Sie selbst ging schon voraus und vertraute darauf, dass er die Tür hinter sich schloss. Nachdem sie den kurzen Weg zwischen ihrer Tür und ihrer Wohnung hinter sich gelegt hatte, setzte sie sich auf ihren einzigen Stuhl in der Nähe des Automaten. Sie beobachtete ihn, während er ihren Automaten näher in Augenschein nahm. Er zückte aus den Weiten seines Gewands eine ziemlich runde Brille, die irgendwie gar nicht zu seinem sonst sehr elfischen Aussehen passte, heraus und legte sie sich auf die Nase. Er wirkte höchst konzentriert und schien auch ihren bohrenden Blick nicht zu merken.

Er strich die Staubschicht sanft weg, ganz so, als wäre der Automat nicht einfach nur eine Konstruktion von menschlicher Hand, sondern vielmehr ein Lebewesen. Er betrachtete die Hebel und die Beine, das Holz und nun fiel auch ihr eine kristallene Kugel auf, die sich zwischen den vielen Hebeln ganz klein gemacht hatte, doch jetzt, wo sie sie einmal gesehen hatte, konnte sie ihren Blick nicht mehr davon abwenden. Sie hatte das Gefühl, irgendetwas Magisches ging von dieser Kugel aus.

Vorsichtig kam sie dem Automaten immer näher, ganz fasziniert von dieser Kugel. Sie registrierte das erneut einsetzende Zittern Feliffs gar nicht, die Kugel hatte all ihre Aufmerksamkeit für sich allein. Sie näherte sich langsam der Kugel, sie streckte ihre Hand der Kugel entgegen.

Sie bemerkt ebenfalls nicht, wie zitternde Hände sie aufhalten wollten, das zu tun, was sie im nächstem Augenblick schon getan hatte.  

Suchen nach

Ganz sachte berührte sie die Kugel.

Sie zersplitterte.

Erschrocken wich Alyne zurück, feiner Staub und ebenso zarte Glassplitter verteilten sich in der unmittelbaren Nähe des Automatens. Es schien so, als würden diese Splitter sich strahlenförmig von dem Ort, wo sich ehemalig die kleine Kristallkugel befand, verteilen. Diese kleine Kristallkugel hinterließ nur noch ihre Überreste auf Alynes Boden und zwei verwirrt dreinblickende Gesichter.

Beide Personen waren in ihrer Bewegung erstarrt, nur ihre Augen hatten sich nervös und fragend hin und her bewegt. Niemand traute sich zu sprechen oder sich zu entspannen. Viel zu groß war der Respekt vor dem kleinem Phänomen, von dem sie nicht wussten, was es war. Aber es war wirklich komisch.

Wieso hatten eine kampfbegabte Halbelfe und ein reinblütiger Elf solchen Respekt vor einer zersplitternden Glaskugel?

Lange standen sie wie Standbilder da, und nichts und niemand schien sie aus dieser Starre erlösen zu können. Sie wussten selbst nicht, ob es Magie oder ihr eigener Wille war, der sie in diesen Zustand fesselte.

Als die feinen Körner der ehemaligen Kugel anfingen, zu leuchten. Sanft erhoben sie sich von ihren Standorten nach oben, zur Decke hin. Ihr Strahlen wurde währenddessen immer stärker, langsam fiel ein Bann von den beiden Erstarrten ab. Erste Seufzer der Erleichterung wichen dem stummen Staunen.

Die Leuchtkörner bildeten etwas, wenn auch nur sehr, sehr langsam. Wie normaler Staub, der durch die Luft wirbelte, fanden sie in einem sehr gemächlichem Tempo den ihnen angestammten Platz. Doch auch genauso wie dieser waren sie sehr, sehr empfindlich. Selbst bei winzigen Bewegung konnten sie auseinander stoben und mussten sich erneut formatieren. Deswegen durften die beiden sich nicht ein kleines Bisschen regen, sie verharrten in ihren Posen wie eben, still und schweigend, denn selbst ein leiser Lufthauch würde alles durcheinander wirbeln.

Die feinen Körnchen bewegten sich so, als gäbe es da nicht etwas, das sich Zeit nannte. Als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt, langsamen Körnern beim Finden ihres Platzes zuzuschauen. Selbst Feliff mit seiner eigentlich unendlichen scheinenden Geduld bekam mit der Zeit Krämpfe und musste sogar, auch wenn er es nicht zugeben mag, innerlich fluchen. Das tat Alyne mit ihren spröden Geduldsfäden mehr als nur einmal. Sie hatte wieder zu ihrem altem Temperament zurückgefunden und brodelte innerlich. Am liebsten würde sie diese unglaublich schnellen Körner verhauen, aber das konnte sie nicht. Sie würden einfach abhauen.

So machten beide also mehr oder minder gute Miene zu bösem Spiel. Da fiel Feliff wieder etwas ein, was er vor einiger Zeit gelernt hatte. Er beherrschte diese Art der Magie nur auf einer niedrigen Stufe, aber immerhin mehr als genug, um diese hoffentlich nicht magieabwehrenden Geduldsproben ein wenig zur Eile zu treiben. Er schloss vorsichtig seine Augen und bewegte seine Lippen langsam und stumm. Alyne konnte ihn nur aus den Augenwinkeln beobachten, ihre Haltung ließ weitere, größere Bewegungen einfach nicht zu.

Konzentriert legte Feliff mit betonter Langsamkeit seine Stirn in Falten. Es war ein leichter Zauber, jedoch hatte er ihn sehr wenig gebraucht, weshalb das letzte Mal einige Jahre her sein konnte. Und auch hatte er noch nie Zauber mit dieser Geschwindigkeit gewirkt, weswegen er selbst gespannt auf das Ergebnis war.

Während ein nicht ausgeprochenes Wort nach dem anderen seine Lippen verließ, ahnte Alyne nur, was für ein Zauber er ausüben wollte. Im Magieunterricht hatte sie nicht wirklich aufgepasst, weil sie gewusst hatte, dass sie es eh nicht schaffen würde. Magie zu wirken. Es erschien ihr immer noch wie ein meilenweit entfernter Traum und ein wenig beneidete sie Feliff. Ein wenig.

Mit bestimmter Sicherheit geschah etwas in diesem Raum. Etwas... Magisches. Feliff begann, seinen Körper in ein schwaches Glimmen zu hüllen. Genauer gesagt hüllte er nicht nur seinen Körper ein, sondern begann, den ganzen Raum in dieses blaue Licht zu tauchen. Nun konnte Alyne sich nicht mehr zurückhalten. Sie hatte solche Magie noch nie gesehen, was machte er da? Mit einer viel zu ruckartigen Bewegung drehte sie ihren Kopf die benötigten Zentimeter in seine Richtung, ein Luftzug erreichte die feinen Körner.

Doch sie stoben nicht auseinander. Es geschah eher das Gegenteil, mit erhöhter Geschwindigkeit rasten sie regelreicht aufeinander zu, wenn man es mit ihrem vorhergehendem Tempo verglich. Entgeistert schwenkte ihr Blick von den plötzlich schnellen Staubkörnern zu Feliff, der immer noch höchstkonzentriert mit geschlossenen Augen da saß, und wieder zurück. Hin und zurück.

Was war hier bloß los?

Seufzend gab Alyne die Frage schnell auf. Er würde sich schon erklären, oder? Sie ließ sich seufzend auf den Boden nieder und schaute zu dem sich bildendem Schriftbild empor. Langsam konnte sie sich erschließen, was es werden würde. Buchstaben. Ihr Vater hatte ihr auf diese Weise eine Nachricht hinterlassen. Vielleicht würde sie dann auch endlich erfahren, wieso sie ausgerechnet dieses... Ding geerbt hatte.

Da ertönte auch ein Seufzen von Feliffs Seite und im selben Augenblick ein feines Klick von den Staubkörnern. Rasch hatte sie ihre Augen von Feliff, der ein wenig erschöpft wirkte, abgewendet und blickte mitten in das Licht von strahlenden Buchstaben. Das Strahlen nahm rapide an Leuchtkraft ab, kurze Zeit nachdem Alyne dort hingesehen hatte. Mit Leichtigkeit entzifferte sie die Buchstabensalate.

„Ähm... Was steht da?“, fragte Feliff einem Impuls folgend. Er blickte die für ihn wirren Buchstabenkombinationen verständnislos an.

„Eine Nachricht von meinem Vater“, antworte Alyne knapp, während sie gierig die Worte ihres Vaters in sich aufsog. Und Sehnsucht sich in ihr ausbreitete.

„Aha...“ Er konnte nicht wirklich viel damit anfangen, also ließ er sie einfach lesen. Er nahm sich die Zeit, sich kurz auszuruhen. Der Zauber war zwar simpel, aber dennoch kraftaufwendig gewesen.

Er ruhte sich in seinem Pool der Ruhe aus, doch bei ihr sah es ganz anders aus. In ihr brodelte es regelrecht, doch es war nie nur eine Emotion. Bei ihr rangen Trauer und Wut um die Oberhand, zugleich verströmte sich Freude im Hintergrund, genauso wie eine Frage nach der anderen.

Vollkommen fertig ließ sie sich mit einem lautem Rumms nach hinten fallen. Ihr Vater musste auch alles immer so kompliziert machen! Feliff, der das laute Poltern gehört hatte, sah überrascht auf und entdeckte sie, wie sie komische Geräusche produzierend auf dem Boden herum rollte.

„Ähm... Alyne?“, fragte er zögerlich nach. Er war zu erstaunt, dass sich sein Zittern einstellen könnte.

„Hmm“, brummte sie nur. Sie blieb auf der Seite liegen und ließ einen Seufzer nach dem anderen erklingen. Ein helles Pling ließ die beiden erneut hochfahren. Die Nachricht hatte sich wieder in feinen Sand oder Staub aufgelöst. Nun auch ohne Feliffs Hilfe eilten sie aufeinander zu und erstarrten dann erneut mit einem Klick zu einem kleinem, unförmigem Etwas, das golden glänzte. „Davon hatte er geschrieben“, murmelte Alyne in ihren nicht vorhandenen Bart.

„Hast du etwas gesagt?“ Fragend sah er sowohl sie als auch das Etwas auf dem Boden an. „Weißt du vielleicht, was das ist?“ Er zeigte auf das Etwas, für dessen bizarre Formen er keinen Namen kannte. Es war wirklich unerklärlich. Mal glimmte es kreisrund, dann wieder mit Beulen und dann doch eckig und kantig. Verblüfft und auch verwirrt starrte Feliff die Veränderungen des Gegenstandes an, nicht wissend, weshalb und wieso. Er malte sich physikalische Gründe, dann magische aus. Er zog alles ihm Bekannte in Betracht, doch der wahre Grund für diese Verformungen kannte er nicht.

„Ja“, antwortete Alyne schlicht und rollte zielsicher auf den Gegenstand zu. Sie packte es exakt in dem Moment, als es gerade klein und kugelrund war, hielt es fest, als wolle sie damit das Verkrümmen und Verbeulen des Körpers vermeiden, und drehte sich damit zum Automaten um, der immer noch unschuldig auf dem Boden thronte, als hätte er keiner Fliege etwas zu Leide getan.

Bei besagtem Automaten angekommen, steckte Alyne die golden schimmernde Kugel in das Loch, in dem zuvor die Glaskugel war. „Es ist ein Mechanismus. Die Berührungen des Schlüssels mit dem Boden lösen immer wieder eine andere Verformung aus, bis man die Kugelform in eine Hand tut und im Automaten befestigt“, erklärte sie, während sie ihn fest ansah. Doch ebenso, wie sie ihn direkt anschauen konnte, so konnte er im selben Maße anfangen zu zittern und zu schlottern, sich nervös die Haare aus dem Gesicht, wo keine waren, zu streichen.

Seufzend wandte sie sich wieder von ihm ab, seine Marotte hatte sie schon wieder halb vergessen geglaubt, als eine leise Melodie erklang. Sie hielt inne. Und lauschte. Und war kurz vor einem erneutem Nervenzusammenbruch.

Sie kannte das Lied. Es war ein Lied, welches ihr Vater und ihre Mutter sehr häufig zusammen gesungen hatten. Immer und immer wieder. Es war das Lied, in welchem eine gelöste Atmosphäre ruhte. Eines ihrer Lieblingslieder.

Sie wagte es kaum, sich umzudrehen. Die Stimme, die das Lied summte. Woher kannte er es?

„Dieses Lied...“, begann sie, nachdem sie tief Atem geholt hatte und ihre eigenen, zitternden Hände beruhigt hatte, „woher kennst du es?“ Sie drehte sich beinahe zaghaft um. Er saß da, es schien, als hätte er bis vor kurzem seine Augen geschlossen gehabt. Als er nun Alynes aufgelöstes Gesicht erblickte – sah er etwa sogar eine schwach glitzernde Tränenspur? - war seine Ruhe wie weggeblasen.

„Äh-ähm, was? Äh, das Lied?“, stotterte er zusammenhangslos hervor. Er war sichtlich verwirrt. „Das Lied wurde mir von...“ Seine Augen bekamen einen noch unsicheren Ausdruck, sein Blick irrte unruhig hin und her. Würde sie ihn nicht auslachen? Er entschied sich dafür, dass sie die Wahrheit hören sollte. „D-der Wald, in dem ich aufgewachsen war, hat es mir beigebracht.“ Sein Gesicht hatte eine tiefrote Farbe angenommen, einer Kirsche nicht unähnlich.

Sie schlug sich auf die Stirn, einerseits, um die letzten Reste von schmerzlicher Trauer auszutreiben und andererseits, weil ihr ein Licht aufgegangen war. Sie seufzte noch einmal, ehe sie auf den Automaten deutete. „Mein Vater“, fing sie mit bestimmter Stimme an, doch ihr Körper zitterte leicht bei diesen und den nachfolgenden Worten, „war ein Mensch. Er erzählte mir oft von Automaten, wie wir ihn hier vor uns haben und baute sich auch seine eigenen zusammen. Er war nicht sehr zufrieden damit, dass ich mich nur den Kämpfen widmete und alles andere vergaß.“ Sie lachte trocken. „Jedenfalls möchte er, dass ich sein Rätsel löse.“

In der darauffolgenden Pause ließ sie ihn über ihre Worte nachdenken. Vor allem der letzte Satz ergab für ihn keinen großen Sinn. Was für ein Rätsel? Wovon sprachen sie und ihr Vater? Hatte ihr Vater das Rätsel erstellt, oder war es das Rätsel seines Lebens gewesen?

„Das Rätsel bildet den Automaten hier. Ich soll die Antworten suchen gehen, und eine scheint... etwas mit dem Lied zu tun zu haben.“

Aufbruch zur Reise

„Dein Vater scheint ein recht merkwürdiger Geselle gewesen zu sein“, sagte Feliff in die geschäftige Stille, in der sie sich zum Aufbruch rüsteten, hinein. Alyne brummte nur einen schwer verständlichen Laut, während sie sich nicht entscheiden konnte, welche ihrer zahlreichen Schwerter mitkommen mussten. Eine nicht kleine Auswahl lag schon neben ihr, geduldig darauf wartend, noch größer zu werden. „Du brauchst nicht wirklich alle, oder?“, merkte Feliff mit einer skeptischen Verlegenheit an. Er selbst kümmerte sich um erst einmal um die Verpackung des Automatens mit den vielen Hebeln, welches sich nicht als ganz so einfach herausstellte.

„Doch“, erwiderte sie trotzig und holte tief Luft, um den Erklärungen in ihrem Kopf für jede einzelne dieser Waffen Platz zu machen, als ihr zuerst wieder eine andere Frage in den Sinn kam. „Wieso hast du eigentlich überhaupt angefangen, das Lied zu summen?“

Es schien, als hätte sie einen Nerv getroffen: Er lief rot an und vertiefte sich in seine Arbeit. Sie hatte einer Antwort schon 'Auf Wiedersehen' gesagt, als er sie dann doch in die Welt brachte: „Du sahst so... verstimmt und verspannt aus. D-der Wald hat mir gesagt, dass ich das Lied immer dann singen soll, wenn man Anspannungen lösen will.“ Er vergrub sich noch tiefer als zuvor in seiner Arbeit.

Sie lächelte amüsiert und auch dankbar, doch das würde sie ihm vielleicht ein andermal auf die Nase binden. Jetzt widmete sie sich wieder ihren Schwertern. Zu nichts Anderem auf der Welt fühlte sie diese starke Verbundenheit und Leidenschaft als zu diesen Schwertern und ihrer Familie. Dementsprechend lange brauchte sie, um eine halbwegs kleine Entscheidung getroffen zu haben. Eines ihrer Klingen zurückzulassen war ihr ein Stich in das Herz und am ehestem noch mit dem Umstand zu vergleichen, ein Familienmitglied zurückzulassen.

Mit einem Lächeln bedachte Feliff ihre vielen Schwerter, die sie unter ihrem Arm trug. Einige hatte sie sich auch um die Taille geschnallt. Er war beeindruckt, wie stark sie war, dass sie so viele Schwerter auf einmal tragen konnte. Es waren Duztende, die scheinbar überall, wo man sie befestigen konnte, befestigt waren.

„Wir können zu dir gehen“, sagte sie ohne den leisesten Hauch von Anstrengung.

„Gut.“ Mit dem Automaten, dick verpackt und gut geschützt, unter dem Arm geklemmt ging er voran. Er öffnete ihre Tür, trat in den Flur und bog nach rechts ab, um seine Wohnung, nur eine Tür weiter, aufzuschließen. Er strich über das magische Schloss, das kein erkennbares Schlüsselloch aufwies. Sie öffnete sich lautlos. „Dann mal rein in die gute Stube.“ Er stieß die Tür sachte nach innen.

Neugierig spähte Alyne ihm über die Schulter. Dann fiel ihr siedend heiß ein, dass sie noch gar nicht ihre Tasche gepackt und mitgenommen hatte. Hastig rief sie zu ihm: „Entschuldige, aber ich muss nochmal zurück, habe etwas vergessen!“, zu und verschwand dann wieder in ihrer Wohnung. Sie zog ein Singen der gegeneinander schlagenden Klingen nach sich, welches nicht zu überhören war. So bertrat er allein sein Reich und seine verborgene Nervosität, dass jemand Anderes als er seine Wohnung sehen würde, selbst wenn sich überall noch die Kartons und Kisten stapelten, fiel ein Stück für Stück von ihm ab.

Während er rasch all seine benötigten Sachen zusammengetragen hatte, musste Alyne erst einmal nach ihrer Tasche suchen. Es war eine braune Ledertasche mit vielen weiteren, aufgenähten Taschen, die ihre Mutter ihr einmal geschenkt hatte. Von der Größe her entsprach sie ungefähr einem Stück Schreibpapier von vorne und einer Handbreite Dicke. Sie hatte sie lange nicht mehr benutzt, weshalb der letzte Aufenthaltsort der Tasche in ihren Erinnerungen sehr weit nach hinten gedrängt wurde.

Als sie sie schließlich gefunden hatte, stand Feliff auch schon wieder an der Türschwelle. Er hatte eine einfache, baumfarbene – also braungrüne - Schultertasche geschultert und auch den Automaten hielt er nicht mehr in seiner Hand. Alyne vermutete, dass er eine der Taschen besaß, die durch Magie einen schier endlosen Magen hatten.

„Ich bin sofort fertig!“ Eilig suchte sie die wichtigsten Dinge zusammen: Proviant, was möglichst lange haltbar war, Pfeile und ihren Bogen musste sie auch noch mitnehmen. Achtlos hatte sie die Pfeile mit der Spitze nach oben in ihrer Tasche verstaut, direkt zwischen Brot und anderen Nahrungsmitteln. Dann kamen in eine der vorderen Taschen noch ein Wasserbehälter und Pulver zur Reinigung von Wasser, in eine andere ein Dolch und so weiter und so fort. Sie verstaute alle notwendigen Sachen zum Überleben in die Tasche.

Unwillkürlich fragte sie sich, was Feliff wohl mitgenommen hatte. Egal, erst einmal musste sie ihre Sachen zusammensuchen. Als sie schließlich mindestens eine Meile in ihrerer kleinen Wohnung hin- und hergelaufen war, hatte sie ihrer Meinung nach alles. Die nun nicht ganz so leichte Tasche warf sie mit Leichtigkeit auch noch über die Schulter, die Schwerter hatte sie ebenfalls an ihr befestigt. Mit jeder Bewegung stießen die Schwerter aneinander und klimperten hell und fröhlich.

„So, fertig“, grinste sie zufrieden. Er hatte es sich inzwischen wieder auf ihrem Stuhl bequem gemacht und stand nun lächelnd auf.

„Dann können wir ja jetzt gehen.“

„Jap.“

Beide verschlossen ihre Türen und traten aus dem Haus in die weite Welt hinaus.
 

Sie wanderten durch das Dorf, dank Alynes umfangreichem Repetoire an allerlei Sachen mussten sie nichts nachkaufen und konnten es direkt verlassen. Die Elfen, denen sie im Dorf begegneten, raunten und murmelten fragend. Sie spürten deutlich, dass Feliff ein Elf reinen Blutes war, was also machte er mit der Halbelfe Alyne, die im ganzen Dorf negativ bekannt war? Und wieso führte sie ihre Schwertersammlung – sie ahnten alle nicht, welche Waffenvielfalt sie in ihren vier Wänden noch bunkerte – spazieren? Sie sahen beide aber schwer bepackt aus. Okay, Feliff vielleicht nicht, aber bei solchen Taschen konnte man nie wissen. Anders als die Halbelfe spürten sie deutlich die Magie, die von diesem Gepäck ausging.

„Feliff?“, sprach sie plötzlich jemand an. Verwundert drehten beide sich zur hohen Stimme um, die den Elfen gerufen hatte. Ein Alyne unbekanntes Elfenmädchen stand fragend blickend hinter ihnen. Sie wirkte wie die Unschuld in der Person, ihre langen Haare wallten in schwarzen, sanften Wellen ihren Rücken hinunter, die ich in Locken verloren. Das weiße, schlicht geschnittene Kleid stand ihr ausgezeichnet und betonte ihre zierliche Figur dezent.

Aber nicht nur Alyne war überrascht. Auch Feliff schien erstaunt zu sein. „Pardon, aber wer bist du?“ Komischerweise erzitterte er unter ihrem leuchtendem Blick nicht. Auch die Blicke der vielen Elfen um ihn herum schienen ihn nicht im Geringsten zu stören.

„Also bist du es wirklich!“ Sie lachte und war kurz davor, seine Hand zu ergreifen, ließ es dann aber doch bleiben. Peinlich berührt merkte sie, dass sie seine Frage übergegangen war. „Ich bin Erfline, Tochter von Manis und Frienla, Berater des Königs und Kammerzofe der Königin.“ Sie machte einen Knicks. Und Alyne fragte sich immer noch, was sie von ihm wollte.

„Freut mich, dich kennenzulernen, aber wir müssen rasch weiter“, lenkte Feliff mit einem Seitenblick auf seine Reisegefährtin ein. Scheinbar erschrocken legte das Elfenmädchen die Hand auf den Mund, schlug verlegen die Augen nieder.

„Oh, entschuldige. Aber mein Vater wollte dich unbedingt kennenlernen und ich dachte, wenn ich dich jetzt fragen würde...“ Sie spielte nervös mit einer Haarsträhne.

„Das tut mir wirklich aufrichtig Leid, aber ich glaube, es eilt. Vielleicht ein andermal?“, lächelte Feliff freundlich.

„Ja, aber“, wandte sie noch einmal ein, „was hast du denn noch Wichtiges vor, dass du nicht den Berater des Königs treffen kannst? Er wartet schon seit Monaten auf dich!“, klagte sie beharrlich weiter. Es hatte sich eine kleine Zuschauertraube gebildet, die zustimmend nickte.

„Ich muss nun aber wirklich dringend los. Irgendwann anders, okay?“, blieb auch Feliff hartnäckig.

Nun schaute das Mädchen Alyne wütend an, die bisher noch kein Wort gesagt hatte. „Es ist wegen ihr, hab ich Recht?“, knirschte sie. „Wieso lässt du meinen Vater wegen einer dämlichen Halbelfe“, sie betonte dieses Wort besonders geringschätzig, „sitzen?“ Ihr Gesicht war ein Mix aus erbarmungsloser Wut und Weinerlichkeit. Wieder setzte zustimmendes Raunen ein, das Elfendorf war definitv auf der Seite der Elfin.

„Ich wüsste nicht, warum ich deine und meine Zeit mit solcherlei Belanglosigkeiten verschwenden sollte“, konterte Feliff lächelnd. „Also wenn du dann so freundlich wärst, wir gehen dann jetzt.“ Er machte eine komische Handbewegung, bei der Alyne zuerst dachte, er würde sie ernsthaft an der Hand nehmen, doch dann schien er es sich anders zu überlegen und trottete einfach vor. Sie folgte ihm ohne weiter nachzufragen, weil sie schlichtweg verblüfft war.

Er war keiner dieser aufgeblasenen Elfen, obwohl sein Elfenblut wohl reiner als das der meisten Elfen im Dorf, ja, vielleicht sogar als das des Königs war. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die vielen Blicke im Dorf ihn kein Stück nervös gemacht hatten, doch immer, wenn sie ihn direkt ansah, konnte sie immer noch sehen, wie er anfing, zu zittern, wenn auch nur leicht. Sie verstand wirklich nicht, was in Feliffs Kopf vor sich ging, während er zielsicher durch das ihm doch eigentlich unbekannte Dorf schritt.

Er steckte wirklich voller Rätsel.
 

Sie gingen lange schweigend nebeneinander her, niemand sagte etwas, während Feliff Alyne anführte. Er war diesen Pfad erst vor ein paar Tagen entlang gegangen, als er in das Dorf gezogen war, also war ihm der Weg noch klar in Erinnerung.

„Ich hätte wirklich nicht gedacht, direkt nach meiner Ankunft wieder auf Reise zu gehen“, merkte er belustigt an. Sie schwieg nur, immer noch unschlüssig, was sie über ihn denken sollte.

„Wann sind wir da?“, fragte sie stattdessen.

Er dachte kurz nach. „Für meine Hinreise habe ich etwa zehn Tage gebraucht“, antwortete er dann. Das Laub knirschte zu seinen Füßen, der Herbst kleidete die Blätter in seine Gewänder. Dementsprechend gingen auch die Temperaturen herunter.

„Wie hast du den Winter im Wald überlebt?“, fragte Alyne dann aus Neugier, während die, immer noch vollbepackt und mit klingenden Klingen, hier und da einige Kampfschritte ausführte und herabfallendes Laub mit ihren Händen schlug. Auf beinahe magische Weise störten ihre Schwerter sie nicht.

„Im Wald habe ich eine Hütte“, fing er an, zu erklären. Er beobachte ihre Bewegungen bewundernd, ihre Präzision und Kraft erstaunte ihn. „Mit Magie habe ich meistens einen Rest an Lebensmitteln gefunden und wenn nicht hatte ich genug Konserviertes in der Hütte vorbereitet, auch wenn das wahrscheinlich nicht so nahrreich wie frisches Essen war. Apropros Essen: Wie wäre es mit einer kleinen Pause? Da vorne habe ich eine nette Lichtung beim letzten Mal gesehen.“

Sie willigte ein, da sie wahrscheinlich schon eine Stunde gegangen waren, und so nahmen sie ihr Mittagsmahl bei einer Lichtung ein, die scheinbar ein viel genutzter Rastplatz war. Große Steine waren zu einem groben einem Kreis aufgestellt, in dessen rußiger Mitte sich Reste von Lagerfeuern und Geschichten, Liedern erahnen ließen. Schwarze Holzscheite waren noch zu sehen, die wahrscheinlich einmal einen Kegel aus Holz bildeten.

„Oh, euch habe ich hier noch nie gesehen!“

Begegnungen

Sie hatten die sich nähernden Schritte gar nicht wahrgenommen, auch wenn sie nicht besonders leise gewesen waren. Doch sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen und das emsige Kauen ihrer Nahrung hatten ihren Beitrag dazu geleistet. Dementsprechend überrascht waren sie, als sie auf die ihnen fremde Gestalt blickte. Stämmig und groß gebaut, mit grob zusammengenäht wirkender Lederbekleidung, wo man hier und da an den Säumen das Fell auf der Innenseite erahnen konnte. Dreckig blondes, eigentlich schon braunes Haar hing kurz geschnitten an dem von Wind und Wetter gegerbtem Gesicht in gepflegten Wellen herab. Ein freundliches Lächeln zierte den kräftigen Elfen.

„Oh, und dann auch noch einer dieser reinblütigen Elfen!“ Der Unbekannte stieß einen bewundernden Pfiff aus. Er setzte sich wieder polternd in Bewegung und ließ sich lachend auf den Größten der Steine nieder. „Was führt euch hierher?“

Das freundliche Gesicht und die fröhliche Stimme hatten die beiden Reisenden in eine vertrauensvoll warme Atmosphäre gehüllt, weswegen sie dem Fremden bereitwillig Auskunft gaben.

„Ein Rätsel“, antworte Feliff geheimnisvoll lächelnd.

„Uhh, wie spannend! Aber bevor ich weiter nach hake, Namen wären praktisch, oder?“ Er zwinkerte ihnen zu. „Man nennt mich den Unerschrockenen oder gemeinhin den Bezwinger. Aber für euch bitte Inkalak, verstanden?“

„Gerne. Feliff mein Name. Freut mich, dich kennenzulernen, Inkalak.“ Ein Lächeln schmückte sein Gesicht, als er sich vorstellte.

„Alyne. Wie kommst du zu den Titeln?“, fragte sie, neugierig geworden. Interessiert beugte sie sich vor, um besser hören zu können.

„Das ist eine lange Geschichte“, wetterte der Unerschrockene lachend. „Aber wenn ihr Zeit habt, erzähle ich sie euch.“

Alyne nickte begierig, sie hatte es schon immer geliebt, Geschichten zu hören. Sie waren der einzige Grund, abgesehen von langsamen Staubkörnern, weshalb sie ruhig sitzen blieb.

Inkalak hatte noch nie ein so eifriges Mädchen gesehen und so fing er besonders dramatisch an. Seine Stimme vibrierte leicht im dunklem Klang seines Tonfalles. „Es war in einer dunklen Zeit. Die Elfen waren noch verborgene Wesen, die keine Menschen kannten. Wohl kannten die Menschen die Elfen und plünderten die vielen Apparaturen, die das elfische Volk zu bieten hatte, ohne dass die Opfer wussten, wer es war. In dieser längst vergessenen Zeit wurde ein Suchtrupp gegen diese Diebe aufgestellt. Und ich war mit dabei. Aber mir ging es nicht primär um die Diebe, sondern um alles, was damit zusammenhing und nicht zusammenhing. Es war einfach der Drang, in der Welt herumzukommen.“ Er machte eine Pause. „Ich war mit einer Truppe von gut fünf Mann unterwegs, alles harteingesonnene Männer, unter denen ich nichts Besonderes war.

Wir alle hielten fest zusammen und waren einander treu ergeben, jeder vertraute dem anderem blind. Das ist sehr ungewöhnlich für eine Gruppe von mehr als drei Personen“, fügte er lächelnd hinzu, als er an seine alten Kameraden dachte. „Doch in einem Punkt war ich verschieden. Wir waren alle unterschiedlich, das ist schon immer so gewesen als Individuum, aber trotzdem. Ich war der Einzige, der kämpfte. Sie nannten mich der, der mit den wilden Tieren tanzte. Sie waren nicht feige, aber es zierte sich nicht für feine Elfen, das waren sie leider in manchen Punkten doch, gegen niedere Wesen zu kämpfen.

Doch gerade meine, man könnte es auch als 'Wahllosigkeit' bezeichnen, rettete uns allen das Leben, als ich einmal ein ganz besonderes Getier bezwungen hatte. Zähne, die so scharf wie tausend Messer waren, rissen alles in den Schlund. Widerhaken hinderte die Beute an einem heilen Davonkommen, das Fell war verschmutzt und die Gestalt von unsagbarer Hässlichkeit. Ich spürte kaum etwas beim Kampf, doch nachher stand es schlecht um mich. Das Vieh war an jedem Faser seines Körpers giftig gewesen, es war ein sogenannter Schleichgifter gewesen, aber ich überlebte dank meinen treuen Kumpanen, die keine Scheu mir gegenüber zeigten. Sie nahmen mich einfach an Armen und Beinen, trotz meiner Vergiftung. Sie sagten mir, dass ich sie ihm Wahn noch aufhalten wollte, doch ich kam nicht gegen sie an. Doch an dieses Ereignis kann ich mich auch nur äußerst schlecht erinnern.

Wie dem auch sei: Sie trugen mich schleunigst zu dem nächstem Dorf. Man sollte sie eher auch unerschrocken nennen, denn sie trugen mich in ein Menschendorf. Diese waren damals sehr gefährlich für uns Elfen, wegen dem Grad der damaligen Unbekanntheit von den Menschen. Man wusste einfach nicht, dass sie eigentlich schwächer als wir waren.

Aber zum Glück hatte ich noch ein weiteres Mal Glück. Die Ärzte dort konnten mir helfen und auch meine eigene Regenerationsfähigkeit half mir. Und seit diesem Tag nennen sie mich den 'Unerschrockenen' oder eben den 'Bezwinger', auch wenn ich gerne auf diese Titel verzichte. Zu allem Übel hat es sich aber eingebürgert...“ Er seufzte, nachdem er geendet hatte. „Danach habe ich Forschungen über das Vieh angestellt, weshalb sie mich wohl immer noch so nennen... Die Untersuchungen waren alles Andere als harmlos.“

Alyne war gerührt. Die Freundschaft der Männer und die Taten begeisterten sie in ungewöhnlich tiefer Weise. Sie liebte solche Banden zwischen Wesen, ihre Eltern hatten sie gelehrt, solche immer aufrecht zu erhalten. Feliff hatte die Geschichte auch mit Faszination aufgenommen, obgleich es ihn nicht so rührte wie sie. Er kannte so etwas einfach noch nicht, war aber auch erstaunt über solche Beziehungen.

„Und sie sind gerade auf dem Weg, um einen ihrer Freunde zu besuchen?“, riet er ins Blaue hinein, damit das andächtige Schweigen auch einmal ein Ende fand.

„Bingo! Woher wusstest du das?“, lachte der Mann, den man mit vielen Titeln versehen hatte, auch wenn sein Name ihn wohl am besten beschrieb. Der Freund. „Das reine Blut hat es dir verraten, nicht wahr?“

„Mit ihm geht noch eine gewisse Kenntnis durch einen, das stimmt“, lächelte der Elf verlegen.

„Ich bin sehr neugierig, musst du wissen. Darf ich eine unverschämte Frage stellen?“

„Ähm... Worauf bezieht sie sich denn?“

„Stimmt es, dass nur der Körper sich jede Generation erneuert? In dir ist also das Blut des allerersten Elfes, und keine Vererbung oder so?“, ignorierte Inkalak, der seine Neugier zu stillen gedachte, Feliffs Aufforderung.

Nun schwieg dieser. Es war ein Geheimnis, das er nicht verraten durfte. „Entschuldigen Sie“, fing er an, „aber ich darf das nicht sagen.“

„Oh, natürlich!“ Der Unerschrockene warf ablenkend die Hände in die Luft. „Das war mir nicht wirklich klar, ich muss mich entschuldigen.“

„Ach, nicht der Rede wert.“

„Darf ich auch etwas fragen?“, warf auf einmal die einzige Angehörige des schönen Geschlechts in die Runde hinein. Sie hatte das Gespräch der beiden nicht ohne Interesse verfolgt, wollte nun aber noch eine Sache loswerden. „Was ist so toll an Feliff? Oder an reinblütigen Elfen?“ Sie hatte es nie verstanden, aber vielleicht lag es auch schlicht daran, dass sie im Unterricht ständig schlief. Beziehungsweise mit anderweitigen Beschäftigungen unterwegs war.

„Also an mir ist nichts toll“, erwiderte Feliff mit einem Lachen. Es war wirklich seltsam. Er war wirklich seltsam. Was war mit dem zitterndem, übernervösem Elf von heute Morgen geworden?

„Sein Blut. Sein Blut ist sehr rein, was heißt, dass es gar nicht mit dem Blut von anderen Tieren oder Wesen vermischt ist“, begann Inkalak zu erklären, „Das bedeutet, dass seine Vorfahren alle Elfen gewesen sind. Durch diese Reinheit hat er einige Privilegien, die die Urelfen besaßen. Er ist besser in Magie als andere und auch sonst geschickter, schneller. Außerdem spüren die anderen Elfen den Reinheitsgrad bis zu einem gewissen Grad und urteilen dann darüber. Weißt du, reinblütige Elfen sind sehr mächtig und sehr selten. Man findet sie eigentlich kaum, aber bis heute sind der Thron und alle hohen Stellenplätze für Elfen von solch edlem Blut reserviert, der jetztige König ist demzufolge also nur ein Sitzwärmer“, grinste er. „Aber das ist auch nur die offizielle Version. Was wirklich dahintersteckt, weiß man nicht.“

„Und das macht ihn so toll?“ Sie wirkte skeptisch.

„Ja, jedenfalls für andere Elfen. Bei dir macht es scheinbar keinen Unterschied, was?“ Er lachte laut auf, aber es klang nicht spöttisch.

„Bei dir doch auch nicht“, funkelte sie amüsiert zurück.

„Das liegt nur an meinem Leben in der Wildnis, dort ist jeder gleich und nur die Stärke zählt. Wäre ich damals nicht aus dem Dorf gegangen, ich würde unserem Freundchen hier sogar die Schuhe lecken!“, beteuerte Inkalak und boxte Feliff scherzhaft in die Seite. Der doch etwas zierlich gebaute Elf jedoch flog beinahe in die Bäume, wenn seine Magie ihn nicht dort gehalten hätte. „Oh, entschuldige! Bist ja noch zerbrechlicher als du aussiehst“, merkte der Bezwinger an.

„Ich trainiere meinen Körper nicht so“, lächelte Feliff entschuldigend.

„Im Gegenzug zu der Dame hier, was?“ Zur Probe schlug Inkalak auch einmal gegen Alynes Schulter, doch ehe seine Hand diese erreichen konnte, hatte Alyne mit ihrer Linken abgeblockt.

„Es ist meine einzige Stärke“, lächelte sie, als sie sein verblüfftes Gesicht sah. Er hatte zwar geahnt, dass die sie auf jeden Fall trainierter als er war, das sah man ihr an, aber dass sie seinen, wenn auch sehr harmlosen, Schlag parieren konnte... Damit hatte er nicht gerechnet.

„Du bist stärker als du aussiehst, Mädchen!“, machte er seiner Bewunderung Luft.

„Danke.“ Sie grinste, ehe sie wieder in ihr Brot biss.

„Achja, wohin führt euer Weg euch denn?“, fragte Inkalak dann zwischen zwei Bissen in seine Mahlzeit, als es ihm wieder eingefallen war, „Mein Geheimnis habe ich ja schon gelüftet.“

„Wir sind auf dem Weg in meinen Heimatwald“, antwortete Feliff, ehe Alyne etwas sagen konnte.

„Der sagenumwobene Forst, den niemand jemals finden konnte?“ Der stämmige Elf schnappte hörbar nach Luft.

„Dort, wo die Elfen ihren Ursprung feiern könnten. Efarnia“, nickte der andere.

„Es stimmt also...“, hauchte der Bezwinger sehnsuchtsvoll.

Alyne verstand mal wieder nichts. Sie hatte den Namen Efarnia zwar ab und zu aufgeschnappt, doch das war auch schon alles. Was war da in Verbindung mit den Elfen und wer bitte war Feliff eigentlich? Er schien ja doch sehr besonders zu sein, jedenfalls mehr als sie zuerst gedacht hatte. Ob es wohl Glück brachte, mit ihm zusammen zu reisen? Oder eher Unglück? Wenn ihre Reise wegen solchen Begebenheiten immerzu aufgehalten würde, wohl eher Zweiteres.

„Wieso sollte man Efarnia erfinden?“, fragte Feliff, als Alyne ihre Gedanken wieder dem Gespräch zuwandte. Daraufhin schwieg der Ältere nur. Seine Miene verwandelte sich in eine düstere Maske, von der man nicht wusste, was sie verbarg.

War er wirklich nur der Unerschrockene, der Bezwinger, oder hatte er diese Titel auch auf eine andere Art und Weise verdient? Es war Alyne ein Rätsel, doch es schien ihr auch, dass dies in eine Dimension vordrang, in die sie nicht hinein durfte.

Missmut tragen (Faure Morin)

Missmutig starrte Erfline aus dem Fenster auf die Landschaft hinaus. Sie saß in ihrem Zimmer vor dem Schreibtisch und stützte ihren Kopf auf ihre Hände, als würde allein ihren Kopf hochzuhalten sie zu viel Kraft kosten.

„Was verdirbt dir denn so die Laune?“

Sie bewegte sich nicht. Drehte sich nicht zu dem Neuankömmling um, den sie an dem Klang seiner Schritte schon entlarvt hatte, bevor er sie erreichte oder nur ein Wort erhob. Sie antwortete auch nicht. Selbst, als diese Person sich neben sie hockte, rührte sie sich nicht. Ihr Gesichtsausdruck blieb schlecht gelaunt gleich.

„Na komm, was hat meiner kleinen Prinzessin denn die Laune verdorben?“ Sie spürte, wie ihr jemand mit dem Finger in die Wange pikste. Es gab nur eine Person, die sich das traute.

„Lass das!“, gab sie endlich einen Laut von sich und schob die Hand gespielt genervt weg.

„Dann“, das Gesicht der Person versperrte ihr den weiteren trübseligen Ausblick aus dem Fenster, „verratet mir doch, Teuerste, was Euch so bedrückt?“ Seine blauen Augen funkelten amüsiert, auch wenn sie hinter ihnen eine Spur Besorgnis wahrnehmen konnte. Sein Gesicht war perfekt geschnitten, wie sie fand, und seine elfentypischen Ohren lugten aus seinem verwuscheltem Haarschnitt hervor. Ein schmaler, lächelnder Mund zierte ihn, ebenso eine kleine, unauffällige Nase.

Sie seufzte laut auf und ließ sich noch tiefer in ihren Stuhl fallen. Dann begann sie, während er sie auf seinen Schoß zog und den Stuhl für sich beanspruchte, von dem Vorfall wenige Minuten vorher im Dorf zu erzählen. Man hörte deutlich ihren Ärger und ihre Empörung heraus. Er verzog keine Miene und hörte einfach nur stillschweigend zu.

„Wer weiß... Vielleicht sind Halbelfen nicht so schlecht“, wandte er zögernd ein, nachdem sie geendet hatte. Im Gegensatz zu ihr verspürte er keinen Groll gegen das Halbelfenmädchen, manchmal hatte er sie eher bewundernd beobachtet. Ihre Kampfkünste überstiegen seine um Längen, auch wenn Erfline das nicht glauben wollte.

Sie schnaubte bei seinem Einwand nur entrüstet und drehte sich von ihm weg. „Halbelfen sind Abschaum.“

„Jetzt sag das doch nicht so.“ Er wog sie sanft hin und her, um sie wieder ein wenig zu beruhigen. „Du weißt doch genau, dass...“ Schnell gab sie ihm einen kleinen Kuss, damit er nicht weiter redete.

„Ich weiß ja schon, aber trotzdem. Mein Vater ist der oberste Berater des Königs!“, klagte sie. „Was soll ich ihm nur sagen? Es würde seinen Ruf zerstören, wenn alle erführen, dass Feliff ihn wegen einer Halbelfe liegen gelassen hat.“

„Aber das halbe Dorf weiß doch schon davon, und außerdem ist dann doch eher Feliff von der Sache betroffen, oder?“

„Trotzdem! Wie soll ich ihm nur unter die Augen treten?“ Sie schien einem Nervenzusammenbruch nicht weit zu sein. „Ich habe versagt.“

„Das hast du nicht.“ Er wippte sie beruhigend hin und her, wie er es immer tat, wenn sie mit den Anforderungen ihres Vaters überfordert war. „Ich denke, er wird es verstehen.“

„Du kennst ihn nicht!“

„Doch. Und wenn nicht, dann nehme ich die Verantwortung auf mich.“

„Aber-“

„Nichts aber. Und jetzt ruhe dich erst einmal aus, okay?“ Er lächelte sanft. Sie versuchte, es zu erwidern, scheiterte jedoch. Dann hob er sie mit Leichtigkeit hoch in ihr Bett, deckte sie zu und scheuchte das Sonnenlicht aus dem Raum. Leise schloss er die Tür hinter sich. Im Flur begegnete er Erflines Vater, Relfus.

„Ah, guten Tag Futave. Hat meine Tochter dir erzählt, wann Feliff hier sein wird?“, fragte dieser mit einem noch freundlichem Tonfall.

„Entschuldigen Sie, aber Feliff war anderweitig beschäftigt und kann sie noch nicht empfangen“, erwiderte der Angesprochene höflich. „Wir wissen nicht, wann er zurückkommen wird.“

„Also stimmten die Gerüchte doch.“ Relfus' Gesicht hatte einen zornigen Audruck bekommen. „Ich möchte unverzüglich mit meiner Tochter reden.“ Er machte einen Schritt auf die Tür zu, die der Jüngere eben erst geschlossen hatte.

„Verzeiht“, der Elfenjüngling stellte sich vor die Tür, „aber eure Tochter ruht sich gerade aus und es wäre mir sehr willkommen, wenn ihr sie vielleicht noch eine Weile ruhen lassen könnt.“

Missmutig sah der Berater des Königs den Jungen an, seufzte dann aber und warf andeutungsweise seine Arme in die Luft. „Meinetwegen, aber heute Abend muss sie mir Rede und Antwort stehen.“

„Ja, wir werden all eure Fragen beim Abendessen beantworten“, sagte Futave erleichtert und versuchte aber auch eben diese Erleichterung zu verbergen.

„Wenn du mich dann entschuldigen würdest, ich habe eine Nachricht an den König.“ Der Berater ging mit einem nicht sehr glücklichem Gesicht fort, während Futave sich vor dem Gemach seiner Liebsten postierte und wachte.
 

Noch bevor der Abend dämmerte wollten unsere beiden Helden noch ein Stück vorankommen.

„Warum so eilig?“, fragte Inkalak nach. Er würde die beiden ein wenig missen.

„Wir wollen so gut wie möglich weiterkommen“, erwiderte Alyne, während sie ihre Sachen packte. Es war nun Mittag, aber die Tage wurden rasch kürzer. Man sollte das Sonnenlicht nutzen, solange es im Überfluss vorhanden war.

„Ja, auf Wiedersehen, Inkalak!“, rief Feliff ihm beim Abschied zu, als sie den älteren Elf auf der Lichtung alleine ließen. Dieser winkte ihnen seufzend zu.

Eine Weile trotteten die beiden schweigend nebeneinander den Weg entlang. Es war Stille eingekehrt, seit sie den Unerschrockenen verlassen hatten. Sie hatten die Themen zum Reden verloren, aber Alyne war auch zu sehr in ihre Übungen vertieft, um sich darum zu kümmern.

Dennoch war es unnatürlich ruhig.

Feliff sprach diese seltsam nicht klingende Stille nicht an. Dennoch war es anders gewesen, als er noch vor wenigen Tagen hier hindurch gekommen war. Alles war voll geschäftiger Vorbereitung für die ruhende Jahreszeit gewesen, aber nun? Nun war es still und ruhig. Kein Wind wehte, kein Tier verlief sich zu ihnen, ja, nicht einmal das leiseste Rascheln. Kein Anzeichen von Leben.

„Es ist ungewöhnlich ruhig, oder?“, sagte er letzten Endes dann doch seine Bedenken ins Freie.

„Findest du?“ Sie konzentrierte sich auf ihre Bewegungen, registrierte es dann aber auch. „Ja, schon. Was wohl los ist?“

„Ich weiß es nicht...“ Nachdenklich betrachtete Feliff die Bäume um sich herum. Bildete er es sich nur ein, oder wirkten sie irgendwie... fad?

„DUCKT EUCH!“, erschall auf einmal eine Stimme hinter ihnen. Irritiert wandten sie sich dieser zu, als sie von einer wuchtigen Gestalt zu Boden geworfen wurden.

„Aua...“, beklagte Alyne sich, als sie dem Umwerfer das Gesicht zuwandte. Ihr stand das Erstaunen ins Gesicht geschrieben. „Inkalak? Du?“

„Psst!“, wies er sie an, still zu sein. Wieder kehrte unheimliche Stille ein, diesmal hatte sie einen bedrohlichen Charakter bekommen.

Dann zog ein schwarzer Schatten an ihnen vorbei. Unheilvoll wand er sich um die Bäume, ohne sie zu berühren. Streifte knapp über dem Boden und war doch in den Baumkronen.

Feliff hatte sie schon einmal gesehen. Ein kalter Schauer fuhr über seinen Rücken, voller Ehrfurcht und mit Angst gespickt.

Faure Morin.

Eine Schattengestalt, die durch die Welt streifte. Sie war ein gefährliches Wesen. Sie raubte einem Ort die Geräusche und, wenn sie es wollte, auch gerne für immer. Sie stammt ursprünglich aus Ainrafe, der gegensätzlichen Schwester von Efarnia. Dem Ursprung der dämonischen Gestalten. Nicht gerade der Quell des Bösen, aber etwas, welches sich von eben diesem ernährte und am Leben erhielt. Das war die Schwester der guten Seele der Natur.

„Wieso bist du hier?“, wisperte Feliff entgegen aller Vernunft. Er war zu überrascht, zu erstaunt, zu verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Faure Morins vermeintlicher Kopf drehte sich zu der leisen Stimme herum, deren Besitzer sie direkt ansah. Sie kannte diese Person. Schleichend kam sie näher, es wurde schleichend kälter.

Ihre wabernden Arme streckten sich nach Feliff aus.

Ich kenne dich...

Die Stimme war ohne einen Körper, ohne Klang und doch so verständlich wie ein dunkler, volltönender Schrei.

„Ich muss leider verneinen“, entgegnete Feliff und robbte ein wenig unter Inkalaks Körper hervor. Alyne tat es ihm nach, womit sie die Aufmerksamkeit des Schattenweses auf sich zog.

Aber diese beiden kenne ich nicht... Auch bei ihnen machte sie Anstalten, ihre Hand an ihnen anzulegen.

Inkalak hatte sich mit einem Ruck aus seiner Starre gelöst. Er wich einige Schritte nach hinten aus und nahm Alyne dabei mit. Er spürte, dass diese Gestalt Feliff nichts tun würde, aber mit ihm und ihr sah es anders aus. Eine gewisse Distanz würde nicht schaden.

„Ich würde es begrüßen, wenn du meine Reisegefährten in Ruhe lassen würdest“, bat Feliff höflich, nachdem er sich aufgerappelt hatte. Er sprach mit der Schreckensgestalt wie mit einem normalem Menschen oder Elfen, oder auch Halbelfen.

Wieso sollte ich das tun?

Die Gestalt wandte sich ein wenig um Feliff herum, aber berührte ihn nicht. Der reinblütige Elf zeigte keinerlei Anzeichen von Angst. Nicht ein Zucken ging von ihm aus, nicht die kleinste Regung. „Es würde deine Schwester nur erzürnen, Faure Morin.“ Ein bitteres Lachen schwang in seiner Stimme mit.

Nirom Eruaf? Ihr Name ist nicht einmal annähernd so schön wie meiner, nicht? Sie ignorierte seine Erklärung.

„Ihr tut Ihr Unrecht.“

Ach, und was macht sie die ganzen Jahre lang?

„Ich verstehe nicht, worauf ihr hinauswollt, Mylady.“

Mylady? Du schmeichelst mir. Wohin führt dein Weg dich? Sie schien zu lächeln, aber es wirkte gleichzeitig kalt.

„Ich weiß es nicht.“

Aber ich! Ein körperloses Lachen erklang. Dann verflüchtige sich die Erscheinung, als wäre sie nur ein böser Traum gewesen, ein Alptraum, aus dem man langsam erwachen durfte.

Feliff sank in sich zusammen. Seine Ruhe hatte ihn viel Kraft gekostet und in dem Moment, wo all seine Anspannung abfiel, wusste sein Körper ihn nicht mehr zu halten. Alyne und Inkalak hingegen blieben versteinert in ihrer Position, sie konnten nicht fassen, was eben passiert war.

„Ich... dachte...“, wollte Inkalak sagen, doch er brach unverrichteter Dinge wieder ab. „Wer bist du?“ Er sah Feliff, der sich mittlerweile wieder gefangen hatte, argwöhnisch an.

„Nur einer der wenigen 'Reinblüter' unter den Elfen, nichts weiter.“ Sein Gesicht lächelte nicht. Er wirkte ernst, aber auch hilflos wie ein Neugeborenes, das nicht wusste, wohin mit sich und der Welt.

Alyne schwieg.

Da hörten sie wieder. Das Plätschern eines nahen Baches, trippelnde Schritte. Raschelndes Laub. Es schien alles wieder beim Alten zu sein.

Jedenfalls äußerlich.

„Was seid ihr 'Reinblüter'“, der Unerschrockene sprach das Wort mit einem misstrauisch angehauchten Unterton aus, „eigentlich für Wesen?“

Feliff schwieg. „Das...“

„Okay, okay!“, warf der Fragensteller doch ein, „Ich glaube, ich will es nicht wissen. Geht es euch allen denn soweit gut?“

Alyne nickte nur, sie sah Feliff verwirrt und zugleich auch fragend an. Als dieser ihren Blick bemerkte, lächelte er entschuldigend.

„Ist es für euch in Ordnung, wenn ich euch begleite?“, fragte Inkalak auf einmal.

„Wieso?“ Alyne wirkte überrascht.

„Ich weiß nicht, wie gut dieser Kerl“, er zeigte auf Feliff, „auf dich aufpassen kann und mache mir Sorgen.“

Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, weißt du...“

„Nur zur Sicherheit und nur kurz“, beeilte er sich hinzuzufügen, „Ich muss sowieso in die Richtung.“

„Das wäre mir, ehrlich gesagt, lieber“, meldete Feliff sich zu Wort.

Achselzuckend warf Alyne ihre Hände in die Luft. „Macht was ihr wollt!“ Sie ließ sich nach hinten ins Laub fallen. Der älteste Elf erhob sich und meinte: „Dann hole ich mal meine Sachen, wartet hier, okay?“

Beide nickten beinahe synchron.

Als er losgegangen war, herrschte wieder eine erdrückende Stille, jedoch von anderer Natur als zuvor.

„Sag mal...“, fing Alyne dann an, während sie in den Himmel starrte. Feliff blickte vom Boden, der unheimlich interessant gewesen war, zu ihr auf.

„Ja?“

„Wieso warst du heute morgen eigentlich so verdammt schüchtern? Im Dorf und eben ging es ja. Warst du da nicht sogar eher sehr wortgewandt?“ Sie blickte ihn an. Ob Absicht oder nicht, er wandte schnell seinen Blick wieder ab. Ein Hauch von Rot zierte sein Gesicht nun und sie sah noch verwirrter weg.

„Ähm... Ich habe keine Ahnung wieso. Es liegt wahrscheinlich daran, dass mein Blut es nicht zulässt, dass ich mich bei einer breiten Öffentlichkeit blamiere. Es hat mich auch sehr erstaunt, um ehrlich zu sein. Es lässt mich immer noch fragen“, antwortete er, während er in die Ferne sah.

„Aha...“ Alyne verstand es immer noch nicht wirklich, begnügte sich aber mit dieser Erklärung. Dennoch kam es ihr auch so vor, als würde er ihr etwas verheimlichen. Es war aber vermutlich nur ein Gefühl, das nicht weiter wichtig war.

„So!“ Inkalak war wieder zu den beiden gestoßen. Energisch stand Alyne auf und auch Feliff, der sich auf das Laub niedergelassen hatte, erhob sich und ordnete seine Sachen.

Erst jetzt überprüfte sie ihr Hab und Gut auf Beschädigungen, konnte aber nichts sehen.

„Das ist mir schon vorher aufgefallen, aber wieso hast du eigentlich so viele Schwerter?“, fragte Inkalak mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

„Das frage ich mich auch immer wieder“, seufzte Feliff, seine Augen blitzten neckend.

„Jedes Schwert ist für einen anderen Anlass!“, verteidigte sie sich.

„Lasst uns schnell weitergehen, die Sonne geht schon unter!“, erinnerte er, als er sich vor einem gezieltem Schlag in Sicherheit brachte.

Verfolgte Verfolgung

Erfline schlief ruhig. Sie war sofort eingeschlafen, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, erst jetzt war ihr die Müdigkeit bewusst geworden. All die Anspannung wegen Feliff, dem wahrscheinlich reinsten Elfen, der auf dieser Erde außerhalb Efarnias wandelte, war von ihr abgefallen, als Futave sie getragen hatte. Sie lächelte bei der Erinnerung an ihn und mit eben diesem Lächeln schlief sie ein. Er war wirklich ein lieber Kerl.

Sie bekam nichts von dem Dialog zwischen ihrem Vater und ihm mit, ihr Geist befand sich an einem viel weiter entferntem Ort. Sie träumte nicht. Jedenfalls konnte sie sich an nichts erinnern. Als sie aufwachte, war es so dunkel wie beim Einschlafen. Ein Blick auf die Uhr, die sie schmenenhaft gegenüber ihrem Bett erkennen konnte, sagte ihr, dass es Zeit für das Abendessen war. Hastig hüpfte sie aus dem Bett und richtete ihre Haare. Ihre Kleidung hing völlig zerknittert an ihr herunter, wie sie bei einem Blick in den Spiegel feststellte. Sie beschloss, sich etwas Anderes anzuziehen.

Nachdem auch das erledigt war und ein prüfender Blick auf den halbdunklen Spiegel ihr Bild, welches ihr vorschwebte, bestätigte, nickte sie zufrieden und öffnete die Tür. Sie sah sich nach rechts und links um. Niemand zu sehen.

„Gut geschlafen, Prinzessin?“, ertönte plötzlich von rechts unten eine Stimme. Sie erschrak und wich wieder in die Halbschatten ihres Zimmers zurück, auch wenn sie ihn längst erkannt hatte.

„Erschrick mich doch nicht so!“, beschwerte sie sich und gab ihm einen Knuffer in die Wange.

„Entschuldige. Wollen wir gehen?“ Er reichte ihr galant eine Hand, die sie ergriff. Er lächelte verschmitzt.

„Gerne.“

Sie gingen beide den kostbar geschmückten Flur des Hauses, welches sich hoch in den Bäumen befand, entlang. Der Flur war in keinster Form gerade. Er wand sich um den Stamm des mächtigen Baumes, hier und da zweigten Türen zu anderen Räumlichkeiten ab. Der Essaal, der gleichzeitig Ball- und Audienzsaal in einem war, lag hoch in den Kronen, noch höher lagen nur noch die Gemächer ihrer Eltern. Und am höchsten, aber auf einem anderem Baum, die des Königs und seiner Gemahlin.

Sie überwanden die Wendeltreppe zum Saal hinauf, sie vergeudete keine Sekunde, um die schönen Blumen in ihren Vasen an den Flurwänden und den Ausblick auf das Dorf zu genießen. Die Dienerinnen ihres Vaters hatten ein gutes Auge für ästethische Gestaltung. Anders als sie blieb er immer wieder kurz stehen, sammelte Ruhe. Sie wartete in regelmäßigen Abständen auf ihn, mal musste sie mehr, mal weniger warten. Selbst wenn sie ihn zur Eile drängte, half das alles nichts.

Manchmal vermutete sie, dass er an einer Konzentrationsschwäche litt, doch dann war er wieder durchweg konzentriert und ließ sich von nichts ablenken. Er war ein einziges Rätsel, doch genauso war es anders herum. Er konnte ihre Gedanken nur erahnen. Er spürte zwar, was sie fühlte und brauchte, doch das Wieso und Warum verstand er meist einfach nicht.

Es schmerzte ihn, aber in solchen Momenten fand er Ruhe, um seiner geliebten Prinzessin beistehen zu können. Ihr zur Seite stehen zu können. Sie niemals fallen zu lassen.

„Futave.“ Ihre Stimme klang sanft, lockend. Sie stand einige Meter von ihm entfernt, doch er erkannte deutlich ihre Hand, die nach der seinen suchte. Mit schnelleren, aber immer noch gemächlichen Schritten kam er auf sie zu. Er war nun einmal kein Elf der Hast und das zeigte sich immer wieder.

„Ich komme.“

Nachdem sie die nicht gerade kurze Strecke zum Saal überwunden hatten, klopfte er an der großen, mit edlen Pflanzenfarben verzierten Flügeltür. Sie schwang bei dem Hauch der Berührung seiner Hand lautlos nach innen auf und gab den Blick auf einen prächtigen, aber auch überschaubaren Saal frei.

„Da seid ihr ja!“, begrüßte ihr Vater die Neuankömmlinge, die sich auf ihre Plätze an dem einem Ende des langen Tisches, welches der Tür näher war, begaben. Der Herr des Hauses thronte auf einem besonders geschmückten Stuhl, der nicht kleine Ähnlichkeit mit einem Königsstuhl aufzuweisen hatte. Er bestand wie alle Stühle aus vergoldeten Ästen, durch die hier und da die vorige Astfarbe hindurch schien. Die Stühle des Hausherrn und seiner Gefährtin jedoch waren auch noch reich mit allerlei sterilisierten Blumen besetzt, die als ewige Vertreter ihrer Art dort ihre unendliche Lebensdauer verbrachten. „Dann können wir ja jetzt anfangen.“ Er klatschte in die Hände.

Es eilten Diener, natürlich allesamt Elfen, hinein. Elegant und graziös legten sie die Speisen auf den Tisch, servierten den Wein, kümmerten sich um den reibungslosen Ablauf des Abendmahls. Sie tauchten mit ihrem Auftreten alles in eine Atmosphäre des Gehobenem, die die Einrichtung und Personen ebenfalls vermittelten.

„Also, Tochter“, fing Erflines Vater nach den ersten Bissen an, „was hast du mir zu sagen?“
 

Der nächste Wegabschnitt, den sie beschritten, verlief nicht mehr so ruhig wie vorhin. Es war, als würden mit dem Weiterziehen von Faure Morin die Geräusche wiederkommen, die Stille war gegangen. Sie lachten und redeten über alles Mögliche. Wenn Inkalak sich mit Alyne unterhielt, dann über Waffen und Kampftechniken. Er brachte ihr auch den ein oder anderen Trick bei, der ihr später noch nützlich sein konnte. Wenn er sich jedoch mit Feliff unterhielt, konnte man sich sicher sein, dass er Feliff hier und da immer noch über seine Reinblütigkeit und dessen Leben ausquetschen würde. Sie übte derweil ihre neu gewonnen Kenntnisse, aber wenn es um die Route ging, erscholl ihre Stimme auch nicht besonders leise.

Sie kamen im Plauderton gut voran, als würden Worte ihre Beine beflügeln. Es war schon eine ulkige Gemeinschaft. Eine Halbelfe, die einen reinblütigen Elf in reiner Körperkraft überbot. Ein vom Leben gezeichneter Weltenwanderer, der, wie jeder, seine eigenen Geheimnisse behielt und hütete. Es war ein kurioser Trupp, der durch den Wald nahe des Elfendorfes zog.

Dennoch schienen sie einander zu vertrauen und das war auch gut so. Man konnte nicht gut reisen, wenn man sienen Gefährten nicht vertraute.

Die Sonne neigte sich dem Horizont zu und hatte schon lange ihre Stellung im Zenit verlassen.

„Darf ich fragen, warum ihr eigentlich nach Efarnia reist?“, fragte Inkalak dann doch noch aus reiner Neugier. Er konnte es einfach nicht lassen.

Daraufhin schwieg Feliff, während Alyne nachdachte. Es war ein etwas persönliches Erbe, um welches es ging. Aber sie fand, dass man dem erwachsenem Elfen vertrauen konnte. „Wir reisen dorthin, weil wir uns dort einen Hinweis auf ein 'Rätsel' erhoffen“, drückte sie vage formuliert aus.

Seine Augen fingen an zu glitzern. „Wie aufregend!“, rief er hervor. „Darf ich erfahren, worum es genau geht?“

„Wir wissen es, ehrlich gesagt, auch nicht genau. Es scheint sich nur um ein Rätsel zu handeln, wie mein Vater meinte. Wir wissen nicht ganz, wie wir es lösen können.“ Sie erwähnte nicht, dass er es in einem Brief gesagt hatte. Auch hielt sie die privaten Aspekte des Briefes geheim. „Ich bin gespannt, was am Ende herauskommt“, seufzte sie schließlich.

Die männlichen Genossen nickten. „Bisher steht ja nichts fest. Es kann alles Mögliche sein“, merkte Feliff an. Eine kurze Weile schwelgten alle drei in blühenden Fantasien. Von einem allmächtigen Schwert bis zu unfassbarem Wissen und wegweisender Technik war alles dabei, nur das, was am Ende wirklich sein würde, konnte keiner erahnen. Sie wagten es auch nicht, ihre Vermutungen in Stein zu meißeln. Dieses Rätsel war so biegsam wie Wasser, so formlos und doch so klar.

Dann merkte der erfahrene Reisende eine Begebenheit an, die real und erkennbar war: „Es wird bald dunkel. Hinten, nur ein paar hundert Meter weit, sollte eine nette Lichtung sein, auf der wir unser Nachtlager aufschlagen könnten.“ Er zeigte in die entsprechende Richtung. Sie willigten ein, ihr Nachtquartier an diesem Ort aufzubauen und beschleunigten ihre Schritte ein wenig. So unterhaltsam die Stunden gewesen waren, Müdigkeit überfiel sie in einem Sorge erregenden Tempo.

Die letzten Meter schwiegen sie, wohl, um Energie zu sparen. Auch die Verteilung der Nachtwache war kurz und bündig: Feliff als Erster, dann Inkalak und schließlich Alyne. Es war ein wenig nach Reinheitsgrad des Blutes geordnet, aber man konnte es ihnen nicht verübeln, auch wenn die Halbelfe lautstark protestierte. Am Ende sah sie es aber doch ein. Elfen hatten einfach eine schnellere Regenerationsfähigkeit. Ihre war zwar nicht zu verachten, aber dennoch schwächer als die der Elfen.

Sie legte sich mürrisch brummelnd in ihr gefertigtes Bett aus Moos, Laub und Gras. Entgegen ihrer Erwartungen schlief sie sofort ein, döste in das Land der Träume.

Es war wirklich ein langer, aufregender Tag gewesen.
 

Nur wenige Stunden vor Sonnenaufgang wurde Alyne aus ihrem Traum gerissen, in dem sie Kampfbewegungen genau einstudiert hatte. Sie grummelte, wehrte sich aber nicht. Gähnend löste sie Inkalak ab und setzte sich an die Wurzeln des Baumes, an dem schon ihre zwei Vorgänger gesessen hatten. Der Schlaf hing ihr noch ein wenig in den Gliedern, doch je heller der Farbton des Himmels sich färbte, desto wacher wurde sie. Mit jeder verstreichenden Minute kam in Tropfen ihr Tatendrang zurück, in ein paar Stunden gezählt sprühte sie davon nur über, als es Zeit war, loszugehen.

Feliff lächelte über ihren Bewegungsdrang, konnte ihn aber nicht verstehen. Er hatte so etwas noch nie verspürt, er war ein Elf der warmen Stube. Inkalak wurde von ihrem Enthusiasmus angespornt und mitgerissen, denn auch er war eine freiheitsliebende Natur, die ihren Ursprung draußen sah.
 

Ein Schatten schwebte über die beiden Elfen hinweg, als sie mittels Magie einer ganz gewissen Spur folgten. Stille erfüllte die Gegend, ihnen stockte der Atem, als sie die Gestalt erkannten. Regungslos blieben sie auf dem Boden liegen, in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Ob nun gesehen oder nicht: Faure Morin schwebte zu ihrem Glück einfach über sie hinweg.

Erfline wagte es erst wieder erleichtert aufzuatmen, als die Geräusche eine gute Weile wiedergekehrt waren. „Das war vielleicht ein Schrecken.“

Ihr Begleiter nickte zustimmend. „Ist alles in Ordnung, Prinzessin?“

„Jaja“, winkte sie ab, ihr Augenmerk fokussierte nun wieder die Spurenverfolgung. „Aber ich war wirklich erstaunt... Ausgerechnet dieses Wesen hier zu sehen...“

„Aber ihre Spur führt weiter.“ Er unterstützte sie mit helfender Magie, schnell fanden sie die Reste von Feliffs allseits ausströmender Magie wieder. Schweigend setzten sie ihre Reise fort, deren Mission es war, die beiden zu verfolgen. Ihr Vater wollte unbedingt wissen, was den reinblütigen Elfen davon abhielt, ein Treffen mit dem Berater des Königs zu verweigern. Und dazu waren ihm alle Mittel recht. Ihr Auftrag war zudem, die Halbelfe wenn nötig aus dem Weg zu räumen, das jedoch beiden widerstrebte. Egal wie gering die Schätzung der Elfin für einen Mischling war, so weit ging sie nicht. Und Futave verachtete solche sinnlosen Morde sowieso, doch für seine Prinzessin würde er alles tun.

Auch, wenn es gegen seine Prinzipien verstieß.

Er bemerkte ein leichtes Zittern an ihrem Körper, als sie weitergingen. Ihre Schritte schienen zwar fest, doch auch sie wankte ein wenig. Ihr schien die Begegnung mit der Schattengestalt mehr ausgemacht zu haben, als sie zugeben wollte. Er berührte sie kurz bei der Hand. Ihr Blick blieb starr gerade aus, aber ihre Hand schloss sich um seine. Nun spürte er ihr Zittern auch. Er drückte die ihre und es nahm wieder ab. Er gab ihr Halt, sie gab ihm Halt. Sie halfen einander.

Liebten einander.

Sie kamen der Quelle der Magie immer näher. Die Reste wurden zu Hinterlassenschaften, die immer deutlicher zu erkennen waren. Nun benötigte sie auch nicht mehr seine Hilfe, um den reinblütigen Elfen verfolgen zu können. Sie waren ihm dicht auf den Fersen, doch damit wuchs auch die Anspannung. Sie mussten damit rechnen, jeden Augenblick, nein, schon entlarvt worden zu sein. Man hatte keine genauen Daten darüber, wie fein das Gespür von Elfen reinen Blutes wirklich war. Sie lebten meist zurückgezogen in den Wäldern, nur weniges war wirklich klar: Sie waren normalen Elfen, deren Blut oftmals durch nur wenige Tropfen Andersartigem verunreinigt war, in allem überlegen, und sie hatten eine gewisse Macht über sie, wenn sie wollten.

Normale Elfen waren nur Spielbälle für sie, doch scheinbar machte es denen nichts aus. Den meisten jedenfalls nicht, denn sie wollten scheinbar jemanden haben, der sie umhegen und schützen konnte. Es gab auch einige wenige Rebellen im Land, die gegen die Herrschaft der reinblütigen Elfen aufbegehrten und sie tot wissen wollten, aber diese lebten sehr zurückgezogen. Man hörte nur ab und zu etwas von ihnen, im Grunde exisitierten sie nur wie ein Märchen in den Ohren der Elfen. Und dann gab es noch die oberste Schicht, die sich den Kräften der alten Herrscher, wie man sie auch nannte, zu Nutze machen wollten.

Und inmitten von diesen Machtspielen befanden sich die beiden nun. Ihrem Alter nach eigentlich noch Kinder, die zu schnell gereift waren.

„Ich frage mich, ob er uns schon entdeckt hat“, flüsterte sie, als sie stehen blieb. Es war zu riskant, noch weiter vorzudringen. Sie waren jetzt schon zu nah an ihnen dran, denn auch Alynes schwache Magie war zu spüren. Deutlicher nahmen sie einen anderen Elfen wahr, der sich ihnen bei der Lichtung, die sie ebenfalls gekreuzt hatten, getroffen hatten. Seine Spur ließ den Schluss zu, dass er länger an der Lichtung verweilte, dann aber mit raschen Schritten zu den beiden eilte und die Distanz verringerte.

„Ich denke schon.“ Er war in dichter Entfernung zu ihr und wagte es nicht, lauter als einen Windhauch zu reden.

„Warum lässt er uns nicht auffliegen?“ Sie klang gereizt. Sie hatte Versteckspiele immer schnell Leid gehabt, auch schon in frühester Kindheit. Sie war immer diejenige, die sich am besten versteckt gehalten hatte, aber als erste aus den Verstecken gekommen war. Die Orte kannte er bis heute nicht.

„Ich weiß nicht.“

„Meine Güte, ich verstehe diese Reinblüter nicht“, seufzte sie. Ein Knacken ertönte, als sie mit ungeduldigeren Schritten als zuvor weiterging. Er hielt sie zurück, um ihr einen mahnenden Blick zu schenken, aber sie schien es so langsam wirklich satt zu haben. „Ich bin niemand, der sich verstecken muss“, zischte sie unzufrieden, wehrte sich aber nicht gegen seinen Griff.

Eine Weile standen sie reglos da, doch niemand näherte sich ihnen. „Prinzessin, bitte pass auf.“

„Jaja.“ Sie entwand sich seinem Griff und ging mit einem gefassterem Gemüt voran. „Aber er hat uns doch sowieso schon entdeckt“, murmelte sie, nur für ihn verständlich.

„Trotzdem...“

„Es hat den Sinn verloren, wenn er es schon weiß!“

„Sollen wir zu ihm gehen und unsere Pläne offenbaren, oder was?“ Er seufzte beschämt, als er sich die Haare aus der Stirn strich. Er hatte sie nicht anschreien wollen. „Entschuldige.“

„Nicht schlimm.“ Sie strich ihm ihrerseits über den Kopf. Er bückte sich, damit sie besser drankam. „Ich wusste gar nicht mehr, wie groß du geworden bist.“ Sie lächelte.
 

„Und wir sollten sie wirklich in Ruhe lassen?“, fragte Inkalak misstrauisch nach. Seit einiger Zeit fühlte er eine schwache Magie an dem äußerstem Rand seiner Wahrnehmung. Er konnte die Überraschung in Feliffs Gesicht nicht verstehen und glauben erst recht nicht, als er ihnen davon erzählt hatte. Wie konnte er davon nichts gemerkt haben? War es etwa falsch, was man sich über die Reinblütigen erzählte, oder warum spielte er dieses Spiel?

„Ja, solange sie nichts machen ist es in Ordnung, denke ich“, erwiderte der Elf. „Ich wüsste auch nicht, was es ihnen bringen würde, wenn sie wissen, dass wir von ihrer Ankunft wissen.“

Alyne redete bei diesem Gespräch nicht mit. Ihr war unwohl gewesen, als sie gehört hatte, dass zwei fremde Elfen sich in ihrer Nähe befanden und sie scheinbar verfolgten. Sie selbst spürte nichts von der Magie, die sie umgab. Und das, was sie fühlte, erschienen ihr wie Illusionen, unsagbar schwach und unbedeutend. Wie ein kleines Kitzeln des Windes, sonst nichts.

„Oder willst du, dass wir sie fortschicken, Alyne?“

Sie hatte sich mittlerweile angewöhnt, selbst wenn er sie ansprach, ihn nicht anzusehen. Sie sah zu ihrer Linken, Bäume säumten den Weg, auf dem sie liefen. „Ich weiß es nicht. Aber es wäre schön zu wissen, wieso sie hinter uns her sind.“ Auch wenn ich mir den Grund erahnen kann, fügte sie im Stillen hinzu. Sobald ein reinblütiger Elf im Spiel war, konnte man so gut wie immer davon ausgehen, dass er irgendetwas damit zu tun hatte und nicht einfach ein reiner Statist war.

Reinblüter waren nie in einer Statistenrolle, ihnen lag die Hauptrolle näher.

„Also lassen wir sie jetzt dort oder fragen wir sie aus?“, wollte der größte Elf von ihnen nun wissen.

Sie seufzte. „Ich weiß es nicht.“

Aufeinander treffen

Eine Weile gingen sie weiter, ohne die Neuankömmlinge zu beachten. Jedenfalls größtenteils. Alyne tat zwar so, als wäre nichts gewesen, aber man sah deutlich ihre Anspannung. Sie konnte ihre Gefühle einfach schlecht verbergen. Aber auch Inkalak war auf der Hut, er rechnete ständig damit, dass die Verfolger irgendeine Aktion ausführen würden, die ihnen schaden könnte, doch es regte sich nichts. Nur Feliff schien die Gelassenheit in Person zu sein. Er schwieg und versprühte mit seiner gesamten Haltung Zuversicht, doch wofür, wusste niemand.

Sie versuchten die Anspannung mit Gesprächen zu füllen, was ihnen auch größenteils gelang. Nach einer Weile waren die zwei Fremden nur Spuren in ihren Gedanken, ein bitterer Nachgeschmack oder eine Ahnung, die sich im Hintergrund hielt. Aber sie hatten auch nicht mehr die wirkliche Zeit, über dieses Ereignis nachzudenken. Eine andere Erfahrung hielt Einzug mit jedem weiteren Schritt.

Als sie an einer bestimmten Weggabelung waren, war dieser Punkt schließlich erreicht.

„Ich muss jetzt hier links abbiegen.“

„Und wir rechts.“

Stille folgte diesen zwei Sätzen. Unschlüssig, was die Freunde kurzer Dauer tun sollten, schwiegen sie unentschlossen und sahen sich nicht einmal an. Da ergriff Inkalak die Initiative. Er schloss mit seinen großen Armen beide seiner neuen Freunde auf einmal in die Arme, ein lautes, dröhnendes Schluchzen war zu hören.

Er rief einige unverständliche Dinge, die von seinen Heulkrämpfen noch mehr verunstaltet wurden.

„Wir dich auch“, erwiderte sie schließlich einer Eingebung folgend. Alyne unterdrückte Tränen, während sie ihm beruhigend auf die Schulter zu klopfen versuchte, aber ihre Hände zitterten. Feliff zitterte noch mehr als sie, er aber wegen der ungewohnten Nähe. Außerdem wurde er von dem Schluchzen des Hünen mitgerissen, er war wie ein Blatt im Wind.

„Wir werden uns sicher wiedersehen, oder nicht?“, beruhigte der Elf seinen neuen Freund. „Dessen bin ich mir ganz sicher.“

Ihr Gegenüber löste sich von ihnen. Sein Gesicht war tränenverschmiert, genauso wie das der Halfelfe und auch Tränen zierten das Gesicht des Reinblütigsten. „Ganz sicher.“ Inkalak fuhr mit seinem Handrücken über sein Gesicht. Leise Schluchzer schüttelten ihn immer noch. In diesem Moment wirkte er nicht wie jener, den man den Unerschrockenen nennt. „Macht es gut, meine Freunde.“ Er schüttelte beiden noch einmal kräftig die Hände. Sie ahnten, dass er einen neuerlichen Heulkrampf erleiden würde, wenn er sie in die Arme schloss. Von den Gefühlen des Riesen überwältigt, schüttelten auch Alyne Krämpfe, die sie unterdrückte.

Es war einfach traurig, einen so guten Freund, der ihnen nur aufgrund der Gefahr gefolgt war, obwohl sie einander nicht wirklich kannten, zu verlieren. In den vielen Gesprächen und Übungen hatten sie dieses Versäumnis nachgeholt. Er hatte ihnen über sich erzählt, sie erzählten über sich. Aber den Automaten erwähnten sie nicht. Es war kein Misstrauen, welches sie davon abhielt. Es war auch keine Vorsicht, es war ein ungewisses Gefühl. Ein Gefühl, dem sie wie einem Instinkt nachgegangen waren. Sie konnten es sich nicht erklären, aber in der Gegenwart des Ausgeschlossenen konnten sie dieses komische Etwas in ihren Herzen auch nicht bereden.

„Die Welt ist ein Dorf, also werden wir uns wiedersehen“, schloss Feliff mit bestimmter Stimme. Sein Blick war ebenso fest und zuversichtlich wie seine Worte, lächelnd und auch von Trauer gekennzeichnet.

„Ganz sicher.“

Sie standen noch ein paar Sekunden unsicher herum. Schauten betreten auf dem Boden. Aber dann seufzte jemand laut auf. Die männlichen Gesellen blickten einander an, als die Stimme des einzigen Mädchens laut wurde: „Okay, ich glaube, so langsam sollten wir gehen.“ Sie lächelte traurig zu dem Elf auf der linken Weggabelung. „Auf Wiedersehen, Inkalak.“

„Auf Wiedersehen, Alyne, Feliff.“

Mit einem Ruck wandten sich beide Partien gleichzeitig zum Gehen. In allen Herzen herrschte Schmerz, der ihnen die Sinne rauben konnte, wenn sie ihn nur zu tief hinein ließen. Doch in diesen Gedanken ruhte auch die Zuversicht, dass sie einander nicht das letzte Mal sahen.
 

„Du spürst es auch, oder?“, flüsterte Erfline.

Er nickte. „Der Elf geht weg, sie sind zu zweit. Also nur noch das Halbelfenmädchen und Feliff...“, murmelte Futave. Sie hielten sich in einem entfernten Gebübsch versteckt.

„Ja.“ Ihr Blick war unergründlich in die Ferne gerichtet. „Sollen wir uns ihnen nähern und zu erkennen geben?“

Ein Ast knackte, obwohl sie sich nicht bewegt hatten.

„Ich glaube, das braucht ihr nun wirklich nicht.“

Sie schreckten aus ihrem Geäst hoch. Die Stimme gehörte einer Person, deren Magie sie erst jetzt wahrnahmen. Als sie sich umdrehten, blickte Alyne sie herausfordernd an, die Hände in die Hüfte gestemmt, ihre Füße breitbeinig platziert.

„Ich wüsste nur zu gerne eure Beweggründe.“

Sie spürten das Sichnähern einer weiteren, mächtigen Magiequelle. Wenige Zeit später standen sie auch Feliff gegenüber, der sie mit undefinierbarem Blick musterte. Die beiden Ertappten schwiegen. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg, einer Ausrede, um ihre Pläne nicht verraten zu müssen. Unter dem bohrendem Blick des Reinblütigen kein einfaches Unterfangen. Sie spürte, wie fremde Gedanken von außen an ihren Überlegungen kratzten.

„Jetzt zeigst du also dein wahres Gesicht“, stieß sie in ihrer Verzweiflung aus. Sie konnte es sich nicht leisten, dass er noch tiefer in ihre Gedanken eindrang.

„Hä?“ Alyne verstand nichts, aber als sie Feliff ansah, sah er schuldig zu Boden. „Was hast du gemacht?“, fuhr sie ihn mit blitzenden Augen an.

„I-ich weiß es nicht. Nur... nur m-manchmal da...“, fing er zu stottern an. Sie seufzte frustriert und sah weg. Er entspannte sich sichtlich, doch das war auch keine allzu große Hilfe.

„Ich aber“, fuhr Erfline schnippisch fort. Es war der Mut der Verzweiflung, der sie zu solchen Taten trieb, einem unbekannten, allmächtigen Gegner gegenüber, auch wenn seine plötzlichen Stotterer und Schüchternheit ihr Konzept schwach zum Wanken gebracht hatte. „Er wollte mich manipulieren oder meine Gedanken lesen.“

Der Blick seiner Gefährtin verengte sich noch mehr, aber sie widerstand dem Drang, ihn anzufahren und ihn dabei anzusehen. Es würde die Sache nur unnötig verkomplizieren. „Stimmt das?“

„N-nein! Also... Ich weiß es nicht.“ Er seufzte einen frustrierten Laut. „M-manchmal b-bin ich eben nicht mehr ich... selbst.“ Er schien seine Verzweiflung nicht verbergen zu können. Es war wohl nicht der erste Vorfall. „Glaub mir bitte“, flüsterte er dann, „Ich kann es noch nicht erklären. Nicht jetzt, nicht hier.“

Sie sah ausdruckslos zur Seite. Für die beiden Anhängsel war es eine kuriose Auseinandersetzung: Sie sahen einander nicht an. Sprachen scheinbar nicht direkt miteinander und konnten die Emotionen des Anderen nicht lesen. Es schien ihnen unerklärlich, wie diese beiden einander vertrauen sollten. Und wieso der reinblütige Elf vor einer Halbelfe ein so erbärmliches Bild ergab. War er wirklich der Elf, dem sie im Dorf begegnet waren?

Es sollte erst ihr erster Schritt in Richtung der unverständlichen Begebenheiten sein, die sie noch erleben würden.

„Also, erst einmal zu euch“, wandte Alyne sich dann von dem kleinem Häufchen Elend mit dem Namen Feliff, in dessen Adern das reinste Elfenblut floß, ab. „Was führt euch hierher?“

Erfline knirschte mit den Zähnen. Sie hatte die eben günstige Gelegenheit verschenkt. Was sollte sie antworten? Ein leichter Tipp an ihrer Hand irritierte sie. Sie blickte nach hinten, zu ihrem Gefährten. Er sah sie eindringlich an, sie las aus seinem Blick seinen Vorschlag für das weitere Vorgehen. Sie beredeten einander eine Weile stumm, als die Elfe schließlich kapitulierte. „Wir sind euch gefolgt“, gab sie erst einmal das Offensichtlichste preis. Vielleicht würde ihnen das genügen, aber sie glaubte selbst nicht daran.

„Warum?“ Alyne schien nicht sonderlich überrascht zu sein, sie hatte es wahrscheinlich schon geahnt.

„Weil wir herausfinden sollten, warum der reinblütige Elf Feliff mit dir auf eine Reise geht, statt meinen Vater, den Berater des Königs, zu treffen.“ Lügen haben kurze Beine, Lügen haben kurze Beine..., rief die Sprecherin sich wieder und wieder in das Gedächtnis. Es war das Argument, mit dem Futave sie schließlich umgestimmt hatte. Dennoch war ihr nicht wohl dabei, die Pläne preiszugeben. Sie hoffte, dass sie nicht dazu genötigt werden würde, auch den Namen ihres Vaters preizugeben. Es würde ihn in fatale Schwierigkeiten bringen, wenn diese Begebenheit ans Licht kommen würde.

„Aha...“, erwiderte Alyne gedehnt. Sie machte nicht den Eindruck, ihr nicht zu glauben, aber etwas schien sie noch skeptisch zu stimmen. „Und was tut ihr nun, nachdem wir euch entdeckt haben?“

Es folgte Schweigen. „Was wollt ihr denn mit uns tun?“

Wieder Schweigen. Scheinbar wussten beide Parteien nicht, wie sie fortfahren sollten. „Euch zurückschicken.“ Es klang nicht sehr zuversichtlich.

„Das werden wir nicht zulassen.“

Alyne war mit dieser Situation leicht überfordert. Sie war kein Mensch der diplomatischen Verhandlungen und sie wollte nicht gerade, dass die überhebliche Elfe mit auf die Reise kam. Allerdings hatten die männlichen Gesellen bisher nichts Wirkliches gesagt, also warf sie die Hände in die Luft und rief: „Ihr seid dran, Jungs!“ Dann zog sie sich mit all ihrem Geklimper zurück, wie zur Drohung hob sie eines ihrer Schwerter. Es glänzte verführerisch in der Mittagssonne. Sie hatte unübersehbar wirklich keine Lust, diese Diskussion durchzuführen.

Sie hockte sich vor einen Baum in der Nähe, richtete ihre Schwerter passend aus, und schwang eines zum Spaß herum.

Feliff seufzte. „Wenn die Elfe einverstanden ist?“

Erfline sah ihn mit unerklärlichen Augen an. Sie war einerseits erstaunt, dass er so leicht die Zügel in die Hand nahm, nachdem er sich nicht darum bemüht hatte, aber dass sie abgeschrieben wurde gefiel ihr nicht sonderlich. Dann lehnte sie sich aber ebenfalls an einen Stamm in der Nähe und winkte Futave nach vorne. Es hatte doch alles keinen Sinn und Zweck.

Die Diskussion begann.
 

Alyne beobachtete die beiden Jungen dabei, wie sie miteinander diskutierten. Es war eine ruhige Auseinandersetzung, in der die beiden Vertreter ihre Fassung wahrten und gleichzeitig ihr Gesicht schützten. Sie gaben nicht mehr preis als unbedingt nötig. Ihre Verhandlungsart war wesentlich effektiver, aber auch verbissener als die der Mädchen gewesen. Ihr Umgangston kühl, berechnend und vorsichtig. Man hätte sie wirklich für Diplomaten in einer äußerst schwierigen Krisensituation halten können, so ernst waren sie.

Die Halbelfe musste beinahe laut aufprusten. Es war einfach urkomisch. Es war doch nur eine kleine Angelegenheit. Er schien alles unfassbar ernst zu nehmen und ob sein Gegenüber es nur wegen seinem Druck, den sie förmlich spüren konnte, tat oder auch so schon ein ernster Geselle war, wusste sie nicht. Es amüsierte sie ein wenig, auch wenn es sich immer noch dank Feliffs, wenn auch geringen Einfluss im Rahmen hielt.

Wieder einmal erstaunte sie seine unfassbare Wirkung auf andere Elfen. Auch Erfline sah angespannt aus, nur Alyne, mit dem wenigsten Einflussbereiches des Angehörigen einer sehr manipulativen Kategorie von Elfen, wirkte sichtlich entspannt und gelöst. Dennoch wollte sie sich nicht in die Diskussion einmischen, es würden alle Elfen sie wahrscheinlich nur anfahren. Die Zeit drängte aber mit ihrem untrüglichen Fluss weiter und bald wich die Erheiterung ebenfalls der Anspannung. Ihr Vater würde ihr wahrscheinlich keinen Wettkampf gegen die Zeit liefern, aber sie fing durchaus an, sich zu langweilen.

Um dem irgendwie entfliehen zu können, wich sie aus. Sie erhob sich so leise es mit all ihren Schwerten ging und verdrückte sich in die Bäume. Als sie gerade noch in Sichtweite war, fing sie mit ihren Übungen an. Wie lange sie wohl noch diskutieren würden?

Inzwischen hatte Feliff seinen Einfluss und Alynes Langeweile registriert. Er nahm sofort seinen Druck wieder zu sich, ihm war es sichtlich peinlich. Nun, da es halbwegs entspannter war, ließ sich auch leichter diskutieren. So kamen sie schnell zu einem Ergebnis, dass sie in der von ihm erzeugten Krampfheit nur allzu leicht verfehlten. Er erhob sich, verbeugte sich halb und ging dann zu seiner Reisegefährtin hinüber.

„Es ist geklärt.“

Sie hielt in ihrer Bewegung inne. Ihr Schwert blieb exakt an dem Punkt stehen, an dem es stehen sollte. Ihre Muskeln waren angespannt, sie lockerte ihren Griff und nickte. „Und was wird nun gemacht?“ Sie achtete darauf, ihren Blick auf der Schwertschneide zu halten.

„Sie werden uns auf die maximale Distanz folgen, in der sie meine Magie noch spüren können. So wissen sie, wo wir sind, aber nicht genau, was mir machen. Ist das in Ordnung?“ Er runzelte besorgt die Stirn, aber sie nickte.

„Wenn es dann weiter geht.“

„Oh, und sie dürfen nicht nach Efarnia.“

„Und ich?“

„Du schon. Wegen dir reise ich ja noch einmal zurück.“ Er lächelte, als er wieder auf den Weg zurück wies. „Da geht es lang.“

„Ich komme.“

Die Reise wurde fortgesetzt und auch das Diskutieren hatte scheinbar ein Ende genommen. Schweigend nahmen sie ihren Vorsprung ein, abgesehen vom Geklimper ihres Gepäck herrschte eine friedliche Stille.

„Wir sollten uns einen Unterschlupf für die Nacht suchen“, merkte Alyne an. „Es ist dunkler geworden.“

Er nickte zustimmend. „Gleich biegen sich Kronen zu einem schützenden Dach, da können wir uns unterlegen.“

„Das klingt ja so, als würdest du es gleich selbst machen“, scherzte sie. Wie immer blickten sie einander nicht an, damit solch ein lockeres Gespräch entstehen konnte. Sie wussten dennoch, dass der jeweils Andere da war, nur die eine Partie mehr als die andere.

„Öhm... Naja...“

„Sag nicht du wirst es wirklich machen?“ Sie war drauf und dran, ihn mit einem skeptischen Blick zu tadeln.

„Elfen sind sehr naturverbundene Wesen, das weißt du!“, verteidigte er sich. Er hob sogar seine Arme in die Luft, damit es glaubwürdiger wirkte, aber da sie es nicht sah, war es nicht von Nöten gewesen. „Und ich hatte es auf meinem Hinweg gemacht.“

Tatsächlich blickten sie bald auf zwei oder mehr Bäume, deren Kronen unnatürlich dicht ineinander verflochten waren.

„Wobei ich nicht einmal weiß, ob wir es jetzt nötig haben. Vielleicht regnet es nicht einmal.“

„Das ist mir auch egal. Aber sag mal...“

„Hmm?“

„Kann man sich auf die Äste draufsetzen? Zur Wache?“

Er war verwundert. Daran hatte er nie gedacht. „Ja, ich denke schon.“

„Gut, dann übernehme ich die erste Wache.“ Sie war erpicht darauf, auf diese Bäume und deren ineinander verflochtenen Kronen zu klettern, denn sie hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Es wirkte wie ein rundes, schützendes Dach. Eine wirklich ulkige Form. „Keine Wiederrede“, fügte sie noch hinzu, als sie loslief und leichtfüßig auf den Baum kletterte. Mit missmutiger Miene wagte er es nicht, sie zu beobachten, aber ihre Flinkheit spürte er schwach durch ihre Magie, die trotz ihrer geringen Menge durchaus existent war.

„Bist du dir sicher?“

Sie nickte. Dann fiel ihr ein, dass er sie nicht sehen konnte. „Ja!“ Sie hatte es sich auf der Rundung bequem gemacht, an der vermutlich das Regenwasser abperlen würde. Über ihr befanden sich auch noch Äste, sie wirkten ein wenig wie ein schwacher Sichtschutz. „Sind sie auch stehen geblieben?“

„Ja.“ Er behielt die Bewegungen der zwei Randreisenden, wie er sie manchmal nannte, genaustens im Blick. „Dann würde ich sagen, 'Gute Nacht'?“

„Nacht.“ Sie nahm etwas Brot aus ihrem Rucksack, um es noch zu essen. Sie würde ihre ganze Aufmerksamkeit brauchen und das verbrauchte bekanntlich Energie.

„Und weck mich um Mitternacht, ja? Ich löse dich dann ab.“

„Jaja.“
 

Die Nacht verlief friedlich. Einige Nachtvögel zwitscherten in der dunklen Luft. Die Sterne ließen sich durch die Äste erahnen, wenn man auf dem Rücken lag und nach oben blickte. Wind kühlte die Temperatur sichtlich ab, ebenso der Mangel an Sonnenlicht.

„Prinzessin?“ Sie hatten ihr Lager gerade am Rand des Grades an Wahrnehmung aufgeschlagen. „Schläfst du schon?“

Sie antwortete nicht. Sie war hellwach und wusste genau, dass er es spürte. Manchmal war er ein eben redebedürftiger Elf. „Ja, ich bin wach.“ Sie blickte nach oben, zu den Sternen und der endlosen Finsternis des Himmels ohne Sonne.

„Heute war ein eigentlich erfolgreicher Tag, oder nicht?“ Sie hörte seine Bewegungen, als er in eine angenehmere Position wechselte. Er hielt sitzend an einem Baum gelehnt Wache, sie schlief unmittelbar neben ihm. Jedenfalls sollte sie das eigentlich.

„Ich denke schon. Außer, dass wir aufgeflogen sind“, erwiderte sie trocken. Dann lächelte sie leicht. „Du wirst einmal ein guter Redner werden.“

Er errötete, aber sie beachtete das nicht. Beziehungsweise sie sah es zwar nicht, spürte aber, dass sein Gesicht hitziger war als vorher. „D-danke, Prinzessin. Und nun ruh dich besser auf, sonst wirst du für morgen keine Kraft mehr haben“, empfahl er ihr. „Ich wache über dich.“

„Danke, Futave.“

Sie schloss die Augen und versank in ein Reich, das dem Himmel nicht unähnlich war.
 

Pünktlich um Mitternacht warf Alyne einen Stein von ihrem Versteck aus auf Feliff. Es war ein kleiner, kühler Stein, der genau seine Stirn traf. Verwundert erwachte er bei diesem Schlag, rieb sich die Stelle, obwohl sie nicht schmerzte. Es war wohl eher ein Reflex. Er sah nach oben, sie winkte. Sie hatte also Recht gehabt: Er hatte einen ziemlich leichten Schlaf.

Er verstand und erhob sich, noch ein wenig vom Schlaf benommen. Mit geschickten Handgriffen erklomm er den Baum, aber nicht so flink wie sie es getan hatte. Sie packte derweil ihre Sachen zusammen und machte sich an den Abstieg, als sie sicher war, dass er sich zurecht gefunden hatte. Unten legte sie sich auf ein Stück Grasland hin, bei dem das Astwerk an einer Stelle nicht so dicht war, dass man den Himmel nicht mehr sehen konnte. Helles Licht wurde schlagartig von Wolken eingenommen.

Würde ein Sturm aufziehen? Sie brummte. Gerade, wo sie an der Reihe war, zu schlafen. Bei Gewittern schlief sie meistens gar nicht, sie war viel zu aufgeregt und somit hellwach. Sie beobachtete dann immer die Blitze, die so willkürlich und doch energiesparend waren. So voller Kraft. Und die Donner waren so laut! So unheimlich gewaltig. Faszinierend.

Ein Tropfen fiel ihr auf die Nase. Es dauerte einen Moment, bis weitere Tropfen ihre Haut benetzten. Sollte sie sich lieber zurückziehen? Aber da spürte sie am Rande ihrer Wahrnehmung das Aufwallen von Magie. Kein Nass folgte mehr. Dafür sah sie Feliff, der vom Dach aus hinunter spähte. Sie hob die Hand und zeigte ihm den Daumen nach oben, aber er schüttelte den Kopf. Wahrscheinlich wunderte er sich, warum sie ausgerechnet da schlief, war doch eine Bedachung vorhanden.

Aber sie ignorierte es. In diesem Moment war es ihr auch ausnahmsweise egal, dass es nicht gerade effizient war, ihn diesen Schild aufrecht zu erhalten lassen. Sie beobachtete den Aufprall von Tropfen auf Magie, das Tanzen von Blitz und Donner.

In einem übertragenem Sinne diskutierten sie ja auch miteinander.

Eine Planänderung

„Bist du wach?“ Feliff hatte darauf verzichtet, sie gleichermaßen mit einem Stein zu wecken. Die Sonne war gerade erst über den Horizont geklettert, die Luft aber schon erfüllt von vielerlei Klängen und Gesängen. Er kletterte die Äste hinunter und klopfte den Bäumen dankend die Stämme. Es war für ihn eine Selbstverständlichkeit, auch wenn er wusste, dass viele es nicht so sahen. Außerdem mochte er das raue Gefühl der Rinde unter seinen Händen und Fingern.

Alyne war, kurz bevor die Sonne ihr Anlitz der Welt zeigte, von einem unwohlen Gefühl heimgesucht worden und war davon aufgewacht. Jedoch hatten sie diese Empfindungen leicht verstört, sodass sie sich nicht gerührt hatte. Erst, als sie alles als ein Hirngespinst abschrieb, war ihr wieder leichter zu Mute. Sie streckte sich und gähnte herzhaft. „Ja, schon etwas länger. Gehen wir dann?“ Sie hielt sich die Hand vor den weit aufgerissenen Mund, ein ihr eher unbekannter Reflex.

„In Ordnung.“ Sie sahen einander selbstverständlich nicht an, während sie die letzten Reste ihres Lagers vernichteten und verstreuten. Sie nahmen in einem federnden Gang ihre Mahlzeit ein. Bald würden sie auf Wild zurückgreifen müssen, für das sie ihren Bogen inklusive verschiedenster Pfeile mitgenommen hatte.

Lange Zeit genossen sie die Stille, die herrschte. Es war keine beunruhigende wie bei den Momenten mit Faure Morin, aber auch nicht die gespenstisch anmutende bei Nacht. Ein Tag, der frisch und jung war, klang wirklich anders. Mit neuen Geräuschen gefüllt schritten sie auf dem Weg voran, der manchmal klar, manchmal schleierhaft und manchmal nicht existent war. Und wie auch der Weg sich in viele Pfade kleidete, so konnten sie mit der verstreichenden Zeit auch die Vorbereitungen beobachten, die diese kälter werdende Jahreszeit kennzeichnete.

„Was ist eigentlich deine Lieblingsjahreszeit?“, fing Feliff unvermittelt ein Gespräch an. Sie würden wohl etwas länger als nur diese zehn Tage miteiander reisen und er fand, dass sie schon etwas mehr über den jeweils anderen wissen sollten.

Sie schwieg eine Weile. Was war ihre Lieblingsjahreszeit? Sie hatte nie darüber nachgedacht. „Ich denke, ich mag den Frühling am meisten.“ Es war eine lebhafte Zeit, eine Zeit, in der alles zu neuem Leben erwachte. Eine Zeit, in der es so schien, als würde die Hoffnung nicht Grün, sondern Bunt sein. Die Zeit, in der es warm wurde und die Zeit, in der auch sie selbst sich am wohlsten fühlte. Voller Kraft und Lebensmut.

Er nickte bedächtig. Er selbst wusste nicht, welche seine Liebste war. Ob es nun der Herbst mit seiner Geschäftigkeit, der Sommer mit seiner hitzigen Wärme, der Winter mit seiner kalten Ruhe oder doch eben der Frühling mit seinen tausend Farben war. Er hatte sich noch nie darauf festgelegt.

„Welche ist deine?“, fragte sie schließlich in seine fieberhaften Überlegungen auf eine Frage hinein, die sie erst in diesem Moment gestellt hatte.

„Ich denke, ich mag alle gerne.“

„Du kommst mir wirklich häufig wie jemand vor, der weder Abneigungen noch Vorlieben hat“, entfuhr es Alyne, es war eine Feststellung, die sich auf nichts begründete außer ihrem Bauchgefühl. Sie stieß mit ihrer Fußspitze ein Blatt in die Luft, während sie auf eine Antwort wartete. Aber Warten lag ihr einfach nicht wirklich. Schon nach kurzer Zeit des Schweigens fing sie an, ungeduldig herumzuzappeln. Erst kaum merkbar, doch dann immer deutlicher. Das Schweigen während ihres Vormarsches vorher war ja keine Wartezeit gewesen, also erträglich. Und es gab nichts Spannendes zum Beobachten, nichts, dass sie fesseln würde.

Feliff kam zu keiner wirklichen Erwiderung. Er spürte zwar, dass sie eine Antwort verlangte, aber ihm fiel einfach nichts ein. Als wäre sein Kopf leergefegt. Seine Gedanken transparent und nicht zu ergreifen, wie Nebel in seinem Verstand. „Kann sein“, druckste er dann herum, in der Hoffnung, sie würde sich damit zufrieden geben. Sie nickte langsam.

Es war auf eine Art merkwürdig, die schon beinahe komisch war. Sie hatten sich doch nicht einmal angesehen und doch gewusst, was der andere tat. Vielleicht schärfte Feliffs Anwesenheit Alynes Sinn für Magie und sehendes Nichtsehen. Ein kleiner Nebeneffekt, der vielleicht sogar für die Ewigkeit war. Aber sonst hatte seine Anwesenheit scheinbar keine Auswirkungen auf sie. Jedenfalls war sie nicht wirklich unter dem Einfluss, den er auf Elfen ausüben konnte.

Der Wind heulte auf, als sie einen Duft wahrnahmen, der jedoch so flüchtig wie eine Illusion war. Ein Hirngespinst, welches nicht existent war.

„Du hast... es auch... wahrgenommen?“, fragte Alyne mit zusammengezogenen Brauen. Ihr missfiel dieser Geruch. Stinkend und wiederwärtig, voller Komponenten, die einfach nicht zusammengehörten. Es war nicht einmal mit dem Gestank von normaler Widerwärtigkeit zu vergleichen. Es war einerseits nicht schlimmer, aber auch nicht besser. Es schien... angriffslustig. „Was es wohl war?“

Feliff zuckte mit den Schultern. „Ja, denke ja. Und da du es auch gerochen hast, kann es wohl keine Einbildung gewesen sein.“

Sie antwortete nicht, sondern wandte ihren Blick noch intensiver auf den Weg, der vor ihnen lag. Sie war auf der Hut, ob nicht aus dem Gebüsch ein Getier hervorspringen würde. Ob es sich dann um ein Gefährliches oder Harmloses handelte, war eine andere Sache. Sie erinnerte sich an die Erzählung des Unerschrockenen.

Ob es etwas damit zu tun hatte?
 

Die beiden Elfen, die ihnen immer noch in einem Sicherheitsabstand folgen mussten, überwanden die Distanzen schweigsam. Ab und zu streiften ihre Hände aneinander, kleine Zeichen des Naheseins. Sie konzentrierten sich darauf, Feliffs Spur nicht zu verlieren. Erfline fokussierte ihre Gedanken auf die komischen Umstände, die den reinblütigen Elfen umgaben.

Doch dann erstarrte sie mitten in der Bewegung. Es war kaum mehr als ein Hauch gewesen, der sie in diesen schockartigen Zustand versetzt hatte. Aber auch ihr Begleiter hatte diesen eigenartigen Geruch wahrgenommen, der so eindeutig war, wie nichts Anderes auf dieser Welt. Sie sahen einander in stummen Entsetzen an. Dieses Gefühl der Angst und die Unfähigkeit, die Realität annehmen zu können, packte sie.

Sie schluckte den Kloß herunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. So konnte das nicht weitergehen. Sie blicke zu Futave hinüber, der sie fragend musterte. „Wir kehren um.“ Ihre Stimme zitterte nicht, anders als ihr Körper.

Er nickte schweigend und nahm ihre Hand.
 

„Das hast du wirklich getan?“ Feliff hielt sich den Bauch vor Lachen. Er krümmte sich, während er gluckernde Laute von sich gab. Sie sah ihn peinlich berührt an, doch er schien es gar nicht zu bemerken.

„Ist da irgendetwas falsch dran?“, verteidigte sie sich. Sie sah eingeschnappt zur Seite, aber er hörte einfach nicht auf. Aber für ihn war es auch zu komisch. Wer hätte sich träumen lassen, dass Elfen derart aus Zucker bestanden? Immer, wenn er an diese Vorstellung dachte, überkam ihn ein neuerlicher Anfall unaufhörlichen Lachens. „Ich habe ihn doch nur an einen Baum geschmissen! Woher sollte ich denn wissen, dass der aus Wasser bestand?“, klagte Alyne und stapfte in verzweifelter Wut auf dem Boden auf. Das Lachen irritierte sie. Was war so lustig daran? „Und dann ist er eben auf seinen eigenen Gewändern ausgerutscht...“

Sie konnte sich nicht mehr halten. Bei dem Gedanken an den flutschend rutschigem Elf überkam auch sie ein Anfall, der so bald wohl kein Ende nehmen würde. Sie kicherten und giggelten als gäbe es keine Dunkelheit, die über sie schlich. Doch dieses Mal war es die natürliche Finsternis und nicht jene mit Stille verbundene, die eine gewisse Schattengestalt mit sich brachte. Sie hielten ab und an zur Rast an, um sich weiter Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen, die sie erlebt hatten.

Alyne zählte ihre vielen Streiche auf, die sie den hochnäsigen Elfen gespielt hatte und beichtete, dass sie ziemlich viel Unterricht geschwänzt hatte. Feliff bemühte sich bei ihren Geschichten um ein ernstes Gesicht, doch manchmal konnte er sich nicht mehr halten. Sie waren auch inzwischen bei dem Grad angelangt, dass sie einander kurz ansehen konnten. Ein unheimlicher Fortschritt, wenn man seine vorige Unfähigkeit in Sachen Kommunikation bedachte.

Während sie von ihren Erlebnissen im Dorf erzählte, entwirrte Feliff teilweise das dichte Netz der Gerüchte, welches sich um den sagenumwobenen Forst gespannt hatte. Er berichtete von den Lebensumständen in Erfarnia, den Tieren und anderen Wesen dort. Aber er behielt pikante Details für sich und bestätigte häufig einfach nur das, was man sich erzählte. Für sie war es trotzdem interessant. Wie schon aus ihrem Fehlen im Unterricht hervorgegangen war, war dieser Wald wirklich Neuland für sie. Sie hatte absolut keine Vorstellung von der Macht und Größe, die diese 'Ansammlung von Bäumen', wie sie seinen Heimatwald früher genannt hatte, besaß.

Aber auch als er geendet hatte, war sie trotz aller Faszination noch unschlüssig.

Mit den Worten: „Ich kann nicht glauben, was ich nicht gesehen habe“, schloss sie die Diskussion aber. Für sie stand fest, dass sie sich durch Worte nicht überreden lassen könnte, auch wenn sie von ihm kamen. Es forderte weitaus mehr, um sie zu überzeugen. Wahrscheinlich hatte sie ihren Starrsinn von ihrem Vater, der so lange an etwas festhielt, bis es klar und sichtbar durch Anderes widerlegt wurde.

Doch was hatte diesen realitätsbezogenenen Menschen dazu gebracht, an ein Rätsel zu glauben, dessen Lösung so ungewiss war wie die Form einer Flüssigkeit?

Sie seufzte. Das war eine weitere Frage, die sie ihn nun nicht mehr fragen konnte.
 

Am nächsten Morgen wartete eine grübelnde Alyne darauf, dass der reinblütige Elf endlich aufwachen würde. Sie hielt sich davon ab, zu brummen, aber ihr bereitete etwas sichtliches Unwohlsein. Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, eine Falte zog sich starr über ihre Stirn. Ihre Augen waren tiefe Löcher des scheinbar Bösens, ihr Mund eine schmale Linie unter ihrer Nase, die unentwegt mürrisch zuckte.

„Was ist los?“, fragte er direkt, als er diese steinerne Gestalt erblickte. Wo war ihr Enthusiasmus geblieben? Aber da bemerkte er es auch. Eine feine, säuerliche Spur. „Was ist das?“ Er schnupperte noch ein paar Mal mehr. „Riecht...“ Er wusste nicht, wie er diesen Gestank beschreiben sollte. Obwohl er verhältnismäßig schwach war, war er dennoch unheimlich angriffslustig. Er war trotz seines eher hauchartigen Charakters beißend und kräftig.

„Unangenehm“, fasste sie ihr ganzes Befinden in ein Wort. „Lass uns weitergehen“, drängte sie dann in einem knappen, nicht gerade gesprächigem Tonfall. Er nickte und sie machten sich auf den Weg weiter zu ihrem Ziel heran. Aber der Geruch wollte einfach nicht weichen. Wie ein böser Alptraum, der noch sehr, sehr lange nachwirkte. Ein düsterer Schatten, den man nicht los wurde.

Ein Phänomen, das Elfen Rueve genannt hatten.

Feliff dachte unentwegt darüber nach, woher es kam und warum es da war. Alyne hingegen wünschte sich nichts sehnlicher, als weit, weit weg zu sein. Es war eine Qual für sie und obwohl sie den schwächeren Geruchssinn hatte, schien der Duft viel stärker auf sie zu wirken. Für ihn war es vielleicht nur eine unangenehme Begleiterscheinung, doch bei ihr war es etwas völlig Anderes. Wie ein Dorn, der sich immer tiefer in einen hinein bohrte. Unangenehm, schmerzvoll und mit Qualen verbunden, die die Laune mehr als nur in den Keller sinken ließen. Es war eher so, als würde sie im Boden versickern.

Sie sagte während dem weiteren Marsch nichts, und auch er versuchte nicht, sie zum Reden zu bringen. Es wäre ein unsensibler Akt gewesen, den er partout vermied. Aber woher kam bloß dieser Geruch? Äste knackten unter ihren Füßen, doch keines knacke so laut wie hinter ihnen.

Sie blickten sich überrascht um, einen Moment lang vergaßen sie den Duft, als er mit voller Wucht zu ihnen rannte. Ein großes, unsagbar hässliches Ungetüm mit verfilztem Fell und bestialisch passendem Gestank raste mit glühenden Augen auf sie zu. Besser gesagt: Auf Alyne zu. In seinen roten Augen spiegelte sich ihr verwundertes Gesicht wieder, als sie begriff. Sie rettete sich in allerletzter Sekunde mit einem Hechtsprung zur Seite.

Das Monster lief in die Leere. Mit einem Knall stieß es mit einem nahestehendem Baum zusammen, ein ohrenbetäubender Schrei erfüllte die Stille. Es schnaubte und tollte herum, bevor er sein Opfer wieder anvisierte. Doch dieses Mal griff Feliff ein, denn er konnte keine Bewegung bei ihr registrieren.

Mit weit ausgerebreiteten Armen stellte er sich dicht vor die Nase des Monster, der Geruch ließ ihn beinahe ohnmächtig werden. Hier, in unmittelbarer Nähe, konnte er bei diesem Getier nichts weiter erkennen als schwarzes, langes Fell, in welchem sich alles Mögliche verfangen hatte. Nur ein Detail zeichnete sich klar von den wütenden Augen des Tieres ab: Hass. Hass und Wut hatten sich in diesen kleinen Knopfaugen miteiander verbunden und hielten einander die Hände, während sie ihren Emotionen freien Lauf ließen.

Bei dem Anblick solcher Wut erschlafften Feliffs Arme auf einmal. Er selbst drohte zu stürzen. Er wusste viel, doch wirklich gesehen hatte er nicht viel. Unsagbare Trauer erfüllte ihn. Als würden sie ihn in tausende von Stücken reißen. Das Monster schnaubte überrascht seinen warmen, dampfenden Atem auf ihn hinab, der gefüllt war von dem betäubenden Geruch. In den winzigen Punkten spiegelte sich Verwirrung wieder.

Doch dann war da wieder das Anlitz einer regungslosen Person. Ein Atemzug genügte, um unbändigen Hass zu schüren. Der Elf war nicht auf einen erneuten Wutanfall gefasst, er stolperte mehr schlecht als recht zur Seite. Das Ungetüm preschte vorwärts, seine Lechzen gefletscht und in seinen Augen nur noch ein Gedanke.

In einer letzten, verzweifelt anmutenden Aktion sprintete er mit Hilfe von Magie nach vorne und schnappte sich Alyne, um mit einem dichten Nebel aus Gedanken weiterzulaufen, die alle keinen Sinn ergaben. Er war benommen, doch dank seiner Magie lief er weiter. Und auch Alyne war erstaunlich leicht. Er konnte sie tragen, ohne, dass ihn die Müdigkeit übermannte. Ob das auch das Werk der Magie war? Hinter sich hörte er Empörung und hasserfülltes Schnauben, aber das hören tat er auch noch sehr lange, während er, beinahe ohne Erschöpfung, Haken schlug und irgendwie versuchte, seinem Verfolger zu entkommen, dessen bestialischer Geruch ihn zu lähmen drohte.

Irgendwann verlor er den Weg vor Augen und viel früher das Gefühl für die Zeit, die verging. Er wusste nur den Atem des Tieres in seinem Nacken, vor das er flüchtete. In seinem Arm war immer noch die Halbelfe, die, bewusstlos, immer weiter getragen wurde.

Und irgendwann verlor er auch die Orientierung.

Allein von wilder Angst und unbändigen Instinkten getrieben, die ihn auf den Beinen hielten. Er ermüdete nicht. Dafür waren seine Kraftreserven viel zu groß, beinahe unermüdlich. Doch auch das Getier hielt etwas, sei es auch nur der Hass, das ihn weitertrieb. So hasteten sie in unberechenbarem Zickzackkurs durch den Wald, der dichter und kratziger schien als zuvor. Eine dünne Blutspur zog sich hinter Feliff her, so dünn, dass er sie kaum wahrnahm. Ebenso wenig wie die Schnittwunden, die von den Dornen herrührten, und sofort verheilten.

Was er aber wohl merkte war, egal wie verschwommen es in seinen Gedanken auch war, ein Plan, der beschrieb, wie er dieses Ungetüm loswerden würde. Mit leeren Augen murmelte er Worte mehr zu sich als zu seiner Umgebung, aber für diese waren sie auch nicht bestimmt. Nur von seinen Überlebenstrieben geleitet bewegte er sich vorwärts, während sein Verstand sich mit anderer Materie auseinander setzte.

Dann verschwamm alles vor seinen Augen und wurde blau.

Das westliche Dorf

Alyne rieb sich die Augen und blickte sich um. Sie spürte eine Hand um ihre Taille. Verwundert sah sie auf Feliff hinab, der im weichen Gras mit dem Kopf nach unten lag. Sein Hinterkopf wirkte wie Feliff, aber war er es auch? Sie zweifelte nicht daran. Sie stupste ihn an. Er rührte sich nicht. Sie zuckte mit den Schultern und nahm seinen Arm dann von ihrer Taille. Wo sie wohl waren?

Sie sah sich noch eingehender um sich herum, um mehr Details als einfach nur Grün, Blau und Baum, Blatt zu sehen. Sie befanden sich auf einer weiten Wiese, die scheinbar an einen Wald grenzte. Der Wald, dem sie entflohen waren? Sie schnüffelte ein wenig in der Luft. Der Geruch, der sie in die Ohnmacht getrieben hatte, war verschwunden. Sie hoffte, diese Bestie nie wieder zu sehen. Bei dem Gedanken daran erschauderte sie. Was war das bloß für ein Hass, der dieses Tier angetrieben hatte? So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Dieser pure Hass war ihr in dieser reinen Form noch nie entgegen geschleudert worden.

Aber war das wirklich wahr?

Sie schluckte. Geisterhafte Schemen, welche pechschwarz gefärbt waren, verdüsterten ihr Gesicht.

„Wo sind wir hier?“, riss seine Stimme sie aus ihren Gedanken.

„Ich habe keine Ahnung“, seufzte sie, versucht mit normalen Tonfall. Doch was war eigentlich diese Normalität, die sie sich herbeisehnte? „Aber da!“, bemerkte sie. „Rauch.“

„In der Tat.“ Das Geräusch, wie er sich aufrappelte, wurde vom Wind zu ihr getragen. „Lass uns dorthin gehen.“

„Geht das denn in Ordnung?“

„Ich hoffe.“ Er grinste eine Zuversicht, die sie nicht sehen konnte.

Sie überprüfte in dieser Zeit noch einmal ihr Gepäck. „Was ist passiert, während ich abwesend war?“ Sie wollte sich nicht wirklich eingestehen, wirklich in so etwas Schwaches wie Ohnmacht gefallen zu sein.

„Ich habe uns hierher teleportiert“, fasste Feliff das ganze Herumgerenne grob zusammen. „Und nun... sind wir hier.“

„Hmm.“ Sie nickte, während sie ihre Schwerter sortierte. Zum Glück hatte sie keines verloren. „Und was ist mit unseren beiden anderen Anhängseln?“

„Sind nicht mehr da. Wahrscheinlich hat es sie verwirrt, dass wir auf einmal nicht mehr da waren. Vielleicht sind sie umgekehrt.“ Er zuckte mit den Schultern.

„Und wo genau sind wir?“

„Ich weiß es nicht. Der Zauber sollte uns an den Rand der nächsten Zivilisation bringen. Hoffentlich sind sie uns wohlgesonnen oder weit genug entfernt...“, äußerte er seine Bedenken. Aber es war die letzte Möglichkeit, sagte er sich.

Alyne rieb sich gedankenverloren über die Arme, als ihr Unebenheiten auffielen. Schorf hatte sich an ein paar Kratzern gebildet, ebenso an ihren Beinen. Im Gesicht ertastete sie auch einige dieser dünnen, roten Linien. Dieses Teleportieren schien nicht seine erste Wahl gewesen zu sein, kam ihr in den Sinn. Sie spürte unter ihren Fingern, die noch auf den Wunden ruhten, wie sie langsam, aber merklich verschwanden. So schwach war ihr Regenerierungsprozess nun auch nicht. Warum also ihre Magie? Alt bekannte Bitternis stieg in ihr auf. „Lass uns gehen.“

Er nickte ihr stillschweigend zu, körperlich komplett unversehrt, aber mental wahrscheinlich angeschlagener als sie. Er war noch viel weniger mit der Welt vertraut, in der so etwas wie Hass überhaupt wirklich existierte. Er kannte es als eine Emotion, als eine Beschreibung. Ein Lexikontext, doch die Realität? Wie sie davon abwich. Niemand hatte ihm diese Art des Hassens erklären können.

Ihre Beine trugen die beiden durch die weite Wiese, immer weiter von schützenden Baumkronen hinaus in die Weite der Welt. Sie sprachen nicht viel, nicht auf so einem offenem Feld. Man tat eher das bestmöglichste, klein und unauffällig zu bleiben. Feliff arbeitete an seiner Auraverdeckung und erkundete seinerseits die Bevölkerung. Menschen. Er knirschte leicht mit den Zähnen.

Nein! Das durfte er nicht denken.

„Ob es wohl nette Leute sind?“, fragte Alyne auf einmal gedankenverloren in die Stille hinein, nichts wissend. „Ich frage mich ja immer, ob das nächste Dorf ein Dorf ist, welches meinen Vater kannte.“

Er sah sie erstaunt an. „Ja?“

Sie nickte bestätigend. „Ich kannte ihn zwar, aber ich kannte ihn wenig. Viel zu wenig.“

„Wieso?“

„Ich weiß es nicht. Meist war er nicht da oder ich war nicht da. Vielleicht hatten wir beide einfach ein schlechtes Timing.“ Sie lachte trocken. „Weißt du, wer in dem Dorf lebt?“, wechselte sie schnell das Thema. Sie zeigte auf die sich klarer am Himmel abzeichnenden Häuser.

„Menschen.“

In ihren Augen breitete Nachdenklichkeit sich aus. Es schien sie wirklich zu beschäftigen.

„Ich hoffe, dass wir dieses Rätsel bald lösen.“

Sie blickte ihn nicht an, nickte aber. Dann schwieg sie. Rythmische Schritte erfüllten die Luft, ebenso das Klirren von Schwertern. Das Pulsieren der Gedanken um ihn herum nahm er nur nebensächlich wahr, es war einfach etwas, dass er sich abgewöhnen wollte. Wenigstens für diese Zeit.

„Du siehst besorgt aus“, merkte sie mit einem Seitenblick auf ihn an. Er sah kurz überrascht zu ihr, lenkte aber seinen Blick wieder auf die größer werdenen Behausungen des Dorfes.

„Es gibt eine Menge Dinge, über die man sich Sorgen macht“, antwortete er mit einem schwachen Lächeln.

„Die Kunst besteht darin, sie zu vergessen“, erwiderte sie leichthin. Irritiert blickte er sie an, unterließ es dann aber wieder. Als er erneut ansetzen wollte, fügte sie noch hinzu: „Ein Zitat meines Vaters. Ich weiß nicht, wen er zitiert hat, aber er hat es sehr häufig gesagt.“

„Ja?“ Er dachte kurz nach. „Ich denke, es stimmt nur halb.“ Nach einer weiteren Pause fuhr er fort, da sie nichts daraufhin gesagt hatte: „Es ist zwar einerseits wahrscheinlich lebenserleichternd, wenn man die Sachen von Sorge einfach vergisst, aber das ist auch ein sehr verantwortungsloses Handeln. Ich meine, wenn jeder das so machen würde, wäre es einfach nur schrecklich. Man hat nicht nur die schönen Dinge im Leben.“

Ein Lächeln hatte während seines Vortrages ihr Gesicht geziert. „Genau das waren auch die Worte meiner Mutter. Jedes Mal.“ Ein Lachen schwang in ihrer Stimme mit. Sie hatte nicht erwartet, beinahe exakt dieselben Worte von ihm zu hören.

Verlegen blickte er auf das Gras. „Ja?“

„Jap.“ Eine kurze Schweigepause folgte, in der sie überlegte, ob sie ihn fragen sollte. Aber dann tat sie es einfach, weil langes Nachdenken nicht in ihrem Gemüt eingeprägt war: „Wie hat der... Wald dich eigentlich aufgezogen?“, fragte sie mit neugierigem, aber auch skeptischem Unterton. Aber man konnte ihre Bedenken bei dieser Aussage verstehen. Wer könnte sich auch vorstellen, dass jemand von einem Wald aufgezogen würde? Es war schon eine bizarre Vorstellung. Da waren doch nur Bäume und Tiere, deren Sprache du doch nicht verstandst, oder?

Seine Wangen erhitzten sich leicht. Er hatte sich noch nie mit so einer Frage konfrontiert gewusst. Natürlich wusste er, dass es außerhalb Efarnias nicht üblich war, dass man keine Eltern hatte und wenn, dann war es ein besonderer Umstand, der mit Mitleid versehen wurde, aber so? Ja, sein Zweig der Art 'Elfen' war einer, um den sich dichter Nebel rankte. Er selbst rang mit den richtigen Worten, um ihr das Bild zu vermitteln, das er im Kopf hatte. „Ich... kann es nicht wirklich erklären. Es ist, als hättest du eine... große Familie. Der ganze Wald mit all seinen Blumen und Bäumen und Tieren ist deine Familie. Und... sie bringen dir Sachen bei, die du nie für möglich gehalten hättest und...“ Ihm fehlten schlichtweg die Worte. Wie sollte er es auch jemanden erklären? Es war ein Mysterium für sich, etwas, das man erleben musste.

Sie nickte langsam. Sie bemängelte nicht, dass er Pflanzen auch aufgezählt hatte, aber es störte sie, ehrlich gesagt, auch nicht weiter. Er war ein seltsamer Kauz und damit wusste sie sich bestätigt. Vielleicht war dies auch die geheime Absicht hinter ihrer Frage gewesen. Aber richtig wissen tat sie es nicht. „Scheint eine schöne Zeit gewesen zu sein?“

„Sie hatte seine Höhen und Tiefen.“

„Hattest du...“ Sie brach ihre Frage wieder ab, unschlüssig, wie sie sie korrekt formulieren sollte. Es war nur ein wirres Gespinst in ihrem Kopf, etwas Chaotisches und Undefiniertes. Sie vergaß es lieber gleich wieder, die Frage zu stellen. „Ich habe nichts gesagt“, beeilte sie sich zu sagen.

Er fragte nicht näher nach, denn das Dorf kam immer weiter in Sicht. Sie sahen die ersten, klaren Formen von Menschen. Eine einfach gekleidete Frau bemerkte sie in den bäuerlichen Vorhöfen als erstes, während sie im Gespräch mit einer zweiten Frau war. Sie beide trugen schlichte, aber sauberere Kleidung aus groben Stoff. Das Kleid war gräulich und reichte bis knapp über dem Boden, man sah noch ihre Füße in grob behauenem Holz stecken. Sie wisperten aufgeregt miteinander, dem Anschein nach vielleicht gerade aus ihren Blütejahren hinaus. Dann gingen sie beide gemeinsam auf die Fremden zu, die, sonderlich gekleidet und mit noch sonderlicherem Gepäck, sich ihnen näherten.

Sed gegreßt! Was führt euch hierher?“, begrüßte eine der Frauen sie. Ihre braunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, der stramm herabhing.

Alyne umhüllte dieser Gruß mit einer warmen Vertrautheit und Väterlichkeit, auch wenn es Frauen waren. „Re gegreßt! Wir sind auf der Durchreise.“ Ausnahmsweise nahm sie einmal das Zepter in der Hand, denn Feliffs Studien reichten scheinbar noch nicht so weit, dass er diesen etwas altertümlich angehauchten und mit der Fantasie geschliffenen und mit bäuerlicher Naturen verwandte Gruß kannte.

Die Augen ihres Gegenübers glänzten ein wenig freudig. „Wohin geht es denn?“

„Wir müssen zum Fluss Setyian“, antworte auch nun Feliff, da er sich sicher war, dass sie nichts Schlüssiges würde antworten können. Mittlerweile hatte er wenigstens erahnen können, wo sie genau waren.

„Ach, gar nicht weit von hier. Na, dann heiße ich euch mal im Forunier, dem Dorf des Westens, willkommen!“

Innerlich triumphierte er leicht. Er hatte also richtig gelegen. Dieses Dorf hier war das Dorf, das man, wie sie schon zum Ausdruck gebracht hatte, das Dorf des Westens nannte. Forunier war ein relativ großes Einsiedlerdorf, welches oft von Händlern durchquert wurde, die in die größeren Städte weiter im Osten fuhren. Oft kamen auch Erzähler vorbei, die die Sprache des Dorfes ungemein geprägt hatten. Kam einer dieser Geschichtenerzähler in das Dorf, versammelte das ganze Dorf sich abends um ein Lagerfeuer und am nächsten Tag schon waren neue Wörter eingeweiht. Man konnte von Glück reden, dass sie noch keine eigene Sprache an sich aufgebaut hatten! Eines blieb über die Jahrhunderte aber, durch einen gewissen Faud Fab geprägt, gleich: Die zweimal zwei Wörter lange Grußformel.

Und auch ihre herzliche Art, Fremden zu begegnen, schien sich in den letzten Jahrhunderten in ihrem Erbgut festgesetzt zu haben. In der etwas trostlosen und immer trüber werdenden Mauer zwischen dem westlichem Westen, von dem die beiden gerade kamen, und dem noch weiter westlicherem Westen, wo das Nachbargebiet lag, waren sie die guten Engel der Gegend geblieben. Und, so hoffte er, so würde es auch in den nächsten Jahrhunderten weitergehen. Denn trotz all der Ruhe, die man in dem Elfendorf Alynes genoß, es bahnte sich seit einigen Tagen vermehrt eine Krise an.

Von all diesem wusste die Halbelfe jedoch nichts. Sie unterhielt sich fröhlich mit der Einheimischen und deren Freundin, die, wie sie in Erfahrung brachte, erst vor wenigen Jahren als Waise in das Dorf gekommen war. Sie erzählte, dass sie erst heimatslos durch die Welt gestreunt ist. Durch die westlich westliche Welt, wohlgemerkt. Auch wenn Alyne von den geographischen Bedingungen nicht viel wusste, beeindruckte sie ihre Willensstärke und Kraft, die man ihr auch noch heute, Jahre nach dem Herumirren in dem dornig trockenem Gebiet, ansah. Sie hörte, wie die Dorfbewohner sie getauft hatten, auf den Namen Freniana, kurz Freni. Er passte wirklich ausgezeichnet zu ihr, der Starken. Die Frau, mit der sie anfangs geredet hatten, war Cluadiana, die Mutter. Auch das war ein maßgeschneideter Name für die mütterliche Frau, die jedoch auch mal die Zügel anziehen konnte. Bei ihnen fühlte sie sich, nach dem Tod ihrer Mutter und sonst mit eher geringem Kontakt zu anderen Frauen, geborgen.

„Aber nun erzähl doch mal etwas über dich“, forderte Cluadi, die Abkürzung für sie, sie aufmunternd auf. „Sonst bekommt man ja noch das Gefühl, wir brummen dir hier unsere ganze Lebensgeschichte auf!“, lachte sie. Auch das Mädchen in ihrer Mitte lächelte, während sie durch das Dorf zum Versammlungsplatz, wo sich das Haus des Dorfältesten befand, in dem sich auch die Gästequartiere bequemlich gemacht hatten, gingen. Der reinblütige Elf folgte dicht auf, seine Stirn in konzentrierte Falten gelegt. Man sah sie ihm zwar erst bei genauerem Hinsehen an, aber sie waren durchaus vorhanden. Er verbarg etwas sehr Kennzeichnendes mit aller Kraft. Seine und auch Alynes auffallend spitz zulaufende Ohren waren lieber während ihres Aufenthaltes in dem Dorf versteckt, er hatte zwar nichts über Elfenfeindlichkeit gehört, aber die Zeiten von damals waren noch frisch in den Erinnerungen der Menschen und erst recht in denen der Elfen.

Als er zu der Dreiergruppe aufholte, war Alyne gerade dabei, ihr Leben vor den beiden Frauen darzulegen. Beziehungsweise die Teile, die Feliff schon kannte. Da erregte etwas Anderes seine Aufmerksamkeit. Ein etwas fadenscheiniges Detail, doch zog es ihn wie magisch in seinen Bann.

Es handelte sich um eine kleine Blume, viel mehr war sie in den Augen anderer nicht. Aber etwas... zog ihn zu ihr. Mit einem Satz war er bei ihr und hatte sie gepflückt. Beinahe wie von alleine wanderte sie in ein Fach seiner Tasche. Nachdem diese doch recht bizarre Aktion vonstatten gegangen war, wandte er sich wieder den drei weiblichen Personen zu, die einen Vorsprung zu ihm hatten. Er holte wieder auf und heftete sich an ihre Fersen.

Das Dorf war nicht sehr groß, die Gefahr, sich in ihm zu verlaufen, war verschwindend gering. Und dennoch konnte man doch leicht die Übersicht verlieren, betrachtete man die Wege und Häuser nicht genauer. Man landete zwar mit nur kleinen Umwegen beim gewünschten Ort, aber nicht, ohne sich in vielerlei Gespräche zu verwickeln. So auch nach und nach die Neuankömmlinge, die auf der Durchreise waren, wie Claudi lautstark betonte. Viele der Dorfbewohner interessierten sich für sie, es gab niemanden, der sie nicht freundlich grüßte und nur wenige, die zu viel zu tun hatten, als dass sie Zeit für einen kleinen Plausch mit den Fremden hatten.

Die Stimmung war entspannt gelöst und heiter. In diesen Momenten hinterfragten auch Feliffs Gedankengänge nicht alles und jeden, sondern genoß die heite Atmosphäre einfach. Auch die Formel hatte er schon sehr schnell verinnerlicht, ebenso den fremdartigen Akzent, den manche sprachen. Es war eine Vielzahl von menschlichen Völkern vorhanden, doch niemand war ausreichend magiebegabt, um seine immer noch in alle Richtungen ausströmende Magie zu bemerken oder gar hinter die Fassade zu blicken, die hinter den vorgetäuschten, menschlichen Ohren lag. Doch waren sie so viel anders, fragte Feliff sich kurz. Nur, weil sie selbst Elfen waren und sie Menschen müssen sie sich doch nicht anfeinden, oder? Es war ein hin und her seiner Gedanken, ganz anders bei Alyne.

Sie ging in der Heiterkeit regelrecht auf, die Herzlichkeit überraschte sie und ließ sie sich wohlfühlen. Sie hatte sich bei den Elfen nie wirklich wohlgefühlt und auch wusste sie schon lange, dass sie das Volk ihres Vaters insgeheim mehr mochte als das ihrer Mutter. Aber es war auch verständlich. Wie konnte man eine Personengruppierung, die einen das ganze Leben schikaniert hatte, mehr lieben als eine, die einem so herzlich begegnete? Sie erzählte vielen ihr Leben, aber auch sie erhielt im Austausch die Geschichten so vieler Dorfbewohner. Sie merkten gar nicht, wie die Nacht sich über sie legte und ihren Schatten auf das westliche Dorf lag.

„So spät schon!“, rief Cluadi dann mit einem Blick in den Himmel aus. „Ihr müsst müde sein. Unser Dorfvorsteher, Paterini, der kleine Vater, wie wir ihn nennen“, sie zwinkerte, „wird euch sicher zu den Quartieren begleiten. Gute Nacht!“ Sie winkte den sich zum Gehen abgewandten Gästen noch zu, während sie selbst mit Freni zu ihrem Haus, dem Frauenhaus, gingen. Denn, man sah es ihr wahrlich nicht an, sie war eine Witwe und hatte sich mit keinem neuen Mann verheiraten wollen. So erging es auch anderen Frauen im Dorf, und es entstand, kurzerhand festgelegt und gegründet, das Frauenhaus.

„Paterini?“ Alyne kicherte und auch der reinblütige Elf konnte sich eines verschmitzten Lächelns nicht verwehren. Der so Angesprochene reagierte mit einem Hauch von Rot, der in der Dämmerung kaum auszumachen war.

„Einer der Erzähler hat mir diesen Namen gegeben.“ Der Sprecher war ein etwas zu klein geratener, blasser Junge, ungefähr vielleicht 18 Jahre alt. Er hatte ebenfalls die grobe Kleidung an, die alle hier trugen, seine Haare wirkten im Dämmerlicht dunkler im Blondton als sie eigentlich waren. Helle, wache Augen zierten sein von ein paar Narben zerfurchtem Gesicht. Man wollte sich nicht so recht mit diesem Spitznamen und seiner Erscheinung anfreunden, aber doch war es eine ulkige Begebenheit. „Lasst uns endlich schlafen gehen.“ Er gähnte ausgiebig. „Es war ein langer Tag, oder nicht?“

Sie nickten zustimmend. Das war wirklich ein langer, fröhlicher Tag gewesen.

Flüchtig

Der nächste Morgen erwartete sie mit einem freundlichem Lächeln. Sie hatten die Nacht zusammen in einem Zimmer verbracht, in einem freundlichen, warmen Raum mit zwei Betten, einem Tisch und zwei Stühlen. Dank der Vorhänge wurde das Morgenlicht etwas zurückgehalten, es nahm den leichten Grünton der nicht ganz dichten Stoffbehänge an. Alyne rieb sich müde die Augen. Sie gähnte im schwachen, einfallendem Licht. Dunkel erinnerte sie sich an den gestrigen Abend. Nachdem sie unter sich gewesen waren, waren sie todmüde in das Bett gefallen. Danach konnte sie nur noch Schwärze feststellen, die ihren Geist ummannt hatte.

Doch nun war die Sonne wieder am himmlischen Firmament und vertrieb diese Düsternis. Sie gähnte noch ein weiteres Mal. Streckend reckten sich ihre Arme gen Decke, während sie verschlafen aus dem Bett stieg. Es waren nur zwei Nächte vergangen, in der sie kein Bett unter sich gewusst hatte, aber irgendwie war es trotzdem wieder angenehm gewesen, etwas wirklich Weiches unter sich zu wissen. Sie betrat den Nebenraum, um ihre zerknitterte Schlafkluft gegen frische Wäsche zu tauschen.

Feliff schien, trotz ihres doch erheblichen Lärmes, nicht aufzuwachen. Er schlief, wortwörtlich, wie ein Stein. Auch seine Haltung war sehr zusammengekrümmt oder sich klein machend. Nur ab und zu hatte er lautstark in der Nacht seine Arme und Beine zur Seite gereckt, um sie gleich wieder zusammenzuklappen. Es war zwar schlafstörend, aber ulkig mitanzusehen. Wieso sie dies aber vorher nie bemerkt hatte, wusste sie nicht.

Vielleicht war sie in den letzten Nächten einfach zu müde gewesen. Sie gab sich mit dieser Erklärung zufrieden, während sie sich die Hose überstreifte. Sie streckte sich noch einmal ausgiebig, als sie zum Waschbecken schlurfte, welches sich ebenfalls in diesem Raum befand. Ein kalter Schwall Wasser belebte ihre müden Geister wieder. Auch ein Türklopfen im Hauptzimmer nebenan weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie wischte sich die Hände an einem Tuch ab, hörte dann aber Schritte, die zur Tür gingen und ein darauf folgendes Klicken. War er in so kurzer Zeit aufgestanden?

Sie hörte Stimmen, aber nur schwach. Sie öffnete die Tür und unterbrach dabei Feliff und Paterini, welche sich im Türrahmen unterhielten.

„Guten Morgen“, begrüßte der Dorfvorsteher sie. „Gut geschlafen?“

„Morgen.“ Sie konnte einen erneuten Genäher nicht unterdrücken. „Ja, ziemlich. Was ist los?“

„Der Dorfälteste und der Dorfberater wollen euch sehen. Macht euch fertig, dann begleite ich euch zu ihnen“, antwortete Paterini und winkte ihnen zum vorläufigen Abschied. Er schien noch etwas zu erledigen zu haben.

„Irgendwie schon komisch, oder?“, fragte Feliff, während er die Tür schloss.

„Hmm?“ Alyne ließ sich auf das Bett plumpsen. „Was denn?“

„Ich weiß nicht, aber ich finde es nicht so üblich, dass ein achtzehnjähriger Junge ein Dorfvorsteher ist.“

„Vielleicht ist es einfach nur ein anderer Rang, der so heißt“, antworte sie achselzuckend. Sie kümmerte das Thema sichtlich nicht viel.

Aber seine Stirn blieb in Falten gelegt, auch wenn er nun im Nebenraum verschwand, um sich umzuziehen. Sie dagegen ließ sich beinahe ganz sorglos rücklings auf das Bett fallen. Doch dann bildete sich auch eine Sorgesfalte auf ihrer Stirn. Wie kämen sie jetzt nach Efarnia, wo auch immer das liegen mochte? Und was würde sein, wenn sie dort wären? Was würde sie dort erwarten? Sie war wie immer einem Impuls gefolgt, der sie schon so oft geleitet hatte.

Dann entglitt ihr ein Seufzer. Es gäbe sowieso nichts, was man an der Situation noch ändern könnte. Ob es eine gute Entscheidung gewesen war, ließ sich nicht jetzt, sondern erst viel später klären. Vielleicht waren sie bis dahin auch um einiges schlauer als damals.

Dann kamen ihr die Erinnerungen an das Monster wieder.

Beißender Hass war das, woran sie sich noch sehr gut erinnerte. Als wäre es in ihr Gedächtnis eingebrannt gewesen, unlöslisch und mit einem bitteren Geschmack. Was war es, was das Tier trieb? Es schien ihr, als würde es nur aus einer Emotion bestehen. Und das konnte doch nicht sein, oder?

„Ich bin fertig.“ Feliff trat wieder in den Raum hinein und entwendete die düsteren Gedanken aus Alynes Händen. Schwungvoll stand sie wieder auf, ihre Schritte waren in Richtung Tür platziert. Sie öffnete die Tür und stieß beinahe mit Paterini zusammen, der gerade anklopfen wollte.

„Huch!“ Sie wich einen Schritt nach hinten, ebenso er. Dann breitete sich ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Können wir?“

Beide nickten, dann folgten sie dem Dorfvorsteher den Flur entlang. Wie sie bemerkte gingen sie in Richtung Eingang, der links von ihrem Zimmer lag. Sie bogen jedoch einmal vom Weg ab, also mussten der Dorfälteste und der Dorfberater in diesem Haus auf sie warten. Während sie so gingen, kam ihr auf einmal eine Frage in den Sinn. „Sag mal... Ist Paterini dein richtiger Name?“ Sie hatte sich ein wenig über den etwas sehr... niedlichen Klang seines Namens gewundert, doch trunken von der gestrigen Fröhlichkeit hatte es sie nicht weiter geschert. Nun wollte sie es aber doch wissen.

Er lachte kurz auf, ob es ein freudloses oder ein beschämtes war, wusste sie nicht ganz. „Nein, Paterini ist nicht mein richtiger Name. Zum Glück! Ich kann glücklicherweise sagen, dass ich noch einen wesentlich besseren Namen besitze.“

„Und der lautet?“ Nun war es Feliff, der gefragt hatte.

Ihr Wegführer warf einen kurzen Blick nach hinten. „Zuan, der Führende.“

Alyne nickte anerkennend. „In eurem Dorf hat jeder Name eine Bedeutung, nicht?“

„Bei euch etwa nicht?“, lachte er, ergänzte dann aber noch kurz darauf: „Ja, die Bedeutungen kommen vor allem durch die vielen Erzähler, die mit all ihren Geschichten kommen. Es ist eine wilde Ansammlung von Sprachen, aber es stört niemanden, dass zwei die Wilde heißen können, aber dennoch einen anderen Namen besitzen. Es ist ein gewisses Band und man muss sagen, die Dorfleute, mich eingeschlossen, lieben Bedeutungen hinter allem möglichen.“ Er grinste ihnen über die Schulter zu, ehe er seinen Blick wieder auf den durch viele Fenster beleuchteten Gang fokussierte. „Aber wenn man in so einem Alltag lebt, findet man alles einfach magisch.“ Er zuckte mit den Schultern. Damit schien das Thema für ihn beendet zu sein.

Sie gingen eine Weile schweigend weiter, während die Halbelfe sich mit der Aussicht beschäftigte, war der Reinblütige in tiefen Gedanken versunken. Und auch der einzige, 'richtige' Mensch unter ihnen ging seinen eigenen Gedanken nach. Ein Geräusch von einem Knöchel auf Holz ließ sie alle aufhorchen.

Vor ihnen stand auf einmal ein Herr, der schon etwas in die Jahre gekommen war. Ein mit weißen Fäden durchzogener Bart schmückte sein Kinn, seine längeren Haare waren in einem genauso schwarzweiß gestreifen Muster gefärbt. Auch er trug die hier übliche grobe Kleidung, aber seine wiesen noch ein paar schlichte Stickereien in unauffälligen Farben auf. Sein Gesicht sprach von vielen langen Jahren, seine wasserblauen Augen schienen mehr Jahre als ein ganzes Elfenleben gesehen zu haben. Und in diesen Augen stand nun leise Verwirrung, doch sein Ebenbild, was die Mimik anbelangt, schien genauso überrascht zu sein.

Feliff spürte Anzeichen von Magie, die durch einen Körper strömte. Stark war sie nicht, aber dennoch ausreichend. Mehr als Alyne, weniger als Inkalak. Magie. Er warf einen kritischen Blick auf den Mann, der ihn ebenso musterte. Ein undefinierbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, welches von grauen Strähnen umrahmt wurde. Seine Haare verdeckten die offensichtlichsten, äußerlichen Anzeichen für elfisches Blut.

„Wer sind Sie?“, fragte Feliff schließlich schluckend. Den beiden anderen Anwesenden war kein Wort über die Lippen gekommen, während die beiden sich gemustert hatten. Ratlos schwiegen sie mit ihnen, aber ohne so recht zu wissen, was los war.

„Ich bin der Dorfälteste von Forunier. Und du?“ Eine Augenbraue des Dorfältesten zog sich in die Höhe. Feliff räusperte sich ohne erkenntlichen Grund, ehe er antwortete.

„Feliff, mein Name.“ Er holte tief Luft, eine Entscheidung treffend, da das Versteckspiel keinen weiteren Sinn mehr machte. „Ich bitte Sie und auch dich, Zuan, die nachfolgende Information nicht weiterzugeben.“ Er sah beide eindringlich an, einer nickte fragend, aber energisch, der andere mit Bedacht, aber doch klar. „Ich bin, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben“, er wandte seinen Blick zu dem Dorfältesten, „ein reinblütiger Elf.“ Wie zur Demonstration strich er sich die wenigen Strähnen längeres Haar, welche über seine nun spitz zulaufenden Ohren lagen, nach hinten.

Ein überraschtes Luftholen ließ sich von Zuan vernehmen, ein Verstehendes vom Dorfältesten. „Und was machen Sie hier, Feliff?“

„Ich finde eher, die Frage sollte an Sie gerichtet sein.“ Sie schienen die fassungslosen Blicke seitens des Dorfvorstehers nicht zu beachten, welcher von dieser Information sichtlich überrascht war. Er hatte angenommen, Menschen wie ihn aufgenommen zu haben. Und nun sollte einer von ihnen einer von diesen... Elfen sein? Und wieso noch reinblütig? War das etwas Besonderes, das es zu erwähnen sich lohnte? Er verstand es nicht.

„Ich weiß nicht. Ich gebe meine Daten nicht gerne preis. Paterini“, richtete der Dorfälteste seine Aufmerksamkeit abrupt auf Zuan um, „ich und Feliff gehen schon einmal zu Chael vor. Bitte komm später dann mit der jungen Dame nach, einverstanden?“

Dieser nickte immer noch etwas verwirrt, während er den beiden um eine Ecke biegenden Gestalten nachsah. Dann fasste er endlich wieder Worte, als er Alynes unruhige Bewegungen aus dem Augenwinkel wahrnahm. „Wusstest du davon?“

„Ähm... ja...“ Sie fragte sich, ob sie ihm offenbaren sollte, was sie war. Es war wohl besser. „Hör mal... ich bin selbst eine Halbelfe.“

Ein resignierter Blick traf sie, der jedoch Erleichterung versprach. „Zum Glück!“, stieß er dann etwas zu emotional aus. „Ich hatte schon befürchtet noch einen dieser... reinblütigen Elfen hier zu haben.“ Er wischte sich theatralisch über die Stirn. „Aber das scheint ja nicht so zu sein.“

Sie nickte, unsicher, ob sie ihre elfische oder menschlische Seite an die Oberfläche lassen sollte.
 

Wütende Schritte hallten im leeren Saal wieder. Aufgebrachte Worte schnappten in der Luft nach jemanden, der sie ernst nahm. Ein aufgeregtes Gesicht schritt vor zwei Elfen nieder, deren Position höher nicht sein konnte und ein Elf, dern sich zurückhielt, legte seine Stirn in Falten.

„Wie... Wie konntet ihr?“
 

Die Audienz, wie Alyne das Treffen inzwischen nannte, war eine Qual gewesen. Es gab nichts, worüber sie nicht ausgefragt wurden und nur eine Frage, auf die sie wirklich antworten konnten. Es war zwar alles unter Geheimhaltung gelaufen, an die sie auch glaubte, aber diese Nervosität, die sie verspürt hatte, war mehr als unangenehm gewesen. So war sie mehr als froh wieder in die Behaglichkeit des kleinen Zimmers zurückzukehren, in welches sie Zuflucht gesucht hatten. Feliff hatte sich nachdenklich in den Nebenraum verbarikadiert, ab und zu hörte sie leise Fluchgeräusche. Sie seufzte.

Vielleicht würde ein kleiner Spaziergang ihre Geister wieder munter machen. Sie kritzelte schnell eine Nachricht auf das Papier, welches sich auf dem Tisch des Zimmers befunden hatte, schob ihn unter der Tür zu ihm durch und verließ es dann wieder. Ihren Schwertern warf sie noch einen kleinen Blick zu. Sie standen geordnet an einer Wand, glänzend poliert. Dies war eine ihrer Beschäftigungen gewesen, während Feliff sich über irgendetwas aufgeregt hatte, vielleicht über einen unsichtbaren Feind.

Sie kicherte bei der Vorstellung, wusste aber genauso gut, dass diese Gefahr real sein konnte. Dennoch war sie nicht jemand, der sich bei jeder kleinsten Gelegenheit Sorgen machte. Viel zu energieaufwendig, als dass es sich lohnen würde, fand sie.

Sie hatte den Weg zum Eingang relativ schnell wieder im Kopf und fand ihn demzufolge auch leicht. Noch während sie hinaustrat ertönte eine weibliche Stimme von hinten.

„Ah, du musst Alyne sein, habe ich Recht?“ Sie kam ihr nicht bekannt vor, überrascht drehte sie sich um. Sie dachte eigentlich, nun jeden im Dorf zu kennen, nach dem, was gestern passiert war. Ein schlankes Mädchen mit Sommersprossen kam ihr aus dem Inneren des Hauses entgegen. Sie lächelte und hielt einen Korb, in dem sie Wäsche erkennen konnte, in den Händen.

„Genau. Und du bist?“, fragte sie dann. Sie öffnete die Tür nun ganz und zum ersten Mal traf auch die Wärme der Sonne sie voll und ganz. Sie schloss kurz die Augen, ehe sie weiterging. Das Mädchen war ihr gefolgt.

„Ich bin Pura, die Tochter.“ Sie kicherte. „Ich wohne eigentlich im Frauenhaus, aber nicht, weil ich Witwe, sondern Waise bin. Ich kümmere mich um die Wäsche und auch ein wenig um den Haushalt von den Sammelgebäuden im Dorf. Und bei dir? Was machst du so?“ Sie sah die Halbelfe neugierig an, ohne zu wissen, mit wem sie sprach. „Aus welchem Dorf kommt ihr?“

Diese fühlte sich durch die Fragen ein wenig ratlos. Was sollte sie antworten, ohne zu viel zu verraten? Das Gespräch hatte eindeutig gezeigt, dass Elfen hier eher unwillkommen waren, wenn sie nicht von Anfang an zu erkennen gegeben hatten, wer sie wirklich waren. Und nun sollten sie diese Maskerade bis zum Schluss aufrecht und glaubhaft halten. Aber das, so wurde ihr deutlich, war gar nicht mal so einfach. Da spürte sie immer noch den auf ihr lastenden Blick, der sie neugierig ansah. „Ähm... Wir kommen aus einem Dorf weiter südlich“, wich sie einer konkreten Antwort aus. „Mit dem Namen wirst du nichts anfangen können, denke ich. Es ist ein sehr kleines Dorf.“ Sie widerstand der Versuchung, ihren Blick zu senken. Diese ganze Situation war ihr unangenehm. Sie hasste es, zu Leuten nicht ehrlich sein zu dürfen.

Es war eine Qual.

„Und ich besuche dort die Schule“, ergänzte sie noch hastig, als ihr die erste Frage wieder bewusst wurde. „Wir sind auf... einer Studienreise“, klamüserte sie sich zusammen. „Wir werden wohl übermorgen abreisen, wenn wir dann die weiteren Pläne geklärt haben.“

„Aha.“ Pura wirkte nicht so, als würde sie ihr nicht glauben. Erneut war sie versucht, einen Seufzer der Erleichterung loszulassen. „Dann kannst du mir ja bei der Arbeit helfen!“, lachte sie dann vergnügt. Sie zwinkerte ihr scherzhaft zu, während sie Alyne durch das Dorf navigierte. Der weitere Gesprächsverlauf war harmlos, nun ging es nicht mehr über ihre Person an sich, sondern eher um Wahrheiten, die ein Mädchen ein anderes wohl fragen würde. Nur bei der Frage nach dem Alter wurde es etwas kritisch. Obwohl die Halbelfe schneller alterte als normale Elfen, war sie immer noch weit davon entfernt, nach menschlichen Mäßstaben ihren Jahrzehnten gerecht zu werden. Sie wich der Frage aus, indem sie das tat, was sie bei anderen, eitleren Elfen mal gesehen hatte: Sich für das Alter schämen, was sie nicht tat.

Zum Glück war aber auch diese Frage schneller abgehandelt als sie es sich erhofft hatte. Pura erwies sich als eine geduldige Zuhörerin, war aber im selben Maße auch ein Plappermaul. Alyne unternahm ihre ersten Versuche an der Wäschewascherei, die sie bisher sonst kontinuierlich meiden konnte.

Und Feliff?

Er hatte sich von der Begegnung mit dem Dorfältesten Trivian und dem Dorfberater Chael noch nicht erholt. Es gab in diesem Sinne aber auch nichts, wovon er sich hätte erholen können. Es war nur die Gewissheit, dass dieses Dorf einen Elfen beherbergte, der ihm so vertraut vorkam und gleichzeitig so fremd, dass er nicht wusste, wie er es ausdrücken sollte.

Und mit jeder weiteren Sekunde, die verging, spürte er eine wachsende Unruhe und eine Ahnung, die sich immer mehr festigen konnte.
 

Wispern verzerrte die Stille der Nacht, während Gestalten huschten und ihre Anführer suchten. Gemurmel summte durch die Luft, welche von stickiger Wärme aufgeheizt wurde. Die Außenposten ließen die von weit entfernt gekommenen Späher wortlos weiter, die ihre schleichenden Gänge durch Baum und Gebüsch fortsetzten. Sie hatten ein deutliches Ziel vor Augen, sowohl in der nahen Gegenwart, als auch in der fernen Zukunft, die sie glorreich sahen, wenn ihr Plan gelingte.
 

„Wir müssen gehen.“ Seine Stimme klang trocken, als er ihr die Neuigkeit mitteilte, kaum dass sie in das Zimmer getreten war. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er mit dem Rücken zu ihr hockte.

„Wieso?“, lautete ihre erste Frage.

„Weil wir hier nicht mehr sicher sind.“ Sein Blick war eisern auf seine Hände gerichtet, die in aller Hast irgendetwas packten. Seine Tasche vielleicht? Er wühlte schon seit geraumer Zeit darin herum.

„Wieso?“, war ihre zweite Frage.

„Sie wissen es.“

„Was?“

„Dass ich hier bin.“ Er hob die Augen kurz, sie waren von Ernst geprägt. Dann ließ er sie wieder auf seine Hände sinken, die das Gewünschte scheinbar ertastet hatten. „Der Automat ist noch da. Wir haben Zeit bis zur Nacht, dann sollten wir gehen.“

„Ich verstehe es aber immer noch nicht.“ Fragend näherte sie sich ihm, warf sich dann aber doch lieber auf das Bett. „Wer weiß es und wieso?“

„Informationen scheinen durchgesickert zu sein. Vielleicht ist dieser Trivian ja ein Teil der Rebellengemeinschaft. Sie können uns erheblichen Ärger bringen, wenn sie uns, aber vor allem wohl eher mich, in die Hände kriegen. Und wenn hier hier bleiben, spielen wir ihnen nur in die Hände.“ Er holte behutsam ein Konstrukt, welches entfernte Ähnlichkeit mit dem Erbstück ihres Vaters hatte, aus seiner Tasche. Eine Hülle nach der anderen fiel von ihm ab, nachdem der Automat sicheren Stand auf dem Boden gefunden hatte.

„Aber warum denn?“, stöhnte sie. Sie war nicht in der Laune für Nacht und Nebelaktionen, aber das war sie eigentlich nie.

Er antwortete nicht, sondern betrachte stattdessen den Automaten eingehend. Das nahm sie als Aufforderung, näher heranzukommen und besah sich ebenfalls diesen genauer an. Doch ihr fiel nichts Weiteres auf, außer, dass er auf einmal viel staubfreier war. Hatte er ihn irgendwann geputzt oder gereinigt?

„Was passiert eigentlich, wenn man an den Hebeln drückt?“, fragte sie auf einmal. Eine ihrer Hände griff nach einem der schwarzen Hebel, bewegte ihn aber nicht. Feliff hielt die Luft an und stieß sie erleichtert wieder aus, als sie nichts tat.

„Ich habe keine Ahnung.“ Er fuhr damit fort, die Mechanik des Ganzen anzusehen. „Aber womit lässt sich das wohl...“ Sein restlicher Satz verschwand in gemurmelten Lauten.

„Naja, auch egal“, brummte sie dann. „Ich geh mich noch einmal aufs Ohr legen.“ Mit diesen Worten war sie ruckartig aufgestanden und hatte sich auf ihr Bett geschmissen. Wenige Augenblicke später waren nur noch Gemurmel und gleichmäßige Atemzüge im Raum zu hören.

So ging es auch eine ganze Weile, während die Sonne ihren Platz am Himmel mit dem Mond tauschte. Der Himmel färbte sich dunkler und dunkler, so dunkel, dass er beinahe einen blau schimmernden Schwarzton begründete. Ein fernes Echo ließ Feliff aufhorchen.

„Wir müssen jetzt los“, flüsterte er mit Nachdruck und machte sich daran, den Automaten, den er selbst in der Dunkelheit der Nacht noch sehen konnte, einzupacken. Ein lautes Krachen durchschnitt die Stille, doch es war so hoch, dass keiner der Dorfbewohner auch nur zusammenzuckte. Doch die beiden Wesen mit elfischen Blut krümmten sich vor nachhallendem Schmerz. Was war das für ein heller Ton?

Nun hatte auch Alyne die Lage begriffen. Sie griff in aller Eile nach ihren Schwertern, welche nur etwas mehr als eine Armlänge von ihrem Bett entfernt standen. Ein erneuter Knall ließ sie auf den Boden fallen, ein von irgendetwas ersticktes Klappern folgte darauf. Was war dieser helle Tongewesen? Und diese Welle. Oder war da keine? Irgendeiner aus dem Dorf musste doch etwas merken! Aber es blieb still. Selbst Trivian, der doch eigentlich alles mitbekommen sollte, schien nichts zu hören und nichts zu fühlen.

In immer schneller werdenden Abständen ertönte dieser Laut, der die beiden an den Boden fesselte. Es war unerträglich! Sie waren unfähig, sich zu bewegen, doch irgendwie mussten sie hier wegkommen. Es wurde immer gefährlicher, mit jedem weiteren Stoß eines Feindes, den sie nicht kannten. Seltsamerweise betraf es die beiden aber gleich stark, obwohl in ihr doch weniger elfisches Blut floß. Es war eine Waffe, die sich gegen das ganze eflische Volk richtete.

Waren das wirklich noch die Rebellen, die doch nur die Reinblütigen unter ihnen verabscheuten?

Endlich bekam Alyne einen Knauf zu fassen, als ein erneuter Schmerz durch ihre Glieder zuckte. In der kurzen Pause von vielleicht zwei oder sogar fünf Sekunden packte sie Feliff, den es am Ende doch mehr getroffen hatte, am Kragen, während dieser den Automaten fest umklammert hielt. Auch hatte er schon seine Tasche geschultert, nur noch ihre lag auf dem Tisch. Sie biss die Zähne zusammen, als der Laut wieder echote. Bloß nicht nachgeben, dachte sie sich.

Dann flüchtete sie mit dem, was in ihren beiden Händen war, aus dem Raum.
 

Sie erinnerte sich nicht mehr, wann sie wieder zu Sinnen kam oder was sie zuvor getan hatte. Sie wusste nur noch schemenhafte Erinnerungen, dass sie einen Elfen hinter sich hergeschleift hatte, der krampfhaft etwas umklammert hatte, während Stöße, die nicht zu sehen waren, ihr zugesetzt hatten. Sie erinnerte sich an diesen Elfen, sie erinnerte sich, dass sie irgendwann Seite an Seite gelaufen waren. In ihrer Hand hatte sie ein Schwert gefühlt, zwischen ihren Herzschlägen ein Lied. Und dieser Elf, der neben ihr gelaufen war. Er wirkte müde und erschöpft, auch wenn er es nicht war. Dieser Elf, den sie doch kannte.

Feliff.

Getrennte Wege

Alyne sah sich um. Heißer Atem entkam ihr keuchend, ihre Brust krümmte sich bei jedem Einatmen schmerzhaft zusammen. Wo war sie? Wie weit war sie gelaufen? Kein Stoß zu spüren. Es schien, als würde die Gefahr gebannt sein. Vorsichtig blickte sie sich um. Niemand war zu sehen. Auch nicht ihr Begleiter, Feliff.

Wo war er?

Sie seufzte frustriert und ließ sich auf den Boden sinken. Sie lehnte sich an den kühlen Baumstamm der Eiche, an der sie Halt gesucht hatte. In ihrer einen Hand befand sich immer noch das Schwert, das Einzige, welches sie nun noch hatte. Was die Dorfbewohner wohl mit ihrem Sammelsarium an Metallklingen machen würden? Vielleicht verkaufen. Oder sie würden sie behalten, bis ihre Besitzerin eines Tages zurückkehren würde.

An diese Hoffnung klammerte sie sich, als sie kurz die Augen schloss. Nur kurz würde sie sich ausruhen, vielleicht fand er sie in dieser Zeit ja. Dann könnten sie weitergehen und das Rätsel ihres Vaters lösen. Nur noch ganz, ganz kurz...

Ihre Hand berührte etwas Hölzernes, aber es fühlte sich glatt und nicht rau an. Es konnte also keine Rinde eines Astes oder Baumes sein. Die Müdigkeit immer noch in den Augen habend öffnete sie ein Auge. Sie schielte zu dem Gegenstand, den ihre Hand berührt hatte, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Es war nichts Fürchteinflößendes, dazu war es zu klein und zu normal, aber es war etwas, das sie nicht erwartet hatte. Sie erkannte es im Dunkel zwar nur schemenhaft, aber es war unverwechselbar.

„Was macht der Automat hier?“, fragte sie sich selbst flüsternd. Sie stupste eine freie Stelle der Holzwand an, doch er rührte sich nicht. Er schien in der Erde festzustecken, aber warum um alles in der Welt war er hier? Und nicht bei Feliff, der ihn schließlich die ganze Zeit umklammert gehalten hatte? Es war ein Rätsel, dessen Lösung sie nicht zu sehen vermochte. Schließlich seufzte sie und schüttelte den Kopf. Sie massierte sich die Schläfen, es war alles so furchtbar kompliziert geworden!

Ihr Vater hatte sich ein nettes Abschiedsgeschenk ausgedacht.

Entschlossen klopfte sie sich den Schmutz von der Hose, als sie aufstand. Die Pause war vorbei. Wäre doch gelacht, wenn sie Feliff nicht wiederfinden würde... Er konnte ja nicht so weit weg sein. Sie klemmte sich den Automaten unter den einen Arm und hielt mit der anderen ihr Schwert kampfbereit.

Sie blickte in ein dichtes Gebüsch aus Wald, welches bei Nacht noch einmal heimtückischer war als am Tag. Und genauso unübersichtlich, wenn nicht sogar noch viel mehr. Bäume reihten sich gleich an gleich aneinander, ihre dunkle Schatten raubten auch den winzigsten Funken Licht. Büsche versperrten den ein oder anderen Weg und überall lauerte die Gefahr, sich zu verlaufen, wenn man es denn nicht schon getan hatte.

Ganz nach ihrem Instinkt gehend schlug sie irgendeinen Weg ein, in diesem Fall den geradeaus. Vielleicht war das ja der Richtige und wenn nicht, führte irgendeiner sie schon zu ihm, auch wenn sie in der Dunkelheit durch Morast laufen musste. Schließlich hatte sie immer noch keine Ahnung, wo oder was Efarnia war und dort schien doch etwas Wichtiges zu liegen. Vielleicht etwas, was mit dem Rätsel zu tun hatte.

So schritt sie also den Pfad entlang, den ihre Willkür erwählt hatte. Die Nacht war noch relativ jung, der Mond schien hell, aber unsichtbar über sie. Sie hatte im Dorf noch ein wenig geschlafen, also war sie nicht müde, aber das würde wohl noch kommen. Sie könnte jetzt aber sowieso nicht einschlafen, Tatendrang durchfloß sie wie Blut durch ihren Körper. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, nicht vor Morgengrauen zu ruhen, denn jede Sekunde war wertvoll. Er könnte sich gerade in diesem Augenblick weiter von ihr entfernen und sie konnte das nicht zulassen. Außerdem, gab sie zu, war seine Gesellschaft doch etwas in Richtung angenehm. Seine ewige Schüchternheit oder was auch immer das war, konnte sie zwar zum Kochen und Seufzen bringen, aber es war auch ganz amüsant, fand sie.

Sie sollte ihn am besten so schnell wie möglich finden, vielleicht wusste er etwas über diese Kraft der Rebellen.

Oder wer auch immer das gewesen war.

Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, als sie an die Stöße dachte, die sie erfasst hatten. Für Menschen unhörbar hohe Laute und eine scheinbar nur auf Elfenblut reagierende Energiewelle, die sie als Stoß wahrgenommen hatten. Und dann auch noch dieser Schmerz, der durch ihre Glieder gefahren war. Keine besonders schönen Erinnerungen.

Doch auf all ihre Fragen wusste sie keine einzige Antwort.
 

Der Tag war schon lange angebrochen, als Feliff benommen erwachte. Verwirrt sah er sich um. Er kannte seine Umgebung nicht, aber das konnte nichts heißen. Jemand, der sein Leben lang in einem einzigen Wald verbracht hatte, konnte nicht viel von der Welt wissen. Aber diese hier kam ihm nicht einmal vertraut vor. Schwache Bilder von dem gestrigen oder sogar noch länger zurückliegenden Tag kamen ihm in den Sinn.

Er hatte den Automaten umklammert, während Alyne ihn weggezogen hatte. Danach lief er selbst los und... Wo war der Automat? Er sah sich um. Neben ihm lag nichts, nur seine Tasche hatte er noch geschultert. Als er in dieser herumwühlte, fand er nichts.

Der Automat war verschwunden.

Er setzte sich in den Schneidersitz, die Arme überkreuzt und den Blick konzentriert auf den Boden gerichtet. Er dachte nach. Sann darüber nach, was wohl passiert sein konnte. Und wie es passiert war. Er hatte den Automaten doch die ganze Zeit in den Händen gehalten.

Aber Halt. Er hatte eine Nacht oder mehr in Bewusstlosigkeit verbracht. Vielleicht hatte irgendjemand ihm den Automaten in dieser Zeit weggenommen. Doch welche Wert hatte er für Fremde? Und warum war er noch am Leben? Die Rebellen schloss er aus. Er spürte auch keine Magie in der Nähe und im weiteren Umfeld. Überhaupt schien es merkwürdig leer zu sein. Es war beinahe wie in Efarnia, nur mit viel weniger Energie und um eine Spur belebter. Tiere waren es, die diesen Wald besiedelten.

War es überhaupt ein Wald?

Er besah sich seine Umgebung genauer an. Doch, es war einer. Nur befand er sich an einer Lichtung, auf der saftig grünes Gras wuchs. Der Wind pfiff eine unerklärliche Melodie durch die Baumkronen, es schien alles idyllisch und traummalerisch. War er sich sicher, dass er nicht träumte? Ja, es fühlte sich anders an, als wenn er in einem Traumzustand war. Was er nur sehr selten schaffte. Oft erwachte er, ohne zu merken, dass eine ganze Nacht vergangen war.

Oder mehrere Tage.

Er rappelte sich auf, klopfte sich das Laub von der Kleidung. Er sollte sich aufmachen, irgendwen zu finden, den er fragen konnte, wo er war. Er hoffte, auf dem Weg Alyne zu begegnen, doch diese Wahrscheinlichkeit hielt er für sehr gering. Er wusste ja nicht einmal, warum sie überhaupt getrennt worden waren!

Er ging in die Richtung, in die er aufgewacht war. Also durch die Lichtung hindurch zur anderen Seite und dann einfach immer weiter geradeaus. Oder einem Weg folgend, der sich dann zeigen würde. Er hielt sich alle Möglichkeiten offen.

Rhythmisch klangen seine Schritte federnd von dem weichen Boden wieder. Doch in seinen Gedanken war er nicht bei seiner unmittelbaren Umgebung. Es war nicht so, dass er sich keine Sorgen um Alyne machte, aber sie schien auch alleine sehr gut zurecht zu kommen. Sie würde es auch ohne ihn schaffen, dessen war er sich sicher. Aber was den Automaten anging, fühlte er sich schuldig. Wie konnte er ihn einfach verlieren! Er verstand noch nicht viel von den Banden, die in einer Familie herrschten, aber es war immer noch das Letzte, was sie von ihrem Vater hatte.

Er war ein Tölpel und Idiot, so etwas Wichtiges einfach zu verlieren. Seine Hoffnung ruhte darauf, die Diebe vor dem Auftreffen auf Alyne zu finden und den Automaten wieder zurückzuholen. Vielleicht konnte er dann so tun, als wäre nichts passiert.
 

Er war lautlos. Er verschmolz mit seiner Umgebung, den Geräuschen und wurde ein Teil von ihnen. So zumindest hatte er es immer gelernt. Ob es der Realität entsprach, war ihm egal. Bisher hatte ihn keiner entdecken können und das würde auch noch so bleiben. Das wusste er.

Keiner hatte seine Maskerade aufgedeckt.
 

Unruhig und rastlos tigerte sie in ihrem Zimmer auf und ab. Das abendliche Licht kam in großzügigen Strahlen durch die Fenster hinein, golden beleuchtete es schwach den Raum. An ihrem Schreibtisch saß der Elf, der sie immer mit ruhiger und zugleich liebevoller Miene betrachtete, auch wenn seine Stirn nun in Falten gelegt war.

Aber sie konnte es einfach nicht glauben! Wie konnte man sie, Erfline, die eigene Tochter und Jahrgangsbeste in Magiekunst, theoretische Elfengeschichte, Elfenphilosphie, Wesenkunde und Allgemeinbildung, eine hoch angesehene Jungelfe, nur so behandeln, als wäre sie ein kleines Kind? Es war unglaublich, mit welchen Ausreden der König und ihr Vater, sein engster Berater, sie loswerden wollten. Kurzum gefasst war die ganze Audienz ein Desaster gewesen. Man hatte sie nicht ernstgenommen, man hatte ihre Haltung gegenüber der Tatsache nicht verstanden. Doch das Merkwürdigste an der ganzen Situation war, dass sie sich selbst nicht mehr verstand. Es war klar, sie mochte Halbelfen nicht. In ihren Augen waren sie einfach nur ein hässlicher Fleck auf einem sonst so schönen Bild, ein Fleck, den man nicht weiter beachtet, der einen jedoch immer wieder in Rage bringt.

Doch wieso war ihr dieses Monster dann so zuwider?

Sie wusste, dass sie die Antwort kannte. Sie blieb stehen. Ihr Kopf war gesenkt, ihre Augen starr vor Schreck. Schon bald hörte sie seine Schritte, doch sie erreichten sie nur entfernt. Sie spürte seine warmen Hände, doch sie selbst zitterte unter dem Trauma der Vergangenheit.

Sie wusste ganz genau, wieso sie dieses Monster hasste, noch viel mehr als jede ihrer Abneigungen.

Doch sie wusste auch ganz genau, dass sie dieses Monster fürchtete. Vor nichts mehr in der Welt hatte sie solche Angst. Aber seine Hände, die sie vor dem Fall hinderten, gaben ihr die Kraft. Sie ließ sich noch einen kurzen Augenblick länger halten. Nur einen kleinen Moment noch, dann wäre sie wieder bereit, dem Problem entgegen zu treten.

Dann würde sie keine Angst mehr haben, vor nichts und niemandem.

„Ich danke dir, Futa“, lächelte sie sanft, als sie sich immer noch etwas zittrig wieder aufrichtete. „Es geht schon wieder, ich kann alleine stehen, schau!“ Sie vollführte vor seinen immer noch sorgeerfüllten Augen ein paar Bewegungen, die fröhlich wirken sollten.

„Prinzessin, bitte tu nichts, das dich-“

„Alles ist in Ordnung“, sagte sie bestimmt. Der Ernst war wieder in ihr Gesicht zurückgekehrt, doch nun war sie nicht mehr hilflos und schockiert. „Wir müssen dieses Biest einfangen.“

Er nickte zustimmend, aber seine Gestik verriet Zweifel, welcher durch seine Worte bestätigt wurde: „Wie sollen wir das angehen?“ Er klang skeptisch, war sich aber auch sicher, dass sie eine Lösung finden würde. Er kannte sie viel zu gut, als dass er denken könnte, sie würde das nicht schaffen. Irgendwie schaffte sie immer alles.

Außer das, was nicht in ihren Möglichkeiten lag.

Er machte sich Sorgen. Er hielt sie jedoch schwach im Hintergrund, während sie wieder im Zimmer auf und ab ging. Sie murmelte Sätze, denen er ausnahmsweise nicht zu hörte. War dies eine Angelegenheit, die sie schaffen konnte? Egal. Er würde sie nicht alleine lassen. Niemals.

„Du hast mir nicht zugehört, was?“ Sie sah ihn mit einem leichtem Vorwurf an.

Er errötete verlegen und schüttelte den Kopf. Sie seufzte in gespieltem Ärger.

„So geht das aber nicht!“ Dann kicherte sie leise. „Also gut, noch einmal.“ Sie erklärte ihm ihren Plan, den sie innerhalb von Sekunden erstellt hatte. Ihm war es schon früher aufgefallen, aber würde sie nicht so tiefe Grölle gegen andere Völker hegen, sie wäre eine gute Königin gewesen. Und er ihr wohl untertänigster Diener. Er hörte ihren Worten genau zu, passte auf, ob sie eine Komponente übersehen hatte oder etwas falsch eingeschätzt hatte, wies sie auf Fehler hin und gemeinsam perfektionierten sie den Plan so viel wie sie vor der endgültigen Ausführung konnten.

Aber das war erst der leichtere Teil des Vorhabens. Sie atmete tief durch, nachdem sie sich ihren Mund trocken geredet hatten. Sie lehnte sich in dem Stuhl zurück, in den sie sich irgendwann hineingesetzt hatte. Ein kurzer Blick in den pechschwarzen Himmel zeigte ihr, dass es schon deutlich nach Mitternacht war. Und auch der Mond schien hell von seinem Platz am nächtlichen Firmament herab. Hell, als würde er wachen wollen. Doch worüber konnten sie nur vermuten.

Sie gähnte, auf einmal fühlte sie sich schwer. Sie konnte kaum noch ihre Lider oben halten, geschweige denn klar denken. Es hatte ihr mehr abverlangt als sie vermutet hatte. Ein kurzes Nickerchen würde ihre Kräfte aber wieder mobilisieren, wieso Elfen trotz ihrer Regenerationsfähigkeit früh zu Bett gingen, wie die Menschen es auch taten, würde wohl ein Rätsel bleiben. Futave erhob sich als Erstes von seinem Stuhl, damit Erfline sich an ihm festhalten konnte, bevor sie ihm noch umkippte. Sie lächelte ihn schwach an, ehe er sie auf seine Arme hob und in das Bett trug. Er gab ihr noch einen kleinen Gutenachtkuss, ehe er zum Sofa in ihrem Zimmer ging. Es würde sich nicht mehr lohnen, in sein eigenes Zimmer zu gehen.

Und wer weiß, vielleicht würden sie doch heute und nicht morgen ihren Plan ausführen können.

Innerhalb von wenigen Stunden hatte sich das erledigt. Während sie einen ruhigen, erholsamen Schlaf schlief, war er unruhig. Vielleicht hatte doch etwas von ihrer anfänglichen Unruhe auf ihn abgefärbt, vielleicht hatte er sie etwas von ihr übernommen. Fakt war jedenfalls, dass er nicht schlafen konnte. Ab und zu viel er in einen wachnähnlichen Schlaf, den er nicht kannte. Er hatte so etwas noch nie gehabt, deswegen versetzte ihn dieses Auftreten des Phänomens in Schlaflosigkeit. Ebenfalls etwas, unter das Elfen normalerweise nicht leideten.

Manchmal zuckte er zusammen, unter welchen Umständen auch immer. Ihn packte dann das leise Echo eines Schmerzes, der in weiter Ferne schien. Was war das bloß? Er fühlte sich nicht mehr sicher. Ein Fluchtinstinkt wurde in ihm geweckt, wenn auch nur schwach. Dennoch reichte es aus, um seine Gedanken in einem ewig gleichem Kreis kreisen zu lassen. Kurz vor Sonnenaufgang hielt er es nicht mehr aus. Mit einer verzweifelt anmutenden Bewegung erhob er sich von der Liege.

Und es schien alles wie zuvor.

Die Kopfschmerzen, welche ihn geplagt hatten, waren verschwunden. Im Gegenteil. Er fühlte sich wie immer, vielleicht sogar ein wenig besser. Er sah erstaunt seine Hände an, ein Reflex seinerseits. Sie waren unverändert. Auch sein restlicher Körper war unversehrt, soweit er feststellen konnte. Er blickte hinaus. Es ließ sich ein schwacher Lichtstreifen ganz nahe dem Horizont erkennen.

Es wäre bestimmt besser, jetzt als gleich aufzubrechen. Er legte ein wenig Magie über seine Prinzessin, um nachzuprüfen, ob sie sich erholt hatte. Das hatte sie. Er strich ihr sanft über die Wange, was meistens schon ausreichte, um sie aus einem Erholungsschlaf zu holen. Sie blinzelte und blickte ihm dann mit einem undefinierbarem Blick in die Augen, ehe sie sich augenreibend erhob.

„Ist es schon soweit?“, flüsterte sie, ein Gähnen unterdrückend. Er nickte. „Ich komme sofort, bereite du den Rest vor.“ Sie sah ihn nun voller Ernst an, er nickte mit derselben Emotion. Es durften keine Fehler passieren, sonst würden sie auffliegen.

Und die Bestie wäre so frei wie der Wind es war.

Bei diesem Gedanken erschauderte er. Nein, das durfte nicht weiter sein. Es gehörte eingesperrt oder... Er schluckte. Tot.

Eilig schritt er, um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, den Flur hinunter. Seine nackten Füße verursachten kein Geräusch auf dem weichen Teppichboden, doch war die Gefahr, morgendlichen Frühaufstehern oder Schlafwandlern zu begegnen, doch höher als nächtlichen. Bald würden auch die Diener erwachen, um das Aufstehen der Höheren angenehm zu gestalten.

Er schlich durch die Gänge, achtsam, bis er endlich sein Ziel erreicht hatte. Es lag in den unteren Gefilden des Wendeltreppenbaumkomplexes, in Richtung Diener und Angestelle. Das, was die Grundlage aller Ausbruchspläne darstellte war während des Tages nur schwer unauffällig in der Geschäftigkeit zu beschaffen. Die Küche lag so ziemlich an den Wurzeln des Baumes, sie war, sofern man den Dienstboteneingang benutzte, das erste, was man von diesem Haus sah.

Am frühen Morgen, wenn die Köche noch alle in ihren Betten lagen, war hier nicht viel los. Es herrschte noch die Unordnung des gestrigen Tages, die man noch nicht beseitigt hatte. Flink schlüpfte er durch das Gewirr aus Pfannen und Töpfen, kalten Speisen und allerlei Gewürzen und Zutaten. Geschickt umging er die Stolperfallen, die sich in diesem Gedränge aus Herden und Öfen, Arbeitsplatten und Regalen nur allzu leicht übersehen ließen. Er war sichtlich nicht das erste Mal hier. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand er das, was er suchte, und nahm es in seinem Rucksack, den er nun auspackte, mit. Er arrangierte die Überbleibsel so, dass es nicht weiter auffallen würde.

Doch das war erst der erste Teil. Es dürften kaum mehr als 30 Minuten vergangen sein, doch die Diener hielten sich bestimmt schon auf den Beinen. Das, was er nun tun würde, würde seine komplette Aufmerksamkeit erfordern. Er atmete tief durch. Diese Art von Zauber war er definitiv nicht gewohnt. Es war normalerweise Erfline, die Magie anwandte, er war als eine Art Verstärker an ihrer Seite. Er seufzte. So lang war der Weg nun auch wieder nicht, versuchte er, sich zu beruhigen. Dann eilte er aus der Küche, während er den Zauber wirkte. Ein unsichtbares unsichtbar machendes Geflecht aus Magie legte sich um ihn. Es verbarg ihn auf seinem huschenden Weg durch den Flur nach oben.

Nach beinahe ganz oben.

Der Flur war unten bei den Dienern hier und da mit Personen gespickt, mal auch mit einer Personengruppe. Aber je höher er kam, desto weniger Personen waren da. Sehr zu seinem Glück mussten sie erst einmal alles Nötige vorbereiten, was sie unten tun mussten. Er seufzte erleichtert, als er die Tür zu ihrem Zimmer öffnete und sie hinter sich schloss. Er widerstand dem Drang, sich nach unten sinken zu lassen, und löste stattdessen den Zauber wieder auf.

„Erschrick mich doch nicht so!“, klagte Erfline dann, nachdem sie auf dem ersten Schock wieder erwacht war. Es war nicht wirklich amüsant gewesen, zu sehen, wie die eigene Tür sich von alleine öffnete. Und vor allem, nicht zu wissen, ob es nicht jemand war, der ihre Pläne aufhalten würde. „Hast du alles?“, fragte sie dann jedoch sanfter.

Er nickte und deutete auf den Rucksack in seiner Hand. Sie nickte daraufhin ebenfalls kurz.

„Ich auch.“ Sie hielt einen einfachen, aber kompakten Bogen höchster Qualität hoch. Einen Köcher hatte sie geschultert. Ihm war mulmig zu Mute, als er sah, wie sie sich ein dünnes, stabiles Schwert, welches wohl eher ein Degen war, um die zarte Taille schnallte. Doch dann fing auch er seinerseits mit seiner Aufrüstung an. Die Waffen lagen, von ihr geholt, auf dem Boden. Schnell hatte er das Schwert um seine Taille geschnallt, ebenso den Langbogen mitsamt Köcher auf seinem Rücken. Zusätzlich steckte er noch einen Dolch in seinen Gürtel und versteckte es dann unter seinem Hemd. Sicher war sicher.

„Ich bin soweit“, sagte er dann.

Sie hatte währenddessen ihre Tasche zu Ende gepackt. Sie wussten nicht, wie lange sie auf Reise sein würden. Überhaupt war ihr Plan zwar stundenlang beredet worden, doch war er auch nicht mehr als ein Blatt im Wind. Es war ein äußerst schwieriges Unterfangen, eine Bestie, die eigentlich nur aus einem Hass bestand, zu finden. Es war rastlos und war praktisch magielos, wie ein normales Tier. Man konnte nicht herausfinden, dass es magischen Usprunges war und mittels derer ließ es sich auch nicht orten. Es war die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Entweder, man fand sie vorbereitet, oder man stach sich in die Hand.

Es gab nur zwei Varianten.

An ein Dazwischen wollte niemand glauben.
 

„Zielobjekt erfasst“, murmelte er leise. Seine katzenhafte Erscheinung lauerte zwischen den Ästen einer Baumkrone, während er seinen Bogen spannte. Ein Auge hielt er geschlossen, als er sein Ziel fixierte. Wenige Sekunden später war nur ein Sirren zu hören, unmittelbar danach ein Fall auf weiches Laub. Er steckte den Bogen in einer geschmeidigen Bewegung wieder ein. Er sprang zielgerichtet auf den Boden und blieb neben der Einschussstelle hocken. Seine Hände falteten sich ineinander. „Danke.“

Dann packte er das gejagte Kaninchen an seinen Ohren. Er entfernte vorsichtig den dunklen Pfeil mit einer noch dunkleren Spitze, von der Blut tropfte. Außeneinsätze widerstrebten ihm immer, wenn sein Proviant zu Ende ging und es immer kälter wurde. Vielleicht sollte das Lager darüber nachdenken, winterharte Nutzpflanzen zu züchten und zu verbreiten. Ihm war bewusst, dass es momentan andere Dinge gab, über die man sich Sorgen machen musste als das Widerstreben eines Einzelnen.

Es war die Gelegenheit gekommen, einen der Reinblütigen zu vernichten.

Bei diesem Gedanken loderte ein kaltes Feuer in ihm, welches ihn selbst immer wieder in Angst und Schrecken versetzte. Diese Seite galt denjenigen, mit denen die Welt nicht mehr funktionieren würde. Man konnte als Elf nie wissen, wann man von ihnen kontrolliert wurde. Wenn sie wollten, würde man zu ihren Spielbällen werden. Und seine ganze Freiheit aufgeben.

Er erschauderte. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als Erinnerungen wieder an das Tageslicht rückten. Nein, diese Freiheit würde er nicht mehr hergeben.

Nie wieder.

Er verdrängte die Szenarien in seinem Kopf, die ihn an Vergangenes erinnerten. Das war schon lange her. Nun war er frei und durfte walten und schalten wie er will, die Vergangeheit würde ihn nie wieder einholen. Entschlossen machte er sich dann zu Werke. Er musste das Fleisch möglichst haltbar machen, mit Hilfe von Magie war es nur eine Fingerbewegung. Auch dies war ihm früher nicht erlaubt gewesen.

Reinblütige Elfen waren machthungrige Monster.

Die Weiterreise

Nun war es ihr endgültig klar.

Sie hatte absolut keine Ahnung, wo sie war, gestand es sich aber jedoch nicht ein, sich verlaufen zu haben. Immerhin wusste sie von Anfang an nicht, wo sie war, erklärte sie es sich. Aber mit solchen Kinkerlitzchen hielt sie sich nur vor dem Schlafengehen auf, den restlichen Tag wanderte die Halbelfe orientierungslos durch den Wald. Sie fand keine Spur von irgendeinem menschenähnlichen Wesen, nur ihre eigenen. Sie fluchte mehrmals während einer Stunde, ihre Geduld war langsam am Ende.

In was für einem Wald war sie bitte gelandet?
 

Erfline seufzte. Es war ihr lästig, wieder auf Reisen zu sein, doch wenn sie an das Monster dachte, war sie wieder voller kalter Entschlossenheit. Sie würde dieses Monster nie dulden. Niemals würde sie das tun. Es war eine Bestie voller Hass, der sich zwar gegen etwas richtete, dass sie selbst nicht mochte, aber es war dabei so unendlich furchteinflößend und... unkontrolliert, dass sie jedes Mal anfing zu zittern, wenn sie an jenen Moment dachte.

Futave legte ihr eine Hand auf die Schulter, blickte jedoch wortlos nach vorne. Sie hatte wieder einen dieser Augenblicke gehabt, in denen sie schwach war. Sie erhob sich von ihrer knienden Position, von der aus man sie hinter dem Busch nicht so leicht sehen konnte, und blickte in dieselbe Richtung wie er. Sie waren denselben Weg gegangen wie wenige Tage zuvor, sie waren an der Stelle, an der sie umgekehrt waren. Es war noch deutlich der Geruch zu riechen, der auch normalen Elfen zusetzte. Wie sie gehört hatte sollte er aber Halbelfen mindestens in Ohnmacht fallen lassen. Ob es stimmte, wussten sie nicht, aber in ihnen breitete sich schnell Unbehagen aus. War es schon die ganze Zeit da gewesen?

Dieses Monster war dazu konstruiert, alleine und ohne irgendeine Spur elfischen Ursprungs den Dorn im Auge des Königs zu beseitigen. Er konnte es nicht verstehen, wie einer der seinen einen Menschen lieben konnte. Es war ihm unerklärlich und verhasst. Nach außen hin zeigte er jedoch ein Gesicht, das viele von ihm kannten. Tolerant, weichherzig.

Sie schüttelte sich, als sie an seine kalten Augen bei der Audienz dachte. Nur wenigen zeigte er sein wahres Gesicht. Sein finsteres, eitles, wahres Gesicht hinter seiner Fassade. Futave hatte es einmal mehr darin bestätigt, dass jemand Anderes den Thron übernehmen sollte. Er fürchtete die geheime Projekte, von denen er wusste und nicht wusste. Es gab zu viele und alle waren niederen Zielen gewidmet.

Entschlossen gingen sie weiter, ehe die Finsternis, die diesen Ort umgab, sie noch weiter einholte. Nun folgten sie aber eben dieser Finsternis, diesem Geruch des personifizierten Hasses, um den Quell zu finden. Denn letzendlich war das ihr Ziel. Sie mussten ihn finden, und was dann geschah, wollten sie nicht so genau erörtern. Erst, wenn der Geruch stärker wurde, würden sie...

Ein Knacken in ihrer Nähe ließ sie aufhorchen. Sie blieben stehen. Unter ihnen befand sich nur Laub, außerdem war das Geräusch so laut gewesen, dass keiner der kleinen Äste in ihrer Nähe es verursacht haben könnte. Es klang außerdem so hohl wie das Waldrohr, welches links von ihnen im Frühling gewachsen war. Sie drehten ihren Blick in die Richtung, ihre Hände wanderten zu ihren griffbereiten Waffen.

Ein frustrierter Laut kam hinter einem der Bäume, als ein jung wirkender Elf die Hände ergeben hob und aus seinem Sichtschutz heraustrat. Jung war vielleicht ein wenig zu viel gesagt für einen Elfen. Er wirkte, mit menschlichen Verhältnissen betrachtet, wie jemand, der gerade in der Blüte seines Lebens stand. Doch nach elfischen Maßstäben war dies hier längst ein harteingesonnener Erwachsener mit der Miene eines unschuldigen Kindes. Doch trotzdem sah er so aus, als könnte er nicht viel älter oder jünger als die beiden Elfen sein.

„Wer bist du?“, verlange Erfline mit herrischer Stimme zu wissen. Ihre Augen waren schmale Schlitze geworden. Sie musterte den Fremden misstrauisch. Wieso hielt sich ein Elf in der Nähe dieses Geruches auf? Er war unerträglich und auch sie beide konnten ihn nur schwer ertragen, ohne an tief verwurzelten Hass zu denken. Es gab nur ein Mittel, aber dies war kräftezehrend. Mittels Magie ließ sich der Geruch verdecken, doch dieser Zauber wog mehr als einer der mächtigsten Feuerzauber, der eine ganze Stadt in Flammen aufgehen lassen konnte.

„Ich weiß nicht.“ Er zuckte mit den Achseln. „Und selbst wenn, wieso sollte ich es euch sagen?“

Dieser Kerl brachte sie jetzt schon auf die Palme. Sie war drauf und dran, ihn mit sanfter Gewalt zum Reden zu bringen, als ihr Begleiter sie mit einer beschwichtigenden Geste zurücktreten ließ. Widerwillig tat sie, was er verlangte, doch ihre Hand ruhte weiterhin auf dem Griff ihres Dolches.

„Oh, nun kommt der Mann zu Wort.“

Sein Ausdruck blieb gleichgültig, regungslos, während er langsam sprach: „Ich weiß nicht, wer du bist, du weißt nicht, wer wir sind. Also lass uns ziehen, Rebell.“ Hinter ihm schnappte Erfline erstaunt nach Luft, doch dann merkte sie es auch.

Ein bübisches Lächeln machte sich auf dem Gesicht des Fremden breit. „Du bist wohl ein gescheiter Elf, Fremder.“

Er zuckte mit den Achseln. „Vielleicht.“

„So, du hast mich enttarnt. Meinen Namen verrate ich nicht, aber ihr dürft mir gerne euer Vorhaben erklären: Wieso folgt ihr dieser ekligen Spur?“ Seine Augen blitzen erwartungsvoll, ganz wie die des kleinen Jungens, der er nicht wahr. Er wusste genauso wie sie, dass er das lange hinter sich gelassen hatte. Und doch konnte er einfach nicht aufhören, ihn zu spielen.

„Dann erklär und doch dein Vorhaben: Wieso folgst du uns?“ In Futaves Augen lag keine offene Feindseligkeit, auch nicht in denen seines Gegenübers. Trotz des Hasses, der ihnen immer wieder in den Sinn kam, konnten sie doch ihre Emotionen noch irgendwie zähmen. Dieses Monster war wirklich Zwietracht.

„Das ist einfach. Gebt mir eine Antwort auf meine Frage und ihr seid mich los.“ Er grinste frech.

Futave seufzte. Dann blickte er über seine Schulter zu Erfline, die schon fieberhaft am Überlegen war. Es war sicherlich nicht klug, ihm alles zu erzählen. Er war ein Rebell. Sie waren nicht nur wegen ihres Hasses gegenüber den Reinblütern, sondern auch wegen ihrer Abneigung gegenüber der Monarchie bekannt. Es würde noch übler für sie werden, wenn die Rebellen erst einmal laut wurden und es schafften, Mitstreiter unter sich zu vereinen. Doch auch war es einer seiner stillen Wünsche, dass dieser König abgesetzt wurde. Und vielleicht war das wirklich nicht die beste Form, ein Land zu regieren...

„Wir suchen das Monster, dass diesen Geruch verbreitet hat“, drückte Erfline dann vage formuliert aus. „Es ist gefährlich und wir müssen es unschädlich machen.“

Der Rebell zog eine Augenbraue hoch. „Ist dafür nicht der König zuständig? Wieso hört man darüber nichts?“

Zum Glück hatte sie sich damit eingehend beschäftigt, sodass sie ihm gleich die Lüge auftischen konnte. „Der König will nicht, dass Aufsehen und Panik herrscht. Wir wurden von ihm geschickt.“ Ihre Stimme zitterte nicht. Das war einer der Vorteile, wenn man die Tochter des Beraters war, dachte sie trocken. Man lernte schon in frühester Kindheit die „geschönte Wahrheit“ kennen.

„Und wie steht es mit dir? Du bist ein wenig zu nah an einem Dorf, oder nicht?“, merkte Futave dann an, ehe der Rebell sich mit ihren Informationen aus dem Staub machen konnte.

Er seufzte. „Es ist streng geheim, tut mir Leid.“ Er zuckte mit den Achseln, ein entschuldigender Ausdruck auf seinem Gesicht. Man sah ihm deutlich die Ironie an, das Spiel war kaum zu übersehen.

Sein Gegenüber verdrehte die Augen. „Es ist wegen dem reinblütigen Elfen, richtig?“

Auf einmal versteinerte sich seine ganze Haltung. Es war, als ob durch seinen ganzen Körper ein Ruck ginge. Ein Ruck der tiefsten Abneigung. „Ihr wisst davon?“

„Das ganze Dorf weiß davon.“

Er nickte langsam. „Das hatte ich vergessen. Und nun?“ Er lachte trocken. „Wollt ihr mich aufhalten?“

„Wir haben Besseres zu tun, als dich aufzuhalten.“ Sein Gegenüber zuckte mit den Achseln. Es war ihm scheinbar gleichgültig, ob der Rebell frei herum lief. Ebenso schien es der Elfin zu gehen. Sie hatte die Hand von ihrem Dolch genommen. Er stellte keine Gefahr dar.

Das regte ihn auf. „Das heißt, ihr lasst mich einfach ziehen?“, fragte er ungläubig.

„Wieso nicht? Wir können mit dir nichts anfangen.“ Die beiden setzten sich in Bewegungn und ließen den Rebellen verdutzt dort stehen. Erfline hatte ihre gleichgültigste Miene aufgesetzt, ebenso Futave. Auch wenn sie bei dem Gesicht des Fremden beinahe in lautstarkes Lachen ausgebrochen waren. Diese offene Verdutztheit. Dieses Perplexe. Unbezahlbar. Aber das würde ihrem Plan nur schaden. Sie wussten zwar, dass niemand etwas gegen die reinblütigen Elfen ausrichten konnte, erst recht niemand elfischen Blutes, doch es war immer besser, den Feind in der Nähe zu wissen. Vielleicht würde diese kleine Maskerade ihn dazu bringen, ihnen zu folgen.

Was auch vollkommen seine Wirkung entfaltete. Er schlich ihnen nach. Er hasste es, wenn er einfach so abgeschoben wurde. Es sprach gegen sein kindliches Bedürfnis, jemanden zu haben, der sich um ihn kümmerte. Dieses trat, so musste man wissen, aber auch nur auf, wenn er die Gesellschaft anderer Elfen oder Menschen genoß. Bei Elfen war sie ausgeprägter, denn Menschen gegenüber hegten alle Rebellen eigentlich eher einen starken Beschützerinstinkt. Ob es angeboren oder bekommen war, wusste man nicht. Aber es würde auch niemanden kümmern, dass zu wissen.

Und es gab andere Forschungen und Projekte, die zu finanzieren waren, wenn auch nicht unbedingt dem Allgemeinwohl zu Liebe. Erfline und Futave verfolgten weiter die Spur, die zu einem Ergebnis eines solchen Vorhabens führte. Es war aber dennoch faszinierend, was man tun konnte. Welche Möglichkeiten es gab, von denen ihr schlecht wurde. Worüber er nicht reden wollte. Worüber niemand in der Zivilbevölkerung, oft nicht einmal ranghohe Minister, etwas wussten.
 

Der stämmige Elf sah über das weite Land und die Umrisse der kleinen Häuser an dessen Ende. Er freute sich schon auf das vorübergehende Ende seiner Reise und seinen Urlaub bei einem seiner engsten Freunde. Auch wenn dieser Urlaub von einigen Schatten getrübt wurde, so kam er nicht umhin, sich auf das Wiedersehen zu freuen. Er war neugierig darauf, was in den letzten Jahren bei seinem Freund passiert war. Es war schon sehr lange her, seit er ihn besucht hatte. Etwas zu lange für seinen Geschmack.

Mit langen Schritten überwand er die Distanz zu dem Dorf im Westen.
 

Mit jedem weiteren Schritt spürte Feliff etwas, was er nicht spüren wollte. Es widerte ihn immer an, dass er solcherlei Gedankengänge hatte. Und sie trieben ihn immer wieder in eine leichte Verzweiflung. So auch jetzt, wo er, in Gedanken versunken, Magie wahrnahm. Magie elfischen Ursprungs. Ganz kurz prickelte ein Gefühl der Erregung durch ihn, welches er sofort wieder abschüttelte. So etwas konnte er doch nicht empfinden!

Aber vielleicht, ganz vielleicht, sollte er einmal eine Ausnahme machen.

Ein energisches Kopfschütteln folgte diesem Gedankengang. Erst einmal abwarten, redete er sich ein. Immer die Ruhe bewahren, es wäre sein letzter Trumpf. Und er hoffte, dass er diesen nicht ausspielen musste. Er seufzte in sich hinein. Er sollte sich vielleicht dennoch bemerkbar machen, obwohl er sich jetzt schon vor den Konsequenzen fürchtete. Aber früher oder später würde er wohl durch müssen.

Schon wenige Sekunden nach der Offenbarung eines kleinen Teils seiner Magie spürte er, wie sich Elfen ihm näherten.

Er konnte nur hoffen, sich beherrschen zu können.
 

Alyne sah den Weg vor sich an. Nein, besser gesagt das, was unter den Nebelschwaden zu erkennen war. Und das waren Farnwedel. Sie befand sich seit geraumer Zeit in einem noch merkwürdigeren Wald als der, in dem sie zuvor war, dem sie jedoch keine weitere Beachtung geschenkt hatte. Die Laubbäume hatten palmenähnlichen Platz gemacht, die von vielerlei Lianen und Geflecht überwachsen waren. Jedoch hatte der Nebel, welcher um ihre Füße waberte und sich langsam immer dichter gewoben hatte, angefangen, sie zu stören.

Nun konnte sie sicherlich keine fünfhundert Meter weit schauen, hätte sie sich mit diesem Nebel auf einem freiem Feld befunden, und nur Farnwedel in allen Varianten lugten aus den weißen Wolken klar erkennbar heraus. Selbst die komische Abwandlung von Bäumen war kaum noch zu sehen.

Sie brummte unwillig vor sich hin. Ihr schwante, dass sie vielleicht unwahrscheinlicherweise falsch abgebogen war. Vielleicht hätte sie nicht einfach ihre Willkür den Weg entscheiden lassen. Oder gar den Zufall. Ob es nun eine gute Entscheidung gewesen war oder nicht, nun musste sie hierdurch. Während sie vorsichtig einen Schritt nach dem anderen setzte und dabei fortwährend den Nebel verfluchte, kam ihr eine Erzählung in den Sinn. Ihr Vater hatte oft und gerne Geschichten erzählt, doch diese eine war von ihrer Mutter gewesen.

Es war vielmehr eine Legende, ein Mythos als eine Erzählung. Sie handelte von den ersten Überwindungen der verschiedenen menschenähnlichen Rassen und Arten. Es war eigentlich eine für Alyne recht langweilige Geschichte, weil kein einziger Kampf ausgetragen wurde und ihre Mutter pflegte es, sie immer mit einem ruhigen, gleich bleibendem Tonfall zu erzählen, der keine Ausschmückungen, die für die Halbelfe immer noch zum A und O gehörte, zuließ. Doch diese eine Geschichte hatte sich in ihr Gehirn eingebrannt wie beinahe keine andere.

Und doch war sie einfach nicht in der Lage, sich wieder an sie zu erinnern. Erinnerungsfetzen flogen durch ihre Gedanken, doch keine passte zur Anderen. Sie schluckte. Wie konnte sie diese Erzählung vergessen haben? Es erschien ihr wie ein unwirklicher Traum, ein Alptraum.

Versucht energischen Schrittes setzte sie ihren Weg fort, doch von nun an mit einem mulmigen Gefühl. Es war nicht nur wegen ihrer Unfähigkeit, sich an die Worte zu erinnern, sondern auch, weil sie sich beobachtet fühlte. Als würde jeder Schritt, jede Zuckung genaustens analysiert und bewertet. Sie lachte trocken. Vielleicht war sie ein klein wenig paranoid geworden. Dann drückte sie ihren Rücken durch, hob das Kinn und blickte entschlossen nach vorne. So leicht konnte man sie nun auch wieder nicht einschüchtern.

Ihre Schritte verhallten komisch im Nebel. Und der Nebel wollte nicht lichter werden. Man konnte aber auch nicht behaupten, dass er dichter wurde. Er blieb in seiner erdrückend wolkigen Konsistenz gleich. Und vielleicht war gerade das, was Alyne Sorgen bereitete.

„Bewege ich mich überhaupt von der...“, fing sie an, laut mit sich zu reden, als ein scharfer Geruch ihr entgegenschlug. Sie sog hastig die Luft ein, um sie im selben Moment wieder auszustoßen. Nein, dieser Geruch... Er war einzigartig.

Und sie hatte ihn schon viel zu oft riechen müssen.

Sie rührte sich nicht mehr, ihre Atmung wurde flach. Was suchte diese Bestie hier? War es ihr gefolgt? Woher wusste es von ihr? Sie blickte stur geradeaus, und es schien, als würde der Nebel sie dieses eine Mal halten, damit sie nicht umkippte. Sie erblickte nur wenig von ihrem Gegenüber, aber das, was sie sah, erschreckte sie jedes Mal von Neuem.

Unbändiger Hass in blutroten Augen.

Langsam bewegte sie ihren Blick über das struppige Fell, das sie sehen konnte. Wieso blieb es so still? Es zuckte nicht einmal. Sie lachte innerlich trocken auf. Vielleicht mochte dieses Tier die Jagd und diese war noch nicht eröffnet worden. Oder war es darauf gezüchtet worden, zu jagen? Sie forschte in seinen Augen nach Antworten, doch sie fand nichts als diese eine Emotion in lodernder Form.

Wieso rührte es sich nicht?

Sie bewegte vorsichtig ihren Kopf, doch da waren nur Augen, die ihren Bewegungen aufmerksam folgten. Ein Knurren ertönte, als sie versuchte, einen Schritt nach hinten zu machen. Eine plump geführte Hand verfehlte sie um Längen, ein Jaulen zerriss die Luft. Ein Keuchen.

Es war verletzt.

Rebellen

Die beiden Elfen gingen schweigend dem immer noch deutlich erkennbarem Geruch nach, der ihnen Übelkeit bereitete. In ihrer sicheren Nähe befand sich ein weiterer Elf, der sich nach Aufmerksamkeit sehnte. Er lugte immer wieder hinter Bäumen, Büschen und Baumkronen hervor, die beiden immer beobachtend. Erfline sah immer wieder kurz zu Futave hinüber, der wiederum unauffällige Blicke zu ihr warf. Es war ihre Art und Weise auf beinahe telepathischem Wege miteinander zu kommunizieren.

Was tun, damit dieses vermeintliche Kind redete?

Es war eine etwas bizarr schwierige Angelegenheit. Einerseits wäre es wohl nicht schwer, die Informationen zu bekommen, doch ohne sich dabei lächerlich zu machen oder mit dem Kind wieder in Kontakt zu treten, war unmöglich. Doch es war auch unverzeihlich, wenn die Rebellen einen, wenn auch kleinen, Aufstand zustande bringen konnten. Das würde dem Ruf ihres Vaters nur schaden, und das wiederum der Monarchie und dem König. Eine ganze Flut der Rebellen könnte das Land heimsuchen und alle in das Verderben reißen. Nein, das musste verhindert werden. Egal wie klein oder schwach die Zahl der Rebellen auch war, sie konnten wachsen. Dessen war Erfline sich nur allzu bewusst. Doch stand sie vor einer Hemmschwelle.

Der Grenze, die sich Stolz nannte.

Es war vermutlich keine unzumutbare Sache, den Elf zu fragen, was sie vor hatten. Wenn man es geschickt anstellte würde er auch reden. Doch konnte sie sich dazu überwinden? Sie hatten ihn erst einmal abgewiesen, aber war das richtig gewesen? Sie wollten sicherstellen, keine voreiligen Entscheidungen zu treffen und ihn im Auge behalten zu können. Etwas berührte sachte ihre Hand. Sie blickte zu ihrem Partner, der aufmunternd lächelte.

Sie verband es mit dem Gedanken, dass sie ja nicht alleine war. Zusammen würden sie eine Lösung finden. Als sie seinen eindringlichen Blick bemerkte, sah sie ihn fragend an. Sie las in seinen Augen, was er wollte.

Es war wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem es galt, alte Fehler zu begleichen, auch wenn sie noch nicht lange her waren.

„Rebellenjunge?“, fragte Erfline laut und blieb stehen. Sie spürte seine Magie, die still stand. „Wir haben eine Frage an dich.“

„Und wieso...“ Sie drehte sich zu ihm um, der nun aus dem Gebüsch hervorkam, sein Tonfall war selbstüberzeugt. „... sollte ich dir antworten?“ Er plusterte sich ein wenig auf, sichtbar stolz, ihre Aufmerksamkeit wieder zu haben.

„Weil es vielleicht zu deinen Gunsten sein wird“, antwortete sie vage. Sie hielt seinem bohrenden Blick stand. Nun wirkte er nicht mehr wie der schmollende Junge von vorhin. „Lass sie mich doch zuerst stellen, okay?“

Er schwieg und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann sag.“

„Es ist eher eine Bitte als eine konkrete Frage“, stellte sie noch einmal richtig.

„Eine Bitte?“ Er klang spottend. „Aber gut, sag sie mir.“

„Bring uns zu den Rebellen.“

Eine Weile herrschte ernstes Schweigen. Die kurz aufblitzende Überraschung auf seinem Gesicht hatte der Nachdenklichkeit Platz gemacht. „Warum?“, war schließlich das Wort, welches er von den vielen in seinem Kopf aussprach.

„Wir wollen mit ihnen verhandeln.“

Er konnte sich das trockene Lachen nicht verkneifen. „Das Königreich? Verhandeln? Mit den Rebellen?“ Es war, als spie er das letzte Wort aus, es klang genauso so, wie die Hofelfen von ihnen sprachen. Verächtlich, auch wenn es hier nur gespielt und mit Ungläubigkeit vermischt war. „Nein, niemals. Das kann niemals eure Absicht sein.“ In seinen Augen und seiner ganzen Haltung lag wahre Bitterkeit.

„Du hast wohl schlechte Erfahrungen mit dem Königreich gemacht?“ Sie sah ihn an, ihr Mitgefühl verbarg sie unter einem musternden Blick, der hoffentlich nicht herausfordernd wirkte. Er schüttelte den Kopf ebenso wie beinahe seinen ganzen Körper.

„Was... weiß das Königreich schon von uns.“

Sie nickte nachdenklich. „Ich kann nichts versprechen, aber ich bitte dich.“ Sie ließ sich auf ein Knie nieder. Es kostete sie ein großes Maß an Überwindung, doch sie wusste, dass dies im Moment nötig war. „Bitte führe uns zu dem Hauptsitz der Rebellen. Wir...“ Sie schluckte, einen kurzen Blick zu Futave wagend. Dieser nickte ihr aufmunternd zu. „Wir brauchen eure Hilfe.“

Der Elfenjunge starrte sie verblüfft an. Ihm war das Lachen im Hals stecken geblieben als sie, eine ranghöhere Elfe, sich vor ihm, einen Rebellen, niedergekniet hatte. Er blickte sie einfach fassungslos an, ganz vergessend, zu antworten. Erst ein Räuspern von dem anderen Elf erinnerte ihn wieder daran. „D-das ist keine Entscheidung, die ich alleine treffen kann“, antwortete er hastig und übereilt. „Ich darf euch nicht einfach...“

„Habt ihr Halbelfen in eurer Gesellschaft?“, ertönte eine Stimme, die bisher nicht zu Wort gekommen war. Die Elfe kniete immer noch, das Kinn auf ihre Brust gelegt mit dem Kopf nach unten. Es war der Elf, der ihn forschend anblickte.

„J-ja“, stotterte er.

„Dann sind sie in größter Gefahr. Bitte bring uns zu deinem Anführer.“

Er schluckte, nickte dann aber. Er konnte sich nicht vorstellen, was für eine Gefahr es war, die die beiden mit diesem Ernst versahen. Doch er ahnte, auch anhand des üblen Geruches, der immer noch in der Luft hing, dass es etwas ganz, ganz Schlimmes war.

Sie gingen schweigend, er führte sie von der Spur, die das Monster hinterlassen hatte, weg. Es war ein gefährliches Unterfangen, denn man wusste nicht, ob sie das Biest ohne diese Spur wiederfinden würden, wenn sie erst einmal verwaschen war. Erfline hoffte, dass ihr magischer Impuls dazu ausreichte, die Spur deutlich haltbarer zu machen. Denn sie wusste nicht, wann sie wieder hierherfinden würden. Sie schluckte bei dem Gedanken daran, dass sie nun bald wahrscheinlich dem führenden Organ der Rebellen von Angesicht zu Angesicht blicken würden. Dem Gegenspieler der Monarchie.

Dem ewigen Feind ihres Vaters.
 

Er versuchte, sich wirklich nichts anmerken zu lassen. Obgleich ihm dieser Prozess, bestehend aus einer Schar aus Dienern und Adligen, scheinbar überallhin folgen wollen würde. Er unterdrückte den schon vielfach in ihm aufgekommenen Wunsch, zu seufzen. Wieso war er gleich hierhergegangen? Feliff hatte wirklich nicht geahnt, dass es derart ausarten würde, wenn er sich einem Elfendorf nähern würde. Man hatte ihn seit der ersten Sekunde an behandelt wie einen König. Wobei das sogar untertrieben wäre. Schritt für Schritt wurde er regelrecht verfolgt, unter starrenden Blicken hatte er an einem Festmahl teilgenommen.

Als er vor dem Zimmer angelangt war, welches ihm zur freien Verfügung gestellt wurde, atmete er tief durch und drehte sich zu der wartenden Menge um, ein gezwungenes Lächeln auf den Lippen. „Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Nacht.“ Dann öffnete er die Tür, erdrückt von der vielstimmigen Erwiderung, und schloss sie hinter sich. Wieder einmal versuchte er, seine Gefühle nicht nach außen dringen zu lassen. Elfen besaßen ein viel zu viel zu feines Gespür für die Regungen der Reinblütigen.

Oder ließ er schon zu viel von seinem Gemüt nach außen dringen?

Er seufzte nun doch. Es war ein wirklich anstrengender Tag gewesen, auch wenn er gar nicht so begonnen hatte. Doch nun befand er sich ausgelaugt in einem ihm fremden Zimmer und dachte über die Informationen nach, die man ihm gegeben hatte. Oder besser: Nicht geben wollte. Es war eine Art Herumdrucksen gewesen und er hatte es dabei gelassen. Sein Blick ruhte auf der Tasche, die auf seinem Bett lag. Mit zögernden Schritten überwand er die Distanz, selbst unsicher, ob er wirklich nachsehen wollte.

Als er sich dann doch einen Ruck gab, war es nur Gewissheit, die ihn überkam. Die Blume, welche seit jeher in ihrem Fach gelegen hatte, lag dort immer noch. Und zwar unversehrt. Ihre Blüten waren noch von demselben zarten Farbton, der beinahe Weiß zu sein schien. Aber das auch nur fast. Irgendetwas in dem filigranen Muster der Blüten und dem Aufbau der Blume fasznierte ihn.

Doch wieso hatte er sie mitgenommen?

Nun spürte er leichte, magische Wellen. Ob er sie sich einbildete? Sie ähnelten einem Pulsieren, einem ewigen Klang.

Dem Klopfen an der Türe nicht ungleich. Er verstaute sie leise, aber schnell wieder in eine der vorderen Taschen seiner Tasche. „Ja?“, fragte er dann.

Eine leise, dünne Stimme antwortete kaum hörbar: „E-entschu-schuldig-digen Sie bitte, E-elfis Feliff, a-aber der H-herr möchte sie spr-sprechen.“

„Ich komme sofort.“ Er unterdrückte ein Seufzen. Ob er sich draußen wohl wieder eingekeilt zwischen einer Menge vorfinden würde? Es half ja alles nichts. Er war froh, wenn er sich wieder unter Leuten befand, die keine so große Ehrfurcht vor ihm pflegten wie hier. Es war ja zum Verrücktwerden! Dennoch sah er sich gewzungen, die Türe zu öffnen und hinauszutreten. „Wohin geht es denn?“, fragte er den kleinen, zittrigen Elfen vor ihm.

„H-hier lang bitte“, wich der Elf mit gesenktem Haupt vor ihm zurück, als er aus der Tür trat. Feliff selbst hatte kein einziges Mal gezittert, seit er im Dorf war. Wieder eine Eigenheit, die ihn nicht erstaunte. Tief in sich kannte er den Grund ja schon. An die Anrede eines Reinblütigen konnte er sich aber einfach nicht gewöhnen, als er sie wieder von gesenkten Köpfen wieder und wieder gemurmelt hörte, während sie durch die Flure des Hauses gingen.

Feliff musste sich auch eingestehen, dass er den Geschmack des Hausherrn absolut nicht verstehen konnte. Es waren manchmal teils barbarische Wandteppiche, die die Behausung des Obersten in diesem Dorf mittlerer Größe zierten. Er sah sich diese Kunstwerke brutaler Natur nicht näher an, denn sie schienen ihm falsch. Falsch an solch einem Ort. Und dennoch war der Herr ein doch recht zivilisierter Gesprächspartner, doch er wurde das dumpfe Gefühl nicht los, in eine gefährliche Gegend geraten zu sein. Er konnte froh sein, dass sein Zimmer nicht mit solcherlei Gemälden verunstaltet worden war.

Der Elf, welcher ihn durch die Flure manövrierte, blieb vor einer Tür stehen und klopfte, also tat er es ihm gleich und verharrte auf seiner Stelle. Die tief brummende Stimme des Obersten des Dorfes grummelte irgendetwas, was für Feliff unverständlich klang. Der Diener schien jedoch zu verstehen.

„Ich bin es, mein Herr. Ich tat Ihrem Befehl Folge und brachte den Elfis Feliff zu Ihnen.“ Er musste sich noch an die komisch antik klingende Art der Bewohner gewöhnen, wenn sie mit einem Ranghöheren sprachen. Er schien in ein wirklich altertümliches, wenn nicht gar barbarisches Dorf gekommen.

„Lass den Gast zu mir.“ Das tiefe Brummen hatte sich in verständliche Worte der Landessprache, die sich in einigen Teilen des Landes weiter auseinander fächerten als sie gemeinsam hatten. Dennoch nannte man sie, wenn sie denn überhaupt einen Namen trug, die Sprache des Landes. Einen spezifischeren Namen gab es in dem noch nicht zur Gänze erforschten Gebietes nicht, welches durch die Ödnis im Westen, eine eiswüstenähnliche, weit reichende Fläche im Osten und Gebirgsketten im Norden und Süden eingegrenzt wurde. Doch zwischen solcherlei Begebenheiten erstreckte sich das Land weit, an einigen Ecken traf es sogar auf Meer. Doch wer brauchte das, wenn man nicht wusste, welche Länder jenseits des Kontinents warteten?

Feliff trat durch die Tür, welche ebenfalls mit tierischen Schnitzereien versehen war. Ein Löwe, dessen Gesichtszüge bei genauerem Hinsehen den Feinen der Elfen ähnelte. Eine unwillkürliche Unsympathie wallte in ihm auf, die er schleunigst verbarg. Es war vielleicht auch ein gewisser Unmut, der mit ihr gekommen war. Das endgültige Bewusstsein, auf einem Mienenfeld zu gehen.

„Ah, Elfis.“ Die kräftige, stämmige Statur des Elfen passte zu seiner rindenartigen Haut, die gleichzeitig glatt und golden wirkte. „Ich hoffe, die Adligen bei Hofe haben Euch nicht allzu sehr missfallen?“ Er war von recht kleiner Statur, mit kurzen Beinen. Bartstoppeln bedeckten sein Kinn, das beim Reden unablässig zuckte. „Ich kann es ihnen aber nicht verbieten“, seufzte dieser noch hinzufügend, „Man muss seinem Volk gewisse Freiheiten lassen. Setzen Sie sich doch, Elfis“, lud er ihn dann ein, auf dem Stuhl vor seinem Tisch Platz zu nehmen. Er selbst klemmte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Ich entschuldige mich aufrichtig für ihr Vergehen. Aber es geht eben nicht anders, das verstehen sie doch, Elfis?“

Er nickte. Er sollte dem Gegenüber wohl lieber nicht eine gemeinschaftlichere Umgangsform anbieten, auch wenn diese Anrede ihn nicht behagte, aber es gab schlimmere. „Natürlich. Warum haben Sie mich hergebeten?“, verlangte er dann, zu wissen.

Der Hausherr nickte langsam, seine Augen versanken scheinbar an einen anderen Ort. Einen Ort, der sich wohl nicht in der unmittelbaren Umgebung befand.

„Entschuldigen Sie?“, fragte Feliff noch einmal höflicher nach, der Angesprochene erwachte aus seinem tranceartigen Zustand, den er von einem Kommunikationszauber kannte.

„Entschuldigen Sie bitte, man hat mir so eben eine Nachricht mitgeteilt, die ich unverzüglich überdenken musste.“ Er kratzte sich am Kopf, Nachdenklichkeit hatte sich über die wettergegerbten Züge seines Gesichtes ausgebreitet. „Ich befürchte, dass Sie hier nicht sehr lange werden bleiben können. Man munkelt, wissen Sie?“ Er wandte seinen Blick nicht auf, sondern richtete ihn starrend auf das leere Papier vor ihm, welches sich auf seiner Tischplatte befand.

Feliff nickte nur, verstand aber nicht, worum es ging. „Warum?“ Er hatte bemerkt, dass ihm niemand auch solch kurze, schroffe Fragen übelnahm. Oder nehmen konnte?

„Die... Rebellen“, rückte der Oberste des Dorfes schließlich mit einem mulmig unwohlen Unterton heraus. „Sie scheinen wieder zu agieren, wenn Sie wissen, was ich meine.“ Die Miene des reinblütigen Elfens verdüsterte sich. „Sie verstehen es, natürlich verstehen Sie es...“ Nachdenkliche Stille trat ein.

„Welche Aktivitäten haben sie sich bisher geleistet?“

„Nicht viele, nicht viele“, beschwichtigte der Elf vor ihm seinen eisigen Tonfall, welcher ihm unwillkürlich entrutscht war. „Es ist nur so, dass sie sich scheinbar in alle Lande ausbreiten. Sie scheinen etwas zu suchen und mir schwant, dass sie herausgefunden haben, dass Sie sich außerhalb von ihrer Heimat befinden“, umschrieb dieser Efarnia.

Wieder ein langsames Nicken. „Aha. Und nun suchen sie mich?“

„Ja, Elfis.“ Unruhe breitete sich auf den Zügen des Elfes aus. Es gab noch eine unangenehmen Nachricht zu erzählen, die er dem Anderen bisher vorenthalten hatte.

„Und gibt es noch etwas Wichtiges, was Sie mir mitteilen wollen?“

„Ja.“ Er schloss kurz die Augen, atmete tief durch. Ihm fiel es sichtlich schwer, diese Worte auszusprechen. „Es scheint, als wären auch zwei der Unseren übergelaufen.“

„Wie meinen Sie das?“ Feliffs Augen verengten sich kurzzeitig zu Schlitzen, ehe sie wieder offen wurden und einer gleichgültigen Miene Platz machen, die keine Besorgnis und keine Ungeduld zeigte.

„Es scheint, als wäre die Tochter des obersten königlichen Beraters und ihr Leibwächter mit einem Rebellen unterwegs. Man hat sie nur kurz gesehen, aber der Augenzeuge war sich sehr sicher.“ Unwohlsein war unverkennbar aus seiner Stimme herauszuhören. Er konnte es einfach nicht verstehen und wollte es auch nicht glauben, dass diese beiden, diese beiden ranghohen jungen Elfen übergelaufen waren. Doch er konnte es sich nicht erklären. „Ich vertraue dem Augenzeugen, aber ich kann einfach nicht verstehen, wie-“

„Wo hat man sie zuletzt gesehen?“, fiel Feliff ihm in das Wort ein. Seine Stimme war schneidend, bedrohlich in ein leises Kleid gehüllt.

„G-gestern“, stotterte der Oberste, überrascht von der plötzlichen Kälte und Bestimmtheit in Feliffs Stimme, die ihn insgeheim auch reizte.

„Wo?“

„Nur wenige tausend Meter weiter von hier, hundert Meter südlich bei dem Dorf, wo der König seine Winterresidenz pflegt...“

Feliff fluchte innerlich. Es war zwar keine unüberbrückbare Distanz, doch von dort aus führten viele Wege und Nichtwege in alle Himmelsrichtungen. Dieses Dorf, welches eine der vielen Abzweige der Hauptstadt mit hohen Minister- und Beraterposten und deren Familien bildete, war das, welches beinahe komplett mittig in der Landkarte platziert war. Und er würde nicht wissen, wohin sie gingen.

Er atmete unhörbar durch.

„Bereiten Sie mir Proviant und Kleidung vor. Ich werde noch heute abreisen.“
 

Eine gewisse Unruhe erfüllte seit einigen hundert Metern die Luft mit ihren Vibrationen und Klängen. Erfline war sichtlich unwohl dabei, auch wenn sie ihre Mimik unter strengster Kontrolle hielt. Futave erging es nicht anders, seit sie wussten, dass sie sich dem Rebellendorf ungemein näherten. Und dass der Stützpunkt so zentral im Land lag.

Es war eine Überraschung für die beiden gewesen, als Adrains, der Rebell, ihnen eröffnet hatte, dass sie in ein paar tausend Kilometern da sein würden. Noch hatten sie die Gegend nicht wiedererkannt, weil sie einen großen Umweg gelaufen waren, den er vermutlich gemacht hatte, um die beiden zu verwirren. Doch dann kamen ihnen Büsche bekannt vor. Die Bäume, Anordnungen und Wege. Ihnen war schnell bewusst geworden, dass sie sich ihrem eigenem Dorf näherten.

Und es war ein mulmiges Gefühl entstanden, voller Unwohlsein. Erfline wäre am liebsten geradewegs zu ihrem Vater gelaufen, um ihm zu sagen, wie nahe sie dem Feind eigentlich waren, doch sie riss sich am Riemen. Futave hatte sich in der Zeit darum bemüht, ein gutes Verhältnis zu dem Rebellen aufzubauen, was ihm auch gelang. Bereitwillig hatte er seine Friedenserklärung angenommen, auch wenn niemand wusste, wi lange sie währen würde. Aber Reisen war in gelöster Atmosphäre immer angenehmer.

Doch davon war nichts mehr zu spüren gewesen, je näher sie dem Stützpunkt der Rebellen kamen. Die beiden Elfen spürten bohrende Blicke, vor dessen Besitzern sie nur geschützt waren, weil einer der ihren mit ihnen reiste. Er war zweifelsohne auch von höherem Rang, jedenfalls so hoch, dass die Grenzwächter ihn nicht aufhielten. Das hatte Erfline dem Kind gar nicht zugetraut. Auf seinem Gesicht konnte man Ernst lesen, den man die Tage vorher nie gesehen hatte.

Angespanntheit beherrschte die unruhige Stille, die von emsigen Flüstern unterbrochen wurde. Dann blieb der Rebell stehen, seine Augen auf einen unsichtbaren Punkt vor ihm fixiert. „Schließt für einen Moment die Augen und dreht euch um“, bat er seine beiden Mitreisenden. Ohne zu überprüfen, ob sie es auch taten, schloss er seinerseits die Augen und begann, unhörbare Worte mit seinen Lippen zu formen.

Ein sanfter Kuss wurde Adrains von dem Wind auf die Stirn gehaucht, dasselbe Phänomen spürten auch die verwirrten Elfen. „Wa-“, wollte Erfline überrascht fragen, doch schwieg dann, als sie immer noch einen Ernst spürte, der nicht vergehen wollte. Sie hatte nicht gewusst, dass das Rebellendorf durch solcherlei Sicherheitszaubern und Bännen geschützt wurde. Sie waren vorsichtiger, als man dachte.

„Ihr habt nun ein Siegel, welches die Barriere anerkennt und euch durchlasst. Wenn ihr aber einmal drin seid, verschwindet es wieder, also könnt ihr nicht wieder heraus“, begann Adrains dann, zu erklären. Die beiden öffneten die Augen und drehten sich zu dem Rebellen um, der sich ebenfalls ihnen zugewandt hatte. „Also versucht es nicht erst. Ihr würdet nur eure und unsere Energie verschwenden, okay?“ Er sah sie eindringlich an, sie nickten. Seitdem sie mit den Grenzwächtern in Berührung gekommen waren, umhüllte ihn ein Ernst, den sie zuvor nicht einmal geahnt hatten, und dieser mahnte sie zur Vorsicht.

Er vergewisserte sich noch einmal, dass die für die beiden Elfen unsichtbaren Siegel da waren und nickte dann.

„Folgt mir.“

Bleibend gehen

Regungslos verharrte sie nun auf ihrer Position. Während sie weiter in die hasserfüllten Augen des Monsters sah, in welche sie auch Schmerz erkannte, fragte sie sich, wie sie eigentlich in diese Situation hineingeraten war. Der bestialische Gestank ihres Gegenübers nahm sie erst jetzt wahr, aber er war immer noch viel schwächer als sie es damals mit Feliff wahrgenommen hatte. Was war die Ursache?

Alyne konnte immer noch nicht viel von dem struppigen Fell, geschweige denn von der Haltung des Biests sehen. Der Nebel war immer noch dicht und wob sich mit seinen weißen Fäden um die beiden herum, versperrte ihr auf fast alles die Sicht, nur in diese Augen nicht. Sie konnte sich nicht dazu überwinden, wegzusehen, auch wenn alles in ihr schrie, dass sie es nicht ertragen konnte. Wenn etwas sie so sehr hasste, wollte sie den Grund dafür wissen. Auch wenn es sich um ein Wesen handelte, welches wahrscheinlich aus purem Hass bestand.

Wie sollte sie denn dann an so eine Information kommen?

Sie wagte es nicht, zu seufzen. Die wachsamen, wenn auch von Schmerz getrübten Augen verfolgten jede einzelne ihrer Bewegungen. Es würde sie wahrscheinlich sogar, ungeacht der Tatsache, dass es eine vermutlich schwere Wunde mit sich herumschleppte, sich auf sie stürzen, um sie an der Flucht zu hindern. Im Moment hielt wahrscheinlich der Schmerz das Monster noch davon ab, nicht anzugreifen. Wie lange das gut ging, wusste sie nicht.

Ihre Hand schloss sich kaum merklich fester um den Schwertknauf, doch er sah es. Ein Knurren ertönte, dicht gefolgt von einem lausen Aufjaulen. Es wäre die ideale Chance.

Die vermutlich einzige Chance, dieses Monster zu vernichten.

Aber irgendwie wollte ihr Arm nicht. Ihr ganzer Körper sträubte sich dagegen, sich zu bewegen. Sie versuchte nur halbherzig, die Schwertschneide in die Nähe der Bestie zu bringen. Sie bewegte sich nicht einmal einen Millimeter. Was war los? Sie atmete tief durch. In ihrem Kopf wirbelten Risiken und Chancen, Gedanken und mögliche Zukunftsvisionen durcheinander und verursachten starke Kopfschmerzen. Sie presste die Lippen aufeinander und zog die Augenbrauen zusammen. Es war wirklich nicht Ihres, lange und ausführlich über eine Sache nachzudenken.

Schätze das Leben, Alyne. Es ist das, was zählt.“

Ihre Augen hatten sich vor Schreck geweitet. Diese Stimme war ihr so schmerzlich vertraut. Diese Erinnerung war ihr noch klar im Gedächtnis. Damals war sie vielleicht zwanzig Jahre alt gewesen, ihr Vater schon ein älterer Mann. Doch in diesen Worten hatte alles gelegen, was er ihr sagen wollte. Immer und immer wieder sagen wollte, wenn sie nicht wieder und wieder das Weite gesucht hatte. Doch sie hatte es einfach nicht ertragen können. Diese Trauer in seiner Stimme, die tief in ihr etwas bewegte.

Vielleicht war sie ein wenig erwachsener geworden, wenn sie nun nicht mehr vor dem weglief, was vor ihr stand. Vielleicht würde sie trotzdem Trauer nie ertragen können.

„Ich tue dir nichts.“ Sie hatte die Worte voller Ernst gesagt, doch es war leise und kaum hörbar gewesen. Das Monster sah sie irritiert an, es verstand vermutlich ihre Worte nicht. Wie konnte sie auch glauben, dass ein Wesen, welches den Lebewesen an sich so entfernt war, sie verstehen würde? „Ich werde dir nichts tuen“, wiederholte sie noch einmal, dieses Mal lauter. Sie versuchte, ihre Stimme beruhigend klingen zu lassen, was sie noch nie in ihren Jahrzehnten von Jahren versucht hatte. Es war auch nie nötig gewesen, ein Biest, welches nur Hass für einen empfindet, dazu zu bringen, einen nicht direkt bei der ersten Annäherung anzugreifen. „Ich möchte dir helfen.“

Als sie mit dem kleinen Finger ihrer rechten Hand zuckte, fletschte das Monster mit seinen Zähnen und ließ ein bedrohlich klingendes Brummen in die Welt.

„Ich helfe dir, okay?“ Sie atmete tief durch, ehe sie sich auf die Knie sinken ließ, da sie vermutete, dass er an einem der Vorderbeine verletzt war. Er schnaubte, wobei heißer Atem über sie hinwegfegte. Sie drohte, in Folge mangelnder Energie auf den Boden zu fallen, doch sie fasste sich in allerletzter Sekunde, ehe sie zudem ihr Bewusstsein verlieren konnte. „Du hast einen wirklich... unvergesslichen Geruch“, versuchte sie, das ganze irgendwie heiter zu sehen, obwohl feine Stiche ihr durch den Körper zuckten.

Die Bestie sah verwirrt auf die Halbelfe hinab. In seinen Adern pochte Hass, doch da war auch noch etwas Anderes. Verwirrtheit? Was tat sie da? Wollte sie etwa... Er riss alarmiert den Kopf in die Höhe, Alyne wich überrascht zurück. Er bäumte sich durch den plötzlich stärker werden Schmerz auf, sein durchdringendes Brüllen wurde teilweise vom Nebel geschluckt. Er rollte mit den Augen, ehe er zur Seite kippte, seinen Schmerz nicht mehr ertragend.

Es verlor beinahe die Selbstkontrolle und das Bewusstsein, als es mit der vollen Wucht seines Gewichtes auf dem Boden aufprallte, in eigentlich weiches Farnwerk, doch fiel sein Körper mit viel zu großer Wucht. Schockiert hatte Alyne die ganze Prozedur beobachtet, in ihren Ohren dröhnte noch der Schrei und sie spürte immer noch das Beben. Doch das war immer noch die Realität. Das Monster wand sich in seinen Schmerzen hin und her, nicht ahnend, dass es die Wunde, auf die Alyne nun, da es mit seinen hastigen Bewegungen den Nebel teilweise vertrieb, freie Sicht auf die große, klaffende Wunde.

Diese begann an einem vorderen Bein, zog sich bis nach oben hin zu seinem Bauch und ab dessen Mitte weiter den Rücken hoch. Es sah fürchterlich aus. Dunkles Blut sickerte dickflüssig durch das Fell an der Wunde, schwere Tropfen davon wurden durch die Gegend geschleudert. Die Wunde, sie konnte kaum hinsehen, war tief. Und er riss sie unwillkürlich immer weiter auf, seine Muskeln verzerrten sich zu den unnatürlichsten Gebilden. Wenn er nicht aufhörte, dessen war sie sich sicher, würde es sterben.

Doch sie konnte es doch nicht sterben lassen.

„Hör auf.“ Ihre Stimme war leise, viel zu leise, um im Brüllen des Verletzten wahrgenommen zu werden. Doch der Schock saß tief. „Hör auf. Hör auf.“ Sie schluckte, um die Tränen nicht herauszulassen. „Hör auf!“ Tatsächlich hielt es inne, während es dem Nachklang ihrer Stimme lauschte, am Rand der Bewusstlosigkeit. Seine Augen drehten sich zu ihr, angstvoll geweitet und, so stellte sie mit Entsetzen fest, des Lebens müde. Sie konnte wahrscheinlich nicht einmal ahnen, welche Schmerzen durch seinen Körper gepocht waren, welche Schmerzen er selbst durch seinen Körper getrieben hatte.

Es war so dumm.

„Bleib still.“ Sie sprach mit klarer Stimme, die ein wenig wiederhallte. Es blieb still. Sie wagte es, erleichtert aufzuatmen. Doch als sie einen Schritt darauf zu machte, knurrte es wieder abwehrend und mit gefletschten Zähnen. Es hatte sie nicht akzeptiert.

Sie ließ sich an der Ort und Stelle nieder, wo sie gerade stand, und verschränkte die Arme. Ihr Kinn war in einer hochnäsigen Art und Weise nach oben gereckt, ihr Blick herausfordernd. Sie saß im Schneidersitz, während das Monster vor ihr immer noch auf seiner vermutlich unverletzteren Seite still liegen blieb. Sein Blick war auf sie fixiert, das, was sie vorher in seinen Augen gesehen hatte, war verschwunden. Es schien sich wieder an seinen Lebensinhalt erinnert zu haben.

Und das war, in Betracht dessen, was es war, traurig.

Sie sah es mit undefinierbaren Blick an, in andächtigem Schweigen versunken. Doch so, wie es ihr nunmal nicht lag, schweigend darzusitzen, erfasste sie bald eine Unruhe, die sie durch nervös anmutendes Blickwandern ausdrückte. Das Monster war davon irritiert, als sie schließlich seufzte. Sie fand, das tat sie in letzter Zeit viel zu viel zu oft.

In ihrer Langeweile, da das Monster sie wahrscheinlich nicht in naher Zukunft an sich heranlassen wurde, fing sie an, ein Lied zu summen. Gleichzeitig spielte sie, ohne diese ernsthaft zu betätigen, an den Hebeln des Automatens herum, den sie mittlerweile von ihrem Rücken geschnallt hatte. Es waren Griffe und Formen aller Art und in allen Größen. Mal war es auch edles Holz, mal etwas, was mehr Ähnlichkeit mit Schrott zu tun hatte. Sie entdeckte viele Hebel, die ihr auf irgendeine Art und Weise vertraut vorkamen.

Sie versank vollkommen in dieses Spiel, dieses Tasten mit dem Automaten, dass sie bald die Anwesenheit des Monsters vergaß. Dieses hielt seinen Blick immer noch auf sie fixiert, doch während sie so da saß, mit den Hebeln spielend, erinnerte sie ihn an irgendetwas, was er doch vergessen hatte.
 

Abends, wenige Stunden nach seiner Ankunft im Dorf des Westens, wie er es auch gerne nannte, ließ Inkalak den Tag vor seinem inneren Auge noch einmal durchlaufen. In seinen Gedanken tauchten die freundlichen Bewohner des Dorfes auf, altbekannte und neue Gesichter waren dort zu sehen. Doch seinen einen Freund, den er eigentlich gesucht hatte, schien nicht da gewesen zu sein. Er runzelte leicht die Stirn, während er die Decke über ihm betrachtete. Er lag auf dem Bett eines der Zimmer im Haus des Dorfältesten, demselben Ort, wo auch Alyne und Feliff vor wenigen Tagen ihr Quartier bezogen hatten.

Den Elfen beunruhigte etwas. Es war weniger die Abwesenheit seines Freundes, er war öfters ein paar Tage weg, sondern vielmehr das, was die Dorfbewohner ihm erzählt hatten, was in keinerlei Verbindung zu seinem Freund stand. Es war die Nachricht von dem plötzlichen Verschwinden zweier Personen aus dem Dorf. Man machte sich Sorgen um die beiden. Denn als sie ihm beschrieben wurden, glaubte er, sie zu kennen.

Ein Mädchen, welches leuchtend rotes Haar hatte, und ein Junge, der seine glatten, schwarzen Haare zu einem Zopf gebunden trug. Es erinnerte ihn sehr an die zwei Elfengestalten, denen er vor nicht sehr vielen Tagen, vielleicht einer Woche, begegnet war. Doch wie groß konnte der Zufall sein? Da von Menschen die Rede war, konnte er natürlich nicht ausschließen, dass es tatsächlich Menschen waren. Doch er wusste auch um die Fähigkeit der Elfen, ihre spitzen Ohren zu verdecken.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Er richtete sich wieder auf und stand auf, rief: „Ich komme!“, und öffnete die Tür. Der Dorfvorsteher, den auch er witzelnd Paterini nannte, stand vor der Tür.

Sed gegreßt!“, begrüßte dieser ihn mit einem fröhlichen Lächeln.

Re gegreßt!“, erwiderte Inkalak ebenfalls mit einem Lächeln.

„Wie ich sehe hast du es nicht vergessen.“

„Natürlich nicht! Komm doch rein, stehen ist doch anstrengend. Lass dich doch mal ansehen!“, polterte der stämmige Elf mit seiner lauten Stimme. „Wie lange ist es schon her? Fünf Jahre? Wie die Zeit vergeht!“ Ein wehmütiger Ausdruck trat auf sein Gesicht.

„Eigentlich sind es nur vier.“ Ein schiefes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Dorfvorstehers aus.

„Wie ich hörte, bist du Dorfvorsteher geworden? Glückwunsch!“

„Danke“, sagte der Andere verlegen, während sie sich beide zu dem Tisch begaben, der am anderen Ende des Raumes stand und um den zwei Stühle standen. Sie ließen sich lachend und plaudernd nieder, doch als Inkalak zu den zwei Fremden kam, die plötzlich verschwunden waren, verdüsterte sich Zuans Miene kurzzeitig. „Über die beiden weiß ich auch nichts wirklich“, antwortete er achselzuckend, doch es wirkte auf den Elfen, als ob er etwas verheimlichte. Er ließ es jedoch dabei und erkundigte sich lieber nach seinem alten Freund Trivian.

„Wo treibt sich denn der gute alte Trivian herum?“, fragte er den jungen Dorfvorsteher.

Erleichtert über den Themenwechsel gab dieser bereitwillig Auskunft: „Genau weiß ich es auch nicht, aber ich glaube, dass er ein benachbartes Dorf besuchen geht.“

„Wie lange meinst du wird er wegbleiben?“

„Puh... Schwer zu sagen.“ Zuan lehnte sich ein wenig zurück, seine Miene war nachdenklich. „Vielleicht vier Tage?“

Inkalak nickte. Das war lange. „Aber ich denke, dass ich auf jeden Fall mit ihm reden muss. Ich warte hier so lange, wenn es in Ordnung ist? Ich mache mich auch nützlich“, fügte er mit einem verschmitzen Grinsen hinzu.

Dieser Ausdruck spiegelte sich auch auf dem Gesicht des Dorfvorstehers, als er antowrtete: „Na, dann kannst du dich ja gleich an die Arbeit machen! Ich habe einige schrecklich tolle Aufgaben für dich...“

„Das freut einen doch zu hören!“ In gespielter Freude knackste der Gast mit seinen Fingerknöcheln. „Wo sind die harten Brocken?“
 

Alyne lehnte sich an den Baum, welcher ihr am nächsten war. Sie hatte noch nicht die Lust an den vielfältigen Hebeln verloren, eine unsichtbare Neugier zog ihre Aufmerksamkeit auf die Griffe, welche mit irgendeinem Mechanismus im Inneren des Würfels verbunden waren. Seit einiger Zeit bemerkte sie das Monster, welches keine Laute mehr von sich gab, nicht mehr. Auch die Blicke, die immer noch auf ihr ruhten, ignorierte sie mit der Gekonntheit von jemandem, die es gewohnt war, angesehen zu werden. Nur das Flüstern blieb aus, das Tratschen und Schlechtreden.

Ihre Blicke ihrerseits waren auf eine bestimmte, kleine, runde Kugel fixiert. Sie befand sich an einer Ecke und, so hatte sie durch leichtes Hin- und Herdrehen herausgefunden, war beweglich. Sie war in einer perlmuttfarbenen Öffnung eingebettet, die Kugel an sich war jedoch gläsern und von dunkelblauer Farbe. Das wenige Sonnenlicht, welches durch den Nebel noch hierherdrang, schien es in sich zu sammeln. Doch was sie an dieser Kugel so faszinierte, wusste sie nicht. Ihre Finger ruhten immerzu auf der glatten Oberfläche, strichen vorsichtig über sie. Sie war kaum so groß wie ihr Daumennagel, vielleicht war es in etwa so groß wie der Nagel ihres kleinen Fingers.

Gedankenverloren richtete sie ihren Blick, während ihr Finger noch auf der Kugel ruhte, auf einen anderen Hebel. Auf einmal spürte sie etwas Nasses unter ihrem Finger, reflexartig strich sie mit sanftem Druck über die Kugel.

Es war nicht so, dass sie zerbarst.

Durch den verstärkten Druck, den sie durch das Wegwischen der Flüssigkeit auf die Kugel ausgeübt hatte, hatte sie sie unabsichtlich eingedrückt. Doch was danach passierte, merkte sie eigentlich gar nicht wirklich. Ein kaum hörbares Zischen war erklungen, nur den Bruchteil einer Sekunde lang, und dann wieder verschwunden. Als Alyne ihre Aufmerksamkeit wieder auf die kleine Perle richtete, erschrak sie.

War sie nicht eben noch von tiefdunkler Farbe gewesen? Wenn ja, so war sie nun weiß. Nur ein schwacher Schimmer noch Blau war zu erkennen, doch die Kugel war vielmehr von einem Weiß. Sie zuckte mit ihrer Hand zurück, hastig untersuchte sie ihren Finger. Nichts. Auch in ihrer näheren Umgebung schien nichts zu sein, was anders schien. Das wenige Farn, welches sie durch den Nebel ausmachen konnte, war grün, der Boden unter ihr, sofern sie ihn sehen konnte, war dunkelbraun und mit losen Ästen versehen. Das Monster war struppig schwarz, die Augen von ihm dunkelrot wie Hass und Wut. Doch woher konnte sie das wissen, wenn diese doch geschlossen waren?

Sie blickte verwundert zu dem Monster hin. Tatsächlich konnte sie seine Augen nicht sehen. Mit getrockener Erde verkrustete Lider waren an deren Stelle zu sehen, es schien so, als würde es schlafen. Vorsichtig erhob sie sich, doch das Monster regte sich nicht. Nachdem sie sich ganz erhoben hatte und aufrecht stand, konnte sie ein Heben und Senken seines Bauches sehen, sie hielt inne. Danach war lange Zeit Stille und, wie sie noch sehen würde, atmete es nur sehr selten in einer Minute.

Sie tastete sich vorsichtig vor, achtete darauf, auf nichts zu treten und kein Geräusch zu machen. Als sie neben dem Monster stand und in seine klaffende Wunde schauen konnte, spürte sie Ekel, den sie zu unterdrücken versuchte, und tiefes Bedauern. Es würde schwer werden, das ohne die richtigen Materialien und noch viel mehr ohne das richtige Vertrauen zu richten.

Wie lange es wohl schlafen würde? Ob es aufwachen würde, wenn sie sich an die Wunde machte? Und wo konnte sie Wasser finden, um die Wunde zu reinigen? Sie atmete leise tief durch. Das würde ein hartes Stück Arbeit werden.

Sie krempelte sich die Ärmel ihres Hemdes hoch, welches sie von den Dorfbewohnern bekommen hatte, und schaute sich genauer in der Umgebung um. Wie spät war es eigentlich? Sie sah nach oben. Was sie sah, war weißer Nebel. Besonders viel brachte ihr das nicht. Sie fuchtelte ein wenig mit ihren Armen herum, um vielleicht ein wenig blauen Himmel sehen zu können, aber es blieb weiß. Entweder es war bewölkt oder der Nebel sehr, sehr, sehr dicht. Sie hoffte auf Letzteres, da Wolken immer ein gutes Indiz für kommenden Regen waren, den sie gut gebrauchen konnte. Dann fing sie an, in der Nähe, damit sie ihren momentanen Standort nicht verlor und sich nicht noch einmal verlaufen würde, Farnwedel zu sammeln.

Sie war verblüfft, wie viele Arten von Farnen es eigentlich gab. Während sie die Wedel pflückte, achtete sie darauf, möglichst keine Geräusche zu machen. Doch das Monster war so still, hätte es nicht in langen Abständen geatmet, sie hätte es für tot gehalten. Sie seufzte. Konnte sie mit dem Tauwasser auf den Farnen die Wunde säubern? Neben dem Monster hatte sie die Wedel hingestellt, alle in verschiedenen Größen. Mal ganz große, dann kleinere und welche, die eine mittlere Größe besaßen. Sie alle waren mit feinem Tauwasser versehen, doch das reichte wahrscheinlich nicht, um die Wunde ausreichend zu säubern.

Sie hatte während ihres Lebens viele Wunden gepflegt, vornehmlich ihre eigenen, weil sie sich, ob sie nun wollte oder nicht, andauernd verletzt hatte. Ob sie so eine große Wunde überhaupt würde behandeln können? Es hatte sich bisher bei ihr nur um Kratzer gehandelt. Da fiel ihr eine Erinnerung ein, die sie schnell wieder wegscheuchte. Sie würde es versuchen.

Sie sammelte sich innerlich und näherte sich wieder dem Monster. Den Automaten hatte sie in etwas weiterer Entfernung in Sicherheit gebracht, ihr Schwert lag zu ihrer Rechten, bereit, alles Mögliche durchzutrennen. Sie atmete langsam die Luft aus, die sie eingeatmet hatte. Als sie ihre Augen wieder öffnete, näherte sie sich mit ihrer Hand zögerlich den äußeren Ränden der Wunde am eigentlich kräftig wirkenden Bein, wäre da nicht der große Schnitt an ihm entlang. Das Monster rührte sich nicht, als Alyne probeweise ein Blatt aus der Wunde zupfte, dann mit beiden Händen zuerst vorsichtig, dann beherzter Schmutz barg.

Sie zitterte nicht, als ihre Hände vor rotem Blut kaum noch ihre normale Farbe besaßen. Der Geruch, welcher sich ausbreitete, machte ihr Sorgen. Der Geruch von Aas und Blut. Ob in der Nähe Aasfresser waren? Und wieso roch es so? Begann die Wunde zu faulen? Sie würde sich beeilen müssen.

In den nächsten Stunden arbeitete sie wachsam und achtete darauf, das Monster aus seinem tiefen Schlaf nicht zu wecken. Sie schnitt große Teile des Fleisches raus, welches einen unangenehmen Geruch besaß. Es raubte ihr beinahe die Sinne, diesen Geruch einzuatmen. Es erstaunte sie, wann immer sie das frische Fleisch sah, welches unter der Verletzung zum Vorschein kam. Es war ebenso rosa wie ihres. Sie hatte nicht vermutet, dass es schwarz wie die Nacht sein würde, doch das hatte sie ebenso wenig erwartet.

Und selbst bei Regen wachte das Monster nicht auf. Energisch musste Alyne immer wieder eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht streichen, ihre Hände wurden vom Regen gewaschen, ebenso wie die Wunde selbst. Die Wunde umwickelte sie mit Farnwedeln, welche sie mit den Lianen, welche an den Bäumen hingen, umband. Sie konnte keine Salbe zusammenmischen, weil ihr die Zutaten fehlten, also hoffte sie, dass es so genügen würde. Im Takt mit dem stetigen Regen verrichtete sie die Arbeit ohne das es ein einziges Mal aufwachte.

Was es wohl in diesem Zustand hielt?

Bangen

Seine Gedanken wanderten stetig, ebenso wie er selbst über den Boden. Sie waren voller Sorge, ebenso wie Feliffs Gesicht, welches dem Horizont und dem Ungewissen zugewendet waren. Es waren ein paar Tage, vielleicht auch eine Woche vergangen, er hatte zwischen seinen Gedanken vergessen zu zählen. Wie lange würde es wohl noch dauern? Er wusste nicht, was sie planten, doch er hatte deutlich das Zusammentreffen gespürt, auch wenn es nicht einmal eine einzige Sekunde gedauert hatte.

Wie lange würde das noch gut gehen? Er ahnte, dass etwas in der Luft lag, doch er wagte es nicht zu beschreiben, was genau. Doch er musste so schnell wie möglich dahin kommen.

Um jeden Preis.

Er wusste noch nicht, wie lange er gehen würde. Auch hatte er, genau genommen, sich noch nicht entschieden, was das Beste war. Die Rebellen aufsuchen und herausfinden, warum Erfline, die eine sichtliche Abneigung gegen alles hatte, was nicht Elfe oder Elf war, bei den Rebellen suchte. War es der Einfluss von einer dritten Person? Oder, so lautete die andere Variante, er würde Efarnia aufsuchen gehen und dort eine andere Person zur Rede stellen. Doch seine Informationen waren rar und nicht vielfältig genug, um eine gute Entscheidung treffen zu können.

Schätze, er musste abwägen. Und das tat er ungerne, wenn er nicht alle Daten zur Verfügung hatte. Er seufzte sowohl innerlich als auch als klar erkennbaren Klang. Er fragte sich nicht, wie er in die Sache hineingeraten war, es war ihm seit seiner Geburt quasi im Blut gegeben, immer an den vordersten Fronten zu stehen. Doch, so fragte er sich nur kurz, wann war er geboren wurden?

Er verscheuchte diesen Gedanken schnell wieder. Das war in diesem Augenblick, während dieser Tage nicht wichtig. Er ging in einem zügigen Tempo durch den Wald, in dem er sich befand, und dachte nach. Er dachte und dachte, doch so recht wollte sich keine Lösung finden lassen. Auch wenn er versuchen würde, herauszufinden, worin der Beweggrund für die Elfe bestand, würde ihm das etwas bringen? Ja. Und würde das Wissen, was die Wesen Efarnias vorhatten, ihm auch etwas bringen? Ja.

Vielleicht sollte er eine Möglichkeit in Betracht ziehen, die er sein ganzes Leben nicht gewagt hatte.

Ainrafe.
 

Mit den Worten, dass Erfline und Futave bitte dort warten sollten, hatte er sich entfernt und sie alleine gelassen. Dort war der Ort, wo Neuankömmlinge oder Besucher warten mussten, bis sie sich weiter fortbewegen durften. Es war ein kleines Haus, welches vermutlich weit oder weiter weg von dem eigentlichen Kern des Dorfes war, denn auf dem kurzen Weg dahin hatte Erfline keine weiteren Behausungen außer diese Holzhütte gesehen. Es gab nur an einer Seite ein großes Fenster, gegenüber war die Tür. Sie war mit einem Tisch und Stühlen ausgestattet, die Kombination von diversen Stilen war für Erflines Augen, die Harmonie oder wenigstens Geschmack gewohnt waren, ein Graus. Sie saß mit geschlossenen Augen auf einem gepolsterten Stuhl, ihre Hand ruhte in Futaves, der sich neben sie gesetzt hatte.

Zuerst hatte Stille geherrscht. Doch dann erhoben sich flüsternde Stimmen, die sich scheinbar um die Hütte herum bewegten. Futaves wachsame Augen blickten durch die Fenster der einfach gehaltenen Hütte. Er wusste weder, um wen es sich bei den Stimmen handelte, noch konnte er sie sehen. Es schien sich aber um dieselben Stimmen zu handeln, die auch schon auf ihrem Weg hierher gewispert hatten. Sollten sie den Besuchern Angst machen? Oder konnten sie einfach ihren Mund nicht geschlossen halten?

Es war ihm im Grunde auch egal. Er blickte zu ihr hinüber, ihre Stirn war in kaum erkennbare Falten gelegt. Sie versuchte zwar, ihren Unmut zu verbergen, doch er erkannte ihn, selbst wenn er sich nur minimal äußerte. Er strich ihr einmal sanft über den Kopf, eine saloppe Geste, die mit einem Zauber versehen war. Sie öffnete überrascht sie Augen, als sie nichts mehr hörte, lächelte ihn aber dankbar an. Er wusste um ihr Trauma und verstand es. Generell war sie in seinen Augen ein sehr zartes Wesen, das man einerseits beschützen musste und keines Schutzes bedurfte.

Sie war ein Rätsel für sich.

Kurze Zeit später hatte sie ihre Augen wieder geschlossen, nun entspannter lehnte sie sich zurück, doch Sorgen bahnten sich schnell ihren Weg in ihre Gedanken. Sie wusste nicht, was auf sie zukommen würde, es war ein leeres Blatt Papier voll von unendlichen Möglichkeiten. Doch welche würde eintreffen? Sie würde es nie sagen können. Das einzige, was es nun zu tun galt, war warten.

Das Rauschen im Hintergrund nahm nun nur Futave wahr, er schnappte hier und da vereinzelt Wörter auf. Fremd. Feind. Elfen. Hofstaat. Raub. Man sprach hier eindeutig nicht sehr positiv von ihren Besuchern, das war ihm auch schon am Tonfall klar gewesen. Flüsternd, geheimnisvoll und mit einer Spur Misstrauen, die unüberhörbar war. Wann würde wohl der Rebell wiederkommen, um sie entweder zurückzubringen oder zu den Anführern zu führen?

Seit einiger Zeit schon spürte Futave einen stechenden Blick in seinem Rücken. Er drehte sich langsam um, nicht zu hastig aber so, dass er im Notfall noch eingreifen konnte. Er musste sich zusammenreißen, nicht zusammenzuzucken, als ein bohrender Blick aus einem katzenartigen Gesicht den seinen streifte. Das Fenster, durch das das Wesen ihn anschaute, war das, welches von ihm am meisten entfernt war. Gelbe Augen mit einer mandelförmigen Pupille sahen ihn mit offener Feindseligkeit an. Er erschauerte ein wenig, denn eine Erinnerung war hochgekommen.

Man musste nicht nur aus Hass bestehen, um in etwa gleich viel zu hassen, das wurde ihm mit großer Offenheit vorgelegt. Denn diese Augen in dem leicht mit Fell bedecktem Gesicht, welches ihn stark an schlanke und geschickte Raubkatzen erinnerte, waren hasserfüllt und stechend. Sie waren in jeder Hinsicht unangenehm und passten auch nicht zu dem jungen Gesicht.

Unwillkürlich fragte er sich, ob die Rebellen nur aus Elfen und Mischwesen bestanden, die so jung waren. Er wusste zwar, dass jedes Wesen magischer Art langsam alterte, doch warum waren alle Rebellen, denen er bisher begegnet war, so jung? Langsam zweifelte er an der Möglichkeit zur Einschätzung des Alters. Oder waren es wirklich vor allem die Jüngeren, die rebellierten?

„Hallo“, sagte er dann aus einem Impuls heraus, der ihn plötzlich ergriffen hatte. Er lächelte den Rebell oder die Rebellin, er erkannte es nicht so genau, da er oder sie scheinbar kopfüber vom Dach hing und nur der Kopf sichtbar war, freundlich an. Insgeheim verstärkte er den Zauber, der Erfline wortwörtlich auf den Ohren lag, ein wenig, sie hatte schon genug andere Sorgen. Und solche Augen waren ihre schlimmsten Alpträume, das wusste er.

Wie erwartet antwortete sein Gegenüber nicht. Er jedoch behielt sein Lächeln auf den Lippen, darauf bedacht, keinen feindseligen Eindruck zu machen. Es blieb eine Weile so, er hörte auch immer noch die Stimmen aus dem Hintergrund. Sie hatten sich nicht großartig verändert, aber er glaubte, dass sie noch eine Spur mehr tuschelten, wenn es denn möglich war. Ob es wohl das erste Mal war, dass dieser Rebell oder diese Rebellin dort hing und die Feinde ausspionierte?

Er wandte seinen Blick nicht ab, ebenso wenig wie das Gesicht. Sie blickten einander an, inmitten des Gemurmels und der sonstigen, beinahe eisig wirkenden Stille. Dann fing ein Klang sich alle Aufmerksamkeit ein, die im Raum bisher auf einer Linie ausgetauscht wurden. Es war ein glockenheller Ton, der Futave nach links, seiner Quelle, blicken ließ. Als er seinen Blick wieder auf das Fenster richtete, war der Rebell oder die Rebellin fort.

„Ob man sich wiedersieht?“, fragte er mehr sich selbst als seine Umgebung. Den Zauber nahm er nun auch von Erfline, die ihn inmitten der nun eingekehrten Stille fragend ansah. „Es gab einen hellen Ton.“ Sie nickte, aber er ahnte, dass sie nicht ganz verstand. Er selbst wusste nicht, was es heißen sollte. „Vielleicht werden wir jetzt empfangen.“

Sie schwieg, aber er konnte ihre Gedanken erraten. Oder weggeschickt.

Er drückte ihre Hand, während sie warteten, was in dieser Stille und nach dem Klang nun passieren würde. Tatsächlich geschah eine Weile lang gar nichts, sodass sie beinahe einen schlechten Scherz dahinter vermutete, doch dann öffnete sich knarrend die Tür und der Rebell, der sie hierher geführt hatte, trat ein.

„Ihr dürft rein.“ Sein Gesicht verriet Ernst, die Kindlichkeit war nur noch ein Rahmen, in dem sich die Sorge der Erwachsenen befand. „Bleibt hinter mir und versucht, möglichst keinen direkt anzusehen.“

Sie nickten. Vermutlich würden die Rebellen dann vermuten, dass man sie manipulieren wollte, was nicht der Fall war. „In Ordnung“, sagte Erfline mit einem unwohlen Gefühl im Magen. Diese ganze Sache behagte ihr nicht so recht. Sie folgten ihm aus der Hütte raus, den Blick vornehmlich auf den Boden gerichtet. Das Stimmengemurmel setzte nicht wieder erneut ein, doch im Gegenzug dafür spürten sie bohrende Blicke wie Dolche, die sich tief in sie hineinbohrten und versuchten, sie zu schwächen.

„Beachtet, dass man euch als Fremde und Feinde behandelt“, führte Adrains die Belehrung fort ohne mit der Wimper zu zucken. War er es gewohnt oder ließ er sich seine Anspannung nicht anmerken? Sie wussten es nicht. Aber einerseits war es nicht etwas, das so interessant und wissenswert wäre, um unbedingt erfragt zu werden. „Erwartet also am besten keinen großen Respekt. Als geduldete Elfen des Hofstaates seid ihr, wie schon gesagt, geduldet, aber nicht erwünscht. Mischt euch in keine inneren Angelegenheiten der Rebellen ein und redet nur, wenn sie euch ansprechen. Ihr seid nicht dazu verpflichtet, auf Fragen zu antworten, also wägt selbst ab, auf was ihr eine Antwort geben wollt und was nicht. Ihr seid nicht in der Lage, selbst Fragen zu stellen, außer man fordert euch dazu auf.“ Er holte kurz Luft zwischen all den Verboten, die man ihnen erteilte und die sie hinnehmen mussten, wenn sie hier bleiben wollten. „Und zu guter Letzt: Ich bin als derjenige, der euch hierher gebracht hat, euer Ansprechpartner und der einzige, dem ihr unaufgefordert Fragen stellen dürft.“

Sie nickten.

„Irgendwelche momentan?“

Sie schüttelten den Kopf.

Der Marsch zum Rebellendorf wurde schweigend fortgesetzt, doch langsam wurde die erdrückende Stille mit dem fernen Klang von Betriebsamkeit gefüllt. Sie waren vielleicht zweihundert Meter gegangen, als ihnen die ersten anderen Elfen begegneten. Elfen, die Erfline und Futave in solcher Form noch nie gesehen hatten. Sie kannten nur die eine Norm, die üblich war. Doch Elfen mit einem Schwanz oder flammenförmigen Ohren waren ihnen noch nie untergekommen. Deutlich spürten sie jedoch, dass dies hier auch Elfen waren. Sie waren nicht sehr viel anders als die, mit denen sie im Dorf ihre Zeit verbrachten. Auch das Magiepotenzial unterschied sich nicht großartig, doch es gab auch welche, die sogar noch weniger Magie als Alyne zeigten.

Erfline zwnag sich, den Blick von den Elfen um sie herum abzuwenden und dem Boden zu widmen, als sie immer mehr Rebellen begegneten. Sie ahnte, dass ihr Blick hochnäsig werden könnte und wollte dies so gut es ging vermeiden. Sich noch mehr Feindschaft einzuhandeln als sie ohnehin schon hatten war unnötig. Futave tat es ihr gleich, auch wenn er immer wieder unauffällig zu seinen Seiten lugte. Er blickte eigentlich ausnahmslos in Gesichter, die entweder interessiert und neugierig oder verächtlich und hasserfüllt waren. Es schien auch bei den Rebellen zwei Lager zu geben.

Die Häuser waren, soweit er erkennen konnte, schlichter Bauart. Da er seit einiger Zeit das Pulsieren von Magie wahrnehmen konnte, vermutete er, dass diese vor Wettererscheinungen wie Regen und Hagel durch einen Bannkreis geschützt worden waren. Dies erklärte auch, warum manche der Häuser aus Lehm bestanden, obwohl es in dieser Region auch öfters Regenschauer gab. Die Kleidung war einfach und schlicht und meist in natürlichen Farben gehalten. Man sah eigentlich gar kein leuchtendes Rot oder Orange, nur ab und zu als Blüte im Haar eines Elfenmädchens. Besonders viel bekamen die Besucher aber auch nicht viel von dem Rebellendorf mit, denn Adrains führte sie geradewegs in ein kleines Häuschen am Rand.

Es war mehr eine halbierte Kugel als ein wirkliches Haus, mit einem Loch in der Mitte und mehreren Öffnungen auf halber Höhe, die mit straff gezogenen Stoff bedeckt waren. Man gelang durch eine ähnliche Öffnung in das Haus hinein, dieses Mal aber auf Bodenhöhe und ungefähr von der Größe eines Elfens, der noch am Wachsen war. Sprich: Die Tür war nicht besonders hoch, ebenso wie das ganze Häuschen wirklich ein Häuschen war. Es hatte einen Durchmesser von zweieinhalb Metern, die Höhe entsprach ungefähr anderthalb Metern.

„Hier werdet ihr die nächsten Tage verbringen. Man kann euch nicht sofort empfangen. Ich bin auf direkt nebenan im Haus“, Adrains zeigte auf ein stabiler wirkendes Haus nebenan, „Ihr dürft nur aus dem Haus raus, wenn ihr mich etwas fragen wollt oder man euch dazu auffordert. Essen bekommt ihr zu festen Zeiten.“ Er überlegte, ob er irgendetwas vergessen hatte. „Ich muss los“, sagte er schließlich und ließ die beiden vor der Lehmhalbkugel allein.
 

Feliff kam die Umgebung tagelang immer noch unbekannt vor. Erst nach und nach erschlossen sich ihm einzelne Landstriche, die er in der Karte in seinem Kopf lokalisierte und so seine Position bestimmte. Er war nun nicht mehr weit von dem Dorf entfernt, in welches er als erstes gegangen war, nachdem er den Wald verlassen hatte. Ob es Alyne wohl gut ging?, schoss es ihm auf einmal durch den Kopf. Er hoffte, dass er den Automaten bald würde finden können. An ihm nagten immer noch Gewissensbisse, weil er ihn verloren hatte.

Andererseits stand bald wieder eine wichtige Weggabelung vor ihm. Würde er nach Ainrafe gehen oder die Rebellen suchen gehen? Er wusste es nicht. Er wusste zwar ungefähr, wo beides in etwa lag, doch diesen Informationen sollte man nicht so eine wichtige Entscheidung überlassen. Nein, er sollte das wählen, was am sinnvollsten war und nicht das, was in der Nähe liegen würde.

Doch was würde es wohl sein?

Er setzte einen Schritt vor den anderen, während er über diese Frage nachdachte. Und nachdachte. Er war ein sehr gründlicher Denker, der es hasste, auch nur einen winzigen Fakt zu übersehen. Doch auch war ihm bewusst, schon längst eine Entscheidung getroffen zu haben. Sie äußerte sich in seinem Wohlwollen gegenüber dieser Handlung, in seinen Füßen, die immerzu in eine bestimmte Richtung gingen.

Er würde einen Ort betreten, den er nicht kannte, das war ihm bewusst. Er hatte keine klare Vorstellung von Ainrafe und die Legenden um diesen Ort reichten beinahe noch weiter als die um Efarnia. Man nannte sie die böse Schwester oder simpler auch Hort des Bösens. Es war kein freundlicher und warmer Ort wie der, in dem er aufgewachsen war. Es war ein folgenschwerer Entschluss, sollte er sich wirklich dahin wagen. Er hatte zwar schon Begegnung mit Faure Morin gemacht, doch wie es um die anderen Lebewesen dort stand.

Sie waren ihm ohne Zweifel feindlich gesinnt. Und sie standen auch nicht unter seinem Einfluss. Den Grund kannte er bis heute nicht, aber es war ihm auch egal. Vielleicht würde er dort sogar ein klein wenig Normalität finden? Er wusste es nicht.

Im Grunde wusste er doch nichts.

Betriebsamkeit und Wachsamkeit

Ein unangehmer Laut entstand, als Metall über Stein und harte Erde schrammte. So wie die Schritte, die sich der Lehmhalbkugel näherten, in der Erfline und Futave die letzten Tage aushaaren mussten. Sie hatten immer wieder Flüstern gehört, immer wieder Betriebsamkeit. Doch jetzt war es beinahe Nacht, es war später Abend. Sie erahnten den blutroten Himmel hinter den Tüchern, die die Fenster verschlossen.

Es hatte nicht einen Tag geregnet.

Auch schien man sich nicht große Sorgen darüber zu machen, was Futave in seiner Vermutung bestätigte, dass ein Bannzauber um das Dorf gelegt war. Doch wie stark mussten die Zauber sein, um solch ein Dorf zu schützen? Er schluckte unwohlig. Und wie stark erst die Magiewirkenden, die diesen Zauber ausführten, um dieses Dorf vor den Elfen zu schützen und zu verstecken?

Erfline wusste es ebenso wenig wie er, doch sie machte sich nicht um die Kräfte des Feindes Sorgen. Es war auch kein Hunger, der an ihr nagte, denn das Essen war recht annehmbar, wenn nicht sogar recht gut gewesen. Es war die Gewissheit über diese Angst, die sie wiederum an ihre Angst erinnerte. Ganz eindeutig spürte sie die Angst und den Hass, die in der Stimme und in dem Verhalten dieser Leute zu erkennen waren.

Etwas nagte an ihrem Inneren, Stück für Stück. Langsam, aber stetig.

„Man hat Zeit für euch“, dröhnte eine tiefe Stimme, nachdem die scharrenden Schritte aufgehört hatten und ein grobschlächtiges Gesicht durch den Eingang reinschaute. Sie nickten, sie kannten diesen Rebellen schon. Er war derjenige, der für ihre Aufsicht zuständig war, seine Schuhe sein Erkennungsmerkmal. Niemand sonst würde solcherlei Schuhe mit Metallsohlen tragen, außer man befand sich im Krieg. „Folgt mir.“ Doch seiner Meinung nach waren sie es auch. Er sagte es nicht, sie fragten es nicht. Aber es war deutlich an seinem Verhalten zu erkennen, doch woran genau sie an ihm die Alarmbereitschaft, jederzeit loszuziehen, sahen, wussten sie nicht. Stillschweigend folgten sie ihm durch das Rebellenlager, in dem trotz des dunkelnden Himmels immer noch reger Betrieb herrschte. Sie richteten ihren Blick zu Boden. Sie hörten, wie sich eine weitere Person sich ihnen näherte.

„Man hat Zeit für sie?“, fragte eine Stimme, die eigentlich jugendlich wirken sollte, doch sie klang ernst und alt.

„Ja. Man wird sehen, was sie zu sagen haben.“

Erfline war diese Eigenart schon früher aufgefallen. Diese Art, ihren Anführer zu nennen. Oder generell die Rebellen an sich. 'Man'. Unpersönlich und gleichzeitig alle betreffend. Sie vermutete aber eher einen anderen Grund dahinter, den sie nicht kannte.

„Ein schwüler Abend“, merkte Adrains an, seine Schritte passten sich an die des großen Rebellens mit den eigentümlichen Schuhen an. Groß, lang. Irgendwie gehetzt. „Ich weiß nicht, ob ich heute das durchhalte.“

Ein markerschütterndes, lautes Lachen erschall. „Das hast nicht du zu entscheiden“, hörte man irgendwann zwischen dem tiefen, sich schüttelnden Brummen. „Jedenfalls wird man wohl durchhalten müssen. Und du auch.“

„Ja, ja. Ja, ja“, wiederholte Adrains seufzend immer wieder. Erfline lugte kurz zu den beiden und bekam den Eindruck, dass sie wirklich gegensätzlich waren. Neben ihrem Wächter wirkte ihr Führer wie ein Strich in der Landschaft, eher noch ein winziger Punkt. Doch er schien einen hohen Rang inne zu haben, wenn der andere ihn nicht herablassend behandelte. Oder war das der normale Umgang miteinander im Dorf? Sie wusste es nicht.

Schweigend ging es dann weiter, in der die beiden Elfen noch einmal Zeit hatten, das, was sie sagen wollten, zu überdenken. Einen Rückzieher konnten sie schon lange nicht mehr machen. Jetzt galt es, Zeit zu sparen, denn allein das Warten hatte schon mehrere Tage gedauert. Wer wusste schon, was das Monster in dieser Zeit angestellt haben konnte. Die Liste war lang und die meisten Fällen verhießen nichts Gutes.

Doch scheinbar nahm man sie nicht ernst.

„Wir sind da.“ Der Trupp stoppte vor etwas, das sich im Groben und Ganzem wohl Waldrand nennen ließ. In Erfline lief das Fass nun doch beinahe über. Erst einmal quartierte man sie in eine lächerlich erdige Halbkugel ein, und nun, nachdem sie tagelang warteten, kam nun das? Ein Wald? Wollte man sie wieder rausschmeißen oder was sollte sie sich darunter vorstellen? Eine tiefe Falte hatte sich zwischen ihrer Stirn gebildet, ihre Augen waren voller Skepsis verengt.

Und man wartete. So wartete man noch eine gute Minute, vielleicht auch mehr, man zählte es nicht so genau. Dann, ehe Erflines Geduldfaden trotz Futaves energisch friedlicher Aura und Einwirkung reißen konnte, ertönte das hohe Brummen eines Horns. Der Rebell übertrat die übertrieben deutlich sichtbare Schwelle zwischen normalen Erdboden und dem Waldboden, der voller Moos war. Augenblicklich hörte man nicht einen winzigen Ton von seinen Schuhen, nicht einmal, als er sichtlich über einen Ast kratzte.

Darauf folgte Adrains, der sich nur kurz zu ihnen umdrehte. Doch was ihnen auffiel war nicht sein ernstes Gesicht, sondern seine Hand, die in Bauchhöhe mit dem Zeigefinger nach innen zeigte. Sie sollten folgen, teilte er ihnen so mit. Und das taten sie. Erfline wurde der Vortritt gelassen, nicht ganz ohne Misstrauen überschritt die Schwelle. Sie erfasste ein Schwindelgefühl, dem sie beinahe zu erliegen drohte, als starke Arme ihren Fall verhinderten. Sie blickte in die Richtung, in der die Grenze liegen musste. Futave stand da nicht mehr.

Er lächelte ihr aufmunternd zu und richtete sie auf. Adrains, der in der Nähe stand, hatte sie beobachtet und schaute nun unschuldig in eine andere Richtung. Da wurde ihm wieder bewusst, dass sie bald die Spur seines Kollegen verlieren würden, der sie zum Audienzort führen sollte. „Folgt mir!“, rief er und begann im Schnellschritt durch den Wald zu gehen, der erstaunlich dicht bepflanzt war. Auch fiel ihr erst jetzt auf, dass der Wald grün war. Es war aber nicht möglich, denn es war doch Herbst, oder nicht?

Ihnen wurde immer mehr bewusst, dass die Rebellen mächtige und doch sehr verschwenderische Zauber wirkten.

„Nun seid nicht so lahm, er lässt schließlich auch keine Rücksicht ans Licht!“, drängte der Rebell vor ihnen, der schmächtiger wirkende Junge, der nun, fernab jeglicher anderen Rebellen, wieder jünger wirkte. Als ob er sich immer und immer wieder verstellte oder verstellen müsste.

Sie eilten hinter ihm her, der wiederum einem anderen hinterher eilte. In dem dicht bewachsenen, trotz des Kommens des nahenden Winters üppig blühenden Waldes musste man aufpassen, nicht von Ästen geschlagen und gekratzt zu werden. Erfline stolperte mehr recht als schlecht in dem schnellen Tempo, aber nicht, weil sie das Fortbewegen auf solcherlei Terrain ungewohnt war. Nein, es war vielmehr so, dass sie die Magie ganz, ganz stark spürte. Auf einmal. Plötzlich. Futave spürte sie zwar auch, doch nicht die seiner Umgebung, sondern die von Erfline. Die sich schlagartig verstärkt hatte.

Sie fragten sich einmal mehr, wer die Rebellen eigentlich waren. Eine Organisation gegen das Königshaus? Mit Sicherheit. Doch wozu all diese Magie für... das hier ausgeben? Erflines Hand streifte einen Ast. Er war voller Magie und Energie. „Wo sind wir hier bloß?“, murmelte sie in sich hinein, während sie ihren Blick wieder nach vorne richtete. Im Grunde war es doch auch egal, oder?

Es gab einen Feind, den man mit allen Mitteln besiegen musste. Ob man sich nun mit einem anderen Feind zusammentun musste, zählte nicht mehr.
 

Alyne schüttelte ihre Arme und Beine, um sie aus dem Schlaf zu reißen. Sie wusste nicht mehr, wann sie denn eigentlich derart verenkt eingeschlafen war, sodass ihre Glieder taub wurden und ungelenk waren. Zu ihrem Übel begannen ihre Sinne ihr auch vorzugaukeln, dass tausend kleine Nadelstiche ihr durch das Fleisch bohrten, während ihre Glieder langsam aus der Schlaftrunkenheit erwachten.

Mittlerweile war sie weitergegangen, immerzu den Weg vor ihr entlang. Sie hatte sich dazu entschieden, nachdem es schien, dass das Monster aus dem gröbsten raus war, weiterzugehen und endlich aus dem Wald herauszufinden. Es war auch erst wieder aufgewacht, als sie schon lange fort war. Doch sie spürte einen vertrauten, bohrenden Blick in ihrem Rücken. Sie versuchte zwar, diese beobachtend starrenden Augen zu ignorieren, doch angesichts der Tatsache, dass jede ihrer kleinsten Bewegungen mit großem Interesse verfolgt wurden, war dies kein leichtes Unterfangen.

Also hatte sie sich etwas Praktischem zugewendet: Der Nahrungssuche. Obwohl sie die letzten Tage nichts zu essen gebraucht hatte, was sie selbst wohl am meisten verwunderte, hatte sie angefangen, nach Beeren und anderen pflanzlichen Nahrungsmitteln Ausschau zu halten. Sie machte sich keine großen Gedanken darüber, dass ihr Magen nicht knurrte. Vielleicht lag es einfach daran, dass der Anblick von verfaulendem Fleisch ihr all den Appetit genommen hatte.

So schritten die beiden Stück für Stück weiter durch den Wald, in dessen Atmosphäre etwas Unangenehmes lag. Zwar roch das Monster erstaunlicherweise nicht mehr annähernd so bewusstseinsraubend wie zuvor, doch gleichzeitig war das auch ungewohnt. Sie fragte sich im Stillen, wieso das Monster, dem es nun deutlich besser ging, sie nicht verfolgte. Die Wunden, sie waren noch da, natürlich, konnten doch nicht der Grund sein. Sie dürften ihn eigentlich kaum noch stören, erst, wenn er loslaufen würde, würden sie wieder aufreißen. Doch konnte dieses Biest das wirklich denken?

Konnte es über die Folgen seines Handelns nachdenken?

Alyne war sich nicht sicher. Schließlich hatte es am Anfang einen Risenkrawall veranstaltet, der seinen Zustand beinahe bis zum Maximum verschlechtert hatte. Überhaupt wusste sie im Grunde genommen gar nichts. Sie schulterte nur den Automaten mit einer Liane über ihrer rechten Seite, das Schwert in ihrer anderen Hand, und wanderte nichts wissend durch einen Wald, aus dem es scheinbar kein Entkommen gab. Ja, sie war unwissend. Und sie hasste nichts mehr als das. Gleichzeitig hatte sie aber auch akzeptiert, dass sie alleine unmöglich an die Informationen herankommen würde, die ihr aus der Sache raushelfen würden. Sie war in gewisser Weise von Feliff, dem reinblütigen Elf, abnhängig. Sie hinterfragte jedoch nicht, dass er ihr nichts erzählt hatte. Sie glaubte daran, dass er einen guten Grund besaß.

Wann sie wohl endlich dieses Rätsel gelöst hatte? Sie sah auf den Automaten. Ein klappriges Ding, welches im Nebel nur bruchstückenweise zu sehen war. Immer noch war die milchige, weiße Wand um sie herum. Sie schien einfach nicht lichter werden zu wollen, aber das kümmerte sie nicht. Sie hatte sich nie gefragt, warum dieser Nebel so war, wie er war. Warum er Geräusche scheinbar zu verschlucken schien. Warum er Licht in sich zu speichern schien, um es nachts wieder herauszulassen.

Doch diese eine Frage ließ sie nicht ruhen.

Warum hatte er mir diesen Automaten gegeben?

Hatte er geahnt, in welche Schlamassel seine Jüngste kommen würde? Wohl kaum. Was war es dann? Sie sah keinen Sinn darin, ihr, der vermutlich dümmsten in der Familie, diese Bürde aufzulasten. In Gedanken sah sie sein Gesicht, welches lächelte. Eine plötzliche Erinnerung an das, was vergangen war. Er hatte ihr immer gesagt, dass sie nicht dumm sei.

Auch wenn es ihr in diesem Moment nicht so schien.

Möchtest du eine Antwort?
 

Der reinblütige Elf hatte sich nun weiter bewegt. Sein Entschluss wankte zwar hier und da, doch er war sich eigentlich sicher. Doch seine Beine scheinbar nicht. Sie führten ihn in die eine Richtung, ja, aber es war die Falsche. Denn sie führte zu dem Ursprung der Reise, dem Quell ihres Weges. Zu dem einen Elfendorf, in dem Alyne gewohnt hatte. In dem Erfline ihnen das erste Mal begegnet war. In dem das und so viel mehr, von dem er nicht einmal ahnte, seinen Ursprung nennen konnte. In diese Richtung zog es ihn.

Mehrmals schon musste er mit Gewalt seine Beine von dem Weg zerren, in die andere Richtung, die ihm nicht gefiel. Es war ein unangenehmer Ort, zu dem er wollte. Dem Quell des Bösens, wie man diesen Wald, wenn man ihn als solches bezeichnen konnte, nannte. Es war der ursprüngliche Ort von Faure Morin, dem Schattenwesen.

Sein ganzer Körper weigerte sich, noch einen Schritt in diese Richtung zu machen, doch irgendwie überredete er diesen dann doch immer und immer wieder. Es war ein Kampf, dorthin zu gelangen. Es verursachte ihm psychische Schmerzen, zu sehen, wie das Grün mit jedem Schritt dorthin ein wenig mehr schwand. Wie braune Rinde schwarzen Schattenbäumen Platz machte.

Wie all die Lebenfrohheit mit jedem Schritt ein wenig mehr in Düsternis versank.

Es war ein trauriges Bild, und auch die Luft schien sich zu verschlechtern. Er kannte die Umstände am Rand Efarnias, neblig weiß und hell. Wenn Ainrafe wirklich das Gegenstück war, so machte das der Bezeichnung alle Ehre. Denn der weiße Nebel dort, war der schwarze Dunst hier. Seine Sicht verschlechterte sich zusehends.

Er wusste nun, warum alle Lebewesen diesen Ort instinktiv mieden.
 

Es war nun schon vier Tage her, seit Inkalak das Dorf im Westen betreten hatte. Er hatte jeden vergangenen Tag tatkräftig und manchmal auch mit Magie den Dorfbewohnern geholfen. Zwar war die Ernte schon größenteils eingebracht, doch nun ging es ans Konservieren. Der Winter würde wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Ihm war jedoch auch bewusst, dass der Winter die ideale Zeit war, seine Kräfte zu sammeln. Er spürte, dass etwas in der Luft lag. Was genau, das wusste er noch nicht, aber es war vermutlich etwas sehr, sehr Schlimmes.

Mit diesen Gedanken hatte er sich die letzten Tage aber nicht beschäftigt, es gab zu viel zu tun, als dass er es hätte tun können. Mit Hilfe von Magie machte er Lebensmittel länger haltbar, trug auch große Lasten ohne Mühe und half so gut es ging. Ob es sich nun um Weizen handelte, oder um Gerste, Äpfel oder Birnen. Er war sich für nichts zu schade. Und wenn die Dorfbewohner ihn nicht vorher gekannt hätten, sie wären vielleicht leicht erstaunt über seine Gutmütigkeit gewesen, denn diese schrieb man den Elfen normalerweise nicht zu. Jedenfalls Menschen gegenüber.

Es war der vierte Tag, nachdem er angekommen war, als sein alter Freund wieder heimkehrte. Es war später Nachmittag, die Sonne ging unter, als sie Schritte wahrnahmen. Und wie der Dorfvorsteher es gesagt hatte, war sein Freund, der Dorfälteste Trivian, innerhalb von vier Tagen wieder da gewesen. Inkalak erkannte sofort die eigentümlichen Schritte seines Freundes, dessen Füße scheinbar über dem Boden zu schleichen schienen, dabei aber nicht besonders leise waren. Es war relativ schwer zu beschreiben, und vielleicht passte sein Name wirklich sehr gut. Denn es war, als würde er mit einem Schritt drei machen. Es klang unglaublich, aber so klangen Trivians Schritte.

„Sed gegreßt, alter Freund!“, rief der stämmigere der beiden fröhlich aus und lief, seine Arbeit, Weizenbündel zusammenbinden, ruhen lassend, auf den Neuankömmling zu. Dessen Gesicht erhellte sich auch sogleich, als er Inkalak wiedererkannte.

„Re gegreßt! Ich hätte nie gedacht, dass du hier bist. Seit wann schon? Musstest du lange warten?“, legte der Zurückgrüßende gleich mit seiner Salve an Fragen los. „Meine Güte, du hast dich aber wirklich gar nicht verändert!“, fügte er noch lachend hinzu.

„Naja, älter wirst du auch nicht mehr, alter Freund!“, konterte er lachend und mit einem verschmitzten Grinsen. „Wie ist es dir ergangen? Geht es dir gut?“

„Natürlich. Komm, ich will dich nicht weiter stören. Lass uns bei der Arbeit weiterreden.“ Sie gingen, immer noch fröhlich miteinander plaudernd, zu dem Ort der Arbeit zurück, wo schon andere freudige Gesichter auf die Rückkehr Trivians gewartet hatten. „Sed gegreßt!“, begrüßte er alle mit einem warmen Lächeln. Aufgeregtes Geplapper schwoll über ihn an, doch alle begannen ihren Schwall gleich.

„Re gegreßt!“

Er lachte großväterlich in die frohe Runde, versuchte auf jeden einzugehen und nichts zu überhören. Er begrüßte jeden noch einmal einzeln, plauderte ein wenig mit ihnen, während Inkalak sich erst einmal wieder der Arbeit widmete und Weizenbündel verschnürte. Ein stilles Lächeln lag auf seinem Gesicht, er genoss die Betriebsamkeit um sich herum. Im Wald war es häufig still. Er mochte das Reisen zwar, aber während man auf der Reise ist, ist es doch ein wenig... einsam.

„So, und nun zu dir!“ Der ältere Mann ließ sich neben dem Elfen nieder, seine Augen waren wach und voller Neugier. „Wie ist es dir ergangen? Was hast du so erlebt?“

„Oh, es gibt eine Menge, was ich dir erzählen will. Wo soll ich nur anfangen?“ Er runzelte nachdenklich die Stirn. Dann schnappte er sich einen der herumlaufenden Gedanken und fing an, von den letzten Jahren zu erzählen.

Sturmruhen

Als sie ihre Augen wieder öffnete, erkannte sie ihre Umgebung nicht mehr. Generell erinnerte sie sich nicht mehr, wie schon so oft in den letzten Tagen, wie sie eigentlich hierhergekommen war. Sie erinnerte sich nur an diese eine Stimme in ihrem Kopf, danach wurde alles... weiß. Es schien ihr, als hätte ein blendend helles, weißes Licht sie erfasst und mit ihr ihren ganzen Körper. Dieser fühlte sich an wie gelähmt, auch jetzt noch, wo sie inmitten von üppigem Grün und Bäumen verschiedenster Art, vor Singen vibrierender Luft da lag und in einen klaren, blauen Himmel sah, der nur von gelegentlichen Wolken heimgesucht wurde. In der Ferne plätscherte ein Bach, hier und da hörte sie das Rupfen von Gras, vermutlich Tiere, das Schlagen von Vogelflügeln und viel, viel mehr.

Sie richtete sich auf. Es war eine wirklich friedliche Gegend. Sie strich sich ihre feuchten Haarsträhnen, die ihr immer noch im Gesicht hingen, zur Seite. In ihren weit geöffneten Augen spiegelte sich ihre paradiesische Umgebung wieder, sie fragte sich, wo sie gelandet war. Ein kurzer Gedanke blitzte in ihr auf, doch es war unmöglich, dass sie sich in Efarnia befand.

Wieso denn, mein liebes Kind?, säuselte eine Stimme, die sich scheinbar überall befand. In jedem Geräusch hallte das Echo dieser lieblichen, warmen Stimme wieder, die so sanft klang, dass Alyne in einen schläfrigen Zustand versetzt wurde, als hätte man ihr eine weiche, kuschelige Decke gegeben. Ach nein, ach nein! Das war doch nicht meine Absicht! Die Stimme schien zu kichern, ein fröhlicher Ton, der ihr sofort jede Schläfrigkeit nahm und sie in muntere Lebensfreude versetzte.

Doch woher kam die Stimme? Sie sah sich hektisch um, doch da war niemand. Sie erahnte nur das braune Fell eines Rehs hinter einem Busch, ein paar Vögel flogen aufgescheucht durch ihre Bewegung weg, und das Monster... Es schien friedlich auf dem saftigen, weichen Grasboden der Lichtung zu schlafen. Bei diesem Anblick wich ihr all der Hass und die Angst, die sie vorher gespürt hatte.

Es schläft wahrlich friedlich, nicht wahr?, fragte die Stimme sie, woraufhin sie zusammenzuckte. Oh, entschuldige. Ich wollte dich nicht erschrecken.

Sie holte tief Luft und versuchte, sich wieder an das Reden zu erinnern. Denn das Wissen schien ihr irgendwie aus dem Kopf gesogen worden zu sein. „W-wer bist du?“

Die Stimme, die überall war, schien zu lachen. Aber es war kein bösartiger Klang, nein, er wirkte vielmehr freundlich erheitert. Ich denke, dass du mich kennst, liebes Kind. Sobald Alyne diese Worte gehört und aufgenommen hatte, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Oder wie ein weißer Vorhang über der Dunkelheit.

„I-ich kenne sie nicht“, stotterte sie jedoch weiter. Sie wollte es nicht glauben. Es gab zwar nur ein Wesen in Efarnia, welches diese Stimme sein konnte und inmitten des flutenden Sonnenlichts war es auch nicht unverständlich, wieso man sie nicht sah, doch sie wollte es nicht wahr haben. Sie hatte schon eine Begegnung dieser Art hinter sich, musste eine zweite unbedingt sein?

Aber mein liebes Kind! So darfst du nicht denken. Du... Es war ihr, als würde etwas Helles, Glitzerndes um sie herumstreifen und sie mit Wärme erfüllen, die sie dankbar nach der nassen Wanderung durch den nebligen Farnwald annahm. Du bist ein sehr wichtiger... Schlüssel, weißt du?, liebkoste die Stimme des Lichtwesens, welches die ganz gegensätzliche Schwester Faure Morins war, ihr Gemüt.

„Das glaube ich nicht.“ Sie wehrte sich gegen diese freundschaftliche Wärme, die sich in ihr auftat. „Ich bin einfach eine normale Halbelfe, also lassen Sie mich bitte gehen...“ Doch genauso wie sie sich wehrte, wusste sie, dass sie sich eben jene Wärme immer gewünscht hatte. Eine Wärme, die nicht auf dem Umstand beruhte, dass es ihre Familie war. Sie hatte diese Wärme geliebt, natürlich, doch der Mensch und auch die Elfe in ihr waren unersättlich und gierig. Sie wollten mehr als nur diese familiäre Wärme. Freundschaftliche Nähe. Sie hätte auch gerne Freundinnen gehabt.

Mein liebes, liebes Kind... Aus irgendeinem Grund wusste sie, was als nächstes passieren würde. Sie schloss die Augen, ehe ihre Umgebung ein weiteres Mal in reines Weiß versank. Du hast Recht, hörte sie die Stimme des Lichtwesens noch einmal sagen, ich bin Nirom Eruaf.
 

„Nun, ich höre.“ Die Anführerin der Rebellen war eine sehr selbstbewusste, selbstsichere Frau, die sich auf einem blätterbedecktem Stuhl ausbreitete. Sie vermittelte einem nicht das herrische Bild, das sie mit ihrer Stimme erzeugte, die fest, klar und befehlsgewohnt durch den Wald hallte. Sie befanden sich auf einer Lichtung, sie standen ihr gegenüber, die auf einem relativ einfachem Stuhl saß. Dieser befand sich auf einer Art Podium, die sie ungefähr auf Augenhöhe mit denen sein ließ, die eine Audienz wünschten.

Ihre Gestalt an sich wirkte eher durchschnittlich. Sie hatte hellbraunes Haar, welches ein wenig im einfallendem Licht glänzte. Ihre wachsamen Augen waren fein geschnitten, ebenso wie ihr Gesicht. Ihre beiden Augen blitzten in dunklem Braun. Sie hatte einfachere Kleidung in leuchtendem Rot an, welches sich nur schwer in das Bild einfügen ließ, welches man von ihr hatte. Oder jedenfalls das, was man sich unter den Elfen erzählte. Das Bild einer herrschsüchtigen, gierigen Frau mit grausamen Augen, die nicht zu der kühlen Nüchternheit passte, die sie sahen. Voll mit Schmuck behangen, der für die beiden unsichtbar war.

Nein, sie entsprach nur in den wesentlichen Details wie Haarfarbe oder Augenfarbe den Gerüchten.

„Entschuldigt bitte, aber wir haben nicht ewig Zeit“, merkte diese noch einmal an, wobei ihr Gesicht keine Regung der Ungeduld verriet, sondern still zu warten schien. Es war weder angespannt, noch entspannt. Sie konnten keine Regung aus dem Gesicht herauslesen, das scheinbar durch nichts aus der Ruhe zu bringen war. Vielleicht war auch das die Regung, Ruhe.

„Entschuldigen Sie bitte, Damen“, riss Erfline sich aus ihren Gedanken und hängte, der Gewohnheit folgend, die Anrede für eine höher gestellte Frau an. Es war nur ein kleines Zucken in ihrem Gesicht als Reaktion zu erkennen, doch sie schien bei dieser Anrede längst Vergessenes wieder aufflammen zu lassen. Tage, in denen sie selbst diese Anrede benutzt hatte, vermutlich. „Wir haben ein dringliches Problem, das wir mit Ihnen besprechen wollen.“ Sie warf einen kurzen Blick nach hinten, woraufhin Futave ihr ein kleines, kurzweiliges, aber aufmunterndes Lächeln schenkte.

„Dann sprich, Elfin Erfline.“ Ihre Stimme klang wirklich in keinem Punkt herrisch.

Sie war kurzzeitig verunsichert, versteckte es aber gekonnt und fing an, ihren Wunsch vorzutragen. „Es gibt etwas, das die Regierung der Welt verheimlicht“, fing sie mit einer Halbwahrheit an. Es ertönten die ersten abschätzigen Kommentare, die die Anführerin der Rebellen mit dem Heben ihrer Augenbraue zum Schweigen brachte. Sie hatte sie wirklich unter Kontrolle. „Es ist ein grausames Wesen. Es wurde geschaffen aus purem Hass, aus reiner Wut. Es hat die Größe eines ausgewachsenen Elfen, wenn nicht sogar diese Maße mit anderthalb multipliziert.“ Sie sah unentwegt in die wachsam interessierten, vielleicht sogar leicht schockierten Augen der Person vor ihr. Ihre eigene Stimme zitterte nicht, während sie fortfuhr. „Es sondert immer einen spezifischen Geruch, einen Gestank aus, der vor allem die Halbelfen trifft. Denn diese Bestie ist dazu geschaffen worden, alle Halbelfen der Welt zu jagen und zu zerstören.“

Erfline atmete tief durch.

„Sie wissen ja von dem Hass der Elfen auf Mischlinge. Das ist das Resultat davon.“ Sie biss sich kurz auf die Lippe, beinahe hätte sie ein Resultat gesagt und das hätte verheerende Folgen haben können. Die Personen vor ihr waren schließlich nicht dumm.

„Was genau ist das Resultat davon?“, fragte die Anführerin nach. „Ich verstehe, dass es sich um etwas Grauenhaftes handeln muss, doch was genau vermittelt dir den Eindruck davon?“ Sie wirkte eindringlich, als sie die Worte sagte.

„Der Geruch ist erdrückend. Halbelfen, so sagt man sich, werden von diesem ohnmächtig. Elfen fangen an, sich zu streiten, er stinkt bis zum Himmel. Er bringt Zwietracht und Hass. Ein unangenehmer, blutrünstiger Zeitgenosse.“

„Aber was genau veranlasste euch, zu mir zu kommen? In das Lager der Rebellen? Ich meine, es war doch die langjährige Meinung des Hofes, dass Mischlinge nur ein Übel waren?“, ließ sie eine Salve an eindringlichen Fragen los. Ihre Stimme hob sich mit jedem weiteren Wort, sie wurde laut und schließlich auch etwas, das man durchaus wütend nennen konnte. Oder es war Unverständnis, Verzweiflung. Sie wussten nicht so genau, wie sie diesen plötzlichen Gefühlsausbruch deuten sollten.

Erfline knirschte mit den Zähnen. In ihr stiegen Bilder hoch, die sie in den letzten Tagen beinahe jeden Tag gesehen hatte. Bilder von Zerstörung, geflutet von Rot. Es waren immer dieselben gewesen, dieselben erfüllt von diesem Leid. Ihr kam das Gefühl von Tränen auf, Tränen der Wut.

„Gestatten Sie mir, Damen, dieses Gespräch fortzuführen“, meldete sich eine Stimme aus dem Hintergrund. Sie spürte seine warme Hand, die sie sanft nach hinten drückte. Futave lächelte ihr aufmunternd zu, ehe er seinen Blick zur Anführerin richtete. Er war entschlossen und doch kühl.

„Natürlich. Was sind die Gründe für euer Handeln?“, wiederholte sie ihre Frage in einer kürzeren Version.

„Es mag vor allem daran liegen, dass wir selbst mehr oder minder Opfer geworden sind. Natürlich nicht in dem Maße, wie es Mischlinge sein würden, doch auch wir haben von der Wirkung des Geruches gekostet. Es war furchtbar. Und es mag sein, dass der Hof und vielleicht sogar wir Mischlinge nicht besonders achten, doch diese Methode geht eindeutig zu weit.“

Der Elfe auf dem Blattstuhl entglitt ein spöttisches Lachen. „Es mag nicht nur sein, Elf Futave. Wir haben sie aufgenommen, die Verstoßenen.“ Ihr Blick widmete sich der Ferne, in ihren Augen spiegelte sich die Trauer und der Schmerz. Bilder vergangener Tage kamen ihr in den Sinn.

Das war es, worauf er aus gewesen war. Es war kein kluger Schachzug gewesen, das gab er zu, aber ein notwendiger. Seine Kenntnisse über solcherlei Vorfälle in der Vergangenheit des Hofes waren unzureichend. „Ich sehe, Sie wissen scheinbar mehr als ich.“

„Was diese Thematik angeht, ja. Aber das ist gerade nicht die Hauptsache. Warum bittet ihr uns um Hilfe, möchte ich wissen.“ Ihre Stimme hatte sich angesichts seiner vorigen Worte verhärtet.

„Wir möchten die Hilfe der Rebellen erbitten, um dieses Monster auszuschalten.“

„Unabhängig vom Hof?“

„Ja.“ Er hörte im Hintergrund ein erstauntes, leises Luftschnappen, das aber unter dem aufgekommenen Gemurmel kein weiteres Aufsehen erregt hatte. Futave war es unangenehm, dass dese Lüge an das Licht gekommen war, doch es war nötig gewesen. Er sah keine Falschheit an seinem Handeln und doch war ihm unwohl.

„Und... Es ist wirklich so gefährlich?“ Sie klang skeptisch, was aber nicht weiter verwunderlich war. Doch gleichzeitig war ihr Gemüt auch erregt und von den Erinnerungen aufgewühlt. Sie würde vielleicht sich dazu umstimmen lassen, wenn dieses Monster der Realität entsprach.

„Ja.“

Sie schwieg und sah eine Weile in die Luft. „Ihr erbittet also die Hilfe der Rebellen, um das Monster zu besiegen. Wir Rebellen haben etwas davon, weil wir diese Gefahr gebannt beseitigt hätten, doch was habt ihr davon?“

„Ruhe“, antwortete er kurz und knapp. „Wir versprechen Euch zudem, dass wir die Verhältnisse versuchen werden, zu ändern.“

Sie sah ihn müde an, man erkannte kaum noch die Person am Anfang. „Das haben mir schon viele versprochen. Lasst mich darüber nachdenken.“ Sie seufzte kaum hörbar, ehe sie lauter sprach: „Bringt sie wieder zurück. Ich erwarte sie in einigen Tagen wieder.“
 

Feliff rappelte sich von seiner Pause hoch, die er an einem Baum gelehnt verbracht hatte. Er brauchte diese Pause nicht, dessen war er sich bewusst, doch es hinderte ihn alles am Weitergehen. Selbst das Verweilen in der kargen Landschaft schien ihm besser, als tiefer in ihr Herz vorzudringen. Denn, so wollte er es sich aber nicht eingestehen, brauchte er diese doch trotzdem. Er spürte, wie das Leben in ihm mehr und mehr schwand, doch war es nur eine Illusion, wie er merkte. Er musste seinen Verstand einsetzen.

Wenn er hier auf sein Gefühl setzte, würde er untergehen.

Doch genauso irrational war es, eine Pause zu machen. Er hatte sich nun vollends erhoben, ein Ächzen hatte ihn dabei begleitet. Es war schwer, sich dem Quell eines Übels zu nähern. Überall sah er Fäden und Schatten, durch die Faure Morin pulsierte. Sie wusste von seiner Ankunft, sie beobachtete ihn. Er durfte sich nichts anmerken lassen, denn nur, wenn er keine Gefühlsregungen nach außen trug, würde sie auch keine wahrnehmen können. Er war nicht ihr Werk, sie konnte ihn nicht spüren.

Zumindest dieser Vorteil war auf seiner Seite. Doch wie gut würde er ihn nutzen können? Er musste sich von nun an immer zusammenreißen. Solange die Schattengestalt seine Gefühlslage nicht kannte, würde sie nicht wissen können, wenn er sich nicht verriet. Er musste all seine Schauspielkünste rekrutieren, um sie zu täuschen. Er hatte viel von ihren Tricks gehört, viel von ihrer Methode zu spielen. Mit den Gefühlen von Lebewesen tat sie es am liebsten.

Was aber nicht hieß, dass er ihr wiederstehen könnte. Er musste es aber versuchen. Was hatten diese beiden Gewalten bloß vor? Er war sich sicher, dass Nirom Eruaf ihm nichts gesagt hätte. Sie hätte ihn vermutlich eher noch beeinflusst. Doch war das Schattenwesen besser? Sie würde versuchen, ihn auf ihre Seite zu ziehen.

Er seufzte. Es war wirklich nicht nett, wenn man sich zwischen zwei Fronten wiederfindet. Doch er war ja auch nicht der Einzige. Mehr Sorgen bereiteten ihm die anderen Personen, die in dieses Spiel, welches er von Geburt an gewöhnt war, eingeschleust worden. Er war sich noch nicht sicher, wer es genau war, doch Alyne hatte sicherlich etwas damit zu tun. Der Rest war ihm komplett unerschlossen, doch gleichzeitig wäre es wohl schlecht, wenn er alle kennen würde.

Er war immerhin immer noch ein Wesen des Lichts.

Manchmal zweifelte er wirklich daran, dass es eine gute Idee gewesen war, aus dem Wald zu gehen. Doch gerade jetzt fiel ihm auch sein Beweggrund nicht mehr ein.
 

In Inkalaks Gedanken kreisten immer noch die Fetzen des Gespräches mit seinem altem Freund herum. Direkt nach dessen Ankunft und dem Gespräch war er in Eile aufgebrochen, mit der Ausrede, er müsse noch etwas suchen oder habe etwas vergessen. Der Elf wusste selbst nicht mehr, was er bei seinem Abschied übereilt vor sich hin gestottert hatte. Nun überschlugen sich seine Beine beinahe selbst, während er immer weiter den Weg zurück entlang ging, den seine neuen Freunde auch genommen haben mussten.

Er roch einen milden Geruch, der jedoch in seiner Nase zischte. Er kannte diese Art des Geruches nicht, doch war die Stärke des Duftes auch zu schwach, um irgendwelche Ablenkungen oder gar Schäden hervorzurufen. Es war eine Weile her, eine lange Weile. Es hatte geregnet, die Spuren waren größenteils verwaschen. Er nahm zudem einen leichten Anflug von Magie war. Was war hier geschehen? Er sorgte sich um seine Freunde, die Hals über Kopf, ihm nicht unähnlich, aus dem Dorf geflohen waren. Was hatte sie dazu veranlasst? Er hatte keine Ahnung. In seinem Kopf brummte nur die Sorge um die beiden, die er erst neulich kennengelernt hatte.

Es war ein ungewisses Gefühl, welches ihn in aller Hetze zurücktrieb. Wie eine Bärenmutter, welche sich um ihre Jungen sorgte. Er kicherte trocken. Unpassender hätte dieser Vergleich nicht sein können. Dennoch blieb seine Unruhe weiter bestehen, er hatte Angst und wusste nicht warum.

Oder vor was.

Eine Ahnung traf ihn, als er auf einen unangenehmen Geruch traf. Er war wirklich grässlich, so etwas in der Art hatte er zuvor nie gespürt. Glaubte er. In Wirklichkeit war es doch die ganze Zeit um ihn herum gewesen. Die feingliedrigen Hände, die sich nach ihm ausgestreckt hatten. Der Geruch des Monsters wurde stärker.

Eine Geschichte

Feliff atmete schon seit einigen Metern schwerer. Es war ihm, als würde die Luft sich um ihn immer mehr zusammenziehen und vermengen, doch in seiner Lunge nahm sie wieder ihr normales Volumen an, sie breitete sich dort schlagartig aus. Er wusste, dass dies eine Machtdemonstration ihrerseits war, nichts Anderes. Doch er wurde das Gefühl nicht los, dass sie doch tatsächlich versuchte, ihn umzubringen.

Eine lächerliche Vorstellung.

Wirklich? Dann bin ich wohl nicht vollends informiert, säuselte eine Stimme hinter ihm. Nein, sie war nicht hinter ihm. Sie war überall, denn nun sah er sie auch. Die Schwärze, die schwärzer als die ihn umgebende Finsternis war. Faure Morin.

„Guten Tag.“ Er bemühte sich um einen normalen Tonfall. Nichts sollte auf seine Atemlosigkeit hindeuten, von der sie ganz genau wusste, dass sie existierte. Sie schien ihn kurz zu mustern, eine Frage stand im Raum, doch sie fragte sie nicht.

Nacht. Sie zog weiter ihre Kreise, während sie ihn mit einem Lächeln musterte. Ihre Gedanken verriet sie nicht. Und was willst du hier? Immerhin... bist du. Sie beendete ihren Satz, der so unvollkommen klang, nicht.

„Ich habe eine Frage“, sagte er einem Impuls folgend. Besser, er brachte es schnell hinter sich, anstatt diplomatisch Zeit zu verschwenden. „Sie kennen Ihre Schwester?“

Ein spöttisches Lachen entfuhr dem Wesen, es hallte von allen Seiten wieder und wieder. Es schallte unheilvoll und demütigend, er sah immer noch nichts weiter als Schwärze, in der dieser Klang sowohl seinen Anfang als auch sein Echo fand. Genauso gut hätte er seine Augen schließen können, mehr hätte er nicht gesehen und hier galt auch nicht unbedingt das, was man sah. Das Nest ist zu groß für zwei, aber ja.

„Wissen Sie, was sie vorhat?“ Er zeigte lieber zuerst sein Misstrauen ihrer Schwester gegenüber. „In letzter Zeit verhalten sich viele sehr komisch.“

Von den Elfen? Sie klang desinteressiert. Was interessieren die mich schon. Er spürte das Pulsieren von Dunkelheit um sich herum, als sie sich ein wenig näher an ihn gesellte. Er merkte es auch daran, dass ihre Stimme schmerzlich in seinem Kopf dröhnte. Aber nun zu dir... Was führt dich hierher? Sie machte nun deutlich, dass es ihr Revier war, dass er betreten hatte.

„Ich hatte mir erhofft, dass Sie mir Informationen geben können. Sie wissen ja selbst, was passieren würde, wenn ich Ihre Schwester darum bäte.“ Er riss sich am Riemen, um nicht zusammenzuzucken, als ein kalter Hauch ihm über die Wange strich. Ein leichtes Leuchten erhellte die Dunkelheit für einen kurzen Augenblick.

Ach, Schwesterlein..., seufzte die Schattengestalt auf einmal. Dann entfernte sie sich ruckartig, als würde sie etwas mit sich ziehen wollen.

Doch er hatte es gesehen.

„Da war doch jemand...?“ Er ging vorsichtig einen Schritt nach vorne, doch in der Schwärze kam man nicht weit. War Efarnia ein Meer aus Licht, in dem alles zu schillern schien, so war ihr Gegenstück ein See der Dunkelheit. Er konnte die Wesen nur erahnen, dessen Augen selbst schwarz wie ihre Umgebung waren. Er unterdrückte einen Seufzer, erneut. Er war umzingelt von Wesen, deren Umriss er oft nicht einmal sehen konnte.

Dann rieb er sich seine Hände, dachte an Licht und wirkte einen kleinen Zauber. In Ainrafe würde er nur schwach wirken können, doch immerhin schaffte er es irgendwie. Eine winzige, flackernde Kugel aus dunkelstem Licht half ihm immens weiter, während er irgendeine Spur verfolgte. Irgendwo musste es doch einen Fleck Licht geben? Dann war sein Handlungsspielraum wesentlich größer. Und er könnte besser sehen.

Und hatte er sich die Person eingebildet? Es war nur eine flüchtige Gestalt gewesen, in Dunkelheit gehüllt, aber doch stachen die Umrisse des Jungens mehr als nur deutlich hervor. Und kurz darauf hatte die Herrscherin über Ainrafe ihn auch mit sich genommen.

Wer war dieser Junge bloß?

Es schien, als würde es mehr als nur die momentan bekannten Figuren geben.
 

Der Elf machte auf seiner Reise eine Pause. Er sah sich um, seine Augen schauten sorgvoll jeden Busch, jeden Baum an. Inkalak hatte bei seiner Suche bisher keinen Erfolg gehabt. Tagelang hatte er gesucht und geschaut, doch nichts hatte er gefunden. Er fragte sich, was mit ihnen passiert war. Ob es ihnen gut ging? Er hoffte es inbrünstig. Was es wohl gewesen war, dass die beiden aus dem Dorf vertrieben hatte?

Er sah nachdenklich den Boden an. Er hatte keine Ahnung und alles, was er von seinem alten Freund zu hören bekommen hatte, klang nicht sehr gut. Dann rappelte er sich auf, um weiterzugehen. Das Elfendorf, aus das beide vermutlich stammten, war nicht mehr in weiter Ferne.

Er erhob sich von dem Baumstamm der Lichtung, auf welcher er gesessen hatte, und machte sich reisefertig. Ein leises Knacksen ließ ihn kurz inne halten, doch er vermutete, dass es ein Tier gewesen war. Unbekümmert packte er weiter, als ein Schatten sich über ihn niederlegte.
 

Die Halbelfe hatte dem Lichtwesen nachgesehen, als es nach dieser offensichtlichen Offenbarung einfach verschwunden war. Nun saß sie nahe eines Bachlaufes und dachte nach. Was war eigentlich geschehen? Und hatte sie es sich eingebildet, dass die Lichtgestalt noch ein wenig... heller geleuchtet hatte als sonst? Ob das wohl etwas zu bedeuten hatte?

Sie seufzte frustriert. Färbte der reinblütige Elf etwa auf sie ab? Aber moment mal. Wie hieß er eigentlich gleich? Sie sah verwirrt das klare Wasser an, ihr Atem stockte. Wie hieß er gleich? Das Glitzern des Baches verwirrte sie auf einmal. Alles schien so unreal und gleichzeitig war es so nah, dass sie es anfassen konnte. Sich davon überzeugen konnte, dass es da war.

Und wo war eigentlich das Monster? Hektisch blickte sie sich um, doch sie sah es nicht. Da war nur ein hell erleuchteter, von Licht durchflutener Wald. Nichts weiter als das Singen der Vögel und das Plätschern des glasklaren Wasserlaufes war zu hören.

Wo war sie eigentlich?

Verwirrt blickte sie sich um, blinzelte und schüttelte ungläubig den Kopf. Langsam verlor sie den Verstand, befürchtete sie.

Wirklich? Das ist aber nicht gut, mein Kind. Sie erschrak erstaunlicherweise nicht, als das Lichtwesen sie ansprach. Das Leuchten hatte sie schon vorher gesehen, das war der Grund für die vermehrten Reflexionen auf dem Bach gewesen.

„Sie sind wieder da?“ Es klang trocken und verängstigt. Sie räusperte sich. So einen Tonfall konnte sie unmöglich beibehalten. „Was machen Sie hier?“ Das klang schon selbstsicherer.

Nirom Eruaf schien zu kichern. Nichts, nichts. Und du? Worüber hast du nachgedacht? Sie spürte, wie Wärme ihr näher rückte, doch empfand es als unangenehm und rückte unruhig auf ihrem Sitzplatz am Ufer herum. Oh, entschuldige. Sofort ließ die Wärme nach, ein Stich der Enttäuschung durchzuckte sie unwillkürlich.

„Ich habe über nichts nachgedacht“, antwortete Alyne schließlich auf die Frage, die vom Licht persönlich gekommen war. „Es ist nichts Wichtiges gewesen.“ Damit ließ sich die Panik, die sie eben verspürt hatte, nicht erklären.

Achso? Das Licht schien sich unschlüssig hin und her zu bewegen, sich nicht sicher, ob es schon so weit war, oder nicht. Aber diesen Zeitpunkt hatte bisher immer sie selbst bestimmt, es kam gar nicht auf die äußerlichen Faktoren an. Es schien die Halbelfe nach dem Gedankengang direkt anzusehen, ohne dass sie es merkte. Sie sah woanders hin, in das Gras, die Baumkronen. Nur nicht zu irgendeinem Punkt des hellen Leuchtens. Mein liebes Kind, ich muss dir etwas zeigen. Vertraust du mir?

Sie war sich nicht sicher, was sie antworten sollte. Natürlich vertraute sie ihr nicht, es war ein übernatürliches Wesen! Wie konnte sie so jemandem trauen? Es war schlichtweg unmöglich. Doch die Wahrheit würde sie hier auch nicht weiterbringen. „Ja“, antwortete sie leichthin.

Stellen wir die Frage anders. Die Lichtgestalt hatte eindeutig ihre Zweifel und Beweggründe der Antwort mitbekommen. Es konnte also tatsächlich Gedanken lesen? Glaubst du an mich? Bezweifelst du meine Existenz?

Ein wenig überrumpelt von der Frage blickte Alyne auf den Boden. Sie kam ihr offensichtlich vor, die Antwort lag doch auf der Hand! „Nein, ich bezweifle Ihre Existenz nicht.“

Dann folge mir. Scheinbar zufrieden gestellt erhob sie sich, sofern man es bei einem formlosen Wesen aus Licht beobachten konnte, und flog langsam in eine Richtung. Alyne folgte ihr hastig, stolperte anfangs noch leicht, fand aber schnell zu ihrem selbstbewussten Gang zurück. Doch etwas fehlte. Sie spürte nicht das Gewicht von zumindest einem Schwert in ihrer Hand, dieses Gefühl des Fehlens machte ihr Angst.

„Ähm... Wissen Sie, wo meine Sachen sind?“, fragte sie im Gefühl des Unwohlseins heraus.

Natürlich. Ich werde sie dir gleich geben, habe nur einen Augenblick Geduld, mein liebes Kind. Das hier hat Vorrang.

Was auch immer das war. Sie folgte ihr also blindlings, denn es war ja nicht so, dass sie etwas Besseres zu tun hatte. Im Grunde wusste sie nicht einmal, wo sie war, wohin sie ging und warum sie hier war. Wie sie hierhergelangt war, wusste sie noch. Doch auch da fehlte etwas, wie ihr auffiel, während sie durch einen unwirklich prächtigen Wald schritt. Inmitten der am Wegrand blühenden Blumen und der großen, schützenden Bäume erkundigte sie sich nach dem Monster. Es hatte ihr schließlich noch keine Antwort gegeben.

Natürlich..., murmelte die Lichtgestalt mehr zu sich selbst als zu Alyne, nachdem sie sie gefragt hatte. Nirom Eruaf schien das Tempo sogar ein wenig zu beschleunigen, als würde sie so besser nachdenken können.

„Was ist denn nun mit dem Monster?“, wiederholte die Halbelfe ihre Frage, ohne wirkliche Hoffnung auf eine klare Antwort.

Es ist in Sicherheit. Auch das wirst du bestimmt bald wiedersehen, mein Kind. Doch wir sind nun bald da, pass auf, wohin du trittst. Wohin sie trat? Sie sah sie Boden. Dort war immer noch weiches Gras. Wieso sollte sie aufpassen, wohin sie trat? Du tust noch kleinen Tieren weh, fügte das Licht hinzu.

Sofort ging Alyne langsamer und achtsamer vorwärts. Das Tempo verlangsamte sich dadurch zwar immens, doch immerhin hatte das Licht selbst es angeordnet. Doch wieso folgte sie eigentlich so einer albernen Anweisung wie ein kleines Kind, dem man alles erzählen musste? Als sie ihren Blick von dem Gras hob, um ihre Meinung deutlich zu machen, verschlug es ihr den Atem. Denn sie sah direkt auf den alten Stamm eines vermutlich jahrtausendenalten Baumes.

Sein Stamm war, obwohl er vermutlich noch in weiter Ferne lag, dicker als jeder Stamm den sie zuvor erblickt hatte. Vermutlich war er sogar dicker als alle Stämme ihres Heimatdorfes aneinandergereiht. Gehalten wurde dieser mächtige Baum von riesigen Wurzeln, die vermutlich bis ganz tief unter die Erde ragten. Die Farbe der Rinde schien die jeder Holzbaumart zu sein, denn sie konnte kein eindeutiges Muster erkennen, was in der Ferne sowieso schwierig zu bewältigen war. Nahtlos gingen die Merkmale einer Buche in die einer Eiche hinein, es schienen Apfelbäume mit Ahornen zu verschmelzen. Es war erstaunlich, dass sie das aus dieser Entfernung sehen konnte. Doch das Beeindruckenste war die Krone des Baumes, die anders war, als sie jemals gesehen hatte. Die schillernde Vielfalt der Rinde schien sich in den Blättern wiederzuspiegeln. Sie konnte keine einheitlichen Blätter sehen, nicht einmal Muster. Dort waren kastanienähnliche Blätter an demselben Zweig wie Blätter, die eher dem Ahorn ähnelten. Und sie leuchteten in den Farben aller Jahreszeit. Es schien, als würde der Baum selbst ständig verschiedenste Jahreszeiten annehmen. Sie konnte beobachten, wie Blätter in kürzester Zeit aus ihren Knospen trieben, sich entfalteten, wuchsen, verwelkten und schließlich abfielen.

Aber auch nur, weil die Äste des Baumes, welcher sich aus ihrer Sicht in der Mitte einer Lichtung befand, bis zu ihr hinstreckten. Zum eigentlichen Stamm vermutete sie einen Fußmarsch von mindestens einer halben Meile über die hervor ragenden Wurzeln des Baumes.

„W-was ist das?“, fragte sie, ehe sie weiter gehen konnten, nachdem sie ihre Sprache wiedergefunden hatte. „So etwas... habe ich noch nie gesehen.“ In ihrer Stimme lag ihr ganzes Staunen, ihre ganze stille Begeisterung, sie zitterte sogar ein wenig.

Wieder schien das Licht zu kichern. Das befürchte ich auch, mein Kind. Es ist ein einzigartiges Naturschauspiel, nicht wahr? Doch komm, ich erzähle dir gleich alles. Nun folge mir erst einmal. Damit übernahm die Lichtgestalt wieder die Führung und schwebte vor. Alyne folgte ihr, aber nicht ohne den Kopf ständig in den Nacken zu legen, um die Ausläufer der Krone über sich zu bewundern. Sie bemerkte auch, dass die Äste gebogen aus der Höhe kamen. Ob der Baum einen trauerweidenähnlichen Aufbau hatte? Es schien ihr, als wäre das der Urbaum, doch irgendwie klang es auch unreal. Gleichzeitig erschien es ihr auch nur logisch, einen Baum, der fast alle Unterschiedlichkeiten von beinahe allen Bäumen in sich beherbergte, den Urbaum zu nennen.

Sie machte sich jedoch nun geschickt an die Überwindung der durch die Wurzeln hügeligen Landschaft, als diese vor ihr aufragten. Das Lichtwesen flog einfach darüber hinweg, doch es schien Alyne, die sich voll und ganz auf ihr Weiterkommen konzentrierte und jedes Hindernis suchte, an dem sie wachsen konnte, zu beobachten. Unergründlich schweifte es in seinen Gedanken, während Minuten vergingen, die zu Stunden wurden.

Es dauerte seine Weile, bis die Halbelfe die Wurzeln überwunden hatten, die teilweise bis zu mehr als dreimal so hoch waren wie sie selbst. Alyne wunderte sich selbst, wie sie diese eigentlich überwunden hatte, ganz klar war es ihr nicht wirklich. Und auch schien sie sich bei der Strecke verschätzt zu haben, denn es war kein halbe Meile, denn sie hinter sich gelassen hatte, sondern knapp eine ganze Meile. Aber ihr schien es prächtig zu gehen, als sie sich am Fuß des Baumes ausruhte. Tatsächlich war diese eine Wurzel jedoch so breit wie das halbe Dorf, aus dem sie stammte, ganz zu schweigen von dem Baum selbst.

„Kann es wirklich diesen großen Baum geben, ohne dass die Elfen es wussten?“ Sie spürte nämlich trotz ihrer Halbblütigkeit deutlich eine pulsierende Magie. Natürlich konnte das alles nicht natürlichen Ursprungs sein. Doch wer sagte, dass Magie nicht natürlich war?

Das ist, weil er in meinem Einflussbereich ist. Die Lichtgestalt ließ sich in der Nähe von Alyne nieder. Sollen wir reingehen? Sie schien auf den Stamm mit ihrem Kopf zu deuten, jedenfalls nahm die Halbelfe es so wahr. Doch sie kümmerte sich schon nicht mehr darum, dass sie eine Lichtgestalt vor sich hatte und keine normale Existenz.

„Man kann da rein?“

Natürlich. Ein mütterliches Lächeln legte sich auf die Züge des Lichts. Willst du es mal von innen sehen? Alyne legte ihren Kopf erneut in den Nacken und sah den Stamm hoch, der schier ins Unendliche hinaufragte. Ihre Antwort war schon längst klar.

„Ja.“

Dann folge mir. Unbeirrt flog das Lichtwesen direkt in den Baumstamm hinein und verschwand dort drin. Unschlüssig blieb Alyne vor dem Stamm des alten Baumes stehen. Sie legte eine Hand auf die Rinde, sie fühlte sich rau und trocken unter ihrer Hand an, aber auch ein wenig warm. Als sie ein wenig Druck ausübte, stellte sie mit Verwunderung fest, dass ihre Hand in der Rinde verschwand. Sie unterdrückte den Impuls, die Hand aus dem Baum zu ziehen. Sie schluckte ihre Angst hinunter und atmete tief durch. Dann ging sie entschlossen in den Baum hinein.

Und es klappte.

Ein warmes Gefühl erfüllte ihren Körper, als sie in den Baum eintrat. Es war wohlig warm und hüllte sie ganz und gar ein, als würde sie in tausende von weichen Decken fallen. Sie hatte unbewusst die Augen geschlossen, doch sie wagte es kaum, diese wieder zu öffnen. Sie befürchtete ein wenig, dass dies das Gefühl war, das man hatte, wenn man starb. Es war zu warm und zu angenehm. War es wirklich das Gefühl, das man hatte, wenn man einen Baum betrat?

Nein, keine Sorge. Die Stimme des Lichtswesens ließ sie aufhorchen. Sie schien amüsiert über ihre albernen Gedanken zu sein. Beschämt riss Alyne ihre Augen wieder auf und fand sich in einem Meer aus Lichtern wieder, die alle um einen Punkt in kreisförmigen Bahnen schwebten.

Und in deren Mitte war ebenfalls ein Licht.

„Was... ist das?“ Nicht wissend, was sie tun sollte, blieb sie regungslos auf der Stelle stehen und beobachtete das faszinierende Lichtspiel von ihrem Platz am äußersten Punkt aus. Die Lichter leuchteten alle in warmen, wechselnden Farben und hüllten das Innere des scheinbar hohlen Stammes in ein warmes Licht. In ihrer Mitte jedoch glimmte es eher. Knapp über dem Boden hing die Ursache dieses Glimmens, gehalten von einem nicht sehr vertrauenserweckenden dünnen Ast.

Komm näher, dann kannst du es besser sehen, schlug ihr Nirom Eruaf vor. Zögernd leistete sie dem Vorschlag Folge, doch ihre Schritte über die unebene Erde, welcher erstaunlicherweise den Boden bildetete, waren mit Skepsis und Vorsicht verbunden. Die Lichtgestalt jedoch schwebte unbeirrt zu dem Leuchten hin. Als sie dort angekommen war, wartete sie scheinbar neben dem Zentrum des Stammes auf die Halbelfe, welche ihre Schritte nun beschleunigte. Dennoch war der Stamm nicht gerade unbreit. Er war vielleicht anderthalb mal so groß wie ihr Dorf es gewesen war, und das war kein kleines gewesen.

„Wer ist das?“, wiederholte sie die Frage in abgeänderter Form, als sie vor dem Leuchten stand. Denn nun konnte sie die schemenhaften Umrisse eines Mädchens sehen, welches scheinbar in einer durchsichtigen Frucht eingeschlossen war. Die Schale an sich war schmucklos, und auch das Mädchen war noch ein Kind, dementsprechend auch die Größe der Frucht. Das Mädchen schien in einer Art von Flüssigkeit zu schweben, die Augen geschlossen, die Arme um die Knie gelegt. Ihre weich wirkenden, goldig glänzenden Haare verdeckten den Körper des Mädchens vollkommen. Nur ein friedlich schlafendes Gesicht war zu sehen, zart und fein geschnitten mit langen, gold glitzernden Wimpern.

Das kann ich dir sagen, aber erst einmal musst du mir zuhören.

Alyne nickte ohne zu Zögern. Was hatte es mit dem Mädchen auf sich?

Um dir alles zu erklären, muss ich sehr weit ausholen. Bist du geduldig genug, sie am Stück zu hören?

„Ich weiß es nicht“, gab sie zu. Sie war einerseits jemand, der Geschichten gerne zuhörte, doch andererseits kam es oft auch auf die Länge an. Oder die Art, wie sie erzählt wurde.

Okay, ich versuche, es so kurz wie möglich zu halten. Dann schien sie so etwas wie durchzuatmen, aber man hörte nichts, es kam der Halbelfe nur so war. Und irrte sie sich oder spürte sie einen liebevollen Blick, der auf dem Mädchen in der Frucht ruhte? Es begann schon sehr, sehr lange vor der jetzigen Zeit, denn weißt du, diese Welt ist schon sehr alt. Vielleicht liegt es an den Elfen, die so lange leben, vielleicht aber auch an den Menschen, die so viele Nachkommen haben. Ich weiß es nicht. Aber meine Schwester und ich waren immer mit dabei. Wir waren an der vordersten Front, wenn man es so beschreiben will. Wir haben uns nicht immer gehasst, eigentlich möchte ich sie auch heute nicht hassen. Doch es kam vor einigen Jahrhunderten zu einem Vorfall, der einen Keil zwischen uns getrieben hatte.

Damals gab es nur wenige Lebewesen, die nötigsten Pflanzen, Elfen und Menschen, Wasser und Fische, aber viel mehr auch nicht. Auch andere Tiere gab es noch nicht. Doch diese Welt war auch schön. Sie war nicht so vielfältig wie jetzt, aber man konnte in ihr gut leben. Es ist schon beinahe ein Witz, dass eben jene Vielfalt, die wir heute kennen, aus diesem Streit hervorgegangen ist. Denn damals sind wir auch noch in Form von Menschen oder Elfen zu den Völkern gegangen und haben geschaut, was da vor sich ging. Wir waren schon damals als das Licht und die Dunkelheit erschaffen worden und damals war unser Handeln viel freier und nicht so eingeschränkt wie heute.

Alyne war drauf und dran, das Wesen in der Erzählung zu unterbrechen, unterdrückte ihre Frage aber noch.

Doch dann kam der Vorfall. Die Menschen begannen, mich meiner Schwester zu bevorzugen. Ich wusste nicht warum und auch sie konnte es sich nicht erklären. Ich versuchte, sie zu beschwichtigen, doch es hatte einen tiefen Dorn in ihr Herz gerissen. Du magst es mir vielleicht nicht glauben, aber sie ist diejenige, die näher am Wasser gebaut ist und ein wenig jähzorniger ist sie auch. Doch so erschuf sie im Groll ihr erstes Wesen, welches nur noch die Dunkelheit verkörpern sollte. Die Wesen vorher basierten auf beidem, dem Licht und der Dunkelheit. Doch diese Wesen alleine reichten ihr noch nicht. Sie erschuf mehr und mehr grausame Monster, nicht ahnend, was sie sich selbst antun würde.

Notgedrungen zog ich nach und erschuf Wesen des Lichts, die ihre Wesen vernichten sollten, obwohl es mir Angst machte. Sie übernahm auch eines Tages Wesen, die uns gemeinsam als Erschaffer hatten, und führte sie der Dunkelheit zu. Ich konnte noch einige vor ihr retten, aber einige waren auch schon verloren. Ich war schockiert über die Wendung der Dinge, doch sie ließen sich scheinbar nicht vermeiden. Dann kam es fast zu einer Konfrontation. Sie konnte nur dadurch verhindert werden, dass unser beider Kräfte auf einmal verrückt spielten. Wir zogen uns, beide durch uns selbst verletzt, in unsere Ecken im Land zurück. Seitdem halten wir uns mehr oder minder aus den Geschäften in der Welt heraus, doch es scheint, dass sie sich wieder regt. Seit Hunderten von Jahren wieder.

Das gab mir den Impuls, sie hier zu schaffen. Liebevoll strich ein Fühler des Lichtes über die Frucht. Sie soll mir dabei helfen, meine Schwester zurückzuschlagen, ehe sie Unheil anrichten kann. Es schien Alyne, als würde ihr Blick sich in der Ferne verlieren. Dann könnte auch ich vielleicht wieder... Sie blickte sehnsüchtig an einen Ort, der Alyne verborgen blieb.

Sie räuserte sich kurz, um das Wesen wieder in die Realität zurückzuholen. Es gab einiges, was sie als Aussenstehende nicht verstand. „Was haben Sie und ihre Schwester damals gemacht? Wie konnten Sie damals handeln? Und worin bestanden eigentlich Ihre Kräfte?“, fragte sie ohne jegliche Hemmungen, ein wenig erstaunt über sich selbst.

Ein warmes Lächeln ging von ihr aus. Das sind kluge Fragen. Ich fange mit der ersten an: Meine Schwester und ich waren mehr als heute noch die treibenden Kräfte. Wir haben quasi dafür gesorgt, dass es Licht und Dunkelheit gab. Das war im Prinzip unsere einzige Aufgabe, aber es war eine sehr wichtige. Denn vieles hängt vom Wechsel des Lichtes mit der Dunkelheit ab. Und damals hatten wir eben diese Aufgabe, die wir erledigen mussten. Und wenn wir gemeinsam irgendwo waren, so neutralisierten wir uns gegenseitig. Heute sind es die Zeiten vor der absoluten Dunkelheit und nach ihr. Und unsere Kräfte waren die Kontrolle unseres Elementes, aber auch die Konzentration dessen, wodurch wir Neues erschaffen konnten.

Die Halbelfe nickte. Sie verstand es auch wirklich, doch ihr war auch bewusst, dass sie sogleich die Hälfte dessen wieder vergessen haben würde. „Ich verstehe.“

Ich weiß. Sie lächelte noch ein bisschen breiter. Du bist ein kluges Kind.

Regungen

Es dauerte nicht mehr lange, bis man sie zu der nächsten Audienz vorlud. Die Tage waren wie eh und je vergangen, sie hatten es sich in der kleinen Lehmhalbkugel irgendwie bequem gemacht. Der Boden war mit Decken und Kissen gepolstert, auf dem sie schlafen konnten. Sonst gab es keine weitere Ausstattung in diesem kleinem Raum, in dem es vermutlich niemand so lange ausgehalten hatte wie die beiden momentanen Bewohner. Sie vertrieben die Stunden damit, dass sie irgendwelche Belanglosigkeiten besprachen, miteinander redeten oder einfach schwiegen und ihren Gedanken nachgingen.

Erfline hatte auch ausprobiert, ob es möglich war, Magie zu wirken. Die Antwort war nicht sofort ersichtlich gewesen, denn es gab Zauber, die abgeschwächt funktionierten und andere, die überhaupt nicht wirkten. Jedoch hielt sie sich schnell davon ab, allzu viel ihrer Magie zu gebrauchen. Es war nicht so, dass sie unendlich viel davon hätte. Gleichzeitig wusste sie immer noch nicht, nach welchem Prinzip die Magie eigentlich funktionierte. Es war eines der Rätsel, welchem ein Tabu auferlegt wurde. Niemand durfte darüber nachdenken, so hatte es der König veranlasst. Doch was brachte das? Und wusste er von dem Geheimnis der Magie? In Tagen wie diesen begann sie, ein leichtes Misstrauen gegenüber dem König zu hegen.

Ihr Partner hingegen blieb allein bei dem Problem der Audienz. Wie sollte er sie umstimmen können, wenn man sie umstimmen musste? Und wie würde ihre Antwort lauten? Er klügelte eine Strategie nach der anderen aus, eine diplomatischer als die andere. Doch ob sie wirklich zu Zuge kommen würden, stand nicht fest. Er kannte ihre Antwort ja nicht. Es waren alles reine Gedankenspiele, auf denen er aufbaute. Die Realität an sich kannte er jedoch nicht. Er seufzte mehrmals am Tag innerlich, mehrmals starrte er einfach gedankenverloren in die Leere. Diese Enge machte ihm mehr zu schaffen als Erfline.

Doch dann hörten sie neben den Schritten ihres Aufpassers auch jugendlichere, leichtere. War das das Zeichen dafür, dass sie abgeholt werden würden? Dieses Mal hatte es nur halb so lange gedauert wie zuvor. Ob man heute zu einer Lösung kommen würde? Es wäre erfreulich. Auch wenn sie es niemals zugeben würden, diese Warterei zehrte an ihren Nerven.

„Man erwartet euch“, sagte das Gesicht des Aufpassers, welches grob wie eh und je wirkte, als er durch die Tür hineinspähte. Sie nickten und krochen, Futave zuerst, durch den Eingang hinaus in die Freiheit, nachdem das Gesicht wieder verschwunden war. Zum ersten Mal machte sie sich Gedanken, warum ihr Aufpasser wohl so einen groben Eindruck vermittelte. Sie hatte noch nie so einen Elfen gesehen, die meisten waren zierlicher Natur. Selbst die Rebellen im Dorf waren meistens nicht so gebaut wie er. Muskelbepackt und groß gewachsen, allein sein Umriss entsprach nicht den normalen elfischen Merkmalen, die größenteils noch irgendwie mit der Erscheinung der anderen Rebellen übereinstimmten. Elfen waren merkwürdig, denn selbst bei großer Muskelanstrengung über lange Dauern entwickelten sie einfach keine wirklichen Muskeln. Es brachte ihnen sogar eigentlich nichts, denn sie konnten das meiste mit Hilfe von Magie bewältigen oder waren so schon stark genug. Hatte sich diese Unfähigkeit bei den Elfen hier geändert?

Als Futave sie anstupste, nahm sie erschrocken den Blick herunter. Sie war ganz in Gedanken versunken gewesen, sie hatte nicht einmal im Ansatz bemerkt, wie sie gestarrt hatte. Nur hoffentlich hatte es auch kein anderer bemerkt. Dem rötlichorangenem Licht nach zu urteilen war es wieder Abend. Sie vermutete aber, dass der Wald mal wieder hell erleuchtet sein würde, sodass er vielmehr einem Wald in der Mittagszeit entsprach. Sie war immer noch erstaunt und verwirrt über diese Verschwendung von Magie.

Schweigend schritten sie denselben Weg entlang wie zuvor. Die Personenkonstellation war ebenfalls die von vor wenigen Tagen. Vorne gingen ihr Aufpasser und Adrains, der sich immer noch in Rätsel hüllte, und dahinter sie und Futave. Futave hatte ein ernstes Gesicht aufgesetzt, es wirkte sogar schon beinahe besorgt. Erfline war sich sicher, dass er sich Sorgen um die Audienz machte. Bei ihr war es nicht anders. Obwohl sie ihre Zeit meistens nicht damit verbracht hatte, über sie nachzudenken, so hatte sie sich immer wieder in ihre Ablenkungen hereingeschlichen. Was würde wohl werden? Wie würde alles enden? Sie hatte keine Ahnung.

Und auch Adrains war einer der Personen, um die sie sich Gedanken gemacht hatte. Sie hatten ihn seit ihrer Ankunft hier eher weniger gesehen und noch seltener gesprochen. Sie fragte sich, was mit dem kindlichen Elfen passiert war, nachdem sie im Rebellendorf angekommen waren.

Als sie wieder vor der Grenze zum Wald standen, atmete sie geräuschlos durch. Sie hasste diese Grenze nicht nur aufgrund des Schwindelgefühles, welches sie beim letzten Mal erlebt hatte, sondern auch wegen der Wartezeit. Im Gegensatz zum letzten Mal mussten sie hier länger stehen, also etwas mehr als zwei Minuten. Sie hasste diese Warterei langsam, obwohl sie sich bisher nicht beklagt hatte. Jedenfalls nicht großartig, aber irgendwann erreichte wohl jeder die Grenze seiner Belastbarkeit in irgendeinem Punkt.

Und dieser Punkt war nun erreicht. Das bekannte, hornähnliche Signal erlaubte ihnen dann doch endlich, die Grenze zu überqueren. Wie beim letzten Mal gingen die beiden vor, doch dieses Mal folgten Erfline und Futave ohne zu Zögern. Es blieb sogar das Schwindelgefühl aus, welches Erfline das letzte Mal beinahe hat stürzen lassen. Unbeschadet überquerten sie die Grenze. Man roch deutlich den Geruch nach Sommer und Frühling. Es war ein prächtiger, dicht bewachsener Wald, der in jeder Ecke zu grünen schien.

Sie schauten sich nicht mehr lange nach dem Wald um, sondern folgten ihren Führern durch diese Baumsammlung. Auch war Erfline nun auf die Magie, die sie auf einmal umgab, gewappnet und ließ sich nicht mehr so leicht davon verwirren. Dennoch wusste sie den Grund für diese Verschwendng einfach nicht. Was bezweckten die Rebellen damit? Sie seufzte. Die Antwort würde sie wohl nur mit Mühe finden können, wenn sie überhaupt jemals eine Antwort finden konnte.

Wie auch schon beim ersten Besuch führte der Weg mit den zahlreichen Verzweigungen zu der Lichtung, auf der die hohen Köpfe der Rebellen ihre Besucher zu empfangen pflegten. Als ein Lichterwerden der Baumreihen in Sicht kam, wappnete Erfline sich innerlich. Sie war schon gespannt, was noch kommen würde, gleichzeitig fürchtete sie jede Antwort der Anführerin.

Wie auch schon bei der letzten Audienz waren alle versammelt und bildeten einen Drittelkreis am anderen Ende der Lichtung. Die Anführerin saß mit ihrem unergründlichem Gesicht in der Mitte des Kreisauschnittes, neben ihr ihre Berater und sonstige Köpfe der Rebellen, wie Futave und Erfline vermuteten. Denn genau wussten sie es nicht, niemand hatte sie ihnen jemals vorgestellt. Aber sie konnten sich niemand Anderen vorstellen, der dort sitzen würde. So war es bei den Audienzen des Königs und ihres Vaters auch gewesen.

„Die gewünschten Personen sind da. Man kann die Audienz beginnen“, brummte die tiefe Stimme ihres Aufpassers, der zur Seite getreten war. Erfline und Futave gingen nach vorne, sie waren ungefähr nun auf halber Höhe der ganzen Lichtung. Der Blick der Anführerin war nachdenklich, während sie die weiteren offiziellen Begebenheiten abwartete. „Sie haben die letzten Tage nichts angestellt und sich den Regeln konform verhalten. Zumal wurde ihr Beweggrund als ausreichend anerkannt, um die Fortsetzung der Audienz auszuführen. Dies hier ist die zweite Runde“, fuhr dieser den Rest zu Ende, der beim zweiten Mal erheblich kürzer als beim ersten Mal ausfiel.

„Danke.“ Sie schwieg noch eine kurze Weile, ehe sie erneut das Wort ergriff. „Ich habe über eure Beschreibung nachgedacht. Meine Spione haben ein wenig nachgeforscht. Auf einer Strecke haben sie in der Tat einen unangenehmen Geruch wahrgenommen. Könntet ihr mir bestätigen, dass es dieselbe Route ist, die ihr damals benutzt habt?“

„Wenn Sie sie uns beschreiben, bestimmt“, antwortete Erfline selbstsicher. Die Strecke hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt, tausende Male war sie ihn gedanklich wieder und wieder gegangen. Sie würde ihn mit Leichtigkeit finden oder wiedererkennen.

„Gut. Lasst es mich euch auf einer Karte zeigen.“ Sie griff über ihre Schulter nach hinten, an ihrem Stuhl mit Rückenlehne vorbei in das Gebüsch. Sie hielt ihre Hand einfach in das Gebüsch hinein, sodass man sie nicht mehr sehen konnte, und wartete. Nach kurzer Zeit nahm sie ihren Arm wieder zurück, in ihren Händen hielt sie nun eine Karte. Diese gab sie dem Elfen links von ihr, ein kleinwüchsiger mit stechendem Blick. Er nahm die Karte und erhob sich von seinem Platz, um sie den beiden Hofelfen zu reichen. Diese murmelten ein leises Wort des Dankes, als sie die zusammengerollte Pergamentrolle erhielten. Gemeinsam beugten sie sich über die Karte, nachdem sie sie entfaltet hatten.

Es war eine recht grobe Karte von dem Land. Deutlich gekennzeichnet waren jedoch die Wege in der Nähe ihres Dorfes, wo sie den Geruch wahrgenommen hatten. Sie brauchten sich nur kurz zu vergewissern, die Antwort war klar. „Ja, das sind die Wege, die wir auch gegangen sind.“

Die Anführerin nickte langsam. Erfline rollte die Karte wieder zusammen, dann gab sie sie wieder dem Elfen zurück, der immer noch auf sie wartete. Dieser nahm sie schnippisch entgegen, sodass sie sich zusammenreißen musste, um nicht verärgert zusammenzuzucken. Das war vielleicht eine Frechheit! „In diesem Fall wiegt das Problem wirklich schwer“, nahm die Anführerin wieder das Wort in die Hand, „und ihr dürft euch bis zu einem gewissen Grad der Unterstützung der Rebellen sicher sein. Dennoch möchte ich noch keine Pläne ausarbeiten. Vielmehr sollt ihr euch erst einmal mit den Rebellen vertraut machen. Ich werde versuchen, ihnen die Zusammenarbeit schmackhaft zu machen, doch auch ihr müsst einen Teil tun und von ihnen wird es nun letzendlich abhängen, ob die Zusammenarbeit klappt. Ich bin keine Diktatorin.“ Sie legte eine Pause ein, vermutlich, um die Antwort der beiden abzuwarten. Zudem klang sie nicht wirklich überrascht, nur ein wenig erschöpft. Erfline vermutete, dass sie es schon geahnt hatte. Die Wahrheit hinter ihren Worten und die Bedrohung.

„Wir werden unser Bestes versuchen.“

„Das freut mich. Ich gestehe euch ein paar mehr Freiheiten zu, sodass ihr euch nun frei bewegen dürft und euch mit den Rebellen vertraut machen könnt. Ihr seid aber nicht in der Lage, sie von diesem Problem zu unterrichten. Das werden wir selbst in wenigen Tagen unternehmen.“

Innerlich atmeten beide erleichtert auf, äußerlich nickten sie ernst. „Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen.“ Erfline verbeugte sich knapp, ebenso Futave. „Doch wir halten es für klüger, uns noch für diese Weile zurückzuziehen. Man wird uns feindselig begegnen, befürchte ich. Wir würden es bevorzugen, diese Freiheiten, die wir sehr schätzen, erst nach der Unterrichtung der Personen zu beanspruchen.“

Die Anführerin nickte verständnisvoll. „In Ordnung. Es liegt bei euch, was ihr mit eurer Zeit macht. Ich habe nichts mehr zu sagen. Ihr dürft gehen.“

Erfline verneigte sich erneut, dieses Mal deutete Futave es nur an. Dann wandten sie sich zum Gehen, als der Elfe ein Augenpaar auffiel. Es war von dunkelblauer Farbe gewesen, mit den ungewöhnlichen, silbernen Sprenkel hatten sie diese Augen an den Sternenhimmel erinnert. Doch als sie genauer hinsah, waren die Augen verschwunden.

„Ist etwas?“, fragte die Anführerin nach, als sie regungslos auf der Stelle verharrte und in eine Richtung starrte. Sie löste sich abrupt und verlegen aus der Starre, verbeugte sich erneut eilig, und eilte Futave hinterher, der wie ihr Aufpasser und Adrains am Rand der Lichtung stand. Sein Blick war fragend, doch sie schüttelte nur leicht den Kopf. Sie würde ihm später erzählen, was sie gesehen hatte.

Sie traten den Rückzug an. Wie erwartet war es nun dunkel geworden. Sie war immer wieder erstaunt, wie schnell die Zeit doch verging, doch vor allem wunderte sie sich über das ewige Licht in dem Wald und dem ewig hellblauen Himmel. Da musste Magie im Spiel sein. Die Sterne am Himmel wirkten wirklich wie die Augen der Person. Da nun niemand mehr auf den Beinen war, wagte Erfline es, ihren Kopf in den Nacken zu legen. Die Sterne hatte sie lange nicht mehr gesehen. Wer diese Person wohl gewesen war?

Man murmelte sich noch leise Gute-Nacht-Wünsche, ehe man sich in seine eigene Hütte verkroch. Nachdem die Schritte und das leise Gemurmel verhallt war, wagte Futave die leise Frage. „Dir ist etwas aufgefallen, nicht?“

Sie nickte vorsichtig. „Da war jemand, der uns beobachtet hatte, glaube ich.“

Alamiert blickte Futave wachsam um sich. „Wo?“

„Nein, keine Sorge. Diese Augen wollten nichts Böses, glaube ich...“ Sie blickte gedankenverloren zu Boden, dann legte sie sich hin und sah zu Futave hinauf, der immer noch wachend sitzte. „Es waren schöne Augen.“ Es herrschte eine lange Zeit Schweigen, in der sie abwartete, ob er etwas sagte. Als dies jedoch nicht geschah, kicherte sie, nachdem sie zu ihm gesehen hatte. „Sie waren nicht schöner als deine, also hör auf zu schmollen.“

„Ich schmolle nicht.“ Ein sanftes Lächeln zierte sein Gesicht.

„Ich weiß. Gute Nacht“, wünschte sie auch ihm nun.

„Gute Nacht.“
 

Nachdem Alyne in die Geheimnisse des Waldes eigeweiht wurde, hatten sie beide noch eine Weile lang neben der Frucht gesessen, die immerzu pulsiert hatte. Irgendwann schien sie eingeschlafen zu sein, anders konnte sie sich nicht erklären, wie sie vom Baum wieder zur Lichtung gekommen war, auf der sie ursprünglich aufgewacht war. Sie hatte keine Erinnerung an einen weiteren Weg. Ob ein Tier sie hierhin getragen hatte? Und wo war das Lichtwesen? Es schien nicht da zu sein. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert darüber sein sollte oder nicht.

Sie blieb noch eine Weile auf dem weichen Gras liegen, ihre Gedanken trieben langsam im Strom, ohne auf irgendetwas wirklich Spannendes zu treffen. Sie genoss den Duft der Wiese und der Blumen, die vereinzelt verstreut wuchsen. Es war ein schöner, sonniger Tag und es gab ausnahmsweise niemanden, der sie daran hinderte, diese Ruhe zu genießen. Sie schloss ihre Augen erneut und fiel in einen ruhigen, erholsamen Schlaf.

Als sie ihre Augen wieder aufschlug - sie hatte kein Gefühl für die Zeit, die vergangen war - sah es genauso aus wie vorher. Sie richtete sich auf und streckte sich im Sitzen, wischte sich eine Träne weg und blickte sich um.

Hast du gut geschlafen, mein Kind?, fragte eine ihr mittlerweile sehr vertraute sie. Sie nickte, nachdem sie ihren kleinen Schock von dem plötzlichen Auftauchen der Lichtgestalt überwunden hatte. Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich kann mich auch nicht wirklich ankündigen, weißt du? Sie kicherte leicht. Dann schwieg sie, Alyne fiel siedend heiß ihre Frage ein, die sie anfangs gestellt hatte.

„Ja, ich habe gut geschlafen“, antwortete sie höflich.

Das freut mich. Wieder herrschte Stille, in der Nirom Eruaf auf etwas zu warten schien. Unruhig rutschte die Halbelfe auf ihrem Platz hin und her, beschäftigte sich mit ihren strubbeligen Haaren und wusste nicht so recht, ob sie ihre Frage wirklich stellen sollte. Doch als es beinahe aus ihr herausplatzte, gab sie nach.

„Warum haben Sie mir diese Geschichte erzählt und mir diese Frucht gezeigt?“, fragte Alyne geradeheraus. Es war ihr einfach nicht ersichtlich, was hatte sie mit dieser alten Geschichte zu tun? Nichts, genau. Oder doch? Sie wusste es nicht.

Das ist eine gute Frage. Mein liebes Kind, ich möchte dir nichts vorenthalten, also bin ich ehrlich zu dir. Ich brauche deine Hilfe, um meine Schwester besiegen zu können. Sie regt sich schon seit Längerem und das macht mir Sorgen. Doch alleine kann ich es mit ihr und ihren Kreaturen nicht aufnehmen. Bitte unterstütze mich dabei.

Verwirrt wich Alyne zurück. Das Ganze ergab für sie keinen Sinn. Diese Worte hatten sie verwirrt, denn es war ihr unerklärlich und außerdem so viel anders als das, was sie zuvor immer kennengelernt hatte. Sie war jemand, der nicht viel von Magie verstand und nur auf rohe Gewalt setzte. Niemand also, den das Licht in Personifikation brauchen könnte! Und wofür? Als Packesel vielleicht noch. Nein, diese Gestalt musste lügen.

Ich lüge nie, mein Kind.

Alyne rutschte noch ein Stück weiter nach hinten. Sie fühlte sich unwohl und konnte diese Last auf ihren Schultern nicht ertragen. Es war, als würde man ihr den übelsten Streich spielen. Den schrecklichsten und grausamsten aller Streiche, denn für einen Moment hatte sie wirklich gehofft. Sie machte sich zwar nichts aus den Kommentaren der anderen Elfen, doch ein klein wenig schienen sie sie doch getroffen zu haben. Etwas in ihr schien kaputt gegangen zu sein. Sie wollte sich dieser Illusion, etwas wirklich bewirken zu können, nicht hingeben.

Ich verstehe deine Bedenken, aber du darfst nicht so denken. Du bist etwas Besonderes, wirklich. Dein Vater und deine Mutter, deine Geschwister, sie alle haben es auch gewusst. Die Lichtgestalt strich mit einem Zweig ihres Lichtes sanft über Alynes Kopf. Sie wurde von einem warmen Gefühl erfüllt, von dem sie sich einhüllen ließ. Nur dieses eine Mal, sagte sie sich. Es ist alles in Ordnung, mein liebes Kind.
 

Im Dorf der Rebellen herrschte helle Aufregung. Man flüsterte sich Sachen zu, ein Gerücht, welches schnell die Runde machte. Auch die beiden Geduldeten bekamen es mit. Es schien ein neuer Elf in das Dorf gekommen zu sein, doch dieses Mal schien er verschleppt worden zu sein. Man hängte ihm die übelsten Taten an, doch dann gab es wieder jene, die von ganz anderen Dingen sprachen. Sie meinten, dass er einer war, den man von ihrer Sache überzeugen wollte. Doch warum dann direkt in das Dorf schleppen?

Die beiden konnten sich keinen Reim daraus machen. Ihnen war es schleierhaft, doch an der Magie des Unbekannten erkannten sie, dass es keiner der Elfen des Hofes waren. Sie war irgendwie... anders. Sie wussten es sich auch nicht so recht zu erklären, doch ihnen kam diese Magie bekannt vor. Erfline grübelte lange darüber, wer es war, doch sie bekam es nicht wirklich raus. Ihr Partner wirkte auch beunruhigt, dass scheinbar ein Elf gekidnappt worden war. Sie überlegten seit der Ankunft des Unbekannten, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, Adrains immer um Rat fragen zu können. Würden sie es auch jetzt machen können?

Denn obwohl sie mittlerweile in ein anderes Quartier umgezogen waren – ein Zimmer in dem Haus, wo auch Adrains zu wohnen pflegte, welches immerhin mehr als doppelt so groß wie die Lehmhalbkugel war und wo sie endlich auch aufrecht sitzen konnten – und ein paar wenige Freiheiten mehr genoßen, war ihre nun selbstgewählte Bewegungsfreiheit engeschränkt wie eh und je.

Sie fragten sich auch, warum er wohl nicht in die Lehmhalbkugel kam. Zuerst konnte es daran gelegen haben, dass sie schon drin waren, doch wohin sonst hatte man ihn dann wohl gebracht? Und nun waren sie umgezogen. Nachts hatten sie manchmal Spaziergänge durch das Dorf unternommen, heimlich, doch ihnen war nie eine zweite Konstruktion wie diese aufgefallen. Gut, es war eine primitive Einrichtung. Sie würde sie leicht mittels Magie errichten lassen. Doch auch bei ihren letzten Spaziergängen nach der Ankunft des Unbekannten war ihnen nichts dergleichen aufgefallen.

Es war nun ungefähr der zweite Tag nach der Ankunft des anderen Elfs und fünf Tage nach ihrer letzten Audienz. Erfline hatte nun mehr oder minder aufgehört, nachzudenken, wer diese Person mit den dunkelblau-silbernen Augen war, doch in ihren Erinnerung war diese immer noch eine der klarsten. Ab und zu fragte sie sich immer noch, wer diese Person gewesen war.

Sie seufzte. Während ihres Aufenthaltes in dieser Lehmhalbkugel und dem ständigen Warten schien ihr das Zeitgefühl abhanden gekommen zu sein. Bei den Gedanken an die Jagd nach dem Monster wurde ihr unwohl. Sie vermutete, dass es mittlerweile schon viel zu spät war, um das Monster zu lokalisieren. Mit Glück und Unterstützung der Fährtenleser der Rebellen konnten sie es aber vielleicht noch schaffen.

Nun war ihnen auch wieder der eigentliche Grund präsent: Das Monster vernichten. Die vergangenen Tage schienen ihr Gehirn ein wenig zermürbt zu haben. Sie wussten nicht mehr, so sie standen und warum sie eigentlich dort waren. Nun waren sie wieder grimmig Feuer und Flamme. Es war kein leichtes Unterfangen.

Die Unterrichtung der Rebellen bekamen sie nicht mit, denn sie fand abseits ihrer Behausung statt, sodass sie keinen Ton verstanden. Doch sie merkten, dass sich etwas verändert hatte. Die Stimmen wurden ängstlicher und zugleich von Sorge erfüllter als zuvor. Sie nahmen die Bedrohung ernst, die ihre Anführerin ihnen als wahr gekennzeichnet hatte. Und was war ein gutes Zeichen.

Vorrückende Worte

Der reinblütige Elf befand sich nach wenigen Tagen immer noch in Ainrafe. Ein paar Tage zu viel, wie er fand. Es gab wirklich nichts Trostloseres als diesen Wald, so hatte er schon nach wenigen Tagen herausgefunden. Es schien ihm, als würde nur das schwache Licht in seinen Händen die Monster davon abhalten, auf ihn loszugehen. Nachdem ihn die Schattengestalt allein gelassen hatte, waren sie gekommen. Es war ihm ein Rätsel, wieso wohl nicht vorher. Er vermutete aber, dass sie dahinter steckte. Er seufzte innerlich, während er nach außen hin immer noch Haltung zeigen musste.

Um ihn herum war es düster wie eh und je. Er war eingehüllt in beinahe komplette Finsternis, auch seine schwache, leuchtende Kugel half ihm nicht wirklich bei der Gebietserschließung. Sie strahlte ja nicht einmal einen Meter weit. Dennoch merkte er, wie seine Augen sich langsam an das mangelnde Licht gewöhnten. Im Gegensatz dazu hatte er bemerkt, dass den Wesen um ihn herum selbst dieses winzige, flackernde Leuchten zu viel war. Sie umkreisten ihn im sicheren Abstand, doch das einzige, woran er sie ausmachte, war ihr Knurren. Wären diese eindeutig bedrohlichen Laute nicht gewesen, er hätte sie für Bäume und Büsche gehalten. Und ehrlicherweise, er wollte diese Wesen nicht bei Tageslicht sehen.

Er konnte sie nicht einmal spüren, obwohl sie doch auch magischen Ursprungs waren. Gab es zwei Arten von Magie? Der Wald hatte es angedeutet. Immerhin konnte er hier nichts spüren. Es war, als wäre absolute Leere um ihn herum, würde er den verdorrenden Wald nicht sehen und fühlen können. Doch war es wirklich wahr? Wenn ja, bedeutete es dann auch, dass sie Feliff anhand seiner Magie nicht ausmachen können?

Ihm brummte nach einer Weile der Kopf wegen all dieser Fragen. Während er rastlos durch den Wald streifte und nichts fand, nichts Neues sah und nur Verwirrungen geschenkt bekam, wurde er aufmerksam beobachtet. Feliff jedenfalls wusste nichts über seine Feinde, so viel stand fest. Ihm wurde sein Vorhaben immer lächerlicher. Wie hatte er denken können, dass Faure Morin ihm etwas über die Pläne der beiden verraten könnte? Sie waren doch diejenigen, die am Anfang waren.

Er hielt inne und seufzte leise auf. Er schaffte es gerade noch, den Fluch, der ihm beinahe über die Lippen kam, aufzuhalten. Viel brachte ihm das aber nicht, er hörte das sich erhobene Gemurmel der Monster, welche immer noch den Ring um ihn bildeten. Wann immer er einen Schritt tat, folgten sie ihm. Sie warteten wie ein Rudel hungriger Wölfe, bis sie ihr Opfer greifen konnten. Er durfte keine Schwäche zeigen, sonst wäre er erledigt. Es war schon ein Wunder, dass er überhaupt so lange überlebt hatte.

Orientierungslos zog es ihn weiter tagelang durch den Wald, auch wenn es ihm schien, dass er immer nur im Kreis lief. Stören tat er sich daran nicht, er hatte ja sowieso nichts Besseres zu tun, als immerzu diese Kreise zu ziehen und zu hoffen, dass er diese Person wiedersehen würde. Wer diese Person gewesen war? Er wusste es nicht. Er fragte sich, welche Rolle sie wohl spielte. Sie musste eine Rolle haben, wenn das Schattenwesen mit ihr verschwunden war, sodass Feliff sie nicht wirklich hatte sehen können.

Doch welche war es?

Es brachte doch alles nichts, sich das Gehirn darüber zu zermatern. Er musste mit dem Schattenwesen reden, so viel stand fest. Doch sie schien nur aus ihren eigenen Launen heraus aufzutauchen, wer wusste, wie lange er dafür in diesem Wald verharren müsste. Nicht, dass er nicht viel Zeit hätte. Wenn, dann hatte er genau genommen sogar zu viel. Doch wer mochte länger als eine Woche in einem Wald sein, in dem man verfolgt wurde und in dem die Dunkelheit herrschte? Freilich niemand, außer den Wesen selbst. Sie wurden hier geboren, lebten hier und würden hier das Zeitliche segnen.

Feliff merkte, dass er immer noch stand. Er setzte seine Beine wieder in Bewegung, langes Herumstehen würde nicht viel bringen. Oder doch? Er hatte es noch nicht ausprobiert. Dennoch ging er erst einmal einen Schritt vor dem anderen auf dem Boden, den er als Erde einschätzte. Sie war bedeckt mit vielerlei Ästen und totem Laub. Er hoffte, dass es wirklich Äste waren, die er sah.

Es mussten Äste sein, denn im nächsten Moment knackte etwas hinter ihm. Er hielt inne. Dem Geräusch nach zu urteilen war es ein Versehen gewesen, nicht besonders kraftvoll und vermutlich von einem geringen Gewicht ausgelöst. War es die Person, die er gesucht hatte? Er drehte sich vorsichtig um, langsam und behutsam in der Bewegung.

Hinter ihm, oder nun vor ihm, wie man es eben sah, stand nun eine kleine Person. E war noch ein Kind. Ein kleiner Junge, dessen Haar ebenso dunkel war wie das von Feliff. Nein, es war noch viel, viel dunkler. Manchmal kam es ihm vor, als würde die Schwärze selbst die Haare dieses Jungen bilden.

„So sieht man sich also wieder...“, murmelte Feliff, doch es war eher an sich selbst als an den Jungen gerichtet. Sein Blick war nachdenklich geworden. Viel konnte er von dem Jungen nicht sehen, sein Licht reichte nicht aus und beleuchtete gerade mal die schmächtigen Umrisse seines Gegenübers, doch irgendetwas beunruhigte ihn. Er schloss dennoch, dass es sich um den Jungen handelte, den Faure Morin mit sich gezogen hatte.

„Wer bist du?“ Die Stimme war weder kalt, noch eisig. Weder feindselig, noch abweisend. Und doch schien es ihm wie eine Kriegerklärung zu sein, die aber weder an ihn noch an etwas, das sich in der Nähe befand, gerichtet zu sein. Es war vielmehr an die ganze Welt gerichtet, mit allem, was in ihr war. Einschließlich ihm selbst?

„Ich bin ein Fremder“, antwortete Feliff resigniert. Seine Gedanken kreisten und überschlugen sich. Dieser Junge. Er kannte ihn doch von irgendwo anders auch, oder nicht? Er spürte ihn nicht. Er trug keine Magie in sich, schien ihm. Oder war da etwas Anderes, das ihm fehlte? Er konnte es nicht ausmachen.

„Das sehe ich. Was machst du hier? Und wieso haben sie dich noch nicht vertrieben?“ Irrte er sich, oder hatte sich etwas in der Stimme des Jungen verändert? Als wäre sie... trotziger geworden. Sie kam ihm irgendwie realistischer vor, auch wenn er sich nicht erklären konnte, warum. Und was das Unrealistische war, konnte er auch nur erahnen.

„Wer sind sie?“, fragte er nach, obgleich er wusste, von wem er sprach. Hier hab es nur wenige, die 'sie' sein konnten.

„Na, meine Freunde! Weißt du, normalerweise mögen sie keine Fremden.“ Die Stimme des Jungen hatte etwas Kindliches angenommen. Bildete Feliff sich das ein oder schrumpfte selbst seine Silhouette ein wenig? Er blinzelte überrascht, doch als er wieder hinsah, war da nichts. Verwirrt besann er sich wieder auf die Antwort des Jungen.

„Ah, ja?“, brachte er im ersten Moment seiner Gedankenklärung heraus. „Wirklich? Dann scheinen sie auch kein Licht zu mögen, denn das ist wohl der einzige Grund, weshalb sie mich nicht überfallen.“ Er lachte ein wenig trocken, in der Hoffnung, es würde irgendwie heiter und unbeschwert wirken, doch was wirkte in dieser Umgebung schon so, ohne falsch zu scheinen?

„Licht? Was ist das?“

Er sah den Jungen erstaunt an. Es war klar, dass er kein Licht wie er selbst es kannte, gesehen haben konnte, doch dass er nicht einmal den Begriff gehört hatte... Für Feliff, in dessen Welt Licht eigentlich alles war, schien es unbegreiflich. „Du... weißt nicht, was Licht ist?“

„Nein.“

Da fiel ihm etwas wieder etwas ein, was auf seinen Gegenüber zutreffen könnte. Er trat einen Schritt auf den Jungen zu. Kein Geräusch ertönte und nichts weiter geschah. Er trat noch einen behutsamen Schritt. Das Licht hüllte nun zumindest das Gesicht des Jungens ein, als er es höher ansetzte. Und tatsächlich. Die Augen des Jungens waren von fahler Farbe, Grau. Er war, ehrlicherweise, ein wenig erstaunt, dass sie nicht Schwarz wie die Nacht waren, doch auch das schien von Faure Morin nicht beeinflussbar zu sein. War sie schon geschwächt gewesen, als sie ihn erschaffen hatte? Es war bewiesen, jedenfalls zuckte der Junge nicht einmal, als Feliff ihm zur Probe das Licht direkt vor die Augen hielt. Nichts. Er war tatsächlich blind.

Dieser Junge war zweifelsohne ein Werk von ihr, auch ihre Hinterhalt, ihm das Augenlicht zu nehmen, sprach dafür. Er konnte es sich zwar auch durch viele andere Dinge erklären, dass er ihn nicht spüren konnte, doch es gab auch etwas, was er ganz klar spürte. Versteckte, unbewusste Feindseligkeit. Es war nur etwas, was sich im Hintergrund regte, doch es war da. Er schien nicht vollkommen zu sein, oder hatte die Schattengestalt es so beabsichtigt?

Wieso... wieso war da kein deutlich pulsierender Hass?

„Herr? Ist etwas? Stimmt etwas mit mir nicht?“ Die Stimme, die diese Fragen voller Zweifel in die Luft warf, klang ängstlich. Feliff wollte nicht so recht glauben, dass dieses Kind böse war.

„Ich weiß es nicht. Aber naja, was ist schon normal?“ Er seufzte und blickte wachsam um sich. Er hatte doch etwas gehört, doch es schien nur der Wind zu sein. Der Wind? Es war das erste Mal, dass der Wind wehte. Nein, das stimmte nicht. Jedes Mal, bevor sie aufgetaucht war, herrschte auch eine leichte Böe, die sich in den Bäumen verfangen hatte...

Was ist hier los?, verlangte die Herrin des Waldes zu wissen. Ihre Stimme war betont ruhig und klang triefend süß, ebenso war es das Einzige, was in der Stille wiederhallte.

„Nichts, Mutter.“

Das war die Bestätigung für Feliff. Doch was hatte sie mit ihm vor? Er schien nicht besonders stark zu sein. Was also konnte sie mit ihm machen wollen?

Mein Sohn! Ich habe dir doch gesagt, dass du dich nicht mit Fremden unterhalten sollst. Feliff wusste nicht, ob er sich eben verhört hatte. Es schien jedoch die Realität zu sein.

„Entschuldige, aber er hat mich neugierig gemacht. Meine Freunde haben ihn nämlich in Ruhe gelassen, weißt du?“ Der reinblütige Elf sah fassungslos zu dem Geschwader aus finsterer Finsternis und dem Jungen. Er fragte sich einmal mehr, was sie eigentlich vorhatte.

Ist schon gut. Und nun geh bitte schlafen, in Ordnung? Es war sicher ein langer Tag. Er spürte ein Zucken. Es war kaum spürbar, aber da gewesen. Ob das ihre Magie gewesen war?

„Okay.“ Der Junge drehte sofort um und ging in die Richtung, aus der er vermutlich gekommen war. Man hörte seine Schritte nicht, während er ging und rasch von der Dunkelheit verschluckt wurde. Nun spürte er wieder die übliche Kälte, die von dem Schattenwesen ausging.

Warum hast du mit ihm geredet? Ihre Stimme schnitt wie eine Eisklinge durch die Luft.

„Er hat das Gespräch angefangen“, verteidigte Feliff sich prompt.

Du hättest ihn ignorieren können. Sie schien wirklich wütend zu sein. Warum hast du geantwortet? Ich weiß es. Du wolltest Antworten, nicht?

Daraufhin schwieg er. Sie wusste es doch sowieso.

Nun gut, Antworten kannst du bekommen. Aber nicht von ihm.
 

Auch Inkalak wurde zu der Bekanntmachung der Anführerin geführt. Nachdem er in einem üppigen Wald aufgewacht war, ging alles drunter und drüber. Er erinnerte sich zwar nicht mehr so gut, doch er schien regelrecht in Rage gewesen zu sein, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her gewesen. Er hatte etwas von Retten und Elfen geschrien, die verschollen gegangen waren, doch man hatte ihn dort nicht verstanden. Letzen Endes jedoch hatte man ihn irgendwie, er selbst wusste nichts mehr von seinen Taten, beruhigt. Man hatte ihm erklärt, was man von ihm wollte und gleichzeitig nichts gesagt. Ihm blieb es schleierhaft, weshalb er sich dort befand, und bat um Gedenkzeit. Vielleicht fiel ihm ja etwas in der Zeit auf, was ihm vorher nichts gesagt hatte.

Danach hatte man ihn durch den Wald geführt, in das Rebellendorf. Er war fasziniert gewesen, wie grün alles blühte, obwohl er doch vor wenigen Tagen die Ernte des Herbstes eingefahren hatte. Neugierig hatte er seine Begleiter gefragt, wie das möglich sei, obgleich er die Magie selbst spürte, doch keine Antwort von ihnen erhalten. Etwas beleidigt hatte man ihn dann einem Zimmer zugewiesen, worin er schlafen und für die nächsten Tage auch wohnen würde. Er durfte sich frei herumbewegen und war praktisch einer von ihnen gewesen, wäre da nicht seine eigene Skepsis.

Doch auch bei seinen vielen Spaziergängen durch das beschauliche Dorf wurde ihm nicht klar, weshalb genau er sich nun dort befand, wo er sich nun einmal befand. Er war doch ein normaler Elf, nicht? Er wusste es nicht mehr. War irgendetwas an ihm besonders gewesen? Diese alte Geschichte vielleicht, doch jetzt? Er war in die Jahrzehnte gekommen.

Und nun stand er am Rand der Versammlung, die sich auf dem großen Platz im Zentrum des Dorfes, welches ihm von der Größe eher wie eine kleine Stadt vorkam, zusammengefunden hatte. Ihn wunderte es jedes Mal von neuem, warum die Elfen das Dorf bisher nicht gefunden hatten. Der Platz war vielleicht hundert, vielleicht auch hundertfünfzig Fuß in der Breite und in der Höhe, ein Kreis. An seinen Rand gesellten sich die wichtigen Gebäude des Dorfes wie die große Scheune, eine Art Rathaus und so weiter und so fort. Es gab sogar ein Gemeindezentrum, doch nun richtete sich alle Aufmerksamkeit in eine Richtung.

An der Südseite des Kreises stand ein Podium, von dem aus die Anführerin mit magieverstärkter Stimme sprechen würde. Meistens hatte er nicht allzu gut zugehört, denn es ging meistens um organisatorische Dinge, die ihn nicht ganz kümmerten. Heute jedoch schien etwas Besonderes in der Luft zu liegen, man munkelte und murmelte in der Menge. Als die Anführerin auf das Podium stieg, verstummten die Versammelten jedoch. Jeder wollte wissen, was sie zu sagen hatte, auch er selbst.
 

An der Verkündung nahmen die Überbringer der Botschaft nicht teil. Wie sie es nun gewohnt waren, zogen sie es vor, in ihrem Zimmer zu sitzen und zu überlegen. Meistens saßen sie auf einem der Betten oder der Stühle und sahen sich unruhig im Raum um, der einfach möbiliert war, oder schauten nach draußen. Immer vernahmen sie jedoch das Gewisper der Rebellen, welches durch das halb offene Fenster drang. Nur momentan war es beinahe still, in der Ferne hörten sie eine laute, starke Stimme, verstanden jedoch nicht die Worte, die sie sprach.

„Meinst du, sie wird sie überzeugen?“, fragte Erfline, jedoch eher, um die Stille zu füllen. In ihrer Stimme schwang ein leichtes Zeichen von Ängstlichkeit mit, doch es war nur wenig.

„Wahrscheinlich.“ Futave erhob sich von seinem Bett an der Wand neben dem Eingang des hellbraun gedeckten Raums und setzte sich auf einen Stuhl der gegenüberliegenden Seite, wo Erfline ebenfalls auf einem der zwei Stühle sitzend aus dem Fenster in die Leere sah. Er verkniff sich ein leichtes Kichern. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie es wirklich oft tat. „Sie hat die Rebellen in ihrer Hand. Sie vertrauen ihr. Vermutlich glauben sie ihr auch das, selbst wenn es zu schrecklich klingt, um wahr zu sein.“ Sein Blick verzerrte sich zu einem schiefen, traurigen Grinsen.

„Ja. Ich wünschte, dem wäre wirklich so.“ Ein trockenes Lachen kratzte an ihrem Hals. „Ich wünschte, der Tag ginge endlich vorbei.“ Und noch etwas ganz Anderes kratzte an ihren Gedanken mit einem unschönen Laut. Sie seufzte.

„Du vermisst sie, oder?“ Sie sah ihn überrascht un fragend an, doch er lächelte nur sanft. „Ich kenne dich doch.“

Da gab sie nach. Ihr Blick wurde trüber und mit einem sorgenvollen Ausdruck wandte sie ihren Blick noch weiter in die Ferne. „Ja, ich vermisse sie und mache mir Sorgen. Obwohl er so fies zu mir war.“ Ein trotziger Ausdruck trat in die Trauer ihres Blickes, als die Erinnerung an die Audienz bei Hofe wieder in ihr auflebte. „Aber ich denke nicht, dass ich dort ein Umdenken bewegen kann. Es bringt mir ja letzten Endes doch nichts, dort zu sein.“

„Naja, ich denke, es ist schon besser, wenn wir auch Informationen über die Bewegungen der Elfen haben. Wir wissen nur, wie die momentane Lage bei den Rebellen aussieht“, widersprach er ihr.

„Aber ich denke, es ist besser, wenn du gehst, wenn sie uns überhaupt lassen.“ Er sah sie überrascht an, doch sie blickte nur nüchtern und berechnend zurück. „Du kennst dich auch besser mit den anderen Elfen beim Hof aus, mit den Köchen und Dienern. Aus den hohen Posten bekommst du sowieso nichts raus, also horch lieber die kleinen Mäuse aus.“

„War das der Ansatz eines Plans?“

„Vielleicht.“
 

Kurz nachdem Trivian wiedergekehrt war, bereitete eine andere, einflussreiche Person eine mehrtägige Reise vor. Chael, der die Tage zuvor die Stellung gehalten hatte, machte sich nun auch auf dem Weg, um ein paar alte Freunde und Bekannte wiederzutreffen.

„Hast du alles?“, fragte Trivian nach, ehe der Dorfberater losging. Es war schon relativ dunkel, doch Chael hatte darauf bestanden, zu dieser düsteren Tageszeit loszugehen. Er war keiner, der sich langwierig von anderen verabschiedete. Er liebte die Dorfbewohner, keine Frage, doch ebenso liebte er die Zeiteffizienz, die bei diesem Ritual oftmals verloren war.

„Ja, ich denke schon. Pass gut auf das Dorf auf, in Ordnung?“

Sein Gegenüber nickte. „Pass auf dich auf. Nachts sind so manche Bestien unterwegs.“

Chael machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich komme schon klar, mich wird schon niemand anfallen.“ Dann winkte er dem Dorfältesten zum Abschied zu. „Bis bald.“

„Bis bald.“

Mit diesen Worten verschwand er in die Dunkelheit, sein Weg war weit und auf einen bestimmten Punkt fixiert, an dem er keine Menschen finden würde.

Neue Zeichen

Alyne seufzte. Sie zählte die Nächte nicht, die an ihr vorbeizogen, denn sie bemerkte sie schlichtweg nicht. Sie streunte durch den Wald, legte sich manchmal zur Ruhe, schlief ein und wachte auf, doch alles sah so aus wie vorher. Schlief sie einfach zu lange? Davon abhalten konnte sie sich jedenfalls nicht, regelmäßig nickte sie inmitten des weichen Grases ein, inmitten der sanften Brise und den streifenden Gedanken, die rastlos waren.

Sie dachte in diesen Tagen viel nach. Auf einmal konnte sie nachvollziehen, warum Feliff – erstaunlicherweise ergab sich ihr der Name wieder, doch sie wusste nicht, warum sie ihn vergessen hatte – so geworden war, wie er war. In diesem Wald bekam man über kurz oder lang das Gefühl, dass Zeit keine Rolle spielte und Gedanken waren zumeist das Einzigste, womit man sich beschäftigen konnte. Man konnte unendlich lange nachdenken, ein richtiges Gefühl von Zeit wurde einem nicht vermittelt. Als wäre man in Endlosigkeit gefangen.

Das Hauptthema, um das ihre Gedanken kreisten, war meistens der Baum, die Frucht, das Lichtwesen, die Welt und ihre eigene Rolle darin. Sie glaubte der Lichtgestalt nicht. Mit jedem weiteren Gedanken, der verstrichen war, kam es ihr unwirklicher vor. Unwirklicher und unwirklicher, es schien ihr wie ein Traum. Es konnte nicht sein, dass sie etwas Besonderes war. Obwohl dieses Denken nicht zu ihr passte, konnte sie nichts dagegen tun. Denn wenn man etwas schon fast täglich zu hören bekommt, nimmt man es irgendwann einfach an. Und anstatt sich an diese Leine an diesen schönen Glauben zu klammern, möchte man doch viel lieber noch tiefer sinken, nicht?

Nein.

Doch Alyne war sich unsicher und sie wusste einfach nicht, wo sie stand. Ihr ganzes Leben war seit der Begegnung mit dem reinblütigen Elf komplett umgeworfen worden. Nun konnte sie die Scherben sehen, die ihr altes Leben gebildet hatten. Fein säuberlich aufgereiht lagen sie doch vor ihr, gedanklich in ihrem Kopf verstreut. Sie musste sie nur neu zusammensetzen, oder?

Zögernd sah sie den Bach vor sich an, der immer noch im Licht glitzerte und dieses funkelnd reflektierte. War es wirklich so einfach? Vielleicht. Gedankenverloren hielt sie eine Hand in das kühle Nass, ihre Fingerspitzen durchbrachen die Wasseroberfläche. Wenn es so einfach wäre, wäre es schön.

Wirklich schön.

Sie beobachtete das Wasser dabei, wie es von einem Punkt zum anderen floß. Die Durchsichtigkeit des Wassers ließ sie an das Mädchen in der Frucht denken. Wieso es wohl dort war? Die Erinnerung daran rief in ihr einen Wunsch wach, von dem sie nicht einmal geahnt hatte, dass er existieren würde. Wie schön es wäre, das Mädchen noch einmal zu sehen. Unmöglich war es nicht. Zwar sah alles in diesem Wald irgendwie gleich aus, doch sie würde es doch schaffen, dorthin zu gelangen, oder? Vielleicht war die Lichtgestalt ja auch da und konnte ihr ihr Schwert wiedergeben, dass sie immer noch nicht wieder erhalten hatte. Und was es mit dem Monster nun auf sich hatte, traute sie sich gar nicht wirklich zu fragen. Eine einzige, klare Antwort zu erhalten wäre schon schwer genug.

Voller neuem Tatendrang hievte sie ihren Körper hoch und schüttelte ihre eingeschlafenen Glieder durch. Das Kribbeln ignorierte sie, während sie in die Richtung ging, in der sie einmal dem Licht gefolgt war. Vielleicht würde ein kleiner Besuch bei dem riesigen, wahrscheinlich uraltem Baum ihre Gedanken auf eine richtige Spur bringen. Es wäre jedenfalls zu wünschen, denn sie wusste einfach nicht wohin mit sich. Manchmal dachte sie doch daran, dass es so viel einfacher wäre, wenn sie einfach die Wahrheit des Lichtwesens annahm.

Darüber dachte sie jedoch nicht nach, als sie die Strecke ging. Ihre Augen und Beine orientierten sich an verschiedenen Gesichtspunkten der Umgebung, hier ein Stein, dort ein Baum mit Moos. Es erstaunte sie, wie zielstrebig und sicher sie diesen Merkmalen folgte, ohne zu zweifeln, ob der Weg der Richtige war. Doch andererseits war es doch immer ihre Natur gewesen, so zu handeln.

Sie seufzte. Es war wirklich viel zu kompliziert, viel nachzudenken. Es entsprach doch eigentlich nicht ihrem Wesen, doch diesen Gedanken unterbrach sie abrupt. Sie sollte mal wieder intuitiver werden, das war ja schrecklich! Sie war ja schon ein richtiger Zweifler geworden.

Entschlossen verfolgte sie den Weg und verdrängte jeden Gedanken, der dem Ziel, den Baum zu erreichen, nicht dienlich war. Ihre Augen fixierten den Weg vor sich, nichts Anderes. Irgendwann war sie auch wieder dazu übergegangen, ihre Konzentration auf ihren Körper zu lenken. Bewusst koordinierte sie ihre Arme, Beine, alles. Mit größter Sorgfalt führte sie Bewegungen aus, steckte mal mehr, mal weniger Kraft in einen Schritt.

Nun wieder vollkommen in ihrem Training versunken, fuhr sie ihren Weg fort, nicht auf ihre Umgebung wirklich achtend, nur einer inneren Intuition folgend. Wenn sie falsch lag, lag sie eben falsch. Dann würde sie eben einen anderen Weg probieren, irgendwann kam sie ja wohl an.

Ja, das klang wirklich viel mehr nach ihr.

Mit einem zufriedenem Lächeln setzte sie ihren Weg fort, immerzu dem Ziel entgegen. Sie merkte kaum als der Wald sich vor ihr lichtete und sie den Blick auf einen ihr schon bekannten Stamm bekam. Erst, als sie vor den ersten Wurzeln stand, richtete sie ihren Blick in die Ferne, weg von sich selbst. Eine Welle des Stolzes unterdrückend setzte sie ihr Training mit den Wurzeln fort.

Sie sprang, sie hüpfte, sie kletterte. Es war wie beim ersten Mal, als sie noch mit Nirom Eruaf hier gewesen war. Es wirkte alles gleich. Der eigentümliche Baum, der sanfte Regen der verwelkten Blätter, den sie erst jetzt so richtig bemerkte, und die Geräusche. Diese Stille, die doch mit dem Rauschen des Windes erfüllt war.

Ein wahrlich friedlicher Ort, genauso wie der ganze Wald. Alyne hielt einen Moment lang in ihrer Bewegung inne, sie hatte schon die Hälfte des Weges geschafft. Eine kleine Pause, um das durch die Baumkrone fleckenhaft auf den Wurzelboden scheinende Licht zu genießen. Sie hatte noch nie bemerkt, wie sehr sie Frieden liebte.

Und dieser schien momentan bedroht, flammte es in ihrem Kopf wieder auf. Das Schattenwesen... es schien sich zu regen. Es stand etwas bevor. Und sie sollte eine Schlüsselfigur sein? Wieder erschien es ihr einfach nur lächerlich, unwirklich. So unreal. Sie passte doch überhaupt nicht in dieses Bild einer Heldin, die die Welt rettete.

Wieder unterbrach sie ihren Gedankengang. Schließlich war sie wegen etwas Anderem gekommen. Entschlossen machte sie sich an den weiteren Weg, der ihr noch bevorstand, ehe sie den Stamm erreichen würde. Hoffentlich kam sie überhaupt rein, dachte sie auf einmal. Es würde schon gehen, beruhigte sie sich aber schnell. Wesentlich war momentan, dass sie überhaupt da ankam.

Mit stillschweigender Ruhe überwand sie den Rest des Weges, es kam ihr sogar vor, dass sie dieses Mal schneller vorankam als das letzte Mal. Bildete sie sich das nur ein? Vielleicht hatte sie ja Übung bekommen, doch nach einem einzigen Mal schien ihr das etwas unrealistisch. Egal, nun stand sie also endlich vor dem Stamm. Sie zögerte nicht lange, sondern streckte ihre Hand nach dem warm pulsierenden Holz aus. Mit etwas Druck ließ es sie durch. Es war alles wie beim letzten Mal, außer der Tatsache, dass sie diesmal alleine war.

Wieder empfing sie diese allumfassende Wärme, als ihr ganzer Körper in den Stamm eintauchte. Nun war sie mehr oder minder auch auf das gewappnet, was danach kommen würde. Als sie die Augen öffnete, erbot sich der gleiche Anblick wie zuvor.

Die Lichter flogen in unermüdlichen Bahnen ruhig um ihr Zentrum, dem sanften Glimmen des Mädchens. Behutsam stieg sie hinab, zu dem Mädchen in der Frucht hin. Mit jedem weiteren Schritt fiel es ihr unheimlich schwer, ihre Schritte zu zügeln und nicht loszurennen. Es war, als würde einer sie von hinten schieben und ein anderer sie von vorne ziehen. Sie stolperte angetrieben durch diesen Druck, den sie spürte, mehr schlecht als recht über den unebenen Boden, verwirrt und gleichzeitig mit einem vor Aufregung pochenden Herzen.

Als sie schließlich angekommen war, hielt sie inne und betrachtete das friedlich schlafende Gesicht des Mädchens still. Es war ein wirklich schönes, junges Mädchen. Das Leuchten ihres Haares schien unwirklich, genauso wie das pulsierende Glimmen, welches sie umgab. Generell wirkte dieser Ort unwirklich warm, hell. Geborgen. Ja, das war wohl der passendste Ausdruck dafür. Sie fühlte sich an diesem Ort geborgen.

„Du hast es gut, an so einem Ort aufzuwachsen...“, entfuhr es Alyne sehnsuchtsvoll. Sie sah sich mit nachdenklichem Blick um, nahm die warmen Farben in sich auf, ebenso wie das sanfte Licht. „Aber weißt du, wenn du immer nur so da liegst, bringt dir dieser Anblick auch nicht viel.“ Sie zögerte noch ein wenig, ehe sie ihre Hand einem Impuls folgend nach der Frucht ausstreckte. Ihre Fingerspitzen berührten die erstaunlich weiche und zarte Haut der Frucht, in die das Mädchen eingeschlossen war.

Sie strich sanft mit ihren Fingerspitzen über die Frucht, ihre Augen waren zärtlich dem Mädchen zugewandt. Wie gerne sie sehen würde, wie es wuchs und mit anderen spielte, das Leben kennen lernte und sich vielleicht auch verliebte. Doch war das überhaupt möglich? Sie erinnerte sich an das, was die Lichtgestalt gesagt hatte. Sie sollte ihr dabei helfen, ihre Schwester endgültig zu besiegen. Das hieße, dass sie das niemals würde erleben können, oder?

Ihre Hand wanderte zu dem Punkt, wo es so schien, als ob sie die Wange des Kindes berühren würde. In ihr waren mütterliche Gefühle erwacht, die sie so noch nie gekannt hatte. Konnte man einem Kind wirklich solche Dinge zumuten? Sie wusste es nicht, doch als sie anfing zu singen, war ihre Stimme nicht unheilvoll oder traurig.

Sie sang das Lied, welches ihr plötzlich wieder in den Kopf gekommen war. Ruhig wechselte sich eine Note mit der anderen ab, beruhigend und sanft war die Melodie, in der ein alt klingender Text eingebettet war. Dieses eine Lied, welches ihre Eltern so geliebt hatten und welches der Auftakt dieser Reise gewesen war.

Vielleicht war sie ja endlich am Ziel angekommen.
 

Es war derselbe Tag, an dem Chael in der Morgendämmerung im Dorf ankam, an dem er auch empfangen wurde. Man stellte ihm in seinem Zimmer in einer kleinen, aber feinen Holzhütte am Rand des Dorfes Wechselkleidung zur Verfügung. Feine Seide aus elfischer Machart mit ebenso verschnörkelten und detailverliebten Mustern in schwacher Goldfarbe. Er fuhr sich noch einmal mit dem goldenen Kamm durch seine kurzen, dunkelbraunen Haare und besah sich kritisch im Spiegel.

Sein Erscheinungsbild müsste passen. Zwar waren seine Gesichtszüge im Vergleich zu Elfen ein wenig plump, sein Haare zu matt und seine Haut zu unrein, doch das sollte ihn nicht stören. Wenn alles glatt verlaufen würde, würde er diese Bürde des Menschseins sowieso hinter sich lassen. Es war nur eine leidige Miterscheinung, nichts weiter. Ein Zustand, der vergehen würde, er musste nur Geduld haben.

Doch nun galt es, die Herrschaften nicht länger warten zu lassen. Sicheren Schrittes schritt er einfach durch das Elfendorf. Ihm wurde keinerlei Beachtung geschenkt, man kannte ihn und respektierte ihn irgendwie auch. Man empfand ihn zwar als seltsam, doch die eigene Art so geschmeichelt zu sehen ließ viele doch milder werden.

Während er auf dem Weg von der hintersten Ecke des Dorfes zum Zentrum dessen war, hatte er Zeit, sich noch einmal zu besinnen. Wobei es nichts gab, worüber er noch großartig hätte nachdenken können. Sein Vorhaben war wie in Stein gemeißelt, sein Wunsch klar und der Weg ebenso. Es gab nichts, worüber er sich hätte Sorgen machen müssen. Es war alles klar und ohne irgendeine Frage. Er verspürte auch keine Angst oder Nervosität, schließlich hatten die Elfen ihn akzeptiert. Das war ihm genug.

Er erreichte schließlich den Baum, den er hoch erklimmen musste, um in den Saal zu gelangen, in dem die Audienz stattfinden würde. Endlich konnte er seinem Traum ein Stück näher kommen, ein wenig näher in Richtung Ewigkeit. Und bald würde er vollkommen sein.

Die nachfolgende Audienz fand bei Tisch statt, es wurden Häppchen gegessen und ein wenig Wein getrunken. Die Besprechung erfolgte bei lockerer Stimmung, als wäre das Thema nicht von nationaler Bedeutung. Es ging um die Frage des nächsten Schachzuges. Die Spielfiguren waren platziert, einige sogar schon vorgerückt. Doch inwiefern sollte man sich nun weiter regen?

In den Gesichtern der Elfen und des Menschens herrschte ein ausgelassener Ernst, als sie sich, schon etwas angetrunken, dieser Frage widmeten. Die Mehrheit befürwortete ein Sturmvorrücken, um die Rebellen zu fassen, ehe sie etwas unternehmen konnten. Man hörte in der Gegend vermehrt von Rebellenübergriffen und Regungen ihrerseits. Die meisten waren für eine sofortige Offensive.

Die andere Seite war für ein Abwarten. Man konnte nicht wissen, was die Rebellen vor hatten und wann sie zuschlagen würden. Was, wenn diese nur darauf gewartet hatten? Man musste abschätzen, was in diesem Moment, in dieser Situation am vorteilhaftesten war.

Und das war oft nicht auf den ersten Blick klar. Die Besprechung hatte am frühen Morgen begonnen und endete erst am späten Abend, aber immerhin hatten sie nun einen Beschluss. Man solle sich rüsten und gleichzeitig mehr Spione um das Gebiet verteilen. Auch war ihnen der Aufenthaltsort der Rebellen noch nicht bekannt, ein schwerwiegendes Problem. Dieses sollte so schnell wie möglich beseitigt werden.

Chael selbst spielte eine wichtige Rolle bei den Informationen, wie zuvor die Jahre auch schon.
 

Nachdem die Rede der Anführerin geendet war, war verstärktes Murmeln durch die Reihen gegangen und die Menge hatte sich in viele Kleingruppen zerstreut. Doch nun waren drei Tage vergangen. Die Anführerin der Rebellen wollte gerade einen Boten losschicken, der die beiden Hofelfen holen sollte, um sie in die Pläne einzuweihen, als sie mitten im Satz von einem auf die Lichtung stolpernden anderen Boten unterbrochen wurde.

Sie eilte schnell zu dem atmungslosen, eher schmächtig wirkenden Rebellen, dessen Haar und Kleidung schweißverklebt war. Sie erkannte den Boten an seinem Gesicht, seiner dunklen Haut. Sie hatte ihn vor wenigen Tagen in der Nähe des Elfendorfes positioniert, wo auch der Elfenkönig sich aufhielt, um Informationen auf direkter Nähe erfahren zu können. „Was ist passiert?“, fragte sie mit sanfter, aber bestimmter Stimme. Ihre Stirn war zu Sorgesfalten verzogen. Sie konnte keine körperlichen Schäden sehen, doch in den Augen des Botens war nur die blanke Angst zu sehen.

„D-di-die E-elfen...“, keuchte er, „sie ba-bauen eine Armee...“

Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sie rief jemanden der umstehenden Rebellen her, der sich um den verstörten Boten kümmern sollte. „Alles wird gut“, versicherte sie ihm noch mit fester Stimme, ehe eine andere Rebellin sich um ihn kümmerte. Dann widmete sie sich einer anderen Frage zu.

Die Nachricht, dass die Elfen seit Hunderten von Jahren wieder eine Kampfkraft aufbauten und sich regten, verbreitete sich wie ein Lauffeuer im ganzen Dorf. Und auch Erfline und Futave blieben nicht von dieser Botschaft ausgeschlossen. Durch das halb geöffnete Fenster drangen die lauten Stimmen zu ihnen hoch, die wirr durcheinander redeten. Sie hatten die Nachricht schon mit den ersten Sätzen vernommen, als sie beide auf dem Bett sitzend den Stimmen gelauscht hatten, um den Grund für die Aufregung herauszufinden.

Nun stand Futave entschlossen auf und schloss das Fenster wieder, doch die Nachricht war angekommen. Erfline stützte ihren Kopf auf ihre Hände, sie fühlte sich unglaublich müde und schwach. War es denn nun wirklich passiert? Und was war nun mit dem Monster? Doch das spielte momentan auch keine Rolle mehr. Es gab nun ein viel, viel größeres Übel, das die beiden nicht miteinbezogen hatten.

Ein endgültiger Krieg zwischen den Rebellen und den Elfen.

Es blieb vermutlich nicht mehr viel Zeit, um das Blatt zu wenden. Erfline schluckte, als sie sich des Ausmaßes bewusst wurde, in das all das gehen konnte. „Futave. Du musst gehen.“ Die Worte kamen kratzig aus ihrem Hals heraus, unsicher wackelnd und wankend.

Er nickte, doch wirkte ebenso besorgt. „Ich werde gehen. Kommst du klar?“, fragte Futave sie sorgvoll. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.

„Mir geht es gut. Es ist alles in Ordnung.“
 

Im ewig dunklen Wald herrschte nur selten Licht, im Grunde nie. Inmitten der Dunkelheit waren Wesen gewachsen, die das Licht scheuten. Sie nährten sich aus der Dunkelheit, fraßen sie regelrecht und saugten sich mit der Finsternis voll. Sie lungerten an jedem Busch, der verrottete, an jedem Baum, der gerade noch lebte. Und inmitten dieser tierischen Welt, die eigentlich nur aus dem Gesetz des Stärkeren bestand, lebte noch jemand, der schon lange ein Bewohner dieses Waldes war.

Ein Junge, der kaum älter als zehn wirkte. Von vermutlich kleiner, schmächtiger Gestalt, so genau sah man ihn in der Dunkelheit nicht, und mit tiefschwarzem Haar. Ausgestattet mit wachsamen Augen und einer besonderen Fähigkeit verbrachte er die Tage in Ainrafe damit, mit seinen Freunden, den Schattenbestien, zu spielen. Sicher bewegte er sich in der Dunkelheit des Waldes mit Augen, die dem Licht selbst abgeneigt waren. Ein Junge, der nur die Dunkelheit kannte.

Inmitten dieser Einöde war auf einmal eine fremde Person gekommen. Ein Elf, wie er schloss, aus der Welt draußen, die böse war. Doch das, was seine Augen nun zum ersten Mal erblickten, faszinierte ihn ungemein. Licht. Es war nur das schwache Leuchten gewesen, dass von dem Elfen kurzzeitig ausgegangen und verschwunden war, doch es reichte, um das Interesse dieses Kindes zu wecken.

Es wollte nicht verstehen, wieso seine Mutter, Faure Morin, ihn so schnell wieder wegzog. Doch er widersprach ihr nicht sondern gab ihr ein Versprechen, dass er das nie wieder tun würde. Weit gefehlt. Schon bei der nächsten Gelegenheit sprach er das Wesen mit dem komischen Licht an. Es blendete ihn, doch er ließ sich nichts anmerken. Es tat in seinen Augen weh, doch das zeigte er nicht. Er unterhielt sich mit dem komischen Wesen als wäre nichts, obwohl das Licht brannte und seinen Blick blendete.

Und dann war wieder seine Mutter gekommen und hatte dieser Konversation ein abruptes Ende bereitet.

Er streunte ein wenig im Wald herum, ehe er schließlich irgendwo im Schutze eines grobschlächtigen Wesens einschlief, welches, wie jedes der Wesen hier, seinen Schlaf bewachte. Als er wieder aufwachte, spürte er etwas Kaltes neben seiner Hand. „Guten Morgen“, sagte er und streckte sich, während er sich in eine sitzende Position brachte.

Guten Morgen. Hast du gut geschlafen?

Er wischte sich den Schlaf aus den Augen und nickte. „Ist irgendetwas Wichtiges los?“

Das Wesen schüttelte verneinend einen der Fühler, die sich in der Nähe seiner Hände befanden. Nein, nichts, wieso?

„Es kam mir nur so vor. Wer ist dieser Fremde? Warum ist er hier?“ Der Junge sah das Wesen aus neugierigen Augen an, er wollte wissen, was nun endlich los war.

Nun. Der Fremde ist niemand Besonderes, nur jemand, der sich bis hierhin verirrt hat, nichts weiter. Aber ich möchte dich trotzdem darum bitten, nicht einfach so mit fremden Leuten zu reden, okay? Eine angenehme Kälte legte sich um ihn, einer Decke nicht unähnlich.

„Ist in Ordnung, Mutter.“ Erneut gähnte er. „Ich glaube, ich schlafe noch ein wenig.“

Mach das, mein Kleiner. Schlaf gut und meide diesen Fremden, okay?

„Jaja...“ Erneut entfuhr ihm ein Gähner, er legte sich wieder hin und ließ sich in eine Welt gleiten, die vielleicht noch schwärzer als das ihn Umgebende war.

Das Band

So langsam nervte es Alyne, dass sie jedes Mal einschlief, aufwachte und nicht mehr wusste, wo genau sie nun war. Sie fand sich auf dem Boden liegend wieder, ihre Arme und Beine zu ihrem Körper hin angewinkelt. Sie streckte ihre Arme, bewegte sich aber nicht wirklich. Von ihrer seitlich liegenden Position aus konnte sie weiche, braune Erde entdecken. Sie konnte den Geruch riechen, der dezent von ihr ausging. Erdig. Sie seufzte und erhob sich mit einem Stöhnen. Sie fühlte sich müde, aber nicht schwach.

Als sie sich umblickte, ergänzte sich das Bild der braunen Erde mit dem, was sie schon kannte. Sie befand sich immer noch in dem Baum. Die warmen Lichte beruhigten sie, ebenso wie ein helles Strahlen.

Guten Morgen. Sie hatte die Lichtgestalt auf den ersten Blick wiedererkannt. Während der letzten... Tage war ihr dieses Licht ein wenig ans Herz gewachsen. Das Misstrauen ihr gegenüber war größenteils sogar verschwunden. Und auch fühlte sie keine Ablehnung, wenn sie daran dachte, dass auch sie eine Rolle hatte. Doch warum dies so war, erschloss sich ihr nicht wirklich. Sie erinnerte sich an die Gedanken, die sie während des Lieds gehabt hatte.

„Guten Morgen.“ Es waren Gedanken gewesen, die sie hatte, während sie zu dem selig schlafendem Mädchen sah und sich gefragt hatte, wie die Zukunft aussehen mochte. Ob sie sie wirklich beeinflussen konnte? Sie wusste es nicht. Doch hatte diese Ungewissheit sie jemals daran gehindert, ihren Weg zu gehen? Und nun schien es, als würde dieser Weg in eine andere Richtung gehen, als sie gedacht hatte.

Was auch immer sie gedacht hatte.

„Dürfte ich Ihnen eine Frage stellen?“, fragte sie schließlich, während sie nachdenklich die feinen Linien des Mädchens betrachtet hatte. So zart. So zerbrechlich erschien sie ihr, dass sie manchmal dachte, dass es unmöglich wäre, sie aus ihrer Frucht, ihrem Schutz, herauszunehmen.

Aber natürlich, mein liebes Kind. Du darfst alles fragen, was du nicht verstehst.

Sofort dachte sie an eine Frage, die ihr schon das ganze vergangene Leben Kopfschmerzen bereitet hatte, doch diese ließ sie nun außen vor. Sie schluckte, als ihr die Tränen wieder kamen, ebenso wie die Erinnerungen. Mit beruhigender Atmung versuchte sie, ihre Augen trocken zu halten, sich zu beherrschen.

Das Lichtwesen rückte schweigend ein wenig näher an die Halbelfe heran. Ein klein wenig, aber es half ihr schon. Wärme hatte sie nur selten wirklich genießen dürfen. Meistens waren ihre Eltern und auch ihre Familie sehr beschäftigt gewesen, doch auch sie war es gewesen. Sie erinnerte sich an Tage zurück, an denen sie bis spät in die Nacht trainiert hatte. Szenen der Vergangenheit, die in ihr wieder aufblühten.

Dann besann sie sich abrupt wieder in die Gegenwart zurück. Sie hatte die Lichtgestalt schon lange genug warten lassen, auch wenn diese immer noch mit einem freundlichem Gemüt neben ihr schwebte. „Wie heißt das Mädchen?“

Auch jetzt noch blieb das Gefühl eines warmen Lächelns bei Alyne erhalten. Das habe ich mir schon gedacht, dass du das fragen wirst. Ihr Name lautet Aura. Dir kommt der Name bekannt vor, nicht? In der Tat musste Alyne an ein gleichklingendes Wort denken.

„Wie die Aura, die man haben kann und die man … ausstrahlt?“, versuchte sie den Begriff in Worte zu fassen.

Ja, genau. Ein schöner Name, nicht?

Alyne wusste es nicht so recht. Es war ein vor allem ungewöhnlicher Name, wie sie fand. Im Elfendorf gab es niemanden, der zwei aufeinander folgende Vokale im Namen trug. Sie wunderte sich nun ein wenig, warum sie die Namen im Dorf nie verwundert hatten. Chael. Zuan. Doch nun... „Sie fängt ja mit demselben Buchstaben an wie ich.“ Ein kleines Lächelns stahl sich auf ihr Gesicht. Im Grunde war es ja auch egal, ob der Name diese Besonderheit nun hatte oder nicht. „Aura“, wiederholte Alyne den Namen. Er war wirklich schön.

Ja, genau. Aura. Sie hat sich den Namen übrigens selbst ausgesucht, weißt du?

Alyne sah sie schief an. War das eben ein Scherz gewesen? Sie dachte, das Mädchen schlief gerade? Oder konnte es doch Gedanken nach außen tragen?

Nirom Eruaf kicherte leise. Naja, das nicht direkt, aber ich kann ihre Gedanken hören. Aber momentan schläft sie ganz ruhig und tief.

„Hört sie unsere Stimmen?“, fragte die Halbelfe halb erstaunt, halb nicht wirklich überrascht. Das Lichtwesen konnte auch ihre Gedanken lesen, warum also nicht auch die des Mädchens?

Manchmal. Aber sie schläft oft mehrere Tage lang. Sie spürte aufflammende Sorge von dem Lichtwesen ausgehen. Manchmal mache ich mir Sorgen um sie. Aber sie meint immer, dass es ihr gut ginge. Die Gedanken der Lichtgestalt schienen ein wenig abzuschweifen, jedenfalls schien sie nachdenklicher geworden zu sein. Du hast ihr vorgesungen?, fragte sie dann abrupt.

Ertappt blickte Alyne an die Decke, die nicht ersichtlich war. Woher wusste sie das? Sie hatte es niemanden erzählt. War sie doch hier gewesen und sie hatte sie nur nicht bemerkt? Gut möglich. Sie haderte ein wenig mit sich selbst. Sie hatte ja kein Verbrechen oder so begonnen. Oder gehörte Singen nun zu den Straftaten?

Keine Sorge, lachte das Licht dann amüsiert auf, du musst dich nicht rechtfertigen. Ich bin nur neugierig. Was für ein Lied war es? Weißt du, ich interessiere mich sehr für Musik. Findest du nicht auch, dass Lieder eine besondere Wirkung haben?, plapperte das Licht fröhlich und beinahe wie ein normaler Mensch oder eine normale Elfe.

Alyne war mit der Situation ein wenig überfordert, doch antworten tat sie dann doch: „Ich weiß nicht, ob das Lied einen Namen hat. Meine Eltern haben es gerne gemocht und Feliff meinte, dass er es auch kannte. Er hat gesagt, dass er es vom Wald beigebracht bekommen hätte.“ Dann schwieg sie, um die Reaktion des überirdischen Wesens abzuwarten.

Diese ließ nicht lange auf sich warten. Es schien Alyne so, als würde Nirom Eruaf langsam nicken und sich in irgendetwas bestätigt sehen. Ich habe mir das schon gedacht...

„Was haben Sie sich gedacht?“, fragte die Halbelfe prompt nach, wobei sie im selben Moment sich über ihr loses Mundwerk ärgerte. Dennoch war es eine Frage, die sie interessierte, denn jeder schien mehr zu wissen als sie. War es da falsch, wenn sie selbst auch etwas wissen wollte?

Du bist wirklich etwas ganz Besonderes, mein liebes Kind. Ich bitte dich noch einmal um deine Hilfe, wich das Wesen ihrer Frage aus, ohne dass sie etwas wirklich davon bemerkte. Denn Alyne schluckte, als sie mal wieder diese Worte hörte. Etwas Besonderes. In ihr rebellierte es wieder, obwohl sie es doch akzeptiert hatte, oder nicht? Die vorige Frage war vergessen. Sie atmete tief durch. Es war in Ordnung. Sie durfte das glauben. Ohne dich schaffe ich es nicht. Und auch mit Feliffs Hilfe ist es nur schwer möglich. Du bist die Einzige, der Aura wirklich vertraut.

Alynes Atmung setzte einen Schlag aus. Was hatte sie eben gerade gesagt? Sie sei die Einzige, der Aura vertraut? Sie kannten einander doch noch nicht einmal! Wie konnte da etwas wie Vertrauen bestehen? „Aber-“

Ich weiß, was du gerade denkst. Ich gebe zu, es ist ein wenig kompliziert, aber nun musst du mir ein wenig vertrauen. Die Wahrheit ist, dass sie von sich aus so lange schläft. Sie hätte die ganze Zeit aus dem Konkon herauskommen können, doch sie wollte das nicht. Sie ist scheu und misstrauisch, weißt du? Nur einer ganz bestimmten Person möchte sie trauen und das bist du. Die Lichtgestalt hatte sich von dem Platz neben Alyne entfernt und schwebte nun vor ihr, ein unwirklich heller Schemen, dessen Gedanken sie in ihrem Kopf laut vernahm. Allein diese Tatsache war skurril.

Genau wie der ganze Wald hier, Efarnia war ein Rätsel für sich. Da erschien ihr die Komplexheit des Automatens so einfach wie ein Fingerschnippen. „Aber woher weiß sie, dass man mir vertrauen kann?“

Sie weiß es einfach. Es ist ein Gefühl in ihr. Sie mag dich.

Sie zwang sich, das aufwallende Gefühl von Wärme zu unterdrücken. Nein, das konnte doch nicht sein, oder? Der ganze Aufenthalt in diesem Wald erschien ihr unwirklich und surreal. All die Wärme und Fürsorge. Das Gefühl, welches sie momentan erfüllte. Das Gefühl, akzeptiert und gemocht zu werden.

Sie schluckte. Sie konnte all die Geschenke, mit denen sie seit ihrer Ankunft regelrecht beworfen wurde, nicht annehmen. Oder doch? In ihr wütete ein unbestimmtes Gefühl, welches ihr Herz zerriss und sie kaum noch atmen ließ. Sie wollte weinen und gleichzeitig stark sein. Sie wusste nicht, warum all das über sie schwappte, einer Flutwelle nicht unähnlich.

Es ist alles in Ordnung, mein liebes, liebes Kind, hörte sie wieder die Stimme der Lichtgestalt, welche sie warm umhüllte. Im Zustand ihrer Verwirrtheit ließ sie es zu, dass die Wärme sie umfloss. Du darfst es annehmen. Auch, wenn es dir unwirklich erscheint. Auch, wenn du es nicht glauben kannst. Die Welt besteht eben nicht nur aus den möglichen Dingen, das weißt du doch. Alles ist in gewisser Weise möglich und unmöglich, oder nicht? Ein verschmitztes Lächeln zierte ihre Wärme.

Alyne blieb lange Zeit still, dachte aber auch nicht wirklich über etwas nach.
 

Der reinblütige Elf fand sich langsam etwas besser in der Dunkelheit zurecht, doch das war vielleicht etwas spät, denn er befand sich auf dem Rückweg. Ihm war immer noch das Gespräch mit Faure Morin klar im Gedächtnis. Sie hatte ihm von den Plänen ihrer Schwester erzählt und der Behauptung, sie würde einen Krieg anfangen! Er hatte nur geschwiegen und zugehört, eine Bestätigung für sein Gefühl bekommen.

Nachdem seine Fragen geklärt waren – so viele waren es nicht – durfte er sich aus diesem Wald endlich rausbewegen. Ihm war es schleierhaft, wieso sie ihm dann alles freimütig erzählt hatte und warum sie es nicht schon eher getan hatte. Denn er vermutete, dass sie schon geahnt hatte, welche Fragen ihn quälten, da sie ihm schon mit beinahe schlafwandlerischer Sicherheit exakt die Informationen gab, die er benötigte. Vielleicht hatte der Besuch sich doch nicht so gelohnt, schlussfolgerte er im Anblick der absoluten Dunkelheit um ihn herum. Er musste aufpassen, sich nicht allzu geblendet vom Licht zu fühlen, wenn er den Rand Ainrafes erreichte. Vielleicht gab es auch noch ein weiteres Licht, vor dem er sich hüten sollte...

Doch da war noch etwas Anderes, das ihn während seinem erstaunlich ruhigen Weg beschäftigte. Während er sich durch den schemenhaft vor ihm zeichnenden Wald ging, hingen seine Gedanken immer noch an dem Ort, an dem er zuvor war. Der Junge... Wer war er bloß? Er hatte ihn nicht gespürt, er musste ein Werk von ihr sein. Doch zu welchem Zweck?

Im Umkehrschluss musste das heißen, dass auch ihre Schwester etwas in der Art besaß, oder? Jemanden, der die Wesen des Waldes an ihrer Stelle kontrollieren konnte. Das war die einzige, logische Schlussfolgerung, die er schließen konnte. Obgleich er nicht ihre Art der Magie spüren konnte, so war ihm doch bewusst, dass Nirom Eruafs stetig schwindete. Und das musste auch bei ihr der Fall sein.

Er seufzte.

Die Beiden waren wirklich kurz vor einer Auseinandersetzung unvorstellbaren Maßes. Er wollte sich nicht vorstellen, was sie in die Köpfe der Rebellen und Elfen eingepflanzt hatten und wie die Welt aussehen würde, würde er endlich aus diesem wahrlich verfluchten Wald herauskommen.
 

Wenige Tage nach der Ankündigung eines Monsters fügte Inkalak, der immer noch im Dorf rumstreunte und nicht so recht mit seiner Lage umzugehen wusste, Puzzleteile grob zusammen. Er vermutete, dass dieses Monster unter anderem ein Anlass dazu gewesen war, dass die beiden Hals über Kopf geflohen waren. Er erinnerte sich nun auch ganz schwach an diesen zischenden Geruch, der aber relativ schwach gewesen war. Er erzählte dieses Detail einem der Rebellen, die ihm ranghoch erscheinen und mit denen er sich – wenn auch auf misstrauisch-vertrauender Basis – angefreundet hatte.

Daraufhin nahm die ganze Sache noch mehr Fahrt auf. Es wurden Sachen gepackt, Kämpfer ausgebildet und auch die beiden Elfen, die scheinbar vom Hof kamen, bewegten sich nun ebenso wie er frei herum. Und man hatte auch ihn, den erfahrenen Kämpfer um Unterstützung gebeten. Er hätte dem vollen Herzens zugesagt, wäre da nicht noch die eine Sache, die immer noch ein wenig an seinem Herzen nagte.

Der Verbleib seiner zwei neuen Freunde. Er wusste weder, wo sie sich befanden, noch, wo sie geblieben waren und was ihnen passiert ist. Er war ahnungslos und wusste nicht, was das beste wäre, um ihnen zu helfen. Wahrscheinlich die Jagd aufnehmen, doch er würde nur von Sorgen zerfressen den anderen im Weg stehen. Das könnte er ihnen doch nicht anmuten.

Inmitten der zweiflerischen Gedanken seinerseits entdeckte er ein Mädchen, welches wie er am Rand des Dorfes spazieren ging, wo sich sonst nur wenige aufhielten. Sie hatte kurzes, schwarzrotes Haar, das mit sanften Wellen ihren Kopf zierte, und ihm den Rücken zugewandt. Sie schien nach vorne zu schauen, nachdenklich war sie stehen geblieben.

Er zögerte nicht lange, sie anzusprechen. „Guten Tag, junges Mädchen! Was führt dich hierher?“

Die kleine Rebellin zuckte schuldbewusst zusammen und drehte ihren Kopf kleinlaut. Nun hatte er eine bessere Sicht auf ihr hellblaues, fluffiges und dennoch einfaches Stoffkleid, welches ihr zu den Knien reichte. Es hatte kleine Puffärmel und sie trug weiße Sandalen dazu. Es stand im Kontrast zu ihrer dunklen Haut, die die Farbe von Vollmilchschokolade hatte.

„Ich wollte dich nicht anklagen oder so!“, beschwichtigte er die Kleine sofort. Ihm waren sofort ihre ungewöhnlichen Augen aufgefallen. Dunkelblau mit silbernen Sprenkeln, so etwas hatte er zuvor noch nicht gesehen. „Was machst du denn hier draußen so ganz allein?“ Er lächelte sein gutmütiges Lächeln und auch das Mädchen schien sich etwas zu öffnen.

„Ich warte auf jemanden.“ Ihre Antwort erfolgte mit ihrer hohen Kinderstimme, die sich angenehm in das Ohr fügte. „Aber dieser Jemand ist noch nicht gekommen“, fügte sie noch hinzu, weil sie dachte, dass es nötig wäre, es noch einmal zu erläutern, „Deswegen warte ich hier.“ Nach einer kurzen Schweigepause rang sie sich noch einen Satz ab: „Warum bist du hier?“ Man hörte deutlich ihre Neugier heraus.

„Ich? Ich gehe nur spazieren. Die Umstände im Dorf waren ein wenig erdrückend, weißt du? Auf wen wartest du denn, Kleines?“

Das Mädchen errötete leicht bei der Anrede. „Ich bin nicht klein!“ Eine in Relation mit dem Hünen gesetzte etwas kraftlose Aussage. „Aber warum ist sie denn so erdrückend?“ Ihre Neugier schien, einmal losgetreten, nicht zu bremsen zu sein.

Er lachte leise auf. „Ich weiß nicht, ob du das schon verstehst, Kleines. Die Sachen der Erwachsenen sind sehr kompliziert und nicht sehr einfach zu verstehen. Aber wenn du willst, erklär ich sie dir gerne.“ Er lächelte ihr aufmunternd zu. Sie nickte freudig, dabei leuchteten die silbernen Sternchen in ihren Augen ein wenig heller, oder bildetete er es sich ein? „Also schön.“

Er atmete tief durch, ehe er zu einer Erklärung ansetzte, als er auch schon durch jemand anderen unterbrochen wurde.

„Du warst das also!“

Er erkannte die Stimme nicht sofort, doch als er sich zu dem Quell der Stimme umdrehte, so erkannte er sofort an dem feinen Äußeren der Dame, dass es sich um die eine Hofelfe handeln musste. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch den jungen Elfen, der sie begleitete und im Hintergrund alles mit undurchschaubarer Miene musterte.

Das Mädchen zuckte wieder zusammen und fand reichlich Schutz hinter dem Riesen Inkalak. Dieser gebot ihr den gerne, sah er doch, wie veränstigt sie aufgrund dieser Anklage wurde. Doch auch an der Elfe schien diese Reaktion nicht spurlos vorbeizugehen. Sie schlug sich beschämt die Hände vor das Gesicht und sah verlegen zur Seite. Ihre Haare wippten bei dieser Bewegung mit, ebenso wie ihr luftiges Kleid, welches sie trug. Erstaunt beobachte der Elf die Wandlung bei der Elfe, als ihr Begleiter ihr beschwichtigend eine Hand auf die Schulter legte. Sie schien wieder Mut zu gewinnen. Sie holte noch einmal tief Luft und wandte sich dann immer noch etwas beschämt den beiden zu.

„Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken oder anklagen“, haderte sie mit den Worten und versuchte, die richtigen zu finden. Das Mädchen kroch vorsichtig hinter ihrem Schutzwall hervor, ihre Augen irritierten die Elfe, denn sie sah kurzer Hand wieder in eine andere Richtung. Wieder zuckte das Mädchen zurück. Frustriert seufzte die Elfe und verabschiedete sich prompt. Sie verschwand mit ihrem Begleiter ebenso schnell wie sie gekommen waren.

„H-habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte das Mädchen zögerlich, nachdem die beiden verschwunden waren.

„Nein, nein“, beschwichtigte Inkalak die Kleine. „Es ist alles in Ordnung, du hast nichts falsch gemacht.“ Jedenfalls glaubte er das, wissen tat er es natürlich nicht. „Ich bin mir sicher, dass sich das irgendwann aufklären wird. Mal so nebenbei“, fügte er noch hinzu, „auf wen wartest du eigentlich?“

Und da grinste das Mädchen wieder unbeschwert. Sie hüpfte hinter seinem Rücken hervor und erwiderte mit einem verschmitzten Lächeln: „Das darf ich dir nicht verraten. Aber ich kann dir das Dorf zeigen!“ Mit einem Mal war sie voller Elan dabei. „Dann lernst du ganz viele nette Leute kennen!“ Sie sah ihn mit glitzernden Augen ab, sodass er gar nicht anders konnte, als anzunehmen.

„Na, dann stell sie mir doch mal vor.“

Und tatsächlich stellte sie ihm beinahe das komplette Rebellendorf vor. Aus namenslosen Gesichtern wurden Personen mit individuellen Charaktern und Berufen, Stärken und Schwächen. Sie wurden zu Persönlichkeiten, die er allesamt in sein Herz schloss. Es war schon beinahe magisch, wie er auf Vorstellungen von Personen reagierte. Es war, als würde er diese Informationen förmlich aufsogen, sie für immer in sich behalten. Binnen eines Tages war er mit den Rebellen vertraut, hatte sie kennen und lieben gelernt. Es grenzte schon an ein Wunder, wie schnell er Vertrauen fasste und wie – man konnte es schon als leichtfertig bezeichnen – schnell er dieses Vertrauen an andere Wesen verteilte.

„Danke, dass du mir all diese Elfen vorgestellt hast.“ Es war nun später Abend geworden und sie befanden sich an jenem Ort, an dem sie sich zuerst getroffen hatten. „Der Tag hat mir heute wirklich Spaß gemacht.“ Er lächelte.

„Danke dir auch! Das war ein lustiger Tag!“ Sie lachte. „Wir müssen das unbedingt wiederholen.“

„Ich fürchte, das geht schlecht. Schließlich hast du mir ja heute schon das ganze Dorf vorgestellt, oder?“

Kreidebleich sah sie ihn schockiert an.

„Kein Grund zur Sorge!“, beschwichtigte er sie umgehend. „Wir können ja auch etwas Anderes zusammen unternehmen.“

Nun strahlte sie wieder und nickte heftig. „Versprochen?“

„Versprochen.“ Er und sie machten den Schwur mit dem kleinen, überkreuzten Finger, lächelten einander aufmunternd und zufrieden zu. Da fiel ihm noch etwas auf. „Wo wohnst du denn? Soll ich dich dahin bringen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Es kommt mich gleich jemand abholen, also bis dann!“ Sie winkte ihm zu, während er selbst wieder auf das Zentrum steuerte, wo hingegen sie an Ort und Stelle stehen blieb. Er fragte sich nur kurz, wo sie wohl wohnen würde und wer sie abholen würde, doch lange hielt er sich an diesen Gedanken nicht auf. Schließlich war er optimistisch, dass schon jemand kommen würde. So also ging er mit einem glücklichen Gefühl im Bauch auf sein eigenes, zeitweiliges Quartier zu.
 

Bei Alyne ging es weniger behaglich zu, wenn auch nicht unbedingt so unbequem. Sie hatte sich eingeengt gefühlt, woraufhin die Lichtgestalt sie verlassen hatte. Mit den Worten 'Denk in Ruhe nach, mein liebes Kind. Ich werde später noch einmal wiederkommen und dir dieselbe Frage stellen. Wie du mir antwortest, ist deine Sache, und ich möchte dir auch nicht reinreden, doch du musst wissen...'

„... dass Aura sich sehr freuen würde, dich richtig kennenzulernen...“, murmelte sie gedankenverloren vor sich hin, immer wieder diese Sätze wiederholend. Sie fühlte sich nicht so, als wäre es tatsächlich ihre Wahl. Doch mit Optimismus schaffte man doch alles, so versuchte sie, sich davon zu überzeugen, dass sie es zu ihrer Wahl machen konnte. Sie wollte wirklich daran glauben, denn dieses Mädchen hatte es ihr wirklich angetan. Sie konnte es schon beinahe nicht mehr ertragen, sie so leblos schlafend zu sehen, auch wenn sie lächelte.

Und lächelte.

Alyne blickte in eine andere Richtung, denn ihr Herz tat ihr auf einmal unersäglich weh. Dann seufzte sie, ihre Miene wankte noch, doch mit entschlossener Stimme rief sie in den hohlen Stamm des Urbaumes hinein: „Nirom Eruaf, bist du noch da?“

Ich bin immer da, mein Kind, ertönte ihre beinahe augenblickliche Antwort, als hätte sie nur darauf gewartet. Hast du dich entschieden? Alyne wurde das Gefühl nicht los, dass sie ganz genau wusste, was sie antworten würde.

Sie schluckte noch einmal, ehe sie sagte: „Ich werde dir helfen.“

Fließende Gedankenspiele

Nach der Begegnung mit dem kleinen Rebellenmädchen war Erfline ein wenig durcheinander. Sie konnte, ehrlichweise, noch nie so recht mit Kindern umgehen. Futave hingegen, und das bewunderte sie an ihm, war ein umgänglicher Elf. Im Grunde, so wurde ihr langsam bewusst, konnte sie noch nie so recht mit Personen umgehen, außer es ging um eine Verhandlung. Ihr entfuhr ein trockenes Lachen, während sie auf dem Bett lag und an die Decke starrte, die an einigen Stellen Einbuchtungen zu haben schien.

„Stimmt etwas nicht?“, kam es sofort von Futave. Natürlich hatte er die Nachdenklichkeit und den Unmut von ihr bemerkt, natürlich.

Sie seufzte. „Nein, es ist alles in Ordnung.“ Nach kurzem Zögern fügte sie noch hinzu: „Oder so.“

Er erhob sich von seinem Platz am Tisch, wo er irgendwelche Papiere mit irgendetwas vollgekritzelt hatte – Papier und Stift hatten sie zum Glück erhalten – und ging zu ihr hinüber. Das Bett quietschte ein wenig, als er sich auf die weiße Bettdecke neben sie setzte. Sie sah monoton zur Decke hinauf, als wäre sie das Interessanteste, was sie jemals in ihrem nicht allzu kurzen Leben gesehen hatte.

„So, alles in Ordnung also?“ Es klang unverhohlen skeptisch, doch sie hatte auch nichts Anderes erwartet. Wieso war sie eigentlich nur so unehrlich und arrogant? Und überhaupt nicht gesellschaftsfähig. Sie erinnerte sich an das erste Treffen mit dem reinblütigen Elfen zurück. Es war unglaublich, wie sie sich verändert hatte. „Ich seh dir doch an, dass etwas nicht stimmt“, meinte er dann mit mildem Nachdruck.

„Ich denke nur nach.“

„Aha.“ Er sah sie eindringlich an, doch dann stahl sich ein leises Lächeln auf sein Gesicht. „Ich weiß, dass du nachdenkst. Du denkst immer nach.“

„Und was soll das jetzt heißen?“ Sie schlug ihn scherzhaft und drehte sich zur Wand hin, um nicht mehr sein Lächeln sehen zu müssen. Irgendetwas tat in ihr weh, doch sie konnte beim besten Willen nicht sagen, warum.

„Du machst dir zu viele Sorgen“, lautete seine knappe, aber sanfte Antwort. Dann schwieg er eine Weile in die Stille hinein, denn sie wusste nichts darauf zu erwidern. Ja? War das so? Sie hatte sich selbst ein wenig verloren, jedenfalls fühlte sie so.

Dann fiel ihr eine Tatsache auf, die sie traurig stimmte. „Du gehst bald, oder?“ Sie spürte wieder dieses Ziehen in ihrer Brust, welches sie schon kannte. Es trat immer zu einem bestimmten Ereignis auf, und dies geschah gerade.

„Ja.“ Es war die nackte Wahrheit. Sie hatten mit der Anführerin gesprochen. Sie hatte ihre Pläne gehört. Sie hatte überlegt. Es dauerte nicht lange, da ließ sie mittels eines Boten übermitteln, dass er abreisen durfte. Man wollte einen momentanen Krieg mit den Elfen vermeiden, es gab etwas Wichtigeres zu tun. So lautete der offizielle Plan, doch Erfline glaubte nicht so recht daran. „Ich werde morgen schon gehen.“

Sie verkniff sich einen weiteren Seufzer. „Pass auf dich auf, ja?“

„Natürlich. Du aber auch auf dich, okay?“

„Ich bin ja kein kleines Kind mehr!“, erwiderte sie trotziger als sie vorhatte. Sie seufzte und vergrub ihren Kopf im Kopfkissen.

„Hey, nicht immer den Kopf einziehen.“ Er lächelte sanft, nahm Haarsträhnen von ihr in die Hand und spielte mit ihnen. „Du solltest dir nicht immer den Kopf zerbrechen.“

Sie murmelte nur etwas Unverständliches in das Kopfkissen hinein.

„Ich muss noch etwas für die Reise packen, also lass ich dich erst einmal allein, okay?“ Er strich ihr über die Haare, die er gedankenverloren betrachtete. „Ich bin sofort wieder hier.“

Sie brachte nicht den Mut auf, ihn zurückzurufen, als sie hörte, wie die Tür sich leise wieder schloss.
 

Feliff hatte sich entschlossen, erst einmal den Elfen einen Besuch abzustatten. Denn bei den Rebellen wusste er nach wie vor nur vage, wo dieses sich befand, doch damit konnte er nicht mehr arbeiten. Es stand eine Katastrophe bevor, so viel war sicher, und das Spielfeld... Nun, das würde wohl die Welt bilden. Gleichzeitig wusste er aber nur wenig von den Gebieten außerhalb des Landes. Es gab noch so viel zu entdecken und dennoch...

Dennoch drohte alles in einem Abgrund zu versinken.

Er konnte diese beiden Mächte einfach nicht verstehen und gleichzeitig konnte er diese Wesen nachvollziehen wie es wohl keinem Anderem gelingen möchte. Ein langes Leben war nicht unbedingt das, was man sich nach der Ewigkeit wünschte. In diesem Sinne konnte er die beiden nachvollziehen, aber dennoch. Es war einfach nicht... nicht fair.

Sie konnten das doch nicht nur deswegen tun!

Mit jedem weiteren Gedanken wankte sein Entschluss keine Sekunde, mit jedem Schritt, den er tat, gewann er mehr Zuversicht. Er lieh sich etwas von Alynes unverbesserlichem Optimismus, für den er sie schätzte, und schritt erhobenen Hauptes auf das Elfendorf zu, wo alles begonnen hatte.

Während er dieselbe Strecke lief, die er schon genommen hatte, als er das erste Mal dahin gezogen war, kamen ihm laue Gedankenflüsse, kleine Erinnerungen in noch winzigeren Päckchen. Es waren die Gründe für seine Reise, warum er überhaupt losgezogen war.

Und seine Schritte stockten mit einem Mal. Er wusste nun wieder, was es gewesen war, was ihn getrieben hatte. Er zwang sich, dennoch seine Schritte in diesem schon winterlich anmutenden Wald fortzusetzen. Sie fielen ihm schwer wie schon lange nicht mehr, doch gleichzeitig fragte er sich, wieso er es plötzlich in dieser Form wusste?

Hatte es etwas mit dem Besuch in Ainrafe zu tun?

Und wenn ja, waren es die ungefälschten Befehle des Lichts oder falschen Illusionen der Finternis?

Er wusste es nicht und so leicht würde er es wohl auch nicht herausfinden können. Es war ein Mysterium für sich, ein ungelöstes Rätsel, dessen Antwort so leicht wäre. Doch diese beiden Wesen waren schweigsam und er konnte sich kaum eine Antwort von ihnen erwarten. Sie schwiegen wie ein Grab und waren doch immer dem Plaudern nah.

Obgleich er ihre Gründe teilweise nachvollziehen konnte, vom Verstehen war er weit entfernt. Er schluckte, während er den Weg fortsetzte. Er beschloss, dass er diese Erinnerungen ignorieren sollte. Die Gefahr, dass sie irreführend waren, war einfach zu hoch. Besser, er vergaß sie schnell wieder. Er fühlte auch die Präsenz von Elfen wieder. Er war dem Elfendorf nahe, das spürte er und nun musste es schneller gehen. Er durfte sich nichts von seiner Unsicherheit anmerken lassen, es war einfach ein Prinzip, dem er folgen musste.

Bruchstückenhaft ließ er seine Aura wieder frei, die ihn als einen Reinblütigen kennzeichnen würde. Er hörte schon förmlich das Gewisper, welches sich erhob. Immer mehr und mehr seiner Kraft ließ er heraus, die die anderen Elfen untertan machen würde. Sofort versiegte der Strom wieder. Was tat er gerade? Er schüttelte den Kopf, zumindest innerlich, während er äußerlich seine Fassade aufrecht erhielt, wie einen Turm, der unter Beschuss stand. Er würde diese Elfen nicht manipulieren, nein.

Es musste doch auch so funktionieren, oder nicht?

Er drückte seinen Rücken durch, hob sein Kinn minimal und schritt dann festen und aufrechten Ganges die letzten Meter, welche ihn von der Grenze trennten. Er hörte nun wirklich die aufgeregten Stimmen der Bewohner. Es war alles wie beim ersten Mal, so schien es ihm jedenfalls. Natürlich stimmte es nicht, sonst wäre er niemals unbehelligt zu der Wohnung gekommen, die er sich dort gemietet hatte. Ein bescheidener Wunsch stand im Kontrast zu seiner Herkunft. Dennoch hatte er darauf bestanden, diese Wohnung neben dem Halbelfenmädchen zu bekommen.

Der Grund... war ungewiss.

Als er unter den Bäumen hervortrat, erwartete ihn das bekannte Szenario. Und doch war da etwas Neues, jemand an einem Ort, den er nicht spürte.

Wieso war der Dorfberater des Westdorfes hier?
 

Es war ein weiterer Tag, der scheinbar ohne Bedeutung zu verstreichen gedachte. Inkalak war mal wieder auf einem seiner vielen Spaziergänge durch das Rebellendorf, die nun, nach der Begegnung mit dem kleinem Mädchen, viel geselliger abliefen als zuvor. Er war froh um diese Geschäftigkeit wusste er doch um seine baldige Abreise. Unsicheren Schrittes hatte er sich zuerst zur Anführerin aufgemacht, doch als er ankam, war er voller Mut, dass das, was er tat, richtig wäre. Würde dieses Biest verschwinden, würde die Welt sicherer werden, sowohl für seine kleine Halbelfenfreundin als auch für die Rebellen.

Er konnte einfach nicht glauben, was der Hof veranstaltete, und doch war es ein laues Gefühl der Bestätigung. Im Grunde wartete man nur auf Bestätigung dafür, dass es stimmte. Ja, natürlich. Was sollte es auch andereres sein? Manchmal glaubte auch er den guten Willen der Hofelfen für verloren, doch darüber wagte er nicht weiter nachzudenken.

Stattdessen zog eine andere Tatsache sein Augenmerk auf sich: Das kleine Mädchen. Er begegnete ihr, egal wie oft er an dem Ort ihrer ersten und letzten Begegnung vorbeigelaufen war, einfach nicht. Es war, als würde sie vom Erdboden verschluckt worden. Prüfend stapfte er leicht mit seinem Fuß auf den Boden unter sich, ein kindischer Gedanke trieb ihn. Konnte so ein zartes Mädchen tatsächlich...?

Eine abwegige Vorstellung, wenn man bedachte, dass sie doch vor ih stand! Er wollte seinen Augen kaum trauen als sie, wie beim ersten Mal, mit dem Rücken zu ihm am Rand des Dorfes stand. Doch dieses Mal war sie nicht alleine unterwegs. Sie wurde von der Hofelfe begleitet, die zurückhaltend lächelte, während das Mädchen ihr aufgeregt irgendetwas erzählte, dass er nicht mehr hören konnte.

Ein Lächeln stahl sich seinerseits auf sein Gesicht, als er diese harmonische Szene erblickte. Sie war also nicht vom Erdboden verschluckt worden. Es weckte jedoch sein Interesse, die beiden zusammen zu sehen. „Guten Tag!“, rief er also kurzer Hand in ihre Unterhaltung hinein. Die Elfe erschrak, doch das Mädchen schien noch ein wenig mehr zu strahlen.

„Inkalak!“, rief sie fröhlich aus, gefolgt von einer stürmischen Begrüßung. Ihm kam es nicht komisch vor, dass sie seinen Namen kannte, obwohl er sich nicht daran erinnern konnte, ihn gesagt zu haben. Nun gut, so etwas Alltägliches vergaß man leicht, nicht?

„Na, Kleine?“ Er tätschelte ihr den Kopf sanft und strich über ihr weiches, dunkles Haar. „Geht es dir gut?“

Sie nickte heftig und enthusiastisch. „Ja! Und das nette Fräulein hier hat sich für das letzte Mal auch entschuldigt!“ Sie strahlte. Dann drehte sie sich zu dem besagten Fräulein um. „Stimmt's?“

Erfline, die etwas überfordert schien, nickte. „Ich kam hier zufällig vorbei und habe sie dann gesehen.“ Sie fühlte sich wohl ein wenig unwohl, jedenfalls schien es dem Hünen so.

„Na dann! Sollen wir nicht etwas zu dritt unternehmen?“, entfuhr es dem Elfen frei heraus. Er lächelte beide gutmütig und fröhlich an, sodass auch die Elfe nicht wirklich anders wusste als zuzustimmen. Sie war ein wenig verwirrt ob der Freundlichkeit, mit der ihr begegnet wurde. Ja, Freundlichkeit war etwas, was in ihrem Leben nur selten Platz gefunden hatte. Die Schule war ein ewiger Konkurrenzkampf gewesen, der sie ausgelaugt hatte. Sie fragte sich, wie sie eigentlich so geworden war, wie sie nun war.

Da spürte sie, inmitten all ihrer Nachdenklichkeit, ein Zupfen an ihrem Kleidsaum. Es war das kleine Rebellenmädchen, welches sie wegen ihrem verzogenem Gesicht fragend ansah. „Tut dir etwas weh?“, fragte sie besorgt.

Erfline schüttelte den Kopf, auch wenn es nicht stimmte, doch was konnte ein Kind von ihren Sorgen wissen? Genau, nichts. „Nein, es ist alles in Ordnung. Mir geht es gut.“

Das Kind durchschaute die Lüge mit seinem sensiblen Gefühl sofort, doch sagte nichts weiter dazu. Sie schenkte der älteren Elfe ein aufmunterndes Lächeln. „Das wird schon!“ Sie klang zuversichtlich, ihr Optimismus war nicht zu verkennen. Die Haare des Mädchens wippten, was ihr noch mehr Lebendigkeit verlieh als sie ohnehin schon ausstrahlte.

„Danke.“ Sie lächelte dem Mädchen schon beinahe scheu zu.

Da räusperte sich der Hüne, gerührt von der Szene, aber dennoch mit einem leichten Schmollen versehen, und verschaffte sich Aufmerksamkeit. „Du kennst die Dorfbewohner noch nicht, habe ich Recht?“

Ertappt blickte sie beschämt zu Boden.

„Dafür brauchst du dich doch nicht zu schämen!“, polterte der zugegebenermaßen nicht immer ganz so sanfte Elf, dicht gefolgt von einem ermunternden Rückenklopfen. Sie musste sich fassen, um nicht direkt wegen dem Druck seiner Hände direkt vornüber zu kippen. „Oh, entschuldige.“ Er sah sichtlich besorgt aus, hatte er doch schon wieder seine eigene Kraft unterschätzt. „Ich hoffe, dir geht es gut?“

Sie nickte nur stumm und versuchte sich an einem zuversichtlichen Lächeln, welches jedoch auch einen leicht verzweifelten Charakter besaß.

„Nun gut!“ Er lachte wieder, als wäre nichts gewesen, was die Elfe ein wenig in Verwunderung setzte, doch gleichzeitig fand sie es auch erleichternd, nicht nur als zierliche Puppe behandelt zu werden.

„Wollen wir dann gehen?“ Das Rebellenmädchen hatte bei dem Vorschlag Inkalaks große Augen bekommen. Noch einmal all ihre Freunde sehen, sie freute sich schon riesig.

Dennoch kamen Erfline Zweifel, während sie sich auf den Weg in das Dorf machten. Immerhin war sie eine Hofelfe und man war ihr nicht unbedingt wohlgesonnen. Wäre es nicht besser, sie hielte sich zurück? Es wäre doch wirklich besser, wenn man sie nicht mit ihnen vertraut machte. So bekam der Schrecken doch nur einen Namen, oder? Und Futave fehlte ihr. Bei dem Gedanken an ihren Partner, der nun bestimmt im Elfendorf sein musste, riss sie sich am Riemen. Er hatte ihr gesagt, sie solle sich nicht so viele Sorgen machen.

Vielleicht hatte er ja Recht und ihre Probleme waren schneller gelöst als sie gedacht hatte. Also beschloss sie, ihr Herz doch nun ein wenig zu öffnen. Sie sollte nicht immer so skeptisch sein. Das tat ihr vielleicht wirklich nicht gut.

In der Tat erwies sich der Rundgang, der ein wenig kürzer als der von Inkalak war, als eine gute Idee. Man begegnete ihr zuerst mit Misstrauen und wenig Vertrauen, doch nachdem man ein paar leise und ernste Worte gewechselt hatte, nicht selten zu dem Monster, waren auch ein paar Dorfbewohner bereit, sich auf ein Gespräch mit ihr einzulassen. Man war neugierig, wie man am Hof so lebte. Sie erzählte mehr oder minder bereitwillig das, was eigentlich allgemein bekannt sein dürfte. Von der Erziehung der Elfenkinder bis hin zum Leben am Hof allgemein dachte sie jedenfalls, dass es jederman wissen müsste, doch das erwies sich als falsch. Mit Neugierde lauschte man ihren Schilderungen von der Schule und von den Festmählern und Festen, die der König ab und zu veranstaltete.

Sie fühlte sich ein wenig schlecht, wenn sie von dem verschwenderischen Leben am Hof erzählte, wo die Rebellen doch glücklich in ihrer Einfachheit zu leben schienen. Aber es erwiderte niemand irgendetwas Abfälliges, nur geflüstert konnte sie die ablehnenden Kommentare hören, sonst herrschte Neugier und Wissensdurst.

Warum sollten diese Elfen eigentlich so viel anders sein als sie selbst?

Kameraden

Sie wusste nicht, wie viele Tage seit jenem Tag verstrichen waren, an dem sie dem Lichtwesen ihre Mithilfe zugesichert hatte. Alyne konnte sich kaum noch an etwas erinnern, was darauf gefolgt war. War da ein grelles Licht gewesen? Sie wusste es nicht mehr. Jedoch fand sie sich ausnahmsweise immer noch irgendwo im Baum wieder, mal nicht an irgendeiner Lichtung in Efarnia. Das Licht schien verschwunden zu sein, sie war alleine mit der Frucht da. Sie blickte sich etwas verwirrt um, konnte sie sich zuerst nicht genau in die Umgebung einordnen.

Als ihr Blick jedoch auf das Zentrum des Baumes fiel, setzte ihr Herz einen Schlag aus. Sie stolperte von ihrem Ort am Rand des Stammes hinunter in die Senke, die man schon fast ein Tal nennen konnte. Doch dort war nichts. Die Frucht, die an ihrem seidenen Pflanzenfaden gehängt hatte, war verschwunden.

Sie hatte die Veränderungen nun wirklich wahrgenommen. Die Lichter waren verschwunden, sie hatten keinen Mittelpunkt mehr, um den sie in regelmäßigen Bahnen kreisen konnten. Doch was erhellte die Dunkelheit des Stammes nun? Sie blickte zur Krone empor, die sie nur erahnen konnte. Aber da war etwas. Ein großes, helles Licht, welches auf sie herabschien.

Und dann Hände, die ihr die Augen zuhielten. Alyne zwang sich, nicht zusammenzuschrecken, als diese warmen, zarten Hände auf ihrem Gesicht lagen. Sie erahnte, wer das war, und konnte es doch nicht wirklich glauben.

„Ich habe dich!“, ertönte eine glockenhelle, engelsgleiche Stimme.

„Du hast mich erwischt“, erwiderte die Halbelfe mit einem schwachen Lächeln, auch wenn ihre Gefühle wirr und unklar waren. Es erfolgte alles Schlag auf Schlag, sie konnte kaum denken oder richtig fühlen. Dennoch war sie erleichtert, dass Aura noch da war.

Und gerade in diesem Moment sah sie sie auch. Lichter, die in warmen Farben kreisten. Um sie kreisten. Besser gesagt, um Aura kreisten. Das Mädchen nahm die Hände von Alyne runter und verschränkte sie lächelnd hinter ihrem Rücken, als die Halbelfe sich umgedreht hatte. Diese lächelte dem Mädchen schwach zu, die es mit voller Strahlkraft wiedergab.

„Ich habe auf dich gewartet“, meinte das Mädchen daraufhin, welches nun ein hellbeiges Kleid anhatte, welches mit kleinen Puffärmeln versehen war und ihr bis zu den Waden reichte. Ihre Füße waren nackt, doch scheinbar wurden sie nicht vom Dreck der Erde beschmutzt. „Ich habe ganz lange gewartet, aber nun bist du ja da.“

Alyne verstand nicht, was das Mädchen von ihr wollte, aber da die treuen Lammaugen auf sie gerichtet waren, konnte sie nicht anders, als ihnen zu trauen. „Ja, ich bin endlich da.“ Sie lächelte.

Aura warf sich Alyne lachend in die Arme, das Gefühl der neu gewonnenen Freiheit strömte durch ihren Körper, der so lange geschlafen hatte. „Lass uns raus hier!“, rief sie mit Feuereifer, „Ich will endlich die Welt sehen!“ Sie zerrte diejenige mit mehr Lebenderfahrung in Richtung Stammrand, durch die Wärme dessen hindurch in die laue Brise der Freiheit. Zum ersten Mal – es erschien Alyne selbst ein wenig ulkig – erblickten sowohl die Halbelfe als auch das Mädchen aus der Frucht die Schönheit des Baumes im bahnenden Abendlicht.

Es war das erste Mal seit langem, dass sie den Himmel in tiefleuchtendes Rot getaucht sah, es war anders als das ewige Blau des Mittagshimmels gewesen. Damals verspürte sie noch keine Unruhe, als sie den Himmel in solcher Weise vor sich sah und genoß den Blick des schräg fallenden, goldenen Lichtes.
 

Feliff war nicht der Einzige, der nach langem oder kurzem Reisen in dem Dorf der Elfen ankam, wo alles ins Rollen gebracht wurde. Futave kam ungefähr zur gleichen Zeit wie er an, er spürte die Aura des Reinblütigen überdeutlich. In seine Gedanken hefteten sich Fragen, die einen Hauch von Angst mit sich trugen. Warum war er hier? Wieso? Was bezweckte er damit? Konnte er den Krieg verhindern? Wohin waren sie damals gegangen? Was war passiert? Waren seine Entscheidungen richtig gewesen?

All diese Fragen plagten ihn, während er sich dem Dorf näherte und dabei die mächtige Magie mehr und mehr spürte. Zweifelsohne war er nicht der einzige, der ihn wahrnahm. Dennoch war es ungünstig und ein viel zu schlechter Zufall. Man konnte es so und so sehen, denn gewissermaßen waren seine Chancen sogar recht gut, würde der reinblütige Elf ihn unterstützen. Doch auf diese Weise wollte er es nicht erringen, denn sobald sie seinem Einfluss entkamen, würde das Gemetzel losgehen.

Er musste sie überzeugen, mit Worten und tiefgründig, langanhaltend. Für die Ewigkeit eben, oder zumindest so lange, wie Erfline noch lebte.

Er schüttelte sich diese Gedanken vom Leib. Nun galt es zu handeln, nicht nachzudenken. Seine Schritte halten dumpf, aber selbstsicherer vom Waldboden ab, als er selbst erwartet hatte, doch er ging weiter nach vorne. Er wollte diesen Krieg nicht. Er würde zu viele Opfer kosten, er würde schlichtweg unsinnig sein.

Wieso musste auch er der König sein?

Die Welt war einfach ungleich und ungerecht. Nicht diejenigen, die es verdienten, waren an der Spitze, und auch nicht diejenigen, die es am besten machen würden. Warum zählte nur Skrupellosigkeit und Gier? Doch von diesem Zorn versuchte er sich mit jedem Schritt, den er tat, zu befreien. Er durfte den König nicht anfallen, denn er hätte sowieso keine Chance. Gegen ihn nicht und gegen seine Bewacher auch nicht.
 

Der reinblütige Elf nahm die Gestalt einer erhabenen Persönlichkeit an, während er durch die Elfenmenge trat. Sein Blick war fest und bestimmend der Menge zugewandt, die mit großen Augen zu ihm aufsah. Ihm wurde fast übel und schlecht, als er in diese erwartungsvollen Augen blickte. Sie erwarteten, dass er sie in den Krieg führen und zum Sieg verhelfen würde.

Wirklich?

Im Moment wusste er jedenfalls nicht, was er tun sollte. Seine Gedanken waren momentan auch eher auf den Punkt ausgerichtet, sich nicht zu blamieren. Die erwartungsvolle Menge teilte sich noch bevor er auf 5 Meter an sie herangekommen war.

„Oh, ehrwürdiger Elfis!“, ertönte dann eine brummende Stimme, welche die Menge in beinahe derselben Weise wie der Reinblütige teilte. Es war der König höchstpersönlich, der ihn nun empfang, anders als bei ihrer ersten Begegnung. „Womit verdienen wir nun die zweite Ehre, Euch hier anzutreffen?“, fragte er unüberhörbar aufplusternd und schmierig. Feliff musste sich zusammenreißen, nicht direkt irgendeine schnippische Antwort zu geben. Der König war eine Figur von mittlerer Größe mit kurzem, schwarzen Haar, erhabenen Gesichtszügen und dunklen, tiefen Augen, die undurchdringlich schienen.

„Guten Tag, Rie.“ Er hasste diese Titelsbezeichnungen, doch für diesen Moment fügte er sich noch. „Ich bin gekommen, um mit Ihnen persönlich um eine Sache zu beratschlagen und ihre Vorhaben bezüglich dessen zu hören.“ Sein Ton klang monoton wie beabsichtigt, wenn auch mit einem Hauch von Respekt gegenüber dem König, den er nicht mochte. Er hatte etwas in seinen stechenden Augen, was ihn wie ein Tier fühlen ließ, welches in einem viel zu engen Käfig auf seinen Tod wartete.

„Wenn Sie es wünschen, Elfis, stehen ich und meine Berater Ihnen zur Verfügung.“ Er lächelte mit falsch aufgesetzter Miene, die seine Gier verstecken sollte. „Wenn es Ihnen bequem ist, können wir uns auch sofort zusammensetzen.“ Man sah dem Elf mittleren Alters die Gier in seinen Augen förmlich an, Feliff fröstelte bei dem starren Blick, der ihm scheinbar das Blut aus den Adern saugen wollte. Ein alter Glaube, von dem er nicht einmal selbst wusste, ob etwas da dran war.

„Ich würde es in der Tat bevorzugen, diese Angelegenheit sofort zu klären“, erwiderte Feliff so freundlich und gleichzeitig so würdevoll wie es ging. Nur nicht die Deckung fallen lassen. Hier hatte immer noch er das Sagen. Da ertönte ein Räuspern zu seiner Rechten. Er blickte sich erstaunt in diese Richtung, hatte es doch niemand zuvor gewagt, diese schon unheimlich anmutende Stille solcherlei zu unterbrechen. Und er blickte in das Gesicht eines alten Bekanntens.

„Guten Tag, Elfis. Ich unterbreche Sie nur ungerne, doch würde ich darum bitten, mir diese Angelegenheit zu überlassen. Ich bin mir sicher, Ihr seid auch anderweitig beschäftigt?“, füllte Futave diese Stille mit höflichen, dringlichen Worten. Regungslos blickten sie einander in die Augen. Und Feliff verstand.

„Natürlich. Ich bin mir sicher, dass Sie in meinem Sinne handeln. In diesem Sinn bitte ich Sie, den König, und den Hof, diesen Elfen als einen Stellvertreter von mir zu sehen.“ Er hatte noch nicht ganz verstanden, warum er es getan hatte, als er den Abschied aufsagte. „Ich wünsche Ihnen eine angenehme Zeit.“ Mit diesen Worten drehte sich der Elf in die Richtung, aus der er gekommen war.

Und Futave, der aus der Abwesenheit Alynes geschlussfolgert hatte, dass er sie momentan suchen würde, hatte diese Gelegenheit beim Schopf gepackt. Da der reinblütige Elf ihm den Konflikt übertragen hatte, musste er wohl auch friedlich gesinnt sein. Ganz verstehen tat er es auch nicht, doch berief er sich in solchen Tagen auf sein Bauchgefühl. Nachdem Feliff zwischen den Bäumen verschwunden war, setzte vielstimmiges Raunen ein.

„Du bist also der Stellvertreter des Elfis?“, ertönte sogleich die misstrauische Stimme des Königs, die er mit Schrecken bemerkte. Sofort glätteten sich seine Stirnfalten wieder. „Nun gut, so soll es sein. Folge mir.“ Ohne ein weiteres Wort drehte sich der König um in die Richtung des Baumes, in dem Futave so gut wie sein ganzes Leben verbracht hatte.

Während der Elf sich auf den Weg zu einer hoffentlichen Lösung machte – er wusste auch nicht, wie ernst man ihn nehmen würde –, war Feliff auf den Weg nach Efarnia. Er drehte sich in die Richtung, in der er die Magie des Waldes wahrnehmen konnte und ging, zum Glück ohne jegliche weitere Unterbrechung, auf seine Heimat zu. Nachdenklich hatte er den Blick zu Boden gerichtet, in seinem Kopf war die Frage, ob diese Entscheidung die richtige gewesen war. Es war eher selten, dass er eine Entscheidung aus dem Bauchgefühl tat, aber es schien ihm, dass er den Elfenkönig wirklich nicht lange ertragen wollte und konnte. Das Lechzen nach Macht war ihm seltener begegnet und so war es ihm nicht so ganz vertraut, er wusste nicht, wie man damit umgehen sollte. Auch hatte es ihn abgestoßen, doch war das ein auszureichender Grund, um einfach aus dem Dorf wieder zu verschwinden und einem anderem, eigentlich ziemlich fremden Elfen freie Hand zu lassen und dies auch noch in seinem Namen geschehen zu lassen?

Er seufzte, anders würde es nicht gehen. Doch da bemerkte er, dass ihm die Bäume und Büsche auf seinem Weg nicht annähernd bekannt vorkamen. Seine flotten Schritte hielten verwirrt inne, während er sich im Wald umsah, der ihm vertraut und gleichzeitig fremd war. Nein, es war eindeutig ein Wald, das ja, aber nicht der Weg, den er gekommen war.

Kurzer Hand drehte er, immer noch verwundert und verwirrt. Bald jedoch spürte er wieder Efarnia. Es war ihm ein Rätsel, wieso er wohl in die falsche Richtung gelaufen war.
 

Alyne war die nächsten Tage oder Wachzeiten, wie sie sie inzwischen lieber nannte, damit beschäftigt, mit Aura die Welt neu zu entdecken. Es war erstaunlich, wie viel das kleine Mädchen schon wusste und wie viel das Mädchen nicht wusste. Was sie entdeckte, worüber sie sich freute. All das erhellte das Herz der Halbelfe ungemein, war sie doch die Jüngste gewesen. Den Zauber von kleinen Kindern hatte sie nie mitbekommen, doch nun, als er sich in voller Kraft entfaltete, genoß sie die Wärme, die sich in ihr auftat.

Es war beruhigend, die Unbesorgheit der Kleinen zu sehen, und ließ sie für einen Moment an etwas Anderes als die bevorstehende Bedrohung, die Rollen in der Welt und so viel Weiteres, Bedrückendes. Sie wusste, dass das nicht gut war, doch für wenige Augenblicke wollte auch sie endlich die Unbeschwertheit genießen, die sie so selten verspürte.

Doch sie fühlte auch während dieser lichten Stunden, dass sich etwas veränderte. Immer, wenn das Lichtwesen ihre Spiele mit einem Lächeln beobachtete, so steckte auch Nachdenklichkeit in ihrem Blick. Es war deutlich, dass etwas in der Luft hing, doch noch konnte Alyne es nicht greifen, also ignorierte sie es. Sie wusste aber, dass sie es nicht lange würde ignorieren können.

Als Aura an einem Nachmittag friedlich im Urbaum schlief, umkreiste Alyne gedankenversunken den Stamm des mächtigen Baumes. Sie spürte die Lichtgestalt schon von Weitem kommen und bereitete sich innerlich auf das folgende Gespräch vor. Nirom Eruaf war ernst, als sie das Wort ergriff.

Alyne. Ich glaube, es ist bald so weit. Die so Angesprochene nickte verstehend. Ich werde dir nun endlich dein Schwert und noch mehr zurückgeben, was nun dir gehört.

Sie drehte sich mit leicht verwirrten Blick zu dem Licht um. Meinte sie damit den Automaten?

Komm mit, fuhr das Lichtwesen fort, ehe sie noch irgendetwas erwidern konnte. Brav trottete sie hinter dem Leuchten her, immer darauf bedacht, dieses Licht nicht inmitten all des Lichtes zu verlieren. Sie dachte während des Weges, der erst einmal wieder über und unter Wurzeln ging, um die Lichtung zu verlassen, darüber nach, was diese Gestalt wohl gemeint hatte. Ihr fielen nur ihr Schwert und der Automat ein. Mehr Hab und Gut hatte sie seit dem Besuch des Dorfes im Westen nicht mehr.

Da die Erinnerung an das Dorf wieder aufgeflammt war, erinnerte sie sich wieder an diese unerträglichen Schmerzen und die Schallwellen. Woher waren sie eigentlich gekommen? Sie fragte sich, ob es zu viel verlangt wäre, von dem Wesen vor ihr eine Antwort zu erbitten. Mit einem leichten Kopfschütteln verwarf sie diese Idee wieder. Woher sollte es diese Begebenheit auch kennen?

Nachdem erst einmal die Lichtung überwunden war, ging es, Alynes Meinung jedenfalls, nur noch im Kreis. Sie glaubte mehrmals an derselben Stelle vorbei zu gehen, doch sie sagte nichts. Irgendetwas musste dieses Herumkreisen ja bringen, oder hatte die Lichtgestalt – so absurd es auch klang – verlaufen? Dennoch folgte sie einfach dem Wesen, welches scheinbar beabsichtigte, eine Spirale zu gehen. Oder zu schweben.

Nach ein paar Umdrehungen dann bog die Lichtgestalt endlich in eine andere Richtung ab. Zwischen dem hellen Wald mit seinen prächtigen Bäumen und bunten Blumen gelangten sie vom Hauptweg, welcher mehrmals einen Bach kreuzte und auch manchmal mit ihm verlief, auf einen der zahlreichen Pfade, auf die die Halbelfe sich aber nur selten verirrte. Oft kam es ihr seltsam vor, hatte sie doch eigentlich einen unstillbaren Drang zum Geheimnisvollen, doch diese Pfade hatten sie nie interessiert.

Nun jedoch betrat sie einen dieser Pfade. Erst einmal unterschied er sich nicht sehr viel von dem normalen Weg, den sie immer ging. Bäume, Blumen, Licht und nur helle Schatten. Der Weg war vielleicht nicht unwesentlich schmaler, es war einen Ticken dunkler. Doch das war es auch schon. Wohin dieser Pfad sie wohl führen mochte?

Sie fragte nicht nach dem Ziel des Weges. Sie ahnte, dass sie nur vage Antworten bekommen würde, die nur darauf aus waren, Zeit zu schinden. So folgte sie schweigend dem Lichtwesen, welches sie auf dem leicht schattigeren Weg besser sehen konnte. Ein flimmerndes Geschwader aus feinsten Lichtpartikeln, wie es ihr nun vorkam. Wie leuchtender Staub erschien ihr dieses Wesen auf einmal.

Der Automat hatte etwas mit dem Wald zu tun, oder?

Es erschien ihr immer wahrscheinlicher. Immerhin kannte Feliff scheinbar das Lied, welches ihre Eltern so sehr mochten, von dem Wald hier. Und wenn diese kleine Gerätschaft nun wirklich dieses Lied beherbergte, dann gab es sicherlich eine Person oder vielmehr ein Wesen, die es kannte.

Die zugehörige Frage brachte Alyne aber einfach nicht raus, während sie dem Wesen durch den blühenden Wald folgte. Blumen und Äste, helle Erde bildeten den Boden vor ihr, dem sie kaum Beachtung schenkte. Die leuchtende Wolke wurde von grünen Büschen in der Seite und von mächtigen Baumkronen in der Höhe beschränkt. Sie konnte durch das Flimmern sehen, ein lichter Punkt, noch heller als das Licht selbst schien sich vor ihr aufzutun.

Und dann stand sie auch schon, erneut, auf einer Lichtung. Sie unterschied sich nicht wirklich von all den anderen Lichtungen, die sie kannte, sie hatte nichts wirklich Besonderes an sich. Doch eine Tatsache unterschied sie dann doch von all den Lichtungen: Der dünne, im Licht glänzende Strich in der Mitte. Sie erkannte sofort die Schemen ihres geliebten Schwertes wieder. Sie eilte dem im Gras steckenden Gegenstand zu, eilte über die nicht gerade große Lichtung.

Und tatsächlich. Das, was sie geduldig wartend in die Erde gerammt fand, war ihr Schwert. Es glänzte und strahlte wie sie es nie zuvor gesehen hatte, es blendete sie sogar beinahe. Vielleicht lag dieser Effekt auch nur an dem Licht, welches zaghaft über die Schneide strich. Sie zog das Schwert mit dem ihr nur allzu vertrauten Griff ohne einen Makel aus der Erde, kein Staubkorn schien an der Schneide zu haften.

Das war noch nicht alles. Auch der Automat gehört dir. Es schien, als würde die Wolke auf einen Punkt weiter am Rand der Lichtung deuten. Und auch da fand sie etwas, was ihr gehörte. Sie schien die Apparatur mit all den Hebeln schon beinahe vermisst zu haben, so sehr hechtete sie mit ihrem Schwert in der Hand, welches sich wie gewöhnt an ihre Handfläche schmiegte, zu der Gerätschaft hin. Doch auch das war nicht alles, fuhr das Licht mit einem geheimnisvollen Lächeln fort. Alyne blickte sie erstaunt an.

Hatte sie nicht schon alles wiederbekommen, was ihr gehörte, oder hatte sie doch etwas vergessen? Nein, ihr fiel beim besten Willen nichts ein. „Wirklich?“, fragte sie ihren Fragen folgend. Sie wog nachdenklich das Schwert in ihrer Hand und den Automaten, welcher eingeklemmt unter ihrem Arm seinen Platz fand. Während sie nachdachte, schwang sie ihr Schwert probeweise durch die Luft, vollführte leichte Übungen. Es schnitt einwandfrei durch die Luft, als wäre die Schneide nicht dicker als Papier und nicht breiter als ein Grashalm.

Aber natürlich. Du spürst, dass es bald Zeit ist, nicht wahr? Ihre Stimme, die in ihrem Kopf schon beinahe angenehm wiederhallte, hatte einen besorgten Unterton angenommen.

Alyne nickte andächtig, auch wenn sie die Bedeutung der Worte noch nicht ganz verstanden hatte.

Sie macht sich bereit. Auch ich muss mich langsam wappnen, denn es wird zu einem Konflikt kommen. Sie wird kommen. Und wir müssen bereit sein. Eine Pause voller Spannung folgte, in der jeder das Gewicht der Worte auf sich wirken ließ. Ich stelle dir jemanden zur Verfügung, den du vielleicht nicht sofort annehmen wirst. Doch du musst mir glauben, es ist die beste Wahl.

Mit diesen Worten schien das Licht eine Bestie heranzuwinken. Ein schwarzes Ungetüm trat schon beinahe zögernd auf die Lichtung, auf der Alyne abwechselnd die Lichtgestalt und das Wesen ansah. Ihre Kinnlade konnte sie gerade noch kontrollieren, doch die Verblüffung in ihren Augen konnte sie wohl nicht verbergen.

Sie wusste nicht wieso sie dieses riesige, pechschwarze Pferd mit dunklen, dunklen Augen so erstaunt ansah. Vielleicht, weil sie sich noch klar an das Rot in diesen Augen erinnerte. Vielleicht, weil sie keine einzige Narbe über das glänzende Fell des mächtigen Tieres sah. Vielleicht, weil die seidig wirkende Mähne kein Vergleich zu dem zotteligen, unordentlichen Fell war. Vielleicht, weil dieses Tier nicht mehr das Monster war, was sie kannte. Und doch wusste sie, dass es sich in diesem Fall nur um ein einziges Monster handeln konnte, eine einzige Bestie.

„Das kann nicht das Monster sein“, verlieh sie ihren Gefühlen, ihren Gedanken Worte. „Es sah anders aus. Es war anders. Es war feindlich. Seine Augen waren Rot. Rot. Und hasserfüllt. Es hasst. Es HASST.“ Sie schrie das letzte Wort beinahe, die Ungeheuerlichkeit dieser plötzlichen Veränderung konnte sie einfach nicht begreifen. Es war... unmöglich, dass etwas sich innerhalb dieser Zeitspanne ändern konnte. Erinnerungen, die sie lieber nicht mehr bei sich wissen wollte, kamen ans Tageslicht. Sie fing an, leicht zu zittern, doch sie hatte sich schnell wieder im Griff.

Sie beobachtete mit Fassungslosigkeit das scheue Zurückweichen und den ausweichenden Blick des Pferdes. Nun sei nicht so hart mit ihm. Jeder macht mal Fehler und er kannte nun einmal nichts Anderes. Der Blick der Lichtgestalt legte sich auf Alyne, die eine Ungerechtigkeit beganngen hatte. Jeder verdient eine zweite Chance.

Nur widerwillig senkte sie ihren starren Blick von dem Tier, dem Monster. Sie konnte nicht vergessen, was passiert war. Die Hetzjagd. Und auch der Geruch war verschwunden. Wieso war sie sich so sicher, dass es sich um jene Bestie handelte? Bauchgefühl. Simples Bauchgefühl. „Und wieso sieht es so anders aus?“

Nun schien das Wesen aus Licht schon beinahe zu grinsen. Das kann ich dir gerne verraten. Dieses Wesen wurde von meiner Schwester erschaffen. Ein Formwandler, der eine annormale Abneigung gegen eigentlich jedes lebende Wesen hegte. Die Elfen fanden es und entwickelten es für ihre Zwecke weiter. Sie verkannten die Fähigkeit, dass es seine Form wandeln konnte, komplett. Doch sie schlummerte weiterhin in ihm. Ich habe sie nur wieder geweckt, das grässliche Ding konnte man ja nicht weiter so herumlaufen lassen!

Bei der Erwähnung Faure Morins wurde die Halbelfe hellhörig. „Ist es dann nicht immer noch gefährlich?“

Wieder ein leichtes Lächeln und ein Kopfschütteln. Dies führt mich zu einer weiteren Sache, die dir gehört. Es schien, als würde sie Anlauf für einen nächsten Satz nehmen, als sie innehielt. Etwas war in den Wald eingetreten. Und sie erkannte ihre Schöpfung.

Feliff war nach Hause zurück gekehrt.

Warte einen Moment hier. Ich muss mich noch kurz um etwas kümmern, in der Zwischenzeit kannst du dich ja mit dem Kleinen hier beschäftigen. Ihr Kopf schien in Richtung des bestimmt zwei Meter großen Pferdes zu nicken. Dann verpuffte sie einfach, jedenfalls hatte ihr abruptes Verschwinden einen ähnlichen Effekt. Etwas ratlos blickte sie zu der Stelle, wo das Licht eben noch gestrahlt hatte, und zu dem Ort, wo eine massige Dunkelheit herrschte.

Skeptisch blickte sie das riesige Pferd an. Ein Formwandler? Ihr war das nicht geheuer. Doch die Augen des Wesens hatten sich definitiv geändert. Sie waren nun freundlicher, schon beinahe schüchtern und beschämt. Wusste es von seinen Taten?

„Soso“, fing Alyne einfach an, weil sie diese bedrückende Stille nicht mehr ertrug. Ihre Stimme klang so herausfordernd und skeptisch, dass das Pferd noch einen Schritt nach hinten machte. Sie seufzte innerlich. Sie konnte so etwas einfach nicht, wieso musste das Licht sie auch gerade jetzt verlassen haben?

Trunk

Im Rebellendorf herrschte helle Aufregung, als die Zeichen immer deutlicher wurden. Alles stand auf Krieg, auf Kampf. Die Angespanntheit der Dorfbewohner spiegelte sich in ihren Handlungen, nicht aber in ihren Mienen wieder. Sie versuchte mit zittrigen Händen, die die Zukunft nicht kannten, ihre alltäglichen Arbeiten zu verrichten. Albträume suchten die Gemüter heim, welche noch andere Zeiten als diese friedliche erlebt hatten. Alpträume, vor denen jeder erfolgreich geflohen war.

Bis jetzt.

Sie waren wieder im Bewusstsein der Rebellen angelangt. Sie versuchten, die Bilder vor ihren Augen zu verdrängen und sich auf das hinter ihnen zu konzentrieren, doch manchmal gelang es nicht. Manche der Rebellen wurden in den Tagen der Vorbereitung und auch danach seelisch betreut, während Inkalak durch die Straßen des Dorfes ging und nachdachte.

Der Trupp, welcher Aufklärungsarbeit leisten sollte und für die Vernichtung des Monsters zuständig war, war aufgehoben wurden. Nun wurden alle Kräfte auf den kommenden Kampf vorbereitet, auch der stämmige Elf wurde gefragt, ob er kämpfen wolle. Doch er war sich nicht sicher. Wieder einmal. Es widerstrebte ihm, gegen seinesgleichen zu kämpfen und doch wusste er, dass er keine wirkliche Wahl besaß. Dieser ganze Kampf behagte ihm nicht, versetzte ihn in Unruhe.

Doch er war nicht der einzige, der in diesen Tagen viel zu grübeln hatte. Erfline stimmten die letzten Tage sehr, sehr nachdenklich. Und da auch kein Futave da war, um sie abzulenken, verlor sie sich ganz im Geflecht ihrer schuldgefüllten Gedanken. Sie, die Elfen, waren Schuld. Die Hofelfen mit all ihrer Hochnäsigkeit, von der auch sie nicht wenig besaß. Oder besessen hatte? Sie war verwirrt. Sie hatte sich verirrt.

Sie konnte nicht einmal mehr den Weg sehen, doch wusste, dass sie das Licht sah, zu dem sie hinwollte. Immer wieder wollte sie sich aufraffen, um endlich das zu tun, was sie tun musste. Sich zeigen, die Rebellen verstehen. Herausfinden, was sie wollte, wer sie war. Und doch schaffte die Dunkelheit es immer, ihr den Boden unter ihren Füßen zu reißen, obgleich sie ihn nicht sehen konnte. Oder wollte?

Was war der Grund, auf dem sie ruhte? Worin bestand die Welt?

Sie verlor sich in all diesen Fragen, während sie geistesabwesend und nur Impulsen folgend am Rand des Dorfes spazieren ging, wo sie keiner stören würde. Wo keiner da war, um sie zum Licht zu führen. So jedenfalls hätte man es vermuten können, als eine weitere Lichtquelle sich zu der nachdenklichen Hofelfe gesellte. Ein kleines Mädchen mit dunklerer Haut, die Vollmilchschokolade glich.

„Du siehst betrübt aus.“

Erfline schreckte aus dem See ihrer trüben Gedanken auf und sah das Mädchen erschrocken an. Erstaunlicherweise zuckte das Mädchen dieses Mal nicht zurück, sondern blickte sie mit festem Blick an, der Halt gab und stützte.

„Es stimmt etwas nicht, oder?“ Der Blick des Mädchens verzog sich ein wenig schmerzhaft, doch die Hofelfe konnte diese Frage nicht verneinen. Ein Nein hätte vielleicht wieder dieses bezaubernde Lächeln auf ihr Gesicht gebracht, das sie gefangen genommen hatte. Doch nun war nicht einmal der Hauch eines Lächelns da. Ernst und besorgt war das kindliche Gesicht vor ihr.

„Ja. Ich...“ Sie schluckte. Sie brachte die letzten Worte nicht heraus, wusste sie doch nicht, was sie sagen wollte. Alles schien verwirrend. Alles war verwirrend. Sie wusste weder, wo sie stand, noch, wie lange sie stehen würde. Da ergriff eine kleine Hand die ihre, eine warme Hand.

„Alles wird gut.“ Als sie in die Augen des Mädchens blickte, die sie mitfühlend und ehrlich ansahen. Die Augen, in denen der Sternenhimmel vereint schien. „Du musst nur daran glauben.“ Ein zaghaftes Lächeln huschte über das kindliche Gesicht, welches die Weisheit des Alters ausstrahlte. „Ich weiß das.“

Und Erfline glaubte ihr. „Danke.“ Ein Teil des Kinderlächelns kehrte zurück. „Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie dann schließlich die Kleine, die daraufhin ganz still wurde. Ein kurzer Seitenblick, dann wieder die Konfrontation mit dem Boden.

„Ich heiße Aura.“
 

Im Elfendorf herrschte helle Aufregung, leises Gemurmel und geschäftige Vorbereitung auf einen Kampf, den man gewinnen musste. Es war keine Option zu verlieren. Niemand mochte daran denken, wenn sie, das stolze Volk, untergehen würden. Bezwungen von niederen Personen, die sie selbst vor Hunderten von Jahren degradiert hatten. Noch war die Angst in den Herzen der Elfen nicht ganz präsent, nicht ganz vorhanden.

Schließlich handelte es sich nur um niedere Wesen, nicht?

So jedenfalls dachte Chael, während er in den Reihen der elfischen Armee auf und ab marschierte. Seine Kondition und Bewegungsperfektion reichte nur wenig an die der Elfen heran, doch das machte ihm nichts aus. Er war ein eifriger Schüler, der neues Wissen in sich aufsaugte wie ein nasser Schwamm – mit dem Unterschied, dass er es nie wieder loslassen würde.

Das Training fand am Rand des Dorfes statt, während im Dorf Besprechungen geführt wurden. Er fragte sich, warum der König sich wohl mit diesem Elfen unterhielt. War das Vorhaben nicht in Stein gemeißelt? Gewiss war es nur die Verpflichtung gegenüber dem reinblütigen Elfen. In Erinnerung an diese Gestalt geriet er ins Schwärmen. Er hatte noch nie eine so perfekte Existenz gesehen. Innerhalb der Elfen war die Perfektheit nur in Nuancen unterschiedlich, doch dieser Elf hatte alles übertroffen, was er kannte.

Es war deutlich gewesen, dass dieser Elf in anderen Ligen spielte. Es war schon beinahe verblüffend, wie Feliff eine Wirkung auf einen Menschen erzielen konnte, doch andererseits hatte wohl Chaels Psyche damit zu tun. Es war schon unheimlich, wie weit seine Bewunderung reichte.

Nach dem zweifelsohne hartem Training wirkte der Mensch sogar noch recht munter, als bestünde sein Lebenselixier aus der Bewunderung der Elfen um ihn herum, die ihm anerkennend die Schulter klopften und ihn für sein Durchhaltevermögen lobten. Er hatte sich gut in diese Gemeinschaft eingelebt, auch wenn manche ihn immer noch mit schrägen Blicken bedachten. Solange er bleiben durfte, ging es ihm gut.

Manchmal fragte er sich nachts, wie er damals im Dorf des Westens leben konnte. Abgeschottet. Doch ihm kamen auch wieder die guten Erinnerungen, die er an die Menschen hatte. Natürlich, sie waren schwach, aber auch warm und liebevoll. Ihre Einfältigkeit war beruhigend, denn man musste sich nicht wirklich konzentrieren, um mit ihnen zu kommunizieren. Natürlich, er hatte die Menschen gemocht, er war ja nicht umsonst Dorfberater gewesen. Aber er hatte auch immer gewusst, dass sein Herz nach etwas Anderem strebte.

Nach absoluter Perfektion.

Und diese Perfektion erhielt er nun, Stück für Stück, nicht zu schnell, nicht zu langsam. Er arbeitete auf sie hin, ein hebendes Gefühl. Er war niemand, der die Dinge mochte, die man ihm in die Waagschale warf, auch wenn es ihm nicht bewusst war.

Es war der vierte Tag nachdem der reinblütige Elf ihnen einen Besuch abgestattet hatte und wieder gegangen war. Die Besprechungen verliefen ohne den einstigen Dorfberater, der wohl nie wieder zurückkehren würde, doch er fühlte sich nicht beleidigt. In diesem Stadium konnte er nicht viel bringen, noch war er zu schwach. Er arbeitete daran, stärker zu werden, doch das schien den Elfen nicht zu reichen. Denn an diesem vierten Tag danach rief man ihn wieder in den Audienzsaal, der nun gefüllt mit hohen Persönlichkeiten der Elfen war.

Er bewegte sich selbstsicher durch die Menge, der Mensch, der ein Elf sein wollte. Mit tiefem Respekt und alles übertreffender Ehrerbietung fragte er: „Eure Majestät. Wie kann ich Euch behilflich sein?“

„Chael. Du bist ein wahrlich tüchtiger Bursche. Ich schätze das, was du tust.“

Er erwiderte nichts, wuchs er doch ein wenig unter dem Lob des Königs.

„Deswegen möchte ich dir ein Geschenk machen. Du hast es dir mit allem, was du bisher geleistet hast, verdient, also nimm es in Ehre an.“ Der König machte eine wegwerfende Handbewegung und ein Kelch wurde in den Raum getragen. Er wurde von einer bildhübschen Elfin gebracht, die sich scheu im Raum umsah und dann denjenigen entdeckte, dem der Kelch gebührte: Dem ohne Magie. „Es ist ein Trunk, der dir bei deinen Bemühungen weiterhelfen wird.“

Es waren weitere Dienerinnen hineingetreten, sie trugen Tabletts mit vielen weiteren Kelchen, doch die waren allesamt aus feinstem Glas. Chaels war golden. Der König der Elfen hob eines der Gläster an seine Lippen, eine rote Flüssigkeit befand sich in ihnen.

„Zum Wohl.“

Chael dachte nicht weiter darüber nach, als er die durchsichtige Flüssigkeit aus dem goldenen Kelch trank, der mit Rubinen verziert war.
 

Das Pferd und die Halbelfe standen starr und starrten sich an. Sie war sich unschlüssig darüber, ob das Pferd sie verstehen konnte oder nicht. Ein Formwandler... Es klang wie ein schlechter Witz. Und dennoch wusste sie, dass es wahr war. Hatte sie es schon angenommen, eine weitere Begebenheit, die nun ihr gehören sollte? Sie zögerte mit der Antwort. „Wieso...“, entfuhr es ihr leise, doch sie beendete ihre Frage nicht. Das Pferd hatte die Ohren gespitzt, die Erwartung einer Frage statt der Stille stand ihm in den tiefschwarzen Augen geschrieben.

Sie seufzte. Verstand es sie nun oder nicht? Im Grunde konnte es ihr ja auch egal sein.

„Wieso bist du geflüchtet?“ Das Pferd schnaubte, es klang schnippisch. Alyne blickte mit zusammengekniffenen Augen zu dem Pferd. War das eine abwertende Geste? Sofort trat das Pferd unsicher einige Schritte zurück. War es doch keine gewesen? Sie seufzte frustriert. Konnte das so weitergehen? Und wann kam Nirom Eruaf bloß wieder?

Es schien, dass sie vorhatte gar nicht wiederzukommen.

Alyne legte sich auf die Wiese hin, etwas Besseres fiel ihr nicht ein, womit sie sich die Zeit vertrödeln könnte. Zeit. Sie hatte sich noch nie über diesen Begriff nähere Gedanken gemacht, doch nun hatte dieses Wort eine andere Dimension bekommen. Wie viel hatte sie in den letzten Tagen mit Gestalten verbracht, die scheinbar unendlich davon besaßen? Zu viel.

Und dennoch. Sie würde die Begegnung mit Aura nicht missen wollen, und auch die Wärme des Lichtes gab sie, wenn sie ehrlich war, nur ungern wieder her.

Eine feuchte Nase stupste sie an, warme Luft blies aus dunklen Nüstern. Das Monster hatte sich aus seinem Platz an dem Rand hervorgewagt, während die Halbelfe sich über alles und nichts Gedanken gemacht hatte. Es war ihr nicht unangenehm, es kam ihr vielmehr wie eine Geste der Entschuldigung vor. Sie streichelte die Nase des Pferdes, als eine Gedankenstimme sie wieder zurückschrecken ließ.

Es tut mir Leid.

Eine ehrliche, erschreckend junge Stimme. Oder war sie doch vom Alter gezeichnet gewesen? Obwohl die Worte klar verhallten, so nahm Alyne sie immer wieder anders wahr, egal wie krampfhaft sie versuchte, sich auf eine Weise zu konzentrieren. Sie sah das Pferd, welches sie mit traurigen Augen ansah, entgeistert an. Ihr war klar, dass das nicht besonders höflich war, doch sie konnte nicht anders. Erst nach ein paar weiteren Sekunden hatte sie sich beruhigt und fasste beherzt wieder an die Nase des Pferdes. „Also verstehst du mich doch“, murmelte sie leise.

Ich... Es tut mir Leid.

„Kannst du auch etwas Anderes denken?“ Es kam keine Antwort. „Wieso hast du das gemacht?“ Wieder keine Antwort, dafür eine Welle von Gefühlen. Es schien, als würde sie das Leben des Monsters in geraffter Fassung sehen, all die Emotionen fühlen. Alynes Gedanken wurden von einer Flut an Bildern beherrscht, sie hielt den Atem an. Am Anfang war das-

Ich bin wieder da. Eine ganz andere Gedankenstimme hatte sich inmitten der Bilder gedrängt, sodass Alyne nur noch von den starken Emotionen ein Bild besaß. Hass war da gewesen. Und tatsächlich. Es war nur Hass da gewesen. Die Halbelfe war irritiert und von diesem Gefühl erfüllt, nicht ansprechbar. Verwirrt, geschockt. Mit leerem Blick klammerte sie sich an die Mähne des Pferdes, um nicht den Halt zu verlieren, obwohl sie lag. Ihr schien es einfach so, als würde jemand den Boden unter ihr wegreißen wollen.

„Alyne?“ Eine ihr vertraute Stimme war es schließlich, die sie aus ihrer Versunkenheit hervorholte. Erneut überrumpelt blickte sie in die Richtung der Stimme, zuerst mit starrem Blick, der langsam wieder mit Leben und auch mit Erstaunen gefüllt wurde. Für einen Moment vergaß sie den Hass, den sie verspürt hatte.

Die schmale Gestalt am anderen Ende der Lichtung kam ihr ungemein vertraut vor, kannte sie ihn doch erst... seit ein paar Wochen. Wann genau sie ihm begegnet war? Sie hatte das Zeitgefühl verloren, aber das spielte auch keine Rolle. „Feliff?“ Ihre Augen waren groß geworden, war der Elf mit seinen längeren Haaren doch unverkennbar – unter den Elfen galt eigentlich gerade das als unschicklich, doch er würde wohl einen neuen Trend setzen.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du hier bist.“ Ein schmerzlicher Ausdruck lag in seinen Augen, doch er verschwand so schnell, dass Alyne meinte, ihn sich eingebildet zu haben. „Wie geht es dir?“, fragte er dann, unschlüssig mit sich selbst. Und eine Eigenart griff wieder, wie ein Zahnrad in das andere. Er lief rot an und blickte zur Seite, ebenso wie sie, die ihren Blick von ihm nahm.

„Ganz gut, denke ich.“ Ihr fiel irgendwie nichts ein, was sie ihn hätte fragen wollen. Besser gesagt fiel ihr zuviel ein, sie konnte sich nicht inmitten all der Fragen entscheiden, welche Frage es nun wert war, gestellt zu werden, was sie überhaupt fragen wollte. Fragen waren schon ein empfindliches Konstrukt, ebenso wie Gedanken.

„Das freut mich.“ Feliff war ein wenig weniger überfordert mit Fragen, dafür aber wieder mit der Tatsache, dass er wieder seine Zitteranfälle bekam. Er konnte es sich immer noch nicht erklären, wieso sie immer wieder auftraten. Er kannte die Verbindung zwischen ihr und den Anfällen, doch gut, hieß das wirklich etwas oder war es der übergeordnete Zufall, die Laune des Schicksals? Ehe er sich weiter darüber den Kopf zerbrach, entdeckte er aus den Augenwinkeln einen kleinen Gegenstand, der mit seiner Kuriosität früher oder später seine Aufmerksamkeit angezogen hätte. Der Automat. Sie hatte ihn. Er unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. „Wie bist du hierher gekommen?“, führte er das Gespräch von zweien fort, die sich erst einmal wieder kennenlernen mussten. Den Automaten erwähnte er aus einem leise aufflammenden Gefühl des Stolzes nicht.

„Durch den Wald“, lautete ihre plumpe Antwort.

„Du bist durch den Nebelwald geirrt?“ Er verkniff sich den zweiten Teil der Frage, denn es war klar gewesen, dass sie hierher kommen würde. Er wusste, dass das Lichtwesen ein starkes Interesse an der Halbelfe hegte, sie hatte keine andere Wahl gehabt, als hierhin geführt zu werden.

„Ja.“ Sie hatte den verblüfften Tonfall und den angefangenen Anfang einer zweiten Frage gehört, doch nun gut. Sie hakte nicht weiter nach. „Und du? Ich vermute mal, auch durch den Wald?“

Ein verschmitztes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Nein. Teleportation.“

Ihr ging ein kleines Licht auf. „Und... wo warst du eigentlich? Ist ja doch eine Weile her, seit wir uns getrennt haben...“ Ihr Blick verlor sich in dem Blau des Himmels über ihr, während sie noch einmal alles vor ihrem inneren Auge Revue passieren ließ.

„Ja, in der Tat.“ Auch er verlor sich ein wenig in den Gedanken, ehe er antwortete. „Ich war hier und dort. Aber nun gut, das Wichtigste ist wohl die Etappe Ainrafe.“

Alyne schnappte nach Luft. Sie kannte diesen Namen, sie verband ihn mit vielem, nur Licht fand man dort nicht. „Wieso warst du dort?“

Er zuckte mit den Schultern, konnte er ihr die Gründe niemals in der Ausführlichkeit erklären, die sie eigentlich bedurften. Eine nicht greifbare Existenz räusperte sich inmitten der beiden Personen, die schon viel zu lange Zeit vertrödelt hatten.

Ich möchte euch nur ungerne unterbrechen, aber die Zeit drängt ein wenig. Die Lichtgestat machte eine Kunstpause, bevor sie ihren Satz fortfuhr. Meine Schwester bewegt sich. Einen Augenblick herrschte Stille, in der alles war. Bestürzung, Angst, Unverständnis, Verstehen. Nur Hoffnung fand man nicht, wie hoffnungsvoll war schon der Anfang vom Ende?

„Habt Ihr einen Plan?“, fragte Feliff inmitten dieser Stille, von der Zeit gedrängt. Ihn behagte die Vorstellung nicht, dass die Wesen, die er in der Dunkelheit nur erahnen konnte, bei Tageslicht zu sehen. Obwohl es wohl eher in der Finsternis der Nacht geschehen würde, aber selbst diese war heller als die Dunkelheit Ainrafes.

Nun ja. Ich habe keinen wirklichen Plan, aber wir müssen sie auf jeden Fall aufhalten. Ihr habt die Unterstützung des Waldes. Für Alyne klang es einerseits beruhigend, Unterstützung hinter sich zu wissen, als auch beunruhigend, dass sie keinen Plan hatten. Zumindest für die ersten Augenblicke. Wie oft hatte sie schließlich nach einem Plan gehandelt? Ich möchte euch noch etwas geben, bevor wir aufbrechen. Sie schien einen Seitenblick zu Alyne zu werfen. Trinkt das, es wird euch helfen.

Skeptisch begutachtete die Halbelfe, wie zwei Kelche aus Glas, gefüllt mit einer leuchtenden Flüssigkeit, herangeschwebt kamen. Sie erhob sich und stand auf ihren Füßen, als sie eines der Gläser in Empfang nahm. „Was ist das?“

Nektar des Waldes. Er ist voller Magie und wird euer Magiepotenzial für eine Zeit steigern. Das klang für Alyne nach einem lebenslangen Wunsch, der sich nun zumindest für eine Zeitlang zu erfüllen schien. Einen kurzen Moment wuchs sie vor Sehnsucht ein kleines Stück. Dennoch trank sie es nicht sofort, immer noch war ihr Misstrauen da. Sie warf einen kurzen Blick zu Feliff hinüber. Er hatte ebenfalls ein Glas genommen und trank es in einem Zug leer.

Sie setzte das kühle Glas an ihre Lippen, die Flüssigkeit rann ihr die Kehle hinunter. Sie schmeckte wie feiner Honig, aber noch eine Spur intensiver. Ein wenig belebender. Warm. Mit einem Mal spürte sie etwas, was sie noch nie gespürt hatte. Magie. Sie pulsierte um sie herum, überall. Sie wusste nicht, wie sie dieses Gefühl beschreiben sollte, dieses Gefühl von Magie, die sie nun spüren konnte.

Anfang vom Ende

Es dauerte nicht mehr lange, bis der Marsch beginnen würde. Die Vorbereitungen hielten das Dorf in Atem und keines der Argumente, die Futave vergeblich auflistete, wollte seine Wirkung entfalten. Er erntete viele milde Lächeln, mehr nicht. Der Kampf würde ausgetragen werden. Man hatte sich auch schon auf einen Ort geeinigt – konnte man das Überbringen des Ortplatzes und das Losmarschieren ohne Warten auf Zustimmung so nennen. Es würde sich in der westlichen Wüste ereignen. Es mag vielleicht nicht der ideale Ort für einen Kampf sein, doch hatte man einen gewissen Heimvorteil auf der eigenen Seite.

Schließlich hatten sie eine Art Geheimwaffe bei sich. Chael wurde unter Anderem damit beauftragt, die wüstenähnliche Gegend um das Dorf des Westens zu begutachten, Fallen aufzustellen und Erkundungen zu betreiben. Dieser Kampf war schon entschieden, bevor er überhaupt angefangen hatte. Und der Kampf wurde schon vor Jahrzehnten begonnen. Es war alles perfide eingefädelt von einem Elf, der schon seit mehreren Jahrzehnten dieses Land regierte. Begleitet von den Wahnvorstellungen eines Herrschers machten sich die Elfen am Hof für den Kampf bereit.

Proviant wurde eingepackt, Lebensmittel haltbar gemacht und Soldaten ausgebildet. Natürlich lief das nicht gerade erst in den letzten Tagen an, die öffentliche Demonstration des Trainings der Hunderten, wenn nicht gar Tausenden war das einzige Neue an dem Bild, welches sich im Dorf zeigte. Sie waren auf diesen Kampf vorbereitet.

Nein.

Sie inszenierten den Kampf, der den Untergang der Rebellion bedeuten sollte.

Und inmitten diesem ein fanatischer Mensch, der ein Elf sein wollte. Die Bedingungen hätten für die Elfen nicht günstiger sein können. Er tat alles bereitwillig, was sie wollten. Es war schon fast ein Wunder, dass sie ihn nicht direkt schamlos ausnutzten, sondern auch so taten, als würden sie ihn in ihre Reihen aufnehmen. Es hätte letzten Endes keinen Unterschied gemacht, doch irgendwo schien doch ein Gewissen zu schlummern.

Der Bote, den sie zu den Rebellen oder deren Ablegern geschickt hatten, war gerade zurückgekommen, als der Marsch bereit zum Aufbruch war. Ein Heer von knapp vierhundert Mann würde die Vorhut bilden, der Rest kam nach. Mit welcher Schlagkraft wohl die Rebellen aufkommen würden? Gewiss würde sie geringer sein. So jedenfalls waren die Gedanken der auf den Kampf eingestimmten Elfen. Es war eine Gelegenheit, sich aus dem Trott des Alltages zu befreien und endlich wieder etwas Spannendes zu erleben.

Es drehte Futave den Magen um, doch er konnte hier nichts mehr erreichen. Allein die Stimme des Königs hatte es ihm mehr als deutlich vermittelt: Ich bestimme hier. Die einzige Aussage, die es gab, und das, was er bestimmte, war Krieg. Absolute Vernichtung.

Wieder wurde dem Elf schlecht, doch gleichzeitig war ein Feuer in ihm entfacht, das er nicht gedachte, zu löschen. Er würde sie noch auf dem Weg überreden können, irgendwann. An diese Hoffnung klammerte er sich, während er sich aufgrund seiner Herkunft an der Front zusammenfinden durfte.

Dieser Kampf war nicht vorbei.
 

Es gab auch noch einen anderen Boten, der von den Elfen gesandt wurde. Dieser lief dem Heer mehr oder minder voraus, war aber kein Wegsicherer des Heeres. Es war vielmehr ein Vorbote des Krieges, der das unbehelligte Dorf im Westen noch einmal inspizieren sollte. War jeder gegangen? Obwohl sie es in der Wüste halten wollten, so war es doch ungewiss, wie weit die Magie reichen würde, die sicher nicht in geringen Maßen fließen würde.

Trivian hatte direkt nach Erhalt der Nachricht angeordnet, dass jeder zu evakuieren war. Fenster wurden zugezimmert, die Vorratskammern geplündert und für eine Reise in das nächste Dorf gepackt, um dort die Zeit des Kampfes zu überdauern. Keiner der Menschen wagte es, an diesem Kampfschauplatz zu sein. Viele betrauerten ihr Heim, verfluchten die Elfen und den Krieg, den sie anzettelten, obwohl sie von freundlichem Gemüt waren. Tränen flossen auf die Erde, die immer kälter geworden war.

Wieso fand der Kampf bloß im Winter statt, wo doch bald schon die ersten Flocken fallen würden? Trivian und keiner im Dorf konnte es sich erklären, doch sie konnten auch nichts dagegen ausrichten. Die Elfen waren eine höhere Macht, sie besaßen Magie.

Als der Vorbote im einst blühenden Dorf des Westens ankam, fand er niemanden. Die Wege waren leergefegt, Papiere mit Verwünschungen verliehen dem Dorf einen fluchbelasteten Eindruck. Die Fensterläden waren allesamt zugezimmert, die Türen abgeschlossen. Allen Räumen war das Nötigste entnommen worden, Essen, Kleidung, Decken. Doch Sachen wie Schmuck und größenteils auch Bücher verweilten in der Dunkelheit.

Auch das Vieh war nicht mehr da. Alles und jeder war weg. Die Welt, das Land schien sich mehr und mehr auf einen Kampf einzustellen, bei dem am Ende nur noch die Ungewissheit war. Wie weit würde der Kampf gehen? Wie viele Verwundete würde es geben? Man wusste es nicht. Der Vorbote zügelte das Pferd, auf dem er hergeritten war, und wendete. In vollem Galopp ging es zurück zum Elfendorf, auf Konfrontation mit dem Heer.

Es war alles bereit, doch wie rot die Erde werden würde, auf denen sie lebten, vermochte keiner zu sagen. Und ob Schnee fallen würde erst recht nicht. Wieso zettelte man einen Krieg auch zu einer Zeit an, zu der jedes andere vernunftbegabte Wesen Nein gesagt hätte?

Man wusste es nicht.
 

Der Aufbruch aus dem Dorf des Westens war schnell und schmerzvoll vergangen. Das Ruckeln der Wagen, die sie auftreiben konnten, um ihr wenigstes Hab und Gut zu transportieren, mischte sich mit dem Schnauben von Ochsen, Pferden. Schafe blökten und irgendwo bellte ein Hund inmitten des Marsches, der die Hälfte der Strecke zum nächstgelegenen Dorf zurückgelegt hatte.

Wachsame Augen beobachteten das Treiben, Trivian stand am Rand und sah zu, dass jeder mitkam und keiner zurückblieb. Mit Sorge betrachtete er den Weg, den sie zurückgelegt hatten. Würde das reichen? Er wusste nicht, in welcher Heftigkeit die Kämpfe stattfinden würden. Und auch der Dorfberater fehlte ihm in dieser Situation voll von Chaos ein wenig. Die ruhige Aura des Mannes, die Zielstrebigkeit hatte bisher immer selbstsicher zu Ruhe und Ordnung geführt.

Ob es ihm gut ging? Er hatte nichts mehr von Chael gehört, seit er aufgebrochen war, um Besuche zu machen. Er hoffte, dass der Mensch sich in genügender Entfernung vom Kampf aufhielt, er würde den magischen Impulsen und Wellen nicht lange standhalten können, lief es nun wirklich auf das hinaus, was der Dorfälteste befürchtete.

Menschen waren solch zerbrechliche Wesen. Er liebte es, sich um sie zu kümmern und schätzte diese im Allgemeinen mehr als die hochnäsigen Elfen zu Hofe. Sie waren um Einiges ehrlicher als jeder Elf, der dort jemals gewesen war. Er konnte sich keinen Reim draus machen, schob es aber nach langem Nachdenken immer wieder auf den Hof. Die Umgebung. Der ständige Druck. Er hatte selbst einmal bei diesen Leuten gelebt, doch dies ist schon sehr lange her.

Ob es sich verändert hatte? Er bezweifelte es nach dem, was er so hörte. Es gab wohl Elfen, die sich niemals verändern würden, egal, wie viel Zeit vergehen mochte.

„Dorfältester?“, fragte ihn jemand von der Seite. Es war eine der Frauen im Frauenhaus, der Name fiel ihm nicht sofort wieder ein. „Ihr seht so nachdenklich aus, da wollte ich mich nur erkundigen, ob es euch gut geht?“ Sie hatte einen Stapel Wäsche auf dem Arm, ihr Gesicht war von Sorge zerfurcht.

„Es ist alles in bester Ordnung, danke sehr.“ Ihm fiel der Name einfach nicht mehr ein. War er schon so alt geworden? „Und bei dir? Das muss doch schwer sein.“ Er tippte auf den schweren Stoff, der ihr über den Armen hing. „Ist auf keinem der Wagen mehr Platz?“

Sie sah auf den Stoff, der aus schweren Leinen gefertigt wurde. „Nein, es geht schon. Ich möchte die armen Tiere nicht noch mehr belasten.“ Sie lächelte aufmunternd.

„Jeder tut hier, was er kann, nicht wahr?“ Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln, als sie wieder ging, um sich den anderen Frauen anzuschließen. Sein letzter Satz verweilte noch etwas länger in seinem Kopf, nachdenklich strich er sich über seinen Bart. Ja, jeder tat das, was er tun konnte. Gab es denn niemanden, der es schaffte, diese Katastrophe abzuwenden?

Natürlich war die Wüste ein Ort, der nicht bewohnt war, doch immer noch würde alles in der Umgebung zweifelsohne vernichtet werden, zügelten sie ihre Kräfte nicht. Doch wer daran dachte, hatte im Krieg schon verloren. Man musste jede Karte ausspielen, um das zu erreichen, was man erreichen wollte. Man konnte nicht einmal darauf hoffen, dass sie den Kampf in die Wüste ziehen würden. Unwirtlich und voller unbekannter Gefahren, Treibsand, Tieren, die man noch nicht kannte, deren Gift man nicht würde behandeln können.

Trivian schaute kurz von dem Treiben weg, von dem er ohnehin nicht viel mitbekam, weil sein inneres Auge ihm die Sicht auf die äußere Wirklichkeit verschleierte, um einen Blick in den Himmel zu werfen. Er war klar und strahlte in einem Hellblau, welches nicht zur Szene passen wollte, welche sich vor ihm abspielte. Menschen wurden gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen, und nun?

Er konnte nur hoffen, dass die Nachricht, die er gesandt hatte, die Rebellen frühzeitig erreichten. Sie mussten versuchen, den diplomatischen Weg zu gehen! Es brachte doch nicht, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Doch, so fühlte er sich jedenfalls, mit dieser Meinung fand sich der Dorfälteste allein auf weiter Flur.
 

Das Dorf der Rebellen machte sich ebenso bereit für einen Aufbruch wie das Dorf im Westen und die Elfen bei der Winterresidenz des Königs. Es wurde langsam Zeit, die Sachen zu packen und loszuziehen. Sie trommelten alle verfügbaren Kräfte zusammen, um irgendwie gegen die vermutliche Übermacht der Elfen standzuhalten. Die Anführerin war in diesen Tagen noch präsenter als sonst, doch ihre Miene zeigte keine Verunsicherung. Sie strahlte Zuversicht aus, die sie nicht besaß.

Ihre Augen wanderten über die Reihen derjenigen, die im Dorf alt genug und kräftig waren, um zu kämpfen. Ihr drehte sich bei dem Gedanken der Magen um, doch sie hielt dem Gefühl der Ohnmacht stand. Es war doch irrsinnig, diese Elfen in den Kampf zu schicken, diese Personen. Sie schätzte jeden Einzelnen von ihnen, der auf dem Trainingsplatz aus Sand neben dem Dorf angetreten war.

Doch als sie in die Augen derjenigen blickte, die vor ihr angeführt durch einen Trainer verschiedene Übungen machten, schöpfte sie wieder Kraft. Sie hatten noch eine Geheimwaffe, die vielleicht das Blatt zu ihren Gunsten lenken würde.

Es widerstrebte ihr zwar, davon Gebrauch zu machen, doch man ließ ihr scheinbar keine andere Wahl mehr. Man musste nutzen, was man hatte, einer der Grundsätze ihres Vaters. Vater... Sie blickte zum Himmel. In einem unwirklichen Blau strahlte er über ihr. Um ihr Kraft zu geben, oder um sie auszulachen? Es würde sich alles noch zeigen.

Da vernahm sie hastige Schritte zu ihrer Linken. Die Boten rannnten in letzter Zeit immer, ein Zeichen für die Eile, die sie eigentlich treiben sollte. Doch sie stand hier, tat nichts und dachte nur über Dinge nach, die sie nicht würde beeinflussen können. Niemals würde sie es wohl schaffen...

Sie war so eine schlechte Anführeirn.

„Was gibt es?“, fragte sie den Boten, der etwas außer Atem vor ihr zur Ruhe kam. Sie hatte sich mittlerweile gefasst und achtete darauf, nur noch das zu machen, was sie machen musste. Die Anführerin sein, Zuversicht versprühen. Sie musste an ihre Kämpfer glauben, an die Waffe, die ihnen noch blieb.

„Die Elfen marschieren.“

Sie nickte ernst und entließ den Elfen, als aus der anderen Richtung ebenfalls ein Bote sich zu ihr gesellte. Auch dieser schien etwas außer Atem. „Hast du auch noch eine Nachricht?“

„Ja. Sie ist von Trivian. Die Elfen marschieren zum Dorf im Westen, um den Kampf dort in der Wüste zu bestreiten.“ Sie unterdrückte ein trockenes Lachen. So wie sie den König kannte, hatte er nie vorgehabt, es nur auf dieses Fleckchen Land zu beschränken. „Der Dorfälteste bittet darum, dass der Kampf verhindert wird“, fuhr der Bote mit ernstem Blick fort.

Sie nickte nachdenklich. „Ich werde es versuchen. Geht euch beide-“

„Anführerin!“, erklang eine weitere, aufgeregte Stimme. Mit schier unendlicher Geduld drehte sie sich zu dem dritten Boten, der auf sie zu eilte. „Die Elfen meinten, man solle sich zu einem Kampf in der Wüste im Westen zusammenfinden.“ Er holte tief Luft, schien er doch sehr außer Atem zu sein. „Und sie sind schon losgegangen, wir müssen jetzt aufbrechen!“

Die Stirn der Anführerin hatte sich während der Reden aller Boten in Falten gelegt. Einmal war es ein Späher gewesen, dann einer von Trivian, einem ihrer geheimen Unterstützer, und dann noch eine Nachricht von den Elfen. Gut. Die Nachricht hinter allen Nachrichten war dieselbe. „Wir brechen sofort auf.“ Es war eine hitzige Entscheidung, doch besser, wenn man die Elfen noch auf dem Weg abfangen könnte. Vielleicht konnte man diese Konfrontation in ihrem Keim ersticken.

Optimistisch bleiben! Sie würde es irgendwie schaffen. Außerdem war sie schließlich nicht alleine. Die Boten waren inzwischen ausgeströmt, um ihrer Berufung, Botschaften zu übermitteln, nachzugehen. Und auch sie würde diese Trainingseinheit nun unterbrechen müssen. Sie sammelte ein wenig Magie, um ihre Stimme zu verstärken.

„Rebellen!“, zog sie erst einmal die Aufmerksamket auf sich, und lenkte sie von dem Trainer weg, der die Bewegungen vorgab. Alle drehten sich zu der Frau, die nun wieder näher an den Sandplatz ging. Vor ihr reihten sich vielleicht an die hundert Rebellen. Mehr, als sie jemals würde in einen Kampf schicken wollen. „Die Zeit ist gekommen, um den Elfen endlich zu zeigen, dass wir genauso viel Wert sind wie sie!“ Ihre Stimme klang kämpferisch, sie hatte das Feuer in ihr wieder entfacht. All ihre Zweifel lagen nun hinter ihr, irgendwann später würde sie sich um diese kümmern, nicht jetzt. „Es ist Zeit! Die Elfen setzen sich in Bewegung und fordern uns heraus. Wir werden ihnen zuvorkommen, und ich will euch noch einmal daran erinnern: Wir sind keine Bestien.“

Sie hörte den willigen Widerhall der Stimmen, welche sich vor ihr erhoben. Zustimmung vermischte sich mit Selbstvertrauen, leichte Sorge überschattete ihr Gesicht, als sie auch Kampfeslust heraushören konnte. Konnte das gut gehen? Sie dachte nicht weiter darüber nach. Wieder erhob sie ihre Stimme.

„Wir werden so schnell es geht aufbrechen. Packt eure Waffen und Schilder, Proviant und holt euch den Segen eurer Angehörigen. Möge die Welt uns gewogen sein.“ Die Welt war in diesem Zusammenhang der Glaube, den die Rebellen errichtet hatten. Die Welt war ein übernatürliches Wesen, vielmehr die Welt, wie wir sie kannten, als Ganzes. Denn nur die ganze Welt als Ganzes würde das Schicksal Einzelner bestimmen können, niemand sonst. Es gab niemanden, der über sie herrschte. Sie waren gemeinsam für alles, was in der Welt passierte, mitverantwortlich.

So auch für die grausamen Taten der Hofelfen, schlussfolgerte aber nur die Anführerin allein.

Fragen stellen

Erstaunlich schnell hatte die Halbelfe sich an das Gefühl der Magie um sich herum gewöhnt. Sie war fasziniert gewesen, wie viel Magie sich in ihrer Umgebung befand. Doch die Neugier eines kleinen Kindes wurde bald von der Dringlichkeit ihrer Lage überschattet. Sie riss sich zusammen und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was Feliff versuchte ihr zu erklären. Die Lichtgestalt war wieder ausgeflogen, das Monster - das Pferd, korrigierte sie sich immer wieder in Gedanken - stand am Rand der Lichtung und beobachtetete mit großen Augen das Prozedere. Ihr wurde klar, dass es die Magie nicht spüren konnte, ebenso wenig wie sie es spürte.

„... Alyne?“ Feliff sah sie mit einem verzweifelt anmutenden Blick an, sie riss sich wieder am Riemen.

„Magie kann man mit Hilfe von bestimmten Wörtern dazu bringen, das zu tun, was man will“, wiederholte sie reflexartig, wenn auch ohne zu wissen, was sie sagte. Erst im Nachhinein ging ihr die Bedeutung der Worte auf. „Also ist Magie... wie ein dressiertes Tier?“ Sie sah ihn schräg an.

Er musste sich nun zusammenreißen, um nicht lauthals loszuprusten. An diesen Vergleich hatte er gar nicht gedacht. Eine lächerliche Vorstellung, wenn man bedachte, dass Magie etwas Altehrwürdiges war, etwas, was wohl älter als die Welt war. Die Elfen von Adel würden ihr diese Frage sicher niemals verzeihen. „Wenn du es dir so besser vorstellen kannst, ja. Aber ich rate dir, niemanden genau über deine Sichtweise aufzuklären.“ Er unterdrückte ein Schmunzeln. Sie nickte, in ihren Augen kam zum ersten Mal das Verstehen über Magie zum Vorschein. Sie erinnerte sich an die vielen Stunden in der Elfenschule, die sie am Rand gesessen hatte und nicht zugehört hatte. Ihre schnippischen Antworten, wenn man sie denn mal ansprach. Und schlussendlich die Aufgabe der Magie, die sie eigentlich immer kennenlernen wollte, es aber nie konnte.

Mit leichtem Schrecken stellte sie fest, dass sie wieder abgedriftet war. Feliffs unerklärlicher Blick lag auf ihr, doch er seufzte nur und fuhr fort. Er war gerade mit den Grundlagen fertig geworden, welche die Wirkung- und Stärkeregulierung, die Art der Aussprache der Zauber und die Zielerfassung beinhalteten, als er erneut unterbrochen wurde, dieses Mal aber nicht von einer unaufmerksamen Schülerin.

Feliff, hast du dich auch vorbereiteit? Das Lichtwesen war wie jedes Mal ohne Vorwarnung erschienen, doch man rechnete schon damit. Auf seinem Gesicht breitete sich Nachdenken aus, Alyne war erleichtert über diese Pause. Das, was er ihr erzählte, kam ihr in Ansätzen vertraut vor, doch sie hatte so lange nichts mehr damit zu tun gehabt, dass sie alles wieder vergessen hatte. Und nun versuchte sie verzweifelt, sich an all das, was der reinblütige Elf ihr gesagt hatte, zu erinnern und nichts zu vergessen.

Nach einer längeren Pause, in der sich Alynes rauchender Kopf wieder abgekühlt hatte, antwortete er schließlich: „Nein. Soll ich jetzt gehen?“

Ja, am besten. Ich kümmere mich dann solange um Alyne. Er nickte, wieder nachdenklich, und winkte ihr zum Abschied zu, ehe er das Dickicht vor sich teilte und zwischen den Blättern verschwand. Nun war sie mit dem Lichtwesen wieder allein.

„Gibt es noch etwas zu tun?“, fragte die Halbelfe. Ihr wurde wieder unbehaglich zu Mute, als sie an die bevorstehende Schlacht dachte. „Wie stehen die Dinge denn eigentlich momentan?“ Sie hatte seit ihrem Aufenthalt in dem Wald keine Ahnung mehr, was sich in der Welt draußen getan hatte. Es war wie ein goldener Käfig gewesen, denn sie kannte weder den Weg rein, noch raus. Es gab nicht einmal die Lücken zwischen den Gitterstäben, die ihr einen Blick auf die Außenwelt gegeben hätten.

Unser Kampf ist ein anderer als der, den die anderen führen, begann die Lichtgestalt mit einer unverständlichen Erklärung, die nicht den Eindruck erweckte, besonders beantwortend zu sein. Die Elfen und die Rebellen sind in einen Krieg gezogen. Sie machen sich bereit zum Kampf. Letzten Endes hatte sie doch eine Antwort bekommen.

Alyne schluckte. Das klang nicht gerade gut. Und die Rebellen waren doch in der Unterzahl, oder? Soweit sie wusste gab es keine größere Heeresmacht als die der Elfen. „Und wir werden ihnen folgen?“ Auf welcher Seite standen sie überhaupt?

Eine Art Kopfschütteln folgte von dem Lichtflimmern. Nein. Wir haben einen anderen Kampf zu führen, wiederholte sie ihre Worte, Meine Schwester erwartet uns, ebenso wie ich sie. Wir werden die Tiere mitnehmen, ebenso wie sie die Monster. Und keine Sorge: Diese Tiere sind keine gewöhnlichen, ebenso wie ihre Monster nicht die Monster sind, die alle kennen. Bei diesen Worten wurde Alyne flau im Magen. Was hieß das nun wieder? Sie versuchte, ihre Vorstellungen zu beruhigen. Und doch wusste sie, dass das, was immer in Ainrafe war, schrecklicher sein musste als das Monster, welches die Elfen abgerichtet hatten.

„Also rufst du die Tiere nun zusammen?“, fragte Alyne weiter. Wieder ein Kopfschütteln. „Also macht Aura das?“ Bei der Erinnerung an das Mädchen wurde ihr warm und kalt zugleich. Ihr war bewusst, dass das Mädchen mitziehen würde, doch es bereitete ihr Unbehagen, daran zu denken. Doch als sie wieder ein Kopfschütteln erhielt, wusste sie für einen Augenblick nicht weiter. „Feliff?“ Vielleicht war das ja das, was er noch machen musste.

Norm Eruaf schüttelte wieder den Kopf. Du.

Ungläubig sah Alyne das Wesen an. Sie sollte das machen? Ihr ging im Unterbewusstsein ein Licht auf. War das vielleicht die Aufgabe, die ihr zugeteilt worden war? Ihre Rolle in der Welt? Doch irgendwie klang es auch ziemlich komisch. Tierführerin sein? Nun gut, was hatte sie auch erwartet.

Ein leises Kichern weckte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Lichtwolke. So könnte man es auch bezeichnen. Nein, es ist etwas Anderes. Du solltest Aura erwecken, das war der Kern deiner Aufgabe. Mit dieser Aufgabe ist aber auch viel mehr verbunden. Dir liegt die Führung des Waldes inne, ich bin zu schwach, um noch irgendetwas anrichten zu können. Ihre Stimme klang nicht bedauernswert. Der Kampf wird auf die nächste Generation übertragen. Sie machte eine Pause, in der Alyne die Worte auf sich wirken ließ. Sie sollte also nun... wirklich Hauptbestandteil des Kampfes werden? Sie wusste ja nicht einmal, wie und was sie da machen sollte! Es tut mir Leid, dass ihr unseren Streit nun tragen müsst. Das Gefühl eines zaghaften, traurigem Lächeln erreichte Alyne. Ihr krampfte sich das Herz zusammen.

Sie trug nun wirklich die Last eines mehr als Jahrtausenden alten Kampfes. Dann atmete sie tief durch, beruhigte sich. Das stimmte nicht ganz. „Feliff und Aura sind auch da, oder?“ Ein Nicken. „Und die Tiere des Waldes auch, oder?“ Wieder nickte die Lichtgestalt, mit zögernder Freude versehen, dass Alyne diese Aufgabe annahm. „Wann geht es los?“

Jetzt.

Sie sah das Flimmern entgeistert an, doch dieses schien nur entschuldigend mit den Schultern zu zucken, sofern die Halbelfe es beobachten konnte. „Und... wie rufe ich die Tiere?“ Sie zog unwillkürlich fragend eine Augenbraue hoch, ein Zeichen dafür, dass sie es immer noch für unwirklich hielt.

Du rufst sie mit einem Zauber. In Alyne kribbelte es. Es wäre das erste Mal, dass sie Magie anwandte, seit... Ja, seit wann eigentlich? Sie hatte die Jahre aufgehört zu zählen. Kannst du mir folgen? Sie nickte. Dann begann der Zauber, der den Tieren signalisierte, dass es bereit war, zu gehen. Sie versuchte den Wortlaut, den sie in ihren Gedanken wahrnahm, so gut es ging wiederzugeben. Ihre Konzentration war so hoch wie eigentlich nur bei ihren Übungen, wie eigentlich nie bei dem, was sich Magie nannte.

Sie hatte nach dem Ende des Spruches denselben schon beinahe wieder vergessen. Sie atmete erleichtert aus, als der Zauber beendet war. Da spürte sie ein besorgt anmutendes Zupfen an ihrem Oberteilsaum. Verwundert blickte sie an sich herunter und entdeckte einen kleinen Hasen, der aber auch nicht gerade sehr hasenähnlich wirkte. Seine Ohren vergrößerten sich gegen Ende zu großen, tellerförmigen Kreisen, so eine ähnliche Konstruktion ersetzte auch den kleinen Stoppelschwanz des Hasen. Das Fell war von hellgelber Färbung, die Augen von einem strahlendem hellblau.

Da bemerkte sie erst die undeutlichen Formen von Magie, die sie wahrnehmen konnte. Tiere aller Art hatten sich um sie herum versammelt. Nur die wenigsten kannte sie, die meisten blieben ihr schleierhaft. Sie sah verwirrt zu der Lichtgestalt hinüber, die an dem Ort verharrte, wo sie geblieben war. Ein verschmitztes Lächeln ging von ihr aus. Das war doch das, was du beabsichtigt hast, oder?

In ihr kam wieder die Erinnerung daran auf. Ein Bild, welches sie die ganze Zeit während des Zaubers verfolgt hatte – Feliff hatte ihr geraten, immer noch ein gedankliches Bild als Stütze zu nehmen, damit man selbst bei einem Versprecher die richtige Wirkung erzielte. Magie konnte Gedankenlesen, schoss es ihr in den Kopf.

Naja, das nicht unbedingt. Ein leises Kichern, welches nicht einmal im Ansatz bösartig wirkte. Aber es ist in dir drin. Sie stupste Alyne mit einem ihrer Fühler sanft an dem Ort an, wo ihr Herz war. Magie ist überall, vergiss das nicht. Sie kann nirgendwo nicht sein, nur manchmal ist sie so schwach, dass man sie nicht wahrnehmen kann.

Sie nickte, auch wenn sie nicht so recht wusste, was sie mit dem Wissen anfangen sollte. „Ich werde es mir merken“, versprach sie aber dennoch. Ein Rascheln von Blättern weckte ihre Aufmerksamkeit. Feliff war mit einer Tasche aus dem Gebüsch getreten.

„Ich wäre auch soweit.“

Die Lichtgestalt nickte. Dann zog sie in die Richtung los, in der der Pfad lag, auf dem sie gekommen waren. Einem Impuls folgend setzte auch Alyne sich in Bewegung, das Pferd und die anderen Tiere folgten ihr augenblicklich. Feliff gesellte sich wieder an die Seite der Halbelfe. Sie waren sorgsam darauf bedacht, einander nicht anzusehen.
 

Futave hatte sich noch nie so recht mit dem Gedanken angefreundet, in einen Krieg zu ziehen. Ihm waren natürlich die Krisen zwischen den Rebellen und den Elfen bewusst und bekannt gewesen, doch hatte er nicht erwartet, dass der König tatsächlich zum ersten Schlag ansetzen würde. Und das im Winter. Er beobachtete kritisch den Himmel über ihnen, der bedeckt schien. Wartete er nur darauf, dass die Flocken ihr Vorankommen noch erschwerten oder wieso legten sie so viele Pausen ein?

Ein Blick über die versammelten Elfen genügte, um ihm zu zeigen, dass alle der anwesenden topfit waren. Es schien sogar keine Rolle zu spielen, ob man, wie er selbst, auf einem Pferd saß, oder zu Fuß ging. Von seinem erhöhten Aussichtspunkt aus hatte er einen guten Überblick über die Lage, weshalb er diese Schlussfolgerungen schließen konnte. Er hielt die Zügel stramm, um sein Pferd davon abzubringen, herumzutänzeln. Er verweilte starr und mit nachdenklichem Blick, der der Menge vor, hinter und neben ihm gewidmet war.

In seinem Kopf fasste er die vergangenen Tage noch einmal Revue zusammen. Direkt nach dem Beginn des Marsches, der mit schlichter Feierlichkeit verabschiedet wurde, schickte er eine Botschaft zu Erfline. Er hoffte, dass der Vogel, den er sicherheitshalber gesandt hatte statt eines Elfen, ankommen würde. Er hatte keine Ahnung, in welcher Weise die Barriere auch auf Tiere wirken würde. Die Nachricht für sie hatte er an das linke Bein des Vogels gebunden, vor Regen geschützt in einem Röhrchen aus leichtem Aluminium verpackt. So weit, so gut. Der Marsch war losgegangen. Er hatte sich während der vergangenen fünf Tage zurückgehalten, seine Meinung zu den verschwenderischen Pausen zu äußern. Und auch jetzt hielt er sich mit eisernem Griff.

Wieso er sich dennoch weigerte, von seinem Fuchs zu steigen, blieb wohl nur ihm ersichtlich. Er sah, dass alle anderen ihre Pferde abgesattelt und zu den provisorischen Ställen gebracht hatten. Er seufzte. Vielleicht sollte er seinem Pferd auch eine Ruhepause gönnen. Er überlegte danach nur noch kurz und schwang sich schließlich mit einer eleganten Bewegung vom Pferd. Es stand still und bewegte sich erst dann wieder, als er es an den Zügeln nahm und mit der Zunge schnalzte. Langsam setzte es sich in Bewegung.

Das Lager, wenn man es so nennen konnte, war wirklich nur für eine kurze Zeitspanne. Es wurde ein Stück Wald für die Pferde abgezäunt, das war es eigentlich auch schon an Befestigungseinrichtungen. Die verschiedenen Truppen sammelten sich an verschiedensten Stellen im Wald. Er erinnerte sich an das nicht gerade einfache Vorankommen, doch es gab eben keinen breiten Waldweg, der ein ganzes Heer durchgelassen hätte. Man konnte die Größe des Heeres nur schwer abschätzen, wenn man nicht wusste, wie groß es tatsächlich war.

Während er sein Pferd dem Elfen gab, der dafür zuständig war, entdeckte er eine weiße Plane. Scheint, als hätte man das Zelt für den König nun doch aufgebaut. Es gab jeden Halt Streitereien, ob es nun sinnvoll war, und jedes Mal gewann der König, natürlich. Seine Begründung, alle naselang Besprechungen halten zu wollen, konnte scheinbar keiner entkräftigen. Und auch diese Pausen wurden damit begründet... Futave fragte sich einmal mehr, was das Ziel des Königs eigentlich war.

Kurz zog er es in Erwägung, sich zu dem König zu gesellen und ihn weiter zu bearbeiten, damit er diesen sinnlosen Krieg aufgab, doch dann ließ er es doch sein. Noch konnte er sowieso nichts erreichen, die ständigen Besuche würden seine Geduld nur strapazieren. Er gab es nur ungerne zu, doch es würde einfacher sein, wäre der reinblütige Elf hier. Es schien, dass er dieselben Absichten verfolgte wie er selbst, doch wer wusste das letzten Endes genau? Er jedenfalls nicht.

Er beschloss, sich ein wenig bei den einfachen Soldaten umzuhören, auch wenn er schon die letzten Male gemerkt hat, dass es hier nichts zu rütteln gab. Diese Begeisterung verursachte ihm Magenschmerzen. Er hatte Krieg nie verstanden, doch mit dieser Meinung stand er wohl ziemlich allein auf weiter Flur. Irgendwann entschloss er sich doch dazu, bei seinem Pferd zu bleiben und abzuwarten, dass man den Befehl zum Vormarsch geben würde.

Es schien aussichtslos zu sein, irgendetwas zu erreichen. In diesem Sinn war er für diese Verzögerungen sogar recht dankbar, würden sie nicht unendlich viele Ressourcen verschwenden, als wenn sie später aus dem Dorf aufgebrochen wären.
 

Die Situation wirkte bei Erfline nur dezent anders. Sie waren erst seit einem Tag unterwegs, allesamt zu Fuß. Sie hatte bequemes Schuhwerk aus Leder erhalten, ebenso wie eine kratzige, aber warme Hose und einen Pullover. Sie ging neben der Anführerin her, die als einzige Ausnahme zu Pferd unterwegs war. Sie blickte mit ernsten Blick geradeaus, sich selbst in eine leichte, aber stabil wirkende Rüstung gehüllt, die im schwachen Licht glänzte.

Das Klappern der Rüstungen und das Stapfen der Rebellen hinter ihr vermischten sich unter dem dumpfen Schweigen. Es wagte kaum jemand, ein Wort zu sagen, während sie den Weg entlang gingen. Sie waren die meiste Zeit unterwegs gewesen, legten nur eine Pause zur Nacht hin ein und eine am Mittag. Ab und zu hörte sie ein Flüstern, doch dann war es auch schon wieder verschwunden.

Sie selbst hatte bisher eine Gelegenheit gehabt, mit der Anführerin zu sprechen. Noch bevor die Reise losging, konnte sie einen unbeobachteten Moment mit der Anführerin verbringen, der ihr mehr Verwirrung als Klarheit gebracht hat. Sie wirkte müde, wenn sie nicht unter all den Rebellen war, die immer um sie herumschwirrten. Es ergab sich ein kurzes, eindringliches Gespräch.

Die Anführerin wollte diesen Kampf, diesen Krieg nicht. Dennoch führte sie ihn, doch die Gründe ergaben sich Erfline nicht. Wieso war sie überhaupt die Oberste der Rebellen geworden, wenn sie doch so etwas vermeiden wollte? Sie verstand einfach nicht, warum, wieso und weshalb. Doch der Unwille über den Kampf konnte sie nicht als einen Ansatzpunkt sehen, mit dem sie sie dazu bringen konnte, diese Rebellin dazu zu bringen, die Rebellen aufzuhalten, die unaufhörlich hinter ihr marschierten.

Nachdenklich blickte Erfline diesen Rücken an, der gerade und stolz auf einem dunkelbraunem Pferd thronte. Ihr Blick wirkte entschlossener, als sie eigentlich war. Erfline seufzte, ließ ihren Blick dann aber ebenfalls nach vorne gleiten. Sie ging in der ersten Reihe, niemand versperrte ihr die Sicht. Der Wald war voller Heimtücke und nicht gerade der beste Ort, um ein paar Hundert Mann durchzubringen, doch das schien niemanden zu kümmern.

Es war nun wieder Mittag geworden. Erfline beklagte sich nicht wegen ihren schmerzenden Gliedern, sie war schon unbeliebt genug. Nun noch ein Zeichen der Schwäche zu zeigen schien ihr gefundenes Fressen für die Rebellen zu sein, die ihr immer noch misstrauten.

„Wir legen eine Pause ein.“ Die Stimme der Anführerin war leise gewesen, doch man hatte sie klar verstanden. Die vorderen Männer trugen die Nachricht an die hinteren weiter. Jeder stöhnte innerlich erleichtert auf, doch niemand ließ sich etwas anmerken. Mit einer eleganten Bewegung schwang die Anführerin sich vom Pferd, überließ die Zügel dem Stallburschen und begann, sich in der Menge nach dem Wohlbefinden zu erkundigen.

Erfline blieb unschlüssig stehen, ließ sich dann aber zu Boden sinken, um ihre schmerzenden Füße auszuruhen. Anders als die anderen hatte sie kein Gepäck dabei, man hatte ihr auch keine Waffe gegeben. Während die anderen ihre Bündel aufschnürten, um eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, wartete Erfline darauf, dass jemand ihr sagen würde, wie sie etwas zu essen bekam, so lange musste sie ihren Magen noch beherrschen.

Sie beobachtete, wie die Anführerin mit einem aufmunternden Lächeln durch die Menge schritt, man sah ihr die Anstrenungen kaum an. Sie kümmerte sich gut um ihre Untertanen, fiel der Hofelfe ein weiteres Mal auf. Die Silhouette der großgewachsenen Rebellin verschwand in der Menge, als sie aus ihren Gedanken aufschreckte, weil jemand sie an der Schulter angetippt hatte.

Sie fuhr erschrocken herum, doch da war nur eine schüchtern wirkende Rebellin, die ein Stück Brot und ein Glas Wasser in der Hand hielt.

„Danke“, erwiderte sie, als die verschreckte Dienerin ihr die beiden Sachen reichte. Sie seufzte, als die Rebellin fortging. Wie dumm von ihr, zu denken, dass es Futave gewesen sein könnte. Sie sackte in sich zusammen, machte sich dann aber, das kalte Wasser und das trockene Brot zu essen. Einmal mehr fragte sie sich, warum der König gerade diese kalte Jahreszeit gewählt hatte. Noch war es nicht allzu kalt, doch der Schock von dem warmen Dorf der Rebellen, der sie die tatsächliche Jahreszeit vergessen ließ, war doch ein wenig erheblich gewesen.

Was führte der König bloß im Schilde? Wenn sie das nur wüsste.

Sie hörte dem Gemurmel der Rebellen, die sich nun leise, aber befreit unterhielten, halbherzig zu. Ein wenig schämte sie sich, dass sie auf solche Art lauschte, doch andererseits würden die Rebellen wohl kaum mit ihr reden, und wenn, dann wohl nicht offen über ihre Meinung zum Kampf. Generell hatte sie einmal mehr das Gefühl, dass man ihr misstraute.

Auch die Bitte, mitzuziehen, war von den meisten Rebellen nicht gut aufgenommen worden. Man gewährte es ihr schließlich, doch während sie an dem harten Brot nagte, plagten sie einmal mehr Schuldgefühle, weil sie Teile des Proviants beanspruchte. Konnte sie irgendetwas für die Rebellen tun? Nein, wohl eher weniger. Sie seufzte. Sie würde ihnen auch keine Magie beibringen können, dies war ihr strengstens untersagt.

Sie hielt in ihren Gedanken inne.

In den letzten Tagen kam sie sich immer fremder vor. Das Gefühl er Hochnäsigkeit, des Besserseins gegenüber der Rebellen war verschwunden, jedenfalls dachte sie nicht mehr so geringschätzig über sie. In Gedanken versunken blickte sie zu dem Ästedach über sich. Sie hatte sich wahrlich verändert, doch was war der Grund gewesen?

Sie erinnerte sich kaum noch an die Tage im Dorf, sie schienen ihr so fern, so leer gewesen zu sein. Ihr kamen die Elfen auf einmal falsch vor, all diejenigen, die verstießen, verstießen.

Einschließlich ihr selbst.

Und auf einmal konnte sie sich selbst nicht mehr mögen. Sie schluckte. Würde die Tatsache, dass sie es nun anders sah, auch ihre Einstellung zu sich selbst ändern? Die Einstellung von anderen zu ihr? Wie hatte Futave sie nur lieben können, als sie so jemand Garstiges gewesen war?

Sie atmete tief durch. Es war keine Zeit übrig, um sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Aber vielleicht sollte sie tatsächlich etwas für die Menschen tun, die um sie herum waren, die ihr, die keiner von ihnen wirklich mochte, Essen gaben und warme Kleidung. Sie wusste, dass sie es nicht gerne taten. Irgendetwas musste sie doch zurückgeben können...

Ihr fielen Beeren ein, die hier in der Nähe wachsen müssten. Zwar war sie hier nie gewesen, doch die Bäume kamen ihr bekannt vor. Da der Busch der Beeren mit diesen Bäumen in Einklang lebte, müssten hier auch die Beeren wachsen. Sie fasste sich ein Herz und erhob sich von der Stelle, auf der sie gesessen hatte.

Sie ignorierte die kritischen Blicke, die auf sie gerichtet waren. Am besten sprach sie zuerst mit der Anführerin darüber, doch diese war nicht aufzufinden. Sollte sie also lieber alleine die Beeren pflücken gehen? Nein, das war zu riskant. Man konnte es für einen Fluchtversuch halten und die Menge zu verlieren war auch eine Möglichkeit, die sie nicht eingehen durfte. Also streifte sie weiter durch die Rebellen, die ihr nur widerwillig antworteten, wnen sie fragte, wo die Anführerin war.

Als sie sie endlich entdeckt hatte, war es auch schon wieder Zeit für den Aufbruch. Sie seufzte leise auf, ging dann aber hinter der Anführerin her wieder nach vorne. Es würde sich auch später noch eine Gelegenheit ergeben, oder? Sie wusste auch nicht, ob sie die Beeren schon kannten. Sie hatten eine belebende Wirkung und schmeckten ein wenig scharf, waren aber wundervoll gegen Kälte.

Dann stockte sie. Würden sie überhaupt Beeren essen, die sie ihnen vorgeschlagen hat? Wenn sie ihr nicht trauten, wäre die Anstrengung, die Früchte aus ihren dornigen Ästen zu befreien, umsonst gewesen.

Licht und Schatten

Es war nicht vielmehr als ein Schatten gewesen, der über die Wälder und Häuser, Dörfer und Städte, Menschen und Elfen gehuscht war. Nicht viel mehr als ein Hauch, der schneller vorüber war, als man blinzeln konnte.

Das Schattenwesen hatte sich auf Streife begeben, während der Nacht und bei Tag war es ausgezogen. Umherstreifend, sich sammelnd. Man konnte zumindest von diesem Wesen aus jenem Wald nicht behaupten, dass es lichtscheu war – wie hätte sie sonst all die Jahre mit ihrer so gegensätzlichen Schwester leben können. Und obwohl es so lange her war, die Zeit ohne sie reichte nicht an ihre gemeinsame Zeit heran.

Sie drängte das aufkommende Gefühl weg, als sie nach Hause zurückkehrte. Ein Gefühl von Trauer hatte versucht, ihr Gemüt zu erwärmen, doch es scheiterte wie die Male zuvor auch. Sie empfand nichts mehr für ihre Schwester, weder für sie noch für die Welt. Sie hatte jegliche Emotionen verloren, richtig?

Die Dunkelheit, die jegliches Licht zu verschlingen schien, kam näher. Sie definierte das schon warm anmutende Gefühl in ihrem kalten Herzen nicht, es würde ihr doch sowieso nichts bringen, wenn sie wusste, was das war. Sie wusste insgeheim auch schon, was es war. Das Gefühl von Heimat. Und dennoch dachte sie nicht weiter daran, denn sie wusste auch, welches Gefühl mit diesem verbunden war. Am besten war es doch, überhaupt nicht zu denken. Dann würde dieses Leben vielleicht auch schneller ein Ende finden.

Ihre Gedanken wurden zu etwas Dringenderem abgelenkt, als sie in die erholsame Finsternis des Waldes eintauchte. Meine Schwester bewegt sich.

Die Monster, allesamt mit ihr selbst verbunden, hörten den innerlichen Klang ihrer Stimme. Biester, die schlimmer waren als die Nacht hässlich, trotteten langsam aus den Nestern hervor, die sie behaust hatten. Eine einzige menschliche Gestalt war inmitten der Massen ausfindig zu machen, ein einziges Gesicht voller Unschuld inmitten all der Fratzen.

„Geht es los?“, fragte der kleine Junge, welcher von alptraumhaften Wesen behütet und umschattet war. „Sie sagen immer wieder Wir gehen jetzt.“

Ein sachtes Nicken erfolgte von der Schattengestalt. Ja, wir gehen jetzt. Ein kaum hörbares, kaum spürbares Ausatmen ging durch die Reihen. In freudiger Erwartung wetzten sich Klauen, wenn auch nicht hörbar und erkennbar. Wer wusste schon bei einem vollkommen verunstaltetem Geschöpf, was was darstellen sollte? Zumal eine unheimliche Stille beinahe jegliches Geräusch unterband, verschluckte.

Das Nicken, welches sich nur wie eines anfühlte, aber kaum die Gestalt eines Nickens besaß, wurde von dem Jungen erwidert. „Verstehe.“ Dann lief er durch die Reihen der Monster hindurch, die mit einem Mal von ihm wichen, schlagartig auswichen und ihm hinterher sahen. Einige machten Anstalten, dem kleinen Wesen zu folgen, doch sie wurden von einer schneidenden Stimme zurückgehalten.

Nein.

Die Monster hielten inne, ihre Blicke wanderte gehorsam zu ihrer Herrin herüber. Es waren keine menschlichen Gedanken zu vernehmen, nicht einmal den Ansatz einer Stimme. Stille herrschte, welche von animalischen Geräuschen dumpf erfüllt wurde.

Die Zeit verging und sie verharrten in dieser Rastlosigkeit, die leiser schien, als sie eigentlich war. Das Huschen von Schatten war undeutlich in der alles verschlingenden Dunkelheit zu erkennen, schwach erwiderte ein verirrter Lichtstrahl die Umrisse, um sich schließlich selbst zu vernichten. Diese Wesen waren nur auf eines aus, dürsteten nach Taten, die der Tag nicht sehen wollte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit war das Trippeln von kleinen Schritten wieder zu vernehmen. Der Junge war zurückgekehrt. In seinen Armen hielt er ein dreckiges Bundel, welches er, seinem Aussehen nach zu urteilen, aus der Erde gebuddelt hatte. Er war von oben bis unten verdreckt, doch auf seinem Gesicht war ein fröhliches Lächeln zu sehen. „Ich habe es, Mutter.“

Sie nickte nur kurz. Dann drehte sie sich abrupt um, ein Schwall Schwärze ergoß sich über die Biester. Sie ergötzten sich an der Dunkelheit, nicht merkend, dass ihre Herrin ein klein wenig zu schrumpfen schien. Nehmt das. Nun kommt! Es ist Zeit, die letzte Schlacht zu schlagen.

Die Monster schienen Jubelrufe auszustoßen, doch man hörte keinen Laut. Die Schattengestalt flog vor, aus dem Herzen des Waldes, der so lange die Heimat und Brutstätte dieser Monster gewesen war, hinaus in die Welt. Angst und Schrecken würden von nun an ihre ewigen Begleiter sein, denn auch wenn man sie nicht sah, so fühlte man sie. Ihre Anwesenheit bestand aus purer Angst.

Der kleine Junge beeilte sich, den schnellen Monstern nachzukommen, doch seine kurzen Beine trugen ihn nicht sonderlich schnell. Er wurde kurzer Hand an der Taille von einem Monster umfasst, welches in der Nähe stand. Der Prozess schritt mit unveränderter Geschwindigkeit fort, während der Junge an einem schleimigen Tentakel hing, sich daran aber nicht störte. Man konnte, da das Licht sich nun langsam mehrte, sehen, wie der Schleim des Tentakels des unidentifizierbaren Monsters den Boden unter sich mit einem Zischen verätzte.

Doch dem Jungen machte das alles nichts aus. Er war vielleicht ein wenig schleimig, doch der Schleim löste sich rasch auf, nachdem es den Körper des Jungen berührte. Die Augen des Jungen blitzen freundlich in der heller werdenden Dunkelheit, als würde es den Monstern um ihn herum Mut zusprechen.

Je näher sie dem Waldrand kamen, desto ernster wurden die Mienen, oder wurden sie freudiger? Zögern taten nur einige wenige Monster, als sie an den Rand der ewigen Dunkelheit kamen. Gleißendes Sternenlicht breitete sich vor ihnen aus und erhellte die Nacht mit ihrem silbernen Schein, welcher noch nie Schrecklicheres gesehen hat.

Ein unendlich wirkender Teppich an schwarzen Gestalten in allen Formen und in einer Farbe strömte aus dem Herzen des Waldes heraus. Es war Nacht, sternenklar erhob sie sich über den Biestern. Doch rasch verdunkelten herbeiziehende Wolken den Himmel, der augenblicklich das Licht, welches er ausstrahlte, zurücknahm.

Der kleine Junge inmitten der Masse an Schwarz merkte von alledem nichts. Immer noch an diesem einen Tentakel hängend blickte er sich mit seinen nun deutlich sichtbaren Augen um, die hellgrau schienen. Das Pechschwarz seiner Haare vermischte sich mit den Schatten der Monster, während sein bleiches Gesicht sich gen Himmel reckte, der trotz der Wolken noch schwaches Licht sandte, Licht, welches bei ihm keine Sehzellen reizte.

Es schien, als konnte er es spüren.

„Mutter... Was ist das?“ Er streckte seine kleine Hand nach dem Himmel aus, den er nicht sehen konnte. Seine Welt war ewig gleich und ewig dunkel. Seine Sinne wurden überflutet von den neuen Geräuschen, die Geräusche von Wind, von raschelndem Gras. Das Huschen von kleinen Tieren. „Ich... da...“ Er konnte es kaum in Worte fassen, als dieses kalte Sternenlicht auf ihn schien.

Faure Morin schien bei seinen Worten schmerzlich zusammenzuzucken. Sie hatte es vorhergesehen, aber eine Vorhersage war nicht immer wahr, so dachte sie jedenfalls. Ausgerechnet diese erfüllte sich. Da ist nichts. Konzentrier dich!, ermahnte sie ihn dann mit ungewöhnlich schneidender Stimme, sodass er zusammenzuckte. Seine Augen waren verwirrt, blickten keinen bestimmten Punkt an, während er seinen Kopf mal hier, mal dahin drehte.

„In Ordnung, Mutter.“ Sie schien sich nach seinen Worten wieder beruhigt zu haben, ebenso wie die Monster, die für einen Moment unruhig geworden waren. Die aufgekommenen Löcher im Teppich wurden nahtlos geflickt. „Wohin gehen wir?“, fragte er dann, immer noch am Tentakel baumelnd, als ob nichts sei. Es war ihm auch unmöglich, die Abscheulichkeit dieser Wesen zu sehen.

Wir treffen eine alte Freundin wieder. Das Schattenwesen schien minimal zu schrumpfen, zu verkrampfen, doch als kaum eine Sekunde verstrich, war sie wieder wie immer. Aber du weißt doch auch so, wohin sie dich tragen werden.

Nachdenklichkeit breitete sich auf seinem Gesicht aus, als sie gen Südwesten zogen, alles unter sich begrabend, was ihnen in den Weg kam. Sie hinterließen eine Schneise der Verwüstung, der Welkheit. Ihr Gift verätzte den Boden, ließ ihn unfruchtbar werden – nicht, dass in der Nähe der Dunkelheit jemals irgendetwas Nützliches gewachsen war.

Von da an herrschte Stille, die durch nichts unterbrochen wurde, außer dem geschäftigen Vormarsch der Monster. Es schien jedoch, dass die Schattengestalt ungeduldig schien. Sie umflatterte die Wesen immer wieder, stieg auf und ab, machte sich groß und klein. Sie wirkte rastlos, gehetzt. Als würde das, was sie erwartete, einfach nicht eintreten wollen.

Eine blendende Helligkeit in der Ferne kündigte das Licht an.
 

Es waren nur wenige Tage, wenn nicht sogar Stunden vergangen, nachdem sie den Wald verlassen hatten. Es war Abend gewesen, der rote Himmel zeigte sich besonders kämpferisch. Feliff stimmte diese Farbe über ihm melancholisch und zeigte ihm ein weiteres Mal, dass er das alles nicht wollte. Dennoch war er nur eine Marionette, gespielt von meisterhafter Hand. Er würde sich nicht wehren können, alles andere wäre realistischer, aber frei sein?

Alyne ging es nur in Maßen anders, auch wenn ihre Gedanken um andere Zentren kreisten. Sie thronte auf dem mächtigen Pferd, dessen Fell dunkel wie die Nacht war. Er selbst ritt auf einem Schimmel im trabenden Galopp vor sich hin, die Aufregung um ihn herum war förmlich zu spüren. An die Halbelfe klammerte sich ein kleines Mädchen mit langen, goldenen schimmernden Haaren, welches ihn keinen einzigen Blickes gewürdigt hatte. Er hatte nur über diese Begebenheit müde schmunzeln können, war er auch mal erleichtert über Nichtbeachtung.

Er konnte nur raten, in welchem Gemütszustand sich Alyne befand, doch auch sie selbst wusste es nicht genau. Sie lächelte über die Wärme, die Aura ihr gab, doch war die Aufgabe vor ihr etwas, was sie nachdenklich stimmte. Es würde ihr erster, richtiger Kampf werden. Sie zweifelte nicht daran, dass sie nicht genug dafür geübt und trainiert hatte. Daran lag ihre Nachdenklichkeit nicht. Aber sie wusste nicht, was sie machen sollte. Die Tiere führen war bis hierhin nicht schwierig gewesen – sie ging, sie folgten.

Doch wie sahen Kampfbefehle aus? Und wie stand es mit der gegnerischen Armee? Konnten sie überhaupt gegen sie bestehen, wenn alle so gräßlich aussahen wie das Monster einst, auf dem sie nun ritt? Sie wusste nichts über die Aufgabe, die sie angenommen hatte. Und warum nur musste Aura mitkommen?

Sie wollte nicht, dass dieses kleine Mädchen gleich zu Beginn ihrer zweiten Geburt so schreckliche Taten sehen würde. Sie erinnerte sich an Erzählungen von ihrem Vater, ihrem Großvater. Sie alle verneinten den Krieg oder, besser gesagt, hatten es getan. Sie selbst wurde in friedlichen Zeiten geboren, ein Krieg war ihr in den ersten Jahren ein Fremdwort gewesen, hatte sie auch genug andere Probleme gehabt.

Erinnerungen an Faure Morin kamen in ihr auf und sie schauderte, als sie sich an die Tonlosigkeit erinnerte. Hier hörte man viele Geräusche, wie eine große Anzahl Tiere es nun einmal tun würden. Sie drehte sich vorsichtig, um Aura nicht zu erschrecken, nach hinten um. Hinter ihr erstreckten sich tausende von Tieren aller Art. Sie glimmten in der aufkommenden Finsternis und schienen ihr Zuversicht zu schenken.

Dann drehte sie sich, mit einem besseren Gefühl der Entschlossenheit, wieder nach vorne. Auf ihrem Gesicht lag ein energischer Ausdruck – sie würden die Dunkelheit schon besiegen. Vor ihr erstreckte sich der Wald in seiner Endlosigkeit, doch sie nahm einen Lichtpunkt in der Ferne war. Der Wald lichtete sich und ließ den Blick auf ein riesig anmutendes Feld frei.

Alynes Atmung stockte, sie musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, ihre Augen weiteten sich vor Angst. Auf diesem Feld hatten sich alle Alpträume, die es gab, zusammengefunden und einen dunklen, sich bewegenden Teppich gebildet, welcher selbst das Licht zu meiden schien.

„G-gegen das müssen wir kämpfen?“ Es war schlimmer, als sie sich je hätte vorstellen können. Die missgestaltesten Wesen vermischten sich, bildeten eine grausige Einheit. Sie fiel fast vom Pferd, doch Aura hielt sie mit entschlossener Miene.

„Ich stehe hinter dir.“ Ihre Stimme klang ebenso wie ihr Blick, ernst und bereit, über diese Leichen zu gehen. Sie nickte, auch wenn es ihr ein wenig Unbehagen bereitete, und blickte dann flüchtig zu Feliff herüber. Sein Gesicht war zu einer grimmigen Grimasse verzogen, welche jedoch nicht minder entschlossen als die des kleinen Mädchens wirkte.

Und auch die Wesen hinter ihr scharrten mit den Hufen, Krallen oder was auch sonst sie hatten. Eine bestialische Gier lag in der Luft, die nach dem Blut des anderen dürstete. Die Halbelfe erschauderte ein weiteres Mal, doch sie ignorierte jegliche Angst, die sich in ihr aufzutun gesuchte.

Grausam, nicht wahr? Die Lichtgestalt hatte sich neben ihr gesellt, sie nickte nur stumm. Da erhob sich ein Schatten, der schwärzer schien als alles, was sie gesehen hatte, über der Menge. Ihre gegensätzliche Schwester tat es ihr gleich, beide erhoben sich in ungeahnte Höhen, umkreisten lauernd und ließen niemanden an dem Gespräch, welches in stiller, ewiger Übereinkunft gehalten wurde, mithören.

Ein lauter Knall, der von weit himmelwärts kam, eröffnete den Angriff. Lautes Gebrüll wurde auf der einen Seite von vollkommener Stille niedergeschlagen, auf der anderen Seite unwirklich verstärkt, als zwei ungleiche Wolken herabregneten. Die Frontlinien verschoben sich nach vorne, ein Schwert wurde geschwungen, ein Bogen gespannt. Es knisterte in dem immer schwindendem Zwischenraum, der den beiden Partien verblieb.

Alyne erschien es wie ein unwirklicher Traum, als sie dem Pferd die Sporen gab und es nach vorne preschte, ein großer Umhang hinter ihr folgte auf Schritt und Tritt. Sie hörte die Energie in den Fußstapfen, spürte die Magie, die sich aufblähte. Und die Gegenseite. Sie sah sie nur, doch spürte sie nicht. Dennoch entlud sich auch auf ihrer Seite etwas Vergleichbares, wenn sie es auch nicht spürte.

Sie zog mehr aus Gewohnheit ihr Schwert aus der Schneide, hob es kämpferisch über ihren Kopf und versenkte es in dem ersten Monster, welches sie zu fassen bekam. Eine nicht zu identifizierende Kreatur, die fiel. Eine Flüssigkeit, deren Farbe sie im Zwielicht nicht bestimmen konnte. Schläge, Hiebe, Manöver. Es war, als würde sie nicht mehr über ihr Handeln bestimmen.

Es war ihr, als würde dies alles zu einer grausamen Routine gehören.

Sie kam nicht einmal außer Atem, während sie schlug, schnitt, verteidigte und niedermetzelte. Sie hörte alle möglichen Schreie, Magie, die entwich. Erstickte Laute. Sie sah, was sie niemals sehen wollte. Ihr Pferd trampelte seine ehemaligen Mitgenossen erbarmungslos tot, wenn sie sich noch bewegten. Sie wirkte Magie, das erste Mal, dass es so gut lief.

Und dann. Stillstand.

Sie hatte aufgehört, zu hören. Dann schwand ihr Blickfeld und wurde zu einem Gemisch aus hellen und dunklen Punkten. Sie befand sich in schwereloser Leere, das Gewicht ihres Schwertes fühlte sie nicht mehr. Ihr Körper gehorchte ihr nicht, sie spürte ihn nicht mehr. Alles schien in ein dicke Schicht Nichts eingepackt worden zu sein, aus der sie nicht herauskonnte.

Die Punkte fingen an, nicht mehr wahllos durch die Gegend zu huschen, sie bildeten ein undeutliches Bild, welches aus zwei Farben bestand: Schwarz und Weiß. Sie sah undeutliche Schemen vor sich verschwimmen, während in ihrem ausgeschalteten Verstand kein einziges Mal die Frage aufkam, wo sie eigentlich war. Sie spürte Vibrationen, welche durch ihren Arm, ihren Körper gingen. Dann sah sie einen großen, schwarzen Fleck an ihrem rechten Gesichtsfeld. Daneben bildeteten sich, in einigem Abstand zueinander, zwei helle Flecken, einer heller als der andere.

Und einer bewegte sich?

Gefangen

Es war kaum eine Woche vergangen, bis der Wald langsam lichter wurde. Sie konnten durch die Baumspitzen ein weites, freies, grünes Feld erkennen. Manche Späher waren schon losgelaufen, um dem Dickicht der Büsche zu entkommen, der Begrenzung der kargen Baumkronen über ihnen, und kamen nun zu der Gruppe zurück, welcher gemählich dahin trottete.

Die Boten schienen bedrückt zu sein, war ihr beschwingter Gang, mit dem sie losgezogen waren, erdrückend geworden. In ihren Augen spiegelte sich die Trauer, die sie gesehen hatten, als sie sich den Häusern genähert haben. Gleichzeitig waren ihre Gesichter ratlos, sie wussten nicht mehr, was sie machen sollten. Die Anführerin zügelte ihr Pferd, der Marsch kam zum Erliegen. Sie sitzte elegant ab und ging auf die drei Späher zu, die mit stolpernden Schritten auf sie zukamen.

Das Herz der Anführerin schien die Gefühle, welche die Augen, die langsam wieder zu sich kamen, aufzusaugen, und fast blieben ihr alle Worte im Hals stecken. Hinter sich hörte sie leises Murmeln, während man wartete. Sie atmete kaum merklich tief durch, ehe sie das Wort an die Späher richtete: „Berichtet mir bitte, was ihr gesehen habt.“ Ihre Stimme war leise, aber durchdringend. Voll bangen Unmutes, welcher durch die Luft ging.

Sie nickten langsam, als würden sie das Sprechen nicht wagen, sie wirkten allesamt wie kleine, verängstigte Kinder. Ihr schnürte sich einmal mehr das Herz in ihrer Brust zusammen. Die Späher vor ihr stupsten sich alle gegenseitig an, keiner erpicht darauf, zu beschreiben, was sie gesehen hatten. Dann nahm der Größte, welcher von den beiden Kleineren eingerahmt wurde, sich ein Herz. „Das Dorf ist verlassen. Wir haben Trauer über dem Ort gespürt.“ Er blickte sie eindringlich an, und sie nickte. Es waren kleine Kinder, kleine Elfenkinder. Sie waren sehr, sehr sensibel für solche Empfindungen. Einmal mehr fragte sie sich, warum sie sie mit in den Krieg nahm. Er fuhr fort. „Wir haben keine Lebenszeichen da oder in der Umgebung gefunden.“

Ihr Atem stockte.

„Auch keine Elfen“, bestätigte er mit seinem abschließenden Satz ihre Ahnung. Warum waren die Elfen bloß nicht dort? Sie konnte es sich nicht erklären. Nur eine Sache wurde ihr immer deutlicher: Die Elfen führten etwas im Schilde. War es besser, sofort umzukehren? Im Dorf waren sie alle in Sicherheit.

Ihr wurde im selben Moment klar, dass es für einen Rückzieher zu spät war. Sie drückte ihren Rücken ein bisschen mehr durch, um ihre Zuversicht zu stabilisieren, ehe sie das Wort an die Rebellen richtete. „Rebellen! Es scheint mir, dass die Elfen uns einen Streich spielen wollen. Aber wir lassen uns davon nicht beirren. Schlagt hier im Wald das Lager auf, doch gebt Acht darauf, dass wir schnell fliehen können.“

Ihre Worte waren fest über ihre Lippen gekommen, dennoch fühlte sie sich unwohl, als die Gruppe sich zerstreute und sie sich ihren vorher zugeteilten Aufgaben widmeten. In den letzten Tagen hatte es wohl keinen einzigen Tag gegeben, an dem sie irgendwie leichten Herzens gewesen war, keine Entscheidung, die sie ohne einen Gewissensbiss getroffen hatte.

Und nun die schon fast zu offensichtliche Falle. War ihre Entscheidung die richtige gewesen? Sie bezweifelte es, doch ihr fiel keine gute Alternative ein. Doch anstatt hier ihren Zweifeln Grund zum Blühen zu geben, sollte sie lieber ihren Kameraden helfen, ein Lager baute sich schließlich nicht von selbst auf. Sie schüttelte die Zweifel von sich ab und stürzte sich dann in das Gewühl, in welches nur eine Person keinen Platz fand.

Die ganze Woche über war es Erfline nicht gelungen, ihr Gewissen gegenüber den Rebellen, die sie verköstigten und mitnahmen, zu beruhigen. Die Beeren konnte sie, wie erwartet nicht pflücken. Und ihr fiel einfach nichts ein, womit sie den Rebellen helfen könnte. Nicht, dass diese unbedingt ihre Hilfe annehmen wollten. Es hatte ihr zwar keiner direkt gesagt, doch in ihrem Verhalten konnte sie es lesen. Man hatte sie angenommen, natürlich, aber viele hatten sie noch nicht akzeptiert. Was für ein himmelhoher Unterschied das war, erfuhr sie mal wieder in diesem Augenblick, ohne Futave, noch viel heftiger als zuvor.

Und sie bereute all ihre Taten, die sie begonnen hatte. Mit einem Mal begann sie zu verstehen, wie sich die wenigen Halbelfen in ihrem Dorf gefühlt haben mussten, geduldet, aber nicht akzeptiert. Genauso wie sie jetzt. Sie setzte sich an den Rand, lehnte sich an einen Baum und machte sich ganz, ganz klein.
 

Die ewigen, kleinen Pausen des Marsches kamen Futave mit Mal zu Mal länger und länger vor. Jedes Mal, wenn der König mal wieder beschloss, eine Pause einzulegen, verging sie schleppend. Er fragte sich jedes Mal, wieso sie diese überhaupt hielten. Und mit jedem weiteren Blick in das hämische Gesicht des Königs, welches manchmal in seine Richtung lugte, machte sich ein flaues Gefühl in ihm breit.

Eine Ahnung wuchs in ihm heran, die er nicht bestätigt wissen wollte. Er kannte den Vorteil der Elfen, den sie durch diesen Menschen haben könnten, doch hatte er tatsächlich derartige Dinge getan? Die Gespräche mit dem König, die Futave eigentlich täglich führte, fruchteten nicht. Es gelang ihm nicht, den König von seiner Meinung zu überzeugen. Eine langwierige Meinungsverschiedenheit schlug Futave nun stark aufs Gemüt, er hatte sie noch nie so recht mit dem König verstanden. Er war ihm viel zu schnippisch, zu... festgefroren. Kalt, gierig. Ihm schauderte.

Wieso war dieser Elf König geworden? Die Gründe für das Begehren dieses Posten waren einerlei, doch die Gründe für die Elfen, ihn zu wählen? Der König war länger König gewesen als Futave lebte, jedenfalls kam es ihm so vor. An die Ereignisse seiner Kindheit erinnerte er sich kaum, doch er schien in etwa in diesem Zeitraum gewählt worden zu sein. Die Geschichtsbücher erzählen von heroischen Taten, die er begannen haben sollte, doch nichts ließ sich näher dazu finden. War er jemand, der sein Licht oder seine Dunkelheit unter den Scheffel kehrte?
 

Ein harter Ruck riss Alyne aus der Blase, in der sie geschwebt hatte. Das laute Krachen, welches in ihren Ohren dröhnte, stellte das Platzen dar und das Ende des Fallens bildete der Boden. Sie rieb sich ihren schmerzenden Kopf, als sie laute Stimmen vernahm, die ihren Kopfschmerzen nicht gerade gut taten. Sie nahm kaum den Unterschied zwischen den innerlichen und der äußerlichen Stimme wahr. Dennoch hörte sie die Rage in den Stimmen heraus, die sich gegeneinander aufhetzten.

Sie katte kaum die Kraft, ihre Augen zu öffnen, und ließ sie geschlossen. Vielleicht würde sie ein wenig schlafen können, ein klitzekleines Bisschen... Erschrocken fuhr sie hoch. In ihren Kopf strömten Bilder, die sie an den Kampf erinnerten, den sie vollkommen ausgeblendet hatte. Sie sah voller Furcht um sich herum, erwartend, dass die Monster sich über sie her gemacht hatten.

Doch da war nichts als Leere. Weiße Unendlichkeit, die bis an den Rand ihrer Wahrnehmung reichte und weiter. Sie sah sich überrascht um, hatte sie doch andere Bilder erwartet. Schwarze, unidentifizierbare Ungeheuer, magische Tiere, die eher wie Fabelwesen wirkten. Doch der Kampf schien wie weggefegt, ebenso wie alles andere, was sich auf der Erde befand. Was immer diese Leere auch war, sie wollte hier weg, aber das schien kein leichtes Unterfangen zu sein.

Zögernd stand sie auf, den Boden unter sich konnte sie nicht von dem restlichen Weiß unterscheiden, es gab nicht einmal einen Schatten, an dem sie wenigstens sehen würde, dass sie auf Grund und Boden stand. Unsicher und wackelig bewegte sie sich zögernd vorwärts, den Blick auf ihre Füße gerichtet, deren Grund sie nur erahnen konnte. So langsam hatte sie die Nase voll von all den Mysterien, die um sie geflochten wurden. Ihre Rolle wurde ihr unerträglich schwer, und sie harrte nicht an einer Stelle aus.

Je länger sie ging, desto mehr Stand gewann sie. Sie richtete ihren Rücken gerade, versuchte, irgendwem, vielleicht Gott, ihre Entschlossenheit zu zeigen.
 

Der reinblütige Elf hatte seine Stellung links neben Alyne bezogen, die auf ihrem Rappen vorwärts geritten war. Das reine Weiß seines Pferdes bildete einen starken Kontrast zu ihrem mächtigen Pferd, welches seines um mindestens zwei Köpfe überragte. Er hatte aber auch kein anderes nehmen wollen, warum auch immer. Ihm war unwohl bei dem Gedanken gewesen, so viel über dem Boden zu sein, doch Alyne schien das alles nichts auszumachen. Den ganzen Marsch über war sie still gewesen, nachdenklich war sie in ihren Gedanken versunken und sagte nur wenig. Auf Fragen hatte sie kurz und knapp geantwortet.

Er hatte immer nur kurze Blicke auf ihr nachdenkliches Gesicht werfen können, doch es erschien ihm immer unpassend. Er konnte nur hoffen, dass nach dem Konflikt alles beim Alten bleiben würde, auch wenn er selbst nicht daran glaubte. Viel zu unwahrscheinlich erschien es ihm, viel zu... simpel. Wieso hätte man sonst diesen Kampf machen sollen? Wenn alles letzten Endes doch so blieb, wie es vorher war.

Er hatte mehrmals geseufzt, während sie durch die Wälder gegangen waren. Er spürte die immense Magie, die hinter ihm her zog, mehr als deutlich. Er hatte nicht viel darüber nachgedacht, wie der Kampf am Ende ausgehen würde, denn es würde sowieso wohl gleichbedeutend mit dem Ende der Welt sein, oder nicht? Es gab immer Stellvertreterkämpfe für den Kampf zwischen Licht und Schatten, doch... wenn sie selbst gegeneinander zum Zug kommen?

Ihm hatte es geschaudert. Er dachte nicht weiter darüber nach.

Dann hatte der Kampf begonnen. Er schlug seine Gegner mit Magie und einem Schwert nieder, er musste notgedrungen seine Augen offen halten, um die Wesen sehen zu können, um sehen zu können, wo er schlagen musste. Es hatte ihm Bauchschmerzen und Übelkeit bereitet, doch er hatte das Gefühl unterdrückt und weitergekämpft.

Das, was in nachher so in Rage versetzte, war eine fehlende Aura. Er hatte die Person neben sich nicht mehr gespürt. Doch da war auch keine Magie, die bei einem Todesfall freigesetzt wurde. Da war nur Leere. Mit weit aufgerissenen, erschrockenen Augen hatte er sich zu ihr umgedreht. Sie schien noch da zu sein, doch ihr Körper flimmerte.

Er kannte dieses Phänomen nur allzu gut. Und die Stille, die danach folgte, war ebenfalls nur allzu vertraut. Sein wutentbrannter Blick war zu dem Lichtwesen herübergeschweift, welches sich über alle Wesen auf ihrer Seite gelegt hatte, ebenso wie das Schattenwesen bei ihren Monstern. Sie waren in ihren Bewegungen erstarrt, beide Seiten. Und auch Feliff konnte sich nicht mehr rühren, doch seine Gedanken waren noch frei.

Er merkte gar nicht, dass er all die Anklagen, die Flüche und die Verwünschungen laut rief, dass er seinen Mund bewegen konnte, obwohl er von ihrer Macht eisern gehalten wurde. Er fragte sich nicht mehr, was sie vorhatten, denn er wusste es nun endgültig.

„Habt ihr das wirklich vor? Wollt ihr das nun wirklich machen?“, schrie er, doch er nahm seine Stimme gar nicht wahr. „Wollt ihr … Könnt ihr das wirklich einfach so bestimmen? Wieso denkt ihr eigentlich immer nur an euch?!“ Er schnaufte, doch auch das schien er nicht mehr zu bemerken.

Wir denken nicht nur an uns. Doch es ist schwer, tausend Jahre alte Gefühle zu ignorieren!, erwiderte die Lichtgestalt mit Schmerz in der Stimme. Du verstehst davon gar nichts.

Sei endlich ruhig, du kleiner Wicht. Du wirst uns nichts vorschreiben. Die Zeit war so oder so abgelaufen, Kleiner. Der kalte Spott, der nicht einmal echt wirkte, ließ ihn erschaudern.

„Wieso...?“ Er sah sie, seine Erschafferin, anklagend an. Hinter ihm lagen Tausende von Jahren, Millionen von Jahren. Mehr als genug für ein Leben. Doch wie viele konnten das von sich behaupten? „Wieso?!“ Er erwartete keine Antwort mehr. Er spürte ihre Kälte, die sich hell und dunkel ausbreitete. Er merkte noch, wie etwas in ihn eindrang, sein nächster Satz würde wohl sein letzter Satz sein, dieses Gefühl, als ob jemand ihn aufheben würde, würde wohl das letzte sein.

Er würde sich nicht wehren können.

„Warum?“

Beginnen

Sie waren fünfzehn Tage unterwegs gewesen – die doppelte Zeit, die sie benötigt hätten, wenn sie diese Strecke mit normaler Geschwindigkeit gegangen wären. So aber kam es eigentlich mit jedem Tageszeitwechsel zu Verzögerungen. Futave hielt sich noch im Zaum, um seine Chancen, den Kampf irgendwie – kurzzeitig hatte er sogar in Erwägung gezogen, zwischen die Fronten zu rennen, doch bei dieser Entschlossenheit würde er wohl nur gnadenlos überrant werden – zu verhindern. Ihm rann die Zeit davon, als er merkte, dass sie bald ankommen würden.

Und tatsächlich. Der Wald schien sich zu lichten, zumindest machten dichte Baumreihen lichteren Baumreihen Platz, Pflanzen, die mehr Licht benötigten, wuchsen am Wegrand, dem Winter und der Kälte trotzend. Die Temperaturen waren gesunken, jedoch nicht allzu stark. Man würde es auch ohne allzu warme Sachen überleben können, doch einen Krieg? Er blickte kurz hinter sich. Das Heer der Elfen war über die Tage noch ein wenig gewachsen, von überallher strömten weitere Kampflustige ein. Er schätzte nun, dass es an die tausend, vielleicht auch nur fünfhundert Mann waren. Eigentlich eine lächerliche Anzahl, nahm man sich die Daten früherer Kriege zu Rate. War die Bevölkerung geschrumpft oder war der Platz einfach nur verschwunden, an dem man solche Kriege bestreiten konnte?

Er wollte nicht darüber nachdenken, denn die Zahl der Opfer war immer noch unbegreifbar hoch. Warum wollten bloß so viele den Krieg? Er spürte, wie die Magie um ihn flimmerte, oder er bildete es sich ein.

Dann sah er in weiter Ferne Rauchfahnen über einem Dorf, welches leer sein sollte. Nein, es war nicht das Dorf selbst, welches diese Fahnen in die Luft stiegen ließ.

„Die Rebellen sind schon da“, entfuhr ihm die Bemerkung, die der König neben ihm mit einem tadelnden Blick strafte. Er biss sich auf die Lippen, während der Trupp hinter ihm nach und nach zum Erliegen kam. Als endgültige Stille herrschte, sagte der König immer noch nichts. „Was haben Sie vor?“, fragte der Elf also, doch er erhielt nur ein siegesgewisses Lächeln, welches ihn frösteln ließ.

Das sah nach einer Falle aus.
 

Nachdem die Elfen nach gefühlt Dutzenden von Tagen nicht kommen wollten, war die Anführerin unruhig geworden. Sie hatte letztendlich doch den Befehl gegeben, in das weite Feld der Wüste zu gehen. Erfline bekam von ihren Plänen nicht viel mit, doch in den letzten Tagen war auch ein Bote, welcher in das Rebellendorf geschickt wurde, zurückgekehrt. Seitdem spürte sie die erhöhte Anwesenheit von Magie, welche in der unendlichen Weite der Wüste eigentlich rar sein sollte, alten Überlieferungen zufolge jedenfalls. Doch sie schwirrte überall um sie herum, was sie nicht verstehen konnte.

Woher kam die Magie nun schlussendlich? Würde sie das jemals erfahren? Sie bildete eine kleine Mulde mit ihrer Hand, leuchtend vergänglicher Staub sammelte sich auf ihrer offenen Handfläche, ehe er in das Nichts verging. Woher kam dieser Zauber bloß? Und warum offenbarte sich die Magie, die sonst immer unsichtbar zu bleiben pflegte, sich nun, wenn sie schlichtweg ihre Hand offen hielt und etwas 'auffing'?

Sie verstand das, was man als Magie bezeichnete, einfach nicht. Doch konnte sie behaupten, dass sie momentan irgendetwas verstand? Nun gut. Sie drehte sich zu dem fern wirkenden Wald um, das provisorisch wirkende Lager auf dem sandigen Boden wirkte eher behelsmäßig als wirklich fest. Dennoch fühlte sie sich sicher, jedenfalls so lange, bis sie in diese Ferne sah.

Ihr Atem stockte, als sie die Masse an Elfen sah, die mit betont langsamer, aber schnell wirkender Geschwindigkeit auf sie zukamen. In der ersten Reihe ritten die höchsten Beamten auf Pferden, in derselben Reihe wie der König, welcher sich in einer gold glänzenden Rüstung präsentierte. Und ebenso, so erkannte sie undeutlich seine Silhouette, Futave, welcher hitzig auf die Person neben ihn einzureden schien, seine Augen, soweit sie erkennen konnte, vor Schrecken weit geöffnet.

Ihr Atem stockte, als sie diese Masse erblickte, die herumirrenden, aufgeregten Rebellen um sie herum nahm sie gar nicht mehr wahr, obgleich sie sich allesamt etwas zu brüllten, umher eilten, sich bereit machten. Sie sank langsam zu Boden, zumindest war das der ursprüngliche Plan ihres Körpers. Rechtzeitig fand ihr Bewusstsein den Weg zurück und hielt sie rechtzeitig davon ab, einen dummen Fehler zu begehen. Nun musste sie Stärke, nicht Schwäche zeigen. Sie atmete tief durch. Dies hieß noch keine Niederlage. Fast hätte sie wieder laut aufgelacht. Auf wessen Seite stand sie denn nun eigentlich?

Die Rebellen hatten sich weit auf der Wüste auf einer Seite zusammengefunden und dort ihr Lager aufgeschlagen. Die Elfen umrundeten nun das Dorf auf der gegenüberliegenden Seite, um zu dem Feld zu kommen, welches den Kampfort bilden sollte. Der König wirkte siegessicher, denn auf seinem Lächeln lag ein nicht übersehbares Selbstbewusstsein versteckt.

Ihm gegenüber wartete die Anführerin der Rebellen, die sich wieder auf ihr Pferd geschwungen hatte, welches in diesem Moment keinen einzigen Moment zitterte und herumtänzelte. Ihr Gesicht verriet tiefen Ernst, bestimmte Entschlossenheit. Sie würde nicht zurückschrecken, egal, was er tat. Auch lag ihr eine erstaunliche Ruhe inne, die man nur schwer hinter den grimmigen Falten ihrer Stirn erahnen konnte.

Sie wusste ebenfalls, dass dieser Kampf entschieden war. Doch ihre Meinung war definitv nicht diejenige, des Elfenkönigs, welcher sich mit seinem Heer, welches bestimmt an die achthundert Elfen fasste, vor ihr positionierte. Der Abstand zwischen den beiden Fronten war zwar großzügig angelegt, dennoch konnte man die Anfeindung der beiden Partien förmlich spüren. Die Anführerin, welche eine Macht von vielleicht vier- bis maximal fünfhundert befehligte, rührte sich nicht vom Fleck, bis der König vortrat.

Er thronte mit einem nur schwer zu verbergendem, selbstgefälligen Lächeln auf seinem Pferd, welches das ihre um mindestens zwanzig Zentimeter überragte. Sie blickte nicht zu ihm hoch, jedenfalls wirkte es nicht so. Obwohl sie nicht viel größer war als er, schien es, als würden sie auf gleicher Ebene stehen – Erfline spürte deutlich die Anwesenheit von Magie, auch wenn sie sich nicht in der ersten Reihe befand. Sie war schlussendlich für die Artillerie, den Fernkampf, eingesetzt worden und befand sich in den hinteren Reihen. Sie war auch ganz froh darum, denn auch wenn sie hoffte, mit dieser Vergangenheit voll von falschem Stolz abschließen zu können, konnte sie ihrem Vater, welcher das Heer der Rebellen mit wachsamen Augen nach ihr absuchte, nicht wirklich unter die Augen treten. Sie fühlte sich nichtsdestotrotz wie eine Verräterin.

Doch das war es nicht, was sie in diesem Moment am meisten interessierte. Anstatt feindesliger, hasserfüllter Blicke tauschte sie mit ihrem Gegenpart hilflose aus. Er hatte sie direkt entdeckt, obgleich sie von Hunderten von Köpfen verdeckt wurde. Ihre Aura war unverkennbar, zumindest für ihn. Ihr Vater schien sie noch nicht gefunden haben, obwohl Futave ihr Bewusstsein schon lange vorher gespürt hatte. Lag das vielleicht an der Bindung, die sie verband? Es musste so sein.

Er wusste einfach nicht, was er tun sollte, denn der Kampf, der sich vor ihnen abspielte, war eigentlich zu alt, um ihn zu verhindern. Die Augen, welche sich mit Hass ansahen, bemerkten die Leichen nicht, die sie ihrem Hass zum Opfer geben würden. All die Leben, welcher dieser Kampf zerstören würde. Erfline erschien es als wahrscheinlich, dass damit das Schicksal der Elfen besiegelt war – außer, es gab außerhalb dieses Quadrates Erde noch andere Elfen.

Sie würden es nie erfahren. Sie würden es nie erfahren.

Es ertönte kein Laut, als es passierte. Es ertönte nicht einmal ein Schrei. Um genau zu sein, hatte sie nicht einmal eine Ahnung, was genau vor ihren Augen geschah. Sie spürte nur einen großen Knall, der sich wellenförmig ausbreitete, und eine Hitze, die sich kalt anfühlte. Stille kehrte ein, unheimlich große Stille und Ruhe.

Die Elfe fühlte sich in Stille eingebettet, als würde eben diese Ruhe sie halten, denn sie spürte immer noch die Erde unter ihren Füßen. Zu spät merkte sie, dass sie tatsächlich fiel, ein Luftzug verriet es ihr und ein Sog, der sie in die Tiefe zerrte. Sie erwartete einen harten Aufprall, der nie kam. Verwundert blickte sie zu Boden, doch sie sah nichts. Schwärze umgab sie, unglaubliche Schwärze, durch die wohl kein einziges Licht dringen konnte. Sie stürzte in die Tiefe, in die Endlosigkeit, die sie umgab.

Begleitet wurde sie in diesem freien Fall von Bildern, welche sie dunstig umflogen, um wieder in der Schwärze zu verschwinden. Sie erhaschte immer wieder einen Blick auf diese skizzenhaften Zeichnungen vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger Tage, vielleicht auch von Tagen, die niemals waren oder sein würden. Zaghaft mit Farbe angehaucht, vielmehr aber noch blass und vergänglich in ihrem Sein. Sie sah sie immer nur flüchtig, erhaschte nur einen kurzen Blick in all die Gesichter, die manche Bilder ihr zeigten oder vor ihr verstecken wollten.

So viele Gesichter, die Schmerz empfanden. So viele Gesichter, die weinten, die lachten, die schrien, die ernst waren, vor Sorgen zerfurcht, mit Tränen versehen, redeten, kämpften. Sie schloss irgendwann ihre Augen inmitten dieser Dunkelheit, um sie nicht mehr sehen zu müssen. Sie krümmte sich zu einem kleinem Fleck im unendlichen Nichts, wartend darauf, dass alles vorbei ging.

Oder wartete sie auf eine Hand, die sich nach ihr ausstreckte? Sie wusste es nicht genau, waren ihre Gedanken doch ebenso flüchtig, so unergreifbar wie das, was sie umgab. Nur das Schwarz war bestehend, es verging nicht. Weder, wenn ihre Augen die zarten Bilder streiften, noch, wenn sie die Augen schloss und dem Anblick so vieler Schicksale entging.

Und immer fragte sie sich, wann das alles aufhören würde. Doch im Grunde würde auch das keine Rolle mehr spielen, denn diese Schicksale würde sie so oder so sehen. Der ganze Kampf, den die Partien in der realen Welt veranstalteten, war so irrwitzig und unnötig, dass sie kaum ein spöttisches Lachen herausbrachte, welches ihr sonst immer so leicht gefallen war. Sie konnte sich nicht dazu bringen, irgendetwas an dieser Situation lustig zu finden.

Sie zählte die Sekunden, Stunden nicht, die sie in dieser Zeitlosigkeit verbrachte. Es interessierte sie schlichtweg nicht. Die Augen fest zugekniffen wartete sie darauf, sich dem, was sie erwarten würde, zu stellen. Und irgendwann entschloss sie sich endlich, nachdem sie tief durchgeatmet hatte, dass es Zeit war, sich dem zu stellen, was auch immer dies hier war.

Sie öffnete ihre Augen entschlossener, als sie sich selbst fühlte.

Teile der Vergangenheit

Sie zählte nicht, wie viele Stunden in dem Weiß vergingen, in dem sie gefangen war. Alyne schritt irgendwohin, unermüdlich versuchte sie, das Ende dieser Ewigkeit zu ergründen. Ihr Plan war simpel, wenn man das einen Plan nennen konnte. Sie würde einfach weiter in diese Richtung gehen, in der Hoffnung, irgendwo auf irgendwen oder wenigstens irgendetwas zu treffen. Der Faden ihrer Geduld spannte sich mit jedem Schritt ein wenig weiter, den sie in dieser Endlosigkeit tun musste.

Doch er riss nie. Egal, wie lange sie dort entlang ging, der Faden blieb und blieb. Lag es daran, dass vielleicht nur wenige Sekunden tatsächlich vergangen waren? War es, weil sie jedes Zeitgefühl verlor? Sie ging und ging, ohne auch nur irgendetwas als die Stille wahrzunehmen, dieses Gefühl des Bewegens, welches unwirklich schien. Obwohl sie sich sicher war, dass sie einen Schritt nach dem anderen tat, so ließ sich das in der Monotonie nur schwer nachvollziehen.

Es war ihr, als wäre sie in dieser Ewigkeit gefangen, doch sie merkte nichts davon. Unermüdlich bildete sie sich ein, zu gehen, auch wenn sie vielleicht nur auf der Stelle lief. Ebenso wie sie selbst steckten ihre Gedanken fest, in einem ewigen Kreis, den sie nicht durchdringen konnte. Oder wollte.

Erst, als sie in der Ferne, in der weiten, weiten Ferne einen Punkt sah, kaum vielmehr als der Hauch von anderer Farbe, wachte sie aus ihrem Schlaf auf. Sie wusste nicht, worin ihr das Gefühl vermittelt wurde, dass dieser Punkt weit entfernt war – er hätte ja auch einfach nur winzig klein vor ihrer Nase sein können – doch sie lief los. Ihre weit ausholenden Laufschritte wurden von dem Gefühl gehoben, dass die Jahre, Monate, Tage, Minuten, Sekunden vorher nicht umsonst gewesen waren.

Und tatsächlich. Der Punkt, welcher vorher seine Aufmerksamkeit durch seine Andersartigkeit erhalten hatte, wurde größer und wuchs mit jedem Schritt, den sie nun wirklich wahrnehmen konnte. Sie lief, lief. Es war ihr, als wäre sie noch nie über eine Fläche so geflogen wie über diese reinweiße, die nicht einmal ein Schatten zu beschmutzen wagte.

Der Punkt in der Ferne nahm mehr und mehr Gestalt an. Er wurde ein wenig länglich, bekam mehr Farben. Sie sah leuchtendes Rot oben, eher dunklere Farben unten. Das Oval bekam mehr Form, es wirkte wie ein humanoides Wesen. Alyne merkte nicht, wie die Umgebung sich um sie herum veränderte, während sie dem Weiß entkam. Für Außenstehende musste es wohl so aussehen, als würde sie der Eintönigkeit dieser grellen Farbe entfliehen und sich in warme Grüntöne flüchten.

Sie lief wieder auf festem Grund, doch das einzige, was ihr Blick wahrnahm, war die Gestalt vor sich, die sie nun wiedererkannte. War das nicht sie selbst? Sie erkannte die wilden Locken, welche unkontrollierbar um den Kopf schwirrten, welcher wie ihr Gesicht aussah. Sie versuchte, ihren schnellen Lauf abzubremsen, denn sie befürchtete, dass sie haltlos gegen dieses Abbild ihrer Selbst rennen würde, doch da war nichts zum Abbremsen. Sie spürte erneut keinen Boden unter den Füßen, doch dieses Mal hatte es einen anderen Grund.

Sie schwebte. Sie schwebte über dem Boden, welcher grün und braun war. Sie schwebte über den Wald hinweg, bis sie schließlich auch über sich selbst hinweg flog. Egal, wie sehr sie versuchte, sich der Gestalt, die ihr so sehr ähnelte, zu nähern, es klappte nicht. Als würde sie auf eine unsichtbare Barriere stoßen, die sie davon abhielt, ihr Ziel zu erreichen.

Dann war die Szene auch vorbei, die sie erst zuletzt mit schmerzenden Herz wiedererkannt hatte. Es war eine ihrer schmerzlichsten Erinnerungen gewesen, die sie besaß. Tief in ihrem Innern verborgen kamen die Gefühle von damals wieder auf, zart und doch schneidend wie Dolche, die sich tief und tiefer bohrten. Der erste Tag in der Elfenschule, die erste Stunde in Magie.

Nein, das stimmte nicht. Sie holte, dem schwindenden Wald hinterhersehend, Tränen in den Augen habend, tief Luft und korrigierte sich. Eine Wahrheit, die sie damals nicht begreifen konnte, schlimmer noch als den Hohn ihrer Mitschüler. Der Tag, an dem ihr Vater starb.

Sie wusste noch genau die geringschätzigen Blicke aller Elfen im Dorf, die auf die trauernde Familie gerichtet waren. Ihren Zorn, den sie dabei verspürt hatte. Und die leeren Augen ihrer Mutter. Und niemand, der für sie da war. Natürlich, sie war kein kleines Mädcheng gewesen, aber sie war auch noch lange nicht erwachsen. Im Grunde wusste sie selbst nicht, mit welchen Maßstäben sie sich messen sollte. Mensch oder Elf?

Sie atmete tief durch, als die Szene der Vergangenheit wieder der Vergangenheit angehörte. Dies war nur wenige Tage gewesen, bevor ihr Abenteuer mit Feliff angefangen hatte. Seit da an war viel passierte, erinnerte sie sich wieder zurück. Und dies schien ein Teil davon zu sein.

Nun nicht mehr laufend widmete sie sich wieder ihrer Flugrichtung, um die Tränen, die hervorkamen wollten, nicht herauszulassen. Dies gehörte der Vergangenheit an, sie musste sich auf etwas Anderes konzentrieren. Genau, da war doch noch etwas gewesen. Sie musste schleunigst einen Weg herausfinden, um Feliff wieder helfen zu können. Sie mussten doch noch einen Kampf bestreiten, oder? Im Grunde wusste sie selbst nicht mehr, worin dieser ganze Kampf eigentlich bestehen sollte. Sie standen sich gegenüber, anonym versank man in der Masse. Es war kein Mann-gegen-Mann, es war kein fairer Kampf. Sie wollte ihre Gegner sehen können – nicht nur ummetzeln.

In ihr kamen wieder Würgereize hoch, als sie an den „Kampf“ dachte, den sie bestritten hatte. Und an all das Blut, das sie gesehen hatte – soweit sie die Flüssigkeiten identifizieren konnte. Wer war nun eigentlich wirklich „gut“? Es war eine Frage, die sie sich zwischen der mechanischen Bewegungen gefragt hatte, die sie durch den Kampf geleitet hatten. Auch die Wesen des Lichts schienen diesen unendlichen Blutdurst getragen zu haben, den die Monster des Schattens gepflegt hatten.

Lange Zeit flog sie, von solchen Fragen gequält, mit schrecklichen Bildern belästigt, durch die weitere Endlosigkeit des Weiß. Sie genoß die Schwerelosigkeit ihres Körpers nicht, auch wenn sie es sonst sicher getan hätte. Doch nun war alles anders. Sie seufzte nicht, nur ein grimmiger, nachdenklicher Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit. Sie blickte nicht zurück, zu dem Ort, der ihr einen Anhaltspunkt in der Endlosigkeit gegeben hatte.

Sie wusste immer noch nicht, wo sie sich befand, doch es schien ihr manchmal wie der Tod vorzukommen. Wenn noch weitere Sequenzen ihrer Vergangenheit kommen sollten, würde sie ein kleines Problem haben. Es war noch zu früh, um zu sterben. In ihr machte sich Panik breit. War das wirklich das Ende?

Doch dann umschmeichelte sie sanfte, gefüllte Stille. Sie hörte zwar nichts, doch da war dennoch ein Summen, welches in ihren Ohren vibrierte. Sie schloss für einen Moment die Augen, um den Tönen zu lauschen, die sie fühlte. Sie hielt in ihrer Bewegung inne, um zur Ruhe zu kommen. Die Panik, welche sie eben erfüllt hatte, war wieder verschwunden.

Dies war noch nicht das Ende, nein, das war es nicht. Sie öffnete ihre Augen wieder, vollen Mutes, um dem Weiß wieder zu trotzen. Doch das, was sie sah, war kein Weiß mehr. Sie schwebte über etwas. Ein Sandboden, welcher sich ins Unendliche erstreckte. Grelles Licht gepaart mit alles verschluckender Dunkelheit, im lauen Wind tanzend. Alyne starrte diese Szene, welche sich vor ihr bot, verwirrt an. Wer waren diese beiden Frauen, die miteinander tanzten?

Es schwante ihr, wen sie da so ausgelassen zusammen sah, denn obgleich die beiden Frauen sich ähnelten wie Zwillinge unterschied sie etwas voneinander: Hell und Dunkel. Alyne fragte sich, vor wie vielen Jahren diese Szene wohl spielte. Vermutlich mehr als Millionen. War die Welt am Anfang also eine reine Wüste mit nichts, nur mit... Licht und Schatten?

Sie beobachtete die tanzenden Frauen noch eine Weile. Obwohl sie meinte, sanfte Musik zu hören, drang doch kein Ton zu ihr. Ob es das damals überhaupt gegeben hatte? Sie wusste es nicht. Auf einmal packte sie ein brennendes Interesse an der Vergangenheit, die sie zuvor nicht einmal im Ansatz behelligt hatte. Was war vor Tausenden, Millionen von Jahren passiert? Wie sah die Welt damals aus?

Was hat die Gesellschaft zu dem gemacht, was sie heute war?

Ein kleiner Stich zuckte durch ihr Herz, welches so oft gebrochen und geflickt wurde. Eine Frage, die sie sich nie erklären konnte. Warum hänselte man sie, weil sie nicht das konnte, was die Mehrheit konnte? Niemand hatte sie je für ihr Geschick mit dem Schwert gelobt, nie jemand hatte sie für die schöne Farbe ihrer Haare je beachtet. Es waren so kindische Gründe, die sie, ein Kind, trotz der vielen Jahrzehnte, immer wieder zerbrochen haben. Und die Hände, die sie sorgsam zusammengeflickt hatten, waren nun verschwunden.

Sie atmete ruhig, schluckte den Kloß, welcher sich in ihrem Hals gebildet hatte, herunter und widmete sich der nächsten Szene, die sich vor ihren Augen auftat. Es sah ähnlich aus wie zuvor, doch waren die beiden Frauen nun von mehreren Personen begleitet. Sie saßen auf groben Steinen und es schien Alyne, als hätte der Glanz der beiden, welcher sie schon blendend umstrahlt hatte, etwas nachgelassen. Sie lachten, wenn auch die dunklere der beiden Schwestern etwas schüchterner wirkte, während das Feuer in ihrer Mitte fröhlich prasselte. Sie spürte die Anwesenheit von Magie überall. Es schien, als würde die hellere Schwester mit jedem Ton, den sie von sich gab, ein wenig mehr Magie in die Welt setzen, auch wenn die Halbelfe immer noch nichts hören konnte. Die Runde schien auch eher mit Gesten sich zu unterhalten, denn es wurde – für heutige Verhältnisse unziemlich – ziemlich viel herumgefuchtelt.

Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, die Alyne mit einem Lächeln beobachtete. Die Personen um die beiden Schwestern herum wirkten geschlechtslos, wenn auch manchmal in die ein oder in die andere Richtung tendierten. Auch fand sie nun, dass auch die beiden Schwestern eigentlich nie gleich aussahen. Sie änderten ständig kleine Merkmale, es wirkte dann so, als würden sie irgendwelche Zuckungen haben. Die Halbelfe schmunzelte über diese Bemerkung, als sich die Szene wieder wandelte.

Oder besser gesagt, sie beschleunigte sich.

Im Zeitraffer sah sie eine Spanne, die vermutlich eine millionen Jahre beinhielt. Aus der Wüste wuchsen Pflanzen, die Personengruppe wurde größer, bekam Zuwachs. Sie sah spitze Ohren, runde Ohren. Leuchtende Haarpracht, seidig glänzend dunkle. Es war eine bunte Familie. Und immer waren die beiden Frauen, die am Anfang allein gewesen waren, mit dabei. Sie standen im Laufe der Zeit meistens eher am Rand, halfen jedoch so gut es ihnen gelang. Es wurde nur langsam sichtlich, doch das, was sie anfangs ausmachte, wurde schwächer.

Ihr Glanz wurde heller und dunkler.

Faure Morins Dunkelheit, die sie umwaberte wie ein ewiger Umhang, schien immer blasser zu werden, auch wenn man es wohl erst sehen konnte, wenn man diese Millionen Jahre betrachtete. Doch auch bei ihrem Gegensatz konnte man die Abnahme des Glanzes beobachten – wenn man die Zeitspanne als Ganzes sah. Die einzelnen Generationen – die längsten Leben der Elfen dauerten Tausend Jahre an – würden diesen Unterschied nicht bemerkten.

Alyne selbst nahm ihn nur nebensächlich war, interessierte sie doch vielmehr die Pflanzen und all das Leben, welches während dieser vielen, vielen Jahre gewachsen war. Bunt blühende Blumen säumten die ehemals leere Wüste, Wiesen bedeckten einen Großteil des Sandes und Bäume spendeten Schatten. Sie sah kleine Tiere über den Boden huschen. Die ersten Ansätze von Zivilisation wurden erkennbar. Gruppen rotteten sich zusammen.

Die Halbelfe verlor jegliches Zeitgefühl, während die Jahre schwanden. Ihre Augen klebten förmlich an den Händen der Personen, welche den heutigen Elfen und Menschen nicht unähnlich sahen, auch wenn sie irgendwie anders wirkten. Sie konnte sich nicht erklären, was es genau war, doch irgendetwas war da anders. Vielleicht Feinheiten, die im Gesamtbild einen vollkommen anderen Eindruck vermittelten, als Menschen und Elfen es sonst taten.

Während diesen langen Generationen war es auch egal, ob man Mensch oder Elf war, denn es hatte sich nicht herausgearbeitet. Es war egal, denn es war sowieso kaum „jemand Anderes“ da, dem man sich sonst zuwenden könnte. Harmonie herrschte in diesen Zeiten, doch auch dies sollte nicht so beschaulich bleiben.

Es war etwa gegen Ende des ersten Zeitraffers, auch wenn Alyne immer noch nicht wusste, wo genau sie sich befanden. Es ähnelte alles der heutigen Welt sehr, und die beiden Frauen, die am Anfang allein gewesen waren, hatten sich wieder ein wenig zurückgezogen. Sie lebten nicht mehr mit den Personen zusammen, wie sie es früher getan hatten, doch sie schienen nicht weniger glücklich zu sein. Die Welt – oder der Ausschnitt der Welt, den Alyne sehen konnte – ergrünte und blühte.

Sie ahnte noch nicht, welche Zwiste sie noch erwarten würde, unschuldig wie ein kleines Kind wiegte sie sich in den Armen des Universums.

Alyne beobachtete noch viele Jahre dieses Zusammenlebens, manchmal hörte sie sogar verzerrte Stimmen. Den größten Teil ihrer Reise blieb es jedoch ruhig, nur eine sanfte Musik begleitete sie all die Jahre lang. Die Gruppen organisierten sich, bildeten gesellschaftliche Strukturen. Man rief Elfen sowie Menschen zu Königen aus, die über das Reich regierten sollten, welches von irdischen und übernatürlichen Händen geschaffen wurde. Noch herrschte Frieden, doch dann war Krieg.

Die Halbelfe bekam den Übergang gar nicht mit, ebenso wenig wie den Kampf, der so schnell vorbei war wie ein Wimpernschlag. Die Verwüstung jedoch blieb länger. Sie wollte wegschauen, um dem Leid entgehen zu können, doch sie schaffte es nicht. Und in all dem Chaos konnte sie zwei vertraute Gestalten nicht entdecken, einfach nicht entdecken.

Nach diesem ersten Rückschlag kehrte wieder Ruhe ein, jedoch war auch diese zerbrechlich. Es sollten viele Kriege folgten, viele, die wie der erste waren. Kurz, plötzlich und zerstörerisch, aber nicht nachhaltig zerstörend. Erst viel später, ihrer Zeit nahe, sollte der Krieg sein, der den Samen säte und den Grundstein für die heutige Gesellschaft legen sollte. Doch nun erst einmal zu dem damaligen Bild, welches Alyne sah. Denn das, was sie nun wahrnahm, ließ sie ins Stocken geraten.

Sie beobachtete, wie eine Welt zerfiel. Zwei Wesen, gleich an Stärke und Macht, flogen über die Welt und zerstörten die Landschaft, welche seit Jahrtausenden von Jahren bestand, wie mit einem Fingerschnippen. Sie sah alles unter Trümmern verschwinden, die sie nicht einmal sehen konnte. Dennoch brannte sich dieses Bild in ihr Gedächtnis ein, so stark, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte. Es überschrieb beinahe all ihre momentanen Empfindungen, all ihre Erinnerungen.

Und nach diesem Sog war wieder Leere, Nichts. Alynes Verstand war wie leergesogen, nein, er war vollkommen leer. Weder wissend, wo sie war, noch, was sie hier tat, beobachtete sie den Neuanfang einer weiteren Welt. Sie merkte nur am Rande, dass die Dunkelheit und die Helligkeit wieder zugenommen haben.

Sie wusste letzten Endes nicht mehr, was nun vor ihren Augen geschah. Sie nahm nur noch Fragmente wahr, während sich in ihrem Unterbewusstsein ein Bild zusammenfügte. Ein klares, deutliches Bild, welches sie erschaudern ließ und die Wahrheit hinter den Dingen offenbarte.

Geschichtsstunde

Was Erfline im nächsten Augenblick erblickte, erreichte wohl die Zeit, die sie bisher gelebte hatte, nicht im Geringsten. Es fing alles dort an, wo etwas geendet hatte. Der Krieg, ein langwährender Krieg, von dem sie nur aus Geschichtsbüchern wusste, war gerade beendet. Die Elfen, welche von fortan eine tyrannisch anmutende Herrschaft aufbauen sollten, waren die glorreichen Sieger. Sie beobachtete, wie Zerstörtes wieder aufgebaut wurde.

Und die Abgrenzung, die sie selbst nicht mehr ertragen konnte, wie sie begann. Es hatte sich nicht einmal langsam nach und nach entwickelt, die Waffen wurden beiseite gelegt und an deren Stelle wurde dieser Hass gelegt. Sie schluckte, während sie die Szene vor sich beobachtete. Sie änderte sich rasant, doch Bilder, Schnappschüssen nicht unähnlich, brannten sich in ihren Kopf ein. Sie konnte kaum fassen, wie diese Anfänge aussahen, auch wenn sie von ihnen so oft gelesen hatte. Man hatte es ihr beinahe täglich vorgebetet, durchgekaut. Diese Mischlinge, Bastarde waren es nicht wert. Diese Wesen waren unnütz.

Sie sah zum ersten Mal die Emotionen, welche hinter diesen Worten gesteckt hatten. Es war schrecklich. Sie sah Tränen, echte und ehrliche Trauer, berechtigte Wut. Sie wusste nicht, wie weit das Geflecht der Lügen in ihrem Dorf, in ihrem System reichte. Es war keine Frage, ob sie diese Lügen weiter würde ertragen können, denn Wahrheit war nun das Einzige, wonach sie dürstete. Sie hatte keine Ahnung, warum und wieso ausgerechnet jetzt, doch es war ganz deutlich in ihrem Kopf.

Sie schien aus dem Schlaf erwacht zu sein, welcher sie in all den Jahren gefangen gehalten hatte. Doch sie wusste einfach nicht, ob das reichte, um für die Wahrheit, die ganze Wahrheit bereit zu sein. Sie konnte einfach keine Begründung finden, die es ihr rechtfertigen würde, die Wahrheit zu erfahren. Dennoch blickte sie stur geradeaus, auf dieses Szenario, welches sich ihr bot. Sie erblickte eine Gestalt, die sie nur aus Büchern gekannt hatte, nun ganz deutlich in dem Gedränge der Stadt, über der sie momentan schwebte.

Sie wusste ganz genau, wo sie nun war. Die alte Hauptstadt, welche sich an der Küste finden lassen ließ, war ganz in der Nähe, dies war der Ort, wo die größten Persönlichkeiten der elfischen Geschichte ihren Platz fanden. Die Namen alter Könige schwebten vor ihrem inneren Auge, die langen Jahrzehnte, die sie regiert hatten und schließlich auch das Werk, welches sie vollbracht hatten. Die Person, auf welcher ihr Augenmerk momentan lag, war die größte Persönlichkeit in der ganzen, langen Geschichte der Elfen.

Daie, welcher der gefeierte Held mehrerer Jahrtausende war. Der glorreiche Sieger aus der erbitterten Schlacht um Land zwischen den Menschen und den Elfen, der einzige Zwist der damaligen Zeit, der wirklich Aufmerksamkeit erregt hätte. Die Rebellen wurden damals wieder unter Kontrolle gebracht, viele Jahre nach dem schrecklichsten aller Kriege zwischen den innerartischen Streitpartien. Und derjenige, der sie unter Kontrolle gebracht hatte, war Daie, der reinblütige Anführer.

Ihr erschauderte, als sie zum ersten Mal wirklich sein Gesicht erblicken konnte. Es war fein, es wirkte fast so zerbrechlich wie das einer Puppe. Dennoch war es markant und wirkte ernst, erhaben. Sein schönes Gesicht wurde von dunklen Haaren umrahmt, die vom Winde sanft verweht wirkten. Dunkle Augen krönten diese Schönheit und das Mysteriöse, welches der Elf ausstrahlte. Erfline stockte der Atem, und sie zwang sich, für einen Moment wegzusehen. Er hatte stechende, hypnotisierende, aber wunderschöne Augen und sie drohte, sich selbst in ihnen zu verlieren.

Als sie wieder hinsah, war die Prozedur um den Elfen schon wieder weg. Sie sah sich hektisch um, hatte sie sie verpasst, verloren oder was auch immer? Während sie mit ihrem Körper, der nicht viel mehr war als ein Geist, über die ehemalige Hauptstadt flog, dachte sie noch einmal darüber nach, was sie über diesen Elfen wusste. Daie war der reinblütige Elf, welcher den Sieg über die Menschen errungen hatte und der erste reinblütige ihrer Art, welcher sich in die Belange der Elfen eingemischt hatte. Er läutete die Ära der wahren Herrscher ein, wie man sie in den Büchern nun nannte. Während dieser Zeit waren selbst die Rebellen zahme Wesen gewesen, die bereitwillig all die niedere Arbeit verrichteten, die man ihnen auftrug.

Auch wenn die Realität anders aussah.

Auf der Suche nach dem reinblütigen Elf begegnete sie vielen Bauern, deren Eigenarten sie sofort wieder erkannte. An einigen Stellen, wo blasse Haut sein sollte, befanden sich Tierfelle jeder Art oder sie besaßen Tierohren, zu schmale Augen oder was auch immer einem einfallen wollte, was nicht dem Idealbild entsprach. Sie verrichteten alle Feldarbeit, doch sie sahen nicht glücklich aus. Ihre Augen waren stumpf, sie wirkten wie Roboter. Sie hatte in den letzten Tagen gesehen, was es hieß, Spaß bei der Arbeit zu haben, denn auch die momentanen Rebellen hatten Felder beackert. Sie sahen anders aus.

Sie schluckte, ignorierte die Bauern nun aber weitesgehend. Es würde nicht die einzige Lüge sein, die sie heute aufdecken würde. Also suchte sie nun die Straßen der chaotischen Stadt, welche von einer lapidaren Mauer zusammengehalten wurde, nach dem Elfen ab. Es war eigentlich nicht das Problem, einen reinblütigen zu finden, sofern man selbst ein Elf war. Die Aura von dieser besonderen Art Elfen war eben dominant, doch sie spürte keine, nicht in dieser Gestalt, in der sie eigentlich nichts war.

Aber eigentlich sollten sich auch immer Elfentrauben bilden, egal, wohin er ging. Nach diesen hielt sie nun also Ausschau, doch auch dies schien keinen Erfolg zu besitzen. Als wieder ein Zeitraffer einsetzte, war sie wirklich verzweifelt. Sie war noch nicht bereit, zu gehen, es gab noch mindestens eine Sache, über die sie Gewissheit haben musste. Aber die Elfen, welche sich in der Stadt befanden, bewegten sich schneller, ruckartiger. Der Himmel flimmerte mehr, als dass er seine Farben wechselte. Sie sah sich um, sah hier und da, doch die Zeit floss zu schnell, als dass sie irgendetwas erkennen konnte. Und dann war die Zeit auch schon herum, sie befand sich in einer anderen Periode. Sie erkannte die Trümmer der Stadt, welche sie einst gebildet hatte, wieder.

Dies war der Untergang des reinblütigen Geschlechtes gewesen, so jedenfalls hieß es in den Geschichtsbüchern. Mit Daie zogen sich all die anderen reinblütigen Elfen – es waren ungefähr 5 an der Zahl gewesen – in ihren Heimatwald, Efarnia, zurück. So jedenfalls erzählte man sich, als auf einmal Daie mitsamt der herrschenden Schicht verschwand. Man wusste nicht, was wirklich geschehen war, doch an einen Tod wollte und konnte niemand glauben.

Und danach brach das Imperium der Elfen erstmalig zusammen. Die Bauern, die ehemaligen und heutigen Rebellen, rotteten sich zu einer Revolution zusammen. Erst sah es gut für sie aus, doch dann brachen auch sie unter der Mehrheit der Elfen zusammen. Die sogenannte zweite Periode der Erziehung fing an, doch dies war reine Schönredung, Umschreibung. So viel hatte auch Erfline noch gewusst, denn das, was die Bücher ihr versuchten, zu erzählen, klang viel zu künstlich.

Es dauerte danach nicht mehr lange, bis ein weiterer Aufstand erfolgen sollte. Und dieser war derjenige, welcher einen König an die Macht gelassen hatte, der bis heute die Zügel in der Hand hielt.
 

Futave hatte keine Ahnung, wie er an diesen Ort gekommen war. Die Bilder, welche ihn förmlich in diesem Ort überflutet hatten, waren das Einzige, was er von seiner Umgebung wahrnehmen konnte. Oder war da wirklich diese Schwärze hinter den Rändern der Bilder, hinter dieser Begrenztheit? Er wusste es nicht. Doch er fühlte sich so, als ob er schweben würde. Jeder Versuch aber, sich dessen zu vergewissern, wurde von den Bildern vereitelt, welche ihm scheinbar direkt auf die Netzhaut eingebrannt wurden.

Er schloss die Augen, um sich von der anstrengenden Qual all der Emotionen zu erholen, der einzige Ausweg in die Schwärze. Er beruhigte seinen Atem, von dem er nicht einmal gespürt hatte, wie er schneller geworden war, inmitten der Dunkelheit, die ihn nun umgab. Er öffnete dann die Augen, bereit für die Flut der Bilder, die er nicht einmal richtig identifizieren konnte. Dennoch fühlte er sich unendlich traurig, als wäre alles, was er gesehen hatte, von unendlicher Trauer.

Doch die Szene, welche sich nun vor ihm erstreckte, war ganz anders. Ein kleiner, dämmriger, von Kerzenlicht erleuchteter Raum war das, was er sah. Und die Rebellen. Eng zusammengequetscht saßen sie auf provisorischen Stühlen, Tischen, Bänken. Die Gesichter wirkten angespannt und waren alle zu einer Person am anderen Ende des Raumes gerichtet, welche sich nur in Ansätzen von den anderen Rebellen unterschied. Ein Mann, welcher ein grimmig entschlossenes Gesicht zur Schau trug, konzentrierte die Aufmerksamkeit aller auf sich.

Er erinnerte Futave an jemanden, doch er wollte sich zuerst nicht daran erinnern, wer es war. Als die Stimme jedoch erschall, wurde es ihm mit einem Mal wieder bewusst. Dies war der Anführer der Rebellen, bevor seine Tochter, die momentane Anführerin, seinen Platz eingenommen hatte. Er besaß keinen Namen, zumindest keiner, mit dem er wirklich assoziiert werden konnte. Man nannte ihn einfach nur Syk, kurz und bündig. Ob das nun der Realität entsprach, war nicht wichtig.

„Was planst du?“, ertönte dann eine Stimme von irgendwoher im Raum.

„Ich?“ Die dröhnende Stimme Syks drang bis tief in die Herzen vor, auch wenn sie ruppig klang. „Ich werde euch allen Würde zurückgeben!“ Es war einfach nur ein Versprechen, ein Satz ohne wirklichen Hintergrund. Es klang nicht einmal wirklich seriös, doch die Rebellen vertrauten dieser Stimme, welche ihre sehnlichsten Wünsche aussprach. Und auch Futave würde dieser Stimme glauben, vermutete er. Sie lullte jeden ein, denn auch er wünschte sich nichts weiter, als dass er es wirklich erfüllen könnte. Doch er wusste, wie die Geschichte ausging.

Der Schlachtplan wurde diese Nacht geschmiedet, wie es später in den Chroniken der Rebellen überliefert werden sollte. Darin wurden die Daten der Rebellen auf ein Flugblatt versammelt, um zu zeigen, dass sie wieder erstarkt worden sind. Alle Dörfer der Elfen wurden an einem Tag mit diesen Blättern regelrecht beworfen. Dies war der erste Auftakt gewesen.

Die Szene änderte sich wieder, er sah nun wirklich die Blätter, welche im Wind tanzten. Dieses Ereignis kannte er nur aus Geschichtsbüchern, und für einen Moment dachte er nur, wie schön das war. Da jedoch erblickte er die empörten Gesichter und der Ernst kehrte auf sein Gesicht zurück. Auf diesem Schlag folgte ein zweiter, Sabotage, Behinderung. Man konnte sich damals im Elfendorf nicht sicher fühlen, doch gleichzeitig wusste er auch von dem Leid, welches er an diesem anderen, finsteren Ort in Bildern verpackt gesehen hatte. Die Rebellen hatten allen Grund, wütend zu sein.

Die entscheidene Schlacht dauerte wirklich nur sehr, sehr kurz an. Er sah auch kaum den König, welcher zu dieser Zeit regierte. Doch wann immer er in zwischen all den Fetzen sah, er sah einen Schatten über einen Elfen schweben, der in seiner Nähe war. Futave erkannte den jungen König von seiner eigenen Zeit kaum wieder, sah er viel gewitzter und frecher aus als er heute wirkte. Er beriet den König scheinbar genauso wie die Familie von Erfline es seit Generationen tat.

Aber eigentlich waren diese die einzigen gewesen, die den König beraten durften. Futave schwante Böses, als dann wieder eine Szene der Rebellen die aktuelle unterbrach. War dieser Junge wirklich dazu im Stande...? Er hoffte es nicht, doch es wirkte so. Auf einmal ergab der plötzliche Krieg, den der eigentlich recht sanftmütige König anzettelte, Sinn. Doch es blieben noch so viele Ungereimtheiten in dieser Zeit, aber es blieb ihm selbst keine Zeit mehr. Die Rebellen fielen und zogen sich zurück, verletzt und mit nichts, was ihnen noch blieb.

In diesem Chaos war noch eine starke, junge Frau, die das Zepter an ihre Hand nahm. Auf der anderen Seite geschah auch ein Machtwechsel, denn der alte König war in den Heerscharen gefallen. Und ein Detail hatte Futave gesehen, als würde diese ganze Zeitreise ihn nur auf dieses Detail hätte aufmerksam machen wollen. Ein kleiner Wink von Magie schien einen der Pfeile direkt in das Herz des alten Königs zu dirigieren.

Er konnte die Taten, die der Nachfolger des alten Königs, der alles vermutlich besser gemacht hätte, nicht mit ansehen. Die Taten, die in den Büchern kein Wort fanden. Es waren teilweise die ihm schon bekannten Gräuel, die der König inszenierte, dann aber auch wieder gute Handlungen, zumindest für die Elfen. Er bereinigte das Land insofern, dass er alle Rebellen vertrieben ließ. Etwas, was nicht einmal der grausamste Herrscher vor ihm gewagt hatte.

Dann wurde alles schwarz und schwarz, weiß und weiß.

Wege

Es war vielmehr eine Anordnung von Bildern, die Alyne letzten Endes das Verstehen schenkten. Der Rhythmus einer Welt, welche von Zerstörung und Zusammenfügung lebte, von immer wieder neu vergebenen Chancen und unendlicher Trauer, welche bei jedem Schritt in Richtung Tod entstand. Der Tanz von hell und dunkel war bis aufs Unendliche ausgelegt, jedoch war die Kulisse jedes Mal anders. Und doch verstand Alyne nicht, warum sie es sich jedes Mal antaten.

Warum man denn immer wieder von vorne beginnen musste, diese Feindseligkeit, diese Zerstörung. Ihr Atem stockte, während sie weiter nach vorne blickte. Auf dieses Bild, welches von Zerstörung – dargestellt durch eine auseinanderbrechende Welt – Neubeginn – dargestellt durch das Formen einer neuen Welt durch die Hände, welche sie in den Tod getrieben haben – dem Leben – dargestellt durch das eingefangene Bild einer Welt, eines Lebens – und schließlich der erneuten Zerstörung.

Und immer wiederholte sich ein Detail, welches Alyne aber sofort auffiel. Ihr Atem geriet noch einmal ins Stocken, mal wieder. Sie konnte diese ganze Geschichte nicht fassen. Sie wollte sie einfach nicht verstehen. Diese Grausamkeit, mit der dieser Kreislauf fortgeführt wurde. Dieses Absurde, den Zerstörer der alten Welt zur höchsten Person der neuen Welt zu ernennen.

Wieder ergriff die Fassungslosigkeit von ihr Besitz. Hieße das, dass... Feliff war... Hatte er...

„Ja, er hat.“ Die Stimme klang wie die eines kleinen Kindes, hell und doch tief von Trauer. Sie drehte sich zu der Person um, dessen Umrisse sich schon beinahe schmerzvoll vom weißen Untergrund abhoben. Die Person besaß dunkle Haare, wie die Nacht, und eine ungesund blasse Haut. Leere Augen sahen sie an, der Grauton verriet ihr, dass dieser Junge kein Augenlicht besaß. Sie stockte, verarbeitete sie erst jetzt diese Information, wer der Junge war, rückte in den Hintergrund. Er hatte es wirklich...

„Sag mal, kann hier eigentlich jeder Gedankenlesen?“, seufzte sie dann mit einem Hauch von Genervtheit, war es doch auch erfrischend, einfach mal nur Dampf rauszulassen und sich anderen Dingen als den Sorgen zu widmen. Doch der Junge zuckte verschreckt nach hinten zusammen, war wohl doch ein sehr zartes Wesen. Sie ließ sich auf den weißen Boden, den sie nicht sehen konnte, plumpsen, und sah die Decke an, die unendlich weit entfernt und doch so nah schien. Wenn sie hier so lag hatte sie das Gefühl, zu schweben. „Wer bist du?“ Sie konnte ihn nicht spüren, war er wieder ein Abbild der Vergangenheit?

„Ich bin niemand aus der Vergangenheit!“, rief er gekränkt aus. „Ich weiß, dass du mich kennst.“ Alyne sah ihn nur fragend an, sie kannte diese Person in den dunklen Klamotten nicht, die ihm definitiv um einiges zu groß waren.

„Wie heißt du?“, fragte sie also stattdessen. Es war beinahe lächerlich. Jetzt, wo das Ende so nah schien, fand sie scheinbar zu ihrer alten Spitzzüngigkeit wieder.

„Aurus.“

Der Name klang ihr wohlvertraut in den Ohren, doch sie achtete kaum auf den Namen, welcher ihr genannt wurde, denn sie sah eine weitere Gestalt hinter Aurus erscheinen. Jemand, dessen Licht sie beinahe blendete. Sie erkannte die Gestalt wieder, ehe das Strahlen soweit verblasst war, dass sie richtige Formen erkennen konnte. Aber sie spürte Auras Magie noch ehe sie irgendetwas Anderes wahrnahm.

„Aura?“ Ihre Stimme war verwirrt, ein perfekter Spiegel ihrer Selbst. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? Wieder verwirrte sie diese ganze Geschichte einfach nur restlos. Wieso konnte sie nicht einfach eine Normalsterbliche sein? Und gleichzeitig zog es in ihrer Brust, denn sie wollte diese Rolle wiederum auch nicht teilen oder jemand anderem geben. Sie wollte nicht, dass sie Aura nie kennengelernt hätte.

„Ja, ich bin es!“ Das Mädchen lachte und ging ebenso fröhlich auf die Halbelfe zu, doch irgendetwas stimmte nicht. Flimmerte... ihr Haar etwa? „Ach, das?“ Sie warf es schwungvoll nach hinten, auch wenn es immer noch überall zu sein schien. „Das ist nichts Tragisches, passiert manchmal.“ Sie kicherte kindlich, es klang so befreiend, dass Alynes Sorgen für einen Moment verschwanden.

Doch der Moment währte nicht lang, als sie sich ihrer Aufgabe wieder bewusst wurde. „Nein, nein.“ Alyne schüttelte den Kopf, als würde sie aus einer Trance erwachen wollen. Eine harte Stimme schnitt durch den Raum, die Stimme des Jungen schien älter geworden zu sein.

„Verwirr sie nicht noch mehr, Aura.“ Es klang nicht spöttisch, aber kalt. Und gehetzt. „Es wird langsam Zeit, wirklich.“ Dann holte die kleine Gestalt, deren Gesicht mit dem Ernst des Erwachsenenalters verunstaltet war, tief Luft, ehe sie mit dem Finger auf sie, die Halbelfe ohne jegliche Besonderheit zeigte. „Du weißt es, Aura, ebenso wie ich. Sie muss diese Welt zerstören.“ Er legte eine kurze, ernste Pause ein. „Jetzt.“

Das Mädchen mit den goldenen, fließenden Haaren blickte den Jungen an. In ihren Augen lag Schmerz, ebenso wie Ernst. „Ich weiß es, Aurus.“ Sie senkte den Kopf, helle Tränen schienen fast herauszukullern. „Ich weiß es doch“, flüsterte sie noch einmal, leiser, fast lautlos.

Und mal wieder war Alyne, um die es hauptsächlich ging, die einzige, Unwissende. Mal wieder. „Könnt ihr mich bitte aufklären?“, bat sie in dem geduldigstem Ton, den sie momentan aufbringen konnte. Als die zwei ihre kleinen Köpfe schüttelten, war die, was diese Angelegenheit anging, müde gewordene Halbelfe kurz vorm Verzweifeln. Gab es denn irgendjemanden, der ihr helfen konnte?

Darauf schienen sie eine Antwort zu kennen. „Aurum!“

Sie verstand kein Wort. Wer sollte nun wieder dieser Aurum sein? Und warum eigentlich alles mit Aur-? Sie verstand diese Welt wirklich nicht. Dennoch wollte sie sie nicht zerstören, was wäre das auch für ein lächerlicher Grund.

„Sie haben aber keinen lächerlichen Grund!“, legte Aura lauthals Widerspruch ein, sodass sie selbst über ihre Stimme erschrak und sich die Hände vor den Mund schlug. Aurus hingegen schien recht gelangweilt, als würde ihn die ganze Welt nicht mehr interessieren. „Sie...“

Er unterbrach sie mit gelangweilter Stimme: „Nein, komm. Wir erklären es ihr besser nicht mit Worten, sie muss es sehen.“ Aura sah ihn schief an, nickte jedoch.

„Und Aurum?“ Dieses Mal war es wieder Alyne, die fragte. „Wer ist das nun schon wieder?“ Ihr Kopf brummte vor all den Namen, welche sie bei ihrem Flug in die Vergangenheit vernommen hatte. Es waren unendlich viele gewesen und kaum welche waren ihr im Kopf geblieben. Nur noch einer hatte sich in ihren Gedanken verfangen, doch sie kannte diesen Namen kaum. Daie. Wer war das gewesen? Es war ihr unerklärlich, doch es schien ihr, als würden Daie und Feliff exakt denselben Klang besitzen. War er etwa dieser Daie?

„Daie ist Daie und Feliff ist Feliff, und auch Aurum ist Aurum!“, rief Aura fröhlich aus, als wäre es ein Spiel, welches sie jedes Mal aufs Neue in Verzückung brachte. „Aurum ist der Älteste von uns. Oder die Älteste? Das Älteste? Er hat kein Geschlecht. Nur einen Namen.“ Sie lächelte. „Und wunderschöne, dunkle Haut.“

Alyne konnte mit den Informationen, die Aura kryptisch von sich gab, nicht viel anfangen. Aurus seufzte in die Stille, die entstanden war, hinein. „Aura, das versteht sie nicht. Daie und Feliff sind vielleicht die gleichen Personen, aber wir wissen es nicht, es gibt nur drei Gestalten, die davon wissen...“ Er verlor sich in seinen Gedanken, die ihn an einen anderen, weit von diesem entferntem Ort führten. Schnell fand er sich jedoch wieder in der weißen Realität zurück, in der sie gefangen waren. „Und Aurum weiß alles, was wir nicht wissen.“

Damit war die Sache wohl für ihn erledigt, jedenfalls sprach er kein weiteres Wort mehr. Bilder wurden in ihr wachgerufen, die sie schon einmal gesehen hatte. Die Bilder vom Rhythmus der Welt, in der sie verdammt war, zu leben, doch da war etwas anders. Etwas gravierend anders. Sie sah nicht mehr nur, wie die Welten auseinanderbrachen, sich zusammenfügten, leben, starben, nein.

Sie sah, wie zwei Gestalten sich jedes Mal von Neuem Freundschaft schlossen, Feindschaft begründeten und Zerstörung brachten. Immer und immer wieder. Und wieder konnte sie nicht verstehen, wieso alles so war, wie es war. Und auch Aura und Aurus, welche stumm neben ihr standen, sprachen kein Wort mehr. Aura schien bedrückt zu sein, und auch Aurus schien es nicht anders zu ergehen. Sie beobachteten weiter, wie die Welten verschwanden, neu auflebten.

Wie konnte man diesen ewigen Kreislauf ertragen? Vermutlich gar nicht.

Sie vernahm ein leises Nicken von Auras Seite. „Sie ertragen es auch nicht.“ Ihr Atem ging nur noch schwer, jedenfalls schien es ihr so. Schweiß brach aus der Stirn des zarten Mädchens aus, doch auch an ihrer anderen Seite war die Welt nicht mehr in Ordnung. Auch der dunkle Junge atmete schwer, und sie wusste nicht, warum. „Jede Erinnerung, die sie schaffen, raubt ihnen Kraft. Und alles, was sie erschaffen, nimmt ihnen ebenfalls Lebenszeit. Wenn sie...“ Aura keuchte nur noch, weshalb nun der Junge übernahm.

„Am Ende jeder Welt steht das Vergessen.“ Er klang nicht mehr annähernd so erwachsen wie zuvor. Verzweiflung machte sich auf seinem Gesicht breit. „Verstehst du es immer noch nicht?“, zischte er, denn er hatte sehr wohl die Ahnungslosigkeit auf ihrem Gesicht spüren können, auch wenn er es nicht sah. „Ihr Tod bedeutet Befreiung.“

„A-aber die Menschen und Elfen!“ Die Lebewesen. Das Leben. Sie hatte immer gelernt, es zu ehren. Es auf alle Fälle zu erhalten. „Ich kann … nein.“ Sie wich vor den beiden Kindern zurück, die sie nur mit Augen voller Verzweiflung ansahen, die Trauer unverdeckbar in ihr Gesicht eingebrannt. „Ich... ich werde das nicht tun!“, schrie sie dann, voller Verzweiflung. „Wieso denn ich?“ Am liebsten wäre sie jetzt, auf der Stelle verschwunden.

„Weil-“ Ehe die Antwort, welche beide angefangen hatten, beendet werden konnte, verschlang Schwarz sie und die Welt um sie. Das reine Weiß wurde durch ein ebenso reines Schwarz ersetzt, ein Schwarz, welches sie zu verschlucken schien.

Sie war wieder allein.

Sie verfluchte die beiden Gestalten, welche sie hierher gebracht hatten, doch hielt schnell wieder inne. Sie seufzte. Diese Welt war wirklich, wirklich, wirklich kompliziert. Doch im Grunde gab es wohl nichts, was wirklich einfach war.

Außer vielleicht, diese Welt zu zerstören.

Es war ihr ein Rätsel, seit wann sie das wusste, doch sie hatte es scheinbar schon immer bei sich getragen. Irgendwo tief in ihrem Inneren hatte sie es ja auch schon die ganze Zeit bei sich gewusst, aber dass es wirklich dieses Geheimnis war, welches der Automat hütete... Wo er gerade auch immer war. Vielleicht wäre es mal Zeit, aus diesem Schlaf zu erwachen...

Doch sie fühlte sich nicht bereit, ihnen gegenüberzutreten. Weder Feliff, noch den Elfen, die sie nie gemocht hatte, noch den beiden Gestalten, die ihr Leben so verändert hatten. Weder Aura und dem Jungen, Aurus, in Wirklichkeit. Sie fühlte sich schuldig und gleichzeitig wusste sie, dass sowohl Licht als auch Dunkelheit eine Entscheidung von ihr verlangten.

„Das... das ist einfach nicht fair.“ Sie hatte sich zusammengerollt, erdrückt von der Last, die sie nun wieder auf ihren Schultern wiederfand. Nun waren keine zwei Kinder da, die ihr die Angst, welche in ihr keimte, fernhalten konnten. Niemand war mehr da, nur sie allein blieb übrig. Und das wäre auch bei der nächsten Welt so. Bei der Welt, die sie von Anfang an mit erleben dürfte? Vielleicht. Aber sie wollte nicht.

Das... Das war einfach nicht fair. Zumindest in Alynes Augen, doch sie konnte sich auch niemanden vorstellen, der diese Aufgabe mit Freuden erledigen würde. Sie wollte das nicht. Warum hatte man ihr diese Rolle auferzwungen?

Sie stockte wieder.

Was war mit Feliff? Hatte er all dies freiwillig begonnen, immerhin war er doch auch einer der höchsten, oder nicht? Es gab so viele Fragen, die sie nicht klären konnte, so viele Antworten, dir ihr fehlten. Sie konnte doch keine Entscheidung treffen, oder? Doch selbst wenn dies alles geklärt wäre, sie konnte das einfach nicht. Sie war schwach, schon immer.

Da hörte sie inmitten all der Schwärze ein Klicken, welches ihre Aufmerksamkeit sofort erregte. Sie drehte sich blitzartig um, doch da war niemand. Da war nichts, um es genauer zu sagen. Nicht einmal ein Flimmern. Sie wollte sich gerade einreden, dass es nur Einbildung gewesen war, als sie einen leisen Hauch spürte. Er bewegte nicht die kleinste Strähne ihres Haares, doch sie spürte ihn. Den Ruf von Magie.

Sie atmete tief durch, ehe sie wieder Kraft in ihren Beinen fand und auf den Quell dieser Magie zulief. Sie wusste nicht, wohin sie das führen würde, doch im Moment war ihr auch beinahe alles egal. Solange sie nicht wieder so allein war, war ihr alles recht. Nun gut, fast alles. Monster konnten ihr gerne fernbleiben. Sie spürte einen Lufthauch, als sie irgendetwas passierte, vielleicht eine Grenze, vielleicht eine Öffnung raus aus diesem Wahnsinn aus Unendlichkeit.

„Hallo?“ Sie fand sich in einem Raum wieder, der wohl ebenso unendlich schien wie der vorige. Ein trübes Grau erhellte ihre Stimmung nur in Maßen. Dieses Grau wurde nur unterbrochen durch zwei Türen, die mitten im Raum zu stehen schienen. Keine der beiden war wirklich dunkel, keine war besonders hell. Sie schienen ausgewogen zu sein und dennoch kam es ihr so vor, als würde die eine Tür zum Licht und die andere zur Dunkelheit führen. Und zu keinem der beiden Wesen wollte sie momentan, es wäre ja nicht so, dass sie ihr bei dieser Entscheidung helfen konnten.

Aber jetzt, wo sie in diesem Raum war, spürte sie es. Sie spürte den Schmerz, den unendlichen Schmerz. Diese beiden Wesen wollten nur noch vergessen, all das hinter sich lassen, weswegen sie sich bekriegten. Doch das ergab doch keinen Sinn! Es würde nur alles von vorne anfangen. Wieso begriffen sie das nicht? Alyne spürte die heißen Tränen, die endlich herauskonnten, nicht.

Sie wollte nur noch vergessen.

Eine sanfte Melodie webte sich um sie, sie würde sich so gerne von ihr forttragen lassen. Weg von diesem Schmerz, welcher ihr die Brust zuschnürte. Weg von diesem Schmerz, der ihr die Sinne raubte. Der sie zittern ließ, der ihr Angst machte. Der Schmerz, der sie nicht mehr atmen ließ.

Sie wollte hier weg.

Sie wollte vergessen.

Aber sie konnte nicht. War es... war es wirklich?

„Geht es wirklich nicht anders?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Zittern in der Trübnis, welche sie umgab. Die Türen, welche vor ihr standen, verformten sich und bildeten blasse Gestalten. Es waren schöne, aber alt gewordene Frauen, welche vor der zitternden Gestalt standen. Und sie schluckte, als sie in deren schmerzerfüllte Augen sah. Die Frauen schüttelten den Kopf.

Es war schon idiotisch. Jetzt, gegen Ende, wirkten die beiden so gegensätzlichen Figuren beinahe gleich. Und beide reichten ihr die Hand, welche sie zitternd mit ihrer kleinen Hand nahm. Es war das erste Mal, dass sie die beiden wirklich berührte. Und beide fühlten sich warm an. Warm wie die Hände von Müttern, doch es passte nicht zu dem, was sie von der Halbelfe abverlangen wollten. Auch wenn sie begriffen hatte, dass es wohl nicht anders ging, sie … sie konnte einfach keine Welt einfach so zerstören.

„Was würde passieren, wenn ich es nicht täte?“, flüsterte Alyne dann. Sie hegte keine großen Hoffnungen, dass Faure Morin oder Nirom Eruaf noch lange leben würden, so blass und grau wie beide aussahen. Auf die Frage wusste keiner der beiden eine Antwort. Sie blickte nur ein wenig länger in diese Augen, deren Schmerz sie drohte, in Ohnmacht fallen zu lassen.

Stattdessen jedoch fing sie an, zu summen. Es war das leichte Lied, von dem Feliff behauptet hatte, dass er es kannte. Es war das Tanzlied, welches ihre Eltern immer geliebt hatten. Es war das Lied, welches sie mit so vielen Erinnerungen verband.

Und es war das Lied, welches von einem Neuanfang sprach, den ihre Eltern sich immer gewünscht hatten. Was wäre wenn, schoss Alyne mehrmals durch den Kopf, doch diese Möglichkeiten gab es nicht, nicht für sie, nicht für ihre Eltern. Nicht für die beiden Gestalten, und wohl auch nicht für diese Welt.

Zukunft

Sie schwieg, während sie die Welt betrachtete. Sie lag ruhig und still vor ihr, wie etwas, was auf frischen Wind wartete. Neben ihr standen zwei Gestalten, eine Seite so hell, dass es sie blenden müsste, doch die andere Seite, so dunkel, dass sie alles Licht verschlang.

Aber sie achtete nicht auf die Personen, die neben ihr standen. Ihr Augenmerk galt allein der Welt, welche vor ihr lag. Sie wirkte so klein. So klein und zerbrechlich. Und in dieser Stille herrschte kein Wort, womit sie ihren Gefühlen Ausdruck hätte verleihen können. Diese Stille, die herrschte, während sie so weit weg von dieser Welt schwebte. Die Erinnerungen waren nur noch Fetzen, als hätte man das Bild ihres Lebens zerrissen und nur noch Fragmente hinterlassen. Kleine Schnipsel, doch sie spürte keinen Hass, nur Melancholie.

Hier war sie ganz, ganz allein mit den zwei Personen. Es war schon beinahe einsam und trostlos, doch sie spürte nichts. Nur eine Trauer, die sie erfüllte. Irgendwann verließen die Wesen sie, steuerten auf die karge, leere Welt vor. Und sie tanzten. Sie beobachtete dies alles von ihrem Podium aus, wie von einem Logeplatz. Den Tanz, der Leben brachte. Es war anders, dachte sie. Dieses Mal war es anders als das, was zuvor war. Sie wusste weder, was zuvor gewesen war, noch, was daran genau anders war, doch sie spürte es ganz genau. Irgendetwas veränderte sich.

Und sie lächelte.

Vielleicht... Vielleicht würde sie doch noch sehen können, was dahinter lag. Dann kam ein sanfter Schlaf über sie, der weder tiefschwarz, noch hell erleuchtet war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und? Umschreibung nötig oder ist es okay so?

Besucht doch auch meinen Blog für meine Geschichten, ich würde mich freuen!
literature of mine Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Die Kapitel werden jetzt immer zweiwöchentlich hochgeladen, und zwar immer am Freitag. Wer vor dem endgültigen Upload noch Vorschauen lesen will, der darf gerne auf meinem Blog ab und zu vorbeischauen~ literatureofmine (Das Lied im Automaten)
Und sonst habe ich nur zu sagen: Feliff ist schon ein komischer Kauz, oder?
Freut euch, wenn es irgendwann aufgeklärt ist! (Ja, ich habe für alles eine Erklärung. Wenn nicht, dann ist es mir nicht aufgefallen.) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich hoffe mal, ich habe es nicht allzu schlecht erzählt... (also Inkalaks kleine Geschichte XO) Ich sollte das wirklich mehr üben...
Und sonst wollte ich euch noch ankündigen, dass ich versuchen werde, ab dem nächsten Kapitel längere Kapitel zu schreiben! Mir sind sie einfach ein wenig zu kurz und in Anbetracht dessen, dass es momentan wahrscheinlich sehr lang wird, habe ich keine wirkliche Vorstellung von den immensen Kapitelanzahlen, die wahrscheinlich kommen werden... Also: Es wird längere Kapitel geben, aber ich versuche bei demselben Rhythmus zu bleiben!
Nächstes Kapitel werdet ihr ja dann sehen, was daraus geworden ist X3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
(Okay, ich gebe es zu: ich habe es vergessen.)
Und ich begrüße euch zu der ersten Fusion! Das erkennt man hier besonders gut an dem Kapitelnamen, den wollte ich nämlich unbedingt verwenden. Man sieht auch, dass es ursprünglich zwei Kapitel waren, deren Namen ich beide toll fand.
Dann sehen wir uns übernächste Woche, ob ich es verpeilt habe oder nicht, könnt ihr auf meinem Blog mitbekommen:
literatureofmine (Das Lied im Automaten) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
WÖCHENTLICHER UPLOAD!
Ich werde mir dann wohl selbst Feuer machen müssen, denn ich werde es einhalten!
Neu ist aber auch die Einteilung in Teile, die jedoch nicht relevant sein wird. Ich werde sie nur in den Vor- und Nachwörtern, wann ein neuer anfängt. Alles wird aber in einer FF hochgeladen.
News und so weiter wie immer auf literatureofmine (Das Lied im Automaten) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Extras werden zu finden sein auf:
literatureofmine (Das Lied im Automaten)
Vllt. mache ich die Tage oder Wochen mal Steckbriefe zu ihnen~ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit Verspätung ist es auch da!
Das nächste Kapitel kommt übrigens wieder am Sonntag, weil ich die Hälfte der Woche vorher nicht da bin ._.'
News und co wie immer auf meinem Blog, den Link entnehmt ihr diese Woche mal der Beschreibung X3
(Wsl. werde ich erst dann sinnvolle Autorennachworte schreiben, wenn ich... Lust dazu habe XDDD Vllt. ergänze ich das auch mal. Oder auf meiner Page.) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Entschuldigt die Aussetzerzeit von zwei Wochen ;_;
Aber ich war ziemlich fertig...
Aaber ich werkel wiedermal an meiner Seite, wo ihr dann viele Extras zu meinen Geschichten finden könnt. Vornehmlich wird es sich da wohl um Kommentare handeln X3 Also z.B. zu den Kapiteln, den Charas, Beziehungen etc X3 Aber erst nach und nach und mal sehen, wann sie fertig ist. Bis dahin... Wie immer der Blog. Da es bei mir mom. spät ist, lass ich die Verlinkung ausnahmsweise, aber mittlerweile müsstet ihr sie auch können, oder? ;) Sonst: Auf der Beschreibungsseite~ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Random Fact (ich denke, ich tue sie jetzt immer hier herein, Link entnimmt man nun bitte der Beschreibung):
Trivian -> der Dreiklang
Chael -> der Rufende Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Teil I - ENDE
Das Monster in Reihen

Ende des ersten Teils!

Ergänzend (ist ja nicht mehr wirklich Random):
Es gibt verschiedene Systeme der Partnerschaft bei Elfen. Wann und warum sie entstanden sind, weiß eigentlich keiner, aber sobald zwei Elfen ein Paar bilden, männlich oder weiblich spielt keine Rolle, nur der Reinheitsgrad des Blutes sollte ähnlich oder gleich sein, entscheiden sie sich für eine Klassifizierung und somit für ein System. Dabei lassen sie eigentlich meist ihre komplette, bisherige Ausbildung der Magie, die darauf aus war, dass sie alleine überleben konnten, hinter sich und beginnen oftmals eine neue. Diese besteht aus Partnerunterricht, wo sie lernen, wie sie einander zu helfen hatten. Dabei übernimmt oft einer die Rolle des Magieausführenden und der Andere verstärkt. Es kann auch sein, dass beide ausführen und dabei Partnerattacken erlernen.
Etwas, was nur bei ranghöheren Elfen üblich ist, dass beide Partner parallel sowohl die Einzel- als auch Partnerausbildung abschließen. Bei Erfline und Futave wäre das so ein Fall, wo aber vor allem Erfline, unüblicherweise, muss man sagen, die Rolle der Magieausführenden übernimmt, aber beide auch Einzelmagie erlernen.
Dieses System gibt es noch in viel mehr Variantionen, doch dies war das Grobe. Es entstand erstmals vor ca. 400 Jahren, ist also relativ neu. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
Alyne befindet sich im Farnwald. Es ist ein fließender Übergang zwischen diesem und den umliegenden Wäldern. Der Farnwald ist ausschließlich von anderen Wäldern umgeben, im Umkreis von zwei bis zwanzig, man ist sich nicht ganz sicher, Kilometern findet man keine Lebewesen und wenn doch, nur sehr, sehr wenige. Er ist, wie der Namen schon sagt, ein Wald der Farne. Er ist immer von dichtem Nebel umhüllt, der einem keine klare Sicht erlaubt. Würde man von oben draufschauen, man würde schlichtweg nur eine große Wolke umgeben von verschiedensten Wäldern sehen. Die Vegetation besteht ausschließlich aus Farnen, Palmen, Lianen und geflechtartigen Pflanzen. Es kommen nicht häufig Leute in den Farnwald, da man ihm nachsagt, dort verrückt zu werden oder gar nie wieder hinauszufinden. Man weiß nicht, ob es nicht doch Wesen tierischen oder elfischen Ursprungs dort leben, aber, ehrlich gesagt, das will auch niemand so recht wissen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
"[...] in dem noch nicht zur Gänze erforschten Gebietes nicht, welches durch die Ödnis im Westen, eine eiswüstenähnliche, weit reichende Fläche im Osten und Gebirgsketten im Norden und Süden eingegrenzt wurde."
Der Ort, in dem das ganze spielt, hat nicht die Form eines Vierecks, wie man vielleicht vermuten kann. Es ist vielfältig in der Art und ähnelt, von der Größe her, vermutlich halb Pangäa, dem Urkontinent. Hier ist der Kontinent jedoch noch erheblich größer, auch als Pangäa als Ganzes, doch warum die Landmasse so groß ist, weiß keiner. Es macht sich auch niemand großartig Gedanken darüber.
Über die Ödnis im Westen kommen teilweise Düfte und Güter in das Landesinnere, welche einen sehr weiten Weg hinter sich gebracht hatten. Elfen, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt haben, vermuten, dass sie aus mehreren Tausend Meilen Entfernung zu ihnen gelangt waren, Menschen vermuten eher Hundert Meilen. Man weiß es nicht, aber es kümmert auch niemanden, die Ödnis zu erforschen.
Die Eiswüste im Osten ist vermutlich ebenso groß wie die Ödnis im Osten. Doch da man sich nicht wirklich mit der kalten Substanz befassen möchte, noch viel weniger als mit der Ödnis, die ja irgendwie auch für ehemaliges Leben steht, weiß man hier eigentlich wirklich nichts.
Die Bergketten im Süden und Norden ragen himmelhoch auf. Die meisten Bergspitzen kann man nicht einmal mehr sehen, die Berge an sich sind meist schon mehrere Kilometer allein vom Durchmesser groß. Auch hier ist recht wenig bekannt, aber da Berge nicht sonderlich interessant sind, beschäftigt sich keiner mit ihnen.
Das Landesinnere ist sehr vielfältig und reicht von Regenwäldern, Farnwäldern, Laubwäldern, Nadelwäldern bis hin zu kleinen bis mittelgroßen Städten. Wie man schon erahnen kann, ist es eigentlich ein sehr waldiges Land, in dem sich auch die Elfen wohlfühlen, ebenso wie die Menschen. Man kann keine klare Grenze ziehen, dort leben Menschen und dort Elfen. Es ist einfach verstreut und manche Dörfer leben auch in Gemeinschaft. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
Die Rangfolge des Dorfes im Westen unterscheidet sich nur in unwesentlichen Punkten, doch die Aufgaben sind manchmal doch recht unterschiedlich.
Der Dorfälteste ist momentan Trivian. Er hat die meiste Verwaltungsarbeit inne und überwacht alles Mögliche. Er kümmert sich um die Vorräte, um die Felderbestellung und um ziemlich viel und ist ein vielbeschäftigter Mann. Er redet aber auch oft mit den Gästen, die das Dorf durchqueren, und organisiert auch manches Fest.
Der Dorfberater ist momentan Chael. Er unterstützt den Dorfältesten bei der Arbeit, ist aber hauptsächlich als Berater für das ganze Dorf zuständig. Zu ihm geht man, wenn man gerade ein Problem hat, er hilft gerne.
Der Dorfvorsteher ist momentan Paterini, auch Zuan genannt. Er kümmert sich um die Gäste, wenn andere es nicht schon tun, und veranstaltet die meisten Feste. Sonst hilft er eigentlich bei allem mit, was seine Fähigkeiten erlauben. Sei es nun Ernten, Säen oder sonstiges, er macht es mit Freuden. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
Ainrafe ist der Gegensatz zu Efarnia. Man weiß ebenfalls nicht, wo genau es liegt, aber sicher ist wohl, dass Faure Morin daher stammt. Um diesen Ort ranken sich die wildesten Gerüche, denn auch hier war bisher niemand. Man kann nur Vermutungen stellen und in den Köpfen aller ist er als ein finsterer, dunkler Ort voll von bösen Ungeheuern verankert. Jedoch gibt es Augenzeugenberichte, die in der Nähe eines bestimmten Ortes ein sehr unwohles Gefühl hatten und sofort umgekehrt sind. (Anhand dieser Daten bestimmt Feliff ungefähr den Standpunkt von Ainrafe.)

PS: Vor Neujahr kommt auf jeden Fall noch ein Kapitel! Über die Weihnachtstage aber verpennt :'D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Guten Rutsch ins neue Jahr!

Das Ergänzend lasse ich erst einmal weg, weil mir momentan wirklich nichts einfallen will ._.''' Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Verzeiht, dass es erst jetzt kommt, ich habe vergessen, dass ich letzten Freitag gar nicht da war ._.

Ergänzend:
Die Anredetitel in der Welt von DLiA sind vielfältig und zum Teil auch unübersichtlich, wenn man sich allein die elfischen anschaut. Da auf diese besonders viel Wert gelegt wird, hier mal eine Aufzählung in alphabetischer davon.
Damen - Anrede für höher gestellte Frauen, rangungebunden (einzige Vorraussetzung: höher gestellte Frau)
Elfis - Anrede für einen reinblütigen Elfen
Elfin / Elf - Die Bezeichnung für einen Elf oder eine Eflin
Hern - Anrede für höher gestellte Männer, rangungebunden (einzige Vorraussetzung: höher gestellter Mann)
Lont - Herr über ein bestimmtes Gebiet ohne Besitzrechte an diesem
Pin - Anrede für die Nachkommen vom elfischen Adel
Rien - Anrede für den König der Elfen*
Rie - Anrede für die Königin der Elfen*
* Menschen haben keinen König, sondern leben in kleinen Dorfgemeinschaften firedlich verstreut. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Alles, was mir noch zu Ergänzend einfallen würde, wäre wohl jetzt mehr oder minder ein Spoiler, deswegen lass ich es dieses Mal. Solltet ihr noch Fragen haben oder andere Sachen, die euch interessieren, dann schreibt es mir einfach und wenn es geht, mache ich dazu mal ein Ergänzend. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Auch wieder fällt mir nichts Konkretes für "Ergänzend" ein, für Fragen und Anregungen bin ich immer offen ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
Elfenkinder wachsen im Grunde nicht viel anders als Menschenkinder auf. Ebenso wie die Kinder der Menschen besuchen sie Schulen, wobei sie in eher kleineren Ausmäßen als die uns bekannten existieren. Man lernt die Grundausrüstung für das Leben, doch mehr auch nicht. Viel Zeit, die Schule zu besuchen, haben die meisten Menschen auch nicht, es steht noch Arbeit auf dem Feld an.
Bei den Elfen jedoch nimmt die Schule meist etwas größere Züge an, wird aber meistens auch eher spärlich behandelt. Elfen und Menschen haben beide Unterricht, wo sie Grundzüge vom Kämpfen lernen, es hat sich einfach so eingebürgert. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Es erscheint mir schon fast gruselig, wie schnell wir doch dem Ende zueilen. Mit dem nächsten Kapitel findet auch Teil 2 ein Ende und der letzte wird beginnen.
Ergänzend:
Die Spiele der Elfen sind anders als die, die die Menschen spielen. In diesem Punkt unterscheidet sich die Erziehung wieder. Ich stelle drei von mehr Spielen vor:
Miean - Magiekreis "Verstecken"
Ein simples Spiel, welches sich im Grundsatz nicht viel von dem Versteckspielen der Menschen unterscheidet. Man sucht sich einen Platz, an dem man aber das ganze Spiel über bleibt. Durch leichte Veränderungen des Magieflusses oder Illusionen verschleiert man diesen eigentlichen Platz. Man darf den Platz nicht wechseln, aber sonstige magische Mittel wie Unsichtbarmachen benutzen. Meistens ist eine Partie nach 10 Minuten beendet, da die kleinen Elfen noch nicht so viele Techniken beherrschen. Eine Partie von Erwachsenen kann unendlich lang dauern, doch diese spielen es meistens nicht mehr - zu lang.
Unerflin Tak - Gedankenkraft "Kunst erraten"
Ein Spiel, wo die Gedankenkräfte des Elfen aufgedeckt werden. Mittels Magie muss man, ohne Worte - kleine Elfen erlernen Magie vor allem in Verbindung mit Worten, weshalb dieses Spiel bei den Erwachsenen nur belächelt wird (sie können es eben) - gewisse Gegenstände zu einem neuen Gegenstand verbinden. Dieser neue Gegenstand wird von einem Spielleiter vorgegeben und die anderen Spieler müssen diesen Gegenstand erraten.
Ewe - Fangen und Suchen "Fangen"
Bei diesem Spiel bestimmt man eine bestimme Gruppe von Fängern und Suchern, sowie den Versteckern. Die Fänger begleiten die Sucher, welche die Verstecker suchen gehen. Im Prinzip wie normales Fangen, nur dürfen nur die Sucher diejenigen suchen, die gefangen werden, und der Fänger darf nur fangen und begleiten. Nach einem erfolgreichen Fang wechseln Fänger oder Sucher den Platz mit dem Verstecker, dies geschieht nach eigenem Gutdünken. Der neue Verstecker hat 5 Sekunden Fliehzeit, ehe der Fänger und der Sucher wieder auf die Suche/den Fang machen dürfen. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Teil II - ENDE
Der Bund in Schatten

Ergänzend:
- folgt noch - Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
- folgt noch -

(Ich weiß, dass ich es auch schon beim letzten Kapitel geschrieben habe, aber mein Verstand ist momentan wie leergefegt :/) Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Ergänzend:
- folgt noch -

Ich schreibe nun seit fast 3 Kapiteln dasselbe, aber gut. Mal sehen, ob mir jemals was einfallen wird X'D Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nun werde ich strikt nach meinem Plan vorgehen, der bis zum Ende durchgeplant ist, es könnte also zu Schwankungen der Kapitelfülle kommen. Und zu Ergänzend fällt mir momentan auch nicht wirklich was ein, bin offen für Vorschläge! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Nun nur noch ein Epilog, dann ist es wirklich zu Ende.
Dort werde ich noch ein paar meiner Gedanken lassen ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
"Und in dieser Stille herrschte kein Wort, womit sie ihren Gefühlen Ausdruck verliehen hätte können."

Er beschreibt meine Gefühle wohl momentan am besten, jedoch vielleicht nicht jene, wirklich ein befriedigendes Ende hervorgebracht zu haben. Ich selbst habe das Gefühl, kein wirkliches, gutes Ende präsentiert zu haben. Und ich bereue es ein wenig, es nicht anders enden zu lassen, doch momentan fehlt mir wohl auch ein wenig die Kraft. Auch würde ich mir für dieses Projekt, dem ich viel abgewonnen habe, viel lieber eine neue Version wünschen, denn bei dieser habe ich Vieles vergessen oder nicht mehr einbauen können. Dennoch ist es das momentane Ende, welches ich für diese Version als das Richtige empfinde. Ich hoffe, dass es nicht allzu schlecht ist.
Nun richte ich aber meinen Fokus wieder auf ein neues Projekt, bei dem ich hoffe, vielleicht ein paar wiedersehen zu können. Ich kann leider auch keine neue Version versprechen, doch irgendwann würde ich es sicher gerne machen. Fragt sich nur, wann.
Ich danke allen Lesern für das Lesen dieser doch etwas zähen Materie, wie ich finde, und danke an alle, die bis zum Ende gelesen habe, wie wenige es nun auch sein mögen. Danke sehr. Es hat mir Spaß gemacht, das zu schreiben, auch wenn es unvollkommen ist. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (33)
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Von: Futuhiro
2016-01-17T16:19:52+00:00 17.01.2016 17:19
Neeeeiiiiiiinnn ... das hast du nicht wirklich getan! TT__TT Mein Feliff!!!!
Ach Mensch! Q_Q

Nagut, wenn ich die ganze Sache mal so revue passieren lasse, dann bleibt in erster Linie der Eindruck von unglaublich gut ausgearbeiteten Charakteren und einer Welt, mit sehr vielschichtigen und tiefgründigen Gesellschaftsstrukturen, die du hier ins Leben gerufen hast. Es war eine komplexes und zeitweise echt wendungsreiches Handlungsgefüge, aber am Ende hat alles gut zusammengepasst und Sinn ergeben. Bis auf ein paar Fragen, die halt offen bleiben und die der Leser selber nach seinen Wünschen zurechtinterpretieren kann. Das ist nicht verkehrt. Man kann ruhig auch Fragen offen lassen, warum nicht!?

Am Ende dieses ganze Zeitreise-Dings war ein wenig langatmig zu lesen, nachdem man eigentlich schon die große Endschlacht vor Augen gesehen hat und eigentlich lieber wissen wollte, wie es denn nun dort weitergeht. Das hatte sowas von Cliffhanger und Werbepause, ein Abbruch an der spannendsten Stelle. Über die ganzen sogenannten "Geheimwaffen" und das Mädel mit den gespränkelten Augen wird ja kein Wort mehr verloren. Nach dem großen Knall zwischen Licht und Dunkelheit sind die eh nicht mehr von Bedeutung, das ist schon klar, aber als Leser wünscht man sich doch irgendwie noch so eine was-wäre-denn-gewesen?-Antwort.

Zusammenfassend war eine geniale Story, wenn auch mit etwas unerwartetem Ende. Hat mir gut gefallen. ^^

Was ich jetzt aber wirklich noch wissen will ist, was mit Feliff passiert ist! Er hatte das Gefühl, daß irgendwas in ihn eindringt, na super. Und weiter?
Von: Futuhiro
2016-01-17T15:59:40+00:00 17.01.2016 16:59
Schwierig. Echt schwierig. Es hat was, daß das Ende so offen bleibt und man nicht erfährt, wie Alyne sich entscheidet. (Nehme ich mal an. Es sei denn, man erfährt´s im Nachwort noch.)

Wer Aura und Aurus sind, hab ich bis jetzt nicht so richtig durchschaut. Die nächste Generation? Aber wer ist dann Aurum, der/die/das Dritte im Bunde?

Das Feliff dieser Daie von damals sein soll (geiler Name übrigens), finde ich spitze! ... Aber was ist mit ihm passiert!? Menno!!! Ich will wissen, ob er überlebt hat! Q_Q

Und was ist mit Erfline und Futave, die diese Zeitreise ja wohl auch mitgemacht haben?

Ah ja, und nochmal zum Verständnis: Das Geheimnis des Automaten besteht tatsächlich einzig und allein in der Erkenntnis, daß die Welt leicht zu zerstören ist bzw. im Sinne eines Neuanfangs immer mal wieder zerstört werden muss?
Von: Futuhiro
2016-01-17T15:36:06+00:00 17.01.2016 16:36
Hä? Wie kommt denn jetzt Futave auch noch mit in diese Zeitreise rein? Jetzt bin ich endgültig verwirrt. Kriegt er die Bilder durch Erfline mit, weil er mit ihr verbunden ist?

Jetzt bin ich aber echt gespannt, wie die beiden Aura´s, Faure Morins kleiner Junge, und der Kollege da, der gern ein Elf sein will, im letzten Kapitel alle zusammenpassen sollen. Derzeit seh ich immer noch einen großen Haufen Puzzleteile, die ich nicht zusammengesetzt kriege.

... Und was ist mit Feliff, verdammt!? >_< *wissen will und Angst um ihn hab* Wehe, der stirbt, dann geh ich heulen!
Von: Futuhiro
2016-01-17T15:14:58+00:00 17.01.2016 16:14
Langsam verstehe ich, warum noch so viele Kapitel kommen / kamen, obwohl ich schon längst mit dem Finale gerechnet hatte. Alynes Zeitreise war irgendwie ziemlich anstrengend und langatmig zu lesen. Ich persönlich hatte immer das Gefühl, daß das mit der Handlung gar nix zu tun hätte und man so langsam mal wieder zum Punkt kommen könnte. Eigentlich waren die letzten paar Sätze die eigentlich aufschlussreichen. Der Sintflut-Gedanke. Der Herr ist mit seiner Schöpfung unzufrieden, also muss ein großer Hausputz her und alles vernichtet werden.

Dann ist der eigentliche Grund für den Krieg also nicht, daß die beiden keine Lust mehr auf die Ewigkeit haben, sondern daß die Welt immer schlechter und feindseeliger geworden ist. Das find ich mal einen viel besseren und nachvollziehbareren Grund. Gefällt mir. ^^
Von: Futuhiro
2016-01-17T14:52:37+00:00 17.01.2016 15:52
Okay, ich denke langsam treffen sich die ganzen Handlungsstränge wieder. Ayline ist in Ohnmacht (Dunkelheit, Leere, oder was auch immer) gefallen, und Erfline auch - da gibt es sicher ne Verbindung.

Irgendwie paradox, daß Erfline und Futave gerade auf gegensätzlichen Seiten eines Krieges stehen.

... irgendwie werden meine Kommentare derzeit immer kürzer. Wohl, weil derzeit wieder vorrangig mit Emotionsbildern als mit Storyhandlung gearbeitet wird. Gefällt mir aber trotzdem, hat also nichts zu sagen! ^^
Von: Futuhiro
2016-01-17T14:33:47+00:00 17.01.2016 15:33
Langsam bin ich wirklich platt von der Wucht der Bilder. ^^°
Die vermittelten Emotionen sind niederwalzend. Man versteht irgendwie kein Wort mehr, und versteht doch irgendwie alles.
Und hier kommen Fragen, Gedankengänge und Faktoren auf, auf die ich selber nie gekommen wäre. Und obwohl sich bei solchen hoffnungs- und aussichtslosen Kriegsszenarien die Gedanken ja naturgemäß immer wieder ergebnislos im Kreis drehen müssten, gibt es nicht unnötig viele Wiederholungen. Echt guter Schreibstil, ich himmel das gerade ein bisschen an!
Von: Futuhiro
2016-01-17T14:12:01+00:00 17.01.2016 15:12
Wouw. O__O
Einfach nur wouw.

Ich finde es komisch, daß Feliff so bereitwillig mit in diesen Krieg zieht. Da scheint das, was Faure Morin ihm erzählt hat, ihn ja nicht sehr nachhaltig abgeschreckt zu haben. Er hat ja nichtmal versucht, den Kampf zu verhindern oder irgendjemanden zu überzeugen, es bleiben zu lassen. Was wäre denn eigentlich passiert, wenn er gesagt hätte <Ohne mich, Leute, kloppt euch mal schön allein!> ???
Von: Futuhiro
2016-01-17T00:35:42+00:00 17.01.2016 01:35
Och nööö, Nirom Eruaf soll die armen Tiere aus dem Krieg raushalten. Q__Q Was kann denn der Hase dafür?

Hm, die Rebellen-Anführerin wird mir immer sympatischer. Aber abgesehen davon weis ich gerade wenig feedback. Das Kapitel hatte nicht sonderlich viel fortschreitende Story. Aber es hat toll Stimmung erzeugt. ^^
Von: Futuhiro
2016-01-17T00:01:39+00:00 17.01.2016 01:01
Wouw. 100 Rebellen auf der einen Seiten und 400 Mann Vorhut plus eine Zahl X als Haupttrupp auf der anderen Seite. Der Knüller. Und jeder hat ne Geheimwaffe. Und dann noch Faure Morin und Nirom Eruaf, die sich auch gern die Köpfe einschlagen möchten. Also wenn ich das mal zusammenfassen darf: Alle tot und dann ist für immer Ruhe.

Menno, ich wollte mit Blick auf die Uhr schon vor 2 Kapiteln aufhören zu lesen. Aber jetzt mach ich erst recht weiter!
Von: Futuhiro
2016-01-16T23:39:30+00:00 17.01.2016 00:39
„Ich heiße Aura.“ - Ich hab vielleicht blöd geguckt! O_o
Nun gut, es wird sich aufklären, ich bin sicher.

Haha, armer Feliff. Jetzt wird er wieder schüchtern, der arme Kerl. XD
Ich wäre ihm um den Hals gefallen und hätte ihn mit Fragen nur so gelöchert. Ich kann Alynes Reaktion überhaupt nicht verstehen.

Also wenn ich jetzt nicht genau wüsste, wie viele Kapitel noch kommen, würde ich sagen <Jetzt Finale und dann Ende Gelände!>. Ich bin echt gespannt, was du da jetzt noch alles an Handlung reinpacken willst.


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