Kaito Kat von Mopsbacke (Ein Meisterdieb auf Samtpfoten) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1: Unglücksrabe ---------------------------------- Stille lag über Tokio. Die meisten Gebäude waren bereits dunkel und nur vereinzelt schien noch Licht aus den Fenstern der Hochhäuser. Die Straßen waren wie ausgestorben und nur aus vereinsamten Kneipen und Karaokebars drang noch gedämpfter Lärm. In den meisten Häusern lagen die Bewohner jedoch längst in den Betten und träumten vor sich hin. Was im Laufe dieser Nacht jedoch noch geschehen sollte, konnte sich wohl selbst der größte Fantast nicht erträumen. Ein weißer Schatten durchflog den mitternächtlichen Himmel und warf seine Silhouette auf den Vollmond, der groß und erhaben auf das schlafende Tokio hinab schien, und durchbrach damit die Idylle der Finsternis. Mithilfe seines Hängegleiters ließ sich Kaito KID sanft auf einem Häuserdach nieder und betrachtete die Stadt zu seinen Füßen. In nicht allzu weiter Ferne konnte er bereits Polizeisirenen erkennen. Sie waren ihm auf den Versen – aber das war ja nichts Neues. Als Meisterdieb 1412 war er es gewohnt, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen und die Polizei an den Hacken klebte. In einer seiner Hosentaschen ruhte der „Black Blizzard“ – ein schwarzer Turmalin, der perfekt in Kaitos Handinnenfläche passte. Kein Wunder, dass die Polizei mal wieder Jagd auf ihn machte – immerhin war dieser Juwel alles andere als rechtmäßig vom Meisterdieb in Weiß erworben worden. „Kuroba Kaito“, erklang eine Stimme aus der Dunkelheit hinter ihm. Als wäre es nicht seltsam genug, dass in allertiefster Nacht, wo niemand einfach auf Dächern herumspuken sollte, jemand offenbar hinter Kaito stand, war es noch dazu jemand, der KIDs wahre Identität kannte – oder zumindest zu kennen glaubte. Auch wenn Kaito am liebsten pfeilschnell aufgeschreckt wäre, um sich zu vergewissern, wer ihm da aufgelauert hatte, gab er sich alle Mühe, sich mit einem Höchstmaß an Ruhe, Gelassenheit und Überlegenheit umzudrehen. Doch all seine Verstellungskünste nutzten nichts, als er sah, wer ihm da aufgelauert hatte. Vor ihm stand eine Oberstufenschülerin mit rotbraunem Haar, gekleidet in etwas, das aussah wie ein Bustier, der mit Unmengen an Goldschmuck drapiert war. Auf ihrer Stirn prangte eine Tiara mit einem Schlangenkopf. Akako Koizumi. Klassenkameradin und Schwarzmagierin. Fast hätte Kaito bei ihrem Anblick laut aufgestöhnt; dieses Mädchen war die reinste Pest. Nicht nur war sie sich hundertprozentig sicher, dass sich unter dem Zylinder, dem weißen Anzug und dem Monokel Kaito verbarg, nein, sie hatte es sich auch noch zum Ziel gesetzt, jeden Mann in ihren Bann zu ziehen. Lediglich Kaito hatte es bisher geschafft, ihr standhaft zu widerstehen. Doch das schützte ihn natürlich nicht davor, jetzt von ihr überrumpelt zu werden. „Pass auf Dich auf, Du bist nicht so großartig, wie Du denkst“, äußerte Akako in einem derart mysteriösen Tonfall, dass Kaito keine Ahnung hatte, wie diese Aussage zu interpretieren sei. Gerade noch rätselte er darüber, was wohl eine adäquate Antwort sei, als mit einem lauten Knall die Tür des Dachgeschosses aufflog und eine weitere Person das Spielfeld betrat, die Kaito gerade so überhaupt nicht gebrauchen konnte: Saguru Hakuba. Klassenkamerad und Schülerdetektiv. Der Möchtgern-Sherlock-Holmes schlechthin. Seine karierte Deerstalker-Mütze und der dazu passende Mantel lösten in Kaito regelmäßig das Verlangen aus, ihm ins Gesicht zu treten. Die herablassende Art und das Meisterdetektiv-Getue taten dabei ihr übriges; auf diesem Dach war nur für einen Meister Platz – und zwar für den Meisterdieb Kaito KID. Dennoch – heute hatte Hakuba Kaito auf dem falschen Fuß erwischt. Im wahrsten Sinne des Wortes. „Aaah, der Möchtegern-Detektiv!“, tönte Kaito, zog seinen Zylinder, verbeugte sich und machte einen Ausfallschritt nach hinten. Und die Betonung lag tatsächlich auf AusFALLschritt, denn kaum berührte Kaitos Fuß die Fliese, brach sie mit einem lauten Krachen in die dunkle Tiefe. Tendenziell hätte das nur dafür gesorgt, dass Kaito das Gleichgewicht verloren hätte und im schlimmsten Fall eventuell mit dem Gesicht voran in den Dreck auf dem Dach gefallen wäre, und damit sämtlichen Cartoon-Pechvögeln Konkurrenz gemacht hätte. Doch heute war eindeutig nicht Kaitos Glückstag. Dieser Tag hatte noch weitaus mehr mit Kaito vor. Im selben Moment hatte Hakuba eine Waffe gezogen, mit der er auf Kaito zielte. Auch wenn Kaito sich sicher war, dass der Schülerdetektiv niemals abdrücken würde – oder besser gesagt: Kaito niemals ernsthaft verletzen würde -, so galt das noch lange nicht für Akako: kaum einen halben Augenblick später erleuchtete ein heller Lichtstrahl das komplette Dach und tauchte auch die umgebende Nachbarschaft in einen grellen Lichtkegel. Vor Kaitos Gesicht flattere etwas, das aussah, wie eine Bannformel – allerdings konnte er das schwer beurteilen, da alles in ein schmerzhaft strahlend weißes Licht gehüllt wurde. Mit zusammengekniffenen Augen konnte er noch erkennen, dass auch Hakuba geblendet wurde und sich schützend den Arm vor’s Gesicht hielt. Fast schon fühlte Kaito sich gerührt, dass Akako zu solch drastischen Mitteln griff, um ihn vor einer Kugel zu retten, die er vermutlich mit Leichtigkeit abgewehrt hätte, doch dann wurde er plötzlich von den Füßen gerissen. Er konnte nur erahnen, was gerade passierte, doch er war sich sehr sicher, dass er gerade fiel. Und zwar tief. Er war soeben vom Dach eines Hochhauses gestürzt – ein tragisches Ende für solch einen hervorragenden Dieb wie Kaito Kid es war. Der Wind und die Schwerkraft verbanden sich zu einer furchtbaren Kombination, die Kaito auf den Magen drückte. Seine Gedärme fühlten sich an, als würde sich jede einzelne Verwinkelung verkrampfen. Seine Lunge füllte sich mit eiskalter Luft und brannte dabei fürchterlich, als würde er gleichzeitig ertrinken und verglühen. Sein Kopf dröhnte, sodass er nicht einmal den klaren Gedanken fassen konnte, den Hängegleiter, der sein sicherer Retter sein konnte, wenn er ihn nur ließe, zu nutzen. Was hatte diese Akako nur mit ihm angestellt? Das würde sie ihm noch büßen, wenn er die Gelegenheit dazu noch finden würde. Im Moment bezweifelte er dies jedoch noch stark. Seine Haut fühlte sich an, als wolle sie jeden Moment zerbersten und sein nacktes Fleisch freigeben, während sein weißer Anzug unkontrolliert um seine Gliedmaßen flatterte. Irgendwo in der Ferne konnte er immer noch die Sirenen ertönen hören. Und einen Schrei, eventuell. Ein krächzender, heiserer Schrei. Vielleicht war es auch sein eigener. Kapitel 2: Kapitel 2: Hexengefährte ----------------------------------- Zwei furchtbare, schmerzerfüllte, von Qualen durchdrungene Augenblicke später hatte Kaito mit seinem Leben bereits abgeschlossen und mit seinen letzten Atemzügen Akako verflucht. Umso überraschter war er, als er mehr oder weniger sanft auf einem der Balkons des Bürogebäudes, auf dessen Dach er eben noch gestanden hatte, aufkam. Er musste sehr tief gefallen sein – allein schon von der Dauer des Sturzes her zu urteilen – und dennoch hatte er sich nichts gebrochen, geprellt oder verstaucht. Tatsächlich fühlte sich Kaito reichlich unversehrt. Sein Kopf drehte sich immer noch und er konnte kaum klare Gedanken fassen – sein Puls raste und er fühlte sich, als würde er immer noch fallen. Gerade wollte er seinen Körper näher auf bisher unbemerkte Verletzungen beäugen, als ein großes, weißes Laken von oben auf ihn herab flatterte und ihn komplett unter sich verbarg. Was für ein dämliches Riesenlaken flatterte denn einfach so mir nichts, dir nichts in finsterer Nacht aus dem Himmel herab?! Kaito versuchte sich freizukämpfen, doch seine Gliedmaßen schienen nicht so ganz das machen zu wollen, was er ihnen abverlangte, und das Laken drückte schwer auf seinen Körper. Er fühlte sich unheimlich verloren unter diesem gigantischen Stück Stoff. Dennoch empfand er es als unheimlich vertraut. Wie sich der Stoff um seinen Körper legte. Der Geruch. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte er sich fast dem unsinnigen Gedanken hingegeben, dass da soeben sein Mantel auf ihn niedergeflogen war. Unbeirrt zerrte Kaito weiter an dem Stoff, der ihn zu erdrücken drohte und ihn von der frischen Nachtluft abschnitt, doch seine Hände erschienen ihm winzig, seine Arme schwach und kraftlos. Noch ehe Kaito Zeit zum Resignieren hatte, wurde der Stoff plötzlich unangekündigt angehoben – und das, wie es schien, mit Leichtigkeit. Der gelupfte Stoff legte den Blick auf eine riesige Akako offen, sodass Kaito am liebsten sofort wieder Schutz unter dem Textil gesucht hätte. Diese Akako vor ihm unterschied sich nur in dem Punkte von der Akako, die Kaito noch vor kurzem gegenüberstand, dass sie besagtes Laken in den Händen hielt und ungefähr fünf, sechs Mal so groß war wie diese. Da stand sie, auf demselben Balkon wie Kaito, ins Unendliche aufgebäumt, und sah zu ihm herab. Ihr Gesicht verzerrte sich beim Anblick von Kaito, der den Schock seines Lebens erfuhr, als er diese Gigantin vor sich sah. Als Akakos Gesichtszüge entgleisten, ahnte Kaito bereits schlimmes. Akakos Zauber, mochte es nun ursprünglich als Segen oder Fluch gemeint gewesen sein, hatte eindeutig etwas mit ihm angestellt. Vielleicht war er geschrumpft worden? Das würde zumindest Akakos immense Größe sowie das Laken, das sich tatsächlich als Kaitos Mantel entpuppt hatte, erklären. Kaitos Gemüt verfinsterte sich zusätzlich, als er bemerkte, dass sich in Akakos Miene des Entsetzens eine Spur Amüsiertheit mischte. Das verhieß nichts Gutes. Im Gegenteil, das war ein Indikator für Übles. Sehr Übles. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Kaito reichte es. Er bemühte sich, sich direkt an Akako zu richten, um seinem Unmut Luft zu machen, und stellte sich schon darauf ein, gleich mit Quietsche-Stimme loszupiepsen, wie geschrumpfte Menschen es eben taten. Das wusste ja jeder, der Cartoons sah und Comics las. Doch auf das, was ihn erwartete, war er nicht gefasst. Drohend erhob er seine rechte Hand – nun, zumindest wollte er seine Hand erheben. Doch statt seines normalen, wunderschönen Armes aus Fleisch und Blut, mit seiner wundervollen Haut umpackt, musste er ein dünnes Ärmchen, das über und über mit schneeweißen Haaren besiedelt war, erblicken. Sein Unterarm hatte Fell. Ihm war ein Fell gewachsen. Ihm. War. Ein. Fell. Gewachsen. Kaito Kuroba, dem großen Meisterdieb Kaito KID, war ein beschissenes, weißes Fell gewachsen! Seine fünffingrige Hand war durch eine mit Krallen besetzte Pfote ersetzt worden. Ein lauter Schrei bahnte sich seinen Weg aus Kaitos Lungen – doch das Endresultat war lediglich ein heiseres Miauen, bei dessen Klang Akako in grausames Gelächter ausbrach. Ihr schlechtes Gewissen schien augenblicklich verflogen zu sein. Sie beugte sich zu dem kleinen Würmchen, das sich vor ihr wand, herunter und nahm es auf den Arm. Das Kaito-Kätzchen passte mit Leichtigkeit in Akakos Hände, auch wenn es ihm nicht passte, dass Akako ihn so einfach aufheben konnte, um mit ihm anzustellen, was sie wollte. „Ist das nicht herrlich? Eine Hexe und ihre Katze!“ Akako lachte schallend. Bei diesen Worten, die Kaito durch Mark und Bein gingen, zuckten seine Öhrchen – Akakos schrilles Gelächter verursachte ihm Kopfschmerzen, die ihn an seinem Verstand zweifeln ließen. Am liebsten hätte Kaito sofort seine Krallen ausgefahren und sie Akako in den Arm gebohrt, doch noch hatte er nicht herausgefunden, wie das ging. Stattdessen begnügte er sich vorerst mit einem kleinen Fauchen. „Jaja, reg‘ dich ab“, beschwichtigte Akako ihn halbherzig, „stell Dich nicht so an, ich krieg‘ das schon wieder hin.“ Kaito bezweifelte das vehement. Unterdessen nahm Akako ihren Besen zur Hand und bestieg ihn beschwingt. Kaito balancierte sie währenddessen auf dem Unterarm und drückte ihn an ihren Oberkörper. „Jetzt bringen wir Dich erstmal nach unten“, erklärte Akako, als hätte sich Kaito das nicht denken können, als Akako mit dem Besen in die Lüfte hob und sich langsam, in kreisenden Bewegungen dem Boden näherte. Dass Hakuba wohlmöglich auch noch in der Nähe des Hochhauses herumschwirrte, hatte Kaito völlig vergessen. Es interessierte ihn auch nicht mehr wirklich. Seinetwegen konnte Hakuba ebenfalls vom Hochhaus gestürzt sein – oder in ein Kätzchen verwandelt worden sein. All seine Gedanken kreisten nur noch um den neuen Körper, in dem er sich befand und mit dem er sich, so wie es schien, erst einmal arrangieren musste. Er war klein, fellig, zerbrechlich, schwach und, wenn man dem Glänzen in Akakos Augen trauen durfte, unwiderstehlich niedlich. Zum Kotzen. Oder, wie Kaito es ohl in Zukunft akzeptieren musste: zum Fellknäuel auswürgen. Seine lächerlich winzigen Samtpfötchen konnten den rauen Asphalt nur allzu deutlich spüren, als Akako ihn endlich wieder auf festem Boden absetzte. Unsicher tapste er einige Schritte vor und zurück, um sich an seine neue Form zu gewöhnen. In regelmäßigen Abständen stolperte er über seine eigenen Füße, geriet mit seinen Beinen, von denen er plötzlich vier statt zwei hatte, durcheinander und fühlte sich insgesamt einfach nur hundeelend. Das musste doch alles ein schlechter Scherz sein. So etwas wie Hexen und Zaubersprüche und Flüche gab es doch gar nicht. So etwas durfte es nicht geben. „Also, Kaito. Was hältst du davon, wenn ich Dich erst mal mit zu mir nach Hause nehme?“ So zärtlich wie Akako eben sein konnte, nahm sie Kaito erneut vom Boden auf und hielt ihn direkt vor ihr Gesicht - und hatte dabei erstaunlich schnell den eigentümlichen Gesichtsausdruck von verrückten, alten Katzenladys angenommen. „Es ist nur sinnvoll. Hexe und Katze. Wir sind quasi dafür bestimmt, zusammen zu sein! Keine Widerrede und keine falsche Bescheidenheit – du kommst mit zu mir.“ Dummerweise war Kaito ganz und gar nicht nach „keine Widerrede“ – und erst recht nicht danach, mit Akako nach Hause zu gehen. Genau genommen war das das Schlimmste, was er sich vorstellen konnte. Er würde garantiert nicht bei dieser verrückten bleiben! Intuitiv fuhr Kaito seine Krallen aus – und war heilfroh, dass es diesmal tatsächlich auf Anhieb klappte. Mit einem gezielten Streich erwischte er Akako und hinterließ drei feine, blutige Streifen in ihrem Gesicht. Entsetzt und erschrocken ließ Akako Kaito fallen, der, wie es sich für ein braves, kleines Kätzchen gehörte, auch prompt auf allen Vieren landete. Zufrieden mit sich selbst rannte Kaito in die tiefe, finstere Nacht hinaus, sobald er wieder Boden unter den Füßen hatte. Wenn er doch nur die Ereignisse des Abends so leicht hinter sich lassen konnte wie Akako. Die junge Hexe stand vor Zorn zitternd zurückgelassen dar und ballte die Hände zu Fäusten. „Na schön, dann hau doch ab! Du wirst noch sehen, was Du davon hast! Ich brauch keine beschissene Katze wie Dich!“ Nach einer kurzen Pause des Überlegens fügte sie hinzu: „Ich hoffe, Du wirst überfahren!“ Doch Kaito hörte sie nicht mehr. Zu sehr war er damit beschäftigt, die Flucht zu ergreifen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)