Zum Inhalt der Seite

Lost Tales

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Das große Gebirge

"Dante...Dante... hörst du mich...?" Er drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme zu kommen schien. "Wer... wer bist du?" Er sah einen leichten Lichtschein, der die undurchdringliche Finsternis leicht erhellte. "Dante, hör mir zu..." Das Licht kam immer weiter auf ihn zu geschwebt und wurde immer heller, bis es schließlich so gewaltig leuchtete, dass der Junge geblendet wurde. Als sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah er, wovon das Licht ausgegangen war. Inmitten des Lichtes stand eine schöne Frau in einem langen, weißen Kleid. Auf ihrer Brust prangte ein blendender, reiner Diamant, gefasst in eine zierliche, goldenen Brosche. Ihre Haut war hell, hatte aber noch einen schönen, rosigen Teint, ihr Haar war lang und silbern, als hätte sie das Alter von 60 Jahren schon weit überschritten. Das ungewöhnlichste an ihr waren jedoch ihre Augen. Sie waren komplett violett und starrten ihn ausdruckslos an. Auch schien diese Frau keine Pupillen zu haben. "Ich bin Melina, die Hohepriesterin Kains. Dante, ich habe eine Aufgabe für dich!" Dante stockte der Atem. Er hatte schon oft von Melina gehört, der blinden Hohepriesterin Kains, des Götterdrachen... die höchste Richterin auf Amlug, deren Urteil über allem Stand, das weiße Gegenstück zu Airin... wie alt mochte sie wohl sein? "Kain befahl mir." Dante blickte erst verunsichert zu Boden, dann hob er den Blick wieder. "Was für eine Aufgabe könnte es geben, die ich für Kain verrichten könnte?" Melina hob den Arm, ihre Augen glimmten kurz auf. Dann sagte sie mit seltsam verzerrter Stimme: "Beschütze Alexa, denn sie ist das Tor zur Einen Macht, sie ist die, die überleben muss, damit Amlug überlebt!" Dante schaute Melina verwirrt an. "Was?" Melina senkte den Blick. "Ich kann dir nicht erklären, was es bedeutet... dies waren die Worte Kains, die er mir eingab und mir befahl, sie dir zu sagen." Sie schaute Dante wieder in die Augen. "Mein Auftrag ist erfüllt. Was ich jetzt tue, ist eigenmächtiges Handeln, aber... Dante, bring Alexa zu mir! Bring sie zum weißen Palast auf dem höchsten Gipfel dieser Welt!" "Der höchste Gipfel dieser Welt?" "Nimrais!" Dante verstand nicht. "Nimrais?" Melina wandte sich ab. "Ich muss wieder gehen. Geh nach Orkania, Dante! Suche Typhoon auf! Er wird dir sagen, was zu tun ist!" Dann ging sie wieder und Dante blieb allein in völliger Dunkelheit zurück.

Er wachte auf. Was für ein seltsamer Traum... der junge Mann stützte sich mit den Händen am Boden ab und drückte seinen Oberkörper nach oben, als er etwas unter seiner rechten Hand bemerkte. Das war kein Stein, auf keinen Fall... er ergriff den Gegenstand. Was ist das denn?, dachte er, doch noch während diesem Gedanken erkannte er das Siegel Kains. In seinem Kopf hörte er Melinas seltsam verzogene Stimme widerhallen. 'Beschütze Alexa, denn sie ist das Tor zur Einen Macht, sie ist die, die überleben muss, damit Amlug überlebt!' Was hatte das zu bedeuten? Was sollte das sein, die 'Eine Macht'? Er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken. "Dante, du bist wach? Mann, siehst irgendwie übel aus..." Less beugte sich besorgt über seinen langjährigen Freund. Dante lächelte ihn an. "Keine Sorge, Less, mir geht's gut... ich hatte eben nur eine Eingebung von Melina, der Hohepriesterin Kains und hab von ihr den Auftrag bekommen, Alexa zu beschützen... aber ansonsten gibt's nichts Besonderes..." In seiner Stimme lag soviel Ironie, dass Less losprustete. "Du hast WAS? Willst du mich verarschen oder was?" Dantes Miene wurde wieder ernst und er schüttelte den Kopf. "Nein, will ich nicht!" Dann warf er Less das Siegel Kains vor die Füße. Dieser konnte nur noch hervorbringen: "Irre..." Dante stand auf und ging zum etwas abseits gelegenen Lager, wo sich die Leute langsam erhoben und auf die Weiterreise vorbereiteten.

Weniger als eine Stunde später war alles für die Weiterreise fertig. Dante schwang sich auf sein Pferd und sagte: "Wir werden nicht mehr lange auf unseren Pferden reiten können... über die schmalen Pfade müssen wir sie führen! Und zieht euch warm ein, auf den höchsten Pfaden wird es verdammt kalt werden!" Der Anstieg begann. Nach etwa einer Stunde war es unmöglich, weiter zu reiten und die Tiere mussten am Zügel geführt werden, eins nach den anderen. Besonders für Chiara war der Aufstieg schwer, da sie hohe Schuhe trug und immer wieder mit den Knöcheln abknickte. Wo zuerst noch grüne Wiesen gelegen hatten, war bald nur noch eine zerklüftete Felslandschaft, auf der vereinzelt Pflänzchen, Büsche oder verkrüppelte Bäume wuchsen. Ein kleiner Bergbach zog sich neben dem Pfad entlang, doch bald wurde er schmaler und verschwand in einem Stein, vermutlich seiner Quelle. Und jetzt schlug auch noch das Wetter um. Der blaue Himmel verfinsterte sich, dunkle Wolken verdeckten die Sonne. Und dann begann es zu regnen. Es wurde immer heftiger und heftiger, bis es so schien, als würde man unter einem Wasserfall laufen. Das erschwerte den Aufstieg für Mensch und Tier enorm, denn jetzt wurden die leicht sandigen und felsigen Wege matschig und glitschig. Immer wieder rutschten die Pferde oder ihre Pferde aus und konnten sich nur knapp vor einem Sturz retten. Denn dieser hätte verheerende Folgen haben können. Rechts des Pfades klaffen immer öfter tiefe Abgründe und Felsenschluchten. Der Weg schien wirklich am südlichsten Ende dieses majestätischen Gebirges zu verlaufen. Alexa hatte immer mehr Mühe, dem Pfad zu folgen, sie strauchelte immer mehr. Bald blieb ihr nichts anderes mehr übrig, als sich mit einer Hand an der Felswand zu ihrer linken abzustützen und nur sehr langsam voran zu kraxeln. Dante beobachtete sie aufgrund seiner neuen Aufgabe die ganze Zeit aufmerksam. Natürlich bemerkte er auch, was für enorme Probleme sie hatte. Doch jetzt konnte er nichts tun, denn er war ganz vorne und sie recht weit hinten. Und jetzt einfach zu ihr gehen, das war unmöglich. Er blickte zum Himmel und betete im Stillen, dass sie bald das Felsplateau erreichen würden, auf dem er zu rasten gedachte. Doch bis dorthin waren es noch über zwei Stunden Weg.

Das Mädchen quälte sich immer weiter nach vorne. Sie wurde immer langsamer und bleib mit den fünf Leuten, die noch hinter ihr waren, immer weiter hinter der Gruppe zurück. Am liebsten wäre sie auf der Stelle zusammengebrochen und auf dem Weg liegen geblieben. Warum nur fühlte sie sich so schwach? Und jetzt begann auch noch ihr Knöchel, wieder zu schmerzen... sie fröstelte. Der Regen klatschte erbarmungslos und eiskalt auf ihr Gesicht und ihre Arme, so schien es ihr zumindest. Es tat ihr regelrecht weh, wenn die Tropfen auf ihrer Haut landeten. Und jetzt wurde ihr auch noch schwindelig... sie strauchelte wieder und krallte sich im letzten Moment an der Mähne ihres Pferdes fest. Plötzlich hörte sie leise Stimmen. Sie wisperten in einer grausamen Sprache, die sie nicht verstand. Doch sie verstand die Worte 'Kron' und 'Airin'. Das mussten Namen sein... Kron war der schwarze Chaosdrache, doch wer war bloß Airin? Es war auch egal. Der Name ließ sie erschauern. Sie stolperte wieder und fiel fast, als sie etwas am Arm packte. Sie schaute hoch und blickte in Geros Gesicht. "Alexa, alles in Ordnung?" Doch sie war nicht mehr in der Lage zu antworten. Ihr wurde schwarz vor Augen und die grausamen Stimmen immer lauter. Wie riesige wellen brach das Getöse der Stimmen über sie herein. "Rufus...", flüsterte sie, "Rufus, hilf mir..." Als sie den Namen Rufus sprach, ging ein schriller Schrei des Entsetzens durch all die Stimmen und bereitete ihr rasende Kopfschmerzen. Sie blickte auf und konnte Geros Gesicht sehen. "Gero... Hilfe... sag ihnen, sie sollen still sein..." Ihr stiegen Tränen in die Augen. Sie sackte wieder zusammen... "Verdammt...", murmelte Gero, dann schrie er aus vollem Leibe: "Dante! Komm her, schnell! Alexa braucht Hilfe!"

Dante fror in seiner Bewegung ein. Alexa brauchte Hilfe? Er warf Less den Zügel seines Pferdes hin und rannte an der Gruppe vorbei in die Richtung, aus der er gekommen war. Die Szene, die er sah, jagte ihm Angst ein: Gero hielt Alexa in den Armen, die völlig zusammengesackt war. Sie war noch blasser als sonst und zitterte am ganzen Körper. "Alexa!", rief er entsetzt, "Was ist denn mit dir?" Er riss sie aus Geros Armen und schlug ihr leicht auf die Wangen. Das Mädchen öffnete leicht die Augen und flüsterte heiser: "Bitte... sie sollen still sein..." Dann kniff sie die Augen zusammen und drückte die Arme gegen ihren Kopf. "Rufus... Rufus... Hilf mir..." Dante wusste nicht, wie ihm geschah, als er plötzlich in einem gewaltigen Leuchten stand. Er sah nichts mehr, außer grellem, weißen Leuchten...

"Mylady... ich bin hier..." Sie schaute auf. Sofort waren alle ihre Schmerzen verflogen und die Stimmen in ihrem Kopf verstummten. "Rufus..." Er erschien ihr jetzt noch schöner als bei ihrer letzten Begegnung. Ihr Atem stockte und ihr Herz schlug so schnell, dass es drohte, zu zerspringen. Rufus legte ihr kurz die Handfläche auf die Stirn, schloss die Augen und verschwand dann wieder. Das Mädchen erwachte in Dantes Armen. "Verdammt, was war denn das für ein Licht?", wand sich dieser an Gero. Gero zuckte mit den Schultern. Da öffnete Alexa die Augen. "Alexa! Geht's dir gut?" Gero machte sich sichtlich Sorgen um das Mädchen. Sie nickte. "Mein Kreislauf hat wohl nicht mehr mitgemacht... tut mir leid, wenn ich euch Sorgen gemacht hab..." Dante schaute sie wütend an. "Das nächste mal sag mir bitte vorher, wenn du eine Kollaps hast, ja?" Sie lächelte. "Klar!" Von Rufus sagte sie bewusst kein Wort, da ihr die beiden Männer wahrscheinlich nicht geglaubt hätten.

Nach diesem Zwischenfall ging die Reise wieder recht gut weiter. Alexa humpelte zwar wieder etwas wegen ihres Knöchels und ging recht langsam, doch sie stand aufrecht. Der Regen tat ihr nicht mehr weh und auch die Stimmen in ihrem Kopf waren verschwunden. Sie dankte Rufus in Gedanken immer und immer wieder. Doch Dante war beunruhigt. Kreislaufkollaps? Das glaubte er ihr nicht so recht... Und dieses seltsame Licht, nachdem es ihr wieder besser ging, das war doch wohl keine Einbildung gewesen? Nein, unmöglich, Gero hatte es ja auch gesehen! Da waren definitiv irgendwelche Mächte am Werk, die Dante nicht verstand und wahrscheinlich auch gar nicht verstehen wollte. Widerwillig lief er weiter voran, während Alexa weit hinten zurücklag und jederzeit wieder kollabieren könnte...

Nach einer weiteren Stunde war das Plateau endlich erreicht. Dante atmete endlich wieder auf. Und Alexa streckte sich der Länge nach auf einem Felsen aus und genoss den Regen auf ihrer Haut. Er schien ihr jetzt nicht mehr so kalt wie zuvor, sondern angenehm und erfrischend. "Alexa?", hörte sie Dantes Stimme neben sich, "Ist mit deinem Fuß alles in Ordnung?" Sie blickte auf. "Ja, danke... und... entschuldige, dass ich wieder alles so dermaßen aufgehalten habe..." Als sie in Dantes Augen blickte, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Und andererseits wunderte sie sich, dass er so besorgt um sie war. "Dante, was ist eigentlich los mit dir? Warum machst du dir plötzlich solche Sorgen um mich?" Er wand sofort den Blick ab und erwiderte hektisch: "Ach, nur so! Hat keinen bestimmten Grund!" Alexa stieß ihm mit der Faust in die Seite. "Bist du etwa in mich verknallt?" Er wand sich nun wieder zu ihr, grinste sie an und antwortete: "Das hättest du wohl gern, Süße!" Sie blickte nachdenklich nach oben. "Hm...naja...bin mir nicht sicher! Ich wüsste noch jemanden, bei dem es mir lieber wäre, wenn er sich in mich verknallen würde!" Sie dachte wieder an Rufus und wurde sofort rot. Dante lachte auf. "Aha, da ist wohl jemand verliebt bis über beide Ohren! Wer ist denn der Unglückliche?" Alexa erwiderte, halb in Trance: "Du kennst ihn sowieso nicht..." Dante knuffte sie in die Seite. "Is ja auch nicht so wichtig! Weißt du was? Ich trag dich das nächste Wegstück, ja?" Sie schaute ihn fragend an, worauf er mit dem Kopf auf ihren Fuß deutete. "Mit DEM Knöchel schaffst du das nicht, ganz ausgeschlossen!" Sie nickte. "Gut, danke." "Nichts zu danken! Und jetzt iss mal was, Kleine, sonst fällst du mir noch vom Fleisch! Und das kann ich nicht gebrauchen!" Er ging wieder zurück zu seinen Freunden. Sie war ja irgendwie süß... Er ertappte sich, wie er dachte, dass sie wirklich wunderschön wäre. Dante, hör auf, sowas zu denken! Sie ist noch ein Kind, denk dran! Er seufzte. Verdammt nochmal, sie war ein Kind... aber ein sehr hübsches Kind... Gero beobachtete ihn skeptisch. Er hatte das Gespräch der beiden zufällig mitbekommen und der Gedanke daran, dass Dante Alexa tragen würde, passte ihm gar nicht. Also ging er zu ihm und schlug höflich vor: "Dante, ich habe eben zufällig gehört, dass du Alexa das nächste Wegstück tragen willst... aber ist das für dich als Anführer nicht zu stressig? Wie wäre es, wenn ich sie trage?" Dante, der sich gerade gesetzt hatte, blickte zu Gero auf und grinste breit. "Soso, zufällig hast du unser Gespräch mitbekommen? Nein Gero, danke, aber Alexa wiegt so gut wie nichts... es ist kein Problem für mich, sie zu tragen! Und du hast auch keinen Grund, eifersüchtig zu sein! Sie ist vielleicht ganz niedlich und ich passe meinem Auftrag gemäß auf sie auf, aber sie ist und bleibt in meinen Augen ein Kind!" Zähneknirschend und ohne ein weiteres Wort kehrte Gero wieder zur Ritterschaft zurück. Dieser Kerl konnte einem mit seiner Art wirklich den letzten Nerv rauben! Sven Tellamon entdeckte zufällig Geros düsteren Blick und gesellte sich zu ihm. "Ihr mögt den Kerl nicht besonders, habe ich Recht, Ritter von Weihenfels?" Gero nickte und setzte sich resigniert auf einen größeren Stein. Sven nahm neben ihm Platz. "Was haltet Ihr davon mit mir gemeinsam dafür zu sorgen, dass er unsere Gruppe verlassen muss?" Gero blitzte Sven wütend an. Er hatte ihn noch nie besonders gut leiden können, dieses Tellamon... "Aha, das ist mal wieder bezeichnend für Euch, Sven Tellamon! Ein hinterlistiger, feiger Plan um Dante auszuspielen! Setzt Eure Pläne allein durch, das ist nicht meine Kragenweite!" Mit diesen Worten stand er auf und ging zu Shannon. Gero mochte Dante zwar nicht, aber er wusste, dass der Halbdämon ein besserer Führer war als Sven und dass er die Gruppe gut führte. Und seine Ehrenhaftigkeit bezweifelte er auch keine Sekunde lang. Er setzte sich zu Shannon und unterhielt sich ein wenig mit ihr.

Bald darauf hieß es sich wieder auf de Weiterreise zu machen. Dante nahm Alexa huckepack und drückte ihr den Zügel seines Pferdes in die Hand. Alexa lenkte ihren Blick kurz durch die Menge und meinte, in Geros und Chiaras Augen ein kurzes, eifersüchtiges Aufblitzen zu sehen. Doch den Gedanken daran, dass Chiara vielleicht in Dante verliebt war, verwarf sie schnell wieder. Chiara ging schließlich nach Orkania, um sich auf ihre Ehe vorzubereiten und nicht um sich mit irgendeinem Kerl, den sie mitten im Wald getroffen hatte, einzulassen! Ruckartig setzte sich Dante plötzlich in Bewegung. Das Mädchen auf seinem Rücken erschrak etwas. "Sag mal... bin ich dir wirklich nicht zu schwer?", fragte sie nach ungefähr 15 Minuten. Der Halbdämon schüttelte den Kopf. "Ach was, du wiegst doch so gut wie nichts! Mach dir mal darum keine Sorgen, wenn du zu schwer wirst, lass ich dich einfach fallen!" Alexa schlug ihm auf die Schulter. "Das lässt du gefälligst bleiben!" Dante begann zu lachen. Er lachte herzlich und laut und nach kurzer Zeit lachte das Mädchen einfach mit. Als diese Lachattacke vorbei war, legte sie den Kopf auf seine Schulter und schloss die Augen. Er schaute sie aus dem Augenwinkel an und fragte: "Müde?" Sie erwiderte: "Erschöpft von vorhin... macht es dir was aus, wenn ich ein wenig schlafe?" Er schüttelte den Kopf. "So lange du nicht trittst und schlägst und dich halbwegs ruhig verhältst, kannst du tun und lassen, was du willst!" Alexa kuschelte sich noch enger an ihn. "Danke..." Dann schlief sie ein und blieb ruhig auf seinem Rücken liegen. Dante kümmerte sich nicht weiter um sie und führte die Gruppe unbeirrt und in gleicher Geschwindigkeit wie vorher weiter und gegen Abend war die Schneegrenze des Gebirges erreicht. "Dante, müssen wir wirklich über den Hochpass?", fragte Less ihn unruhig. Der Gefragte nickte. "Mit den Pferden schon! Oder willst du die Tiere etwa hier lassen?" Less schüttelte den Kopf. "Aber du weißt, was sich da oben des öfteren herumtreibt!" Dantes Miene verfinsterte sich ein wenig. "Mit den paar Orks werde ich ja sogar alleine fertig! Und wir haben 25 ausgebildete Krieger dabei, da dürfte das kein Problem geben!" Doch Dante musste zugeben, dass er sich auch ein kleines Bisschen sorgte. Alleine mit zehn Orks fertig zu werden war etwas anderes als noch jemanden gegen diese Orks verteidigen zu müssen! Aber es gab jetzt keinen anderen Weg mehr als den Hochpass und er konnte Chiara ja schlecht sagen, dass sie doch um das Gebirge herum wandern müsse, weil er sich Sorgen um Alexa machte. Also setzte er den Weg trotz aller Einwände seiner Freunde fort. Der Pfad kletterte steil und kerzengerade das Gebirge hinauf und bald war die ganze Landschaft verschneit. Die dunklen Wolken verhangen immer noch den Himmel, doch im Moment schneite es nicht, genauso wenig wie es weiter talwärts regnete. Doch der junge Mann blickte skeptisch in die Höhe. Er hatte eine böse Vorahnung. Das sah ganz nach einem üblen Schneegestöber aus, wenn nicht sogar ein Schneesturm aufziehen würde... wo sollte er denn in diesem Fall Unterschlupf finden? Als er in seinem Gedächtnis kramte, fiel ihm eine große Höhle ein, in der genug Platz für die Karawane und ihre Pferde wäre. Einziger haken: Diese Höhle wurde jedes Mal, wenn er hier war, von neuen Orks bewohnt und musste immer wieder von diesen gereinigt werden. Er überlegte kurz und rief dann Gero zu sich. "Gero, was denkt Ihr... sollen wir eine von Orks bewohnte Höhle säubern und dort übernachten oder unser Lager im Freien aufschlagen?" Gero schaute genauso skeptisch zum Himmel wie Dante vorher. "Das Wetter sieht übel aus... wie viele Orks befinden sich vermutlich in dieser Höhle?" Dante zuckte die Schultern. "Das kann ich nicht genau sagen... aber die Höhle bietet genug Platz für gut 100 von ihnen!" Geros entsetzter Blick sprach Bände. "Aber wenn ich dort war, waren immer nur höchstens zwanzig Stück dort!", fügte der Führer schnell hinzu, um Gero zu beruhigen. Dieser setzte einen entschlossenen Blick auf und sagte: "Also gut... lass uns ein paar Orks niedermetzeln gehen!" Dante nickte und ging etwas schneller, mit entschlosseneren Schritten voran.

Es stellte sich bald heraus, was für eine gute Entscheidung es gewesen war, den Weg zur Höhle einzuschlagen. Ungefähr zehn Minuten, bevor die Gruppe zur Höhle kam, setzte ein beinahe unheimliches Schneegestöber ein. Die Sichtweite betrug nur noch wenige Meter und es war unmöglich, noch weit zu gehen. Kurz bevor die Höhle erreicht war, weckte Dante Alexa, die immer noch auf seinem Rücken schlief, deutete ihr, auf sein Pferd aufzupassen und zog dann sein Schwert aus der Scheide. Alexa lief bei dem Geräusch ein Schauer den Rücken herunter... Dante stellte sich direkt vor den Eingang der Höhle, gab seinen Männern Zeichen, sich im Halbkreis um den Eingang aufzustellen, wies die Ritter an, ihre Schwerter zu ergreifen und rief dann, so laut er konnte: "Hey, ihr dreckigen Mistdinger da drin! Hat euch schon mal jemand gesagt, wie unglaublich hässlich ihr Orks im Vergleich zu Ogern seid?" Das war für die Orks eine unheimliche Beleidigung. Zwischen Orks und Ogern herrschte seit langer Zeit eine unglaubliche Feindschaft, doch niemand wusste mehr so recht, warum überhaupt. Auf jeden Fall behauptete jedes der beiden entstellten Völker, schöner zu sein als das andere. Direkt nachdem Dante diese Sätze heraus geschrien hatte, begann in der Höhle ein Gröhlen und Rumoren ohnegleichen. Waffen wurden gezogen, Stühle und Tische umgestoßen und nach weniger als drei Minuten stürmten ungefähr dreißig voll bewaffnete und gerüstete Orks heraus. Dem ersten schlug Dante den Kopf ab, der zweite wurde von Less in Taillenhöhe geteilt. Innerhalb von zehn Minuten war der Kampf vorbei. Das Ergebnis waren dreißig tote Orks im Schnee und eine Schnittwunde an Dantes Wange. Wieder einmal hatte Dante bewiesen bekommen, dass Orks zwar kräftig und brutal waren, es aber in keiner Hinsicht mit geübten Kriegern aufnehmen konnten. Er gab ein Handzeichen, dass alle sich in die Höhle begeben sollten und ging voran. Drinnen klopfte er zuerst einmal den Schnee von seiner Kleidung und setzte sich dann an das Lagerfeuer, das noch in der Mitte der Höhle brannte. Alexa war beeindruckt. Sie befand sich jetzt in einer großen Höhle, in der überall notdürftig gezimmerte Stühle und Tische standen: Das Werk der Orks. Außerdem befanden sich einige Vorräte und etliche Schätze hier. In der Mitte der Höhle brannte ein großes Lagerfeuer, an dem Dante sich gerade wärmte und es war sogar Heu gelagert. Hier war offensichtlich jemand am Werk gewesen, der Tiere mit auf die Reise genommen hatte! Aber Orks und Tiere? Wahrscheinlich war hier eine arme Reisegruppe von den Grünhäuten überrascht und niedergemetzelt worden... Alexa lief ein Schauer den Rücken hinunter. Was, wenn ihre Gruppe ebenfalls angegriffen würde...? Und da hatte sie wieder Rufus vor Augen, wie er vor ihr kniete und sagte: 'Wenn irgendwer oder irgend etwas danach trachtet, Euch zu bedrohen oder gar zu schaden, werde ich zur Stelle sein und Euch als Euer treu ergebener Diener davor bewahren!' Sie errötete leicht. Wieder einmal fragte sie sich, warum Rufus ausgerechnet ihr half.... warum eigentlich nicht Chiara? Die war wenigstens noch wichtig... noch während dieses Gedankenganges setzte in ihrem Kopf wieder dieses beängstigende Gemurmel ein... doch diesmal konnte sie Worte in einer Sprache heraus hören, die sie an die Sprache des Südens erinnerte: 'Rosa Nera Sussurrante Piange Sangue D'Innocenza! Dall'Abisso Lei Ritorna Per Urlare La Sentenza! Kron! Airin! Necros, Dagma, Atra, Krona! Kron! Airin! Fuoco, Pianto, Sangue, Cancro! Morte Nera Dentro Me! Sacra Lotta Dura Cruda Di Ideali Senza Eta'! Quando Corpus Morietur Fac Ut Animae Donetur! Kron! Airin!' Das Mädchen schluckte und wollte zum Feuer zurückgehen, doch sie schwankte und kippte bald nach vorne. Dante schaffte es noch knapp, sie aufzufangen. Alexa krümmte sich vor Schmerz, der ihren ganzen Körper durchzuckte. "Alexa, was ist los mit dir?", fragte Dante besorgt. Sie antwortete ihm, indem sie die Worte wiederholte, die sie hörte: "Rosa Nera Sussurrante Piange Sangue D'Innocenza! Dall'Abisso Lei Ritorna Per Urlare La Sentenza! Kron! Airin! Necros, Dagma, Atra, Krona! Kron! Airin! Fuoco, Pianto, Sangue, Cancro! Morte Nera Dentro Me! Sacra Lotta Dura Cruda Di Ideali Senza Eta'! Quando Corpus Morietur Fac Ut Animae Donetur! Kron! Airin!" Dante erkannte diese Wörter. Und es war nicht die Sprache des Südens, sondern die verfluchte Sprache des Chaos, in der Kron angebetet wurde. Und dies war eindeutig eine Huldigung Krons und seiner Hohepriesterin Airin. Er nahm das Siegel Kains, das er in einem kleinen Beutel an seinem Waffengurt trug, heraus und legte es in Alexas Hände. Dann betete er im Stillen zu Kain, dass er ihr beistehen solle. Und siehe da, innerhalb weniger Minuten entspannte sich Alexas schmerzverzerrtes Gesicht und sie öffnete wieder die Augen. Dante strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Alexa, was ist denn los mit dir? Warum machst du mir solche Sorgen?" Sie richtete ihren Oberkörper auf. "Ich weiß es doch nicht, Dante...ich weiß es doch nicht..." Seltsamerweise hatte sich die ganze Zeit keiner außer Dante dafür interessiert, was mit Alexa passiert war Plötzlich stürmten alle auf sie ein. "Oh Gott, Kleine, bist du in Ordnung?" Geduldig beantwortete sie alle Fragen. Dante wurde plötzlich unglaublich müde. Er schaffte es gerade noch, sich auf den Boden zu setzen, als er auch schon tief einschlief...

Er befand sich wieder in völliger Dunkelheit und wieder konnte er ein Licht sehen. Melina kam wieder auf ihn zu und sagte: "Dante, es gibt schlechte Nachrichten... die Gegenseite weiß nun auch, dass Alexa das Tor zur Einen Macht ist und versucht, dieses Tor zu zerstören! Sie versuchen, in ihren Geist einzudringen und ihren Verstand kollabieren zu lassen... gib ihr das..." Sie öffnete die Hand und streckte Dante ein dünnes, goldenes Halskettchen mit einem lupenreinen Diamant als Anhänger entgegen. "Es wird ihren Geist vor den Angriffen Airins schützen... doch ich bin sicher, dass sie bald ihre bösen Truppen ausschicken wird, um Alexa zu schaden. Du musst sie beschützen!" Dann war sie wieder verschwunden und der junge Mann erwachte. Er richtete sich auf und öffnete seine zur Faust geballten rechte Hand. Da war tatsächlich dieses dünne Kettchen mit dem Diamant... was war hier bloß los? Dante fand das alles mehr als verwirrend... aber ihm blieb nicht viel übrig, als sich zu fügen, denn er glaubte an die Macht der Drachen und wollte sie nicht gegen sich aufbringen. Also ging er zu Alexa, fasste sie leicht am Arm und machte ihr durch eine Kopfbewegung verständlich, dass sie ihm folgen solle. Das Mädchen tat dies, ohne sich großartig zu wundern. In einer abgelegenen Ecke der Höhle öffnete Dante schließlich seine Faust und streckte ihr die Kette mit dem Anhänger entgegen. "Das ist für dich..." Sie schaute zuerst auf den Diamant, dann in Dantes Augen. "Wo um alles in der Welt hast du das her, Dante?" Er wand den Blick ab und erwiderte: "Würdest du mir sowieso nicht glauben... nimm schon!" Alexa erwiderte: "Wenn du wüsstest, wieviel ich glaube! Jetzt erzähl schon!" Dante erzählte ihr jetzt die Geschichte, angefangen bei seinem ersten Traum in der Nacht zuvor. Alexa nickte nachdenklich und fragte: "Und dieser Diamant kann mich vor Airins Attacken beschützen?" Dante nickte. "So hat es Melina gesagt, ja." Das Mädchen streckte die Hand aus, nahm die Kette und hängte sie sich um den Hals. "Ich danke dir, Dante!" Sie lächelte ihn bezaubernd an. Er lächelte zurück und antwortete: "Gern geschehen, Kleine!" Irgendwie war er jetzt erleichtert. Auch, wenn er Alexa nicht vor geistigen Attacken beschützen konnte, mit den Untergebenen von Airin konnte er sich allemal messen. "Dante?" "Hm?" "Du siehst so glücklich aus... gibs doch zu, du liebst mich!" Er verpasste dem Mädchen eine leichte Kopfnuss. "Das bleibt dein Traum!" Alexa erwiderte kichernd: "Wohl eher mein Alptraum!" Er drehte sich um, ging wieder zum Feuer und rief ihr über die Schulter zu: "Das merk ich mir, darauf kannst du Gift nehmen!" Nach einiger Zeit ging auch Alexa wieder zum Feuer und setzte sich zu Shannon. Dieser fiel natürlich als erstes die Halskette auf. "Irre! Wo hast du das Ding her?" Alexa warf einen kurzen, unbemerkten Seitenblick auf Dante, dann erwiderte sie: "Hab ich gefunden..." "Wo?" Alexa deutete mit dem Finger in die Ecke. In der sie vorher mit Dante gestanden hatte. "Aber da ist nichts mehr... nur noch so Megaklunker..." Shannon seufzte. "Du hast immer ein unverschämtes Glück mit sowas!" Alexa gähnte. "Mann, ich bin schon wieder müde..." Shannon erwiderte trocken: "Dann schlaf doch einfach!" Daraufhin musste Alexa kichern. "Weißt du was, Shannon?" "Hm?" "Du bist die Beste!" "Danke, ich weiß, und jetzt leg dich hin!" Shannon stand auf, zog Alexa auf die Beine und schob sie zu einem der wenigen noch freien Nachtlager. Alexa ließ sich auf das Lager fallen und schlief ebenso schnell ein, wie sie es schon am Nachmittag getan hatte. Gero, der neben Shannon gesessen hatte, schüttelte den Kopf. "Mann, die schläft ja so viel wie ein Faultier heute! Irgendwas stimmt nicht mit ihr..." Shannon zuckte die Schultern. "Ist doch auch egal... so lange sie keine tödliche Krankheit hat..." Gero schaute unruhig zu dem Mädchen hinüber: "Mir gefällt das aber nicht..." Shannon seufzte. "Mann, Gero, Alexa ist kein Kind mehr, sondern eine Frau! Und Frauen haben sowas bekanntlich öfters! Vielleicht hat sie ne Migräne oder so..." Mit dieser Antwort gab sich Gero zufrieden, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, was eine Migräne sein sollte... wahrscheinlich irgendeine seltsame Laune der Natur, die nur bei Frauen auftauchte! Da es für ihn jetzt nichts mehr zu tun gab, beschloss er, sich auch schlafen zu legen. Der nächste Tag würde anstrengend werden...

Als Gero und Alexa eingeschlafen waren, ging Shannon zu Dante. "Hey, kann ich mich kurz zu dir setzen?" Dante, der die ganze Zeit in die züngelnden Flammen gestarrt hatte, blickte auf und nickte leicht. "Klar, machs dir bequem... was kann ich für dich tun?" Shannon kam ohne Umschweife auf das Thema zu sprechen, das sie diskutieren wollte. "Was fühlst du für Alexa?" Dante stellte sich dumm. "Wie meinst du das, was ich für sie fühle?" Shannon schaute ihn grimmig an. "Du weißt genau, was ich meine!" Der junge Mann seufzte. "Ich weiß es selber nicht... hey, Shannon, ich kenne sie erst seit vier Tagen! Da entstehen noch nicht so gravierende Gefühle!" Shannon ließ nicht locker. "Aber du kümmerst dich übermäßig um sie und lässt sogar Chiara links liegen!" Er antwortete ohne eine Regung: "Das hat andere Gründe, ganz andere Gründe... und sie kennt diese Gründe auch! Also muss ich sie dir nicht sagen!" Sie bohrte noch einige Zeit weiter, doch Dante ging nicht darauf ein. Für ihn war das Gespräch beendet. Also gab Shannon irgendwann auf und legte sich auch hin. Ihr letzter Gedanke an diesem Abend war, dass Dante erstaunlich wenig Schlaf brauchte...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück