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Soul on Fire

von

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Robert Lightwood stand in seinem Arbeitszimmer und blickte gedankenverloren aus dem großen Fenster hinter dem Schreibtisch. Er hielt ein Glas Bourbon in der Hand und hatte noch nicht einmal daran genippt. Selbst das Eis war bereits komplett geschmolzen, weil er eine gefühlte Ewigkeit einfach nur aus dem Fenster starrte. Die Tür hinter ihm ging auf und sein ganzer Körper verkrampfte sich. Ohne sie anzusehen stellte er das Glas auf den Holztisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Er hätte ihr ohnehin nichts vorspielen können.

„Ich habe dich schon im ganzen Haus gesucht“ Maryse schloss die Tür hinter sich und trat näher an den Schreibtisch.

„Und da kam dir natürlich nicht gleich in den Sinn, mich hier zu suchen“, erwiderte er mit einem ironischen Lächeln, bevor er sich doch auf den Chefsessel setzte.

Sie hatten seit ihrer Ankunft nicht gerade viel miteinander geredet. Maryse war meistens mit dem Rat beschäftigt, von dem er sich gerne fernhielt, wenn sich die Möglichkeit ergab und außerdem war da auch noch Max. Sie wollten diesen besonderen Umstand, der gerade entstanden war, nicht vor ihm austragen. Aber Max war in diesem Moment nicht zuhause. Er war brav zum Training gegangen und hatte seine Eltern allein zurück gelassen, ohne überhaupt im Geringsten zu wissen, wie es um die Familie Lightwood stand.

„Robert, du bist kein kleines Kind mehr“ Sie stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und beugte sich vor. „Ich muss dir nicht hinterher rennen, damit du endlich deine Aufgaben erfüllst. Aufgaben, um die du dich eigentlich schon längst hättest kümmern sollen.“

„Wir hatten uns darauf geeinigt, dass ich sie nie wieder sehe!“

Maryse schlug mit der Faust auf den Tisch und zeigte vorwurfsvoll auf ihn. „Nein, du hattest dich entschieden sie nie wieder zu sehen, weil du die Verantwortung nicht ertragen hast!“

„Weil ich die Schmach nicht ertragen konnte!“

Bevor er sich versah, sprang Maryse über den Tisch und trat ihm mit ihrem Keilabsatz gegen die Brust, sodass er samt Sessel umfiel und auf dem Boden lag. Sie stand in ihrer schwarzen Lederkleidung vor ihm und er war sich sicher, dass sie einen innerlichen Kampf ausfechten musste, um ihm nicht auf der Stelle die Zähne aus dem Mund zu treten.

„Kinder sind nicht die Schmach, sondern jene Väter, die nicht zu schätzen wissen, was sie wert sind!“, fauchte sie und setzte sich auf den Schreibtisch. „Sei einmal in deinem Leben ein Mann, Robert und stell dich deinen Kindern.“

Und damit meinte sie allen Kindern. Sie hatte seine Affären satt, sie hatte seine Lügen satt. Sie wollte ihn nicht mehr in Schutz nehmen. Und vor allem bereute sie es, dass sie ihn in seiner Tat unterstützt hatte, als er Emily einfach mit seiner Tochter zurückgelassen hatte. Damals glaubte Maryse wohl wirklich, er würde sich ändern. Aber das tat er einfach nicht.

Robert räusperte sich und stand auf. Er hob den Sessel vom Boden und drehte sich zu seiner Frau, die Hände in die Hüften gestemmt. Eine solche Unterhaltung hatten sie schon seit Jahren nicht mehr gehabt. Vor allem, war es bereits Jahre her, dass Maryse die Geduld mit ihm verloren hatte und ihn körperlich angriff. Manchmal glaubte er, diese Frau hätte jegliches Temperament von damals verloren und verwandelte sich in eine emotionale Eiswüste.

„Du hast dich verändert, Maryse.“

Sie neigte den Kopf und schlug die Beine übereinander. „Ich habe mich nicht verändert, Robert. Ich bin es einfach nur Leid ständig hinter dir her zu räumen. Unsere Kinder sind fast alle erwachsen und leben ihr eigenes Leben, sie müssen nicht mehr vor der Wahrheit beschützt werden.“

„Wie haben sie Crystal aufgenommen?“

„Gar nicht.“

Genau, wie er es erwartet hatte.

„Aber du musst dich in dieser Hinsicht nicht wundern“, fuhr Maryse fort. „Sie sind in dieser Hinsicht nämlich genau wie du. Wie lange hast du denn gebraucht um dich an die Beziehung unseres Sohnes zu gewöhnen?“

„Wer sagt, dass ich mich gewöhnt habe?“

Er vergrub das Gesicht in die Hände und rieb sich kraftvoll über die Haut. Die Beziehung von Alec und Magnus ging ihm noch immer gegen den Strich. Wenn er an diese peinliche Nummer zurückdachte, als sein erwachsener Sohn vor versammelten Schattenjägern einfach mal diesen … diese Hexenmeister geküsst hat. Nicht nur, dass es ein Schattenweltler war, nein, er musste sich auch noch ein schwules Reklameschild angeln, damit wirklich JEDER den Blick auf sie richtete. Robert jagte dieser Gedanke noch immer einen kalten Schauer über den Rücken.

„Übrigens ist Simon wieder zurück in New York.“

Oh, nein. Er richtete seinen Blick auf seine Frau, die ihm zufrieden zulächelte, während sie ihn auf die Einzelheiten aufmerksam machte. Es war ja schließlich nicht nur Alec, der einen gänzlich anderen Weg eingeschlagen hatte, als es sich Robert wünschte, nein, auch seine wunderschöne Tochter verschwendete ihr Leben lieber im Bett eines Schattenweltlers. Er versuchte sich daran zu erinnern, wann er sie jemals mit einem Schattenjäger gesehen hatte und musste schmerzlich feststellen, dass Isabelle wohl wirklich nicht plante, jemals eine ordentliche Beziehung zu führen. Niemals. Sie wollte wohl auch keine Familie mehr haben, so wie sie es als kleines Mädchen immer allen vorgezwitschert hatte. Zumindest würde sie mit diesem Tageslichtler kaum Kinder bekommen können. Robert spürte plötzlich einen heißen Schmerz an der Schläfe und ließ sich wieder auf den Sessel fallen. Es gab Gründe, wieso er sich lieber hinter Bergen von Papierkram setzte, als sich bei seiner Familie blicken zu lassen.

„Robert, wir müssen herausfinden, wer hinter deiner Tochter her ist, das lässt sich nicht einfach unter den Tisch kehren“, drängte Maryse weiter.

Schon bei ihrer Ankunft hatte sie ihn darauf angesprochen. Egal was hinter Crystal her war, es hätte sich auch auf ihre anderen Kinder stürzen können. Es hätte so vieles geschehen können. Natürlich hatte Maryse sofort seine Anspannung bemerkt, als sie ihn darauf ansprach, doch sie hatten keine Möglichkeit mehr sich darüber zu unterhalten. Das war dann wohl vorbei.

„Wer außer mir, wusste noch von ihr?“, drängte sie. „Robert, wer hat dich dazu gebracht damals so ehrlich zu mir zu sein?“

Er hasste es, wenn sie ihn so leicht durchschaute. Mit einem tiefen Seufzen ging er zurück an das Fenster und sah hinaus. Damals hätte er niemals gedacht, dass seine Handlungen eine solche Nachwirkung mit sich ziehen würden. Es geschah einfach alles so unglaublich schnell, so wie die meisten Beziehungen in denen er sich wiederfand. Emily war so jung, unschuldig, als sie ihm über den Weg lief. Sie wusste nichts über die Schattenseite des Lebens, über das, was er jeden Tag aufs Neue töten musste, damit Menschen wie sie in Sicherheit waren. Sie sah ihn nicht als Krieger, als Soldat. Sie sah ihn als Mann, erschöpft, verloren und unendlich einsam. Sein Auftrag in New York sollte damals länger dauern als anfangs gedacht und der Gedanke daran, er würde seine schwangere Frau so lange nicht sehen und seinen Sohn nicht im Arm halten, machte ihn schon fast wahnsinnig. Er liebte Maryse wirklich. Und er liebte Alec, genauso wie seine kleine Schwester, die damals noch im schützenden Bauch seiner Mutter lag. Entgegen jeder Vernunft fing er an sich öfter mit Emily zu treffen. Sie war achtzehn, mit tiefblauen Augen und schwarzem Haar, genau wie Maryse selbst, allerdings war ihr Gesicht nicht gezeichnet von Tod und einem ausweglosen Krieg, dem man als Schattenjäger unweigerlich entgegentreten musste. Er erzählte ihr nichts von seiner Familie, fing auch sehr bald an, selbst nicht mehr darüber nachzudenken was er tat. Mit sechsundzwanzig, war man eben einfach noch nicht auf der Höhe, um nur mit dem Kopf zu denken. Valentin selbst hatte ihm geraten sich zurückzuziehen, bevor er sich nicht mehr aus diesem Wirbelstrom retten konnte und einer zerrütteten Ehe entgegen sah. Wenn er heuer darüber nachdachte, kam ihm das doch ein wenig ironisch vor. Gerade Valentin, der nicht nur seine Ehe, sondern auch seine gesamte Familie zerstört hatte, wollte ihn daran hindern eine Affäre anzufangen. Trotz dieser ernüchternden Tatsache, war es schmerzhaft zuzugeben, dass Valentin damals Recht hatte. Ihm war es überhaupt nicht bewusst, wie gut ihm die Nähe dieser anderen Frau tat. Wie sehr er sich nach einem anderen Leben sehnte. Wie gerne er abends einfach nur nach Hause kommen und etwas Zeit mit seiner Frau verbringen wollte. Ehe er sich versah, lag er jede Nacht in Emilys Bett, streichelte ihr übers Haar, sah ihr beim Schlafen zu, ehe er selbst von der Müdigkeit übermannt wurde. Doch dann änderte sich alles. Es war ein Unfall. Sie war viel zu jung und er … er war verheiratet und zudem auch noch ein Nephilim. Emily hätte niemals Teil seiner Welt werden sollen, doch nun, war das unausweichlich. Er konnte sich noch ganz genau an diesen Abend erinnern. Er hatte sich von den anderen verabschiedet, schob den Schlüssel ins Schloss ihrer Wohnung und hörte bereits wie sie schluchzte und weinte. Robert dachte, sie hätte von seiner Frau erfahren, seiner Familie, doch als er ins Wohnzimmer trat, kniete sie vor der Couch, und hielt ein Ultraschallbild in der Hand. Ein Baby. Sein Kind. Sie war schwanger. Und für Robert brach eine Welt zusammen.

„Bitte nicht“, Maryse hielt sich eine Hand vor den Mund. „Bitte sag mir nicht, dass du zu Valentin gerannt bist.“

„Was hätte ich den tun sollen?“ Er warf ihr verbittert einen Blick über die Schulter zu. „Was hätte ich deiner Meinung nach tun sollen? Zu wem sollte ich denn gehen?“

Er war es schließlich auch, der ihn gedrängt hatte, seiner Frau davon zu erzählen, ihr die Wahl zu lassen, was nun aus ihnen werden sollte. Das war das Mindeste, was er ihr schuldig war. Und Maryse gab ihm die Chance. Sie wollte natürlich, dass er die Affäre sofort beendete, allerdings wollte sie nicht, dass er von einem Moment auf den anderen aus dem Leben dieser jungen Frau verschwand. Er tat es jedoch. Damals hatte sie geglaubt, er würde es für sie tun, doch mittlerweile wusste sie es besser. Robert war einfach nur feige.

Er hörte Maryse Absätze, die sich ihm immer weiter näherten und rechnete bereits damit, dass sie ihn noch einmal zu Boden schlagen würde. Wahrscheinlich hatte er für dieses Verhalten auch kein anderes Verhalten verdient. Doch sie legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter und stellte sich neben ihn.

„Robert, du hast dieses Mädchen damals zum Sterben zurückgelassen“ Sie senkte ihren Blick. „Nachdem Jocelyn geflohen war und Valentin verschwand, musste ich mich an Magnus Bane wenden, den Freund unseres Sohnes, der dieses Geheimnis noch heute bewahrt, um ihn zu bitten auf Emily und ihre kleine Tochter aufzupassen.“

„Du hast ihn gebeten?“, er sah sie fragend an und hob eine Augenbraue.

„Gebeten ist nicht das richtige Wort. Ich habe ihn ordentlich dafür bezahlt.“

„Dachte ich mir. Damals war er nicht so großzügig wie heute.“

„Das tut überhaupt nichts zur Sache. Kannst du dir eigentlich vorstellen, was passiert wäre, wenn Crystal ohne Schutzzauber umhergewandert wäre?“

Er fuhr sich über das braune Haar. Natürlich konnte er es sich vorstellen, gerade nachdem Valentin so viel mit Dämonen experimentiert hatte, wäre sie ein einfaches Opfer gewesen. Wo auch immer er sich aufhielt.

„Maryse“, er schluckte und legte seine Hand auf ihre, die noch immer auf seiner Schulter ruhte, „es tut mir leid.“

„Ich weiß wirklich nicht, was noch von unserer Ehe übrig geblieben ist, Robert“ Sie richtete den Blick auf den Horizont, „aber ich bin nicht dazu bereit, dich weiterhin bei deinen Fehlern zu unterstützen.“
 

~*~*~*~
 

„Du!“

Stephan fuhr im Flur zusammen und sah sich kurz über die Schulter. Seine Schwester stapfte wie ein donnernder Zwölftonner auf ihn zu und verpasste ihm auch noch unerwartet eine Ohrfeige. Seine linke Gesichtshälfte fühlte sich an, als hätte man mit einer Käsereibe über seine Haut geschabt. Mehrmals.

„Darf ich auch erfahren wofür die war?“ Er rieb sich das Gesicht und ließ sich im Schnelldurchlauf seine Vergehen durch den Kopf gehen.

„Dafür, dass du ein verfluchter Idiot bist!“

Ach so. „Spezifiziere doch bitte, welches Detail dich jetzt daran stört.“

„Oh, komm mir jetzt nicht mit deinem elenden Sarkasmus, Bruder!“ Alexia hielt ihm drohend den Zeigefinger vor die Nase, auch wenn sie sich dafür auf die Zehenspitzen stellen musste. „Ich habe mir Sorgen gemacht, du dummer Ochse! Wo bist du gewesen?“

„Dummer Ochse?“, wiederholte er irritiert.

„Ich habe noch mehr auf Lager, mach dir darüber keine Gedanken!“

Stephan schüttelte den Kopf. „Ich war unterwegs. Hab ein bisschen trainiert, mir die Stadt angesehen, schließlich wohne ich doch ab jetzt hier.“

„Du hättest dein Handy mitnehmen können!“

„Das habe ich vergessen! Du weißt ich habe es nicht mit diesem Technikkram. Wir kommen in Alicante doch auch wunderbar ohne diesen Schnickschnack zurecht.“

Sie knurrte ihn wütend an. Alexia hasste es einfach, wenn er auf alles immer eine Antwort parat hatte und sie ihn nicht einfach nur hemmungslos beschimpfen konnte, wie sie es gerne getan hätte. Immerhin hatte er es verdient!

„Ich saß bis zu Jocelyns Rückkehr bei Magnus Bane, ist dir das bewusst?“

„Magnus Bane?“, wiederholte er und unterdrückte ein Grinsen. „Du meinst beim Schillernden Hexenmeister von Brooklyn.“

„Obersten! Oooooobersten! Bitte sag das in seiner Gegenwart niemals falsch, bitte!“

„Man, dieser Aufenthalt muss ja richtig grausam gewesen sein.“

Lexi holte tief Luft. „Ich war kurz davor mich für die Farbe pink zu begeistern.“

Oh, dafür hätte sich Stephan eigentlich selbst ohrfeigen müssen. Nicht auszudenken, wenn das funktioniert hätte und sie am Ende herumgerannt wäre wie eine kleine Fee. Das hätte er sich niemals verzeihen können. Wobei…

„Wobei dir das weibliche Flair wahrscheinlich gar nicht so kontraproduktiv gewesen wäre. Manchmal weiß ich nicht, ob ich eine Schwester oder einen seltsamen kleinen Bruder habe.“

„Ich habe Brüste!“

„Sagte ich schon ‘seltsam‘?“

„Sehr witzig“ Sie verschränkte beleidigt die Arme und drehte sich beleidigt weg.

„Hey, Lexi.“

Na, also. Sie grinste kurz und drehte sich dann wieder mit ihrer vorwurfsvollen Miene um. Sollte er sich ruhig schuldig fühlen für das, was er ihr angetan hatte.

„Hat Lucian schon gesagt, wann ihr wieder nach Idris zurückkehrt?“

„Nein, aber er hat mir gesagt, was du getan hast.“

Sie stellte sich wieder vor ihren Bruder und sah ihn ernst an. Er hatte gar nicht vor, ihr jemals davon zu erzählen.

„Seit wann vertraust du mir nicht mehr, Stephan?“

Er packte sie am Arm und zog sie hinter sich her, bis sie endlich sein Zimmer erreichten. Dafür, dass er so oft darauf pochte, dass er ab sofort dort leben würde, schien er seiner neuen Umgebung nicht gerade zu vertrauen. Sie riss sich von ihm los und schüttelte vehement den Kopf.

„Hör auf damit, Stephan“ Sie schlug ihm gegen die Brust. „Ich weiß nicht was mit dir los ist und ich weiß auch nicht, wieso du es so eilig hast, mich loszuwerden, aber ich werde es herausfinden.“

„Du drohst mir?“

„Ich würde alles tun, um dich wieder zur Vernunft zu bringen!“

Stephan fuhr sich über die kurz geschorenen Haare. Er wusste weder was er sagen sollte, noch wie er sich verhalten konnte, das sah sie ganz genau. Er war ihr Bruder, sie wurde praktisch von ihm allein großgezogen, was hatte er denn erwartet, dass ihr das niemals auffallen würde? Das er ihr scheinbar nicht mehr vertrauen konnte, war schlimmer als ein Schlag ins Gesicht.

„Also gut“, sagte er nach einer Weile, „du willst wissen, wo ich mich letzte Nacht aufgehalten habe?

„Ich möchte wissen, was mit dir los ist.“

Er streckte ihr die Hand entgegen. „Dann musst du mir aber vertrauen.“

Nach den ganzen Sorgen, die sie sich wegen ihm machen musste, war das ein wenig viel verlangt, aber sie nickte dennoch. Er war noch immer ihr Bruder. Sie musste es sich immer und immer wieder vorsagen, bevor sie seine Hand nahm und mit ihm das Institut verließ. Einen kurzen Moment lang kam ihr der Gedanke, ob es denn wirklich so klug war einfach so mit ihm zu gehen, ohne niemandem bescheid zu geben. Sie war wirklich an diesem Punkt angelangt, an dem man sich alles über einen Menschen vorstellen konnte. Vielleicht brachte er sie in eine leere Lagerhalle und fesselte sie an heißen Heizungsrohren oder er gab sie an eine Straßengang unter seiner Leitung weiter, die sich um sie kümmern sollten. Vielleicht war er wirklich schon soweit, dass er Ryan und Chris gerufen hatten, damit sie Lexi wieder nach Idris mitnahmen und sie endlich Ruhe gab.

„Entspann dich, ich habe nicht vor dir die Lichter auszudrehen“, lächelte Stephan matt. „Auch, wenn du es manchmal verdient hättest.“

„Na, wenn dir das nicht einen Preis für den Bruder des Monats einbringt, dann weiß ich auch nicht“, erwiderte sie sarkastisch und rollte mit den Augen. „Wo fahren wir denn hin?“

Sie war es nicht gewohnt in einem normalen Auto neben Stephan zu sitzen. Vor allem nicht in tiefer Nacht und ohne Ziel. Wenn sie auf ein Dämonennest trafen konnte sie sich vielleicht noch mit ihrer Nagelfeile wehren, denn ihr Schwert und ihre Armbrust hatte sie blöderweise im Zimmer liegen lassen und Stephan sah auch nicht gerade aus, als hätten Pfeil und Bogen in seine Westentasche gepasst. Sie vermisste es so sehr mit ihrem Bruder zu jagen. Sie vermisste es allgemein einen Bruder zu haben.

„Wieso siehst du mich so wehmütig an?“ Stephan streichelte ihr liebevoll über die Wange.

„Ich vermisse meinen Bruder.“

Ihre ehrliche Antwort verpasste ihm sichtlich einen Stich. Er zog seine Hand zurück und mied ihren Blick. Lexi war sich sicher, dass er dennoch ihren Blick auf seinem Gesicht spürte.

„Wir sind da.“

Er parkte den Wagen in der Einfahrt eines schönen, kleinen Hauses am Strand und mit einem Mal schien seine Anspannung verflogen. Mit einem Nicken, bedeutete er ihr sich mit ihm der Tür zu nähern. Lexi war sich noch nicht ganz sicher, ob nicht doch noch eine ihrer Theorien greifen könnte. Vielleicht sperrte er sie in den extra dafür angelegten Keller? Immerhin würde sie dort wahrscheinlich niemand hören.

Stephan klopfte bereits an die Tür und eine junge Frau mit glatten, braunen Haaren öffnete ihm. Sie fiel ihm sofort mit einem Lächeln um den Hals und zog ihn an sich. Lexi blieb vor lauter Staunen der Mund offen und sie konnte sich nicht von diesem Anblick lösen. Scheinbar wollte er seiner Freundin noch sagen, dass seine Schwester dabei war, aber sie ließ sich nicht aufhalten und verwickelte ihn sofort in einen heißen und durchaus vielsagenden Kuss.

Er griff ihr sanft ins Haar und löste sich widerwillig aus der… Begrüßung. Ein wenig zögerlich winkte Stephan schließlich seine Schwester zu sich, damit sie die beiden bekannt machen konnte. Wobei das bei näherem Hinsehen gar nicht mehr nötig war. Lexi blinzelte ein paar Mal, unsicher, ob sie mit ihrer Vermutung richtig lag.

„Laurel?“, sie konnte es nicht glauben. „Laurel Highfield?“

„Die kleine Lexi Amnell“, lächelte sie und umarmte die noch immer verwunderte Lexi. „Es ist schön, dich auch wieder zu sehen.“

„Wir haben uns zufällig getroffen“, meinte Stephan und presste kurz die Lippen aufeinander, wie immer, wenn ihm etwas unangenehm war. „Deswegen hatte ich auch keine Eile zurück ins Institut zu gehen.“

Er hob die Schultern und wartete eigentlich darauf, dass endlich einmal eine Reaktion von seiner Schwester kam, doch Lexi schien wohl völlig ausgeknockt zu sein. Ihm war nicht bewusst, dass die Idee ihn mit einer Frau zu sehen, plötzlich seine Schwester außer Gefecht setzen konnte. Er hätte sie wohl doch öfter in der Nähe des weiblichen Geschlechts aufhalten sollen.



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