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You`re a honey

von

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Kein Weg zurück

Nach einem recht bedrückten Abschied – ich kann immer noch nicht erleichtert sein, weil Tysons Blick mir noch vor Augen steht – komme ich wieder nach Hause. Ich steige aus dem Bus und biege nach wenigen Schritten in meine Straße ein – und erstarre. Panik macht sich in mir breit, welche ich sofort wieder unterdrücke. Direkt vor der Haustür steht meine Mutter und blickt verwirrt und besorgt zu mir. Direkt neben ihr steht Tyson und sieht mich an, wie die meistgehasste Person auf Erden. Ich stoppe kurz, muss schlucken und gehe dann sehr viel langsamer weiter. „Hi, Mum“, flüstere ich und sehe keinen von Beiden an.

Völlig überraschend nimmt meine Mutter mich in den Arm und lacht. Mir klappt der Kiefer runter. „Oh, Schätzchen! Warum hast du mir denn nicht erzählt, dass du einen Weg gefunden hast, die Schulgebühren zu umgehen? Ich hab das erst von deinem Freund hier erfahren! Und den hast du mir auch verschwiegen, also wirklich. Dabei hättest du ihn mir doch schon längst vorstellen können.“

Sie plappert und plappert und ich verstehe nur die Hälfte von allem. Sowohl von der Akustik als auch vom Sinn her. Perplex hebe ich beide Hände in einer abwehrenden Geste und schnaufe kurz auf. „Warte mal, warte mal! Was hab ich dir denn verschwiegen? Und was heißt hier, ich hätte dir Tyson vorstellen sollen? Erinnerst du dich nicht mehr, wie ich dir früher immer von ihm und dem Team berichtet hab?“ Nichts macht für mich einen Sinn. Besonders nicht, dass Tyson sich mit dem süßesten Lächeln, dass ich je bei ihm gesehen habe, zu meiner Mutter umdreht und mich in Schutz nimmt: „Werfen Sie ihr nichts vor. Das mit uns ist noch relativ früh und ich hab mich vielleicht auch etwas missverständlich ausgedrückt. Es ist doch nur gut, wenn sie nicht sofort auf alles anspringt und erst einmal abwartet, ob ich es ernst meine?“ Mum sieht zu ihm und strahlt wie die Sonne. „Nein, also so etwas von verständnisvoll! Ein wirklich toller junger Mann bist du.“ Tyson wendet scheinbar verlegen den Blick ab. „Nicht doch, das mit den Schulgebühren ist doch das Mindeste, was ich tun kann. Sie haben es doch auch so schon schwer genug.“ Meine Mutter klatscht in die Hände. „Ja, ja, das stimmt schon. Ich kann meine Tochter also ganz beruhigt in deine Hände geben, nicht wahr?“ Tyson nickt und sieht zu mir. Seine Lippen verziehen sich zu einem sanften Lächeln, doch seine Augen sind eiskalt. `Sag was und du bist dran` scheinen sie zu sagen. Ich nicke ihm wortlos zu. Anscheinend war er bei mir zu Hause und hat meiner Mutter das Blaue vom Himmel erzählt. Sie denkt wohl, dass er aus reiner Selbstlosigkeit mein Schulgeld bezahlt. Jedenfalls lassen die Kommentare von eben darauf schließen. Soll ich ihr die Wahrheit sagen? Besser nicht, sie sieht so glücklich aus. Und ihre endlosen Diskussionen kann ich jetzt schon beinahe hören. Deshalb habe ich eben genickt. Jetzt noch mit Mum zu reden würde absolut nichts bringen.

Dann erstarre ich und ein Eisklumpen legt sich in meinen Magen. Tyson ist hier, weil er wusste, dass ich meine Mutter um Rat fragen wollte! Er hat nach meiner Ohrfeige ganz eiskalt kalkuliert und mir auch diesen Fluchtweg nehmen wollen! Oder kommt diese Idee von Kai? Oder sogar von Madleine selbst? Kann ich überhaupt noch einem von ihnen trauen? Das Eis in meinem Magen bewegt sich und drückt so sehr, dass mir leicht schlecht wird.

„Hillary, du bist ja plötzlich so blass. Ist etwas nicht in Ordnung?“ Warum hört Mum denn nicht, wie falsch und scheinheilig er klingt? Ich schlucke mühsam. „Alles okay. Ich bin nur müde und ein bisschen geschafft“, zwinge ich mich dann zu sagen. Ich kleistere mir ein zaghaftes Lächeln aufs Gesicht, als beide mich so mustern. Mum kauft es mir ab. „Dann leg dich ruhig hin, mein Schatz. Es ist ja auch so viel Neues, an das du dich jetzt gewöhnen musst, nicht wahr?“ Ich nicke müde und gehe in mein Zimmer. Wie ein Stein falle ich ins Bett und schlafe fast sofort ein, da ich letzte Nacht vor lauter Nervosität nicht viel Erholung gefunden habe.
 

Als ich erwache, fühle ich mich einerseits erholt, andererseits aber auch etwas steif. Mit einem genüsslichen Gähnen strecke ich mich und setze mich auf. Ich reibe mir noch den Schlaf aus den Augen, als ich seine Stimme höre: „Na endlich. Ich dachte schon, du schläfst bis morgen durch.“ Gerade so unterdrücke ich das überraschte Quieken, welches sich meine Kehle hinauf einen Weg bahnen will. „Was machst du hier?“ Seine braunen Augen sehen mich an, als wolle er in mir lesen. Dann wendet er sich ab und wirft mir in einer fließenden Bewegung meinen Schulblock aufs Bett. „Ich hab darauf gewartet, dass du wieder wach wirst. Deine Mutter hat mich noch reingebeten und mich zugeschwallt. Dann meinte sie, es wäre schon spät und ich könne doch hier übernachten. Das hab ich ihr nicht ausreden können, leider. Eigentlich habe ich dir noch etwas sagen wollen, aber jetzt hab ich`s vergessen. Langschläfer.“ Ich ziehe nur eine Augenbraue hoch. Er klingt fast schon wieder so, wie vor einem Jahr, als wir uns noch den ganzen Tag gezofft haben. Vielleicht falle ich deswegen in das alte Muster zurück. „Ich hätte dich bestimmt nicht gebeten, hierzubleiben. Und was kann ich dafür, wenn du so vergesslich bist?“ Grinsend warte ich auf seine Antwort, doch er bleibt stumm und sieht zum Fenster raus. Was ist denn jetzt schon wieder? Die Sekunden verstreichen und er räuspert sich schließlich leise. „Während ich darauf gewartet habe, dass du aufwachst, wurde mir langweilig. Da hab ich die Hausaufgaben schon mal gemacht. Denk dran, die morgen mitzunehmen.“ Nun ist mein Gesicht ein einziges Fragezeichen. Tyson und Hausaufgaben? Ist das achte Weltwunder geschehen? Ich muss lachen, weil es in meinen Ohren so absurd klingt. Er sieht mich endlich wieder an. Täusche ich mich, oder blicken seine Augen gerade…erleichtert? Ist er froh, mich lachen zu sehen? Nein, bestimmt bilde ich es mir ein. Wunschdenken. Ja, so muss es sein. Sein Gesichtsausdruck verändert sich und er legt wieder eine undurchdringliche Maske auf. „Wie auch immer“, murmelt er schroff, „Entscheide du, was du morgen deiner Mutter sagst. Ich bin jedenfalls erst mal weg.“ Er erhebt sich und verschwindet aus meinem Zimmer. Ich höre die Stufen der Treppe knarren und dann leise die Haustür, die sich schließt. Ich kann nicht anders. Ich schlüpfe aus dem Bett und stelle mich ans Fenster. Zum Glück haben wir hier keine Mauer, sodass ich die Straße recht weit einsehen kann. Ich erkenne Tyson, wie er durch unseren Vorgarten geht.

Eine Bewegung in meinem Augenwinkel fällt mir auf. Als ich nach links blicke, sehe ich Kai, der sich gerade außerhalb des Scheins einer Laterne an der Mauer der Nachbarn herumdrückt. Unsere Blicke begegnen sich und er versteinert regelrecht. Ich zucke zusammen und ziehe den Morgenmantel, den ich mir vorhin rasch umgeworfen habe, etwas enger. Dann wandert Kais Blick geradeaus und ein schneller Seitenblick sagt mir, dass er Tyson entdeckt hat. Der denkt jedoch immer noch, er wäre unbeobachtet.

Halt, nein. Jetzt sieht er unauffällig über die Schulter und grinst. Hat er Kai entdeckt? Er geht drei Schritte, während Kai sich weiter versteckt. Dann bleibt Tyson stehen und sieht zu mir hoch. Es scheint ihn außerordentlich zu freuen, dass ich hier am Fenster stehe. Er zwinkert mir grinsend zu und wirft mir einen Handkuss hinauf. Ich werde augenblicklich rot, frage mich aber auch, was das werden soll.

Aus einem Impuls heraus sehe ich zu Kai. Huch! Er zittert am ganzen Körper und seine Augen, in welchen sich das Licht der Laterne wiederspiegelt, scheinen vor Zorn zu brennen. Er öffnet den Mund, besinnt sich dann aber wohl eines Besseren und schließt ihn wieder. Als er den Kopf abwendet und sich sein Blick zu Boden richtet, erweckt er einen gekränkten, verletzten Eindruck. Ungefähr eine Sekunde tut er mir leid. Aber ich erinnere mich immer noch zu lebhaft an seine Mobbingattake von heute Vormittag. Ich will nicht, dass er mir leidtut. Ich könnte ihm zu schnell verzeihen. Trotzdem ziehe ich scharf die Luft ein, als Tyson zielstrebig auf Kai zugeht und neben ihm stehen bleibt. Wortlos mustern sich die zwei Jungs und das mit ausdruckslosen Mienen. Kai wendet zuerst den Blick ab und sieht zu meinem Fenster. Er schließt nach einigen Sekunden gequält die Augen, dreht sich um und geht. Tyson sieht ihm traurig nach.



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