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Haunted

von

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Der Kredit

Ich lehnte mich in dem Sessel, den man mir angeboten hatte, bequem zurück. Hier sollte ich warten, ob mein Kredit von der Bank genehmigt würde. Natürlich würde er das. Mich hier warten zu lassen, war reine Schikane.
 

Rückblick
 

Mein Name ist Sasuke Uchiha, zwanzig Jahre alt und frisch verheiratet. Ich bin der jüngste Sohn einer reichen Familie. Mein Vater hatte unser Geschäft mit seinen eigenen Händen aufgebaut. Und da mein älterer Bruder eines Tages plötzlich verunglückt war, war ich als alleiniger Erbe der Spielzeugfabrik meines Vaters im Testament eingesetzt worden. Damals, vor drei Jahren, eben zu dem Zeitpunkt als mein Bruder starb, war meine Welt zusammen gebrochen. Ich fühlte mich, als wäre ich nicht mehr vollständig, als hätte er einen Teil von mir, von meinem Herz, mitgenommen.

Ich war auch nicht mehr zur Schule gegangen, hatte einfach kein Interesse mehr. Auch die ganzen Psychologen, zu denen ich gebracht wurde, konnten nichts mit mir anfangen. Sie verschrieben mir Tabletten, die einen Zombie aus mir machten.

Und dann, zwei Jahre später, stellten mir meine Eltern Karin vor. Die Tochter eines reichen Geschäftsmannes.

Bei Frauen hatte ich schon immer einen guten Stand gehabt. Zum einen lag das an meinem Aussehen, zum anderen an meinem Desinteresse, das man mir als besondere Männlichkeit und Coolness auslegte.

Als man mir Karin vorstellte und uns beide unter einem Vorwand allein ließ, wusste ich selbstverständlich sofort, was die Uhr geschlagen hatte. Ich dachte natürlich überhaupt nicht daran, mich mit dieser Frau abzugeben. Zuerst ignorierte ich sie, aber das hatte noch nie funktioniert und ich überlegte schon, wie ich sie am Besten loswerden könne.

Aber Karin war anders. Karin war lesbisch. Während ich sie so abwertend wie möglich ansah, um ihr zu zeigen, was ich eigentlich von ihr hielt, lächelte sie.

Ganz offen erzählte sie mir von ihrer sexuellen Neigung. Und dann rückte sie mit ihrem Vorschlag heraus. "Wenn wir dem Willen unserer Eltern nachgeben, hat jeder etwas davon. Sie lassen uns in Ruhe und sind glücklich."

"Sie lassen uns in Ruhe," wiederholte ich nachdenklich.

Ein Jahr lang spielten wir ein Paar und verlobten uns.

Nach und nach lernten wir uns besser kennen. Zwar mochte ich sie nicht wirklich, aber es war wie sie gesagt hatte. Man ließ uns in Ruhe. Und ich hatte mein Zimmer zuhause. Einmal in der Woche erfüllten wir unsere soziale Pflicht und gingen miteinander aus, was zwar merkwürdig und lästig war, aber leider nicht zu ändern. Es war der beste Kompromiss.

Dann wurden unsere Eltern misstrauisch. Keine Heirat? Aber vor allem - Kein Enkel? Karin hatte auch hierfür eine Lösung.

Also teilten wir unseren Eltern mit, das wir heiraten wollten. Beide Elternpaare waren besorgt, wegen der immer noch fehlenden Enkelkinder, wir sollten uns zuvor untersuchen lassen, aber wir konnten ihre Bedenken letztendlich zerstreuen.

Wir heirateten. Unsere Flitterwochen gingen in die Schweiz. Es half eben nichts. Karin beobachtete ihren Zyklus und teilte mir dann mit, sie sei nun empfangsbereit. Aber auf keinem Fall wollte sie mit einem Mann sexuellen Verkehr haben. Ich gab ihr mein Sperma und überließ ihr den Rest. Kurz darauf war sie schwanger.

Wir dankten Gott oder wem auch immer, dass es sofort geklappt hatte. Nun bestand kein Grund mehr, diese Farce noch länger aufrecht zu erhalten. Ich rief zuhause an und erzählte meinen Eltern, das sie nun Großeltern würden. Es dauerte etwa eine Viertelstunde, bis sie sich beruhigt hatten. Ihre Freude war größer, als ich geahnt hatte und zum ersten Mal war ich froh Karin kennen gelernt und geheiratet zu haben. Nicht nur aus eigennützigen Gründen. Als ich endlich weiterreden konnte, sagte ich ihnen, Karin ginge es nicht gut, das Übliche eben, darum kämen wir schon früher nach Hause und würden die Flitterwochen ein andermal fortführen.
 

Wir packten unsere Sachen und ich setzte Karin in ein Taxi zum Flughafen. Sobald ich die Formalitäten an der Hotelbar erledigt hatte, wollte ich nachkommen.

Wie üblich in diesen südlichen Ländern ließ man sich für alles viel Zeit. Diese Leute redeten sogar so langsam, das man glauben konnte, sie würden im Schlaf reden.

Aber nach einer Dreiviertelstunde war ich endlich fertig. Ich drehte mich um und wollte mit meinem Handgepäck gerade die Hotelhalle durchqueren, als ich ihn sah. Meine erste und einzige große Liebe.
 

"Naruto," flüsterte ich leise. Dann lauter, damit er mich hörte: "Naruto."

Das Penthouse

Ich wollte für Naruto und mich eine Penthousewohnung ganz in der Nähe von München kaufen. Es war alles sehr modern gebaut und sie lag am Rande der Stadt. Schon bevor ich sie Naruto zeigte, hatte ich mir die verschiedensten Wohnungen angesehen, aber diese hier war einfach perfekt. Von der großen Dachterrasse hatte man einen unglaublichen Ausblick, es gab ausser einer Ecke zum Grillen sogar einen Schwimmingpool. Die Wohnung selbst hatte ein Schlafzimmer, eine kleine Küche, das Badezimmer war vom WC getrennt mit einer Badewanne, die man auch als Whirlpool benutzen konnte und das WC hatte eine dieser selbstreinigenden Toiletten, wie es sie in Japan gab.

Natürlich war auch ein Wohnzimmer vorhanden und ein Gästezimmer, welches man gut in ein Büro oder Studio für Naruto umbauen konnte. Ich war mir einfach sicher, das sie ihm gefiel.

Unter einem Vorwand traf ich mich mit ihm und zusammen nahmen wir das Penthouse unter die Lupe. Klar, Naruto hatte noch keine Ahnung, dass sie für uns und nicht für einen Freund von mir gedacht war.

Während der ganzen Zeit beobachtete ich ihn. Als er fröhlich und manchmal sogar einen kleinen Schrei ausstoßend von einem Zimmer zum nächsten rannte, fühlte ich mich schon auf der Siegesstraße.

Nach der Besichtigung setzten wir uns in ein Cafe.

Und wegen dem schönen Wetter setzten wir uns nach draußen. Jetzt hätte ich eigentlich nervös werden sollen, aber Narutos Lächeln und sein unglaublich liebevoller Blick entspannte mich völlig.

Der Kellner kam und stellte sich neben mich. "Was darf ich Ihnen bringen?"

"Zwei Kaffee, bitte," antwortete ich und konnte immer noch nicht meinen Blick von Naruto abwenden.

Anstatt zu gehen meinte der Kellner zu mir: "Wir haben auch Kännchen."

Verärgert sah ich ihn an. "Ich will kein Kännchen. Bringen Sie uns einfach zwei Tassen Kaffee."

"Äh, ja. Verzeihung," entschuldigte er sich. Der junge Mann drehte sich um und ging in den Laden zurück.

Ich konnte nur den Kopf schütteln.

"Hast du sowas schon mal erlebt?" wandte ich mich an Naruto.

Aber er lächelte nur schweigend und wandte sich nach links, wo man über den Pflastersteinen einen kleinen Garten aufgebaut hatte.
 

Rückblick Zwei
 

"Naruto," rief ich so laut durch die komplette Halle, dass sich alle nach mir umdrehten.

Naruto sah mich überrascht an. Dann drehte er sich nach links und rechts, als müsse er sich vergewissern, ob auch wirklich er gemeint sei. Was sollte der Quatsch? Ich rannte auf ihn zu.

"Naruto, was machst du denn hier?" keuchte ich.

Das war vielleicht nicht die beste und normalste Begrüßung, wenn man seine große Liebe nach drei Jahren endlich wieder sah.

"Ich? Also ich – ähm – gar nichts, eigentlich. Und du, Sasuke? Bist du geschäftlich hier?", er warf einen Blick auf mein Handgepäck, das mehr Ähnlichkeit mit einem Aktenkoffer hatte. Naruto schien ziemlich verwirrt zu sein mich hier zu treffen, was ja auch kein Wunder war. Mir ging es genauso.

"Oh, also...," ich überlegte, was ich ihm sagen sollte. Etwa, nein, ich bin in den Flitterwochen? Ganz bestimmt nicht.

Es war meine Schuld gewesen, dass wir uns damals trennten, wenn auch nicht offiziell trennten. Nach dem Tod meines Bruders war ich nicht in der Lage gewesen, irgend jemanden in meine Nähe zu lassen.

Ich wusste, Naruto war in dieser Zeit sehr verzweifelt gewesen. Und auch sehr besorgt um mich. Jeden Tag war er vorbei gekommen, aber ich hatte mich in meinem Zimmer verkrochen. Und Naruto hatte im Wohnzimmer mit meiner Mutter gesessen. Immer in der Hoffnung, ich würde mich doch noch blicken lassen. Manchmal sogar bis spät in die Nacht hinein. Ich wusste nicht, ob sie zusammen überlegten, was man tun könne für mich oder ob es eher so war, das er sie getröstet hatte. Aber ich vermutete das Letztere.

Meine Mutter hatte keine Ahnung von unserer jungen Liebe gehabt. Also wusste sie auch nicht, was in ihm vorgegangen war. Für sie war er nur ein guter Freund von mir.

Ich sah zu Boden. Ja, am Anfang hatte sie bestimmt mehr mit sich selbst zu tun gehabt, mit ihrer eigenen Trauer. Auch wenn ich ihr natürlich keine Hilfe gewesen war musste sie wohl erst mal wieder zu sich selber finden. Mit seiner Hilfe? Ich sah auf.

"Naruto, hör mal, wegen damals – also, ich kann dir überhaupt nicht sagen, wie leid mir das alles tut." Das meinte ich durchaus ehrlich.

"Ach, schon gut. Ich habe das ja verstanden, Sasuke. Na ja. So ungefähr jedenfalls," grinste er mich an.

O ja. Das war genau das alte Grinsen, das ich nur zu gut kannte. Erst jetzt sah ich ihn mir genauer an.

Das blonde widerspenstige Haar, die ehrlichen blauen Augen und wie schon damals trug er lockere Kleidung, so dass man seine gute Figur gar nicht wirklich erkennen konnte. Er hatte sich überhaupt nicht verändert.

Naruto hatte mich anscheinend auch gemustert. "Sasuke."

"Hm?" ich schreckte auf.

"Dieser Anzug steht dir überhaupt nicht."

"Was?" Ich blickte an mir runter. Der saß doch tadellos. Gut, das ich nicht in Freizeitkleidung herum lief, wie Naruto. Das hätte leicht passieren können angesichts der Tatsache, das ich mich noch in den Flitterwochen befand. "Das ist nun mal die übliche Uniform für einen Geschäftsmann."

"Also – geht es dir gut?" fragte Naruto zögernd.

Ich nickte. Jetzt gerade ging es mir sogar sehr gut, am liebsten hätte ich ihn umarmt und an mich gedrückt.

"Hast du Zeit?"

"Ähm, ja das schon, wieso..."

"Dann lass uns doch ins Hotelrestaurant gehen. Über alte Zeiten reden." Ich hatte Angst, dass ich ihn, wenn ich jetzt gehen würde, nicht mehr wiedersehen würde.

Naruto kratzte sich zweifelnd am Kopf. "Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist."

"Komm schon, du bist doch sonst so spontan. Oder hat sich das geändert? Ich lade dich auch ein," zwinkerte ich ihm zu. "Ich lasse ein Nein nicht gelten."

Ohne Naruto weiter zu Wort kommen zu lassen, packte ich ihn einfach am Handgelenk und zog ihn in Richtung Restaurant.

Karin würde das verstehen, dachte ich, und nebenbei – es ging sie ja auch nichts an. Bescheid sagen musste ich wohl trotzdem.

"Oh, ich hab noch was vergessen," sagte ich, während ich Naruto zur Tür schob. "Such du uns doch schon mal Plätze, ich schreib nur noch kurz eine SMS."

Ein extrem misstrauischer Blick aus blauen Augen, den ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte und er jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.

Es konnte nicht sein das Naruto wusste, das ich hier mit meiner sogenannten Ehefrau abgestiegen war, oder? Nein, ausgeschlossen.

"Weißt du was? Das hat noch Zeit bis nachher, lass uns reingehen," ich öffnete für Naruto die Tür.

Dann musste ich eben warten, bis sich eine andere Gelegenheit bot.

Der Vertrag

Das war neu. Früher hätte er nie so ruhig und versonnen die Blumen betrachtet. Es kam mir vor, als wäre er in einer, in seiner eigenen Welt. Eine Welt, die ich nicht kannte und zu der ich auch keinen Zugang hatte. Aber früher hätte er die Blumen wahrscheinlich nicht einmal bemerkt, dachte ich, während ich sein Profil studierte.

Es war sogar die erste Veränderung, die mir überhaupt so deutlich an ihm aufgefallen war. Aber es war ja nicht so, dass ich sie nicht mochte. Im Gegenteil. Auch jetzt, nachdem ich realisiert hatte, das ich in solchen Momenten aus unerklärlichen Gründen irgendwie vergessen oder ausgeschlossen worden war, störte ich mich nicht daran. Schließlich veränderte sich jeder im Laufe der Zeit. Das war nur natürlich. Es brachte nichts, Naruto jetzt anzusprechen. Er würde mich gar nicht hören. Stattdessen genoss ich seinen Anblick und wartete.

"Hier bitteschön," wurde ich von dem Kellner angesprochen.

Ich war etwas überrascht worden und hob meine Ellbogen vom Tisch um Platz zu machen für den Kaffee.

Der Tollpatsch stellte beide Tassen vor mir ab.

Nur nicht aufregen.

"Vielen Dank," presste ich zwischen den Zähnen hervor, während ich Naruto seine Tasse hin schob, "und die Rechnung bitte."

Trinkgeld würde dieser Kerl sicher nicht von mir bekommen. Er sah verwirrt in Narutos Richtung, dann wieder zu mir, meinte kurz: "Natürlich" und verschwand.

Naruto wandte sich mir endlich wieder zu.

"Ich hätte gute Lust mich an den Chef von diesem unhöflichen Kerl zu wenden."

"Schon gut," winkte mein blonder Engel ab.

Das war auch so was. Ich musste lächeln.

"Was ist?"

"Na ja, früher wärst du derjenige gewesen, der empört aufgesprungen wäre und nicht ich."

"Du bist aufgesprungen?"

"Du weißt, was ich meine," ich öffnete ein kleines Plastiktöpfchen mit Milch und kippte sie in meinen Kaffee.

"Ja, ich weiß. Aber – das ist mir nicht mehr wichtig, weißt du."

Ich nickte. Naruto hatte vollkommen recht.

"Der Tag ist viel zu schön, um sich über so jemanden zu ärgern. Es gibt Wichtigeres zu bereden." Ich sah ihm direkt in die blauen Augen. "Viel Wichtigeres."

"Tatsächlich? Hat es vielleicht etwas mit dieser Wohnung zu tun, in der wir waren? Die für deinen Freund?" fragte er neugierig.

"Ja, ganz genau. Also? Was sagst du dazu?"

"Sie ist perfekt."

War das alles?

"Sei genauer," forderte ich ihn auf.

"Genauer, hm? Also ich würde sofort dort einziehen und ..."

Erfreut richtete ich mich auf. "Sie gefällt dir!" stellte ich glücklich fest.

"Ja. Und – natürlich weiß ich nicht, was für einen Geschmack dein Freund hat, aber..."

"Deinen," unterbrach ich ihn.

"Wie?"

"Er hat deinen Geschmack. Die Wohnung ist für uns beide."

Naruto schwieg. Eine gewisse Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich hatte erwartet, er würde sich mir überschwänglich an den Hals werfen.

Nein, er war einfach zu überrascht. Das war es. Genau. Deswegen war er auch sprachlos.

"Also, möchtest du, natürlich nur wenn du es wirklich willst, mit mir zusammen ziehen?" fragte ich nervös. Ich musste mir sogar den Schweiß von der Stirn wischen, verdammt. Plötzlich hatte ich Angst. Angst er würde nein sagen. Was war aus meiner großen Überraschung geworden? Warum sagst du nichts, wieso überlegst du überhaupt noch?

Naruto tunkte gerade einen Finger in seinen Kaffee, sah mich dann an und sagte: "Aber klar doch."
 

"Herr Uchiha?" wurde ich angesprochen.

"Na endlich. Also? Was ist nun? Was hat der Direktor gesagt?"

"Bitte folgen sie mir."

Ich stand auf und folgte dem Angestellten ins Büro des Bankdirektors. Diese Formalitäten waren extrem unnötig und nervtötend, aber wohl nicht zu ändern.

Es dauerte eine ganze Stunde, in der Höflichkeiten und Floskeln ausgetauscht wurden, bis ich endlich meinen Kreditvertrag unterschreiben konnte. Jetzt wollte ich so wenig Zeit wie möglich verlieren.

"Wann ist das Geld auf meinem Konto?"

Der Direktor sah wichtigtuerisch auf den Kalender. "Nun, zum Glück ist es ja Montag und es gibt zum Glück auch keinen Feiertag in dieser Woche..."

Ich nickte ihm ein "jaja" zu.

"...also müsste es am Mittwoch oder Donnerstag auf Ihrem Konto sein."

Damit hatte ich gerechnet.

"Sehr gut." Ich stand auf und streckte ihm zum Zeichen, dass das Gespräch und Geschäft beendet sei die Hand entgegen.

Er stand ebenfalls auf, ergriff meine Hand, schüttelte sie und meinte: "Es ist immer wieder eine Freude mit ihnen Geschäfte zu machen, Herr Uchiha. Ihre Frau wird begeistert sein."

Es war mein erster Kredit. Aber egal.

"Ja, das wird sie. Mir war es auch ein Vergnügen."
 

Vor der Bank holte ich tief Luft. Den Vertrag hatte ich zusammen gerollt. Blieb nur zu hoffen, das mir keiner die Wohnung vor der Nase wegschnappte. In diesem Fall hätte ich vor Naruto ziemlich dumm da gestanden. Aber die Maklerin hatte mir versichert, dass sie die Wohnung nur für mich reserviert hielt und da sie eine Frau war, konnte ich mich wahrscheinlich darauf verlassen. Manchmal war es schon von Vorteil ein Frauenschwarm zu sein.
 

Rückblick 3
 

Naruto ging zwei Schritte und blieb dann abrupt stehen um sich verunsichert im Restaurant um zusehen.

Schämte er sich etwa wegen seiner Freizeitkleidung? Das sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich. Ich stellte mich neben ihn und zeigte auf einen Tisch in der hintersten Ecke, direkt am Fenster.

"Wenn du willst, können wir uns dorthin setzen."

Er nickte und setzte sich endlich zögernd in Bewegung.

Ich folgte ihm, immer noch völlig von den Socken.

"Naruto, du hast dich überhaupt nicht verändert."

Er blieb stehen und sah mich mit einem zornigen Blick aus blauen Augen an, die mich eindeutig der Lüge bezichtigten. Natürlich hatte er sich verändert. Vor allem nach dem, was ich ihm angetan hatte.

"Ich meine äußerlich."

"Na ja...," äußerte er sich vage und setzte sich diesmal ohne jedes Zögern in Bewegung, direkt auf den hinteren Tisch zu.

Sein vorwurfsvoller Blick hatte mich wieder etwas auf den Boden zurück geholt. Ich musste Karin Bescheid sagen. Nicht, das die mich am Ende noch anrief.

Nachdem wir uns gesetzt hatten, sah mich Naruto neugierig an.

"Es überrascht mich schon."

"Was denn?"

Naruto deutete auf meinen Ehering. "Das da."

Kein Anderer

"Das da," quetschte ich mit Mühe hervor.

Das ich überhaupt in der Lage war, etwas zu sagen...

Ich erkannte meine eigene Stimme nicht mehr. Ich wusste nicht mal, ob ich weiß oder rot wurde, ich fühlte nur diesen irrsinnigen Schrecken tief in mir. Eine gewaltige Angst, die mir sogar den Eindruck vermittelte, mein Herz wäre stehengeblieben. Die Wolken hatten aufgehört, am Himmel weiterzuziehen, die Welt drehte sich nicht mehr, die Leute hatten aufgehört zu reden, die Bäume raschelten nicht mehr mit ihren Blättern, jedes Tier im Wald hielt den Atem an, die Wellen blieben stehen, einfach alles schien erstarrt zu sein und zu lauschen, in diesem einem winzigen Augenblick.

"Das, also das ist...es ist nicht so wie es aussieht." Ging es noch dämlicher?

"Nun ja, es sieht aus, als hättest du geheiratet, Sasuke. Ist es nicht so?"

"Ähm, doch schon," ich versuchte ihm in die Augen zu sehen, aber es ging nicht.

Ehrlich, sei ehrlich.

Ich beugte mich nach vorne und suchte seinen Blick. Als ich ihn fand, sah ich nur Neugier. "Ich – habe eine Lesbierin geheiratet. Weil – also..."

Naruto wandte den Blick ab und sah aus dem Fenster.

Ich hatte etwas Falsches gesagt. Das wusste ich. Er war enttäuscht von mir. Wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich aus Liebe geheiratet hätte?

"Sasuke, ich war nie so blöd, wie du immer dachtest."

"Wie?"

"Gut, ich konnte mich nicht besonders lang konzentrieren und ich hatte keine Lust im Zimmer zu sitzen und Bücher zu wälzen, ich habe eben lieber – vom Leben – gelernt. Deswegen ..."

Naruto stockte plötzlich und ich hatte keine Idee, was er mir überhaupt sagen wollte.

"Mir ist klar, das du sie nicht aus Liebe geheiratet hast. Ich dachte, du wärst ehrlich und hättest einen Mann geheiratet," sagte Naruto mit einem bitteren Lachen.

Ich sah auf meine Hände, die auf dem Tisch lagen. Was wusste der schon? Ehrlich.

"Welchen Mann?" fragte ich tonlos.

Naruto sah mich an. "Den, den du liebst."

"Es gibt keinen."

Seine Überraschung war nicht zu übersehen. "Es gibt keinen?"

"Nein. Außer dir gab es nie einen. Außer dir gab es überhaupt keinen Menschen."

Schweigen. Aber die Vögel fingen wieder an zu zwitschern und die Leute um uns herum redeten.

"Das – tut mir leid." Seine Stimme klang versöhnlicher. Fast schon ein wenig traurig. "Bist du wenigstens zufrieden?"

Jetzt hätte fast ich gelacht.

"Naruto, wo bist du gewesen?"

"Was meinst du?"

"Damals. Als Itachi starb?"

"Ich war da, Sasuke. Aber du nicht."

"Hättest du nicht ein kleines bisschen länger warten können?"

"Hätte ich es gekonnt, dann hätte ich es getan."

Ich wusste selbst nicht, was genau ich erwartet hatte, aber ich wollte -

"Naruto, lass uns da weiter machen, wo wir aufgehört haben. Ich meine, es ist wie ich sagte. Es gab nie jemanden anderen. Das wir uns hier und jetzt begegnet sind, ist garantiert kein Zufall. Als ich dich gesehen habe, war alles wieder da und ich habe gemerkt, es war auch nie weg gewesen. Lass uns – du darfst nicht wieder aus meinem Leben verschwinden. Wenn du willst, lasse ich mich sofort scheiden. Wenn du willst heirate ich dich. Nur – lass uns – lass es uns tun."
 

Der Mann an der Rezeption warf mir einen seltsamen Blick zu, als ich ein Doppelzimmer auf unbestimmte Zeit buchte. Kein Wunder, hatte ich mich kurz vorher doch abgemeldet. Aber das interessierte mich nicht. Naruto anscheinend auch nicht. Er stand dicht neben mir und betrachtete desinteressiert die wenigen Gegenstände auf der Theke.

"Kommt ihre Frau denn zurück?" fragte er überrascht.

Ich warf einen Blick auf sein Namensschild. "Nein, Herr Aburame. Tut sie nicht," und sah betont auffällig zu Naruto.

Irritiert folgte er meinem Blick und sah mich dann wieder an.

Anscheinend kämpfte er mit sich selbst. Mit irgendwelchen Fragen und seinem angelernten Desinteresse.

Letzteres gewann schließlich. Er wandte sich dem PC zu und drückte auf ein paar Tasten.

Dann sah er mich an. "Wir haben für zwei Tage ein Doppelzimmer im Nebenbau frei. Aber ich kann ihnen auch für eine Woche ein Einzelzimmer direkt hier im zweiten Stock anbieten. Es liegt neben dem Aufzug und ist..."

"Schon gut. Der Nebenbau ist vollkommen in Ordnung."

"Nun gut. Was ist mit ihrem Gepäck? Wird es zurück gesandt?"

Ich hob mein Handgepäck. "Falls ich mehr brauche, kann ich es mir hier kaufen." Dann sah ich zu Naruto.

Der zuckte nur mit den Schultern. "Ich hab kein Gepäck."

"Also kein Gepäck," ließ ich Herrn Aburame wissen.

Er nickte nur, druckte das Formular aus und ich musste nochmal meinen Ausweis vorlegen. Ich dachte, er wolle auch Narutos Ausweis sehen und streckte ihm schon die Hand entgegen, als Herr Aburame mir zeigte, wo ich unterschreiben solle.

Nachdem ich unterschrieben hatte wurde mir der Schlüssel ausgehändigt.

"Nur einer?" fragte ich nach.

"Der Ersatzschlüssel bleibt selbstverständlich bei uns."

Seltsamerweise wurde ich nicht mal wütend.

Zusammen mit Naruto ging ich zum Nebengebäude. "Komischer Typ. Sag mal, bist du hier bekannt, oder so?"

"Oder so."

"Hast du plötzlich Geheimnisse? Wenn du hier mal gearbeitet hast, oder es immer noch tust, kannst du mir das ruhig sagen."

"Hab ich nicht."

Das LaPaix

Prüfend sah ich mich in dem Doppelzimmer um, das uns Herr Aburame zugewiesen hatte. Mir gegenüber, also gegenüber der Tür, befand sich ein ziemlich großes Fenster, das jede Menge Sonnenlicht herein ließ. Links an der Wand stand ein weißes Doppelbett und rechts ein weißer Schrank. Den musste ich nur ansehen um zu wissen, das in seinem Inneren ein paar Kleiderbügel hingen und vielleicht noch zwei Regale waren. Auch die Wände waren weiß gestrichen. Keinen einzigen Farbtupfer gab es in diesem Zimmer. Nur ein einziges Kruzifix hing an der Wand neben dem Fenster und das hatte Narutos vollste Aufmerksamkeit. Oh Mann. Wenn ich an die Hochheitssuite dachte, die ich zusammen mit Karin gehabt hatte und die mir einfach vollkommen egal gewesen war, dann war das hier eine Art bessere Abstellkammer. Wie ironisch das Leben doch manchmal sein konnte.

Nicht mal einen Fernseher, geschweige denn eine Zimmerbar gab es. Auf einem der Nachttische konnte ich ein altmodisches Telefon entdecken.

Ich deutete darauf. "Immerhin können wir uns was bestellen."

"Mh," stimmte Naruto zu.

Ihn störte diese Bescheidenheit anscheinend nicht.

"Tut mir leid."

"Was?" Er wandte mir den Kopf zu.

"Hätte ich das gewusst, also wenn ich gewusst hätte, dass du hier bist, dann..."

"Schon gut." Er wandte sich wieder ab. "Für unsere Zwecke reicht es, oder nicht?"

War er schon immer so gerade heraus gewesen? Mir verschlug es die Sprache und ich spürte wie mir die Hitze in den Kopf stieg. Verlegen sah ich mich nach einem Spiegel um. Vielleicht im Bad? Wenigstens gab es ein vom Zimmer getrenntes Bad.

"Ich geh mich duschen," ließ ich Naruto wissen. "Willst du mitkommen?"

Wenn ich ohnehin kontrollieren wollte, ob mein Gesicht so rot war, wie es sich anfühlte, konnte ich auch gleich duschen. Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, das Naruto mit mir zusammen duschen würde. Die Frage war mehr rhetorisch gewesen. Insofern wunderte es mich nicht, das ich keine Antwort erhielt. Aber Naruto stand immer noch so da wie zuvor und sah das Kreuz an. Er sah sich überhaupt nicht um. Das war schon irgendwie irritierend.

"Wenn du willst können wir es ja abdecken." Ich warf einen Blick auf das Jesuskreuz und versuchte heraus zu finden, was Naruto daran so faszinieren könnte.

"Warum?" fragte er überrascht.

"Dann fühlt man sich nicht so beobachtet."

War es nicht das, was ihn beunruhigte?

Naruto schloss die Augen und lächelte geheimnisvoll, als wisse er etwas, wovon ich keine Ahnung hatte. "Nicht nötig."

Damit schickte er mich vollkommen in die Verwirrung. Ganz plötzlich fühlte ich mich nicht mehr wohl und auch nicht mehr aufgeregt. Einfach nur verwirrt. Höchste Zeit für eine kalte Dusche.

Wortlos betrat ich das Badezimmer.
 

Mit dem Vertrag in der Tasche machte ich mich auf den Weg zur Maklerin. Auch wenn ich ihr so weit vertraute, das ich davon überzeugt war, sie würde ihr Wort halten, wollte ich kein unnötiges Risiko eingehen. Naruto hatte schon im Vorfeld gesagt, er wolle nicht mitkommen. Was er wohl gerade tat? Ich hatte mir eine zweite Kreditkarte ausstellen lassen und sie ihm gegeben. Zwar war er der Meinung, wir sollten uns zusammen die noch notwendigen Anschaffungen aussuchen, aber sein Atelier sollte er alleine einrichten. Es sollte allein für ihn sein. Ein Ort, an dem er sich zurück ziehen konnte. Sich seiner Malkunst ungestört hingeben konnte. Dafür wollte ich auch einen kleinen Brunnen oder Wasserfall einbauen lassen und viele Pflanzen. Naturkram eben. Er liebte sowas, es half ihm neue Ideen zu bekommen. Zur Inspiration. Früher war ihm das jedenfalls wichtig gewesen. Früher – ging er unzählige Stunden in Grünanlagen, Tierparks und sogar Museen. Jeder, der ihn nicht wirklich kannte, hätte diese Seite an ihm niemals vermutet. Nicht mal ich hatte ihn begleiten dürfen und damals war ich jedes Mal beleidigt gewesen, hatte ihm Vorwürfe gemacht und einen Streit vom Zaun gebrochen. Wie blöd von mir.

Aber – ich würde es doppelt und dreifach wieder gut machen. Naruto – die Erkenntnis versetzte mir einen kleinen Stich ins Herz – vertraute mir immer noch nicht völlig. Aber übel nehmen konnte ich ihm das wirklich nicht. Nicht nachdem, was gewesen war.

Umso mehr wollte ich sein Vertrauen wieder gewinnen.

Endlich fand ich einen Parkplatz. Von hier aus musste ich noch gut eine halbe Stunde laufen. Bevor ich Naruto wieder getroffen hatte, hätte ich hier niemals geparkt. Ich hätte die Maklerin angerufen und ihr gesagt, sie solle gefälligst zur Wohnung kommen. Schließlich bezahle ich, also wo kommen wir denn da hin, wenn ich mir irgendwelche Umstände machen muss, um sie in ihrem Büro aufzusuchen? Aber jetzt sah ich die Sache etwas anders.

Warum soll sie die ganzen Papiere schleppen, so ein Stress, wenn wir sie genauso gut besuchen können? Eine halbe Stunde laufen? Cool, ein kleiner Spaziergang ist genau das Richtige. Das hätte Naruto dazu gesagt. Und – worüber regst du dich eigentlich auf? Das ist nicht gesund.

Er hatte recht. Seine Lebenseinstellung war vielleicht simpel, aber nicht falsch.

Ich schloss den Wagen ab und machte mich lächelnd auf den Weg. Naruto, ich hätte dich gerne an meiner Seite gehabt, was machst du gerade? Am Schwimming Pool liegen?

Immer noch lächelnd kam ich schon nach zehn Minuten an einem ausgebrannten Gebäude vorbei und hier verging mir jedes gute Gefühl und ich blieb stehen um mir die traurigen Überreste anzusehen. Hier war ich schon lange nicht mehr gewesen. Drei Jahre um genau zu sein. Die geschwärzten Steine gehörten einst zum LaPaix, einer Homosexuellenbar, die nur Eingeweihte kannten und Naruto und ich waren hier Stammgäste gewesen. Die Erinnerung an das LaPaix gehörte mit zu meinen Schönsten und dieser Anblick hier war wirklich nostalgisch aber auch deprimierend. Es hieß, der Brand wäre auf keine natürliche Ursache zurück zu führen gewesen und niemand hatte damals überlebt.

Nicht zu fassen, das es immer noch nicht restauriert ist. Ob er das weiß?

Ich drehte mich weg und ging weiter. Das hier gehörte zur Vergangenheit. Und ich wollte mich nur noch auf die Zukunft konzentrieren, auf eine Zukunft gemeinsam mit ihm.

Natürlich gab es auch schöne Erinnerungen aus der Vergangenheit, eben eine wie diese hier, aber für die, die an jenem Abend hier waren, getanzt oder getrunken hatten, für die gab es überhaupt keine Zukunft mehr. Vielleicht sollte ich es Naruto gegenüber doch nicht erwähnen. Gut möglich, das er Freunde verloren hatte.

Unbewusst hatte ich meine Schritte beschleunigt und fand mich nach sieben Minuten vor der Tür meiner Maklerin wieder.

Nach einer kurzen Begrüßung bat sie mich sofort in ihr geschmackvoll eingerichtetes Büro. Die Sachen hier waren weder billig noch überall erhältlich.

"Sie haben einen erlesenen Geschmack, Frau Haruno," musste ich neidlos zugeben, während ich den Cognac in Empfang nahm, den sie mir anbot.

"Danke," erwiderte sie, aber ihre Stimme klang enttäuscht. "Also haben sie sich immer noch nicht an mich erinnert?!"

"Ach so, das habe ich ganz vergessen," ich sah sie an.

Frau Haruno hatte mir bei unserer ersten Begegnung mitgeteilt, wir würden uns von früher kennen. Und ich hatte sie gebeten, mir nicht zu verraten, woher. Ich wollte von selbst darauf kommen. Aber...

Grüne Augen, pinkfarbenes Haar. Außer der ungewöhnlichen Haarfarbe sah sie ganz normal aus. Wie sollte ich mich da erinnern?

"Vergessen?" Sie klang, als hätte ich sie persönlich beleidigt, fasste sich aber schnell wieder.

Professionell, dachte ich.

Trotzdem war ein unangenehmes Schweigen entstanden, welches ich mit langsamen Schlucken aus meinem Glas zu überdecken versuchte.

"Ich habe es leider eilig, heute. Wenn möglich würde ich den Kaufvertrag gerne sofort unterschreiben."

"Natürlich. Ich habe alles vorbereitet."

Aus der Schublade ihres Schreibtisches holte sie einen dicken Papierstapel heraus und ich stöhnte innerlich auf.

Mental versuchte ich mich aufzuheitern. Nur noch das, sagte ich mir. Das ist die letzte Hürde.

Als ich mich endlich durchgearbeitet hatte nahm ich meinen Kugelschreiber aus der Brusttasche und unterschrieb. Trotz des Umfangs war es ein ganz normaler Kaufvertrag mit unnötigen Zusätzen, die ohnehin selbstverständlich waren. Vielleicht hatte der Besitzer ja schlechte Erfahrungen gemacht?

"Dieser Kugelschreiber...," fing Frau Haruno plötzlich an.

"Ja?" Gefiel er ihr? Ich hatte keine Ahnung, wo Naruto ihn gekauft hatte. Und er war bestimmt auch nicht teuer gewesen, immerhin gingen wir damals noch zur Schule. Im Prinzip war er nicht ihr Geschmack, wenn ich nach dem urteilen sollte, was ich hier an Einrichtung sah, als auch ihre Kleidung.

Da sie nicht weiter redete, steckte ich ihn wieder ein.

"Ein Geschenk. Aber ich weiß nicht, wo mein Freund ihn gekauft hat. Tut mir leid."

"Nein, schon gut. Mir tut es leid wegen Naruto. Das war sicher hart."

Sie schien mich tatsächlich zu kennen, also doch keine Verkaufsmasche, wie ich vermutet hatte. Wie viel wusste sie?

"Ja, war es. Aber es ist schon gut."

"Wirklich?"

Leicht erschrocken bemerkte ich Tränen in ihren Augen. Wer zum Teufel war die Frau?

"Ja, wirklich."

Der Einzug

Ich war froh, als ich endlich ganz offiziell in mein eigenes Haus kam. Irgendwie hatte diese Maklerin etwas Beunruhigendes an sich gehabt. Na ja, ich würde Naruto fragen, anscheinend kannte sie ja auch ihn, überlegte ich, während ich mit dem Fahrstuhl in den letzten Stock fuhr.

Zwischen ihm und unserem Penthouse gab es noch ein paar Stufen, die man zu Fuß nehmen musste. Und genau diese waren zu meiner Überraschung mit Kisten vollgestellt. War Naruto überhaupt nicht da?

Stolz betrachtete ich den Schlüssel zu unserem Eigentum, bevor ich die Tür aufschloss. Ich würde Naruto sofort anrufen, sobald ich die Wohnung betreten hatte. Aber kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen hörte ich Narutos Stimme. Er war tatsächlich am Swiming Pool.

Ich musste lächeln. Typisch. Moment, mit wem telefonierte er da eigentlich?

"Ich weiß auch nicht, ob es gut ist oder nicht."

Meinte er die Wohnung? Gefiel sie ihm doch nicht oder – nein, sie gefiel ihm. Das hatte er sowohl gezeigt, als auch gesagt.

"Keine Ahnung, wie lange ich bleiben kann."

Mittlerweile stand ich an der Tür zur Außenanlage.

"Eine Verabredung?" wollte ich wissen.

Erschrocken fuhr Naruto herum.

"Was ist?" Plötzlich fühlte ich mich wieder unwohl. Hatte er etwas zu verbergen? "Hast du mich nicht gehört?"

"Ähm, nein, tut mir leid."

"Mit wem telefonierst ..." du, hatte ich fragen wollen, als ich feststellte, das er überhaupt kein Telefon hatte. Auch kein PC, er lag einfach nur auf der Liege am Pool und ließ sich von der Sonne berieseln.

"Ähm, Naruto, führst du Selbstgespräche?" Das hatte ich noch nie bei ihm erlebt.

"Nein. Also ist der Kaufvertrag unter Dach und Fach?"

Wieso kam mir das jetzt wie ein Ablenkungsmanöver vor?

Ich nickte und erinnerte mich an die Frage, die ich ihm eigentlich hatte stellen wollen.

"Ja, die Wohnung gehört jetzt uns. Ist dir eine Frau namens Sakura Haruno bekannt?"

"Klar." Er drehte sich wieder um. "Sie ging mit uns in die Schule."

"Sie ging mit uns in die Schule? Tatsächlich?" Nun war ich ehrlich überrascht.

"Ja, sogar in die selbe Klasse. Sie war total verknallt in dich."

"Das habe ich vergessen. Komplett vergessen," erwiderte ich verblüfft.

"Ja. Sasuke. Du hast so einiges vergessen."

"Was meinst du?" War ich etwa mit diesem Mädchen zusammen gewesen? Nein, das konnte es nicht sein.

"Nichts weiter. Ich freu mich, das du schon da bist."

"Oh, sag mal," ich wedelte mit der Hand Richtung Treppe, "gehören dir die ganzen Kisten da draußen?"

"Mh? Klar. Du sagtest doch, ich könne meine Privatsphäre haben? Mir kaufen, was ich will?"

"Kaufen? Ich dachte, das sind deine Sachen von zuhause."

"Nein, ich hab nichts von zuhause mit hierher gebracht."

"Hm, und warum steht das ganze Zeug noch draußen?"

Naruto drehte sich wieder zu mir um. Er wickelte mich mit seinem unschuldigen Blick um den kleinen Finger. Das kannte ich schon.

"Na ja, ich dachte, du bringst die Kisten rein. Ich hab mir nämlich den Fuß verstaucht."

Das klang nach Ausrede, aber so faul war er nicht. Ich seufzte.

"Na schön. Ist es denn so schlimm, das du die Tür nicht öffnen konntest? Die Männer hätten die Kisten wenigstens rein bringen können."

"Mann, hör schon auf damit. Ich helfe beim Auspacken. Bin ja auch erst gekommen."

"Hast recht." Ich hatte selbst keine Lust unseren ersten Tag im eigenen Heim mit nervigen Fragen zu verbringen, die vielleicht noch im Streit enden würden. Also legte ich den Schlüssel auf die Ablage und ging ins Treppenhaus.

"Hau ruck," stöhnte ich und die erste Kiste fiel mir aus der Hand.

"Was? Die ist vollkommen leicht." Das hatte ich mir anders vorgestellt. Ich stellte mich auf das leichte Gewicht ein, brachte die Kiste in Narutos Studio und ging nochmal zum Pool. "Naruto, zeig mir deinen Knöchel. Sag nicht, er ist gebrochen."

"Wieso? Er ist nicht gebrochen." Er stand auf und holte ein Messer aus der Tasche.

"Ist wirklich alles in Ordnung?"

Naruto ging ins Studio und machte sich schon an der ersten Kiste zu schaffen.

"Ja."

Wenn alles in Ordnung ist, wären wir schneller fertig, wenn du mir helfen würdest, dachte ich mürrisch und ging wieder zur Treppe. Diesmal stapelte ich zwei Kisten übereinander und stellte sie zur ersten.

"Sasuke," sprach mich Naruto an als ich mich schon wieder abgewandt hatte.

"Hm?"

"Es gibt da etwas, das ich dir verschwiegen habe."

Also doch.

"Und was?"

"Ich – hatte einen Unfall."

Mein Ärger war wie weggeblasen. Erschrocken fuhr ich herum. "Einen Unfall? Warst du schon im Krankenhaus? Komm, ich fahre dich schnell hin."

Ich eilte schon zu ihm, um ihn zu stützen.

"Nein. Nein, das ist schon länger her. Es ist so – ich darf – ich kann höchstens fünf Kilo heben."

"Was? Das ist ja – schrecklich." Plötzlich übermannte mich ein derart tiefes Mitgefühl, das ich gegen meine Tränen ankämpfen musste. Später. Wenn ich weinen muss, dann später. Nicht vor ihm.

Ausgerechnet Naruto. Es musste schlimm für ihn sein. Also war er – invalide? Ein Klos bildete sich in meinem Hals und ich konnte nicht mehr sprechen.

"Nicht so schlimm. Ich hab mich dran gewöhnt. Tut mir leid, das ich dir mit den Kisten nicht helfen kann. Vielleicht – ja ich hätte sie erst gar nicht bestellen sollen."

"Unsinn," ich kam mir total gefühllos vor. Ich hätte mir denken können, das Naruto einen Grund dafür hatte, sein Zeug auf der Treppe zu lassen. "Tut mir leid, das ich so unsensibel war."

"Nein, mir tut es leid, das ich es dir nicht eher gesagt habe."

Warum eigentlich nicht? Dachte er, es würde mich stören? Ich ging vor ihm in die Hocke, nahm sein Gesicht in meine Hände und küsste ihn vorsichtig. "In Zukunft sagst du mir alles, in Ordnung? Es gibt nichts, was du mir nicht sagen könntest."

"Gut."

Ich musste leise lachen. "Weißt du, ich habe überhaupt nichts bemerkt. Ich meine – das du nicht schwer heben kannst."

Naruto zuckte nur mit den Schultern. "Macht ja nichts. Bringst du die restlichen Sachen rein?"

Ich ließ ihn los. "Klar."

Obwohl ich ihm meine Hilfe anbot wollte er unbedingt alles alleine auspacken und schickte mich zum Pool.

"Ich will nicht zum Pool. Ich möchte lieber bei dir bleiben. Wenn ich dir nicht beim Auspacken helfen darf, kann ich dir immerhin Gesellschaft leisten."

"Nein. Wenn du nicht an den Pool willst, geh in die Küche."
 

Unsere Küche war sicher der Traum einer jeden Hausfrau. Selbst jemand, der nicht gern kochte, würde sich bei diesem Anblick sofort eine Schürze umbinden und sich ans Werk machen. Während ich lauschte, wie Naruto die Kisten ausräumte, überlegte ich, ob wir sie jemals einweihen würden.
 

"Übrigens, ich bin heute am LaPaix vorbei gekommen," rief ich.

Warum sprach ich darüber? Das wollte ich doch gar nicht.

Die Geräusche aus dem Nebenzimmer verstummten. Wie dumm von mir.

"Und?"

"Es wurde noch nicht wieder aufgebaut nach dem Unfall."

"Das war kein Unfall, sondern Brandstiftung. Ich glaube, so schnell wird es auch nicht wieder aufgebaut, Sasuke. Es soll als eine Art Mahnmal dienen. Die Türen waren alle verschlossen. Wir – die Leute wurden ganz bewusst ermordet."

Die Türen waren verschlossen? Das war mir neu. Was für ein heimtückischer Massenmord.

"Stehen noch irgendwelche Kreuze dort? Oder Blumen?" wollte Naruto wissen.

"Nein. Ich hab nichts davon gesehen."

"Gut."

Gut? Ich hörte, wie Naruto seelenruhig weiter seine Kisten ausräumte.

"Du – wir – haben bestimmt Freunde und Bekannte dort verloren, oder?" Wieso hatte mich das die ganze Zeit nie interessiert? "Wir sollten etwas hinstellen und wenn es nur eine Kerze ist."

"Nein, schon gut. Wir haben niemanden verloren, nicht wirklich."

Das Studio

Ich war endlich fertig mit dem Einrichten und saß jetzt mit angezogenen Beinen und gefalteten Händen auf dem Bett. Vielleicht hätte ich mir auch ein Kissen und eine Decke bestellen sollen, überlegte ich. Über Internet war das ja kein Problem. Und da ich Sasukes Unterstützung und seine Karte hatte ohnehin nicht. Alles war besser, als dieses Tuch welches sich Decke nannte oder gar das platt gedrückte Schaumstoffkissen, das mich mehr an ein Gefängnisteil denken ließ, anstatt an ein echtes, schönes, fettes und weiches Federkissen.

Das "Studio", welches mir Sasuke zugewiesen hatte, beinhaltete wirklich alle Attribute, die ein Atelier haben sollte. Angefangen von der Glaswand, durch die man einen Ausblick auf die Außenanlage hatte, die Decke, die gut bis zu einem Viertel ebenfalls aus Glas bestand und jede Menge Licht hereinließ bis hin zu dem Waschbecken auf der linken Seite gegenüber dem Schrankbett, in dem man seine Pinsel waschen konnte. Zusammen mit dem kleinen separaten WC war dieser große Raum sogar fast so etwas wie eine kleine eigene Wohnung.

Nicht das ich hätte wirklich malen können. Mein Talent entsprach etwa dem eines Dreijährigen. Ich hatte nur deswegen mit dem Malen angefangen, damit ich meine Gefühle irgendwie besser vermitteln konnte. Mit Worten konnte ich das damals noch weniger, als mit den Zeichnungen, bei denen die Leute meistens nicht einmal erkannten, was sie darstellen sollten. Ich hatte einfach keine Worte mehr gefunden, also hatte ich versucht zu zeigen, wie es in mir aussah.

"Was hat er sich dabei gedacht?" fragte ich mich unwillkürlich. "Soll das eine Art Beschäftigungstherapie werden?"

Sasuke war total rational geworden. Selbst bei unserer ersten Begegnung und der darauffolgenden Nacht in der Schweiz war es nicht so gewesen wie zuvor. Ich hatte seinem Vorschlag noch zwei Tage länger zu bleiben nur deshalb zugestimmt, weil ich wissen wollte, wie viel von dem Sasuke noch übrig war den ich mal geliebt hatte. Und es war wirklich enttäuschend gewesen. Ich hatte gehofft er würde, wenn er mit mir alleine war, seine Maske fallen lassen. Es würde so sein wie es früher war. Stattdessen hätte man meinen können, es wäre sein erstes Mal und er würde alles aus einem Buch ablesen.

Seine unechte Zärtlichkeit, das gewisse Dehnen mit den Fingern – herrje wie ich das hasste, anscheinend hatte er das auch vergessen? , damit ich keine Schmerzen haben sollte und ständig hatte er mir dabei ins Gesicht gesehen, ob es mir wohl auch gefallen würde... Wie sollte es einem denn da gefallen? Ich war mir vorgekommen wie ein Lehrer von dem ein tollpatschiger, aber von sich selbst überzeugter Schüler eine gute Note erwartete.

Ich stöhnte enttäuscht auf. Allein schon bei der Erinnerung. Nichts Spontanes, keinerlei Leidenschaft war da gewesen. Keine Gefühle. Nur dieses Perfekt sein Wollen um jeden Preis. Sasuke hatte wohl gar nicht gemerkt, dass genau das jede Lust schon im Keim erstickte. Und auf einen zweiten Versuch hatte ich bisher auch gerne verzichten können. Sechs, bitte setzen.

"Was mache ich eigentlich hier?"

"Du kannst ihm vielleicht helfen."

Ich drehte mich zur Seite um. Itachi lehnte mit verschränkten Armen an der Eingangstür. Ich wunderte mich schon die ganze Zeit darüber, warum er sich ständig in meiner Nähe aufhielt.

"Solltest du nicht bei Sasuke sein?" fragte ich ihn.

"Ich kann nichts tun, du schon Naruto."

"Ach ja? Und was?"

"Du könntest ihm helfen, wieder der zu werden, der er eigentlich ist."

"Würde ich ja gerne, aber wie du siehst – hat alles nichts gebracht."

"Doch hat es. Er hat sich schon verändert."

Davon hatte ich nichts bemerkt. Fragend sah ich Itachi an.

Er grinste in sich hinein, löste sich von der Eingangstür, kam auf mich zu und setzte sich neben mich. "Sasuke orientiert sich an dir."

"Was meinst du?"

"Er versucht, deine Lebenseinstellung zu übernehmen. So weit es eben zu ihm passt."

"Lebenseinstellung," wiederholte ich. Sollte das witzig sein?

"Selbst wenn, es bringt ihn nicht zurück, oder?" Ich sah auf meine Hände. Ich wollte den Sasuke zurück haben, den ich vor drei Jahren verloren hatte. "Und überhaupt, das ist alles nur deine Schuld, Itachi."

Itachi lachte so laut, dass das ganze Bett schwankte. "Was hätte ich tun sollen, deiner Meinung nach?"

Gute Frage. "Na ja, du..."

"Naruto." Das war Sasuke. "Bist du fertig, darf ich reinkommen?"

"Er klingt neugierig, oder nicht?" Itachi sah mich an. "Dank dir."

Hm, war er etwa noch schlimmer drauf, bevor er mich wieder getroffen hatte? Und warum fragte er in seiner eigenen Wohnung, ob er reinkommen dürfe? Vielleicht hatte Itachi ja recht. Es musste ja einen Grund für das alles geben. Und – es lag ohnehin nicht in meiner Hand, wie lange ich...

"Ja, komm rein."
 

Ich öffnete die Tür und fand mich in einer anderen Welt wieder. Das alles hatte Naruto in so kurzer Zeit geschafft?

Hier war es irgendwie - gemütlich. Nicht so steril wie in den anderen Räumen.

"Ich kann es nicht glauben," staunte ich.

Die zuvor weißen Wände waren jetzt in einem braun-grünen Ton gestrichen und die Decke – "Oh? Du hast Birnen in die Lampe geschraubt? Wie bist du da hoch gekommen?" Immerhin war die Decke fast vier Meter hoch.

Vergeblich sah ich mich nach einer Leiter um. War er etwa auf Tische und Stühle gestiegen? In meinem Kopf lief ein Film in Zeitlupe ab. Naruto, der auf einer wackligen Konstruktion stand, ausrutschte, fiel und fiel und schließlich...

"Was ist, warum bist du so blass, Sasuke?"

Verärgert sah ich ihn an. "Naruto bist du von allen guten Geistern verlassen?"

"Leider nicht."

"Weißt du nicht was da alles passieren kann? Jeder weiß, zuhause passieren die schlimmsten Unfälle. Ich möchte nicht," der Schweiß der von meiner Stirn tropfte brannte mir in den Augen und ich wischte ihn weg. "Ich möchte nicht, das du so was nochmal machst. Das nächste Mal rufst du mich, verstanden?"

Meine Worte und Stimme klangen grober, als ich es beabsichtigte, aber ich hatte ihn schon mal verloren. Das sollte nie wieder passieren.

Narutos Gesicht, welches zuerst einen verärgerten Ausdruck angenommen hatte wurde plötzlich wieder weich.

"Da hast du was missverstanden, Sasuke." Er wich meinem Blick aus und sah zu Boden. "Die Birnen waren schon drinnen. Ich hatte Hilfe dabei."

"A...ach so. Tut mir leid."

Naruto überging meine Entschuldigung gekonnt um mir weitere Peinlichkeiten zu ersparen und zeigte auf sein Landwandgestell. Anscheinend stand darauf eine Leinwand, aber sie war abgedeckt mit einem weißen Tuch. Und sie stand in einem guten Winkel zur Glasscheibe. Offenbar hatte er schon zu Malen angefangen, wenn ich auch keine Farbe riechen konnte.

"Ich male ein Bild für dich," erklärte er kurz.

"Wirklich?" Ich war gerührt und erfreut. "Darf ich es schon sehen?" Eigentlich wusste ich, dass er mir das erst erlauben würde, wenn es fertig war.

"Nein. Also echt mal."

Ich musste lachen. "Es wird auf jedem Fall in unserem Wohnzimmer hängen, also streng dich besser an. Hörst du?"

Naruto lächelte jetzt auch. "Mach ich. Man wird dir sagen, das du ein talentiertes Kind hast."

Ein Kind? Das hatte ich total vergessen. Mit der rechten Hand schlug ich mir gegen die Stirn.

"Naruto, ist es okay für dich, wenn ich Karin zu uns einlade?"

Eigentlich hatte ich mit seiner sofortigen Zustimmung gerechnet. Stattdessen biss er sich auf die Unterlippe. Es war also nicht in Ordnung? Naruto wusste doch, das ich rein gar nichts für diese Frau empfand.

"Ich liebe nur dich, das sagte ich doch schon. Na ja, aber wir haben es ihr zu verdanken, das wir unsere Ruhe haben. Es ist nicht so wie früher und sie bekommt ein Kind von mir. Du magst doch Kinder? Karin hat auch kein Interesse an Männern, glaub mir."

"Es ist okay, lad sie ein. Th, klingt komisch, oder? Die eigene Frau einzuladen?"

"Sie ist nicht meine Frau. Nur auf dem Papier. Du bist meine – mein Mann. Ich bitte dich, das zu verstehen."

Naruto nickte nur. Hoffentlich war es wirklich in Ordnung für ihn. Darüber hatte ich mir keine Sorgen gemacht, denn er war noch nie eifersüchtig gewesen. Na gut. Ich war auch noch nie verheiratet gewesen.

"Pflanzen und ein Brunnen, oder ein kleiner Fluss."

"Wie?"

"Naruto, hier fehlen Pflanzen. Was hältst du davon, wenn wir Wasser in diese Einbuchtung auf dem Boden füllen? Es würde aussehen, wie ein Fluss?!"

Zwar hatte ich keine Ahnung, warum sich über den ganzen Flussboden aus Marmorfliesen eine Vertiefung zog noch dazu in der Mitte des Raumes, aber um Wasser einzufüllen und damit die Illusion eines Flusses zu erzeugen, war sie perfekt. Vielleicht war es sogar dafür gedacht gewesen? "Und Vogelgezwitscher," träumte ich.

Naruto lachte leise. "Wie jetzt? Eine Art kleines Paradies? Ja, das könnte helfen. Vielleicht hab ich mich ja tatsächlich getäuscht in dir und It – italienisches Essen wäre auch nicht schlecht, wenn du Karin einlädst."

"Oh, ich wollte sie nicht hier hereinbringen. Ich ruf sie an."

Italienisches Essen

Ich hatte Karin angerufen und sie tatsächlich für den nächsten Abend zu einem italienischen Essen eingeladen, wie von Naruto vorgeschlagen.

Wir trafen uns in einem sehr exklusiven und teuren Restaurant. Schließlich hatte ich einige Anliegen an sie. Nach dem Essen wollte ich ihr Narutos und meine Wohnung zeigen. Bei dem Gedanken fiel mir ein, das ich keine Ahnung hatte wie und mit wem Karin zusammen lebte. Nicht das es mich interessiert hätte. Aber die Dinge lagen jetzt ein wenig anders.

Am Eingang nahm ich ihr ihre dünne Seidenjacke ab und überreichte sie dem schon bereit stehenden Kellner. Ein anderer führte uns zu unserem Tisch.

Karin war in einer reichen Familie aufgewachsen genau wie ich. Also bewegte sie sich hier wie ein Fisch im Wasser. Nachdem ich ihr den Stuhl zurecht gerückt hatte, griff sie ohne weitere Worte nach der Karte, um einen angemessenen Wein auszusuchen.

Mir waren zuvor schon ihre hochhackigen Schuhe aufgefallen, also ging ich mal davon aus, das es ihr so schlecht mit ihrer Schwangerschaft nicht gehen konnte.

Sie wusste was sie wollte und so dauerte es auch nicht lange bis sie sich für einen seltenen, reifen Rotwein entschieden hatte. Fragend sah sie mich an. "Das Gleiche," nickte ich ihr zu. Auch wenn die Flasche 2000 Euro kostete. Im Grunde war das gar nichts, wenn man an manche Auktionen dachte, bei denen eine Flasche schon für 210.000 Euro ersteigert wurde. Natürlich nicht diese Marke. Für mich hätte es etwas Billigeres auch getan. Aber Weinliebhaberin Karin konnte man damit nicht kommen. Das käme schier einer Beleidigung gleich. Mit Sehnsucht dachte ich an das einfache Café in dem ich neulich mit Naruto war. Das Grün und die Schmetterlinge.

Karin hatte inzwischen unsere Bestellung aufgegeben und zündete sich nun eine Zigarette an.

"Ist das so gut?" fragte ich besorgt.

"Wie bitte?" Ihre Frage klang zynisch. Warnend. Ich verstand. Auch wenn ich der Vater war hatte ich nichts zu melden. Jedenfalls nicht ihrer Meinung nach.

"Nichts. Wie geht es dir?"

Karins Gesichtsausdruck wurde versöhnlicher. "Nun, ich habe Glück. Es wird mir weder schlecht noch habe ich sonstige gesundheitliche Wehwehchen, die üblicherweise mit einer Schwangerschaft einhergehen. Ich habe mich darüber mit Mutter unterhalten. Bei ihr war es auch so. Sie behielt noch nicht einmal Schwangerschaftsstreifen zurück und...ach was rede ich. Dir scheint es gut zu gehen. Jedenfalls siehst du irgendwie anders aus. Ist das vielleicht auf das künftige Vaterglück zurück zu führen?"

"Anders?"

"Ja. Entspannter. Nicht mehr so – gehetzt. Ich weiß auch nicht. Hast du vielleicht neue Medikamente bekommen?"

"Nein, ich nehme doch schon über ein Jahr keine mehr. Aber," ich musste grinsen, "sagen wir ich habe eine neue Medizin, ja."

"Sehr mysteriös," Karin verzog amüsiert den Mund. "Ein kleiner Junge vielleicht?"

Sie war nicht dumm. Aber wie kam sie auf kleiner Junge?

"Wieso ein kleiner Junge?"

"Du siehst jünger aus. Gar nicht wie zwanzig. Das hast du vorher auch nicht. Letztes Mal, als ich dich gesehen habe, hast du eher wie dreissig ausgesehen und wie vierzig gewirkt. Jetzt siehst du eben aus wie ein kleiner Junge." Sie grinste verschmitzt.

"So schlimm?"

"Ja. Jetzt erzähl schon."

Auch gut, dann musste ich nicht erst erklären, das ich in einer festen Beziehung war. Obwohl eigentlich alles zwischen uns geklärt war, hatte ich doch irgendwie Angst gehabt, plötzlich einer eifersüchtigen Ehefrau gegenüber zu stehen. Vielleicht kam das ja nur von den Horrorfilmen, in denen schwangere Frauen immer total schräg drauf waren.

"Hm, sein Name ist Naruto."

"Naruto?"

Ich nickte und unterbrach mich kurz, weil unser Wein geliefert wurde. Nach der üblichen Zeremonie lehnte sich Karin mit ihrem Glas wohlig in dem weichen Sessel zurück. Es roch angenehm nach Leder und nach Zigarrenrauch vom Nebentisch.

"Wir waren schon in der Schule ein Paar. Eigentlich, liebte ich ihn schon immer. Aber erst so mit elf Jahren wurde es mir bewusst. Bis dato waren wir Freunde. Als mir klar wurde was ich für ihn empfand konnte ich nicht mehr so tun, als wäre da nichts. Und jeder Blick von ihm bedeutete für mich Hoffnung, das er das Gleiche empfinden würde. Dann wieder, Naruto war ein Spätzünder, sah ich ihn mit seinen Ninjafiguren spielen und Mädchen in Not retten und mir war klar, das es nur Wunschdenken gewesen war."

"Ein Hin und Her also?"

"Ja. Absolut. Manchmal lag ich zu Tode betrübt im Bett und heulte, dann wieder konnte ich es kaum abwarten, das der Tag anbrach und ich ihn wiedersehen würde. Das ganze komplette Coming Out eben."

"Du hast dich doch gar nicht geoutet?"

"Ich musste es mir selbst eingestehen. Später – als wir zusammen kamen, wusste es auch die ganze Schule."

"Hm. Ihr habt es erzählt?"

"Nein, es war nicht zu übersehen."

"Verstehe."

"Und wenn wir gefragt wurden, haben wir nicht gelogen."

Karin nahm einen Schluck aus ihrem Glas und sah mir tief in die Augen, als wolle sie sich meine Seele ansehen. Auf diese Weise sah sie mich zum Ersten Mal an. Ja, genau. Interessiert.

"Du hast ihm deine Liebe gestanden?"

"Zwei Jahre später. Mit dreizehn. Naruto konnte erst nicht viel damit anfangen. Es machte ihm sogar Angst. Aber er sagte dann, seine Angst mich zu verlieren sei größer als seine Angst vor körperlicher Nähe mit einem anderen Jungen. Es ging dann alles irgendwie ganz natürlich. Schritt für Schritt. Dann war es für Naruto an der Zeit, sich seiner Liebe bewusst zu werden und sie sich selbst einzugestehen."

"Trotzdem. Dreizehn Jahre? Das ist ganz schon früh, finde ich."

"Wann hast du dich denn verliebt? Das erste Mal."

"Oh, ich war auch erst zwölf oder dreizehn. Aber vergiss es. Sie hat sich nicht für mich interessiert. Erzähl weiter."

"Nicht für dich interessiert? Nein, das hast du falsch verstanden. Es war nicht so, das wir gleich – also, was ich meine ist – wir sind nicht übereinander hergefallen. Ich sagte dir doch. Schritt für Schritt."

"Hm," Karin nickte. "Na gut. Das habe ich dann wirklich falsch verstanden. Männer wollen eben immer nur das Eine, also was sollte ich denken?"

"Wenn du meinst. Schön, an das was du denkst, also offiziell waren wir mit fünfzehn ein Paar. Ein richtiges Paar meine ich."

"Glück für dich. Es ist doch eher selten das man mit der Person zusammen kommt oder bleibt, für die man zum ersten Mal solche Gefühle hegt. Auch wenn man seine erste große Liebe niemals vergisst."

Ich drehte mein Glas in der Hand und betrachtete die Flüssigkeit. Ja, ich konnte mich an alles erinnern, als wäre es gestern gewesen. Als ich ihm meine Gefühle noch nicht sagen konnte, hing ich sogar meine Jacke neben seiner auf. Und er – er sorgte dafür, das neben seiner Jacke immer ein freier Platz war. Auch wenn er es nicht gewusst hatte, nicht im Kopf, im Herzen vielleicht schon. Aber genau solche Kleinigkeiten lösten damals die heftigsten Glücksgefühle in mir aus. Und Hoffnungen. Sonst hätte ich das vermutlich keine zwei Jahre ausgehalten.

"Zwei Jahre später starb Itachi," erzählte ich weiter mit leiser Stimme. Natürlich wusste Karin vom Tod meines Bruders, aber nicht von Narutos Verbindung dazu. "Ich fiel in ein bodenloses Loch, es war als ginge man durch die Hölle. Nicht mal Naruto konnte mich da heraus holen."

"Ich weiß, du hast dich völlig in dich zurück gezogen. Konntest die Nähe anderer Menschen nicht mehr ertragen und hast dich in dein Zimmer verkrochen, nicht wahr? Mikoto hat es mir erzählt."

Ich nickte nur.

"Und – Naruto?"

"Er kam jeden Tag. Aber auch seine Nähe konnte ich nicht ertragen. Ich blieb in meinem Zimmer und ließ ihn sitzen. Irgendwann – kam er nicht mehr. Aus der Zeit – fehlen mir auch irgendwie die Erinnerungen. Ich weiß nur, das es fürchterlich für mich war. Das ich immer nur in meinem Zimmer war und Musik hörte. An Itachi dachte und mir Bilder von früher ansah. Ich fragte immer warum und war verzweifelt. Sogar Gott habe ich die Schuld gegeben und ihn verflucht. Es kam mir so sinnlos vor. Sein Tod meine ich. Es gab keinen, dem er irgendwie genutzt hätte, es litten nur alle. Keine Ahnung, wie lange das überhaupt so ging, aber meine Verwandten schleiften mich irgendwann zum Psychiater. Ich bekam eine Therapie und Medikamente. Aber so wirklich vertragen habe ich die nicht."

Karin schwieg eine Weile. Dann fragte sie: "Aber Naruto kam zurück?"

"Ja." Meine Stimmung schlug auf der Stelle wieder um. "Und genau darum wollte ich dich heute sprechen. Ich habe uns ein Penthouse gekauft. Wo wir beide zusammen leben."

"Du willst die Scheidung?"

Am Liebsten hätte ich Ja gesagt. "Ich will einfach meine Ruhe. Darum dachte ich, wir könnten ja sagen, wir beide wohnen dort. Zusammen mit einem alten Freund." Warum kam ich mir jetzt wie ein Verräter vor. "Aber dazu solltest du persönliche Dinge von dir bei uns unterbringen. Es wäre seltsam, wenn jemand zu Besuch kommt und du hast dort keine Kleidung, oder?"

"Und was meint dein Freund dazu?"

Naruto war sicher nicht begeistert. Ich hatte ihm auch gar nichts davon gesagt. Aber wenn ich an sein Gesicht dachte, als ich ihm erzählte, ich würde Karin einladen oder an seinen Ausbruch in dem kleinen Hotelrestaurant in der Schweiz...nein, er würde nicht begeistert sein.

Karin lachte plötzlich. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, meinte sie: "Vielleicht redest du noch mal mit ihm. Von meiner Seite aus geht das in Ordnung. Ah, das Essen kommt. Endlich. Bin schon am Verhungern."
 

Die Skizze hatte ich fertig. Und ich wollte das Bild so wirklichkeitsgetreu wie möglich malen. Darum pendelte ich ständig zwischen Friedhof und Studio hin und her.

Als ich wieder zurück kam saß Itachi bei mir auf dem Bett.

"Du weißt schon, das du Sasuke das Bild nicht zeigen kannst? Wenn er sich an die Beerdigung erinnert, wird er dich nicht mehr sehen können."

"Hm. Mal sehen. Irgendwann muss er ja die Wahrheit erfahren. Er belügt nicht nur die anderen Leute, sondern auch sich selbst. Das ist nicht gut. So wird er nie wieder er selbst."

"Aber, wenn er es nicht ertragen kann..."

Ich zuckte mit den Schultern und grundierte die Leinwand. "Ist ja nicht so, das ich ihm das Bild vor den Kopf knallen will. Vielleicht zeige ich es ihm auch überhaupt nicht."

"Doch, das wirst du. Sobald sich die Gelegenheit bietet. Das weißt du. Hast du den Typen gesehen, der vor dem Sicherheitskasten steht? Im Keller?"

"Ja. Klar, hab ich den gesehen. Im ersten Moment habe ich mich aufgeregt. Ich dachte, er wolle uns die Sicherungen rausdrehen, aber dann ist mir eingefallen, dass er das überhaupt nicht kann. Und sein Blick – war ziemlich – leer. Traurig. Er ist nicht wirklich bösartig, keine Ahnung was er sich davon verspricht. Vielleicht will er nur auf sich aufmerksam machen. Jedenfalls – ich hab ihn in Ruhe gelassen und bin wieder gegangen."

"Anfänger."

"Harmlos. Dieser bullige Typ, den ich neulich im Schlafzimmer gesehen habe macht mir mehr Sorgen. Ich kann ihn nicht leiden, er ist mir einfach total unsympathisch."

Ich hatte versucht ihn loszuwerden. Kaum das ich ihn gesehen hatte, hatte ich mich gegen ihn geworfen und ihn aufgefordert zu verschwinden, aber er bewegte sich keinen einzigen Millimeter.

"Er hat nicht mal was gesagt. Das nervt, Itachi. Ehrlich. Am Anfang war es nur einer. Dich mal ausgeschlossen, aber mittlerweile sind es schon vier Leute. Was wollen die alle hier?"

Itachi zuckte mit den Schultern. "Du bist einer von uns und du hast Kontakt. Vielleicht kommen sie deshalb her."

"Dann sollen sie es sagen."

"Nur so eine Vermutung. Bevor ich es vergesse, ich war mit Sasuke und Karin in so einem exklusiven Schuppen. Er hat vor, sie nachher mit zu bringen und ihr die Wohnung zu zeigen."

"Von mir aus."

"Aber eigentlich will er dich zeigen."

"Wieso mich?"

"Um mit dir anzugeben."

"Hoffentlich hält sie ihn nicht für verrückt."

"Ja. Dachte ich mir auch."

Ich sah Itachi an. Er nickte mir zu. "Wir sollten verschwinden."

Seufzend legte ich die Palette zurück. "Ausgerechnet jetzt."

"Du könntest ihn vor die Wahl stellen?"

"Nein. Ich hab nicht vor ihn zu erpressen oder zu irgendwas zu zwingen. Das muss schon von ihm selber kommen."

Drei Geister auf dem Friedhof

Ich bestellte für Karin und mich eine Limousine. Das war ganz natürlich für sie. Da musste ich mich eben anpassen. Wäre ich mit Naruto hier gewesen, hätte ein Taxi mehr als nur gereicht. Verdammt, hör auf damit. Wieso musste ich alles und jeden mit ihm vergleichen? Ich legte den Hörer zurück und sah zu Karin. Sie war überhaupt nicht so übel. Ich kannte da ganz andere Frauen und auch Männer, die mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden waren. Gegen die war Karin ja fast ein Engel. Und ich selbst – wäre vielleicht auch so ein verzogenes Etwas geworden, hätten unsere Eltern nicht dagegen gehalten. Sie schickten Itachi und mich auf eine gute, aber normale Schule, wo jeder hin durfte. Wir bekamen Taschengeld, aber wenn wir etwas haben wollten, was mehr kostete, mussten wir dafür arbeiten. Autos waschen, in der Küche helfen und so weiter. Dadurch kamen wir eben auch unserem Personal näher und in der Schule natürlich den Mitschülern. Menschen, die für ihr Geld hart arbeiten mussten und Kindern, deren Eltern weder Geld für Nachhilfe hatten noch um die Schulleitung zu bestechen. Stattdessen half man sich eben gegenseitig. Es wurden Lerngruppen gebildet oder man traf sich in der Bibliothek. Und dafür war ich meinen Eltern heute noch dankbar. Damals weniger, da hatte ich es auch noch nicht verstanden. Und von all dem abgesehen, wäre ich doch auch nicht Naruto begegnet, wenn ich – hör endlich auf. Ich atmete tief durch um mich zu sammeln und ging zu meinem Platz zurück. Vorher machte ich noch einen kleinen Umweg, um Karins Jacke zu holen.

"Die Limo kommt gleich." Ich blieb stehen. Gut möglich, das sie sogar schon da war. Diese Leute hatten überall wo reiche Menschen speisten und vielleicht auch zuviel tranken eine ihrer monströsen Autos stehen.

Verdutzt sah Karin mich an. "Die – was?" Dann begriff sie, stellte ihr halb leeres Glas auf den Tisch zurück und fing an zu lachen, als hätte ich einen Scherz gemacht.

Wirklich. Das war eine andere Welt. Eine, in der ich mich nicht wohl fühlte.
 

Gerade als ich sagen wollte, ich habe kein so gutes Gefühl dabei, dass er diese Frau herbringt hörten wir auch schon ein leises Brummen.

"Das sind sie wohl schon."

Itachi lehnte sich aus dem Fenster. "Wow."

"Was ist?"

"Sasuke scheint sich mächtig ins Zeug zu legen für seine schwangere Ehefrau," lachte er.

"Ja, wirklich witzig. Lass uns lieber verschwinden."

"Vielleicht bleibe ich besser hier?" überlegte Itachi.

"Nein, komm mit."

Interessiert sah er mich an. "Warum?"

"Ich, also – ähm..."

"Hast du Angst, ich könnte dir etwas erzählen, was du lieber nicht wissen willst?"

Tja, die hatte ich in der Tat.

"Eifersüchtig?"

"Nein. Nein, nicht eifersüchtig, nur – besorgt."

Abwartend sah mich Itachi weiterhin an.

"Ich meine, ich kenne sie ja nicht, was ist – also – was wenn sie..."

"Sasuke für verrückt hält? Merkt, was hier abgeht? Medial veranlagt ist? Ihm erzählt..."

"Schon gut. Dann bleib eben hier." Verärgert verdeckte ich meine Skizze, mehr blieb nicht zu tun.

"Ich wusste es." Itachis Stimme triefte nur so vor Genugtuung.

"Wusstest was?" fragte ich und sah in diese schwarzen Augen, die Sasukes so ähnlich waren.

"Du willst nicht, dass er es erfährt, du willst bei ihm bleiben."

Ich wandte mich ab. Selbst wenn es so war, niemand wusste besser als ich, das ich nicht für immer bleiben konnte.

Schweigend machte ich mich auf den Weg und fand mich auf dem Friedhof wieder.

Itachi tauchte neben mir auf.

"Du hast ernsthaft an einen Friedhof gedacht?"

"Na ja. Vielleicht weil ich die ganze Zeit hin- und herpendele wegen dem Bild."

"Ernsthaft? Deswegen?"

"Außerdem – stören mich die ganzen Leute in der Wohnung. Werden immer mehr. Hier sind wir allein und..."

"Nicht so ganz," wurde ich von Itachi unterbrochen.

Ich sah auf und sah einen Mann um die Fünfzig, der einen Anzug trug und geradewegs auf uns zukam.

"Hey," grüsste Itachi. "Dann ist das wohl deine Beerdigung da hinten?"

Itachi hatte recht. Dort war tatsächlich eine Beerdigung im Gange. Ich Glückspilz.

Der Mann beachtete Itachi überhaupt nicht, sondern kam geradewegs auf mich zu. "Du kannst uns sehen, hab ich Recht? Nein, du bist selbst...was bist du? Egal, du musst meiner Tochter unbedingt sagen, dass ich..."

Mir schwirrte gerade der Kopf. "Ich muss überhaupt nichts. Verschwinde," unterbrach ich den aufgeregten Mann.

"Aber – du kannst – ähm – du hast Kontakt, bist sichtbar und so. Ich kann das erkennen, nein ich weiß es."

"Nein. Nur einer kann mich sehen."

"Das reicht doch. Einer reicht. Er kann die Nachricht weitergeben."

Ich rieb mir genervt über die Stirn.

"Drei Geister auf einem Friedhof. Ganz wie im Film," kommentierte Itachi.

Dieser Typ. Der war ziemlich sarkastisch geworden oder meinte er wirklich, das wäre witzig? Wie im Film? "Hör mal, das ist nicht Ghost Whisperer oder so, ich kann das nicht. Du – solltest lieber gehen."

"Er hat recht. Er kann dir nicht helfen," sprang mir Itachi zur Seite. "Der kann noch nicht mal sich selber helfen," fügte er hinzu, als der Mann immer noch zögerte und meine zeitweilige Dankbarkeit für Itachis Hilfe verflüchtigte sich sofort wieder.

Der Mann, der mittlerweile den Kopf hängen ließ und die Hände in den Hosentaschen hatte, nickte zögernd.

"Er hat recht. Ich würde dir helfen, wenn ich könnte, ehrlich. Geh," ich zeigte auf einen halbförmigen Kreis der goldfarben leuchtete und von einem schmaleren blauen umgeben war, "das ist dein Weg. Und der bleibt nicht ewig."

"Nicht ewig? Was soll das heißen? Wie lange bleibt er denn?"

Itachi sah mich an. Ich sah Itachi an. Wir zuckten zeitgleich die Schultern.

"Zwei Tage."

"Drei Tage."

"Ist verschieden."

"Kommt drauf an."

"Vielleicht nur einen Tag."

Er schien zu überlegen.

"Wenn du glaubst, du kannst dich bemerkbar machen, vergiss es."

Überrascht wurde ich angesehen. Treffer.

"Ein Hund kann dich sehen," sagte Itachi plötzlich.

Verärgert blickte ich ihn an. Wollte er dem armen Teufel Hoffnung machen?

"Ein Hund kann nicht reden."

"Vielen Dank," murmelte der Mann leise und ging zurück zu seiner Familie.

Den leuchtenden Halbkreis betrat er nicht.

"Er wirds versuchen," mutmaßte ich.

"Ja," stimmte Itachi zu. "Und scheitern."

"Dann kommt er wieder." Ich ließ mich auf eine Bank fallen.

Risiko

Karin
 

Irgendwie musste ich den ganzen Weg zu Sasukes und Narutos Penthouse über schmunzeln. Er erklärte mir sofort als wir im Wagen saßen die Außenarchitektur, Raumaufteilung und Innenausstattung mit einer Begeisterung, die mich an einen kleinen Jungen mit seinem ersten Spielzeugauto unter dem Weihnachtsbaum denken ließ, oder was auch immer kleine Jungs sonst so begeistern mochte. Das war wirklich ein ganz anderer Sasuke, als ich ihn in Erinnerung hatte. Was immer dieser Naruto getan hatte, ich war ihm dankbar dafür. Vielleicht würde ich ihn ja doch meiner Lebensgefährtin vorstellen.

Zwanzig Minuten später erinnerte sich Sasuke wieder an seine Herkunft und öffnete mir die Tür. Ich stieg aus und betrachtete das Gebäude während Sasuke mit dem Fahrer verhandelte. Ja. Er verhandelte tatsächlich wegen dem Fahrpreis. Man konnte es auch übertreiben. Typisch Männer. Dennoch war mir das Wesen von diesem Ehemann wesentlich lieber, als es noch vor wenigen Wochen gewesen war.

Ich beschloss, Sasuke seinen kindischen Spaß zu lassen und betrat die Eingangshalle. Er hatte mich wirklich neugierig gemacht. Besonders auf seinen Freund.

„Karin, warte doch mal!“

Sasuke kam hinter mir her gerannt, während ich bereits Richtung Aufzug stiefelte.

„He, hast du dich geärgert über irgend etwas?“ besorgt sah er mich an.

„Nein, ich möchte nur unbedingt deinen Freund kennen lernen, ähm ich meinte das Penthouse ansehen. Du hast mich wirklich neugierig darauf gemacht.“

„Ah, ja. Ich bin gespannt wie es dir gefällt.“ Er drückte ein paar Knöpfe.

Mit einem kaum hörbaren Surren trug uns der Aufzug in den letzten Stock. Dort mussten wir aussteigen und noch eine Treppe erklimmen. Ich rieb meinen Knöchel. Vielleicht hätte ich lieber doch etwas bequemere Schuhe anziehen sollen.
 

„Nervös?“

Itachi hatte seinen Kopf auf die Hand gestützt und sah mich von der Seite an. Offenbar war er die Ruhe in Persona, wie er so auf der Bank saß.

Ich dagegen hatte die Arme verschränkt und trat von einem Bein auf das andere.

„Nervös!“ war ich das? Wenn ja, wieso eigentlich?

„Ich – hab ein komisches Gefühl. Das ist alles.“

„Wenn du willst, können wir ja mal nachsehen.“

„Nein,“ ich schüttelte den Kopf. „Oder doch? - Aber … nein. Stell dir bitte mal vor, Sasuke sagt, hey Karin das hier is Naruto. Und die sieht keinen. Also – nein, wirklich nicht.“

Itachi zuckte nur mit den Schultern.

„Du bist echt keine Hilfe. Oder willst du etwa, das dein Bruder in einer Gummizelle landet?“

„Schwangeren Frauen sagt man besondere Kräfte nach,“ meinte er nachdenklich.

„Ach ja? Nie gehört.“

„Und du bist der am meisten materialisierte Geist von uns allen die noch hier sind. Vielleicht sieht sie dich?!“

„Vielleicht, vielleicht nicht. Wir haben keine Beziehung zueinander, ich kenne sie ja noch nicht mal. Sie wird mich nicht sehen können.“

„Na ja, irgendwie habt ihr schon eine Beziehung zueinander. Um eine Ecke zwar, aber ...“

„Ich glaube, du solltest lieber nach Hause gehen, Itachi. Bist schon viel zu lange hier.“

Itachi setzte sich grade auf. „Soll ich zurück gehen und nach dem Rechten sehen?“

„Ich meinte das andere Zuhause. Geh zu den anderen.“

„Nö. Noch keine Lust.“
 

Die Wohnung war ohne jeden Zweifel beeindruckend. Selbst ich hatte noch nie so eine stilvolle, prächtige und zugleich doch nicht aufdringliche Wohnung gesehen.

„Also – hierher kannst du jeden einladen, Sasuke.“

„Was meinst du?“

„Nun ja, um Geschäfte abzuschließen, zum Beispiel. Mit diesem Penthouse machst du jede Menge Punkte bei deinem Gegenüber. Natürlich würde ich dir als Ehefrau zur Seite stehen.“

Sasuke sah mich einen Moment lang leicht verblüfft an, dann schüttelte er heftig den Kopf. „Nein, nein. Diese Wohnung ist unser Heim. Ich will hier keine fremden Leute haben, die ich kaum kenne ja vielleicht nicht mal mag. Narutos und mein Heim. Verstehst du?“

„Was für eine Verschwendung.“

Ich ging weiter hinein und kam zur unbenutzten Küche. Auf der Spüle standen nur zwei Tassen. Eine mit einem Rest Kaffee und eine noch unbenutzte.

„Na schön. Wo ist dein Freund? Möchtest du mich nicht vorstellen?“

"Hm? Doch, schon. Aber er scheint nicht da zu sein. Wenn dann hätte er sich schon längst gezeigt."

Sasuke holte sein Handy aus dem Jacket.

"Hat er denn Angst vor mir?" kicherte ich und besichtigte die Terrasse. Gerade als ich das schöne dunkle Blau im Swimming Pool bewunderte klingelte es ganz in meiner Nähe und ich drehte mich um. Sasuke hatte es auch gehört. Er hielt sein Handy jetzt normal in der Hand und folgte dem Ton. Ich folgte ihm. Irgendwie seltsam. Welcher normale Mensch verlässt ohne sein Handy heutzutage noch das Haus?

"Er wird unsere Beziehung doch nicht missverstanden haben und hat sich deswegen etwas angetan?" fragte ich unbehaglich.

"Quatsch."

"Wie bitte?"

"Unsinn. Er wird es vergessen haben. Naruto würde sowas nicht tun. Und er hat auch nichts missverstanden."

"Na wenn du meinst. Ich kenne den Knaben ja schließlich nicht."

"Genau. Du kennst ihn nicht."

Sasuke war plötzlich fast aggressiv. Machte er sich doch Sorgen? Das Klingeln wurde immer lauter und ich fand mich hinter ihm in einem seltsamen Raum wieder. Eine Art Atelier anscheinend. Es roch nach Farbe. Farblöser stand herum und ich hielt mir die Nase zu. In der Mitte entdeckte ich eine Staffelei.

Sasuke hatte mittlerweile das Handy entdeckt und schaltete es aus. "Wie gesagt, er ist nicht da."

"Schade."

"Willst du was trinken."

"Mh," ich nickte.

Während Sasuke ging blieb ich noch ein wenig und sah mich um. Ich konnte wirklich nicht sagen, was mit diesem Raum nicht stimmte, aber etwas stimmte nicht. Dabei war er sehr schön eingerichtet. Sehr – nun – natürlich. Naturverbunden. Sogar ein Bett stand da aber trotzdem, er sah so – unbenutzt aus. Ich schüttelte das unbehagliche Gefühl ab. Die beiden waren ja erst eingezogen. Stattdessen ging ich auf die verdeckte Leinwand zu und zog das Tuch zur Seite.
 

"In Ordnung. Ich riskiere es."

Itachi grinste nur, als habe er es vorher schon gewusst.

Verdacht

Ein Mensch mit Körper hätte mich – oder uns – vielleicht beneidet. "Vermutlich. Da das Leben auf der Erde so hektisch ist und sich alles um Zeit dreht. Für die käme es sicher gerade recht, wenn das was sie denken auch gleich passiert."

Und das war einer der Nachteile. Man konnte seine Gedanken nicht geheimhalten. Aber es war eigentlich nicht Itachis Art meine Gedanken und Gefühle zu belauschen. Offenbar machte er sich mehr Sorgen um seinen kleinen Bruder, als er nach außen hin zeigte. Wäre mir das nicht klar gewesen hätte ich ihm gesagt, er soll sich aus meinem Kopf raushalten oder ich belausche sein Herz.

Wir wussten, wo Sasukes Frau – oh Mann – sich befand. Nämlich in meinem Atelier. Deswegen klebten wir beide am Fenster und beobachteten sie. Auf mich wirkte sie wie eine ganz normale Schicki-Micki-Tante. Also das war nicht das, was ich mir für Sasukes Glück wünschte.

Meine Finger verkrampften sich, als sie das Tuch von meiner Skizze zur Seite hob.

"Was ist das denn? Ein Grabstein? Wie makaber," dachte sie. Dann sah sie sich wie befürchtet den Stein näher an. "Naruto Uzumaki, geb.: 10. Oktober 1990 gest.: 22. Oktober 2008."

"Seltsam, wieso malt er sein eigenes Grab. Obendrein noch den Sterbetag in der Vergangenheit. Hm, vor etwa zwei Jahren also? Kurz nachdem Itachi starb. Ob es damit etwas zu tun hat?"

"Hat es nicht," murrte ich.

Itachi kicherte.

"Karin," rief Sasuke.

"Ja, ich komme." Sie ließ mein Tuch los und wandte sich zum Gehen. Plötzlich hielt sie inne und sah verwirrt zum Fenster. Aber sie sah durch uns hindurch.

"Als ob sie merkt das wir hier sind," meinte Itachi. "Ich sagte doch, schwangere Frauen sind näher an der geistigen Welt."

"So hast du das nicht gesagt."

"Wie unheimlich. Man fühlt sich richtig beobachtet," dachte Sasukes Frau.

"Blöde..."

"Bist nur eifersüchtig," kommentierte Itachi meinen Missmut.

Immer noch suchend mit den Augen kam sie auf uns zu.

"Also Mut hat sie."

"Toll, das sie dir so gut gefällt."

Aber Karin war jetzt auf dem Holzweg. Sie suchte nach einer Kamera.

Fragend sah ich Itachi an.

Mit den Schultern zuckend meinte er nur: "Was es nicht geben darf wird eben nicht geglaubt. Man sucht nach natürlichen Gründen."

"Was es nicht geben darf wird nicht geglaubt," äffte ich seine Worte ironisch nach.

Er nahm es mir nicht übel. Stattdessen sah er wieder zum Fenster. "Menschen glauben nur was sie sehen."

"Und manchmal nicht mal das," warf ich ein.

Karins Gesicht war dem meinen jetzt so nahe, das sie mich hätte mit der Nasenspitze berühren können. Aber mittlerweile war mir das egal. Ich hatte etwas viel Interessanteres entdeckt. Die Seele von Sasukes zukünftiger Tochter. Sie hielt sich im inneren Energiefeld von Karin auf. "Wann verbindet sie sich mit dem Körper?" fragte ich Itachi.

"Ich fang drei Monate vor der Geburt damit an," antwortete mir anstatt Itachi die Seele.

"Hm?"

"Na ja. Ich werde immer mal wieder in diesen neuen Körper gehen, um meine Schwingungen anzupassen. Sonst..."

"Würdest du dich nach der Geburt nicht im Körper halten können?"

"Ja."

"Das wäre bestimmt schlimm für Sasuke. Tu mir den Gefallen, und – ähm – streng dich an."

"Das hat nichts mit Gefallen zu tun."

"Aber..."

"Keine Sorge. Es ist geplant, das ich geboren werde. Hab etwas mehr Vertrauen. Du warst doch schon drüben."

"Ja, schon."

"Wenn du eine erdgebundene Seele wärst," sie hielt inne, "so wie dein Freund da, würde ich überhaupt nicht mit dir reden."

"Ja, jetzt mach ich mir keine Sorgen mehr."

So arrogant konnte nur eine Seele denken, die schon ziemlich niedere und langsame Schwingungen hatte.

Ich sah mich nach Itachi um. Wenn sie ihn verletzt hatte, ließ er es sich nicht anmerken.

Karin hatte sich endlich abgewandt und ging. Zusammen mit dem Neuankömmling.

"Also kann sie mich nicht sehen, das wusste ich."

"Ja, tut mir leid."

"Nein, mir tuts leid das du so eine Seele getroffen hast."

"Schon gut. Ist nun mal das Schicksal. Freier Wille."

"Trotzdem."

Wir drangen fast zeitgleich in mein Zimmer ein.

"Sie hat ja recht." Itachi ließ sich rücklings auf mein Bett fallen. "Ich war noch nie drüben. Wie ist es so?"

"Ja, aber – doch nur weil du bei Sasuke bleiben willst. Bis du sicher bist, das es ihm gut geht. Sag mal, willst du deshalb so unbedingt, hast du deshalb so große Hoffnung in meine Anwesenheit?"

"Möglich."
 

Karin nahm mir das Getränk aus der Hand. Ich hatte mit Absicht etwas Alkoholfreies gewählt, aber angenommen, sie würde protestieren. Nachdenklich trank sie kleine Schlucke.

Wir schwiegen eine Weile, dann fragte ich sie, ob sie etwas sagen möchte oder auf dem Herzen habe.

"Nun ja. Wegen Naruto."

"Ja?"

"Ist er – gehört er zu dieser Gothikgruppe oder wie man diese Leute nennt?"

Diese Leute? Ich hatte keine Ahnung was Karin meinte, aber irgendwie gefiel mir nicht, was sie sagte. Vielleicht hatte ich sie auch falsch verstanden. Ich kannte Leute aus dieser Szene, es waren keine Lebensmüden, sondern Personen, die an den alten Sitten festhielten und dies auch auslebten. Ja ich fand es sogar ganz lustig, wenn sie mich fragten, wie geht es euch?

"Wenn du einem gewissen Vorurteil unterliegst und glaubst er besuche nächtens den Friedhof schwarz gewandet, dann nein."

"Er – malt – ziemlich gut."

Ich war stolz aber auch etwas pikiert. Naruto würde es nicht gefallen, das Karin offensichtlich sein noch nicht fertiges Gemälde betrachtet hatte, da war er sehr eigen. Und er würde es wissen. Gleich wenn er in sein Studio kam würde er es wissen.

"Ja, nicht wahr? Aber er möchte nicht, das man seine Bilder betrachtet ohne seine Erlaubnis. Und die würde er nicht geben, wenn das Gemälde noch nicht mal fertig ist."

Streit wollte ich keinen, aber ich hatte das Gefühl Naruto verteidigen zu müssen. Irgendwie fühlte ich mich sogar schuldig, weil ich nicht besser aufgepasst hatte.

"Oh. Das wusste ich nicht. Tut mir leid."

"Hm. Okay." Aber ich würde es ihm sagen müssen, dachte ich unbehaglich.

"Aber du hast einige seiner Werke schon gesehen, oder?"

"Natürlich."

"Kamen sie dir ähm düster vor?"

"Nein, überhaupt nicht. Wie kommst du darauf?"

"Du klingst immer aggressiver, Sasuke. Ich hatte mir überlegt, das ich es dir erlaube, dir und deinem Freund, mein Kind zu sehen. Für ein Wochenende hin und wieder."

"Wirklich? Das wäre großartig. Naruto würde sich auch freuen."

Ich freute mich tatsächlich, obwohl ich angenommen hatte, das mir das Kind egal sei. Und Naruto erst – er würde zur Glucke werden – das musste ich unbedingt sehen. Allein die Vorstellung ließ mich kichern.

"So, meinst du? Tja, ich weiß nicht, ob ich mein Kind jemandem anvertrauen kann, der sein eigenes Grab zeichnet."

"Was? Was redest du da? Naruto ist sehr lebensfroh. Hm, möglich das er diese Stilrichtung mal ausprobieren wollte."

"Nun, ich hoffe das du da recht hast. Jedenfalls möchte ich ihn kennenlernen. Ansonsten – nun ja, kann ich es nicht verantworten – du verstehst." Sie stellte das Glas lauter auf den Tisch als nöig.

"Dein Ton gefällt mir nicht, Karin. Und erpressen lasse ich mich erst recht nicht. Wenn du Naruto nicht akzeptierst ist es das Gleiche als ob du mich nicht akzeptierst. Vielleicht wäre es überhaupt das Beste gleich die Scheidung einzureichen, und dich zu outen?"

So weit hatte ich gar nicht gehen wollen. Aber es ließ sich nicht mehr ändern.

"Oh? Aber dann würdest du ebenfalls geoutet mein Lieber."

"Als ob mich das interessieren würde." Überrascht sah sie mich an. "Die Limo wartet unten noch auf dich."

"Verstehe. Na dann...ich wünsche dir wirklich, das du glücklich mit deinem kleinen ähm Künstler wirst."

"Das bin ich schon. Vielen Dank. Darüber musst du dir überhaupt keine Sorgen machen."

Karin wandte mir den Rücken zu und stolzierte zur Ausgangstür. Eigentlich hätte ich sie begleiten müssen. Irgendwie war ich ziemlich frustriert. Der Abend hatte so gut angefangen – und jetzt das. Naruto hatte recht gehabt. Ich hätte sie nicht herbringen sollen. Zwar hatte er es nicht laut ausgesprochen aber ich kannte ihn gut genug, um es auch so zu wissen.

Ich hörte, wie die Haustür im Schloss einschnappte und ging zur Spüle um meinen Saft auszuschütten. Dann ließ ich Wasser laufen und spülte das Glas aus. Ich ging zur Bar und schenkte mir einen Whiskey ein. Den brauchte ich jetzt. Während ich auf der burgunderfarbenen Couch saß, verfluchte ich mich selbst nochmal das ich sie so eilig hierher gebracht hatte. Naruto und ich sollten hier leben, keine Person wie sie hatte das Recht, mir solche üblen Gefühle zu machen. Zu schade, das Naruto sein Handy vergessen hatte. Gerade jetzt hätte ich ihn zu gerne im Arm gehabt. Aus einem Drink wurden sechs und obwohl ich gegessen hatte, spürte ich die Wirkung ganz schön.

Ich warf einen Blick zur Wanduhr. Schon halb zwei. Wo war er mitten in der Nacht. Ich trank mein Glas aus und stellte das ganze Geschirr in den Spüler. Selbst wenn er jetzt noch kam, er hatte sicher keine Lust mir jetzt Gesellschaft zu leisten und meine Fahne zu riechen. Also beschloss ich ins Bett zu gehn.
 

"Mutter?"

"Wer sonst, Kleines? Wie geht es dir?"

"Nun, den Umständen entsprechend. Ich habe eine etwas ungewöhnliche Bitte, Mutter."

"Als da wäre?"

"Kannst du dieses tolle Medium nochmal einladen? Renate?"

"Rebecca. Natürlich. Was ist denn passiert?"

"Ich weiß nicht. Ich hoffe, nun ja, hoffentlich nichts. Nur so ein Gefühl."

"Machst du dir Sorgen um dein Kind?"

"Auch."

"Das brauchst du nicht. Es ist ganz normal das..."

"Mutter, bitte. Ich weiß es selbst nicht genau. Tu mir einfach den Gefallen."

"Na schön. Ich werde versuchen eine Sitzung zu arrangieren."

"Danke dir. Sag mir dann bitte Bescheid, wenn es klappt."

"Natürlich."

Der weiße Hund

Eigentlich hatte ich vorgehabt, mich an der Tür bemerkbar zu machen, aber da Sasuke schon zu Bett gegangen war, konnte ich mir das sparen.

"Die Frau ist mir unheimlich," bemerkte ich zu Itachi und setzte mich auf mein Bett.

Ich hatte komplett vergessen, das Itachi sich da hingelegte hatte und unsere Energien vermischten sich, so dass ich durchrutschte und mich in der unteren Etage befand. Ich sah zur Decke. Wie weit war ich gefallen? Und noch wichtiger – hatte ich Schwingungen von Itachi an mir? Meinen Körper betrachtend konnte ich nichts davon erkennen. Glück gehabt.

Ein weißer Hund kam herbei gerannt und wedelte mit dem Schwanz. Ich bückte mich um ihn zu streicheln. Offen gesagt, ich hatte mich nie dafür interessiert wer hier wohnte. Während ich das freundliche Tier weiter streichelte sah ich mich um. Eine große Wohnung die so voller Möbel war das kaum Platz war. Große Räume, alle mit Teppichen ausgelegt, vorwiegend in Orange. Im Wohnzimmer wo ich gelandet war, saßen zwei Mädchen. Eine dunkelhaarig, die andere hellblond. Auch etwa im gleichen Alter. Ich vermutete, das sie wohl Freundinnen seien.

Ein dunkelhaariger Mann kam herein und holte eine Flasche mit einer goldgelben Flüssigkeit aus dem Schrank. Wenn ich es richtig verstand, dann wurde hier eine Geburt gefeiert. Zuerst die Beerdigung, nun eine Geburt. "Tja," sagte ich zu dem Hund, der sich jetzt vor mir auf den Rücken legte. "Das ist der Kreislauf des Lebens." Ich kraulte seinen Bauch. So einen Hund hatte ich noch nicht gesehen. Bestimmt ein Mischling.

Itachi kam herunter geschwebt. "Alles in Ordnung?"

"Ja. Besonders viel Sorgen hast du dir ja nicht gemacht. Was wäre gewesen wenn...oh."

Das stimmte. Itachis und meine Energien konnten sich gar nicht auf Dauer vermischen.

Mein neuer vierbeiniger Freund sprang auf und begrüsste ihn.

"Er spürt, das wir nichts Böses wollen."

Ich nickte nur beklommen. Das stimmte. Es gab nicht nur gute Geister.

"Wie ist es so? Dort wo du warst?" fragte Itachi ganz unerwartet.

"Wunderschön." Fragend sah ich ihn an. Er hatte Sehnsucht. Aber er würde nicht gehen.

"Weißt du, wenn du gehst, kannst du zurückkommen," versuchte ich es.

Endlich sah er mich an. "Das wäre nicht das Gleiche. Und vielleicht würde ich nicht zurückkommen wollen, nicht wahr?"

Dem konnte ich nicht widersprechen. Es gab keine Angst in der geistigen Welt. Nicht in der Höheren. Man machte sich keine Sorgen mehr um irgendwelche Leute, weil man ohnehin wusste, dass es ihnen gut gehen würde. Ganz egal, was sie auf der Erde durchmachten. Es gab nicht mal Zeit, darum...dauerte es sozusagen nur ein Augenzwinkern und man war mit den Seelen, die man liebte, wieder vereint.

Kein Mensch konnte das verstehen. Und ein erdgebundener Geist – die meisten fürchteten sich, wenn sie feststellten, das sie überhaupt nicht tot waren. Weil sie wegen irgendetwas Schuldgefühle hatten und sie geistig an die materielle Welt gebunden waren glaubten sie für etwas büßen zu müssen. Motto, lieber ewiger Geist als ewig in die Hölle. Nicht mal mir glaubte jeder von denen.

Meine Aufmerksamkeit wurde auf die beiden Mädchen gelenkt. Sie lachten und fingen an zu rätseln, warum sich ihr Hund so seltsam verhielt. Aber ihre Erklärungsversuche kamen nicht mal ansatzweise an die Wahrheit heran. Obgleich sie doch so einfach war.

"Vielleicht sollten wir gehen," schlug ich vor.

"Vor allem du."

"Wieso?"

"Sasuke schläft. Das sollte doch die Gelegenheit für dich sein."

"Nein. Er hat getrunken."

"Tja, leider. Aber – nicht so viel. Und mittlerweile wird er nüchtern sein. Ich meine, ein Versuch ist es wert."

"Nüchtern? Wie lange sind wir hier?"

"Lang genug."

Na schön. Ich konnte es ja versuchen. Wenn es Itachi half...

"...oder Sasuke."

"Du musst nicht ständig zeigen, das du weißt was ich denke. Fast jeder Geist kann das."

"Na dann. Worauf wartest du?"

"Wegen vorhin – diese Frau – sie macht mir Angst."

"Ein Geist, der von einem Menschen sagt, das er unheimlich ist und ihm Angst macht. Wenn das nicht verdreht ist."

"Ist eben so."

"Ich weiß, geht mir nicht anders." Itachi sah mich ernst an.

Er hatte recht. Vielleicht sollte ich mich besser beeilen.

Der Traum

Ich weinte. Ich merkte, obwohl ich doch schlief, das ich weinte und vor mich hinwimmerte. Aber aufwachen konnte ich nicht. Wie auch. Immerhin lag Itachi sterbend in meinen Armen. Immer wieder dieser Traum. Immer der Gleiche.

Plötzlich befand ich mich zusammen mit ihm auf einer hellen und warmen Lichtung. Zuerst kniff ich überrascht die Augen zusammen, aber dann merkte ich, das dieses Licht überhaupt nicht blendete. Es wärmte, beschützte mich. Und ich fühlte mich sicher. Eine Hand strich über meine Wange. Ich sah nach unten. Itachi lag immer noch in meinen Armen. Aber er sah mich an. Und berührte mich. Seine Lippen formten Worte, die ich nicht verstehen und nicht hören konnte. Aber ich war sicher, das er so etwas sagte wie, sei nicht traurig. Oder vielleicht auch, ich bin doch hier. Itachi setzte sich auf und ich konnte meinen Augen kaum glauben. Mit diesen Verletzungen konnte er sich unmöglich bewegen. Ach so ja. Das war ja nur ein Traum. Aber – er war nicht mehr wie die von früher. Er hatte sich verändert. Und er wirkte so real. Itachi streckte den Finger aus. Ich sah in die Richtung, die er mir zeigte. Am Himmel war ein Regenbogen zu sehen mit Farben, die ich noch nie gesehen hatte. Und die ich deshalb nicht mal benennen konnte. Direkt unter dem Regenbogen sah ich eine Lichtgestalt. Ein Engel, vermutlich. Er trug nur ein weißes langes Hemd ohne jede Verzierung. Einen Heiligenschein oder Flügel konnte ich auch nicht entdecken. Und seine Füsse waren barfuß. Eigentlich – konnte ich nur das Licht sehen. Er schien daraus gemacht zu sein. Es war, als warte er geduldig ab, bis ich fertig mit meiner Musterung war. Dann kam er langsam auf mich zu und berührte mich an der Wange auf die gleiche Weise, wie Itachi es gemacht hatte. Ein Gefühl der Liebe und des Friedens durchströmte mich. Ein Gefühl, von dem ich wünschte, es würde niemals wieder gehen.

Um mich zu berühren hatte er sich gebückt. Jetzt erhob er sich wieder und drehte sich um. Ich wusste, ich sollte ihm folgen. Itachi war auch aufgestanden. Aber er ging genau in die entgegen gesetzte Richtung. Wem sollte ich folgen? Ich wusste es nicht. Ich versuchte Itachi zu rufen, aber es ging nicht. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was hier los war, wollte ich dieser Lichtgestalt folgen. Itachi sollte das auch tun. Ich versuchte es noch einmal, aber kein Laut kam aus meiner Kehle.

Mir blieb keine Wahl als der Lichtgestalt zu folgen, die sich schon ziemlich weit entfernt hatte. Obwohl ich hinter ihr her rannte, gelang es mir nicht sie einzuholen. Der Engel da lief ganz normal, ich rannte was meine Beine hergaben aber die Entfernung zwischen uns wurde trotzdem immer größer. Das war schon frustrierend. Am Ende musste ich aufgeben. Nicht nur, das ich ihn aus den Augen verloren hatte, ich konnte einfach nicht mehr. Keuchend stützte ich die Hände auf meine Knie, bis ich wieder etwas Luft bekam. Dann rappelte ich mich auf und ging aufs Gerade wohl weiter. Wäre ich nur Itachi gefolgt. Aber – ich hatte so das Gefühl, das ich dem genauso vergebens hinterher gejagt wäre. Ich bemerkte, das ich selbst barfuß war. Unter meinen Füssen spürte ich weiches Gras. Es ging einen leichten Hügel bergauf und als ich ihn hinuntersteigen wollte, wurde mein Blick von zwei brennenden Hecken bedeckt. Sie brannten, aber sie verbrannten nicht. Trotzdem. Hier ging es nicht weiter. Sackgasse. Da würde ich niemals unbeschadet durchkommen. Ich beschloss, wieder zurück zu gehen, als ich eine Stimme lachen hörte. Eine Stimme, die ich verdammt gut kannte.

"Naruto?" Meine eigene Stimme war auch wieder da.

Keine Antwort.

Ich lief auf die Hecken zu und versuchte irgendwie da durch zu kommen. Warum ich das tat, wusste ich selbst nicht. Wer geht schon durchs Feuer? Aber im Traum tat man eben die verrücktesten Dinge. Natürlich berührte mich ein brennender Zweig. Ich zuckte zusammen, aber – er war nicht heiß. Licht, das nicht blendete. Feuer, das nicht brannte.

War Naruto wirklich dahinter? Ich hatte jetzt keine Angst mehr, ich wollte es nur noch wissen. Mit beiden Händen griff ich nach den lodernden Zweigen und bog sie auseinander.

Ja. Er saß auf der anderen Seite eines Sees und ließ seine Füsse im Wasser baumeln. Jetzt konnte ich auch erkennen, warum er lachte. Fische, die wie Heringe glitzerten sprangen hoch, berührten seine Nase wie bei einem Kuss und ließen sich zurück in den Teich fallen.

Naruto selbst platschte wie ein kleines Kind mit nackten Beinen im Wasser.

"Naruto? Bist du das wirklich? Was machst du hier?"

"Endlich bist du da Sasuke. Ich war nicht sicher, ob du kommst."

"Was? Natürlich komme ich. Wo sollte ich sonst hin?"

"Ich meine, ich war nicht sicher, für welchen Weg du dich entscheidest. Du hättest ja auch den anderen nehmen können."

Verwirrt schüttelte ich den Kopf und wollte durchs Wasser waten.

"Nein," stoppte mich Naruto. "Hier rüber kannst du nicht. Aber wenn du willst, dann warte ich hier auf dich. Jeden Tag. Jede Nacht."

"Ja."
 

Ich öffnete die Augen. Ein Traum.

Ein kaltes Bett

"Was mache ich hier eigentlich? Ich muss verrückt geworden sein. Bestimmt die Hormone." Nur weil dieser Junge etwas – nun – verdreht war, vielleicht hatte er so etwas wie Todessehnsucht. Oder war es wirklich Kunst? Nein, kein Künstler malte sein eigenes Grab. Und ich ließ mich dadurch auch noch verwirren.

Ich erhob mich und machte mich auf den Weg nach draußen.

Gut, die Atmosphäre in diesem Raum hatte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken gejagt. Und kaum hatte ich das furchtbare Bild gesehen, fühlte ich mich penetrant beobachtet. Vielleicht wurde ich ja sogar wirklich beobachtet. Aber sicherlich nicht von einem Geist. Ich hatte keine Ahnung, wie ein Medium wie Rebecca es anstellte, so viele Details zu wissen, aber sicher nicht deswegen, weil ein Geist es ihr ins Ohr flüsterte. Trotzdem hatte ich ihr damals, als sie von meinem verstorbenen Onkel berichtete, jedes Wort geglaubt. So sehr hatte mich das beeindruckt. Aber, ich war eben noch jung und leicht zu beeindrucken. Und nebenbei – Rebecca sah umwerfend gut aus. Als sie dann auch noch sagte, mein Onkel ließe mir ausrichten, ich solle mich nicht verbiegen lassen, sondern die lieben, die mein Herz für mich aussucht, war ich fast zu Tode erschrocken, fiel beinahe in Ohnmacht und dachte schon nun kennt jeder mein Geheimnis. Zum Glück hatten die anderen mit die aber nicht eine einzelne die im Sinn gehabt, sondern mehrere Leute. Und so im Nachhinein betrachtet – sicher hatte sie bemerkt, mit welchen Augen ich sie ansah. Eine gute Menschenkennerin. Cold Reading. Davon hatte ich schon gehört. Nur – was wenn sie tatsächlich mit Onkel Erwin gesprochen hatte? Ich wurde verrückt. Und – Sasuke?

Nein, ich konnte ihn jetzt nicht im Stich lassen. Letztendlich war ich mit ihm verheiratet und erwartete sein Kind. Seine Depressionen, nach dem Tod seines Bruders, waren verständlich. Jedem konnte das passieren. Oder vielleicht doch nicht jedem. Es gab auch Leute, die mit so etwas sehr viel besser umgehen konnten. Eigentlich war Sasuke ein Mensch der sehr realistisch dachte. Er war intelligent und stand mit beiden Beinen auf dem Boden. Also was – wenn er – tatsächlich verrückt war. Was für ein Kind würde ich dann bekommen?

Ich blieb stehen. Es war doch so einfach herauszufinden, ob ein Naruto tatsächlich am 22. 10. 08 gestorben war. Ich musste einfach nur wieder zurück gehen, und mir die Akte hier auf dem Standesamt ansehen. Und wenn es so war – konnte ich ihn mit Rebeccas Hilfe in die Hölle zurückschicken. Das war ich Sasuke und meinem ungeborenen Kind schuldig. Wenn es sich nur nicht so verrückt anfühlen würde, ich seufzte und kehrte wieder um.
 

Obwohl ich mit einem Glücksgefühl aufwachte, fühlte sich mein Körper so müde an, als hätte ich überhaupt nicht geschlafen. Mein Geist dagegen war so klar und hellwach, das es keinen Sinn machte, weiterschlafen zu wollen.

Ich schlug die Decke zurück, schwang meine Beine aus dem Bett und schlüpfte mit meinen Füssen in die Pantoffeln. Herzhaft musste ich gähnen. Verdammt. Ich war so unendlich müde. Ein Blick auf den Wecker zeigte mir, das es erst vier Uhr in der Frühe war. Keine Zeit für jemanden wie mich zum Aufstehen. Und ausgerechnet heute hatte ich auch noch ein Essen mit einem unserer Kunden. Ein wichtiger Kunde, ein neuer Kunde. Ein gewisser Herr Yamato aus Japan. Wenn das klappte, brachte der gute Mann unserer Firma noch einige Millionen ein. Und nicht nur das – er war für mich noch etwas sehr viel Bedeutenderes. Bisher hatte mein Vater mich nur mit kleinen Leuten verhandeln lassen, die ohnehin schon Stammkunden waren. Mit dieser Geste wollte er mir zeigen, das er mir vertraute. Das er mich für fähig hielt, so ein Geschäft an Land zu ziehen.

Wegen Karin und Naruto, wegen dem ganzen Hauskauf und nicht zu vergessen, die idiotischen Flitterwochen hatte ich alles auf heute verschoben, was ich über den Mann in Erfahrung bringen wollte. Welche Sachen ich ihm präsentieren wollte, aber bis jetzt hatte ich nicht mal eine Präsentation und Rede angefangen vorzubereiten. Vielleicht war ich einfach tatsächlich noch nicht soweit. Klar, ich könnte Vater anrufen, aber das ließ mein Stolz nicht zu. Und Naruto wusste davon. Wenn ich nun zuhause blieb...was für ne Blamage, dann war ich wirklich nur ein Versager. Ich musste das hinbekommen.

Ohne es zu bemerken war ich zu Narutos Studio gelaufen. Ich warf einen Blick hinein. Ja, er war da. Sein Bett und vor allem die graue Decke erinnerten mich im Moment an einen Film mit Strafgefangenen. Die hatten auch solche groben, unbequem aussehende dunkelgraue Decken gehabt. Warum schlief er überhaupt hier? In der Schweiz – hatte ich mir doch alle Mühe gegeben, eigentlich war es nicht normal, das er seine Nächte hier verbrachte. Er sollte an meiner Seite sein.

Sicher hatte er einen Grund dafür, und ich war mir nicht im Klaren, ob ich ihn wissen wollte. Aber – er hatte gesagt, er liebt mich. Und darum...Moment mal. Das hatte er nicht. Früher – ja. Aber seit wir uns wieder getroffen hatten – kein einziges Mal. Diese Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. War ich so blind gewesen? Warum war mir das nie aufgefallen?! Auch im Hotel, als ich mit ihm geschlafen hatte, es war alles so steif gewesen, so unnatürlich. Ich wollte sein Gesicht sehen, seine Augen, aber er hatte sich abgewandt und seitdem hatten wir vielleicht schöne Worte ausgetauscht und sonst nichts. Aber – er – nein, nicht mal schöne Worte. Wieso war er dann überhaupt hier? Ich drehte mich beunruhigt um und ging ins Bad. Kurz überlegte ich, ob ich mir etwas zum Schlafen aus dem Medizinschrank nehmen sollte. Entschied mich aber dagegen. An Schlaf war jetzt überhaupt nicht mehr zu denken. Aber hier herumgeistern wollte ich auch nicht. Ich schleppte meinen müden Körper in ein kaltes Bett zurück.

Narutos Sterbeurkunde

Ich stand im Studio und verpasste meiner Skizze Farben. Von hier aus konnte ich Sasuke sehen, der draußen auf der Terrasse hin und herlief, bis er sich endlich in einen der Stühle fallen ließ.

"So fahl im Gesicht hab ich ihn noch nie gesehen," meinte ich besorgt. "Er sieht eher wie ein Geist aus, als ich. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, das wir..."

"Nein, schon gut. Sasuke sieht von Natur aus gut aus. Das er heute nicht so toll aussieht, fällt nur dir auf, weil du ihn eben gut kennst. Und ich glaub, für dich war es auch wichtig." Itachi stand direkt hinter mir.

"Kannst du mir ein bisschen mehr Platz machen? Wie kommst du darauf?"

Er trat einen kleinen Schritt zurück. "Nun ja. Jetzt kannst du dir sicher sein, das er dir folgt und nicht mir, wenn er die Entscheidung hat. Du warst doch unsicher, ob ich ihm nicht mehr helfen kann als du, oder nicht?"

"Du sollst dich aus meinen Gedanken raushalten."

"Hab ich. Das war nicht schwer zu erraten."

"Aber trotzdem...," von Itachi wusste ich, das Sasuke heute einen für ihn sehr wichtigen Termin hatte. Sasuke selbst hatte nicht viel davon erzählt. Ein Geschäftsessen, sagte er. Von Itachi wusste ich aber, das es sozusagen DAS Geschäftsessen war.

"Na, wir greifen ihm einfach unterstützend unter die Arme. Darum sind wir ja hier."

"Gut. Ich kenn mich mit Spielzeug nicht aus. Mach du das."

"Was machst du?"

"Ich werde mich um diesen Typen kümmern."

"Und mir sagst du, ich soll mich aus den Gedanken von anderen raushalten? In Zukunft lasse ich mir das nicht mehr von dir sagen."

Itachi verschwand. Es brachte nichts mir Sorgen um Sasuke zu machen, also malte ich weiter.
 

Mit schnellen Schritten lief ich die Treppen hinunter vom dritten Stock ins Erdgeschoss.

Tatsächlich war ein Naruto Uzumaki im großen Feuer umgekommen an jenem Tag, dem 22. Oktober 2008, das in der Homosexuellenbar LaPaix von einem oder mehreren Unbekannten gelegt worden war. Es war eine Riesenkatastrophe gewesen. Ich selbst war einige Male in dieser Bar gewesen. An jenem Tag nicht. Aber ich konnte mich gut daran erinnern. Auch ich hatte Freunde verloren. Und ich war auch auf der Beerdigung gewesen, auf der Mahnwache, überall. Damals kümmerte es mich auch nicht, ob man hinter mein Geheimnis kommen würde. Der Schmerz war einfach zu groß. Es waren nicht mehr viele identifiziert worden. Also gab es auch nicht viele Gräber. Und nur wenig Beerdigungen. Aber ein Riesenevent für jene, bei denen man nicht wusste, wer sie mal waren. Sozusagen ein Massengrab. Natürlich war die Stadt damit nicht einverstanden, aber letztendlich musste sie sich der Mehrheit beugen. Den Hinterbliebenen, Eltern, Geschwister und Freunden war diese Art der Beerdigung lieber gewesen als nur Kreuze ohne Namen. So hatten sie einen Platz zum trauern und konnten sich gegenseitig trösten. Zwar sagte uns die Polizei, der Tod sei sehr schnell durch ersticken eingetreten, da hätten sie nicht so leiden müssen, aber in meinen Ohren klang das ja schon fast sarkastisch. Damals. Und ob ich es glauben sollte...es war immerhin Brandstiftung gewesen, die Türen verschlossen, wer konnte schon wissen, ob die Flammen nicht doch so schnell um sich schlugen, das...und alles nur, weil sie jemanden liebten, den sie nicht lieben sollten.

Ich blieb stehen. Mich fröstelte. Keiner von meinen Freunden war erkannt worden. Anfangs wusste ich nicht mal, wer eigentlich dort gewesen war, oder ob überhaupt jemand dort war. Bis mich ihre Eltern anriefen. Es war nichts Besonderes, sie hielten mich für eine Heterofreundin. Da gab es viele. Die Jungs nannten sie scherzhaft "unsere Groupies", aber sie beschützten sie auch. Wenn ein Heterojunge kam und sich als Schwuler tarnte, um sich von einem netten ahnungslosen Mädchen "retten" zu lassen, flog er hochkant raus. Und auch sie – waren dem Brand zum Opfer gefallen. Die meisten waren – konnte man das Glück nennen – zu jung gewesen und hatten noch keine eigenen Kinder oder eine kleine Familie, außer ihrer eigenen.

Ich fragte mich, wer dieser Kerl war, den Sasuke bei sich wohnen ließ. Ein Hochstapler? Oder war es der Echte? Aber wer lag dann im Grab? Das war ja die Höhe. Wenn es der echte Naruto war, so zu tun, als läge er im Grab ohne Bescheid zu geben, das er noch am Leben war. Schlimmer noch, er machte sich lustig darüber. Malte eine Skizze. Ungeheuerlich. Aber ich würde mir das Bürschen vornehmen. Und zwar so lange, bis er auf Knien um Vergebung bettelte. Entschlossen klopfte ich auf meine Handtasche, in der ich die Kopie der Sterbeurkunde hatte. Damit würde ich ihn konfrontieren.
 

Ich saß auf dem Dach und sah Itachi zu, der an Sasukes Laptop saß. Es kostete ihn viel Kraft, für seinen Bruder die passenden Spielsachen samt Beschreibung in der Liste an die oberste Stelle zu bringen. Obendrein, musste er noch konzentriert und vorsichtig bleiben, um die elektrischen Schwingungen des Computers nicht durcheinander zu bringen, sonst würde er abstürzen, vielleicht sogar ganz den Geist aufgeben. Aber er war ziemlich geschickt. Neidlos musste ich anerkennen, das ich sowas nicht fertig bringen würde. Leider zeigte das aber auch nur, das Itachi schon viel zu lange in einer Umgebung war, in die er eigentlich nicht mehr gehörte. Auch für ihn, nahm ich mir vor, wollte ich seinem Bruder helfen, so gut es mir möglich war.

Sasuke war in seinem Stuhl eingeschlafen. Wenn er nach dem Aufwachen nicht in Panik geriet sollte das hier eigentlich gut gehen. Um diesen Geschäftsheini würde ich mich kümmern, falls es überhaupt nötig sein sollte.

Was danach kommt

Der Rest des Tages lief besser als gedacht.

Sasuke sah sich natürlich zuerst die Spielsachen an, die an erster Stelle standen, hielt sie für geeignet und erstellte eine Präsentation. Ich half mit, indem ich für Essen sorgte, seinen Anzug bereit legte und möglichst viel Ruhe verbreitete. Er sollte schließlich nicht gestresst oder nervös sein.

"Hoffentlich klappt das," meinte er trotzdem, als er seine Jacke überstreifte.

Ich klopfte auf seinen Aktenkoffer. "Alles was du brauchst ist hier drin und," ich ging auf ihn zu tippte auf sein Herz, "hier. Das klappt schon. Nein, ich bin sicher das alles so läuft wie du es willst."

Nämlich seinem Vater etwas beweisen, ihn beeindrucken. Aber ob er wirklich der Junior von der Fabrik werden wollte? Wenn er darin seine Berufung und sein Glück fand, war es ja in Ordnung. Nur – nicht jetzt. Ich würde ihn später nach seinem wahren Traum fragen. Im Grunde machte er jetzt das, was eigentlich Itachi zugedacht war. Früher, in der Schule, hatte er immer gesagt, wie froh er sei, das er bei diesem Spiel nicht mitmachen musste.

Sasuke küsste mich auf die Stirn. "Danke. Irgendwie glaube ich es jetzt selbst."

Ich sah ihm nach. Itachi lag schon seit einer ganzen Weile auf meinem Bett. So langsam bekam ich das Gefühl, das ich ein neues für mich brauchte. Wie das wohl auf Sasuke wirken würde? Hey, Sasuke ich brauch ein Bett. Warum, du hast doch eines. Na ja. Das ist immer besetzt.

"Du brauchst kein Bett," murmelte Itachi.

Ich wollte ihn schon ermahnen, sich aus meinen Gedanken heraus zu halten, aber – das war ja ohnehin sinnlos.

"Sag mal, vertraust du mir nicht, kann das sein?"

Er sah mich an. "Ich vertraue dir. Ist nur so ne Gewohnheit. Keine Absicht."

"Na dann. Ich geh mal nachsehen, ob ich gebraucht werde." Gerade wandte ich mich ab, als mir ein anderer Geist den Weg versperrte. Es war der Mann vom Friedhof. Der, der an jenem Tag beerdigt worden war.

"Hör zu, ich hab jetzt keine Zeit für dich," sagte ich sofort, bevor er mir mit irgendwelchen Anliegen kommen konnte. Für erdgebundene Seelen gab es genug Leute aus der geistigen Welt, die halfen und auch dafür ausgebildet worden waren. Von menschlichen Medien ganz zu schweigen. Von denen gab es immer mehr. Die Welt hatte sich diesbezüglich verändert.

Es war, als würde jemand den Teppich aufheben, unter den eine Hausfrau oder ein Hausmann jahrelang den Schmutz gekehrt hatte und ihn ans Tageslicht bringen. Nicht immer angenehm, aber – die Welt drehte sich im Augenblick schneller.

"Schon gut, ich wollte dich nicht bitten eine Nachricht zu überbringen, es ist alles in Ordnung."

"Ach ja?" Ich hob die Augenbrauen.

"Ja, ein tolles Medium, ich glaube ihr Name war Rebecca gab meine Nachricht meinen Söhnen weiter. Sie hatten sich um mein Erbe gestritten, weißt du? Aber ich hatte noch ein zweites Testament verfasst. Kurz bevor ich starb."

"Hm. Aber was machst du dann noch hier?"

"Na ja, das Licht – es ist weg." Unglücklich sah er mich an.

"Hatte ich dir das nicht gesagt? Du brauchst bloß auf die nächste Beerdigung zu gehen. Wenn der Geist dort ist, wird auch das Licht da sein. Geh einfach mit ihm zusammen rein."

"Geht das?"

"Sicher geht das."

Ich hatte es noch nie verstanden, warum so viele Geister bei ihrer Beerdigung anwesend waren. Aber vielleicht wollten sie einfach bei ihrer Familie sein. Oder waren neugierig, immerhin waren sie noch – recht menschlich. Dann gab es noch solche, die nicht mal wussten das sie tot waren. Die wurden zu ortsgebundenen Gespenstern.

Traurige Gestalten, an die man so gut wie überhaupt nicht heran kam.

"Was ist denn? Du siehst besorgt aus. Ist da ein Haken dabei, wenn ich mit einem anderen Geist zusammen ins Licht gehe?"

"Nein, überhaupt nicht. Es ist der Weg. So oder so."

"Was meinst du mit so oder so?"

"Auch wenn ihr ins gleiche Licht geht, heißt das noch lange nicht, das ihr am selben Ort herauskommt."

"Und was bedeutet das?"

Das siehst du schon, hätte ich am liebsten gesagt. Wie oft hatte ich es den anderen Leuten schon erklärt? Hundert mal, Tausend mal oder vielleicht auch mehrere Millionen Mal.

"Deine Schwingung fühlt sich gut an. Du wirst angezogen von dem Platz, an dem oder zu dem deine Schwingung passt. Kein Grund zur Sorge, wirklich."

"Und der andere?"

Oje. "Na, das weiß ich nicht. Dazu müsste ich ihm begegnen. Vielleicht hat er ne schlechtere vielleicht auch ne bessere Schwingung als du. Oder die selbe. Wär auch möglich. Dann kommt ihr doch noch an den selben Platz."

Endlich lächelte er. Zum Glück hatte er verstanden und glaubte mir. "Und? Was hast du so vor, wenn du da hin kommst?"

"Äh – wie?"

"Was du machen willst."

Sein Gesicht zeigte absolute Ahnungslosigkeit. Offenbar hatte dieses Medium nur einseitige Informationen weitergegeben. Eigentlich sollte es wissen, wie es zuging, bei uns.

Ich nahm ihn etwas beiseite. "Gut, hör zu. Zuerst kommst du in eine Art Zwischenwelt. Man kann es auch Übergang nennen. Egal."

"Das Fegefeuer?"

"Quatsch. So etwas gibt es nicht. Man wird sich dort um dich kümmern. Wunden deiner Seele heilen, du wirst lernen, mit deinem Geistkörper umzugehen..."

"Oh, das kann ich schon ganz gut. Ich brauche nur zu denken, das ich an einem Ort sein will und schon bin ich dort."

"Ja. Wenn du wirklich willst wirst du dort sein. Mit allem anderen ist es genauso. Es geht allein um deine Gedanken. Du darfst dir auch deinen Lebensfilm ansehen."

"Was ist das?"

"Es gibt eine Art eingebaute Kamera. Hast du mal vom dritten Auge gehört?"

"Ja. Aber ich dachte immer, das sei nur eine Erfindung von den Esoterikspinnern. Also weiß ich nichts darüber."

"Ist es nicht. Das dritte Auge nimmt dein gesamtes Leben auf wie eine Kamera. Was du getan hast, was du gedacht hast – eben alles."

"Ah, klingt cool."

"Solange du nichts zu bereuen hast, ist es das auch. Wenn Fehler dabei sind, aus denen du nichts gelernt hast, wird es gespeichert. Das musst du dann im nächsten Leben ausgleichen mit anderen Worten lernen."

"Hm. Also wenn ich jemandem Unrecht getan habe, werde ich bestraft."

"Nein. Es geht nicht um Bestrafung. Es geht ums Lernen. Nur so kann man wachsen. Unsere Seele oder unser Geist lernt die ganze Zeit. Ununterbrochen. Auf der Erde geht es am schnellsten. Aber – das nur am Rande. Wenn du noch nicht alles verstanden hast, wirst du mit solchen Dingen eben nochmal konfrontiert. Das hat nichts mit Strafe zu tun. Die anderen beiden Dinge die wichtig sind, Vergeben und Lieben. Auch das muss man lernen."

Er strahlte. "Lieben kann ich. Sogar sehr."

"Ja. Versteh ich gut."

"Und – nach dem Übergang?"

"Kommst du in jene Welt die deiner Schwingung entspricht."

"Was ist, wenn mein Sohn in eine andere kommt. Wenn es soweit ist?"

"Ist seine Schwingung niedriger kannst du ihn besuchen. Ist sie höher muss er dich besuchen. Aber ob eine Schwingung höher oder niedriger ist, das hat nichts mit dem menschlichen Denken von besser oder schlechter zu tun."

"Verstehe."

"Gut, dann – hält dich hier nichts mehr. Richtig?"

Er nickte. "Richtig. Und – danke, Naruto."

Ich war überrascht. Konnte er schon in meinen Geist eindringen? Oder hatte ich ihm meinen Namen gesagt? "Woher kennst du meinen Namen?"

"Von dem Medium. Es hat nach dir gefragt."

"Wirklich? Und – was hast du gesagt?"

"Das ich dich nicht gesehen habe. Ich wusste ja nicht, das sie dich meint. Als sie dich beschrieben hat und so weiter brach unser Kontakt ab."

"Wie hieß dieses Medium, wer hat es bestellt, woher weiß sie von mir?"

"Nun, es war ein Workshop. Organisiert wurde er von einer gewissen Miko und ihrer Tochter Karin. Es waren nur acht Gäste da. Zum Glück war mein Sohn einer von ihnen."

Karin also. Ich wusste, diese Frau würde mir noch Ärger machen.

"Danke dir. Hast mir sehr geholfen."

"Nein. Du hast mir geholfen. Ich danke dir."

"Musst du nicht. Du wirst Hilfe ohne Ende bekommen, wenn du sie nur willst, glaub mir."

"Eins noch, was meintest du mit, was ich vorhabe?"

"Das was ich gefragt habe. Oder dachtest du, wir schlafen dort? Also ich – als ich hin kam," ich musste lächeln bei der Erinnerung, "hatte ich mir als erstes einen Traum erfüllt, den ich schon lange hatte, aber auf der Erde hatte ich nicht soviel Geld. Und auch nicht den Mut."

"Was für ein Traum?"

Ich schloss die Augen. "Reiten. Ich habe Reiten gelernt. Ich habe als kleiner Junge Pferde geliebt, weißt du? Aber eines hat mich gebissen und ich hatte – Respekt. Weniger Angst, aber Respekt. Oder vielleicht war es doch eher Angst, als Respekt. Die Pferde akzeptierten mich nicht." Ich lachte. Es war eine Lernaufgabe, die ich verpasst habe.

"Und das bedeutet - du wirst im nächsten Leben mit Pferden konfrontiert?"

"Genau. Aber auch im Jenseits kann man schon daran arbeiten. Dann klappt es besser. Und auch mit anderen Dingen die ich nicht so gut hinbekommen habe. Das nennt man Karma. Ursache und Wirkung. Nach diesem Prinzip funktioniert alles. Na dann – ich wünsch dir alles Gute."

"Und ich wünsch dir viel Erfolg bei dem, was auch immer du hier vorhast, Naruto."

Er verschwand.

"Ich bin überrascht," meldete sich Itachi zu Wort. "Bist doch sonst nicht so mitteilsam und freundlich mit anderen Geistern."

"Weil es erstes nicht meine Aufgabe ist und zweitens habe ich es schon hundert mal gemacht. Ich wusste nicht, warum ich zurückgeschickt wurde. Nicht bevor ich deinen Bruder in diesem Hotel getroffen habe. Hätte nicht gedacht, das man mich wegen Sasuke herschickt."

"Du bist hergekommen, ohne zu wissen, worauf du dich einlässt?"

"Na ja, mir wurde gesagt, jemand der mir wichtig ist, braucht meine Hilfe. Also – bin ich gegangen. Ist doch klar. Aber viel wichtiger," ich drehte mich um."Was machen wir wegen dieser Frau?"

"Erstmal herausfinden, was sie weiß. Das kannst du mir überlassen."

"Verstehe. Na dann – ich geh mal und sehe zu wie es bei Sasuke läuft."

Ein guter Tag

Naruto machte sich gerade energiegeladen wie zu Lebzeiten auf, um Sasuke zu folgen, als er plötzlich innehielt und sich wieder mir zu wandte.

"Ähm – wohin eigentlich?"

"Typisch."

"Na ja, es wäre ja kein Problem bei Sasuke aufzutauchen, aber ER kann mich sehen. Das wäre vielleicht – komisch?!"

"Das wäre es allerdings. Er trifft sich mit seinem Geschäftspartner im Hotel "Waldfrieden."

"Die beiden sind schon da?"

"Ja."

"Und – was ist da so in der Nähe?"

"Hm," ich überlegte. Was war in der Nähe, was auch Naruto kannte? In diesem Hotel selbst war ich schon gewesen als ich meinen Vater begleitet hatte. Ansonsten verbrachte ich die meiste Zeit mit meinen wenigen, aber guten Freunden. Und da ich auch nie ein sehr geselliger Mensch gewesen war, zog ich es vor möglichst da zu verkehren, wo die Gefahr Leute von der Uni zu treffen, möglichst gering war. Aber all diese Plätze und Orte kannte Naruto nicht.

"Warum dauert das so lange?" wurde ich in meinen Gedanken unterbrochen.

"Am besten ich komme mit."

Überrascht sah er mich an. "Aha, ich wusste es doch. Du traust mir nicht wirklich."

"Nein. Das ist es nicht. Mir fällt nur nichts ein, was sich in der Nähe befindet und wo du dich hin beamen könntest. Ich meine, einen Platz den du auch kennst."

"Na gut. Und dann verschwindest du?"

"Hoch und heilig versprochen. Also – lass uns keine Zeit mehr verlieren."
 

Itachi führte mich zu einem mächtigen Baum. Dahinter lag ein kleines Cafe. Es war klein und sah sehr gemütlich aus. Richtig heimelig. Einen guten Geschmack hatte er. Ich konnte nicht mal Geister sehen, die hier nichts verloren hatten.

Als ich nach oben zur Baumkrone sah erkannte ich aber, das dieser Baum nicht nur sehr alt war, er trug auch keine Blüten. Ich legte meine Hand gegen den Stamm. "Uh. So schön es hier auch ist Itachi, dieser Baum ist innen drin ganz schön – krank."

"Ich hab ihn noch nie blühen sehen," meinte Itachi. "Dachte, es wäre normal?"

"Nein. Er stirbt. Mal sehen." Ich konzentrierte mich auf die Lebenskraft des Baumes und versuchte sie mit dem Universum zu verbinden.

"Du leuchtest," wurde meine Konzentration unverschämter weise unterbrochen. Aber wenn ich mich jetzt ärgern würde, würde mich das nur noch mehr aus meiner Konzentration reißen. Ich versuchte so gut wie möglich die abgestorbenen Zellen dieses Baumes im Boden verschwinden zu lassen. Die Natur würde sich darum kümmern. Und die frei gewordenen Stellen mit neuer Energie zu versorgen. Anschließend legte ich einen Schutz um den Baum. Dann nahm ich meine Hand weg.

"Und? Hat es geklappt?" fragte Itachi.

"Weiß ich noch nicht. Ich hoffe mal."

"Und – wie hast du das gemacht?"

"Mit meinen angeborenen Heilkräften," ich musste grinsen. "Ich wusste selbst nicht, das ich sie habe, geschweige denn, wie ich sie hätte einsetzen können."

"Eine deiner verpassten Aufgaben?"

"Nein, nicht wirklich. Das sollte ich ohnehin erst später lernen. Es war geplant, das ich jemanden treffen sollte, der meine Kräfte erkennen und sie mir erklären würde."

"Hm. Und dann wärst du eine Art Wunderheiler geworden."

Ich zuckte nur die Achseln. Das glaubte ich weniger, aber es war ohnehin ohne Bedeutung geworden. Als mir das Leben genommen wurde. Mord, Suizid und so weiter war niemals Teil vom Plan des Lebens. Es war unnatürlich. Wenn man seine Aufgabe erfüllt hatte, konnte man nach Hause. Dann verließ die Seele den Körper. Und manchmal war man noch jahrelang krank vorher. So wäre es bei mir gewesen. Drei Jahre hätte ich krank sein sollen. Auf meine Frage warum drei Jahre hatte man mir geantwortet, weil die die mich auf der Erde liebten, diese Zeit gebraucht hätten. Um klar zu kommen. Darum war es auch so schwer, jemanden durch Gewalt zu verlieren. "Wohin?"

Itachi zeigte auf die andere Straßenseite. "Einfach dort drüben über die Kreuzung, dann müsstest du es auch schon sehen."

"Ah ja verstehe. Ein großer Kasten also."

"Was sonst?"

Itachi winkte und verschwand. Ob er sich zuhause wieder ins Bett legte, hier noch rum lungerte, oder sich um Sasukes Karin kümmerte wusste ich nicht. Anders als er durfte ich mich nicht einfach in die Gedanken eines anderen einklinken. Ohne jede Erlaubnis. Bei Sasukes Geschäftspartner musste ich mich auf meine Menschenkenntnis verlassen. Dann konnte ich ihm helfen, aber auch nur insoweit, als das ich seinem Partner den guten Rat geben würde, zu zu greifen. Bei so einem guten Geschäft. Mehr war einfach nicht drin. Sonst würde ich Ärger bekommen.
 

Nachdem ich am Vormittag noch etwas geschlafen hatte, schien plötzlich alles wie von alleine zu laufen. Alles klappte wie am Schnürchen. Solche Tage gab es ja. Aber leider nur sehr selten. Und dann gab es noch solche Tage, bei denen man dachte, heute bleibe ich besser im Bett. Aber man stand dennoch auf und bereute es später dann.

Nun, wie auch immer. Dies war einer der guten Tage. Ich kam fast zeitgleich mit Herrn Abuku an. Gerade als ich zur Tür rein kam, setzte er sich. Perfektes Timing. Ich wartete kurz, bis er sich etwas zu trinken ausgesucht und es sich bequem gemacht hatte, dann erschien ich auf der Bildfläche. Natürlich war er ein reicher Geschäftsmann, der noch reicher werden wollte, aber er hatte auch eine sehr menschliche Art an sich, die die Atmosphäre bei Tisch schnell auflockerte. Wir erzählten uns gegenseitig von den Lehrern unserer Schule und hatten eine Menge Spaß dabei. Nachdem Essen konnten wir endlich zum geschäftlichen Teil kommen. Herrn Abukus Lässigkeit und Narutos Zuversicht, die auf mich abgefärbt hatte, machten alles im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Kinderspiel. Ich merkte schnell, das ihm die Spielsachen, die ich zur Präsentation ausgesucht hatte gefielen, denn seine Augen glänzten. Dieser Mann hatte sich sein kindliches Gemüt bewahrt, das machte ihn mir noch sympathischer.

Das die Abwicklung unseres Geschäftes fast eine Stunde dauerte, war mehr eine Formsache. Die Verträge hätten an Ort und Stelle unterschrieben werden können, aber ich musste sie erst noch meinem Vater zur Prüfung vorlegen. Also machten wir einen zweiten Termin für den nächsten Tag aus. Dann verabschiedeten wir uns mit einem Händeschütteln.

Gut gelaunt verließ ich das Hotel.

"Wie ist es gelaufen?" wurde ich gefragt.

"Naruto? Du bist hier?"

"Ja, da gibt es ein kleines Cafe. Da hinten," er wedelte mit der Hand in die Richtung hinter sich. "Sehr schön dort. Ich dachte mir, ich mache noch einen kleinen Spaziergang. Und wen sehe ich da? Dich." Er grinste mich an.

"Also – jetzt ist der Tag wirklich perfekt."

Im Cafe

"Ja. Das finde ich auch," sagte Naruto. "Was hältst du davon wenn wir noch in das Cafe gehen und ihn feiern, bevor wir nach Hause gehen? Oder bist du zu müde?"

"Nein. Nein, überhaupt nicht. Wir gehen feiern."

"Okay."
 

Das Cafe war wirklich sehr schön. Die Einrichtung war dezent und geschmackvoll, aber gleichzeitig interessant. Und die Tische mit den Stühlen bestanden aus massivem dunklem Holz. Urig, irgendwie. Die großen Fenster, die auf der Sonnenseite lagen, wirkten wie ein ausgleichender Kontrast dazu. Aber es lag nicht so sehr an der Innenarchitektur, es war mehr die Ausstrahlung hier. Man kam herein und fühlte sich sofort wohl.

Ich sah mich etwas überrascht um. "Hier war ich noch nie. Sag mal, Naruto, kommst du denn öfters her?"

"Nein, ich bin selbst zum Ersten mal hier. Auf die Empfehlung eines Freundes hin."

"Eines Freundes? Wer denn? Kenn ich den?"

"Ah – oh – na ja...," stotterte er plötzlich herum. Es hatte mir schon nicht gefallen, das er einen Freund erwähnte, aber das hier war ziemlich verdächtig.

Leider wurden wir von der Bedienung unterbrochen. Sie schien eine Studentin zu sein und wie der ganze Laden hier ein angeborenes sonniges Gemüt zu haben. Ja, sie passte hier hin.

"Hey," wurde ich wie ein alter Freund begrüsst.

"Hallo."

"Was willst du haben? Weißt du´s schon? Wenn nicht, kann ich dir was empfehlen."

"Also – ich nehm einfach eine Cola und..." ich sah Naruto fragend an und registrierte, dass das Mädchen sich schon umgedreht hatte und beim Gehen war.

"Also – das ist doch..."

"Beruhig dich. Ich hab ihr vorhin schon gesagt, das ich vielleicht nochmal zurück komme, aber nichts mehr trinken oder essen will."

"Wie?"

"Ja. Ich wollte dich überraschen aber ich wusste auch nicht genau, ob du mitkommst. Na ja, egal. Viel wichtiger, erzähl mal wie es gelaufen ist?"

"Was?"

"Na, dein Geschäftsessen? Hast du die Verträge schon unter Dach und Fach?"

"Nein ich muss sie zuerst Vater vorlegen, aber Herr Abuku war...stop, das war es nicht was ich meinte." Ich hob beide Hände hoch. Der wollte doch nur ablenken.

"Was meintest du denn dann?"

"Ähm...," ich sah auf den Tisch. Was genau war das nochmal? Ich war schon dabei gewesen, es wieder zu vergessen. "Du sagtest, du wärst selbst zum ersten mal hier. Und jetzt sagst du, du warst gerade vorhin erst hier. Und du hast mir auch nicht gesagt, wer dieser Freund ist. Ich kenn den, oder? Ist es Kiba? War es der?" Nein, vermutlich nicht. Der verkehrte eher im Freien und in Parks oder an anderen Plätzen, Hauptsache Hunde waren anwesend. Und in ein Cafe durfte man nur selten einen Hund mit hinein nehmen. Soweit ich wusste, brauchte man dafür eine besondere Erlaubnis vom Gesundheitsamt. Und die bekam nicht jeder. Eher Leute, die blind waren und so weiter. Aber wenn man draußen saß, war es vielleicht erlaubt. Also war es vielleicht doch Kiba. Oder Shino? Nein, der war nicht so mitteilsam.

Das Mädchen kam zurück und stellte mein Getränk vor mir ab. Es war so kalt das selbst am Glas noch Wassertropfen herunter liefen. Ja, so mochte ich es lieber als mit Eis. Aber -

"Hör mal, willst du meinen Freund nicht wenigstens fragen, ob er was möchte?"

Naruto seufzte leicht genervt und stützte seine Hand auf den Kopf. Was hatte er denn? Ich hatte doch nichts Falsches gesagt. Und auch ganz freundlich.

Das Mädchen sah mich überrascht an. "Deinen Freund?"

"Ja. Naruto ist mein Freund. Mein bester Freund sogar. Wir sind unzertrennlich."

"Ooooh, ich verstehe, diesen Freund meinst du." Sie wurde rot im Gesicht, hielt das Tablett davor und kicherte. "Und er hat sogar einen Namen," lachte sie los. "Das ist cool. Das gefällt mir. Aber – tut mir leid. Ich bin schon in festen Händen." Immer noch lachend drehte sie sich um und verschwand hinter der Bar, so das ich sie nicht mehr sehen konnte.

"Die hat doch was am Kopf, oder?"

Ich wandte mich Naruto zu und zeigte mit dem Finger in die Richtung in der sie verschwunden war. Eigentlich hatte ich ihn fragen wollen, was er davon hielt, aber als ich sah das er die Arme auf dem Tisch verschränkt hatte, seinen Kopf darin verbarg und die zuckenden Schultern erkannte ich, das der Typ selber am lachen war. Verärgert nahm ich meine Cola hoch und trank einen Schluck. Die war gut. Kein billiger Ersatzkram oder mit Wasser gepanscht. Richtig gut. Dennoch – ich war anscheinend in das größte Fettnäpfchen getreten, das hier so herum stand.

Naruto kam wieder hoch. Aber als sich unsere Blicke trafen wandte er sich wieder ab, hielt die Hand vor den Mund und bemühte sich mit zuckenden Schultern um Beherrschung so gut wie es ihm wohl möglich war nur um nicht laut loszulachen.

"Okay. Anscheinend gibt es hier eine besondere Art von Humor die ich nicht kenne. Aber warum sagtest du, du warst noch nie hier?"

Um sich mit besagtem Freund zu treffen, wahrscheinlich, dachte ich.

"Ich meinte damit, ich war schon eine ganze Weile nicht mehr hier."

"Oh ja, richtig. Du hast das Land verlassen, oder? Bist in die Schweiz gegangen. Wann und warum genau eigentlich? Wenn ich so drüber nachdenke, weiß ich überhaupt nichts über dich seit wir – uns aus den Augen verloren haben."

"Ach, es wäre total langweilig, heute noch darüber zu reden, Sasuke, mach uns den Abend nicht kaputt. Echt jetzt."

"Und – jener Freund?"

"Welcher Freund?"

"Na der, der dir dieses Cafe empfohlen hat. Wer ist es? Warst du mit ihm hier?"

"Ja, einmal, aber ich will wirklich nicht darüber reden."

"AHA."

"Was aha?"

"Wann warst du mit ihm hier?"

"Sasuke, er ist schon vor ein paar Jahren gestorben, aber er ist – ich meine er war – ein toller Kerl und ich möchte nicht, nein warte..."

Naruto schien angestrengt zu überlegen und ich fühlte mich ganz elend. Hätte ich bloß nicht gefragt und damit alte Wunden aufgerissen. Niemand wusste besser als ich, wie es ist, wenn man einen Menschen verliert, der einem wichtig ist.

"Hm, ich weiß nicht genau ob ich ihm wirklich gerecht werde, wenn ich ihn als tollen Kerl bezeichne," grübelte Naruto.

"Schon gut, ich versteh schon."

"Wirklich?"

"Ja. Tut mir leid, das ich dich ausgefragt habe. Möchtest du jetzt vielleicht doch etwas trinken? Ein Bier vielleicht?"

"Also – na gut. Bestell mir eins." Naruto lächelte.

Erleichtert rief ich nach der Bedienung. Das Mädchen grinste allein schon bei meinem Anblick. "Noch ein Bier bitte," gab ich meine Bestellung auf und hoffte, das ich damit nicht wieder etwas sagte, womit ich mich blamierte.

"Ist gut."

Sie eilte davon und brachte das Bier sofort. Direkt vor meiner Nase stellte sie es auf einem Bierdeckel ab und zückte ihren Block, sowie einen Kugelschreiber. "Ich hab jetzt Schluss, also muss ich abkassieren," erklärte sie und schrieb auf den Deckel die Preise von Cola und Bier.

Ich sah mir den Bierkrug an. Auch das war ziemlich cool. Bier sollte in einem Krug serviert werden. Es hatte eine schöne weiße Schaumkrone und war eiskalt. "Fünfachtzig, bitte."

In meine Anzugtasche greifend, bemerkte ich erst jetzt, das mein Aufzug ziemlich unangemessen war für dieses Cafe. Ich holte meinen Geldbeutel und bezahlte nicht nur die Getränke sondern gab ihr auch ein fettes Trinkgeld.

"Danke. Ach weißt du," fügte sie plötzlich hinzu, "jemand wie du, es geht mich nichts an, ich weiß, aber jemand wie du findet doch an jeder Ecke ein Mädchen."

"Frechheit." Sicher war Naruto gekränkt. "Ich steh nun mal nicht auf Mädchen."

"Ach so? Na dann. Ist mir egal, nur – es gibt bestimmt auch nette Jungs oder?"

"Hä?"

"Ich meine welche, die du nicht bezahlen musst."

Mir schoss vor lauter Wut das Blut in den Kopf. Mit Sicherheit hatte ich eine knallrote Birne. "Naruto muss ich auch nicht bezahlen."

"Naruto. Klar. Den musst du nicht bezahlen. Das weiß ich auch. Tut mir leid, ich sollte wohl nicht so vorlaut und neugierig sein. Beruhig dich. Und nochmal danke für deine Großzügigkeit."

Sie ging, diesmal ohne zu lachen und ich hatte wieder den Eindruck bei der hingen nicht alle Nadeln an der Tanne.

Nun ja, es sollte mir egal sein. Aber es war eine seltsame Situation gewesen. Ich schob Naruto sein Bier zu und fragte ihn, ob er sie kennt.

"Wieso?" Naruto spielte mit dem Schaum.

"Ach vergiss es, ich will gar nicht darauf herum reiten. Lass uns nicht mehr herkommen, wenn sie Schicht hat. Irgendwie ist sie mir sympathisch, sehr sogar, aber sie ist auch - na ja - komisch."

"Aah, weil sie sagte, mich musst du nicht bezahlen?"

"Hm, ja," ich versteckte mein Gesicht hinter meinem Glas.

"Nein, ich kenne sie wirklich nicht und sie mich auch nicht. Aber vielleicht ist sie ja Psychologiestudentin und macht ein paar Tests." Naruto zwinkerte mir zu, während er gegen den Schaum pustete. "Und du in deinem Anzug bist echt verlockend als Versuchskaninchen."

"Oh, an sowas hab ich noch gar nicht gedacht." Das war möglich. Diese Psychoheinis waren alle nicht ganz dicht. Als ich Itachi auf dem Campus besuchte und mir die ersten begegneten, dachte ich es seien Nerds. Mathe- oder Physikstudenten die nur in Bücher sahen und vom Leben keine Ahnung hatten, aber es waren Psychologiestudenten.

Und die, die ich persönlich kannte, normal waren die auch nicht gewesen. Ich hatte öfters einem geraten, sich bei Gelegenheit mal von einem Kollegen behandeln zu lassen.

"Nun erzähl schon endlich," drängte Naruto. "Wie lief es denn nun, dein Geschäftszeug?" Er quengelte richtig.

"Also gut."

Ich erzählte ihm alles von Anfang an, wie nett Herr Abuku war, und wie angenehm es war mit ihm weil er, obwohl er so reich war trotzdem sehr menschlich gewesen war. Ja, ich kam immer mehr in Fahrt und war kaum noch zu bremsen. Im Nu war meine gute Stimmung wieder hergestellt und Naruto saß mir nur schweigend gegenüber, hörte zu und lächelte leise.
 

Den ganzen Weg über nach Hause blödeten wir herum genau wie in alten Zeiten. Also war der Weg recht kurzweilig, obwohl es schon nach Mitternacht war.

In der Wohnung fielen mir meine Gedanken wieder ein. Warum schliefen wir in getrennten Betten? Dafür gab es doch gar keinen Grund. Ich wollte ihn bei mir haben.

"Hör mal, Naruto," fing ich langsam an.

Naruto gähnte laut. "Oh Mann bin ich müde." Er sah mich aus kleinen Augen an. "Du bestimmt auch, Sasuke," lallte er vor Müdigkeit. Getrunken hatte er ja nichts. Er drehte sich um und hob die Hand während er Richtung Studio torkelte. "Nacht."

"Ja. Dann – schlaf gut."

Karin weiß alles

Ich schloss die Tür hinter mir. "Puh. Nochmal gut gegangen."

"Na ja," hörte ich eine wohl bekannte Stimme vom Bett her. "Wie lange er sich das wohl gefallen lässt?"

Ich beugte mich vor. "Itachi," fuhr ich ihn an. "Raus aus meinem Bett, verdammt."

Er winkte lässig mit der Hand ab. "Lass mal. Beruhig dich wieder. Im Gegensatz zu dir bin ich wirklich müde. Habe eine Menge Leute gescannt."

"Oh. Ah ja, hast du was raus gefunden?"

Was für eine blöde Frage, natürlich hatte er das. Es war mir nur peinlich, das er mich dabei erwischt hatte, dass ich so getan hatte, als ob ich viel zu müde sei um noch grade laufen zu können.

"Jede Menge."

Ich ging auf ihn zu und ließ mich auf mein Bett fallen.

"Warum siehst du so deprimiert aus? Ich habe doch noch gar nichts gesagt."

"Es ist schwieriger als gedacht."

"Mit Sasuke?" fragte er sofort alarmiert. Unwillkürlich musste ich lächeln.

"Nein, nicht mit Sasuke. Ich glaub, es geht ihm wirklich besser. Es geht eher um mich," stöhnte ich. "Es lässt sich einfach nicht vermeiden, hin und wieder etwas zu lügen. Das ist nicht so gut. Ich hoffe nur, ich kriege keinen Ärger."

"Hm. Welchen Ärger könntest du kriegen, wenn du – zurück gehst?"

"Vielleicht schicken sie mich nicht mehr hier her. Um jemandem zu helfen. Weil sie mich inkompetent finden. Zum Beispiel."

"Aaaah ja. Ich verstehe. Eigentlich willst du doch hierbleiben, oder nicht?"

"Weiß nicht. Es ist nur, heute war es wirklich genau wie damals. Ich habe für einen Moment sogar vergessen, das ich tot bin. Das war schon - aber selbst wenn es so wäre wie du sagst, ich könnte ja sowieso nicht hier bleiben. Lassen wir das, erzähl mir lieber, was du herausgefunden hast."

"Eigentlich habe ich das Gefühl, du hast dich auch verändert Naruto. Seit du hier bist."
 

Naruto fuhr erschrocken zu mir herum.

"Was? Wie – wie meinst du das denn?" Er sah sogar leicht panisch an sich herunter und kontrollierte seine Energiezentren.

"Nicht das," versuchte ich ihn aufzuklären. Überlegend strich ich mir die Haare aus der Stirn. "Deine Schwingungen haben sich verändert."

Naruto wurde noch blasser. Ich setzte mich auf. "Nicht wie du denkst oder befürchtest. Sie sind nicht negativ. Sie sind nach wie vor positiv, nur anders. Wie soll ich sagen? Sanfter? Ich glaube, du und Sasuke, ihr tut euch gegenseitig gut."

Naruto sah mir scharf ins Gesicht. "Willst du mich veräppeln? Du willst jetzt nicht ernsthaft mich und Sasuke miteinander vergleichen, oder?"

Langsam wurde ich auch ärgerlich. "Vergiss mal nicht, auch wenn Sasukes Geist noch in seinem Körper gefangen ist, irgendwann wird er frei sein. Tatsache ist, er ist so wie wir. Nur mit einem physischen Körper eben, an den er noch gebunden ist."

"Pah." Naruto drehte sich um und verschränkte die Arme. "Was heißt hier er ist wie WIR?"

"Oh nein, nicht wieder diese Leier."

"Ich kann nun mal keine Geister ausstehen, die sich an diese Ebene klammern."

"Warum nicht? Ich bin nicht hier um jemandem zu schaden, das weißt du ganz genau. Und neulich hast du sogar diesem Mann geholfen. Hat mich ehrlich überrascht."

"Aber du schadest hier, auch wenn du es nicht willst. Damit du dich überhaupt hier halten kannst brauchst du Energie."

"Ich nehme aber keine menschliche Energie. Ich kann die Wärme aus der Luft nutzen, oder auch die Energie aus einer Batterie. Es gibt viele Möglichkeiten. Was ist los? Du sagst das nicht ohne Grund. Also? Was hast du gesehen, das du so denkst."

Naruto gab keine Antwort. Ich hatte so das Gefühl, dass es nichts bringen würde, ihn weiter auszufragen. Aber es ging ja auch anders. Sicher war es passiert, als er zurückkam. Ich konzentrierte mich auf diesen Augenblick.

Vor meinem Auge tauchten Bilder auf. Eine Kneipe. Mit einer sehr schlechten Energie. Naruto ging hinein. Jede Menge Geister. Sie klebten förmlich an den Menschen. Ich schätzte mal, das diese Leute Alkoholiker waren oder Drogenabhängige zu ihren Lebzeiten. Viele dieser Geister sahen jung aus, aber ihre Energie – die war selbst für mich nur schwer auszuhalten. Dann sah ich einen Tisch, an dem eine einzelne betrunkene Person schlief. Er oder Sie war umringt von drei Geistern die sich in die Aura der Person drängten. Oh ja, das war schlecht. Wahrscheinlich wollten sie auf diesem Wege die Betrunkenheit erfahren. In der Aura waren solche Gefühle gespeichert. Und die betrunkene Person, die da schlief hatte keinen Schutz. Viel Mitleid empfand ich nicht. Selber schuld. Allerdings war ich angeekelt vom Verhalten der Geistwesen. Sie übernahmen keine Verantwortung für ihr Handeln im Diesseits, stattdessen machten sie mit ihren alten schlechten Gewohnheiten weiter. Ich klinkte mich aus.
 

Also, das hatte er gesehen und empfunden. Und wahrscheinlich nicht nur einmal.
 

"Na gut, wenn du es mir nicht sagen willst – aber Tatsache ist doch das wir das gleiche Ziel haben, nicht wahr? Vergiss meine Frage einfach. Viel wichtiger, Karin weiß alles über dich, Naruto."

"Sie weiß alles?" fragte er erschrocken. "Aber wie denn?"

"Na ja, sie weiß, das Naruto Uzumaki eines der Opfer war, die im LaPaix starben. Sie hat deine Skizze gesehen und sich aufgemacht, um zu erfahren was für einen kranken Typen Sasuke da bei sich wohnen lässt."

"Ich bin kein kranker Typ. Ähm – ich meinte, okay und weiter?"

"Sie hat auch Erfahrungen mit Seancen. Um es kurz zu machen, sie hält dich für einen Hochstapler, der Sasuke nur ausnutzen will, oder – aber das glaubt sie weniger – den echten, der seinen Tod nicht klar gestellt hat. Ich meine, der sich nicht gemeldet hat und sagte, hallo, ich war gar nicht dort, bin noch am Leben."

"Was geht sie das denn an? Sie liebt ihn doch gar nicht. Wenn hier jemand Sasuke benutzt, dann doch wohl sie." Naruto setzte sich wieder. "Was hat sie vor, hast du das in Erfahrung bringen können?"

"Sie will dich zur Rede stellen. Auf der einen Seite versucht sie Kontakt zu Naruto Uzumaki herzustellen indem sie es über ein Medium versucht. Meldet sich einer, ist klar – er ist tot. Auf der anderen Seite will sie herausfinden, ob hier der echte oder ein falscher Naruto Uzumaki wohnt und..."

"Kannst du aufhören von mir in der dritten Person zu sprechen?"

"Und ihn sich zur Brust nehmen."

"Nochmal – was geht sie das überhaupt an?"

"Du bist nicht beunruhigt? Hast du überhaupt verstanden, was ich gesagt habe?"

"Ein Medium kann mich nicht rufen. So einfach ist das nicht. Da müsste schon ein Bekannter von mir bei so einem Workshop sein."

"Sie könnte sich umhören."

"Und den Leuten sagen, sie will Kontakt mit meinem Geist herstellen? Damit blamiert sie sich nur. Die werden glauben sie sei verrückt."

"Sie könnte auch ganz einfach Sasuke fragen."

Naruto zuckte mit den Schultern. "Und wenn schon. Er hat einiges vergessen. Sogar Sakura und..." Naruto stockte.

"Was ist?"

"Kiba hat er nicht vergessen."

"Kiba? Kiba ist nicht der Typ für so was."

"Wenn sie ihm Geld gibt?"

Naruto hatte recht. Auch wenn Kiba nicht an Geister glaubte, an ein paar Scheine auf seiner Hand mit der er irgendwelchen Hunden helfen konnte, glaubte er bestimmt. Dafür würde er auch an so einer Seance teilnehmen.

"Nun, also wenn dein Geist dann dort gerufen wird und auftaucht, ist es klar für sie das der Naruto hier ein Hochstapler ist. Sie will dich damit konfrontieren und auffliegen lassen."

"Das – sagtest du schon. So ähnlich jedenfalls."

"Darum hab ich gefragt, ob du überhaupt zugehört hast. Sie weiß auch, das ihr getrennte Betten habt. Obwohl ihr ein Liebespaar seid. Also ist es nur logisch für sie zu glauben, du seist ein Hetero, der den labilen Sasuke um den Finger gewickelt hat und ausnutzt. Finanziell."

"Hab ich heute schon mal irgendwo gehört. Aber – warum glaubt sie das?"

"Vielleicht hat deine Kunst sie nicht so überzeugt. Ein armer Künstler, der nichts verdient. Aber rein zufällig große Ähnlichkeit mit einem verflossenen Freund hat. Und der Typ, der ihn mit Naruto anspricht ist auch noch verdammt reich. Warum sollte er nicht zugreifen?"
 

Ich stand auf und lief im Zimmer herum. Was sollte ich tun? Wenn ich mich bei einer Seance blicken ließ, erzählte sie es Sasuke. Würde ihm vermutlich auch das verdammte Bild zeigen. Und er würde sich an meine Beerdigung erinnern. Ich konnte mich noch so gut daran erinnern, als sei sie gestern gewesen. Es regnete extrem stark und der tolerante Priester baute es in seine Predigt ein. Sogar der Himmel weint, hatte er gesagt. Und daraufhin fingen alle an zu weinen, selbst die, die sich bis dahin noch beherrscht hatten. Nur Sasuke nicht. Sasuke stand da in seinem schwarzen Anzug und mit dem schwarzen Regenschirm, als wäre er irgendwo anders.

Und wenn ich nicht dort auftauchte, kam sie her um mich zu treffen. Dem würde ich auch nicht ewig ausweichen können. Im Gegenteil, ich musste sie treffen, um zu verhindern, das sie mein Geheimnis ausplauderte. Aber – wenn ich sagte, ja ich lebe noch, würde sie es ihm bestimmt trotzdem sagen. Und wenn ich mich als Hochstapler ausgab, erst recht. Davon abgesehen – konnte sie mich überhaupt nicht sehen, geschweige denn hören. Und Sasuke würde es erfahren. Das war viel zu früh.

Egal, wie hoch der Preis ist

"GRRRHHHH."

Er knurrt sogar schon, dachte ich.

Nachdem Naruto das ganze Ausmaß unseres Problems endlich mal begriffen hatte, verlor er die Nerven. Wie ein Tiger in einem Käfig, dem auch noch sämtliche Kabel in der Birne durchgebrannt waren, lief – nein, rannte er im Studio hin und her.

"Das geht nie gut. Oh mein Gott." Er griff sich in die Haare, zerrte daran und zerzauste sie. "Sasuke wird alles erfahren. Egal wie ich es drehe und wende. Da geht nichts dran vorbei. Er wird es erfahren. Er wird sich an die Beerdigung erinnern und daran, das ich gestorben bin. Es wird ihm bewusst werden das ich tot bin, und er wird mich dann nicht mehr sehen können oder hören. Gar nichts. Nein noch viel schlimmer. Ohhhhh Gott. Er wird glauben, er sei verrückt. AAHHHHHH."

"Oh Mann. Beruhig dich mal. Du gibst doch sonst nicht so schnell auf."

"NEIN! Halt dein Maul. Halt die Klappe, verdammt nochmal, oder ich schlag dir eine rein."

Ich beobachtete Naruto, wie er weiterhin von einer Ecke in die nächste rannte, sich aufbäumte, als sei er ein bockendes Pferd dann in die Knie ging, als hätte er schreckliche Schmerzen dann hoch sprang wie ein Känguruh und knurrend in die nächste Ecke rannte. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Nicht mal zu Lebzeiten. Immer mehr festigte sich bei mir der Verdacht, das er seinen kleinen Verstand vollkommen verloren hatte. Und wer wusste schon, wozu er dann in der Lage war?

"Uns fällt bestimmt was ein," sagte ich betont ruhig, während ich mich unauffällig nach einem Fluchtweg umsah.

"WAS? Was soll uns denn einfallen? Wir sind Geister. GEISTER."

Als ob ich das nicht wüsste. So langsam ging mir der Typ auf die Nerven und ich begann mich zu fragen, wie mein kleiner Bruder es mit ihm ausgehalten hatte. Wie er sich überhaupt in ihn verlieben konnte.

Naruto warf den Kopf in den Nacken und schrie: "DIESE SCHRECKLICHE FRAU."

Es klopfte. Schlagartig war er still. Und irgendwie – war das sogar noch unheimlicher als sein Anfall eben.

Es klopfte nochmal. Mir, oder besser uns, war ja völlig klar, wer da klopfte.

"Naruto? Ist alles in Ordnung?" hörten wir Sasukes Stimme von der anderen Seite der Tür.

Naruto versuchte sich zu beruhigen. Er atmete tief durch, strich sich über die Haare und über sein Tshirt. "Ja. Wieso fragst du?"

Seine Stimme hatte er noch nicht mal jetzt im Griff. Er klang so jämmerlich wie eine miauende Katze die vollkommen nass geworden war. Das sah übel aus. So richtig übel.

Naruto hatte recht. Wenn er es nicht hin bekam, war mein Bruder geliefert. Alles was er selbst und dann mit unserer Unterstützung, besonders der von Naruto, erreicht hatte, wäre nicht nur vergebens gewesen, er würde in eine noch tiefere Dunkelheit fallen, als zuvor und nie mehr heraus finden.

Mir kam eine Idee. Ich schickte sie Naruto telepathisch. Er fuhr herum und sah mich entgeistert an. "Das kann ich nicht tun."

"Wieso nicht?"

"Naruto was ist denn?" rief Sasuke und klopfte, diesmal energischer.

"Ich sag doch es ist nichts," Narutos Stimme klang wütend.

"Du lügst. Ich hab dich schreien gehört."

"A...ach ja?" Er klang echt ahnungslos. Dieser Dummkopf hatte wohl nicht mal gemerkt, das er herum brüllte.

"Allerdings. Du hast geschrien – diese schreckliche Frau."

"H...hab ich das?"

"Naruto, stell dich nicht dumm," warnte ich ihn. "Du kannst Sasuke jetzt nichts vormachen."

"Ja. Hast du. Naruto. Damit meintest du Karin, habe ich recht?" Sasuke klang seltsam ruhig. Als Naruto nicht antwortete, sagte er: "Mach bitte auf, Naruto. Ich möchte mit dir reden."

Eben hatte er noch getobt, jetzt war er ganz zahm. Mit zitterten Fingern schloss er auf und ging dann zurück um Sasuke Platz zu machen.

"Nur so kannst du deinen Hals jetzt noch aus der Schlinge ziehen," erinnerte ich ihn. "Wegen Karin – ich lasse mir was einfallen."

Naruto sah mich an, das man direkt Mitleid bekommen konnte. Ich hoffte darauf, das er meinen Rat annehmen würde und verschwand.
 

Naruto wirkte völlig aufgelöst. Seine ganze Aufmachung, alles an ihm, es wirkte als wäre er durch einen Fleischwolf gedreht worden. Sein Tshirt sah so schlapprig aus, als hätte er daran herum gezerrt und nicht nur das, als ich ihn weiter musterte erkannte ich am unteren Rand sogar Bissspuren. Seine blonden Haare, die sich sowieso nie bändigen ließen, standen nach allen Seiten unnatürlich vom Kopf ab, es lagen auch Haare auf dem Boden, er musste sie ausgerissen haben. Und – er zitterte am ganzen Körper. Ein Anblick, den ich nur schwer verdauen konnte. Vorsichtig nahm ich seine geballte Faust in die Hand und umschloss sie. Ich ging Richtung Bett, setzte mich darauf und zog Naruto zu mir runter.

Und ich wusste genau, das ich sehr behutsam mit ihm umgehen musste. Zwar ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich nicht gemerkt hatte, was ihn so bedrückte. Aber jetzt war mir alles klar. Wie dumm von mir. Aber es war keine Zeit mich über mich selbst zu ärgern.

Ich legte meinen Arm um seine Schulter und zog ihn an mich. Er war eiskalt. Oh Gott. Was hatte ich ihm damit nur zugemutet. Was hatte ich mir dabei überhaupt gedacht.

"Es ist alles gut, Naruto. Es – tut mir wahnsinnig leid. Ich habe nicht registriert, wie sehr dir das zu schaffen macht. Das war wirklich wirklich dumm. Gleich morgen reiche ich die Scheidung ein. Es ist mir egal. Alles. Es gibt nur dich, niemanden sonst. Verstehst du? Ich liebe dich. Du allein machst mich zu einem glücklichen Menschen." Vorsichtig küsste ich ihn auf die zitternden Lippen. Er sträubte sich zuerst ein wenig, dann gab er nach. Ich legte beide Arme um ihn, zog ihn vorsichtig aber fest an mich und hielt ihn. Bis er warm war, bis er nicht mehr zitterte. Ich hätte wissen müssen, das es wegen Karin war. Darum wollte er nicht mehr mit mir schlafen. Darum hatten wir getrennte Betten. Er wusste, sie bekam ein Kind. Mein Kind.

"Hab ich dir das schon gesagt?" fragte ich ihn leise. "Das Kind, es ist nicht durch natürliche Weise zustande gekommen. Karin würde niemals mit einem Mann schlafen. Und ich selbst," ich musste etwas lachen, "habe auch kein Interesse es mit ihr – zu tun. Oder zu versuchen. Ich glaube nicht, das es irgendwie klappen würde. Ich habe an dich gedacht, als ich – na ja, das Sperma abliefern musste. An wen auch sonst?!"

Es schien zu helfen. Ab und zu schnaufte er noch richtig auf als habe er keine Luft bekommen vor lauter Aufregung, und so war es wohl auch, aber er beruhigte sich. Und ich sagte nur die Wahrheit. Naruto legte seine Hand auf meinen Arm mit dem ich ihn hielt, und ich konnte spüren, das er sich wirklich beruhigte und das Zittern nachließ. Unser Abend war so schön gewesen, dass es das wohl gewesen war, was diesen Anfall ausgelöst hatte. Mann, Naruto. Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt. Stattdessen spielst du den coolen Mann, dem es nichts ausmacht. Sagen durfte ich ihm das jetzt nicht. Bloß keine Vorwürfe. Außerdem war es meine Schuld. Ich hätte es wissen müssen, ich wusste es. Naruto war nicht der Typ, der eine Scheinehe einging, um Versteck zu spielen. Er war einfach nicht der Typ, der anderen etwas vorgaukelte. Falschheit und Verstecken. Nein. Das war noch nie seine Stärke gewesen. Und meine auch nicht.

Ich hielt ihn noch fester. "Hast du gehört? Ich reiche morgen früh gleich als erstes die Scheidung ein. Ist mir egal, was meine Eltern denken. Wenn sie mir sagen, ich soll das nicht tun, sage ich , es gibt jemanden den ich liebe. Und wenn sie wollen, dann stell ich dich ihnen vor. Nicht als Freund, sondern als das was wir sind. Was du bist."

"Nein. Stell mich ihnen bitte nicht so vor."

"Wieso? Warum denn nicht?"

"Ich – na ja – nicht jetzt. Noch nicht."

"Okay." Ich nahm Narutos Gesicht in beide Hände und eine Welle der Glückseligkeit durchflutete mich wellenartig, als ich in seine blauen Augen sah und wärmte mein Herz von Grund auf, wie schon lange nicht mehr. Ich hatte das Gefühl, er würde mich in seine Seele schauen lassen und ich konnte nichts außer Liebe und Schönheit sehen und fühlen. "Ich liebe dich," flüsterte ich eindringlich und versuchte meine ganzen Gefühle in diesen Worten mitklingen zu lassen, damit ihn diese Wahrheit erreichen würde. Um es nachdrücklicher zu machen, küsste ich ihn erneut und diesmal wich er nicht zurück. Diesmal erwiderte er meinen Kuss sogar nach einem kurzen Zögern. Der schönste Kuss der Welt. Meine rechte Hand legte ich auf seine Brust und drückte ihn aufs Bett, während ich ihn mit der Linken am Rücken stützte. Endlich waren wir uns nahe. Anders als in diesem Hotel hatte ich das Gefühl, das wir uns jetzt erst so nah waren. Ich konnte sein Vertrauen fast schon körperlich spüren und legte mich neben ihn. Es war vielleicht nicht nötig da sie eher zur Verzierung gedacht waren, aber die oberen Knöpfe seines Tshirts öffnete ich, während ich seine Hand küsste. Einen Finger nach dem anderen, einen Knopf nach dem anderen. Er kam mir sehr – sensibel vor. Viel mehr noch als bei unserem allerersten Mal. Viel – verschreckter. Und ich wusste ganz genau, eine Bewegung zu schnell, eine Berührung zu früh, und ich verlor. Die paar Knöpfe waren schnell geöffnet, und darunter war der Stoff seines Tshirts zu sehen. Wie gesagt, es war nur eine Art Verzierung, aber sie gefiel mir, darum hatte ich es ihm gekauft. Sogar das liebte ich. Ihn so einzukleiden, das es seine natürliche Schönheit noch unterstrich. Ich streichelte seine Haare, er sah kurz auf meine Hand und schloss dann seine wunderschönen Augen. Welches Signal könnte eindeutiger sein? Vorsichtig küsste ich zuerst sein rechtes zartes Lid, dann das linke. Es wurde langsam schwierig für mich, mich zurück zu halten. Aber ich hatte Angst. Angst, er würde aufspringen. Angst, er würde mich anschreien, geh doch zu deiner Frau wenn du das willst. Und darum, konnte ich weiter machen. Ich nahm wieder seine Hand um sie zu küssen. Er öffnete die Augen und sah mich an. Ein Blick, als hätte er mich lange nicht mehr gesehen. Er brachte mich dazu, leise zu lachen. Und ich bekam eine Reaktion. Naruto lächelte mich an und ich konnte fühlen, das er jetzt wirklich entspannt war. Also gab ich ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, während ich mit der Hand sein braunes Tshirt hoch schob und küsste dann seinen Bauchnabel. Früher hatte ihn das immer zum Kichern gebracht. Und auch jetzt – fing er an zu kichern und wollte sich zur Seite drehen. Er drehte sich aber nicht von mir weg, sondern auf mich zu, so dass ich mein Bein auf seines legen konnte. Mein linker Arm lag noch um seinen Hals, den rechten nahm ich weg und legte meine Hand auf sein Hinterteil um ihn enger an mich zu ziehen. Er sollte ruhig spüren, wie sehr ich ihn begehrte. Als Mann wusste er ganz genau, das ich mich fast schon grenzenlos zurückhielt. Zumindest sollte er das wissen. Naruto legte seine Arme um meinen Hals und atmete nochmal auf. Ich verbarg meinen Kopf in der Beuge zwischen seinem Hals und seiner Schulter. Kaum zu glauben, das er immer noch nicht beruhigt gewesen war. "Es tut mir so unendlich leid," flüsterte ich ihm zu. Naruto schien wieder unruhig zu werden. "Sasuke, ich will – will, das es dir gut geht. Weil, weil ich dich liebe. Bitte vergiss das niemals. Niemals, hörst du. Ganz egal, was passiert."

Seine Stimme klang drängend. "Ich vergesse es nie. Versprochen." Naruto wusste, das ich so gut wie nie ein Versprechen gab. Nichts war schlimmer und enttäuschender für den anderen, als ihm ein Versprechen zu geben und es nicht zu halten.

Sein Becken hielt ich mit meinem Bein an mich gedrückt damit ich die Hand frei hatte um seinen nackten Rücken zu streicheln. Das Oberteil störte nun wirklich, ich schob es ganz hoch und er hob die Arme so das ich es leicht entfernen konnte. Diesmal – würde es anders werden. Dieses Mal würde ich meinen Instinkten folgen, agieren und reagieren. Denn dieses Mal waren wir beide offen füreinander – und ich wusste ganz genau was ihm gefiel.
 

Ich saß auf dem Dach, hatte die Beine übereinander geschlagen und sah auf die Straße hinunter. Ja, es gab eine Möglichkeit, das Karin Naruto sehen konnte, aber wie sehr ich auch grübelte, es ließ sich nicht vermeiden, das sie seinen Tod erwähnte. Es blieb praktisch nur eine Möglichkeit. Wir mussten ihr die Wahrheit sagen und hoffen, das sie es verstand und den Mund hielt. Wenn nicht – dann würde ich verhindern, das sie etwas sagte. Ich würde sie alles einfach vergessen lassen. Egal, wie hoch der Preis dafür im Jenseits sein würde.

Manche Dinge ändern sich nie

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Karins Schwachpunkt

Ich schloss die Tür zum Bad hinter mir.

"Und? Was hältst du von meinem Plan?" hörte ich hinter mir Itachi fragen.

Erschreckt fuhr ich herum.

"Du erschreckst dich, wenn du einen Geist siehst? Interessante Entwicklung," kommentierte er meine Reaktion.

"Quatsch, ich wollte nur meine Ruhe haben. Wieso respektierst du das nicht?" blaffte ich ihn an.

"Weil wir etwas unternehmen müssen. Und zwar bald. Das siehst du hoffentlich genauso? Nachdem ich dir alles erzählt habe, was ich in Erfahrung bringen konnte."

Ich ging an ihm vorbei und setzte mich auf den Klodeckel.

"Und das deine Schwingungen jetzt langsamer sind, erleichtert die Sache sogar noch."

"Nein," ich schüttelte den Kopf, "das ist gar nicht gut."

"Doch, es bestätigt ja nur, was ich von Anfang an wusste."

"Und das wäre?"

"Das du in Wirklichkeit mit Sasuke zusammen bleiben willst."

"Was nun mal nicht geht."

"Wieso nicht?"

"Ich habe drüben schließlich auch Aufgaben. Ist ja nicht so, als würde ich auf einer Wolke sitzen und Harfe spielen."

"Ah. Ja. Ich habe davon gehört. Was treibst du dort so?"

"Ich war in der Schule. Hab eine Ausbildung in Psychologie bekommen."

"Du und Psychologie? Wozu denn?"

"Na, um anderen Homosexuellen zur Seite zu stehen. Um sie zu unterstützen, sich selbst zu finden. Ihre Sexualität zu akzeptieren."

"Echt? Hattest du schon Einsätze?"

"Ja." Ich nickte. Provozierend sah ich Itachi an. "Erfolgreiche. Ohne mich hätten die vielleicht zehn Jahre gebraucht, um sich selber nicht länger zu belügen."

"Beeindruckend." Itachis Stimme klang sarkastisch.

"Was meinst du überhaupt mit – ich habe davon gehört?"

"Hab mal ein junges Mädchen getroffen. Sie beging Selbstmord. Die war auch im Jenseits oder im Licht, wie man es nennen will, und sie erzählte mir, sie unterstütze Menschen, die zu Selbstmord neigen. Also – unterstützen in dem Sinne, das sie versucht, sie dazu zu bringen, es eben nicht zu tun."

Ich nickte nur. Ja, das passte. So konnte man lernen, selbst wenn man auf der Erde versagt hatte.

Genauso wenig, wie das Leben aufhörte nach dem physischen Tod, hörte die Entwicklung der Seele auf. Ich war eigentlich zufrieden. Nein, mehr als das. Aber man hatte mir schon gesagt, das ich, das meine Seele irgendwann sicher wiedergeboren werden wolle. Denn wo konnte man schneller wachsen, als hier auf der Erde? Selbst, oder gerade weil man an diesen beschränkten, menschlichen Körper gebunden war, mit einem Gehirn das nur bipolar denken konnte. Im Vergleich dazu ging das Wachstum drüben wirklich langsam voran, auch wenn wir keine Zeit und keinen Raum kannten.

Vielleicht war es das. Hier lebte ich ja fast schon ein menschliches Leben. Musste auf die Uhr sehen, auf dem Boden laufen und solche Sachen. Möglicherweise waren meine Schwingungen deswegen langsamer geworden. Und obendrein noch diese körperliche Sache von eben. Auf ein Medium musste ich ja fast schon wie ein Erdgebundener wirken. Was mich wieder zu Itachi zurück brachte.

"Deine Idee hat einen kleinen Haken. Es ist ganz egal was wir tun, Karin wird Sasuke an die Beerdigung erinnern. Auch wenn das klappt mit unserer Verbindung und sie mich sehen kann und mich für einen lebenden Menschen hält, weiß sie ja schon von meiner Sterbeurkunde, richtig?"

"Richtig."

"Sasuke wird sich an meinen Tod und an die Beerdigung erinnern. Aber – er muss sich von alleine daran erinnern. Es akzeptieren. Dann kann er mich sehen und dann wird er wissen, das ich immer noch bin. Das ich immer noch lebe und immer noch ich bin. Und auch – das ich immer für ihn da bin. Nur, wenn man es ihm aufzwingt, also die Erinnerung, wird es ein Schock sein. Er wird alles ganz falsch verstehen. Er wird mich nicht mehr sehen können und – nicht glauben."

"Sasuke war eh nie der Typ, der an ein Leben nach dem Tod glaubte. Aber – genau deswegen sagte ich ja, wir sagen Karin die Wahrheit. Es sollte auch in ihrem Interesse sein, wenn es Sasuke gut geht."

"Wieso? Sie benutzt ihn doch nur als Alibi."

"Aber sie bekommt ein Kind von ihm. Glaubst du, sie will das dieses Kind denkt, sein Vater sei ein Verrückter? Von der ach so wichtigen hohen Gesellschaft ganz zu schweigen."

"Hm." Damit hatte Itachi natürlich recht. "Vielleicht – ist es ja einen Versuch wert."

"Wenn du eine bessere Idee hast, dann immer her damit. Du warst doch schon dabei ihn vorzubereiten, oder? Was sonst sollte der Mediumquatsch?"

"Na ja, ich dachte, es wäre besser wenn ich es ihm selbst sage. Als wenn er es von einem anderen erfährt. Ich könnte dann sagen, es ist wirklich real, Sasuke. Du bist nicht verrückt, glaub mir. So ungefähr."

Itachi wedelte mein Vorhaben mit der Hand zur Seite. "Das klappt nie. Aber Karin hat einen schwachen Punkt und den wissen wir. Also?"

"Na schön, ich mache mit."

"Prima."

"Moment mal. Was, wenn sie sich nicht drauf einlässt?"

"Das überlegen wir uns dann später."

Ich musste lachen. "Itachi, du wärst nicht du, wenn du keinen Plan für alle Fälle hättest."

"Den musst du nicht wissen, Naruto."

"Oha." Ich konnte es mir aber denken. Und wenn ich es mit Sicherheit wüsste, würde ich alles tun, um ihn davon abzuhalten. "Itachi?"

"Hm?"

"Du liebst Sasuke wirklich sehr."

"Ja. Tu ich."
 

Naruto blieb wirklich lange im Bad. Vielleicht hatte ich ihn doch unbeabsichtigt verletzt? Nein, das konnte nicht sein. Trotzdem war er plötzlich sehr nervös geworden. Besser, ich würde mal nach ihm sehen. Ich stand auf und ging zum Bad. Die Tür war verschlossen, das konnte ich von außen sehen. Nicht, das ich einfach hinein geplatzt wäre. Ich klopfte mit einem mulmigen Gefühl im Bauch an.

"Ja?" hörte ich Narutos Stimme sehr leise und gedämpft.

"Ist alles in Ordnung?" fragte ich besorgt.

"Ja. Ich komm gleich."

Das war wohl gleichbedeutend mit, verschwinde jetzt und warte gefälligst auf mich. Aber das war nicht Narutos Art, ich musste grinsen und bekam plötzlich das Bedürfnis, ihn ein wenig zu ärgern.

"Wenn du nicht laufen kannst, sag es. Dann trage ich dich."

"Ich kann laufen." Aha. Jetzt war seine Stimme viel lauter und energischer.

"Okay. Dann bin ich beruhigt. Ich warte im Wohnzimmer auf dich. Wenn du willst können wir uns noch einen Film ansehen?!"

"Gut." Das klang wenig begeistert. Früher mochte er das.

"So wie in alten Zeiten."

"Ja, gut."

Anscheinend störte ich hier. Ich drehte mich um und ging ins Wohnzimmer. Dort ließ ich mich auf die dunkelrote Ledercouch fallen und schaltete den maßlos übertrieben großen Plasmafernseher an. Ich zappte kurz durch, um zu sehen, ob ich einen Film fand, den Naruto mochte. Den wir beide mochten.
 

Ich seufzte und stand auf. Ein Spaziergang wäre mir lieber gewesen. Alleine. Ich hätte gerne etwas Zeit draußen verbracht um nachzudenken. Wir hörten das Summen von Sasukes Handy und reagierten gleichzeitig. Itachi starrte mich aus großen erschrockenen Augen an und ich ihn.

"Karin?" fragte ich.

Itachi nickte. "Schnell, beeil dich."

Ich hatte nichts anderes vor und stürmte aus dem Bad direkt ins Studio, wo ich mir schnell was leichtes über zog. Itachi war schon im Wohnzimmer. Im Gegensatz zu mir, konnte Sasuke ihn nicht sehen, also musste er keine Strecken zu Fuß zurücklegen und im Augenblick beneidete ich ihn darum.

Obwohl ich mich so beeilte tauchte Itachi schon bei mir auf, als ich noch damit beschäftigt war, die Schuhe anzuziehen.

"Karin hat Sasuke zu einer Seance eingeladen," informierte er mich knapp.

"Er hat bestimmt abgelehnt," vermutete und hoffte ich.

"Sie sagte, sie bringt einen gemeinsamen Freund von euch mit und es wäre schön, wenn ihr kommen würdet. Ihr würdet nicht enttäuscht werden. Außerdem sei es eine gute Gelegenheit, dich endlich mal kennen zu lernen. Und wegen deiner Mediumscheiße von vorhin..."

"Oh. Oh nein. Bitte sag mir nicht, er hat zugesagt."

"Fast hätte er. Aber dann meinte er, er müsse dich zuerst fragen."

Ich atmete auf. "Gut."
 

Naruto ließ sich neben mich fallen. Er sah richtig verführerisch aus, obwohl ich nicht sagen konnte, warum. Etwas war anders. Oder hatte sich verändert.

"Hast du einen Film gefunden?"

"Magst du lieber Action, Krimi, SienceFiction, Zeichentrick..."

"Zeichentrick? Nein, was Lustiges. Kommt was?"

"Was Lustiges? So ne uralte Komödie hab ich beim Durchzappen gesehen. Aber ist das dein Ernst? Wie wäre es mit Romantik?"

"Weißt du was? Eigentlich ist es mir egal." Naruto schmiegte sich an mich. Dann eben die Komödie. Ich überlegte, ob ich ihm jetzt schon von Karins Anruf erzählen sollte, aber ich hatte Angst es könnte uns die Stimmung verderben. Das Risiko wollte ich lieber nicht eingehen. Das hatte auch noch Zeit bis später.

Talent oder nicht

Von dem Film bekam ich überhaupt nichts mit. Ich konnte mir denken, was Itachi vorhatte, falls Karin nicht auf uns einging. Er würde sie besetzen. Und das hätte nicht nur fatale Folgen für sie und das Kind, sondern auch für ihn selbst. Vermutlich würde er dann für immer erdgebunden bleiben. Aber auch Karin würde bestenfalls eine Psychose bekommen. Unbewusst würde sie sich gegen die fremde Energie wehren, die sie manipulierte. Wenn es ganz übel kam, sah sie vielleicht sogar noch in ihrem Baby die Ursache des Problems und würde es möglicherweise töten. Derartige Dinge waren schon vorgekommen.
 

Erdgebundene Seelen wussten einfach nichts anderes, als das was sie ohnehin schon kannten. Säufer rannten hinter Säufern her, animinierten sie zum Trinken und machten sich dann in ihrer Aura breit, um die Illusion des Rausches zu spüren. Dann verließen sie die Aura des lebenden Körpers wieder, nicht ohne erheblichen Schaden anzurichten. Leider waren besonders die Alkoholiker für so etwas anfällig, die aufhören wollten zu trinken. Der psychische und physische Entzug kostete sie ihre ganze Kraft und ihr natürlicher Schutzmantel sank auf Null. Nach so einem "Rückfall" waren diese Leute natürlich extrem enttäuscht von sich selber. Die erdgebundene Seele bekam davon gar nichts mit. Sie hatte was sie wollte. Also gab es keinen Grund zu bleiben.
 

Casanovas oder Vergewaltiger rannten hinter Frauen und Männern her, deren Aura attraktiv auf sie wirkten, warteten bis sie im Bett waren und schickten ihnen sexuelle Phantasien, um sie in Stimmung zu bringen. Dabei war es ihnen egal, welches Geschlecht der Lebende hatte oder wie alt er war. Vielleicht waren diese Frauen oder Mädchen überrascht, das ihre Phantasien plötzlich irgendwie anders waren, als normalerweise. Aber auf die Wahrheit kamen sie nicht. Wenn das Mädchen im Dämmerschlaf war, drängten sie sich in ihre Aura und gaukelten ihr lustvollen oder auch weniger lustvollen, je nachdem was für ein Typ es war, Sex vor, um wieder das zu erleben, was sie zu Lebzeiten am meisten genossen hatten. Mit einem physischen Körper. Und die Leute wunderten sich dann, wieso ihr Traum so realistisch gewesen war.

Schlecht gelaunte Seelen verbreiteten schlechte Laune. Suchten Streit. Wenn sie den bekommen hatten, verließen sie ihr selbst ausgesuchtes Medium wieder und das wunderte sich dann wiederum, warum es so heftig auf irgendetwas reagiert hatte. War es doch sonst eigentlich gar nicht so seine Art.
 

Das war das was sie kannten, was sie sich zu Lebzeiten angewöhnt hatten, wo sie ihre Störung hatten oder eine Art Defekt. Und den lebten sie einfach weiter aus. Für diese Leute gab es keine Möglichkeit, mehr zu wissen. Weiter zu wachsen. Sie hatten einfach keine Ahnung. Sie waren wie ein Tropfen Wasser im Meer, der sich um schaute und andere Tropfen sah, aber keine Ahnung vom Meer hatte, mit dem er verbunden war.

Ich legte meinen Kopf in Sasukes Halsbeuge und sah ihn seufzend an. Er lächelte mir zu und lehnte seinen Stirn gegen meine Wange. Sein drittes Auge war geschlossen. Wenn doch nur Sasuke ein Medium wäre...das würde alles um so vieles einfacher machen.

"Bist du müde?" fragte er leise. "Schläfst du heute bei mir?"

Ich nickte.

Warum konnte er mich sehen, aber andere nicht? Was war der Unterschied? Er hatte doch sogar bemerkt, das ich mich verändert hatte.

"Sasuke, bist du eigentlich zufrieden?"

"Mehr als das. Ich bin wirklich glücklich. So einen tiefen inneren Frieden habe ich schon lange nicht mehr gespürt."

"Nein, ich meine – bist du zufrieden mit der Arbeit die du machst?"

"Warum fragst du?"

"Ist es nicht blöd, das du so unselbstständig bist? Das du die Erlaubnis deines Vaters einholen musst, bevor du ein Geschäft abschließt? Das er es erst mal kontrolliert? Wärst du nicht lieber dein eigener Herr?"

"Na ja. Es wird ja nicht immer so bleiben. Nur am Anfang. Später werde ich die Firma selbstständig leiten. Mein Vater will nur nicht, das ich es in den Sand setze."

"Aber es wird noch lange so bleiben. Und meine Frage hast du auch nicht beantwortet."

"Du meinst, ob ich damit zufrieden bin?! Ich wäre schon lieber mein eigener Herr. Aber – du weißt ja, das Itachi einen tödlichen Unfall hatte. Also bin ich sein einziger Sohn. Der einzige Erbe."

"Ich weiß. Itachi ist in deinen Armen gestorben. Aber verpflichtet dich das dazu, das Erbe deines Vaters anzutreten? Du warst nicht schuld an diesem Unfall. Also warum sollst du es ausbaden? Natürlich nur, wenn du lieber was anderes tun würdest. Und wenn ich mich richtig erinnere, dann wolltest du das."

"Ich weiß, ich habe dir das nie gesagt, Naruto. Aber Itachis letzte Worte waren – egal was du tust, ich liebe dich für immer – ich kann ihn doch nicht enttäuschen."

"Egal was du tust, ich liebe dich für immer!"

Sasuke nickte.

"Also nicht – wenn du meinen Platz ein nimmst, liebe ich dich für immer?"

"Vater – Vater hat schon einen Sohn verloren, in den er all seine Hoffnungen gesetzt hatte. Ich kann doch nicht einfach hingehen und sagen, ich geh jetzt meinen eigenen Weg. Es würde ihm das Herz brechen."

"Erstens – warum nicht? Zweitens – warum würde es das? Heißt das nicht, er benutzt dich nur? Als Ersatz weil du der Einzigste bist, der noch da ist? Wenn du ihm sagst, ich will was anderes machen, etwas das mich glücklich macht, und es bricht ihm das Herz, bedeutet es nicht das genaue Gegenteil von dem was Itachi sagte?"

Sasuke schwieg. Früher wollte er etwas Künstlerisches machen. Skulpturen bauen. Er hatte so viele Ideen und Inspirationen. Ich wusste mittlerweile, das diese Dinge in erster Linie aus der geistigen Welt kamen. Genauer gesagt, vom Geistführer. Also war er damals offen.

"Jetzt – wo du es sagst," flüsterte Itachi leise, "als ich damals meinen Körper verließ, sah mich Sasuke an. Er streckte sogar die Hand nach mir aus. Nach meinem Geistkörper. Während mein physischer Körper auf seinem Schoß lag."

"Denkst du, du wirst glücklich, wenn du dich deinem Vater verpflichtet fühlst und darum tust, was er von dir erwartet?" bohrte ich weiter.

"Ich bin glücklich, Naruto. Solange du bei mir bist, ist es egal, was ich mache. Dann bin ich glücklich."

"Bei dem ist Hopfen und Malz verloren," seufzte Itachi. "Ich weiß, was du vorhast. Du willst, das er dich zumindest fühlen kann. Am besten, sehen. Auch nachdem er weiß, das du ein Geist bist. Aber glaubst du ernsthaft, Sasuke wäre als Medium geeignet? Wenn er das Talent nicht hat, und er hat es nicht, ist er es nicht. Genauso wenig, wie jemand der vollkommen unmusikalisch ist, jemals ein guter Sänger werden könnte. Egal, wie viele Jahre er sich ausbilden lässt oder übt."

"Vielleicht hat er Talent. Es gibt Methoden, sie zu fördern, auch als Geist. Wenn das Tor erst mal offen ist..."

"Was redest du da, Naruto?"

"Ich unterhalte mich gerade mit einem Freund."

"Mit einem Freund?"

"Ich habe dir doch gesagt, ich kann Geister sehen."

"So – so genau hast du es nicht gesagt. Du redest mit einem Geist? Ist einer da?"

"Es gibt einige hier," kicherte ich.

"Und du kannst die wirklich sehen? Das war kein Witz?"

"Kein Witz."

"Übrigens, da wir gerade davon sprechen, Karin hat mich angerufen. Sie hat uns zu einer Seance eingeladen. Ein Freund von uns ist auch dort, ich weiß aber nicht wen sie meinte."

"Kiba. Sie meinte Kiba."

"Woher weißt du das?"

"Weil jedes Medium auch sensitiv ist."

"Was bedeutet das?"

"Ein Sensitiver kann in der Aura eines Lebenden lesen. Ein Medium kann beides. Also kurz gesagt, ein Medium ist immer auch sensitiv, aber ein Senitiver ist nicht zwangsläufig ein Medium. Medium zu sein, bedeutet nichts anderes, als das man mit dem Jenseits Kontakt aufnehmen kann. Und nein. Ich möchte da nicht hin. Ich kann meine eigenen Seancen halten, wenn ich will. Und Kiba kannst du auch treffen, wenn du willst. Dazu musst du nicht an einer Seance teilnehmen. Schließlich lebt er ja noch."

"K...k...kannst du auch – mit Itachi Kontakt aufnehmen?"

"Aber klar. Nichts einfacher als das."

Sasuke nagte an seiner Unterlippe. Vielleicht überlegte er, ob ich ein verrückter Spinner war, oder ob er es wagen sollte.

"Na ja. Es ist sicher einfach für dich. Du kanntest ihn sehr gut."

"Ich kenne ihn sehr gut."

Sasuke sah mich an mit einem Blick, als überlege er ob er wütend werden sollte, oder eher Mitleid empfinden solle.

"Sag ihm, es war meine Buttermilch. Er hat immer meine Buttermilch getrunken und behauptet es wäre seine. Davon kannst du nichts wissen."

"Buttermilch?"

Ich sah, wie Sasuke blass wurde. "Was – hat er gesagt?"

"Das du immer seine Buttermilch getrunken hast, obwohl du deine schon getrunken hattest. Das du behauptet hast, es wäre deine."

Sasuke sah nun tatsächlich so aus, als hätte er einen Geist gesehen.

Wie wahr.

"Woher weißt du das?"

"Und du hast mit einer Schere sämtliche Superman-Boxershorts von Itachis in Fetzen geschnitten. Weil du dich geärgert hast, das deine Oma dir welche mit kitschigen Zeichentrickfiguren geschenkt hat. Damals warst du sechs," gab ich Itachis Botschaft weiter.

"Aber – das kannst du nicht wissen. Ich habe es ja selbst vergessen. Wir waren bei Großmutter damals, nicht mal meine Eltern wussten es. Hab ich es dir gesagt?"

"Nein. Ich bin schockiert."

"Ich brauch was zu trinken."

Sasuke stand auf und ging zur Bar.

"Glaubst du wirklich, so eine Schocktherapie ist das Richtige? Besser als mein Plan?" wollte Itachi wissen.

"Jeder Plan ist besser als deiner. Ich weiß, du liebst ihn. Aber – du gehst zu weit. Wir reden hier von der Ewigkeit, Itachi. Und nebenbei – ich hab noch mehr Asse im Ärmel, als nur das hier," dachte ich.

Farben

Als ich zur Bar ging, bemerkte ich, das sich meine Knie anfühlten, als seien sie aus Wackelpudding. Ja, ich hatte Naruto wirklich geglaubt, als er sagte, er könne Geister spüren. Habe eine Ausbildung zum Medium in der Schweiz gemacht, oder was auch immer, weil jemand sein Talent erkannt hatte.

Aber das eben gerade – das war zuviel. Ich überlegte krampfhaft, ob ich ihm das erzählt hatte. Möglich wäre es. Auch wenn ich mich nicht mehr daran erinnerte. Als Itachi starb, hatte ich einen traumatischen Schock erlitten, der außer einer schweren Depression und Psychose auch eine Amnesie ausgelöst hatte. Mein Arzt hatte mir damals gesagt, es sei aus einer Art Selbstschutz geschehen und ich würde mich wahrscheinlich langsam wieder erinnern. Wenn ich eben dazu bereit sei, beantwortete er meine Frage nach dem Wann. Vielleicht nicht an alles, aber an das Meiste. Zugegeben, nach und nach kamen meine Erinnerungen zurück, aber eben nicht alle. Es machte mir nichts aus. Ich hatte gelernt, damit zu leben. Ich meine, es war nicht so, das diese Erinnerungslücken mein Leben beeinträchtigt hätten. Und es war gut möglich, das ich mich auch weiterhin an vergessene oder verdrängte Dinge erinnerte. Es kümmerte mich überhaupt nicht mehr. War mir egal geworden. Ich war der Meinung, das ich genug wusste. Und wenn etwas Unwichtiges nach wie vor im Unterbewusstsein brach lag, dann war es eben so. Schließlich konnte ich mich an die wichtigen Dinge erinnern. Ich wusste von Naruto, erinnerte mich an unsere Liebe, erinnerte mich auch an Itachi, natürlich auch an seinen Tod und auch das war wichtig, damit ich ihn verarbeiten konnte, mithilfe meines Arztes. Auch wenn ich am Anfang lieber nichts davon gewusst hätte. Es war, als ginge ich durch die Hölle.

Ich nahm den Shaker und stellte Orangensaft, Wodka, Cranberrysaft und Pfirsichsaft auf die Theke.

Aber – zu hören, Naruto zu hören, der sagte, Itachi habe gesagt, als wäre er da – das war etwas ganz anderes. Es war unheimlich. Ich sah Naruto an. Den Jungen, den ich über alles liebte. Mit dem ich mein Leben verbringen wollte, koste es was es wolle. Und der mir plötzlich so fremd vorkam. Als käme er von einem fremden Stern und sei direkt in meinem Wohnzimmer gelandet.

Ich ging hinter die Theke. Ich fragte Naruto: "Willst du auch einen Drink? Mit oder ohne Wodka?"

"Ja. Gerne. Für mich ohne. Für dich nicht? Ich dachte du trinkst nicht gerne Alkohol?"

"Ich brauch ihn jetzt aber."

"Tut mir leid."
 

Der tat so, als wäre gar nichts passiert. Wenn ich genauer darüber nachdachte, hatte er sich schon während dieses "Jenseitskontaktes" so benommen, als sei es das Normalste auf der Welt sich mit irgendwelchen Geistern zu unterhalten, aber das war es nicht, um so befremdlicher und unheimlicher war diese Sache.

Ich holte aus dem Schrank unter der Theke zwei Longdrinkgläser und einen Sieb. Aus dem Eisschrank nahm ich mehrere Eiswürfel und schüttete sie in eine Schale. Naruto trank solche Dinge gerne mit Strohhalm, oder? Ja, da war ich mir eigentlich sicher. Ich holte noch einen Strohhalm aus der Schublade. Das war praktisch. Dann wurden die Drinks auch nicht verwechselt.

Meine Gedanken waren ganz wo anders, als ich uns beiden einen alkoholfreien und einen normalen Sex on the Beach mixte. Selbst wenn ich ihm all das erzählt hatte, warum sollte er mir jetzt so etwas antun? Dafür war er nicht der Typ. Nein, das war absolut nicht seine Art. Aber die einzig andere Möglichkeit war ja dann, das er tatsächlich mit Itachi in Verbindung stand oder gestanden hatte.

"Ist Itachi noch da?" wagte ich mich vor, während ich uns beiden die Getränke einschenkte. Narutos Getränk hatte ich zuerst gemischt, damit keine Rückstände vom Wodka darin waren, auch wenn ich den Shaker ausgewaschen hatte. Ich warf noch zwei Eiswürfel hinein und steckte den Strohhalm dazu.

"Ja. Ist er. Er ist schon die ganze Zeit hier. Schon seit ich dich wieder getroffen habe."

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter.

Davon hatte ich bisher nur in Büchern gelesen oder es wurde von Schauspielern in irgendwelchen schlechten Horrorfilmen gesagt. Jetzt erfuhr ich zum ersten Mal wie sich so etwas anfühlte.

"U...und – warum?"

"Weil er dich liebt. Er will wissen, wie es dir geht. Dir helfen, soweit möglich."

"Als Geist? Wie denn?"

"Na ja. Zum Beispiel kann er elektrische Dinge beeinflussen. Einen Computer oder so. Er könnte die besten oder am meisten begehrten Spielzeug Produkte an erste Stelle einer Liste setzen, die du dir ansiehst, bevor du dich mit einem Geschäftsmann triffst."

Mit einem lauten Klappern fiel der Shaker zu Boden. Ich wusste genau, worauf Naruto anspielte und war dankbar, das ich mir meinen Drink schon ins Glas gefüllt hatte welches ich jetzt in die Hand nahm und auf einen Zug leerte.

Schon zuvor hatte ich mir mehr Wodka eingeschenkt, als zu dem Longdrink normalerweise verwendet wurde und da ich selbst Alkohol soweit wie möglich vermiet spürte ich auch die Wirkung sofort.

Naruto sah mich nur an. Er sagte nichts dazu. Ich hatte diesen Drink wirklich gebraucht. Vielleicht wusste er das ja. Wer war das überhaupt?

"Glaubst du, du kannst es akzeptieren?" fragte er mich plötzlich.

"D...das Itachi hier ist? Oder das du mit Geistern redest, was meinst du?" fragte ich unsicher zurück.

"Das unser Bewusstsein weiter existiert. Auch nachdem wir unseren physischen Körper verloren haben."

"Ich – ich weiß es nicht," antwortete ich ganz wahrheitsgemäß. "Ich habe mich noch nie wirklich dafür interessiert oder gar damit befasst. Und..." ich wusste nicht, was ich noch sagen sollte.

"Jeder Mensch hat die Fähigkeit mit der geistigen Welt in Verbindung zu treten. Du auch. Du kannst es üben. Wenn du willst. Ich zeig dir wie. Ich meine – wenn du willst."

"Wie denn? Irgendwie – verstehe ich überhaupt nichts mehr."

"Es sind die Farben. Und Energien." Naruto stand auf und ging zum Wohnzimmerschrank. Er suchte anscheinend nach etwas. Schließlich fand er was er gesucht hatte. Farbige Karteikarten, die mir als Erinnerungsnotizzettel dienten. Er nahm ein gelbes und rotes Kärtchen, legte die anderen zurück und kam auf mich zu. Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. Naruto gab mir das gelbe Kärtchen, das ich instinktiv entgegen nahm.

"Hier, halt es an deine Brust und schließe deine Augen."

Ich tat einfach was er sagte.

"Konzentriere dich auf das was du fühlst. Ist es eher warm oder kalt?"

Obwohl ich es eine ganze Weile an meine Brust hielt wurde es nicht wärmer. "Eher kalt."

Naruto nahm mir das gelbe Kärtchen wieder ab und gab mir das rote.

Überrascht stellte ich fest, das es sich warm anfühlte. Ich musste es nicht mal sagen, anscheinend konnte er es an meinem Gesichtsausdruck erkennen. "Ich wusste nicht, das man Farben fühlen kann."

"Nicht nur Farben. Man kann alles fühlen. Alles hat ein Schwingungsfeld. Lass es mich einfach so nennen. Im Grunde gibt es kein Wort dafür."

Er legte die Karten auf die Theke und ging wieder zur Schublade. Als Nächstes kam er mit zwei weißen Briefumschlägen zurück. Diesmal war es nicht so unheimlich. Ich merkte, das ich neugierig wurde. Naruto steckte jede Karte in einen Briefumschlag und mischte sie hinter seinem Rücken. Ich konnte mir schon denken, auf was das hier hinauslaufen sollte.

"Hat weiß denn keine äh kein Schwingungsfeld?"

"Doch. Aber das ist so hoch und fein, das es nicht so einfach wahrgenommen werden kann. Mit anderen Worten..."

"Rot und Gelb überlagern mit ihren Schwingungen die Schwingung von Weiß."

"Wow." Überrascht und auch irgendwie anerkennend sah Naruto mich an. Seltsamerweise fühlte ich mich stolz, als wäre ich ein Kind, welches zum ersten Mal in seinem Leben einen Satz vorliest vor staunenden Erwachsenen. "Du bist gut."

Ich fühlte ein dämliches Grinsen auf meinem Gesicht.

Naruto gab mir einen Umschlag. Er musste gar nichts sagen. Ich hielt ihn an meine Brust und schloss die Augen. Und ich wollte mehr Anerkennung. Bekam plötzlich Angst, falsch zu liegen.

Es fühlte sich kalt an. Dennoch fragte ich, ob ich zum Vergleich, zur Sicherheit auch mal den anderen haben konnte. Der war warm. Und ich war mir ganz sicher. Ich deutete auf den warmen Umschlag und sagte, "hier ist die rote Karte drin, also ist da die gelbe."

"Aber du hast schon gemerkt, das die Gelbe kälter war?"

Ich nickte.

Naruto öffnete die Umschläge und tatsächlich behielt ich recht.

"Das ist faszinierend," ich konnte nicht anders als meinen Erfolg zu feiern und auch eine gewisse Begeisterung zu empfinden.

"Ich kann es dir beibringen. Ich meine – viel mehr als das."

"Wieso nicht. Kann nicht schaden, oder?"
 

"Na schön," meinte Itachi. "Du hast ihm die Angst genommen. Und sein Interesse geweckt. Aber überzeugt hast du mich damit noch lange nicht."
 

Später lag Naruto neben mir im Bett. Er schlief und sah aus wie ein Engel. Nicht nur sein Äußeres, es war dieser Frieden, der sich auf seinem Gesicht spiegelte. Ich konnte es nicht in Worte fassen. Sanft, um ihn nicht zu wecken, strich ich ihm eine Strähne seines widerspenstigen blonden Haares aus der Stirn. Dann lehnte ich mich wieder zurück. Ich war viel zu aufgeregt, um zu schlafen. Naruto wollte mir eine Welt zeigen, eine neue Welt. Eine andere Dimension. Dort war es gleichgültig, ob man alt oder jung war, Frau oder Mann, es war egal, welche Religion man hatte, ob man reich oder arm war, eine Welt in der es keine Eifersucht gab oder Haß und Angst. In der es nicht mal Zeit gab. Ich konnte mir eine Welt ohne Zeit nicht mal ansatzweise vorstellen. Er sagte, er würde mir keine Versprechungen machen wollen, aber er würde mich lehren und unterstützen soweit ich selbst dazu fähig war. Aber es ginge nur, wenn ich es auch wirklich wollte. Und ich wollte. Selbst, wenn ich diese andere Welt nur einmal für eine Sekunde sehen könnte.

Ich beschloss, mit Karin zu dieser Seance zu gehen. Auch ohne Naruto, da es für ihn wohl uninteressant war. Mein Interesse war jetzt viel größer als je zuvor und ich wollte auch wissen, ob sie tatsächlich Kiba mitbrachte.

Kleine Planänderung

Ich saß im Schneidersitz auf dem Dach, nachdem ich mir von Itachi eine Predigt hatte anhören müssen. Es stimmte schon was er sagte, man konnte nicht mal eben von heute auf morgen ganz bewusst fremde Energiefelder wahrnehmen und Schwingungen auffangen. Dazu brauchte es jahrelange Übung und Erfahrung. Kurz – es brauchte Zeit und genau die hatten wir nicht.

Seufzend stützte ich mein Kinn auf die Hand und sah einem jungen Mann mit roter Jacke hinterher, dem ein Deutscher Schäferhund folgte. Ein Tiergeist, aber kein tierischer Beschützer. Nicht mal ich wollte alles sehen, wenn ich hier auf der Erde war.

Wenn ich mir das schon vorstellte. Wie ich mich vor Sasukes Augen durch die für ihn unsichtbare Menge schlängelte und ständig sagte, "Verzeihung, darf ich hier mal durch", oder auch "Entschuldigung, könnten Sie mich vorbei lassen."

Nicht nur, das er mich für verrückt erklärt hätte, auch für mich wäre das sehr lästig gewesen.

Nun, auch wenn ich Itachi in vielem Recht geben musste, eine bessere Idee hatte ich nun mal nicht. Ich musste Sasuke von Karin fernhalten und ihm helfen, seine innere Mitte zu finden. Vielleicht war das ja sogar mein eigentlicher Auftrag. Sasuke zu beweisen, das es auch danach noch weiterging und er darum nicht unglücklich sein musste, wenn er jemanden eine Zeit lang nicht mehr sehen würde. Und wer wusste das besser als jemand, der in der Lage war mit der geistigen Welt in Kontakt zu treten?
 

Die Sonne weckte mich. Irgendwie fühlte ich mich so happy wie nach einem wunderbaren Traum und streckte mich.

Ich wollte Naruto nicht aufwecken, nur nach ihm sehen, aber er war wohl schon aufgestanden. Sein Bett war noch warm, also konnte er nicht weit sein. Ich schwang meine Beine aus dem Bett und schlüpfte in meine Hausschuhe. Dann machte ich mich auf den Weg durch unser Appartement und rief seinen Namen. Keine Antwort. Seltsam. In seinem Studio konnte ich ihn auch nicht finden. Früher war es hin und wieder schon mal vorgekommen, das er so mit seiner Malerei beschäftigt war, das er nichts und niemanden um sich herum bemerkt hatte.

"Na schön, vielleicht holt er Frühstücksbrötchen," gähnte ich.

Auf dem Weg zum Bad fiel mir auf das es langsam nötig wurde aufzuräumen.

"Nein, holt er nicht," hörte ich Narutos Stimme hinter mir.

Erschrocken griff ich an meine Brust. Dann drehte ich mich zu ihm um und schnauzte ihn an, "Willst du das ich einen Herzinfarkt bekomme? Was fällt dir eigentlich ein, mich so zu erschrecken. Und sieh mal, wir sind noch gar nicht lange hier, trotzdem ist es schon so unordentlich."

Anklagend ließ ich meine ausgestreckte Hand durch den Raum schweifen, nur um festzustellen, das fast alles was hier an nicht gespültem Geschirr herumstand, Dinge die auf dem Boden lagen oder schmutzige Kleidung die über Stuhllehnen geworfen worden waren, von mir stammten.

"Wieso?" stammelte ich nur verdutzt. "Du bist doch der Messi von uns beiden."

"Messi?"

"Ich glaube, wir brauchen eine Putzfrau."

"Ich glaube, du brauchst eine Putzfrau."

"Seit wann – räumst du deine Sachen auf?"

"Schon lange. Du brauchst keine Putzfrau, räum deinen Dreck doch selber weg."

"Wo warst du überhaupt? Ich hab dich im ganzen Haus gesucht."

"Ich – oh, ich war auf dem Dach."

"Wir sind doch hier auf dem Dach."

"Ich war noch weiter oben, hab nachgedacht."

"Bist du verrückt geworden? Das ist doch viel zu gefährlich."

"Tut mir leid. Sag mal, was hast du heute so vor, Sasuke? Wie sieht dein Tag aus?"

"Hm! Ich muss Vater noch anrufen und mich mit ihm treffen. Am Besten zum Mittagessen. Ist das okay für dich?"

"Klar."

"Hey, willst du nicht mitkommen?" Mein Vater war zwar nicht begeistert gewesen, als er von unserer Beziehung hörte, aber er war auch nicht völlig dagegen. Vermutlich lag es daran, das er Naruto von klein auf kannte. "Er wird sich freuen."

"Du glaubst, er freut sich mich zu sehen, nachdem du endlich geheiratet hast und er sich darauf freut, Opa zu werden?"

"Auch wieder wahr."

"Und was machst du dann?"

Warum fragte Naruto so genau? Bisher hatte er kein Interesse daran gezeigt, wie ich meinen Tag verbringen wollte. Bestimmt hatte er sich da oben auf dem Dach eine romantische Überraschung für mich ausgedacht. Für heute Abend. Ich musste grinsen.

"Dann – dann hab ich Zeit, glaube ich."

"Was ist mit dem Geschäftsmann, wie hieß der noch? Musst du ihm nicht Bescheid geben? Und überhaupt, wieso grinst du so blöd?"

"Romantische Töne sind das ja nicht gerade. Ja. Dem gebe ich gleich Bescheid, wenn ich mit meinem Vater gesprochen habe. Aber dann habe ich Zeit für dich."

"Siehst du? Siehst du, wie abhängig du von deinem Vater bist?"

"Es ist ja nur für eine kurze Zeit."

"Darum geht es gar nicht. Du kannst dir nicht frei deine Freunde aussuchen und heiraten, wen du willst und du kannst nicht mal eigene Entscheidungen treffen, obwohl du genau weißt, dass das ein einmalig gutes Geschäft ist."

"Ah. Jetzt verstehe ich. Du bist eifersüchtig." Wie süß. Dabei hatte ich ihm doch erklärt, das ich Karin jederzeit aufgeben würde für ihn.

"Und ich verstehe, das du gar nichts verstehst," seufzte Naruto und wandte sich ab. "Ich geh mal in mein Studio. Wenigstens kann ich das tun, was ich möchte. Malen."

"Aber auch nur, weil ich das Geld dafür habe," rutschte es mir einfach heraus. Es ärgerte mich, das Naruto mich so behandelte. Als wäre ich ein Dummkopf. Und jetzt konnte ich es nicht mehr zurück nehmen. Verdammt. Ich machte mich auf einen Riesenstreit gefasst, ein Donnerwetter, das selbst die Leute im Erdgeschoss hören würden, auf ein "Aufnimmerwiedersehen" und lautes Türenschlagen und kniff schon mal die Augen zusammen.

"Nein," sagte Naruto einfach nur. "Dafür brauche ich kein Geld von dir, Sasuke."

War das alles? So kannte ich den ja überhaupt nicht.

Mein Handy vibrierte. Naruto wandte den Kopf. Der hatte schon immer unverschämt gute Ohren gehabt.

"Du trägst dein Handy selbst am Morgen mit dir herum?"

"Selbstverständlich." Ich nahm es aus der hinteren Hosentasche und sah auf die Nummer. Karin. Ausgerechnet. Naruto war eh schon eifersüchtig.

"Wieso gehst du nicht dran?" fragte er mich.

"Ist unwichtig. Ich ruf später zurück."
 

Sasuke drehte sich hastig um und verschwand Richtung Badezimmer. Jetzt log er mich schon an. Nicht gut.

"Sag mal Itachi, habt ihr noch euer altes Ferienhaus am See?" fragte ich in die Stille hinein. Ich wusste, er war da.

"Ihr beide seid ja wieder genauso wie damals. Ja, das haben wir natürlich noch. Aber ewig kannst du ihn dort auch nicht festhalten. Du weißt, er will zu dieser Seance. Und eigentlich ist das deine Schuld, weil du seine Neugier geweckt hast. Also was hast du jetzt vor? Dein ursprünglicher Plan ist damit hinfällig."

"Was – wenn ich dort auftauche? Bei dieser Seance."

"Bist du verrückt? Du bist wohl schon zu lange hier?"

"Das Problem war doch, das wir befürchtet haben, er könnte sich selbst für verrückt halten, wenn er daran denkt, mit einem eingebildeten Geisternaruto zusammen gelebt zu haben."

"Ja?"

"Aber was ist, wenn ich dort auftauche und die Dinge sage, die nur er wissen kann. Aus der Zeit, in der wir zusammen waren. Ich meine hier und jetzt. Die anderen Leute hören es auch."

"Du meinst, dann hat er Zeugen dafür, dass er sich nicht alles nur eingebildet hat?"

"Genau."

"Aber sein Glaube an Geister ist nicht so stark, das er dich dann noch sehen könnte. Mich konnte er ja auch nicht sehen. Gestern. Und er wird sich wieder schmerzhaft an seinen Verlust erinnern."

"Und ich werde auf ihn warten. Im Ferienhaus."

"So plötzlich? Obwohl dein Plan ganz anders war? Jetzt mal ehrlich Naruto, weißt du überhaupt was du tust?"

"Klar weiß ich das. Ich improvisiere. Du hast mich von meinem ursprünglichen Plan doch abgebracht. Heute morgen."

Itachi, der fast an der Decke geschwebt hatte, kam runter und stellte sich neben mich. "Was genau hast du vor?"

"Mal sehen. Ist sie gut? Ich meine, dieses Medium das Karin angeheuert hat?"

"Rebecca? Ja, schon. Mittelmäßig. Etwas besser, als der Durchschnitt."

"Glaubst du, sie kann meine Nachricht so rüberbringen, wie ich es sage?"

"Hm. Ich weiß nicht genau."

"Du könntest mich unterstützen," schlug ich vor. Ich wusste, wie sehr Itachi helfen wollte. "Entweder könntest du meine Gedanken verstärken, oder durch sie sprechen, wenn sie offen genug ist."

"Hm. Hm. Wenn das mal alles so klappt, wie du es dir vorstellst," murmelte er misstrauisch, aber seine Stimme klang trotzdem unterschwellig viel begeisterter als zuvor.

"Wenn nicht, lassen wir uns was anderes einfallen. Itachi?"

"Ja?"

"Ich bin wirklich froh, das du da bist."

Ich meinte es ehrlich, aber Itachi hatte damit wohl nicht gerechnet. Gut so. Das bedeutete, er hatte sich aus meinen Gedanken heraus gehalten, obwohl er in Sorge um seinen Bruder war. Oder vielleicht hielt er sich auch nur deswegen raus, weil ich in meinem Kopf gerade nur ein ziemliches Chaos hatte.

Itachi fand seine Sprache erst wieder, als ich das Studio schon erreicht hatte. "Und - was machst du jetzt?"

"Ich muss noch ein Bild zu Ende malen."

Solche Tage und andere

Ich beschäftigte mich ganz und gar mit der Beendigung meines Bildes. Es war fast so wie eine Meditation für mich. Zum Friedhof musste ich nicht mehr, ich hatte mir meinen Grabstein gut genug eingeprägt. Ein simpler Stein, der schon mit Moos bewachsen war. So hatte ich es gewollt. Kein zurecht gemeißelter Stein, womöglich noch mit irgendwelchen Engeln und noch anders bearbeitet, sondern ein naturbelassener, fast schon unscheinbarer Stein. Eigentlich hätte nur mein Name auch gereicht. Oder überhaupt kein Name. Das wäre mir auch egal gewesen. Aber nun war es eben so. Und es gefiel mir, das er von Efeuranken umwachsen war. Das Grab selbst wurde gepflegt. Sasukes Mutter hatte jemanden damit beauftragt. Vielleicht weil sie wusste, was ich ihrem Sohn bedeutet hatte, vielleicht auch, weil ich für sie da war, als Sasuke es nicht konnte.

Aber das eigentliche Grab wollte ich nicht zeichnen, nur den Stein. Dafür brauchte ich vor allem dunkle Farben. Ich ging einige Schritte zurück um es aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ja, das war es. Aber einfach zu dunkel. Menschen beurteilten oder bewerteten sogar Farben. Sie konnten eben nicht anders denken. Schwarz ist schlecht, weiß ist gut. Lächerlich.
 

"Sieht gut aus, du hast dich ehrlich verbessert." Itachi machte mir ein Kompliment. Wow.

"Deine Kritzeleien von früher erinnerten mich eher an die Gemälde von Kindergartenkindern. Von unbegabten Kindergartenkindern."

"Danke."

"Später sahen deine Bilder aus, als seien die Füße von einem Huhn in Farbe getaucht worden und es wäre über die Leinwand gejagt worden."

"Ich hab eben verschiedene Sachen ausprobieren wollen. Das nennt man abstrakte Kunst."

"Nein, abstrakte Kunst ist was anderes. Egal welche Art von Kunst es gewesen ist, es war eher eine BeleidigungfürdasAuge-Kunst."

"Mag sein. Aber ich hab ja auch nicht für dich gemalt."

"Für Sasuke?"

"Hm. Sasuke fand jedes meiner Bilder schön. Aber nein, ich glaube, ich habe nur für mich gemalt. Das es Sasuke gefiel war nur so etwas wie Nahrung für mein Ego. Allerdings," ich legte meine Palette zur Seite, "dieses Bild hier ist wirklich nur für Sasuke. Ich wünschte nur, ich hätte..."

"Schaut irgendwie düster aus."

"Ich hätte mehr Farben. Aber – es wäre Blödsinn es jetzt im Nachhinein bunter zu machen. Dann muss es eben so gehen."

"Damit – erinnert er sich an alles. Und mit alles meine ich nicht nur deine Beerdigung. Auch die Art, wie du gestorben bist. Glaubst du wirklich, er packt das?"

"Ja."

Itachi grummelte vor sich hin.

"Schaffst du es euer Ferienhaus so hinzukriegen wie damals?" fragte ich ihn.

"Damals?"

"Unser erstes Beisammensein. Wir hatten es im Ferienhaus."

"Ach du Scheiße."

"Sasuke hat es reinigen lassen, denke ich. Er verstreute Blumenblätter, Rosen um genau zu sein im ganzen Haus und in Herzform. In jedem Zimmer lagen Blätter in Herzform. Überall standen kleine Kerzen, wie nennt man die gleich wieder? Diese winzigen Kerzen." Ich zeigte ihm mit den Händen die Größe.

"Hm, Windlichter vielleicht? Teelichter?"

"Kann sein, keine Ahnung. Und Musik gab es auch. Geh einfach mal hin. Sasuke und ich haben auch Fotos gemacht. Die sind bestimmt noch da. Und die Erinnerung genauso."

"Du willst also, das ich die Erinnerung dort aufnehme, mir die Bilder ansehe und alles so herrichte, wie es damals war?"

"Genau, ich wusste du bist schlau, kannst du das?"

"Klar, kann ich das." Itachi machte eine Pause. "Eure schönste Zeit, ja?" Seine Stimme hatte einen traurigen Ton angenommen.

Ich sah ihm in die Augen. "Ja."

"Und vorher willst du aber, das er sich an alles erinnert. Auch daran, das du eigentlich – du weißt schon. Ich kann mir nicht vorstellen, das es so klappt."

"Er findet es ohnehin heraus. Früher oder später. Und – na ja, ich finde, wenn er sich erinnert, sollte er uns beide zur Unterstützung haben."

"Muss er es wirklich heraus finden, kannst du nicht einfach da bleiben?"

Ich schüttelte nur den Kopf. "Das geht nicht und wenn du ehrlich bist, weißt du das auch."

"Und mit Unterstützung meinst du, wir sollten ihn kontrollieren, wenn es soweit ist?"

"Klingt nicht gut, wie du es sagst. Aber darauf läuft es wohl hinaus."

Itachi atmete tief durch. Er schien zu überlegen, ob er mir vertrauen sollte oder mir lieber einen Tritt verpassen möchte.
 

Es gibt Tage da klappt einfach alles reibungslos. Dann gibt es wiederum Tage, da klappt überhaupt nichts. Das fängt sogar schon morgens an, wenn man vergeblich seine Hausschuhe sucht. Tage, in denen man wirklich am besten im Bett bleiben sollte. Und solche Tage hatte ich mehr als genug erlebt. Seit ich wieder mit Naruto zusammen war, aber keinen einzigen davon. Vielleicht sollte ich mich in absehbarer Zeit doch scheiden lassen. Naruto hatte mich gefragt, was ich selbst wolle, aber ich wusste es nicht. Außer ihm, dem Wunsch mit ihm zusammen zu sein, hatte ich meine Träume schon lange begraben.

Heute war einer der Tage die reibungslos klappten.

Ich rief Karin zurück. Der Termin für diese Seance wurde auf sieben Uhr vorverlegt. Ich stellte mir eine alte Frau mit Kopftuch und Glaskugel vor und meine Begeisterung war wie weggeblasen. Aber – da ich es mir nun mal vorgenommen hatte...sagte ich zu, allerdings mit Vorbehalt. Ich wusste nicht, ob Naruto irgendwas für heute geplant hatte.

Das Treffen mit meinem Vater lief ebenso reibungslos und drei Stunden später hatte ich den Vertrag mit unserem neuen Geschäftspartner unter Dach und Fach. Ich hoffte, das ich noch öfters mit diesem Mann arbeiten konnte. Als ich meinem Vater von ihm erzählte, meinte er ja, da sei sicher noch mehr raus zu holen. Jetzt hatte ich schon ein wenig Angst, er würde sich persönlich um ihn kümmern wollen.

Gegen sechs Uhr abends war ich zuhause. Naruto lag auf seinem Bett und reagierte kaum. Ich sagte ihm, das ich nochmal weg müsse. Er meinte ohne von seinem Comic aufzusehen nur "okay, ich auch."

Klar, ich musste mich echt beherrschen um nicht zu fragen, wohin er noch wollte, aber dann hätte er mich das Gleiche gefragt und aus irgendeinem Grund wollte ich weder das er es wusste noch das er mitkam. Ich wollte es ihm später erzählen. Vermutlich war alles ohnehin nur Scharade mit viel künstlichem Rauch, Tonbandstimmen und so weiter. Wir würden darüber lachen und dann konnte ich ihn immer noch fragen.

Nachdem Naruto mich weiterhin ignorierte ging ich zum Kleiderschrank. Im Anzug erschien man dort sicher nicht. Ich suchte nach Klamotten die einen lässigen Look hatten. Dann betrachtete ich mich im Spiegel. Nein, das ging überhaupt nicht. Eine schwarze alte Jogginghose und ein ausgeleiertes Hemd im Batikstil. Ich sah aus, als würde ich gleich zu Bett gehen.

Dann musste ich mich wohl bei Naruto bedienen. Die Zeit wurde langsam knapp und ich ärgerte mich, das ich Karin nicht nach der Kleidungsordnung gefragt hatte. Wie die wohl aussah?

"Zieh einfach ne Jeans und ein weißes Hemd an. Reicht doch."

Narutos Stimme verschaffte mir fast einen Herzinfarkt. Er lehnte an der Tür.

Auf der einen Seite war ich wütend, weil er mich so erschreckt hatte, auf der anderen Seite fühlte ich mich schuldig, weil er mich ertappt hatte.

"Du weißt es? Dachte, du findest es albern."

"Ja, tu ich auch. Aber – wenn du gerne hin willst, dann geh doch. Ist vielleicht eine interessante Erfahrung."

"Gut, denke ich auch. Also – du willst nach wie vor nicht mit?"

Naruto schüttelte seinen Kopf. "Wenn dann gehe ich allein," meinte er und zwinkerte mir zu, bevor er das Zimmer verließ.



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Von:  solty004
2014-03-24T12:20:07+00:00 24.03.2014 13:20
Hey,
auch hier spät aber doch ein Kommentar von mir.
Es war wieder ein echt super Kapiteln.

Wie weil Naruto seinen Grab stein sonst malen wen nicht mit eher dunklen Farben wen er ihn so echt wie möglich noch zeichnen möchte. Was wie er für helle fröhliche Farben verwenden dann ist er nicht mehr so wie auf den Friedhof aussieht das wäre nicht gut. Es ist auch nett das Itachi in lob das er seine Zeichen kühnste verbessert hat.
Es ist schon zu lesen das mal auch einer der wenigen Tage in Sasuke's Leben gib wo alles so läuft wie er sich es vorstellt.
Es ist auch gut wie Sasuke zu diesem Treffen mit Karin geht und sich was Passendes zu anziehen sucht von Naruto unterstützt wird. Ich versteh auch sein schuld Bewusstsein es von Naruto verheimlicht hatte. Es ist auch gut so das Naruto nicht so tut als wüste er nicht davon. Sonden noch meint er solle nur gehen.
Er begründet dass er nicht mit komme was anderes vor hat und dass dort sich eine Überraschung auf ihn zu kommen könnte.

Bin schon gespannt wie es weiter geht mit, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty


Von:  solty004
2014-02-20T12:13:20+00:00 20.02.2014 13:13
Hey,
Es waren zwei super Kapitel.

Es ist gut das Naruto versucht seine Welt ihm näher zu bringen und somit seine Neugier geweckt hat. Auch wen es Itachi es nicht ganz so gut findet wie er es gemacht hat.
Doch finde ich auch nicht gut dass er beschließt zu Karin zu gehen und nicht mal Naruto Bescheid zu sagen was er vorhat.
Es ist schade sich das sie sich eine kurzen augenblich Vorwürfe machen und der eine zu andern was sagt was er bereut. Doch ist der blonde reifer geworden und fahrt nicht aus der haut sondern gibt ihm eine kühle und zugleich trockne Antwort.
Doch finde ich es nicht schlecht dass es doch über den Weg des Medium gehen will und hoffe das sein Plan auf geht.

Bin schon gespannt wie es weiter geht mit, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty

Von:  Onlyknow3
2014-02-16T16:54:26+00:00 16.02.2014 17:54
Was wird das jetzt von Naruto, ein Verwirrspiel für Karin,oder eine neue Art der
vertreibung.Bin echt gespannt was für eine Humbuk Naruto mit Karin bei der Seance treibt. Denn das er was anstellt ist mir schon klar.Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Onlyknow3
2014-02-13T13:47:19+00:00 13.02.2014 14:47
Ist es aber nicht genau das was Naruto verhindern wollte das er da hingeht?
Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Akio21
13.02.2014 20:57
klar, sasuke hat es für sich entschieden, als naruto schon schlief. der weiß noch gar nichts von seinem glück
Von:  RandaleEiko
2014-02-12T13:42:18+00:00 12.02.2014 14:42
Ich frag mich wie sasuke reagiert wenn er dan zum erstenmal kontagt mit itachi aufnimmt
Von:  solty004
2014-01-13T09:59:35+00:00 13.01.2014 10:59
Hey,
spät aber doch noch ein Kommentar und dafür kurz.
Super Kapitellen, echt spanend und auch sehr leidenschaftlich.

Es war schön wie sich die beiden endlich so sinnlich hin geben konnten und sich endlich wieder ohne worte verstanden haben. So das der Andere Wuste was der eine wollte und brauchte.
Bin gespannt ob ihr Plan mit Karin funktioniert und sie einwilligt bis Sasuke so weit ist es zu verstehen.
Aber ob es Naruto gelinkt Sasuke's drittes Auge zu öffnen ist fraglich da muss ich Itachi zu stimmen. Wen man nicht von Natur aus die Begabung hat, ist es schwer oder fast unmöglich es zu erlernen.
Bin echt gespant ob es trotz dem gelingt?

Bin schon gespannt wie es weiter geht mit, Neugier halt durch bis zum nächsten Kapitel.
Freu mich schon auf das nächste Kapitel von dir für mein Kopf Kino.

LG Solty


Antwort von:  Akio21
13.02.2014 00:07
hi
grundsätzlich hat jeder die begabung. und die meisten leute haben gewisse erfahrungen auch schon gemacht. Nur haben viele angst und rennen panisch weg, suchen nach anderen "normalen" erklärungen, die im grunde völlig unsinnig sind, aber immer noch besser, als der gedanke, einen geist getroffen zu haben, und vergessen es dann einfach. manchen ist es auch gar nicht bewusst, das da was war. Und die dritte gruppe fängt an sich näher damit zu beschäftigen, oder sagt, so wie mein bruder - ist mir egal, interessiert mich nicht.
Von:  NaruSasu90
2014-01-10T21:14:24+00:00 10.01.2014 22:14
Wahhh halli hallo, ich bin ein neuer fan
bin gestern auf deine FF gestoßen und bin jetzt durch.
Ohmannnn... interessante Story wirklich mal was ganz anderes. Und deine Sichtweisen und erklärungen für die Dinge finde ich absolut super und glaubwürdig im sinne einer Geschichte. Und als mir klar wurde das naruto ein geist ist, da musste ich mir die tränen zurück halten.. weil die vorstellung einfach so traurig ist. Die armen beiden ... Sasuke ist so glücklich und für Naruto stell ich es mir so quälend vor... weil er weiß das es eigentl nicht geht zumindest nicht für immer -.-
Ich verstehe nur nicht ganz warum Sasuke sich an nichts erinnern kann?!
Okkaayyy
also alle sin einem bin ich echt begeistert und freue mich auf das nächste Kapitel!
Liebste grüße
Von:  Onlyknow3
2014-01-09T08:05:29+00:00 09.01.2014 09:05
Das war zu viel des guten für Sasuke. Das Naruto Geister sehen kann konnte er noch verstehen, aber das er auch Dinge weiß die nur Itachi und er wissen können war dann doch mehr als er verkraften konnte. Mach weiter so,freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  RandaleEiko
2014-01-07T21:00:53+00:00 07.01.2014 22:00
na dann spiel deine asse mal aus naruto
Von:  Onlyknow3
2013-12-30T20:17:00+00:00 30.12.2013 21:17
Das Kapitel ist klasse,mach weiter so,bin schon ganz hibbelig, weil ich wissen will wie Karin auf Naruto reagiert.Freue mich auf das nächste Kapitel.
Wünsche dir ein Gutes neues Jahr, und komme Gesund rein.

LG
Onlyknow3


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