loving your weak point von Ryoko-san (Wie würdest du dich entscheiden?) ================================================================================ Kapitel 6: Eine sanfte Berührung -------------------------------- 'Los, sag Bitte.' 'Was?' 'Sag. Bitte.' 'Warum sollte ich?' 'Oh, Sherlock Holmes, das wird dir noch leid tun.' ~~~~~ Sherlock saß konzentriert an seinem Küchentisch und starrte durch sein Mikroskop, während er die Petrischale leicht hin und her schob und mit einer Pinzette im zermahlenen Inhalt herumstocherte. Er ließ ein entnervtes Seufzen verlauten, sah auf und rieb sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. "Nichts?", ertönte Johns Stimme aus dem Wohnzimmer und er konnte Sherlock vom Esstisch aus sehen, wenn er sich leicht zurückbeugte. Der Jüngere war selten so demotiviert, selten so... ratlos, was einen Fall anging. "Absolut rein garnichts", gab Sherlock mit Unmut zu und stand müde von seinem Platz auf, schlurfte auf John zu und ließ sich vor ihm in seinen Sessel fallen, dem Älteren nun den Rücken zugewandt. "Nicht aufgeben. Ich glaub an dich." Der Braunhaarige kniff die Augen, für John unsehbar, zusammen, als er dieses kleine Wörtchen vernahm. Du. Er hatte ihn geduzt. Wieso? Wieso gerade jetzt? "Wenn ich aber nichtmal selber in mich vertraue, wie sollen es andere dann können, John?" Angesprochener ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen, wusste keine Antwort darauf. Sherlock seufzte erneut auf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, beugte sich dabei leicht nach vorn. "Los, du als mein Doktor - welche Therapie schlägst du vor?" John brauchte einige Sekunden, bis er den Sinn dahinter verstand und blinzelte Sherlock schließlich fragend an, der sich nicht umgedreht hatte, aber mit gefalteten Händen vor dem Kinn auf eine Antwort zu warten schien. "Nun", begann Doktor Watson fachmännisch zu analysieren und zu deduzieren, "ich würde sagen, eine Mütze voll Schlaf könnte da Abhilfe schaffen. Oder aber Entspannungsmaßnahmen, um die Gehirnströme durch die Nerven wieder besser fließen zu lassen." "Rauchen?" "Nein, Sherlock, nicht rauchen. Andere Entspannungsmaßnahmen wie ein heißes Bad, was hier leider nicht funktioniert mit nur einer Dusche. Eine Massage. Oder auch mentales Train-" "Fahre fort." Irritiert blickte John auf den Lockenschopf. "Ich bin doch gerade dabei!? Also-" "Nein, setze es in die Tat um." "Was meinst- oh." In dem Moment wurde dem Älteren klar, dass Sherlock nur die Massage meinen konnte. Eigentlich hatte er professionelle Massage gemeint, keine von einem Amateur. Gut, natürlich konnte John einzelne Partien lockern, das gehörte zu seinem Job dazu, aber eine vollständige Bearbeitung und Genesung der Muskeln war nicht sein Fachgebiet. "Ich... bin aber nicht so besonders gut darin." "Oh, ich glaube, es wird vollkommen ausreichen." Sherlock schien es ernst zu meinen. Er hatte sich mit einem kurzen Nicken zu ihm umgedreht und saß nun wieder mit dem Rücken zum Doktor, ließ seine Schultern etwas kreisen und wartete. Wartete auf Johns Hände. Auf warme, starke Hände, die sanft sein würden. Die langsam Verspannungen lockern würden, von denen der Detective sicher selber nichts wissen würde und die ihn unbemerkt in seinem Denkvermögen für den aktuellen Fall blockierten. John räusperte sich kurz, warf einen Blick á la 'ist-das-jetzt-wirklich-dein-Ernst-Sherlock?-Reicht-es-nicht-dass-du-die-Sache-mit-dem-Schal-bemerkt-und-mich-damit-lächerlich-hast-aussehen-lassen' auf den Boden und krempelte seine Ärmel hoch, während er sich Mut zuredete. 'Lediglich ein Patient, lediglich ein Patient, lediglich...Sherlock.' Er rückte den Stuhl näher an den Sessel heran und legte seine Hände schließlich auf beide Schultern des Jüngeren. Sie fühlten sich kühl an durch den Satinstoff seines Morgenmantels und John verharrte kurz, in Gedanken vertieft. 'Das ist DIE Chance, John! Jetzt kannst du zeigen, was in dir steckt! Als Arzt und als 'Liebhaber'...', flüsterte sein Gewissen mit Vorfreude und tänzelte innerlich auf und ab, während es sich die Hände rieb. John wischte alle Gedanken beiseite und begann, leichten Druck auf Daumen und Fingerspitzen auszuüben. Sofort merkte er, wie sich der Braunhaarige verkrampfte. "Hey, ganz locker. Wenn du dich verkrampfst, wird es weh tun, Sherlock." Ein stummes Nicken von Sherlock und John fühlte, wie sich der Körper unter seinen Händen immer weiter fallen ließ, wie er leichter zu bewegen war, wie er seine Hände in den Muskeln vertiefen konnte und gezielt Druck an einigen Punkten knapp neben der Wirbelsäule mit seinen Daumen massierte. Gleichzeitig strich er mit den restlichen Fingen von seinem Haaransatz über den Nacken und ließ die Bewegungen in einem Streichen auf seine Schulterblätter ausklingen. "Du bist tatsächlich ganz schön hart- VERSPANNT", korrigierte er sich lautstark und fühlte, wie Sherlock kurz zusammenzuckte. "Entschuldige", fügte er verlegen hinzu und schluckte. Dieser Ausdruck konnte natürlich nur ihm über die Lippen kommen und genau in einem so intimen Moment. Er sah den Jüngeren schon aufstehen und etwas von wegen 'Fachjargon' und 'unfähig' murmeln, während John mit hochrotem Kopf zurückbleiben würde und ein Loch suchte, wo er sich hineinverkriechen konnte. Aber nichts dergleichen geschah. Als der Doktor erneut an der richtigen Stelle an seinem Rücken ansetzte, ließ Sherlock sich sogar noch ein Stück weiter in den Sessel sinken und drückte sich Johns Fingern fast schon entgegen. Ob er jemals solch körperliche Nähe zugelassen hatte bei jemand anderem? Hatte Sherlock in seiner Jugend nie Freunde gehabt... eine Freundin? Einen Freund vielleicht, mit der oder dem er intim gewesen war?John fielen zahlreiche Komödien ein, in denen es um 'alte Jungfrauen' ging, die jenseits der 30 noch nie Sex gehabt hatten. Er hatte die Filme nie gesehen, aber allein die Titel schienen so sonderbar, so unglaubwürdig - und doch hatte er vielleicht genau so jemanden vor sich sitzen. Die Hauptpersonen in den Filmen waren stets tollpatschig, unattraktiv oder sonst irgendwie nerdig. Traf das auf Sherlock zu? Definitiv nicht. Er war smarter als jeder, den John sonst kannte, gut aussehen tat er auch, oh und wie gut! Ein Nerd war er nur manchmal und nur für Außenstehende. Solche, die ihn Freak nannten und ihm ein Verpiss dich hinterriefen. John würde es nie im Leben einfallen, auch nur in Gedanken an solche Bezeichnungen über Sherlock zu denken. Er kannte ihn besser. Besser als jeder sonst. Besser als Mrs Hudson, besser als Lestrade, besser als Molly. Besser als Maycroft? Oh, er wollte ihn aber noch soviel besser kennen lernen, besser als... "Hn." Ein leises Seufzen holte John aus seinen Gedanken. Dieser Laut war nicht unbewusst von ihm gekommen. Sondern von Sherlock. Ein tiefes, samtenes Geräusch, das im Brustkorb vibrierend schließlich über seine Lippen gekommen war und den Blonden seine Berührungen stoppen ließen. Er fühlte, wie seine Wangen heiß wurden, wie seine Hände zu kribbeln begannen, wie sein Atem flacher wurde, schneller. Der Jüngere genoss es. Er wollte von John berührt werden, er wollte es genießen. Er genoss es. Dieser zustimmende Laut hatte es bewiesen. "John?", hörte er den Bariton nun leise fragen, doch bevor Sherlock ihn über die Schulter ansehen konnte, hatte John schon seine Hände weggezogen und war aufgestanden, um Sherlock nicht ansehen zu müssen. "Wieso hörst du auf, John? Das hat sich gut angefühlt." Oh Gott! "Jaaawn", begann Sherlock fast schon kindlich zu jammern und stand ebenfalls auf, doch bevor er John erreicht hatte, war dieser schon mit einer abwinkenden Geste in Richtung Badezimmer abgezogen; ruhig, aber bestimmt. Er brauchte Abstand. Sofort. Lauter als gewollt fiel die Tür ins Schloss. Tief atmend stützte sich der Arzt über dem Waschbecken ab und drehte den Wasserhahn auf, als er leise zu fluchen begann. "Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt!" Er sammelte Wasser in seinen Händen und tränkte sein Gesicht damit, bevor er hoch und seinem Spiegelbild ins Gesicht sah. Er war hochrot um die Wangen herum und seine Augen waren weit aufgerissen. "Wieso er? Wieso gerade er?", flüsterte er sich selbst zu und sah, wie verzweifelt der Mann im Spiegel ihn anblickte. Er hätte beinahe Magenkrämpfe bei sich diagnostizieren können, wüsste er nicht genau, dass dieser Druck in der oberen Bauchregion andere Gründe haben könnte. Haben sollte. HATTE. Zu oft hatte er ähnliches gefühlt. Betont ähnliches. Nie war er wegen Frauengeschichten so zerissen wie jetzt. Nie war er so kopflos wie in diesem Moment. Er fühlte sich schwerelos, taub, benommen. Und doch klingelte diese Stimme in seinem Kopf, die seinen Namen sagte. Mit einem Seufzen. Stöhnend. Und oh, John wollte mehr davon. Er musste mehr davon hören. Sherlock sollte ihn schreien, sollte vor Lust- 'Herrje, jetzt übertreibst du aber. Führst dich ja auf wie ein pubertärer Notgeiler, Dr Watson. Komm mal runter, alles zu seiner Zeit.' John schloss mit zittrigem Atem seine Augen, holte mehrmals tief Luft und griff nach dem Handtuch, um sein Gesicht abzutrocknen, als es an der Tür klopfte. "Dr Watson?", ertönte dumpf Sherlocks Stimme durch die Holztür. "John, was ist los?" Der Ältere hing das Handtuch zurück an seinen Platz und öffnete die Tür. "..." Sherlock erwartete eine Antwort, doch John ging ohne einen Blick vorbei. "John!?" 'Wieso merkt er nicht, was er falsch macht? Er ist doch sonst so ein Genie. Aber nein, kaum geht es um zwischenmenschliches Zwischen-den-Zeilen-lesen, stellt er sich dumm. Da hast du dir ja genau den Richtigen ausgesucht, John. Das kann noch lustig werden.' "Sherlock", begann der Blonde in ruhigem Ton, drehte sich um und sah den Braunhaarigen endlich an, der etwa einen Meter entfernt stehen geblieben war im Wohnraum und jetzt aufmerksam zu horchen schien. "Ich hoffe, die Massage war entspannend. Aber du hast es ja schon bestätigt." "Machst du weiter?" John ballte die Hände an seinen Seiten zu Fäusten, bis seine Knöchel weiß hervor traten. "Krampf... in der Hand, weißt du. Besser, wir verschieben das." "Oh", machte der Jüngere nur und sein Blick wurde weicher. Er überwand die Distanz zwischen ihnen und beugte sich leicht vor, nach Johns Hand greifend. Déjà vu. "Sher-", doch der Ältere wurde mit einem Blick von Sherlock zum Schweigen gebracht. Seine linke Hand lag in der warmen des Lockenschopfs und er begann, Johns Techniken, die er eben an seinem Rücken erfahren durfte, nachzuahmen und knetete leicht über das Handgelenk bis zu seinen Fingerspitzen, umfuhr jeden Finger einzeln mit seinen langgliedrigen Fingern und drückte zu, sodass die Haut für einen kurzen Moment weiß wurde und sich gleich wieder rot färbte, als er fortfuhr. John fürchtete, dass Sherlock seinen beschleunigten Puls durch die Hand erfühlen konnte und vermied es, ihn anzusehen. Wieso ließ er es zu? Wieso ließ er ihn das hier mit sich machen? Wollte Sherlock ihn ärgern oder hatte er tatsächlich nur seinen eigenen Vorteil im Kopf, dass John mit entspannten Fingern erneut seinen Nacken massieren könnte? Er musste sich wahrlich konzentrieren, nicht zu sehr zu zittern bei diesen sanften Berührungen. "Gut?" Bei diesem Wort, dieser Frage, musste John schlucken. Er nickte stumm. Was sollte er auch antworten? An diesem Abend schien alles für ihn zweideutig zu klingen. Eine Gänsehaut überzog seine Arme und reichte bis in seine Oberschenkel, als der Jüngere schließlich auch die andere Hand bearbeitete und ruhig atmend vor ihm stand, nicht die Miene verziehend, aber irgendwie zufrieden wirkend. War Sherlock tatsächlich so naiv und tat das hier ohne jeglichen Hintergedanken sexueller Natur? Dachte er, dass Freunde das so tun füreinander? Sich gegenseitig massieren? Sich derart nahe sind? John kaute mittlerweile auf seiner Unterlippe und traute sich, die Augen zu schließen, um den Moment noch mehr genießen zu können, bevor Sherlock ihn gleich loslassen und vielleicht wieder herumkommandieren würde. Ein kleiner Moment, der so intim schien, da sie so nahe beieinander standen und er den vertrauten Sherlock-Geruch wahrnehmen konnte, ihn aufsaugen konnte und in seinem Kopf ein wahrer Filmstreifen mit geheimen Wünschen ablief, die sie beide jetzt unternehmen konnten. Doch die Realität sah anders aus. "Lunch?", riss Sherlock ihn aus seinen Gedanken und als John die Augen öffnete, war der andere schon an der Küchentheke angelangt und griff sich ein Prospekt eines Lieferservices. Hatte er wirklich nicht gemerkt, dass Sherlock längst fertig war mit der Massage und hier dumm rumgestanden? Wie doof musste er ausgesehen haben, mit verkrampfter Haltung und geschlossenen Augen und geröteten Wangen!? Wie furchtbar verzweifelt musste er auf Sherlock wirken, dass er so bei einem Mann reagierte. Wenn der Braunhaarige denn überhaupt wusste, wann man wie zu reagieren hatte. "Gute Idee", antwortete John knapp und räusperte sich, während er verstohlen auf seine kribbelnden Hände hinunterblickte, die nach ihm rochen und wunderbar warm waren... und dann schossen ihm Moriartys Worte wieder durch den Kopf von seinem Anruf vor ein paar Stunden und die Welt wurde wieder ein ganzes Stück dunkler, als sie es noch vor wenigen Augenblick war. ~~~~~ To be continued... Und wieder ist ein Kapitel beendet! Oh, es wird langsam aber sicher spannend. Ein paar Kapitel noch, dann geht es rund. In jeglicher Hinsicht ;D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)